Johann C.L. Hellwig
und das Braunschweiger Kriegsspiel
Rolf F. Nohr und Stefan Böhme
Appelhans-Verlag Braunschweig
Die Auftritte
des Krieges
sinnlich machen
Die Auftritte des Krieges sinnlich machen · Rolf F. Nohr, Stefan Böhme
☞ Der Begriff der Strategie ist in
unserer Gesellschaft heute
prä sent wie nie. Ein dauerhaftes
Element in der Geschichte des
Strategischen ist das Spiel – wie
zum Beispiel das 1780 von Johann
C. L. Hellwig in Braunschweig
entworfene „Kriegsspiel“. Dieses
Buch handelt von dem in Braun-
schweig entwickelten Kriegs spiel,
seiner Rekonstruktion, aber auch
der Geschichte des Strategischen
und den Ideen zur „Versinnlichung“
des Strategischen.
Die Auftritte des Krieges sinnlich machen
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Johann C. L. Hellwig und
das Braunschweiger Kriegsspiel
Die Auritte des Krieges
sinnlich machen
Rolf F. Nohr und Stefan Böhme
Unter Mitarbeit von Gunnar Sandkühler
Appelhans-Verlag Braunschweig 2009
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Appelhans-Verlag Braunschweig 2009
Buchgestaltung und Satz: Jörg Petri
Lektorat: Katrin Meissner
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-941737-02-0
Printed in Germany
Gefördert von:
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Inhalt
Das Hellwigsche Kriegsspiel und die Wissenschaft vom Spielen . . . . . . . . . . . . 7
Johann Christian Ludwig Hellwig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5
Das Kriegsspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 0
Das Kriegsspiel als Erziehungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Von Wéiqí zu Command & Conquer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Appendix: Die Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
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Das Hellwigsche Kriegsspiel und die
Wissenscha vom Spielen
Die Landschaft des Spielbrettes ist dicht gefüllt: Nicht nur, dass ein Labyrinth
von Flüssen, Wäldern, Bergen und Dörfern die Landschaft zwischen den beiden
tief verschanzten Festungen füllt – es drängen sich auch schier unüberschaubare
Massen von Infanteristen und Kavalleristen, Artilleriestellungen mit Bedienmann-
schaften, aufgeworfene Verschanzungen und mit Pontobrücken beladenen Wagen
auf dem Feld. An den Stellen, an denen sich die aufmarschierenden Armeen gegen-
überstehen, verlieren sich die Figuren und die Ordnung der gegliederten Linien,
und ein Tumult von Einzelkämpfen wird sichtbar. Vor unserem Auge entfaltet sich
aber nicht die Schlacht bei Waterloo, sondern das Kriegsbrettspiel Johann Christian
Ludwig Hellwigs.
Konzentriert stehen die Spieler um das Brett her-
um: Je zwei ziehen die Figuren der beiden Parteien,
ein Spielleiter achtet auf die Regelgerechtigkeit der
Züge und Aktionen. Flüsternd beraten sich die Spie-
ler: Was soll als nächstes geschehen? War die Aus-
gangsaufstellung optimal? Ist es Zeit, die zurück-
gehaltenen Reserveeinheiten nach vorne zu führen,
soll man einen Umgehungsvorstoß über die Flanken
wagen oder lieber die direkte Konfrontation suchen?
Jeder Zug bedarf gründlicher Überlegung. Es gilt,
langfristige Strategien zu entwickeln, die Bewegun-
gen und Ziele des Gegners abzuschätzen und vor
allem die eigenen Pläne möglichst nicht zu früh
offen sichtlich werden zu lassen. Die Vielzahl der
Regeln und die generelle Logik des Spiels lassen es
Abbildung 1: Detailausschnitt einer Figuren-
konstellation aus der Rekonstruktion des
Hellwigschen Spiels in Braunschweig, 2007
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kaum zu, es schnell und ›ohne Rücksicht auf Verluste‹ zu spielen. Wer seine Arme-
en frontal auf die des Gegners prallen lässt, tauscht mit diesem Zug für Zug Figuren
– am Ende sind beide Armeen eliminiert und das Ziel, die generische Festung zu
erobern oder dauerhaft zu belagern, ist dem Angreifer genauso fern wie zu Beginn
des Spiels.
Die gesamte Philosophie des Spiels nötigt seine Spieler, den Gegner strategisch
und taktisch auszulavieren, weniger auf Figurennahme hin zu arbeiten als auf ge-
schickte Raumnahme, auf überlegene Bedrohungssituationen hin zu planen, die
den Gegner zum Zurückweichen zwingen. Kurz gesagt, wer im Hellwigschen Spiel
besser mittel- und langfristig vorausplant und vorausschaut, der wird auch gewin-
nen. Das Hellwigsche Spiel ist ein Kriegsschachspiel, das den strategischeren Den-
ker gewinnen lässt und seine Spieler zu Strategen macht.
Damit treffen im Braunschweiger Kriegsspiel zwei Funktionen aufeinander, die
zwar auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben scheinen, die aber
dennoch über die Jahrhunderte oft zueinander gefunden haben: das spielerische
Handeln und das strategische Denken. Zwar ist uns der Genrebegriff des Strategie-
spiels geläufig, nur selten aber denken wir darüber nach, wie sich eigentlich die
Momente des Spiels und der strategischen Planung miteinander verbinden. Vom
Schach bis zu heutigen Spieltiteln wie StarCraft, Civilization oder Stratego ist es
ein langer Weg, dessen Untersuchung nicht nur Aufschluss über die Spiele selbst
gibt, sondern auch die Rolle des Strategischen in der Gesellschaft beleuchtet. Denn
›Unternehmensstrategien‹, ›Wahlkampfstrategien‹ oder ›Persönliche Lebenspla-
nung‹ zeigen, wie allgegenwärtig und selbstverständlich der Begriff der Strategie
in unserer Gesellschaft heute vorkommt: Strategie bezeichnet ein systematisches
Vorgehen, ein langfristiges Planen im Gegensatz zur kurzfristigen Taktik.
Deshalb wollen wir Strategiespiele nicht nur als Spiele begreifen, sondern auch
als ›Einübungsform‹ einer Art des Denkens. ›Eine Strategie zu entwickeln‹ steht
heutzutage synonym für eine Art des rationalen und geplanten Denkens und scheint
damit zunächst wenig zu tun zu haben mit dem ›Spiel‹, einer Form des Vergnü-
gens, einer Freizeitaktivität oder Muße-Handlung. Da es aber unsere These ist, dass
im Spiel das Leben ›geübt‹ wird, erscheint es uns mehr als sinnvoll, gerade jene
Strategie spiele näher zu untersuchen, die das Leben als ›Probehandeln‹ entwerfen,
also vielleicht didaktische Formen der spielerischen Einübung eines ernsten Den-
kens darstellen.
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Eine exemplarische Form einer solchen Einübung ist das 1780 von Johann Christian
Ludwig Hellwig entworfene Kriegsspiel, welches er unter dem Titel »Versuch eines
aufs Schachspiel gebaueten taktischen Spiels von zwey und mehreren Personen
zu spielen« als Buch veröffentlicht. Es kann als Beispiel für die diversen Vorläufer
einer strategischen Spieltradition verstanden werden, die sich heute in computer-
basierten Wirtschafts- und Aufbausimulationen wie SimCity und Command & Con-
quer oder in Brettspielen wie Risiko und Monopoly wieder findet.
Dieses Buch handelt daher von dem in Braunschweig entwickelten Kriegsspiel.
Gleichzeitig will es dieses Spiel aber auch als herausgehobenes Beispiel für die
Verbindung von Spiel und Strategie begreifen. Der 227 Jahre nach seiner ›Erfin-
dung‹ ebenfalls in Braunschweig durchgeführte Nachbau des Spiels ist daher nicht
nur von rein historischem Interesse. Es ist uns auch wichtig, das ›Gefühl‹, ein sol-
ches Spiel zu spielen, selbst erfahren zu haben, und im eigenen Spielen erlebt zu
haben, wie ein didaktisches Prinzip über zwei Jahrhunderte hinweg immer noch
seine Wirkung entfaltet. Während wir in stundenlangen Spiel-Sitzungen versucht
haben, der Logik des Spiels zu folgen, haben wir
aber eben nicht nur etwas über das Denken auf den
Feldherren hügeln des 18. Jahrhunderts gelernt, son-
dern vielleicht auch – viel abstrakter – ein Wissen
angeeignet, das ebenso im 21. Jahrhundert anwend-
bar ist.
Spiele sind eben nicht nur Spiele, sondern auch
Werkzeuge, die zur Ausbildung in Bereichen wie
Management, Militär, Planung, Steuerung oder
Sportschulung eingesetzt werden. Neben den As-
pekten des Spielerischen wird also vor allem eine
grundlegende Denkweise trainiert, nämlich dass
komplexe ökonomische, militärische und politische
Prozesse eine effiziente und rationale Steuerung
brauchen. Dass uns die Vorstellung des ständigen
Trainings aller möglichen Vorgänge auf trügerische
Weise selbstverständlich vorkommt, ist wiederum
selbst das Ergebnis einer langen Geschichte der
Affekt kontrolle und Selbstdisziplinierung. Spiele
Abbildung 2: Das von dem oscarnominierten
französischen Regisseur Albert Lamorisse in
den 50er Jahren entwickelte Brettspiel Risiko ist
sicher eines der bekanntesten Kriegsbrettspiele.
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sind dabei gleichermaßen Teil als auch Ergebnis dieser Geschichte. In unserer his-
torischen Fallstudie wollen wir daher auch Aufschlüsse über heutige Spiele gewin-
nen und verstehen, wie Strategiespiele als Kulturtechnik immer schon einen wich-
tigen da zentralen Bestandteil einer Gesellschaft gebildet haben. Hatte der Begriff
zunächst noch eine enge Bindung an die ›Kunst der Kriegsführung‹, so beobachten
wir heute zunehmend eine Universalisierung des Strategischen. Jeder Lebensbe-
reich, jede Handlung wird aus strategischer Perspektive betrachtet und zielgerichtet
optimiert.
Strategiespiele
In dieser Tradition steht auch das Braunschweiger Kriegsspiel, entworfen als kosten
-
günstige Kriegssimulation zur Ausbildung des militärischen Nachwuchses, entwi-
ckelt von dem Mathematiker und Insektenkundler Johann Christian Ludwig Hell-
wig und 1780 als Regelbuch veröffentlicht.
Das Hellwigsche Spiel ist Teil einer langen Tradition
strategischer Spiele. Beginnend mit dem chinesi-
schen Wéiqí (heute hauptsächlich als Go bekannt)
und dem indischen Chaturanga (einer Vorform des
heutigen Schachs) bilden sich diverse Formen her-
aus, neben Brettspielen auch Karten-, Mannschafts-,
Such- und Simulationsspiele. Denn jenseits des rei-
nen Glücksspiels sind fast alle Spiele strategisch
motiviert. Sind es zunächst vornehmlich Brettspiele,
die man als Strategiespiele bezeichnen würde, hat
sich bis heute eine breite Palette unterschiedlicher
Spielformen und -genres herausgebildet. Die Nähe
zur strategischen Kriegsmetapher fällt dabei unter-
schiedlich eng aus. Aktuelle Brettspiele wie Stratego,
Risiko, Jagd auf Mister X oder Die Siedler überformen
die eigentliche strategische Siegbedingung mit ei-
nem narrativen Muster, wie etwa der Kolonisierung
einer neuen Welt, die beispielsweise dem Schach
oder dem noch abstrakteren Go nicht zu Eigen ist.
Abbildung 3: Johann Christian Ludwig Hellwig
anlässlich seiner Hochzeit mit
Henriette Dorothea Schönwaldt am 7 4 1774
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Sie sind dabei aber in ihrem ›Simulationscharakter‹ dem Hellwigschen Spiel sehr
nahe.
Als eine eng zum Hellwigschen Spiel verwandte Form des strategischen Spiels
können die tabletop games gelten. Als ›Tabletop‹ bezeichnet man ein Strategiespiel-
system, bei dem Miniaturfiguren, die früher aus Zinn gegossen oder aus Papier aus-
geschnitten wurden und heute meist aus Zinn oder auch Kunststoff gefertigt sind,
auf einer Oberfläche ohne Spielfelder bewegt werden. Die heutigen Tabletopspiele
wie Warhammer oder Battletech sind als explizite Weiterentwicklungen des Kriegs-
brettspiels zu verstehen. Sie fügen allerdings dem strategischen Element ein ökono-
misches hinzu: Der Erwerb der jeweiligen Spielfiguren ist einerseits fast unbegrenzt
möglich, andererseits aber auch mit hohen Kosten verbunden. In ähnlicher Weise
sind die aktuellen trading card games, wie beispielsweise Magic the Gathering, Poké-
mon oder Star Wars zu verstehen. Diese Sammelkartenspiele sind Kartenspiele zu
üblicherweise fantastischen Themen.
Konfliktsimulationen
Den ›Übergang‹ vom strategisch geprägten Spiel hin zur Strategiesimulation des
Computerspiels bilden die conflict simulations. Sie entstehen aus den strategischen
Kriegsbrettspielen zumeist im Kontext des Militärs. Hier steht nun der Simulations-
charakter im Vordergrund, also der Anspruch, reale Konfliktsituationen zu planen
oder nachzuvollziehen. Mit den schließlich durch den Computer ab Mitte des 20.
Jahrhunderts gegebenen Möglichkeiten entwickeln diese Konfliktsimulationen eine
komplexe Tiefe der Regeln und Parameter. Exempla-
risch sei hier nur auf das im Jahr 1950 durch den Phy-
siker George Gamow entworfene Spiel Tin Soldier
verwiesen, auch bekannt als Maximum Complexity
Computer Battle, das wohl als eine der bekanntes-
ten computerbasierten Konfliktsimulation en gelten
kann. 1954 folgt als nächstes Herbert Goldhammers
Spiel Cold War Game und 1959 Oliver Benson mit
Simple Diplomatic Game. All diese Spielkonzepte
eint ihr Charakter der modellhaften Nachbildung
realer, zeitgeschichtlicher Konfliktsituationen. Nach
der Definition der zunehmend komplexen Ausgangs-
Abbildung 4: Future Force Company Comman-
der, eine aktuelle militärische Konfliktsimulation.
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bedingungen strategischer, militärischer, diplomatischer und politischer Natur be-
rechnet der Computer auf der Basis eines vordefinierten Algorithmus den Ausgang
des Konflikts. Die Teilnehmer selber können diesen Vorgang nur passiv abwarten.
Es liegt nahe, in diesen Formen nun einerseits eine enge Anbindung, beispielsweise
an das Modell des Hellwigschen Spiels, zu erkennen, andererseits aber auch die
Schnittstelle zur Entwicklung des Computerspiels.
Game studies
Die heute populären Computerspiele gliedern sich zu großen Teilen sehr eng und
deutlich in die historische Linie der Strategiespiele ein. Dabei übernimmt der
Computer entweder die Rolle eines Gegenspielers oder er bietet eine Plattform, auf
der mehrere Spieler miteinander beziehungsweise gegeneinander spielen können.
Genutzt werden solche Multiplayerfunktionen insbesondere über lokale Netzwerke
oder das Internet.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten von Computer-Strategie-
spielen, rundenbasierten Strategiespielen und Echtzeit-Strategiespielen. In run-
denbasierten Strategiespielen führen die Spieler ihre Züge in einzelnen Runden
nacheinander aus, ähnlich wie beispielsweise beim Schach. Da die Spieler nicht
unter Zeitdruck stehen, ist eine präzisere Planung der Aktionen möglich. Aus die-
sem Grund sind rundenbasierte Strategiespiele meist komplexer als Echtzeit-Stra-
tegiespiele und integrieren oft zusätzliche Aspekte, wie zum Beispiel Diplomatie,
Ökonomie, Urbanistik, Evolution oder Politik. Die eigentlichen Konflikt situationen
treten in den Hintergrund und werden weitaus abstrakter dargestellt als in Echt-
zeit-Strategiespielen. Die Palette reicht hierbei von Spielen auf taktischer Ebene
(wie beispielsweise Panzer General oder die Battle Isle-Reihe) bis hin zu ›globa-
len‹ Spielen, in denen man eine Nation weiterentwickelt und führt (beispielsweise
in der Civilization-Reihe). In Echtzeit-Strategiespielen ist zusätzlich zu den rein
strategischen und taktischen Handlungsmöglichkeiten die Geschwindigkeit, in der
diese ausgeführt werden, entscheidend. Auf diese Weise verringern Echtzeit-Stra-
tegiespiele die Komplexität von Spielabläufen eher und verstärken die Handlungs-
formen des schnellen Reagierens und Planens unter Zeitdruck. Somit trat neben
das logische Denken auch die Geschicklichkeit in der Bedienung des Spiels in den
Vordergrund. Mit den wachsenden technischen Möglichkeiten überflügelten die
Echtzeit-Strategiespiele die rundenbasierten im kommerziellen Erfolg.
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Danksagung
Die von Hellwig nachdrücklich betonte Versinnlichung von Wissen im Spiel haben wir
auch selbst erfahren können. Denn das Hellwigsche Kriegsspiel ist nicht nur inhaltlich,
sondern auch materiell rekonstruiert worden. Viele Erkenntnisse und Vermutungen
über die Funktion von Spielen und vor allem des Braunschweiger Kriegsspiels haben
sich entsprechend erst ›am Brett‹ eingestellt. Möglich war dies im Rahmen des For-
schungsprojekts ›Strategie spielen‹, das sich an der Hochschule für Bildende Künste
Braunschweig mit der kulturellen und medialen Bedeutung von Strategiespielen aus-
einandersetzt. Das Forschungsprojekt wurde 2006 an der HBK Braunschweig mit Un-
terstützung der großzügigen Förderung der Stiftung Nord / LB-Öffentliche ins Leben
gerufen, um solche Perspektiven der Verschränkung von Spiel, Wissen und Handeln
zu untersuchen und dabei das Computerstrategiespiel ins Zentrum zu rücken. Die
Rekonstruktion des Hellwigschen Spiels war jenseits des eigentlichen Forschungs-
projekts vor allem durch die finanzielle Förderung durch die Stadt Braunschweig und
die HBK im Rahmender Initiative ›Braunschweig - Stadt der Wissenschaft 2007‹ mög-
lich. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Braunschweig und durch
die HBK konnte das Projekt umgesetzt werden. Unser Dank gilt also all denjenigen,
die durch ihr Engagement die Rekonstruktion und das Forschungsprojekt ermöglicht
haben. Zu nennen sind hier namentlich die Stiftung Nord / LB–Öffentliche und die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Finanzierung. Ebenso gilt unser
Dank der HBK Braunschweig, dem Initiativkreis ›Braunschweig – Stadt der Wissen-
schaft 2007‹, dem Landesmuseum Braunschweig und dem Appelhans-Verlag. Bei der
Recherche waren uns das Archiv der TU Braunschweig, hier vor allem Lars Stromin-
ski, die Niedersächsische Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen und das Nie-
dersächsische Landesarchiv (Abteilung Wolfenbüttel) unverzichtbare Hilfen. Ebenso
möchten wir uns bei den Herrn S. Schönle und W. Angerstein für wertvolle Beiträge
und Material funde bedanken. Daran, dass die tatsächliche materielle Rekonstruktion
des Spiels so wunderbar gelungen ist, hat maßgeblich Manuel Ballehr (und das ge-
samte Team der Holzwerkstatt der HBK) mitgewirkt. Für die kompetente Unterstüt-
zung bei der Fertigstellung dieses Bandes danken wir Serjoscha Wiemer für Mitarbeit,
Katrin Meissner und Andreas Justus Jasenek für Recherche und Mitarbeit. Der be-
sondere Dank der Herausgeber gilt Gunnar Sandkühler, den Kollegen von HBK und
TU Braunschweig, den Studierenden unserer Seminare als auch den Besuchern un-
serer öffentlichen Präsentationen des Spiels für Anregung, Kritik und Diskussion.
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Abbildung 5: Portraitstich Hellwigs vermutlich von Karl Schröder (Jahr unbekannt)
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Johann Christian Ludwig Hellwig
Über Leben und Wirken Johann Christian Ludwig Hellwigs ist heute wenig be-
kannt – gesicherte Hinweise zu den Eckdaten seiner Biografie finden wir nur über
seine publizistischen Nachlassenschaften und über seinen beruflichen Werdegang.
Hellwig wird am 8.11.1743 in Garz (Vorpommern) geboren und stirbt am 10.10.1831
in Braunschweig. Über seine Jugend ist wenig bekannt. Er studiert in Frankfurt
a. d. Oder Mathematik und Naturwissenschaften und wird ab 1766 zum Begleiter
des Prinzen Wilhelm Adolf von Braunschweig-Wolfenbüttel, welcher kurz vor sei-
nem Tod seinem Vater den jungen Hellwig zur Fürsorge empfiehlt. Ein Teil dieser
Fürsorge scheint die Anstellung Hellwigs als Mathematik-Lehrer an zwei Schulen
in Braunschweig (Catharineum und Martineum) ab 1771 zu sein. Dort unterrichtet
er unter anderem den jungen Karl Friedrich Gauß – dem er zu einem bestimmten
Zeitpunkt rät, seine Vorlesungen nicht weiter zu besuchen, da er von ihm nichts
mehr lernen könne. Er promoviert vermutlich um 1778 in Helmstedt im Fach Phi-
losophie und wird kurze Zeit später zum Hofmathematiker (eine Art Mentor und
Hauslehrer) und Pagenhofmeister am Braunschwei-
ger Hof ernannt. Er übernimmt dann als Professor
den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität
zu Helmstedt und wechselt 1790 auf den Lehrstuhl
für Mathematik und Naturwissenschaften an der
Militärschule in Braunschweig. 1802 wird Hellwig
Hofrat und 1803 Professor für Mathematik und Na-
turgeschichte am Carolinum in Braunschweig. Zu
dieser Zeit setzt er sich für einen zweckmäßigen
Zusammenhang zwischen den Schulen, dem Caro-
linum und der Akademie ein. Das entsprechende
Konzil von 1802 und die Beteiligung Hellwigs ist –
als eine frühe Form bildungspolitischen Reformwil-
lens – aktenkundig.
Abbildung 6: Collegium Carolinum,
idealisierte Frontansicht
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1809 wird das Collegium Carolinum qua Dekret zur Königlichen Militärschule des
neuen Königreichs Westphalen umgewandelt. Hellwig behält seine Professur und
ist fortan zuständig für Mathematik und Festungsplanung. 1814 erneuert sich das
Collegium Carolinum, Hellwig bleibt in den (seinerzeit stark unterrepräsentierten)
Naturwissenschaften als Lehrer und unterrichtet dort bis zu seinem Tod. In dieser
Zeit müht er sich vergeblich um die Einrichtung eines botanischen Gartens, dessen
Gründung er erst um 1828 kurz vor seinem Tod erleben kann. Als Hellwig 88jährig
stirbt, hat er fast 60 Jahre im Braunschweigischen Dienst gestanden und davon 28
Jahre als Professor für Mathematik und Naturwissenschaften am Carolinum gear-
beitet. Letzte Vorlesungen behandeln vorrangig die Themengebiete Pflanzen und
Tiere. Aus dieser Zeit stammt auch das letzte Werk »Tabellarische Übersicht der
Säugethiere«.
Die Allgemeine Deutsche Bibliografie würdigt Hell-
wig 1881 mit folgendem Eintrag: »Weniger durch sei-
ne schriftstellerische als durch seine rastlose Lehr-
tätigkeit übte er auf seine Schüler einen belebenden
Einfluß aus; er hat in den von ihm vorgetragenen
Wissenschaften tüchtige Zuhörer gehabt, durch de-
ren Heranbildung er, ein glücklicher Beobachter der
Naturerscheinungen, ein scharfsinniger Erforscher
ihrer Gesetze und ein geistreicher Bildner der äuße-
ren Form der Naturgeschichte sich bleibende Ver-
dienste um die Wissenschaft erworben hat«.
Hellwig machte sich außerdem einen Namen als
Wegbereiter der modernen Lebensversicherung:
Er stiftet das ›braunschweigische Sterbecassen-
Institut‹ und die ›braunschweigische allgemeine
Witwencasse‹. Entscheidend hierbei ist nicht nur
die Etablierung der Institutionen, die auch bis weit
nach seinem Tod noch wirkten, sondern auch die
generelle Grundlage eines solchen Versicherungs-
systems durch die Entwicklung eines Wahrschein-
lichkeitsschlüssels zur Berechnung von Lebensver-
sicherungen.
Abbildung 7: Hellwigia Elegans, in Hellwigs
Tabellarische Uebersicht der Ordnungen,
Familien und Gattungen der Säugthiere (1819)
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Sein Spiel entwickelt er um 1775 im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Braun-
schweiger Pagenschule. Es stellt sich als eine Spielanleitung in Buchform sowie
(durch den Benutzer noch herzustellende) unterschiedliche Spielfiguren und ein
Spielbrett dar. Die Spielfiguren wiederum dienen als Platzhalter für Infanterie-
bataillone, Kavallerieverbände oder Artilleriebatterien. Weitere Figurenelemente
auf dem Spielbrett stellen unterschiedliche, variable Geländeformen dar: Mithilfe
von Wäldern, Gebirgen und Flüssen, Brustwehren, Brücken oder brennenden Ge-
bäuden können fiktive wie reale Geländeformen gestaltet werden. Im Juli 1779 ver-
öffentlicht er eine Anzeige im Deutschen Merkur (s. untenstehender Text), in dem
er das Spiel, das er zu diesem Zeitpunkt wohl im Eigenverlag herstellt und vertreibt,
vorstellt und bewirbt:
Anzeige eines neuerfundenen Spiels
Hohe und erhabene Personen, selbst Krieger, Helden und völlig
competente Richter haben mich aufgemuntert, eine Erfindung be-
kannt zu machen, die in aller ihrer Unvollkommenheit, in welcher
Erfindungen dieser Art ihrer ersten Stuffe zu sein pflegen, doch der
Aufmerksamkeit des denkenden Publikums nicht unwürdig sein
wird. Diese Erfindung ist der Versuch, die großen Manoevres des
Krieges, durch ein Spiel, das zwey Personen miteinander spielen,
sinnlich vorzustellen. Das Schachspiel, das in der That eine klei-
ne Anlage zur Ausführung dieses Gedankens enthält, brachte mich
darauf, und ich wundere mich, daß nicht schon lange ein denken-
der Kopf auf den Gedanken kam, auf dieser Anlage entweder wei-
ter fortzubauen, oder ein neues ähnliches Gebäude aufzuführen.
Freilich ist die Ausführung eines solchen Gedankens nicht ohne
Schwierigkeiten. Die vielen Gegenstände der Kriegskunst, wer wird
sie alle auf einem kleinen Terrain darstellen können? […] so ist es
der Absicht dieses Spiels gemäß, die Vollkommenheit nicht in der
größten Vollständigkeit zu suchen. Nutzen fürs ganze genug, wenn
es so viel innere Vollkommenheit findet, daß ein Officier, der Theo-
rie seiner großen Wissenschaft besitzt, die er durch Erfahrung und
Lektüre vervollkommnete, darin eine ihm angenehme und unter-
haltende Gelegenheit findet, einen angehenden Schüler der Taktik
auf dem Schauplatz des Krieges zu führen, und ihm spielend einen
Unterricht zu erteilen, der auf ihn in Ansehung seiner zukünftigen
großen Bestimmung den lebhaftesten Eindruck machen, und man-
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chen Jüngling von nichtswürdigem Zeitvertreib zurückhalten kann.
Um diese Absicht zu erreichen, mußte die Erlernung dieses Spiels
nicht mit zu großen Schwierigkeiten verbunden sein. […] Nur eins
muß ich erinnern, daß derjenige, der das Schachspiel begreifen
kann auch gewiss das Kriegsspiel bald lernen wird, zumal wenn
er das Glück hat, mit einem kriegserfahrenen Manne zu spielen.
Ich rathe sogar demjenigen, der das Schachspiel noch nicht kann,
und zu diesem taktischen Spiel Lust hat, jenes davor zu erlernen.
Denn es enthält bey aller seiner Simplizität doch das Wesentliche
militärischer Evolution; freilich ohne Rücksicht auf die Schikanen
des Terrains. […]
M. Joh. Christ. Lud. Hellwig,
Oeffentlicher Lehrer der Mathematik der Herzogl. Pagen,
und an den beyden hießigen Gymnasien.
Das seinerzeit wohl sehr populäre Kriegsspiel Hellwigs steht exemplarisch für eine
Reihe vergleichbarer zeitgenössischer Spiele. Es ist eine schachbasierte Brettspiel-
kriegssimulation und ähnelt damit unter anderem Christoph Weickmanns Schach-
spiel von 1644 oder Kartenspielen wie Jeu de la Guerre und Jeu de la Fortification des
frühen 18. Jahrhunderts. Inwieweit diese Projekte Hellwig zum Zeitpunkt seiner
Spielentwicklung bekannt waren, lässt sich nicht klären. Die Anzeige im Deutschen
Merkur legt jedoch nahe, dass Hellwig zumindest die anderen schachbasierten
Kriegsspiele wohl unbekannt waren.
Interessant ist auch die Tatsache, dass das Hellwig-
sche Buch 1804 in Paris in einer französischen Über-
setzung erscheint: Précis des règles du jeu de guerre,
rédigées d´après l´analyse de ce jeu par M. Hellwig!
Übersetzt und im Selbstverlag in Paris verlegt wird
das Buch von Carl Friedrich Cramer. Dieser radi-
kale Aufklärer übersiedelte, nachdem sein Sympa-
thisantentum für die französische Revolution ihn
sein Amt als Professor für Sprachen in Kiel gekostet
hatte, nach Frankreich und mühte, sich als Publi-
zist, Übersetzer und Verleger sein Auskommen zu
finden. Bekannt als Übersetzer von Rousseau, Schil-
Abbildung 8: Rekonstruktion des
Hellwigschen Spiels in Braunschweig
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ler, Klopstock und Campe scheint das Projekt der Hellwigübersetzung weniger aus
ökonomischer Überlegung, sondern aus einer Leidenschaft für das Spiel getragen
gewesen zu sein. Im Vorwort der heute fast vollständig verschollenen Auflage der
Hellwigübersetzungen scheint es Hinweise auf Kriegsspiel-Treffen in Verlagsräu-
men Cramers zu geben. In welchem Maße die von Cramer bereits 1801 oder 1803
verfasste und veröffentlichte Schrift mit dem Titel Cours théoretique et practique au
jeu de guerre bereits ein Versuch der Adaption der Hellwigschen Regeln darstellt,
bliebe noch zu prüfen. Über die Bekanntheit und Nachwirkung der Hellwigschen
Schrift im französischen Sprachraum ist aber nichts bekannt. Ebenso lässt sich
über die generelle Verbreitung, Bekanntheit und Popularität des Kriegsspiels über
den Braunschweiger Raum hinaus nur spekulieren. Einzelne Quellen berichten,
dass der spätere Erfinder des bekannten Taktischen Kriegsspiels von 1811, der Baron
von Reiswitz, in seiner Jugend mit dem Hellwigschen Spiel in Kontakt gekommen
sei. Inwieweit aber später entstandene Spiele, wie beispielsweise das von Georg
Venturi 1797 entwickelte Kriegsspiel Regeln für ein Neues Kriegsspiel für den Ge-
brauch an Militäranstalten generell von Hellwig beeinflusst waren, ist ein Gegen-
stand für zukünftige Forschungen.
Abbildung 9: Kriegsspiel von Georg Leopold Baron von Reiswitz, angefertigt 1812 für
Friedrich Wilhelm III.
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Das Kriegsspiel
Hellwigs Anspruch war es, eine pragmatische und spielbare Kriegssimulation zu er-
schaffen und diese Simulation didaktisch an der Braunschweiger Pagenschule ein-
zusetzen, an welcher er eine Lehrtätigkeit innehatte. Das Spiel erscheint in Form
eines Regelbuches, das vor das eigentliche Spielen ein intensives Studium der Re-
geln als auch den Bau des Spielbrett und der Figuren setzt. Der »Versuch eines aufs
Schachspiel gebaueten taktischen Spiels von zwey und mehreren Personen zu spie-
len« ist also nur die Anleitung zu einem Spiel, nicht aber das komplette Spiel. Zu
berücksichtigen ist hierbei, dass es zwei Fassungen des Hellwigschen Spiels gibt.
Die Erstfassung von 1780 stellt sich im Regelbuch in der Diktion und Argumenta-
tion noch sehr stark als ans Schach angelehntes Spiel dar. Die zweite Auflage von
1803 unterscheidet sich von der ersten insofern, als die Schachbasiertheit des Spiels
vor allem sprachlich in den Hintergrund rückt und der eigenständige Charakter des
Kriegsspiels betont wird. In der Erstausgabe wird das Schachspiel von Hellwig noch
deutlich als Analogie für das eigene Spiel adressiert: »Das taktische Spiel muß den
wesentlichen Unterschied der Infanterie, Cavallerie und Artillerie sinnlich machen.
Da wir es aber auch zugleich so viel wie möglich, aufs Schachspiel gründen wollen,
so müssen wir untersuchen, was man in diesem Betracht aus dem Schachspiel fürs
taktische Spiel beibehalten können« (§14 - die angegebenen Paragraphen beziehen
sich auf Hellwigs Original). 1803 liest sich die Spielbeschreibung deutlich als vom
Schach emanzipiert. Das Schachspiel wird nur noch als Beispiel zur Erklärung des
eigenständigen Kriegsspiels herangezogen: »Der leichte Cavallerist geht, auch wie
die Königinn des Schachspiels und bis aufs 16te Feld nach allen den seinem Quad-
rate umliegenden acht Gegenden, er habe die Fronte dahin oder nicht« (§45).
Zusätzlich ist die zweite Auflage als revidierte Fassung zu verstehen, die logische
Brüche der Regeln und ungeklärte Fragen der Urfassung zu relativieren sucht und
zusätzlich im Appendix Variationsmöglichkeiten des Spiels andeutet. Als weitere
Spielelemente werden hier Optionen vorgeschlagen, das Nachschubwesen und die
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Versorgung bzw. die Abschneidung der Truppen von
Informationen ins Spiel zu integrieren. Kommunika-
tionslinien, Magazine oder die Besetzung von Pro-
vinzen werden als mögliche Spielmöglichkeiten vor-
geschlagen. Ebenso stellt Hellwig hier noch eine Va-
riante seines Spiels vor, die es ermöglicht, das Spiel
mit vier Personen zu spielen, wobei in diesem Fall je
einer der Spieler der beiden Parteien die Generalität
symbolisiert und nur die langfristige Spielstrategie
steuert, während der andere Spieler als Subalterner
die tatsächliche taktische Umsetzung des Plans auf
dem Spielbrett zu besorgen hat.
Zusammengefasst kann die zweite Auflage als
Neubearbeitung verstanden werden, die aus mehr-
jähriger Spielpraxis und einer ausführlichen Über-
prüfung des Spiels auf seine erwünschte und erhoff-
te Funktionalität resultieren könnte.
Das schachbasierte Kriegsspiel
Die Spielanleitung ist eine Darlegung der mathe-
matischen und rationalen Logik, welche die Spiel-
stärke, Mobilität und Effektivität der Spielfiguren
regelt. Die Figuren des Spiels dienen als Stellver-
treter für Infanteriebataillone, Kavallerieeskadrone
oder Artilleriebatterien. Das Spielbrett stellt unter-
schiedliche Geländeformen dar und kann mithilfe
von Brustwehren, Flüssen, Brücken oder Gebäuden
variabel gestaltet werden und fiktive wie reale Land-
schaften bilden.
Das deutlichste Charakteristikum des Hellwig-
schen Spiels bleibt jedoch seine Nähe zum Schach.
So schreibt er in der Einleitung der zweiten Auflage:
»Das taktische Spiel muß den wesentlichen Unter-
schied der Infanterie, Cavallerie und Artillerie sinn-
Abbildung 10: Frontispiz-Seiten der
beiden Auflagen des Buches
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lich machen […]. Da wir es aber auch zugleich, so viel wie möglich, aufs Schach-
spiel gründen wollen […] so müssen wir untersuchen, was man in diesem Betracht
aus dem Schachspiel fürs taktische Spiel beybehalten könne«. Getreu der Schach-
analogie können Bauern als Infanterie, Königin und Türme sowie Läufer als Kaval-
lerie gelten (§14 – die Angaben der Paragraphen beziehen sich im Folgenden immer
auf die zweite Auflage von 1803). So synthetisieren sich die Fähigkeiten der Figuren
des Kriegsspiels aus den Bewegungen des Schachs, allerdings muss der Erhalt des
Königs als Siegbedingung wegfallen (§18). Grundsätzlich aufgelöst wird auch die
Zugregel des Schachs: Es dürfen jetzt pro Zug ganze Figurengruppen bewegt und
gleichzeitig auch noch ›Aktionen‹, wie beispielsweise schlagen oder schießen, aus-
geführt werden (§19). Eine weitere Abweichung vom Schach ist die Figurengruppe
der Artillerieeinheiten ebenso wie die Kavallerie in Hellwigs Regeln eine gewisse
Eigenständigkeit erhält – ihr ist die Option eingeräumt, pro Zug mehrere Figuren
zu schlagen (§15).
Bei aller Komplexität des Spiels besteht sein Ziel dennoch in der angenehmen
Unterhaltung. Es will »gemeinnützig und nicht nur für seltenste Köpfe« sein, ein
Spiel, in dem »nichts dem Zufall und alles der Leistung des Spielers überlassen
ist«. Keineswegs jedoch will Hellwig diese angenehme Unterhaltung als ›sinnfrei-
es Tun‹ verstanden wissen. Er grenzt sich vielmehr deutlich gegen andere Zer-
streuungsspiele ab: »Möchte doch dieses Spiel die große Menge gedankenleerer,
nichtswürdiger und schädlicher Spiele vertreiben! Ich wünsche mir keine größe-
re Belohnung meiner Erfindung als diese«. Im Wesentlichen geht es ihm also um
die »Versinnlichung« der Regeln der Kriegskunst.
Zu diesem Zweck entwickelt Hellwig sein Spiel als
ein streng formal-logisches Spiel. Ein gleichzeitig
etabliertes, komplexes Notationssystem soll neben
dem eigentlichen Spiel am Brett auch eine Auswer-
tung ermöglichen, beziehungsweise dem routinier-
ten Spie ler die Möglichkeit geben, über Detailpro-
bleme mittels Stift und Papier nachzudenken.
Die Spielanleitung schlägt vor, das Spiel auf ei-
nem Spielbrett zu spielen, welches aus 1617 quadra-
tischen Feldern (49 mal 33) besteht. Dieses in Pro-
vinzen gegliederte Gelände ist durchsetzt mit einer
Abbildung 11: Spielplan des Hellwigschen
Spiels, wie er als Vorschlag der
zweiten Auflage als Kupferstich beilag.
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Vielzahl von Flüssen und Hindernissen in Form von Morast, Gebirgen, Gebäuden
und Wäldern, die jeweils spezifisch die Züge und Schussmöglichkeiten der Spieler
einschränken. Die beiden stark verschanzten Festungen der Spielparteien bilden
die Zentren des Spielbretts. Den Spielern stehen im Wesentlichen Infanteristen,
Kavalleristen und unterschiedlich schwere und mobile Artillerieeinheiten zur Ver-
fügung, die je Spielstein ein Bataillon repräsentieren (§27).
Der Spielverlauf
Beide Parteien nehmen ihre Ausgangsstellung unbeobachtet vom Gegner ein, das
Spielbrett wird dazu mit einer passenden Sichtblende entlang der vorher definierten
Grenzen beider Territorien unterteilt (§252).
Das nun beginnende Spiel ist im Wesentlichen zugbasiert und geprägt von Verän-
derungen »erster Klasse« und »zweiter Klasse«. Erstere stellen ›Aktionen‹ dar, also
den direkten Figurentausch (»schlagen«) oder die Figurenwegnahme aus der Di-
stanz (»schießen«), das Brücken schlagen oder abrechen, das Verändern der Front-
richtung unterschiedlicher Spielsteine, das »Schwenken« ganzer Einheitenblöcke
oder auch das Verschanzen oder das Besetzen eines Gebäudes. Die Veränderungen
zweiter Klasse stellen die eigentliche Figurenbewegung auf dem Spielbrett dar. Die-
se Bewegung wird entweder mit einem einzelnen Spielstein oder mit zu Gruppen
Abbildung 12: Gestaltungsvorschlag Hellwigs für die Spielfiguren
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zusammengefassten Spielsteinen (»Corpsbewegung«) durchgeführt und ist (je Fi-
gurenklasse unterschiedlich) prinzipiell den Bewegungsmustern der Dame oder des
Pferds im Schach nachempfunden. Sonderelemente unter den Figuren sind vor
allem die Brückenwagen und die Brückenelemente, mit deren Hilfe Flüsse über-
quert werden können.
Das Wegnehmen der Figuren wird entweder über das direkte Schlagen der Figu-
ren erreicht oder aber durch den Schusswechsel, welcher beispielsweise im Falle
der Artillerie auf der Basis einer komplexen Stärkeberechnung vorgenommen wird.
Ein Spezifikum des Hellwigschen Spiels ist dabei sicherlich die Möglichkeit, nicht
nur gegnerische Figuren unter Feuer zu nehmen, sondern auch (eigene oder geg-
nerische) Brücken und Gebäude zu zerstören. Daneben sieht die Erweiterung des
Spiels im Appendix die Einführung so genannter »Communicationslinien« vor, die
die beiden Festungen miteinander verbinden und als Nachschublinien gedacht
werden müssen. Das Unterbrechen dieser Linien zwischen Festung und Einheit
führt zu einer Isolation der abgeschnittenen Einheiten von der Versorgung und so-
mit nach einer bestimmten Rundenzahl zum Ausscheiden der isolierten Einheiten.
Diese Idee der »Communikation« von der Einheit zum Hauptquartier kann in einer
Erweiterung des Spiels durch die Einführung dezentraler Versorgungsdepots noch
komplexer gestaltet werden.
Gewonnen wird das Spiel mit der Eroberung oder
der dauerhaften Isolation der feindlichen Festung.
Spielentscheidend ist also nicht die Anzahl der
verlorenen Figuren, sondern der mit deren Verlust
erkaufte Gelände- oder Stellungsvorteil (§262). Der
Sieg des Spiels wird weniger durch das »gerade auf
den Leib gehen« errungen, sondern durch ein ge-
plantes und durchdachtes Raumtaktieren, durch
langfristige Spielplanung und ein Bewusstsein über
die Stärken einzelner Figurenkonstellationen und
Deckungssysteme. Vorteile bringen die Bedrohung
der Kommunikation des Gegners, die Überraschung
und das Unkonventionelle. Es ist also nicht das
Abbildung 13: Detail des Hellwigschen
Spiels in der Rekonstruktion.
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›martialische‹ Vorgehen, sondern überlegtes und planvolles Handeln, das durch das
Spiel gefördert und gefordert wird.
Die Versinnlichung des Krieges
Der beabsichtigte Simulationscharakter dieses Kriegsspiels zeigt sich immer wieder
in Hellwigs Diskussion der ›Natürlichkeit‹ und ›Sinnenhaftigkeit‹ seiner Modell-
bildung. Diese Modellbildung ist in der damaligen Literatur zu Kriegsspielen ein
immer wieder betonter Vorteil gegenüber dem abstrakten Lernen mit Schaubildern
oder Ähnlichem. So schreibt der Enzyklopädist Johann Georg Krünitz 1803: »Wo der
Gebrauch der Zeichnungen aufhört, da fängt der von den Modellen an; er erstreckt
sich, eben so wie bey jenen, über alle Theile der Kriegs-Kunst. Insonderheit kann
man alle Arten von Bewegungen der Truppen gar leicht durch Modelle zeigen«.
Ein solcher Modellcharakter wird bei Hellwig selbst beispielsweise in der Vor-
rede der zweiten Auflage deutlich, wenn er von »Wahrheiten« der taktischen und
strategischen Kriegsführung spricht, die ihre Bestätigung im Spiel selbst finden. An
anderer Stelle der ersten Auflage heißt es paradigmatisch: »Je genauer die Natur
dieses Gegenstandes nachgeahmt wird, desto mehr wird sich das Spiel seiner Voll-
kommenheit nähern«.
In seiner Analyse des Spiels schreibt der Medienwissenschaftler und Philosoph
Claus Pias unter Zitation Hellwigs: »Das Ziel dieses Spiels lautet Visualisierung:
›Der Endzweck eines taktischen Spiels ist, die vornehmsten und wichtigsten Auf-
tritte des Krieges sinnlich zu machen‹, und das heißt Deckung und ›Communika-
tion‹ erhalten, Vordringen und Rückzug organisieren, eigene Terrainvorteile nutzen
und ›Detachieren‹ des Feindes herbeiführen und effektivste Positionen zum op-
timalen Zeitpunkt erlangen. […] Mimetische Qualität bemißt sich am Grad in-
formatischer Abstraktion und darstellungstechnischer Auflösung. Der Maßstab für
die Vollkommenheit des Spiels ist – so Hellwig – seine ›Naturnachahmung‹ des
Gegenstandes Krieg«. Der Versuch Hellwigs, den Krieg nicht abzubilden, sondern
ihn als ein auf strategisch-taktischen Entscheidungen beruhendes ›Schachspiel‹ zu
modellieren, wird vielleicht an der Stelle am deutlichsten, an der Hellwig zur Mäßi-
gung aufruft und den Spieler vor ›blindwütiger‹ Zerstörung oder offensiver ›blutiger‹
Figurennahme warnt (§229).
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Rationalität, Regeln und Lernen
Inwieweit Hellwigs strategisches Wissen eine ›typische‹ Wiedergabe des kriegs-
strategischen und militärakademischen Wissens seiner Zeit ist, kann an dieser Stel-
le nicht geklärt werden (siehe dazu auch den Beitrag Sandkühlers in diesem Buch).
Nachgerade scheint jedoch die Didaktik Hellwigs allerdings Clausewitz’ Ausführun-
gen zur Kriegskunst ähnlich zu sein, wenn Hellwig das strategische Spiel mit dem
›Politischen‹ ins Verhältnis setzt (ganz im Sinne des bekannten Diktums, dass der
Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei): »Der natürlichste Weg,
den Krieg auch wider des Feindes willen zu endigen, ist vielmehr der, wenn man
ihn derjenigen Mittel beraubt, ohne welche er den Krieg nicht fortsetzen kann. […]
Die Eroberung des feindlichen Landes muß also dem Krieg ein natürliches Ende
machen.«
An anderer Stelle diskutiert Hellwig Vor- und Nachteile der detaillierten Über-
setzung des Kriegs in ein Spiel, beispielsweise wenn er über die Mängel reflektiert,
also über das, was er an seinem Spiel für ›unrealistisch‹ hält. Hier nennt er das Ver-
hältnis von Schussweite und Tagesmarsch als nicht proportional (ebd. S. ix), ebenso
wie ihm die Umsetzung von sowohl unterschiedlichen Höhen als auch Bewaldung
und anderen Geländeformen sowie deren Implikationen im Spiel mangelhaft vor-
kommen. Die Aufforderung zur Modifikation aller Regeln durch den Spieler verbin-
det er mit einem Aufruf zur maßvollen Umgestaltung in dem Sinne, als eine allzu
große Detailversessenheit die Spielbarkeit des Spiel reduzieren könne (§302).
Gerade in diesem Zusammenhang aber ist es auffällig, dass das Hellwigsche Spiel
den Zufall systematisch auszuschalten sucht. Alle Züge und Vorschriften des Spiels
sind streng regelrational und algorithmisiert, Würfel oder zufällige Ereignisse ha-
ben im Kriegsspiel keinen Raum. Die Unwägbarkeit des Krieges (oder des Lebens
selbst) wird strikt ausgeklammert – wenngleich sie ihm als entscheidendes Mo-
ment bekannt ist: »Eine Schlacht ist, wie in der Natur, so auch hier, manchen nicht
berechneten Zufällen unterworfen, und sie kann bei den besten dazu getroffenen
Anstalten ungluecklich ausfallen«. Die Problematik des Zufalls in der sinnlichen Si-
mulation des Krieges prägt auch das Fazit von Claus Pias: »Zusammenfassend läßt
sich sagen, daß Hellwig versucht, verschiedene Aspekte von Agenten, Gelände, Ma-
schinen, Kommunikation, Synchronizität und Auszahlung auf der Basis des Schach-
spiels zu implementieren. Dabei zeigt sich erstens, daß das Schachspiel als diskre-
ter Apparat mit den Eigenschaften serieller Abarbeitung einzelner Anweisungen,
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punktmechanischer Kausalität und Verarbeitung ausschließlich natürlicher Zahlen
für diese Ansprüche in den wenigsten Fällen zureichend geeignet ist. Vielmehr be-
dürfte es eines analogen, parallelverarbeitenden Apparates, der mit Wahrschein-
lichkeitsverteilungen rechnet. Zweitens wird deutlich, wie eine Modellierung schon
weniger Parameter des Kriegstheaters zu einer verwaltungstechnischen Überforde-
rung der Spieler führt, die nur durch Delegation von Buchführung und Kalkulation
an eine externe Instanz zu lösen wäre.«
Hellwig setzt auf die Internalisierung von Wissen im Spiel. Er setzt auf die Erzie-
hung von jungen Kadetten und Pagen und geht dabei von einer Wirkungsweise aus,
in der das Spiel dahingehend ›benutzt‹ werden kann, eine bestimmte Werthaltung
zu vermitteln. Hellwig entwirft dazu eine Idee des symbolischen Probehandelns,
innerhalb derer der Spielende eine unsichtbare Form ideologischer Werte interna-
lisieren soll. ›Ideologische Werte‹ meint in diesem Zusammenhang zunächst nur,
dass im spielerischen Probehandeln eine Verbindung aus Wissen (und dessen Ver-
mittlung) und alltäglicher Handlungsrelevanz stattfindet – dass also ein Wissen der
Welt in einer hierarchischen Geste (vom ›Lehrer‹ zum ›Schüler‹) vermittelt wird.
Die Effektivität dieser Weitergabe liegt in der Simulation von Lebenserfahrung
durch das Spiel. Diese Simulation sieht vor allem die Identifikation des Spielers mit
der Handlungsrolle vor: Der Spieler wird durch das Spiel in die Rolle des Feldherren
gedrängt – das Spiel nur als passiver Zuschauer zu erleben, ist nicht vorgesehen.
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28
Das Kriegsspiel als Erziehungsmodell
von Gunnar Sandkühler
Das Kriegsspiel von Johann Christian Ludwig Hellwig ist in jeder Hinsicht als Kind
seiner Zeit zu verstehen. Es ist eine Umsetzung pädagogischer Ideen der Aufklä-
rung. Das Spiel greift aber auch damalige Vorstellungen der Kriegstheorie auf und
setzt ebenso auf die damals beginnende Idee der Visualisierung als intuitive Lehr–
und Lernform.
Hellwig und der Philanthropismus
Hellwig kam ca. 1770
/ 71 nach Braunschweig. Wäh-
rend seiner Zeit im Dienst der Braunschweigischen
Schulen und Hochschulen stand auch Joachim
Heinrich Campe (1746 – 1818), der als einer der
prominentesten Vertreter des Philanthropismus be-
zeichnet wird, seit 1786 in herzoglichem Dienst. Der
Philanthropismus ist eine pädagogische Bewegung,
die als ›Sammelbecken‹ der verschiedenen in der
Aufklärung entstehenden erzieherischen Bewegun-
gen und Ideale gilt. Wenngleich es keine direkten
Hinweise auf eine persönliche Bekanntschaft gibt,
ist es doch nahe liegend, über einen Austausch zwi-
schen den beiden zu spekulieren. Dies umso mehr,
wenn man die Kommunikationsstrukturen der Zeit
berücksichtigt: »Denn das entscheidend Neue im
18. Jahrhundert ist die Verknüpfung einer nie zuvor
dagewesenen infrastrukturellen Ausweitung der In-
formations- und Wissensverbreitung einerseits mit
einer expandierenden Geselligkeitskultur anderer-
Abbildung 14: Joachim Heinrich Campe
(Ölbild von Friedrich Matthäi, um 1819)
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seits, innerhalb der ein diskursives Klima in Gesellschaftsräumen gepflegt wurde
– Kommunikation meint hier deshalb einen Informations-, Meinungs- und Wissen-
stransfer und daraus resultierend einen kritischen Austausch« (Holger Zaunstöck).
Ganz besonders intensiv verliefen solche Austauschprozesse in Kreisen von Pä-
dagogen und Bildungstheoretikern. In der Forschung trifft man mehr als einmal
auf die Bezeichnung des 18. Jahrhunderts als »das pädagogische Jahrhundert«, in
welchem die Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen erstmals
systematisch und auf breiter Basis theoretisiert wurde.
Bezüge auf den Philanthropismus in Hellwigs Spiel
Neben solchen äußeren Umständen, die auf Hellwigs Kenntnis von philanthropi-
schen Erziehungs- und Unterrichtsentwürfen schließen lassen, finden sich gerade
in Hellwigs Kriegsspiel deutliche Bezüge auf Konzepte der Philanthropen. Eine ganz
zentrale Bedeutung kommt dabei den Begriffen der sinnlichen Erfahrung oder Ve r-
sinnlichung zu. Eben dieses Konzept findet sich nun auch an prominenter Stelle
verschiedener philanthropischer Konzepte.
Im Werk Johann Bernhard Basedows (1724 – 1790), hier vor allem in seinem frü-
hen Methodenbuch (1770), findet sich die Forderung nach einer eben auf Erfahrung
bzw. Erfahrbarkeit ausgerichteten Darstellungsform von Inhalten in der pädagogi-
schen Praxis. Es geht ihm dabei um eine Vermittlung im Sinne einer integrieren-
den, ganzheitlichen Verständlichkeit. Wissen entsteht hier ganz zentral nicht aus
der Belehrung durch eine Instanz (also beispielsweise den Lehrer), sondern mittels
der Erfahrung. Wo Erfahrung nicht konkret durch den Schüler selbst gemacht wer-
den kann, sieht die philanthrope Pädagogik den Einsatz von Hilfsmitteln (beispiels-
weise Bildern) vor, die dem Lernenden den Nachvollzug von Zusammenhängen und
Abläufen erfahrungsnah möglich machen sollen.
Basedow verdeutlicht dies am Beispiel der Sachkunde über Uhren: »Wenn ein
Kind alle Teile einer Uhr und alle Instrumente eines Uhrmachers nennt und sich
die Figuren derselben vorstellt, ohne von der Kraft und Wirkung der Teile, welche
in diesem Kunstwerke sind, einen Begriff zu haben, so hat das gar keine Erkenntnis
von einer Uhr, sondern vielleicht nur von einem Kammrade und Stirnrade. Es ist
der Erkenntnis einer Uhr nähergekommen, aber es hat dieselbe noch nicht wirk-
lich. Wenn es die Teile und Werkzeuge nur nach dem Namen, nicht aber nach ihrer
Gestalt und Kraft kennt, so hat es in diesem Stücke schlichterdings keine Sacher-
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kenntnis«. Es geht im Unterricht um eine zusammenfassende, vollständige Ver-
mittlung der Zusammenhänge und der Beschaffenheiten der Einzelteile. Um diese
gewährleisten zu können, fordert Basedow die Unterstützung dieser Vermittlungs-
und Erkenntnisprozesse durch Visualisierungen, was eine vollkommene Neuerung
für den Schulunterricht des ausgehenden 18. Jahrhunderts bedeutet.
Ein besonderes Augenmerk legt Basedow auf den Einsatz von Bildern im Unter-
richt: »Ich muß noch etwas von dem Nutzen der Gemälde und Kupferstiche in dem
Unterrichte der Kinder sagen. 1. Die Erfahrung zeigt, wie sehr alles, was einem Bil-
de ähnlich sieht, die Kinder vergnügt, wenn auch nur alltägliche oder solche Sachen
Abbildung 15: Reproduktion einer Tafel aus der ›Kupferstichsammlung zu J. B. Basedows Elemen-
tarwerk für die Jugend und ihre Freunde‹ (1774): »Die Vernunft. a) Die dadurch gewirkte Herr-
schaft der Menschen über die Tiere. Exempel an einem gefangenen Löwen, an einer Kuppel Pferde,
an einer Herde Ochsen mit ihrem Treiber, an einem erschossenen Bären und am Walfischfange. –
b) Wirkung der Vernunft, in Betrachtung der Sonne, in der Zeichnungskunst, in dem Gebrauch der
Uhren, in dem stillen Nachdenken und dem Bewußtsein seiner selbst, und in dem Unterrichte der
Kinder durch die Eltern. – c) Vorstellung der Weisheit an einem Manne, welcher Gutes und Böses,
sowohl in Ansehung seiner selbst, als an andere Menschen gegeneinander abwiegt. – d) Vorstellung
der Albernheit, des Wahnsinns und der Raserei an verschiedenen Exempeln«.
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abgebildet sind, gegen welche sie gleichgültig zu sein pflegen. […] 3. Von vielen
sinnlichen Dingen kann man in den Lehrstunden keinen Begriff ohne Abbildung
machen, weil sie ausländisch oder wenigstens alsdann abwesend sind. 4. Durch
Hilfe der Bilder wird der Lehrer leichter verstanden, wenn er bekannte Sachen in
einer fremden oder toten Sprache wiederholt, in welchen durch diese natürliche
Lehrart die Kinder am leichtesten und geschwindesten zur Fertigkeit gelangen«.
Nun war die Kombination von Erläuterung und Anschauungsmaterial freilich nicht
Basedows ureigene Konzeption, sondern sie baut auf den Konzepten beispielsweise
John Lockes, Jean Jaques Rousseaus oder Amos Comenius’ auf. Basedows Verdienst
ist dabei vielmehr, durch die konsequente Umsetzung im späteren Elementarwerk
eben eine solche Konzeption von Unterricht mit einer beachtlichen Breitenwirkung
propagiert zu haben.
Wenngleich nun der Begriff der Versinnlichung bei Basedow noch nicht fällt, so
wird die zentrale Bedeutung dieser Idee bereits deutlich: Für ihn und die anderen
Philanthropen kommt diesem Konzept eine doppelte Funktion zu. Die Versinnli-
chung dient der Erkenntnis – im gegebenen Beispiel also der Erkenntnis der kom-
plexen Wechselwirkungen der Teile einer Uhr – durch die Vermittlung, also durch
die Illustration und Anschaulichkeit der Bilder. Es wird einerseits ein abstrakter
Gegenstand mit Sinn erfüllt, insofern er durch den Schüler verstanden wird. Ande-
rerseits wird ein solcher Gegenstand sinnlich erfahrbar – zumindest in dem Sinne,
dass er sichtbar wird.
In der zeitgenössischen Forderung der Philanthropen nach Versinnlichung findet
sich eine klare Übereinstimmung mit dem Ansinnen Hellwigs, in seinem Kriegs-
spiel den Krieg sinnlich erfahrbar zu machen. So schreibt er im Vorwort zur zweiten
Auflage seines Buches: »Bei der Erfindung dieses Spiels [...] hatte ich die Absicht,
einige Regeln der Kriegskunst zu versinnlichen, und dadurch dem Schüler dieser
Kunst nützlich zu werden. [...] so hat mich doch die Erfahrung gelehrt, daß [das
Spiel] viele Regeln der Kriegskunst versinnlicht, und daß es Anfängern in dieser
Wissenschaft zur Erlangung der Einsicht in wichtige Wahrheiten jener Lehre sehr
behülflich gewesen ist«.
Das Aufgreifen der Versinnlichung zieht sich durch das gesamte methodische
Vor-
wort Hellwigs und deckt sich inhaltlich mit denen der Philanthropen. Die Versinn-
lichung (als nachvollziehendes Handeln des Schülers) sollte in der philanthropi-
schen Erziehungsidee zur Darstellbarkeit und Vermittlung abwesender Gegenstände
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und Zusammenhänge dienen. Und ebenso wie Basedow das Beispiel eines kompli-
zierten Gesamtgefüges heranzieht, weist Hellwig auf die Probleme hin, welche sich
bei der Darstellung eines so komplexen Ablaufs wie eines Kriegsgeschehens stellen.
Eine Lösung sieht Hellwig in der Konzentration auf Kernpunkte des Geschehens:
»Die Gegenstände des Kriegs sind von so großer Mannichfaltigkeit und von so be-
sonderer Natur, daß eine vollständige sinnliche Darstellung derselben durch ein
Spiel unmöglich ist. [...] Ein Kriegsspiel wird sich also der Vollkommenheit nähern,
wenn es nur die wichtigsten Auftritte des Kriegs sinnlich darstellt und sich dazu
möglichst einfacher Mittel bedient«.
Die Theorie im Kriegsspiel
Bei aller Bescheidenheit Hellwigs muss jedoch festgehalten werden, dass sein
Kriegsspiel durchaus eine beachtliche Spiel- oder auch Simulationstiefe entwickelt;
in mehr als 300 Einzelparagraphen werden die Regeln festgelegt. Auffallend da-
bei ist, dass in Hellwigs Regelwerk ein wesentlicher Faktor heutiger Simulationen
und Kriegsspiele nicht auftaucht: Hellwigs Regelwerk geht von der vollständigen
Berechen barkeit der einzelnen Gefechte und Züge aus – der Würfel zur Erzeugung
zufälliger Ereignisse und Konstellationen kommt nicht zum Einsatz. Die Vorstel-
lung der berechnenden Planbarkeit – dem Mathematiker Hellwig sicherlich nicht
fremd – verbietet den Einfluss des Zufalls gewissermaßen.
Hellwigs Kriegstheorie weicht in diesem Punkt deutlich von der Kriegstheorie
beispielsweise Carl von Clausewitz’ ab. Eine rein chronologische Betrachtungsweise
mag für die Gegenüberstellung von Hellwig und Clausewitz ein methodisches Pro-
blem aufwerfen, denn im Jahr, als Hellwigs erste Auflage des Kriegsspiels erschien,
wurde Clausewitz gerade geboren. Von echter Zeitgenossenschaft kann also nicht
die Rede sein. Dennoch lässt sich die Bezugnahme auf Clausewitz zum Vergleich
mit Hellwig rechtfertigen: Wie aus dem Stellenkommentar zu Clausewitz’ Vom Krie-
ge hervorgeht, liegt eine der wesentlichen Leistungen Clausewitz’ offenbar darin,
eine Vielzahl früherer Kriegstheorien gewissermaßen ›auf den Punkt zu bringen‹,
also bestehende Gedanken zu ordnen und zu kommentieren, aber auch weiterzu-
entwickeln. Seine wesentliche Leistung liegt zweifellos darin, dass er von einem
starren Schematismus abgerückt ist und stattdessen die Kategorien der empirischen
Erfahrung und des Zufalls explizit in seine Darstellung eingebracht hat. Hinsicht-
lich der Systematik in Clausewitz’ Darstellung zeigt sich eine gewisse Ambi valenz.
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Clausewitz selbst äußert sich kritisch zu Ansätzen der idealistischen Philosophie,
verwirft diese aber dennoch nicht gänzlich. Demgegenüber stärkt er den Erfah-
rungsbegriff. In diesem Punkt nähern sich seine Vorstellungen denen Hellwigs an.
Ein solches Denken in starren Schemata, das zwar der realen militärischen Praxis
der Zeit entspricht, führt bei Clausewitz jedoch zu vehementem Widerspruch.
Besonderen Wert legt Clausewitz auf die Erfahrung und das Wissen um tatsäch-
liche Abläufe im Kriegsgeschehen. Entscheidend ist dabei für Clausewitz auch das
Moment des Zufalls. Damit ergibt sich für Hellwigs Begriff des Kriegsspiels zu-
nächst eine vollständig andere Bedeutung als diejenige, welche Carl von Clausewitz
dem Spiel zumisst und die er in seinem Hauptwerk Vom Kriege niederschreibt:
»Wir sehen hieraus, wie sehr die objektive Natur des Krieges ihn zu einem Wahr-
scheinlichkeitskalkül macht; nun bedarf es nur noch eines einzigen Elementes, um
ihn zum Spiel zu machen, und dieses Elementes entbehrt er gewiß nicht; es ist der
Zufall. Es gibt keine menschliche Tätigkeit, welche mit dem Zufall so beständig
und so allgemein in Berührung stände, als der Krieg. Mit dem Zufall aber nimmt
das Ungefähr, und mit ihm das Glück einen großen Platz in ihm ein«.
Es muss also klar unterschieden werden zwischen
Hellwigs Kriegsspiel mit seiner Betonung der isolier-
ten und regelrationalen Charakteristik des Kriegs als
Handlung und dem Spielcharakter des Krieges bei
Clausewitz, der durch den Spielbegriff die nur be-
schränkte Regelhaftigkeit, den Einfluss des Zufalls
zum Ausdruck bringen will. Clausewitz führt den
Spielbegriff ein als Metapher, um die Einflüsse des
Zufalls innerhalb des realen Kriegsgeschehens deut-
lich zu machen, im Gegensatz zu Hellwig, der den
Zufall zugunsten der Rationalität eliminieren will.
Dies entspricht der schon angedeuteten Abneigung
von Clausewitz gegenüber einer strengen Regelhaf-
tigkeit einerseits und Systematiken, die keine Erfah-
rungswerte berücksichtigen andererseits. Der Spiel-
begriff drückt bei Clausewitz die in jedem Konflikt
vorhandenen Unsicherheiten und Zufallsfaktoren
aus. Ferner ist auf Clausewitz’ Beobachtung hinzu-
Abbildung 16: Carl von Clausewitz
(Gemälde von Wilhelm Wach)
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weisen, dass der echte Krieg eben niemals ein »isolierter Akt« ist, wohingegen das
Hellwigsche Spiel seinen klar bestimmten Endpunkt darin hat, das gegnerische
Terrain zu besetzen.
Dennoch kommen Hellwigs Regeln und Grundüberlegungen in anderen Punkten
ausgesprochen nah an die Vorstellungen heran, welche Clausewitz in Vom Krie-
ge ausbreitet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich einige Übereinstimmungen
in erster Linie aus den notwendigen Reduktionen zur Erzielung einer praktischen
Spielbarkeit des Hellwigschen Spiels herleiten. So ergibt sich bei Hellwig das not-
Abbildung 17: Eine exemplarische Figurenaufstellung in der Hellwigschen Nomenklatur.
Verteidigende Einheiten haben sich um die Festung (weiße Raute auf schwarzem Grund)
verschanzt und sehen sich von den angreifenden Einheiten belagert.
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wendige Ziel des Spiels, das Gebiet, beziehungsweise die Festung des Gegners,
vollständig zu erobern, aus zwei Grundgedanken. Zum einen muss dem Gegner die
Möglichkeit genommen werden, sich weiterhin zu verteidigen; also müssen seine
Logistik gestört und sein Ressourcen bietendes Hinterland erobert werden. Zum
anderen ist die Eroberung der zentralen militärischen Einrichtungen des Gegners
zur Beendigung des Krieges unumgänglich. Hellwig schließt daher für das Kriegs-
spiel: »Das Kriegsspiel muß sich folglich mit Eroberung des feindlichen Landes und
der darin liegenden Festungen endigen«. Auch für Clausewitz ist es das Ziel des
Krieges, den Gegner »wehrlos« zu machen, doch geht er über die zwei durchaus
deckungsgleichen Zielsetzungen Hellwigs in einem dritten Punkt hinaus. Neben
die Ziele, die gegnerische Streitmacht dahin zu bringen, »daß sie den Kampf nicht
mehr fortsetzen kann«, und das Land des Gegners zu erobern, tritt bei Clausewitz
ein weiteres, erneut aus der Logik der nicht isolierten Natur des Krieges abgelei-
tetes Ziel: »Ist aber auch beides geschehen, so kann der Krieg, d. h. die feindliche
Spannung und Wirkung feindseliger Kräfte, nicht als beendet angesehen werden,
so lange der Wille des Feindes nicht auch bezwungen ist, d. h. seine Regierung und
seine Bundesgenossen zur Unterzeichnung des Friedens, oder das Volk zur Unter-
werfung vermogt sind; denn es kann sich, während wir im vollen Besitz des Landes
sind, der Kampf in seinem Innern, oder auch durch Beistand seiner Bundesgenos-
sen von neuem entzünden«.
So könnte in der Tatsache, dass Hellwigs Kriegsspiel mit der Eroberung der geg-
nerischen Festung endet, ein Indiz dafür gesehen werden, dass es sich bei näherer
Betrachtung nicht um ein Strategie-, sondern um ein Taktikspiel handelt, in dem
bestenfalls die Aneinanderreihung von einzelnen Gefechten simuliert wird. Sieht
man jedoch von der angesprochenen Isoliertheit ab, deckt sich auch der Umfang
der Kampagne innerhalb des Hellwigschen Spiels mit der Bestimmung des Verhält-
nisses von Strategie und Taktik bei Clausewitz. Dieser versteht die Taktik als »die
Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht«, die Strategie hingegen als »die
Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges«. Auch Details wie die
Ausführungen Hellwigs zur Logistik (in seinen Worten »der Communikation«) oder
die Möglichkeiten zur Terrainbeeinflussung durch Brückenbau und dergleichen
mehr weisen auf den Umfang und die Spieltiefe des Kriegsspiels hin. Das Kriegsspiel
muss daher auch im Sinne der Bestimmung nach Clausewitz durchaus als Strategie-
spiel verstanden werden.
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Das Kriegsspiel als Versinnlichung
Mit der Idee, die Form des streng regelgeleiteten Spiels zur Vermittlung von kriegs-
wichtigem Wissen zu nutzen, greift Hellwig ein Charakteristikum philanthropischer
Lehrmethoden auf. Bemerkenswert dabei ist, dass sich in dem von Hellwig be-
schriebenen Einsatz seines Spiels zur Belehrung sehr genau die philanthropischen
Erwartungen an die spielerische Vermittlung in Verbindung mit der weiterführen-
den, vertiefenden Belehrung bestätigt finden. Er schreibt: »Ich habe noch kein
Spiel gespielt, worin nicht die Wichtigkeit dieser und noch einer Menge anderer
Regeln so anschaulich gemacht wurde, daß sie sich dem Gedächtnisse unauslösch-
lich einprägen. Der Lehrer erhielt dadurch Gelegenheit, interessante Parallelbege-
benheiten aus der Kriegsgeschichte beizubringen, und dem Schüler eine lehrreiche
Unterhaltung zu verschaffen«.
Die Versinnlichung und die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand
des Spiels sind somit als die von Hellwig erwarteten und erhofften Effekte beim
Spieler zu verstehen. Das Kriegsspiel stellt gewissermaßen eine inszenierte Lern-
umgebung dar, um Kenntnisse über Strategie und Taktik möglichst produktiv zu
vermitteln. Die Spieler sollen das abwesende Kriegsgeschehen mit den Mitteln der
damaligen Zeit sinnlich erfahren. Diese Erfahrung soll dabei einerseits durch die
Ebene der Versinnlichung (beispielsweise durch die Betrachtung der Aufstellung
und Bewegung der Einheiten im Raum), andererseits als tiefer gehender Nachvoll-
zug der komplexen Zusammenhänge eines Feldzuges
gespeist werden (angesichts beispielsweise der kom-
plexen Wechselwirkungen von Bedrohungsszenari-
en, vorausgeplanten Zügen oder weitreichender Vo-
rausplanung). Zumindest dem Anspruch nach geht
es den Philanthropen, und damit auch Hellwig in
seinem Kriegsspiel, um einen Erfahrungsgewinn, der
mehrere Sinne gleichzeitig anspricht, also um eine
multisensuale Erfahrung. Der Sinn seines Kriegs-
spiels liegt darin, möglichst exakt die Wirkungszu-
sammenhänge des Krieges zu veranschaulichen,
dabei aber durch Vereinfachungen das Spiel hand-
habbar zu machen. Dass ein Spiel genutzt werden
soll, um einen realen Gegenstand (reduktiv) zu ver-
Abbildung 18: Versinnlichung in der Schule:
»Kriegsmarine in der Dorfschule«
(Holzstich um 1880)
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sinnlichen, entspricht der Pädagogik des Philanthropismus. Eine wesentliche Rolle
kommt dabei der Abkehr traditioneller Vermittlungsformen zu und der Hinwen-
dung zu einem Einsatz von Unterrichtsmedien verschiedenster Art. Das Lernen soll
durch den Einsatz des Spiels zu einem sinnlichen Erlebnis werden. Hellwigs Kriegs-
spiel vermittelt strategisches und taktisches Fachwissen zwar in einer sinnlicheren
Form als Lehrbücher über den Krieg. Doch gerade durch die isolierte Betrachtung,
die Folgenlosigkeit der Simulation, gerät die tatsächliche Wirkungsdimension eines
militärischen Konflikts aus dem Blick. Hellwig selbst weist darauf hin, dass seine
Simulation nicht unterscheidet zwischen verwundeten, getöteten oder gefangenen
Soldaten: »Es gehört zu den Kleinigkeiten, worauf im Kriegsspiel nicht zu sehen ist
(§ 1), den Unterschied zu bemerken, wann der Feind in diesem Falle für getödtet
oder für gefangen genommen zu halten sei. Genug, daß er ausser Stand gesetzt
ist, uns ferner zu schaden«. Dadurch, dass die Spieler innerhalb der angebotenen
Spielwelt verhaftet bleiben, verschließt sich ihnen die ganze Tragweite des Krieges.
In gewisser Hinsicht ist Clausewitz in diesem Punkt aufrichtiger, weil er an die
Totalität des Krieges als einmal getroffene Entscheidung zur Durchsetzung eines
Ziels erinnert.
Hellwigs Kriegsspiel lässt sich in der Geistesgeschichte seiner Entstehungszeit
verorten. Es greift Ideen zeitgenössischer Pädagogik auf und versucht, diese Ideen
für sein Spiel fruchtbar zu machen. Auch hinsichtlich der Vorstellung eines plan-
baren, in Regeln und Lehrsätzen auszudrückenden Krieges, bewegt sich Hellwig
auf damals bekanntem Terrain. Die Vorstellung solcher Planbarkeit wurde von
Clausewitz in Frage gestellt, hält sich jedoch hartnäckig in der Gegenwart.
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Von Wéiqí zu Command & Conquer
Wie hindert man den Zentralrechner der amerikanischen Streitkräfte daran, au-
tomatisch den nuklearen Vergeltungsschlag gegen Russland einzuleiten, wenn er
aufgrund fehlerhafter Daten annimmt, russische Nuklearraketen seien vor weni-
gen Minuten mit dem Ziel USA gestartet? Nehmen wir an, dass er sich selbst aus
Sicher heits gründen gegen ein manuelles Stoppen abgeschottet hat und dass das
Ziehen des Steckers wegen der integrierten Notstromaggregate nichts bringen wür-
de. Was tun? – Man lässt den Computer eine Partie TicTacToe gegen sich selbst
spielen. Nach mehreren Durchläufen wird er feststellen, dass sich TicTacToe nicht
gewinnen lässt, denn das Spiel geht jedes Mal unentschieden aus, jedenfalls solange
beide Spieler immer optimal setzen. Diese Erkenntnis überträgt das selbstlernende
Computersystem auf den nuklearen Krieg, den es gerade beginnen will, spielt alle
denkbaren Verläufe durch, erkennt die Sinnlosigkeit des Krieges und stellt fest, dass
auch das seltsame Spiel »Globaler Thermonuklearer Krieg« sich nicht gewinnen
lässt. Einen in jedem Fall gewinnbringenden Zug gibt es nicht. Daraufhin stoppt
der Computer die Startsequenz der Nuklearraketen, bricht das Programm ab und
der Welt bleibt die nukleare Katastrophe erspart. So geschieht es im Film WarGa-
mes – Kriegsspiele aus dem Jahr 1983. Das dramatische Szenario des Films ist ein
fiktives, die Frage nach der Verbindung von Strategie und Spiel, die der Film stellt,
dagegen eine reale. Kann TicTacToe uns also etwas über den Kalten Krieg beibrin-
gen, oder allgemeiner gefragt, in welchem Verhältnis stehen strategisches Spiel und
strategisches Wissen zueinander?
Hellwig beantwortet die Frage, ob aus Spiel Ernst werden kann mit Ja. Sein
Kriegsspiel wurde von ihm daher weniger zur Unterhaltung entworfen als vielmehr
um »einige Regeln der Kriegskunst zu versinnlichen, und dadurch dem Schüler
dieser Kunst nützlich zu werden«. Er setzte das Spiel als didaktisches Werkzeug zur
Ausbildung des militärischen Nachwuchses ein, insbesondere als Mittel zur Ver-
sinnlichung des Krieges. Die abstrakten strategischen Algorithmen des Gefechts
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wurden damit auf spielerische Weise sinnlich erfahrbar. Krieg sollte erlernbar und
zu diesem Zweck auch erlebbar werden, allerdings in einer vermittelten, ungefähr-
lichen Form. In dieser Form ist das Training von Strategien daher auch nicht dem
Militär vorbehalten, sondern Spiele mit kriegerischen Metaphern finden sich heu-
te im Kinderzimmer als Brettspiel wie auf dem Computer. Kann aus Ernst also
umgekehrt auch Spiel werden? Wie die vorangegangenen Kapitel gezeigt haben,
verbergen sich vielfältige Praktiken im Hellwigschen Spiel. Auch die vordergründig
spielerischen Elemente sind dabei mehr als bloße Spielerei und können ihre Ernst-
haftigkeit und ihre Herkunft nie vollständig abstreifen.
Diese beiden Richtungen, Spiele als Ausbildungswerkzeuge des Militärs und
Krieg als Metapher im Spiel, haben eine lange und vielfältige Tradition. Werfen
wir zum Abschluss des Buches einen Blick darauf, wie diese Entwicklung begann
und wie es nach dem Braunschweiger Kriegsspiel weiterging. Die Vorläufer des
Hellwigschen Spiels gehen weit zurück ins Altertum, die Nachfolger spielen wir
noch heute. In den meisten Fällen allerdings nicht mehr als Brettspiel, sondern
als computergestütztes Echtzeitstrategiespiel. Der Weg von Wéiqí über Hellwig zu
Command & Conquer geht dabei mehr als 2000 Jahre in die Vergangenheit zurück.
Wie alles begann
Der Legende nach wollte der chinesische Kaiser
Yao seinen Sohn gerne disziplinierter, konzentrier-
ter und ausgeglichener sehen. Daher erfand er für
ihn um das Jahr 2300 v. Chr. herum als Trainings hilfe
das Spiel Wéiqí. In Europa kennen wir es heute vor
allem unter seinem japanischen Namen Go. Der
Sohn soll später nicht nur einer der besten Wéiqí-
Spieler seiner Zeit geworden sein, sondern auch ein
angesehener Kaiser mit ausgeglichenem Charakter.
Eine andere Überlieferung verortet die Entstehung
des Spiels in der Kriegsplanung. Ursprünglich sol-
len chinesische Kriegsherren Brett und Steine zur
Veranschaulichung der Positionen der eigenen und
gegnerischen Armeen auf dem Schlachtfeld genutzt
haben. Aus dem militärischen Planungswerkzeug
Abbildung 19: Darstellung Chinesischer Go-
Spieler zur Zeit der Ming-Dynastie (1368 – 1644)
aus dem 16. Jahrhundert.
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entwickelte sich dann später ein Spiel. Beide Geschichten sind historisch nicht
eindeutig zu belegen und spiegeln daher vor allem die zwei grundlegenden Ziele
von Go wieder: die Entwicklung des eigenen Charakters und die Versinnlichung des
Wettstreits zweier Parteien.
Aber auch unabhängig von diesen Legenden findet sich im asiatischen Raum die
längste Tradition der Verbindung von Strategie und Spiel. So wurde Wéiqí tatsäch-
lich zur taktischen und strategischen Schulung des Militärs eingesetzt, und umge-
kehrt veränderten die Erfahrungen aus realen Gefechten immer wieder die Regeln
des Spiels. Zeitlich lief dies allerdings sehr viel später ab als in den Entstehungs-
legenden. Die frühesten historischen Nachweise für Wéiqí beziehungsweise Go
stammen erst aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Nichtsdestotrotz gehört es damit
zusammen unter anderem mit den altägyptischen Spielen Senet (3500 v. Chr.) und
Mehen (3000 bis 2300 v. Chr.), dem Königlichen Spiel von Ur (2300 v. Chr.) und
Backgammon (3000 v. Chr.) zu den ältesten bekannten Strategiespielen. Das frühes-
te nachgewiesene Spiel, das sich in der Ausgestaltung seiner Regeln und Figuren ex-
plizit einer kriegerischen Metapher bedient und nicht nach der sehr abstrakten Art
wie Go oder Schach entworfen wurde, ist vermutlich das altägyptische T‘au aus dem
Zeitraum 2000 v. Chr. Der Name bedeutet übersetzt ›Söldner‹ oder auch ›Räuber‹.
Für den europäischen Raum gibt es in diesen frühen
Epochen keine Hinweise für eine Verknüpfung von
Spiel und Kriegsführung. Das änderte sich in der
Frühen Neuzeit im 17. Jahrhundert. Im Zuge eines
neuen gesellschaftlichen Paradigmas, das von Logik
und Rationalität geprägt war, wurden Strategiespiele
als Trainingswerkzeug entdeckt. Spiele sollten nun
einer Verbesserung des logischen Denkens dienen
und als Simulation beziehungsweise Planungshilfe
für reale Gefechte aushelfen. Go allerdings erlang-
te in Europa erst ab den 1950er Jahren eine größere
Verbreitung, wenn auch einzelne Bücher und Anlei-
tungen zu dem Spiel bereits ab dem 17. Jahrhundert
erschienen.
Das wichtigste Spiel für diese neue Verbindung
von Krieg und Spiel in Europa wurde Schach. Sein
Abbildung 20: Die Ägyptische Königin Nefertari
(1295 bis 1255 v. Chr.) beim Spielen von Senet auf
einer Wandmalerei aus ihrer Grabkammer.
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Ursprung liegt in den indischen Spielen Ashtapada und Chaturanga. Von dort aus
verbreitete sich Schach zum einen gen Osten nach China, wo es sich in der Varian-
te Xiangqi (9. Jh. n. Chr.) niederschlug, sowie nach Korea (Janggi) und Japan (Shogi).
Zum anderen verbreitete sich Schach gen Westen
.
Im Perserreich war es unter dem
Namen Chatrang bekannt (6. Jh. n. Chr.) und nach der Eroberung durch die Araber
wurde daraus das Spiel Schatrandsch. In dieser Form gelangte es auf verschiede-
nen Wegen zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert nach Europa. Hier gehörte es im
Hochmittelalter seit Beginn des 13. Jahrhunderts zu den sieben ritterlichen Tugen-
den. 200 Jahre später, im 15. Jahrhundert, veränderten sich die Spielregeln noch
einmal sehr grundlegend. Die Zugweiten und Zugrichtungen von Bauer, Läufer und
Dame wurden angepasst. Der Bauer durfte nun bei seinem ersten Zug zwei Felder
weit, der Läufer diagonal beliebig weit und die Dame in alle acht Richtungen be-
liebig weit ziehen, wodurch sie zur mächtigsten Figur auf dem Brett wurde. Durch
diese Anpassungen veränderte sich das Spiel von
Grund auf. Das neue Schachspiel erforderte eine
andere Taktik. Es gewann an Tempo und weiter an
Popularität. Dieser Zeitpunkt markiert den Beginn
des modernen Schachs.
Kriegsspiele vor Hellwig
Auf Grundlage der modernen Schachregeln ent-
standen die ersten Verbindungen von militärischer
Ausbildung und Spiel im europäischen Raum. Das
erste fassbare Ergebnis in dieser Richtung war das
New-erfundene große König-Spiel von Christoph
Weickhmann aus dem Jahr 1650. Er widmete es
Herzog August dem Jüngeren, dem Autor des ersten
deutschsprachigen Schachlehrbuchs mit dem Titel
Das Königs- oder Schachspiel von 1616 (verfasst un-
ter dem Pseudonym Gustavus Selenus). Anders als
Herzog August, dem es beim Spiel um das Amüse-
ment des Spielers beziehungsweise des Lesers ging,
zielte Weickhmanns Spiel auf das Lernen von politi-
schen und militärischen Axiomen und Regeln ab. Es
Abbildung 21: Darstellung Adliger beim
Schachspielen aus dem Jahr 1320
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sollten – so Weickhmann wörtlich – »nöthigste Politische und Militairische Axio-
mata und Regeln / Spielweise [...] ohn einige grosse Müh und Lesung vieler Bücher/
gleichsam als in einem Compendio, gewiesen und vorgestellt werden«. Die Erfah-
rungen mit dem Spiel sollten für zukünftige reale Gefechte hilfreich sein. Weickh-
mann ersetzte die klassischen Schachfiguren daher mit einer zeitgenössischen Zu-
sammenstellung militärischer Figuren und erweiterte die Bewegungsmöglichkeiten
sowie die Größe des Spielbretts. Einen ähnlichen Weg ging im Jahr 1806 C. E. B.
Hoverbeck. Er entwickelte das Preussische National-Schach. Dabei benannte er
die Figuren ebenfalls entsprechend zeitgenössischer militärischer Grade um: Die
Dame wurde zur Leibgarde, die Läufer wurden zu Kürassieren oder Dragonern und
die Springer zu Husaren, usw
.
Das Spielbrett wurde auf 11 mal 11 Felder erweitert
und sollte Geist, Scharfsinn und Entscheidungsfreudigkeit trainieren.
Abbildung 22: Eine Tafel aus dem Kriegsspiel Georg Heinrich Rudolf Johann von Reiswitz aus
dessen »Anleitung zur Darstellung militarischen Manöver mit dem Apparat des Kriegs-Spieles«
(1824). Eine gewisse Ähnlichkeit des Notationssystems mit der Abstraktion des Hellwigschen
Systems der Spielbeschreibung (vgl. bspw. Abb. 17) verweist auf die Ähnlichkeit der beiden Spiele.
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Diese und ähnliche Kriegsschachspiele veränderten und verstärkten zwar die krie-
gerische Metapher des Schachspiels, blieben aber im Kern weiterhin Schach. Hell-
wig ging einen Schritt weiter. Die erste Ausgabe seines Regelwerks erschien 1780
in Leipzig. Das Spiel trug den Namen Versuch eines aufs Schachspiel gebaueten tak-
tischen Spiels von zwey und mehreren Personen zu spielen. Auch Hellwig orientierte
sich am Schachbrett und den zugehörigen Figuren. Die wesentliche Neuerung ge-
genüber den bisherigen Kriegsspielen bestand darin, dass er sein Spiel als Simula-
tion von Krieg konstruierte. So machte er sich Gedanken über Schussweiten und
Tagesmärsche, erweiterte das Spielbrett um Gebirge, Flüsse, Dörfer und Morast,
ermöglichte Gruppenbewegungen mehrerer Figuren gleichzeitig und führte Versor-
gungslinien, Provinzen und vieles mehr ein. Das Ergebnis seiner Bemühungen, die
Regeln der Kriegskunst zu versinnlichen, umfasste dementsprechend später in der
überarbeiteten zweiten Auflage aus dem Jahr 1803 insgesamt 323 Regelparagrafen.
Hellwigs Nachfolger
Die vollständige Transformation weg vom Schachspiel und hin zur Kriegssimulation
erfolgte mit dem Kriegs- und Domänenrat Georg Leopold Baron von Reiswitz. Im
Schach ausgebildet wurde er von seinem Vater. Zudem war er als Kind ein Spiel-
kamerad des späteren Fürsten Friedrich Ferdinand am Schloss zu Pleß, welcher
wiederum ein Kriegsspiel nach Hellwigs Anleitung besaß. Während seiner Studien-
zeit ersetzte er beim Schachspiel entsprechend die Figuren durch die Darstellun-
gen von Truppenkorps. Der Spielforscher von Hilgers schreibt dazu: »Doch haderte
Reiswitz bei einem prinzipiellen Problem, daß generell die Entwicklung der da-
maligen Kriegsspiele betraf: Die nach Weickhmanns Königs-Spiel aufgekommenen
Kriegsspiele waren zwar versucht selbst noch logistische Aufgaben und Truppenbe-
wegungen ganzer Feldzüge auf der Grundlage des Schachbretts auszuführen. Sie
alle behandelten aber bestenfalls nur einen strategischen Raum, keinen taktischen.«
Im Jahr 1812 veröffentlichte er daher ein eigenes Kriegsspiel, die Anleitung zu einer
mechanischen Vorrichtung um taktische Manoeuvres sinnlich darzustellen. Bereits
1816 zog er seine Anleitung jedoch als überholt zurück und überließ die weitere
Ausarbeitung des Spiels seinem Sohn, Georg Heinrich Rudolf Johann von Reiswitz
Die endgültige Fassung des Reiswitzschen Kriegsspiels erschien daher 1824.
Das Kriegsspiel von Reiswitz beinhaltet einige grundlegende Änderungen gegen-
über Hellwigs Spiel. Die exakten Berechnungen werden durch Wahrscheinlichkei-
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ten ersetzt und Würfel bringen den Zufall ins Spiel hinein. Darüber hinaus haben
die Spieler nicht mehr die Möglichkeit, das komplette Spielgeschehen mit eigenen
Augen zu verfolgen. Nur ein so genannter Vertrauter hat bei Reiswitz die vollstän-
digen Informationen über alle Figuren und gibt den beiden Spielern jeweils nur die
Informationen, die sie aufgrund der Positionen ihrer Figuren im Terrain auch sehen
können. Dazu werden insgesamt drei Spieltische aufgebaut: Auf dem Spielbrett
des Vertrauten stehen alle Figuren. Auf den Spielbrettern der Spieler jeweils nur
die eigenen Figuren und diejenigen gegnerischen Figuren, die der Vertraute dem
jeweiligen Spieler dort bereitstellt. Er übersetzt also die Züge der beiden Spieler
unter Berücksichtigung der jeweiligen Sichtachsen und Sichtweiten. Damit nimmt
Reiswitz ein zentrales Element heutiger computerbasierter Strategiespiele vorweg,
nämlich den so genannten ›Kriegsnebel‹ (›Fog of War‹).
Was die Spielfiguren betrifft, werden diese anders als bei Hellwig mit detaillierten
Eigenschaften ausgestaltet. Eine bestimmte Figur wird beispielsweise nicht beim
ersten Angriff sofort geschlagen, sondern kann eine gewisse Anzahl an Schadpunk-
ten erhalten, bevor sie aus dem Spiel genommen wird. Auch das Spielbrett verän-
derte Reiswitz. Das Spiel findet auf topografischen Karten statt, nicht mehr auf
einem abstrakten Spielbrett wie beim Schach. Zum Messen von Bewegungs- und
Schussweiten kommen daher entsprechend Maßbänder zum Einsatz. Und während
bei Hellwig pro Spielzug lediglich eine Figur bewegt wird, das Spiel somit zeitun-
kritisch ist, kann der Spieler bei Reiswitz innerhalb seines Zeitfensters alle Figuren
um so viele Felder bewegen, wie sie laut Regeln in dieser Zeit an Weg zurücklegen
können. Damit nähert sich das Kriegsspiel bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts
dem Konzept des Echtzeitstrategiespieles an, wie es heute bei Computerspielen
verbreitet ist.
Auf die Kriegsspiele von Hellwig und Reiswitz folgen weitere Spiele. Noch im
selben Jahr, in dem Georg Heinrich Rudolf Johann von Reiswitz stirbt, erscheint
das Supplement zu den bisherigen Kriegsspiel-Regeln, von einer Gesellschaft preuss.
Offiziere bearbeitet (1827) als Erweiterung des Reiswitzschen Regelwerks. Einen
Mittelweg zwischen Hellwig und Hoverbeck schlägt 1828 Franz Dominik Cham-
blanc vor. Sein Spiel sollte möglichst nahe am tradierten Schachspiel sein und im
Hauptzwecke der Unterhaltung dienen. Die Komplexität der Regeln wurde von ihm
daher auf ein Mindestmaß beschränkt. Das Spielbrett hat dementsprechend nur
460 Felder im Gegensatz zu Hellwig (1617 Felder), weniger Figuren und weniger
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Regeln, bleibt aber der militärischen Thematik und dem hohen Trainingsanspruch
verbunden. Einige Jahre später wurde die Verbindung von Krieg und Spiel dann
sehr viel stärker. Das Kriegsspiel wurde in Deutschland bei der logistischen Pla-
nung von realen Kriegszügen eingesetzt, insbesondere im Krieg Deutschland gegen
Frankreich 1870 / 71.
Nach dem erfolgreichen Einsatz im realen Konflikt erschienen darüber hinaus
verschiedenste weitere Varianten des Kriegsspiels. 1877 brachte beispielsweise
Naumann ein Regimentskriegsspiel heraus. Dieses zeichnete sich vor allem da-
durch aus, dass es auf aktuellen Statistiken aus dem Deutsch-Französischen Krieg
1870 / 71 basierte. Es wurde zudem zum Vorbild für das 1879 erschienene American
Kriegsspiel von W. R. Livermore. Weitere Anleitungen zum Kriegsspiel veröffentlich-
ten von Tschischwitz (1874), von Meckel (1875), von Trotha (1875), von Verdy (1881)
und von Braun (1880). Auf Anregung des damaligen Marineministers von Stosch
wurde 1876 außerdem ein Seekriegsspiel entwickelt. Und auch nach dem Ende
des 19. Jahrhunderts wurden diese oder vergleichbare Kriegsspiele weiterhin als
Planungs hilfen für reale Operationen eingesetzt, beispielsweise beim Schlieffen-
Plan im Ersten Weltkrieg, und im Zweiten Weltkrieg beim Einmarsch in Polen,
der Ardennenoffensive, der geplanten Invasion nach England und dem Russland-
Feldzug. Aus Spiel war Ernst geworden.
Der Beginn der Echtzeitstrategiespiele
Umgekehrt hielten Kriegsspiele auch im zivilen Bereich Einzug. Zunächst vor allem
in Form von Zinnsoldaten. Das erste bekannte zivile Kriegsspiel entstand zwischen
1880 und 1887 als eine Kombination aus Zinnfiguren, Modellbau-Landschaften und
Strategiespiel. Sehr wahrscheinlich haben Spiele mit Zinnsoldaten aber bereits vor-
her existiert, da ihre Anschaffung spätestens seit Mitte des 18. Jh. für das Bürgertum
erschwinglich wurde. Ein zentrales Regelwerk für das Spielen mit Zinnfiguren, bei
uns heute unter dem Namen ›Tabletop‹ bekannt, erschien 1913 von H. G. Wells unter
dem Namen Little Wars. Ausgehend von diesen Ursprüngen entwickelte sich ein
kommerzielles Umfeld für zivile Kriegsspiele aus denen Titel wie L‘Attaque, die erste
Version des bis heute populären Stratego, Dover Patrol oder Aviation hervorgingen.
Das erste aus unserer heutigen Sicht moderne Strategie-Brettspiel erschien
1954 unter dem Namen Tactics von Charles S. Roberts. Es prägte das Genre für
die nächsten Jahrzehnte. Charles S. Roberts führte mit seinem Spiel eine Reihe
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grundlegender Änderungen ein: So ersetzte er die Zinnfiguren durch quadratische
Pappkärtchen mit aufgedruckten Spieldaten. Die Truppenstärke einer Einheit wird
durch Angriffe schrittweise reduziert, anstatt gleich komplett vom Brett genommen
zu werden. Um die Folgen eines Angriffs zu bestimmen, würfeln die Spieler dabei
auf die so genannte ›Combat Resolution‹ Tabelle. Angriffe und Bewegungen wer-
den zudem durch das Terrain beeinflusst. Die Spielfiguren haben unterschiedliche
Bewegungsweiten und sind von einer ›Zone of Control‹ umgeben. Darüber hinaus
kommt die Truppenmoral als Spielfaktor dazu. Neu sind diese Änderungen dabei
vor allem im Vergleich zu damals zeitgenössischen Strategiespielen und zu klas-
sisch-abstrakten Strategiespielen wie Schach oder Dame. Im Vergleich zu den Spie-
len von Hellwig oder Reiswitz finden sich hier dagegen viele Gemeinsamkeiten.
Strategiespiele erreichten bald einen Massenmarkt. Von den 1954 verkauften
2.000 Stück steigerte sich die Produktion bis zum Jahr 1963 auf 200.000 verkaufte
Spiele. Zu diesem Zeitpunkt waren unter anderem Gettysburg, Tactics II, U-Boat,
Chancellorsville, D-Day, Civil War, Waterloo, Bismarck, Stalingrad sowie Risk und
Diplomacy erhältlich. Aber nicht nur die Anzahl der Spiele stieg, sondern auch ihre
Komplexität. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war Advanced Squad Leaders von
1985. Das taktische Zweite-Weltkriegs-Spiel kannte allein an deutschen Fabrikaten
56 verschiedene Sorten Panzer und Sturmgeschütze. Trotz oder gerade aufgrund
seiner Komplexität existiert das Spiel bis heute und
in regelmäßigen Abständen erscheinen Erweiterun-
gen, zuletzt im Jahr 2009.
Eine andere Entwicklungslinie nimmt 1971 ihren
Anfang. Gary Gygax und Jeff Perren veröffentlichten
Chainmail: Rules For Medieval Miniatures. Infolge
des großen Erfolgs des 1966 in den USA erschie-
nenen Herr der Ringe von J. R. R. Tolkien bot das
Regelwerk eine Anleitung für das Spielen mit sehr
detailliert modellierten Ritterfiguren sowie Fantasy-
Kreaturen. In Zusammenarbeit mit Dave Arneson
veröffentlichte Gygax drei Jahre später Dungeons
& Dragons – Rules for Fantastic Medieval Wargames
Campaignes Playable with Paper and Pencil and Mini-
ature Figures. Das erste Rollenspiel war entstanden.
Abbildung 23: Ausschnitt eines Zwischenstands
auf dem Spielbrett von Tactics II (1958).
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Erstmals werden dabei in einem Spiel Fantasy-Kreaturen als Figuren genutzt. Diese
werden zudem sehr individuell mit jeweils unterschiedlichen Kampfeigenschaften
sowie weiteren nicht-kämpferischen Eigenschaften ausgestaltet. Statt einer größe-
ren Zahl namenloser abstrakter Spielfiguren hat jeder Spieler einen individuellen
Spielcharakter. Mithilfe des Sammelns von Erfahrungspunkten im Kampf können
die Eigenschaften der Spielfiguren verbessert werden. Es werden Charakter klassen
und Magieregeln eingeführt, und ein Spielleiter überwacht die Einhaltung der Re-
geln und steuert den sehr freien Spielfluss. Auf diesem grundlegenden Konzept
basieren Rollenspiele bis heute, ob als Brettspiel oder als Online-Rollenspiel am
Computer, wie beispielsweise World of Warcraft aus dem Jahr 2005.
1980 war das Hochjahr der Strategiespiele und der Anfang der Computer-
strategiespiele. Diese wiederum bedeuteten den Niedergang der papier- und brett-
basierten Spiele. Bereits Mitte der 1970er kamen Game Assistant Programs auf den
Markt, Software, die die Kalkulation und Buchhaltung der überkomplexen Regeln
automatisierte und die Spieler beim Brettspielen entlastete. Zunächst entstanden
also Mischformen aus Brettspiel und Computer. Auch das Spiel Tanktics von Chris
Crawford brauchte 1978 weiterhin Spielbrett und Zettel, um spielbar zu sein. Das
1979 erschienene Global War dagegen, eine Variante von Risiko, lief zwar ohne Brett,
Abbildung 24: Das Computerstrategiespiel findet zu sich selbst: Screenshot aus The Ancient Art
of War (1985), dem ersten Echtzeitstrategiespiel, das komplett am Computer gespielt wurde.
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stellte aber keinen Computergegner bereit. Das erste komplett im Computer statt-
findende Spiel war daher Computer Bismarck aus dem Jahr 1980. Es kam sowohl
ohne externe Hilfsmittel als auch ohne menschlichen Gegenspieler aus. In rascher
Folge erschienen weitere Spiele: Midway Campaign, North Atlantic Convoy Raider,
Nukewar, Planet Miners, B-1 Nuclear Bomber, Sea Battle und Crush, Crumble and
Chomp! Ab 1981 war schließlich ein exponentieller Anstieg bei den veröffentlichten
Spielen zu verzeichnen.
Alle diese frühen Computerspiele waren aber nach wie vor rundenbasiert. Zum
einen aufgrund ihrer Herkunft vom Brettspiel, zum anderen schlicht wegen der be-
grenzten Rechenleistung der damaligen Computer. Das erste Echtzeitstrategiespiel
erschien daher erst 1984 unter dem Titel The Ancient Art of War. Jetzt kam es nicht
mehr nur darauf an, eine strategisch wohlüberlegte Entscheidung zu treffen, son-
dern diese auch so schnell wie möglich treffen zu können und sie zügig umzusetzen.
Denn bei einem Echtzeitstrategiespiel kann jeder Spieler so viele Züge machen,
wie er in der zur Verfügung stehenden Zeit durchführen kann. Das abwechselnde
Ziehen wie beim Schach gehörte damit der Vergangenheit an. Populär wurden Echt-
zeitstrategiespiele vor allem 1992 mit Dune II, 1994 mit Warcraft und 1995 mit Com-
mand & Conquer. Zusammen mit den Netzwerkfähigkeiten, dem Computergegner
und dem ›Fog of War‹ waren nun alle Elemente versammelt, die auch heute aktuelle
Strategiespiele ausmachen. Dem Spielforscher Sebastian Deterding folgend streifte
das Computerspiel mit dem Paradigma der Echtzeit »das letzte obsolete Protokoll
des Tabletops – die Rundenbasierung – ab und kam so zu sich selbst«.
Wie wir in den vorangehenden Erläuterungen gese-
hen haben, ist es von Wéiqí zu Command & Conquer
ein langer Weg. In bestimmter Hinsicht ist er jedoch
kürzer als zunächst gedacht. So verwendet spätes-
tens das Kriegsspiel von Reiswitz ähnliche Struktu-
ren, wie sie auch später beim Computerspiel zum
Einsatz kommen: Der Vertraute berechnet die Züge,
sichert die Einhaltung der Regeln und vermittelt zwi-
schen den beiden Spielparteien. Gleichermaßen fin-
den wir bereits dort die Elemente der Echtzeitstra-
tegie und der Wahrscheinlichkeitsberechnung in
Grundzügen vor. Doch was genau lernen wir durch
Abbildung 25: In einem der frühen populären
Computerstrategiespiele Command & Conquer
(1995) versuchen Soldaten, Panzer und Luftein-
heiten eine gegnerische Stellung einzunehmen.
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Strategiespiele? Spiele vermitteln uns in vielerlei Hinsicht ein sehr ernsthaftes Wis-
sen. Deshalb begreifen wir Strategiespiele nicht nur als Spiele, sondern auch als
›Einübungsform‹ einer Art des Denkens. Neben den Aspekten des Spielerischen
wird dabei vor allem eine grundlegende Denkweise trainiert, nämlich dass komple-
xe ökonomische, militärische und politische Prozesse eine effiziente und rationale
Steuerung brauchen. Dass uns diese Vorstellung auf trügerische Weise selbstver-
ständlich vorkommt, ist wiederum selbst das Ergebnis einer langen Geschichte der
Affektkontrolle und Selbstdisziplinierung. Spiele sind dabei gleichermaßen Teil als
auch Ergebnis dieser Geschichte. Die Untersuchung dieser Geschichte gibt uns
nicht nur Aufschluss über die Spiele selbst, sondern hilft uns auch die Rolle des
Strategischen in der Gesellschaft zu verstehen. Die nächste strategische Entschei-
dung ist immer nur einen Mausklick entfernt.
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Appendix:
Die Regeln
Neufassung der Regeln des Hellwigschen Kriegsspiels
Im Folgenden befinden sich die von uns überarbeiteten, gekürzten und einem heutigen Sprachver-
ständnis angepassten Spielregeln des Hellwigschen Spiels. Die Motivation, die Regeln des Spiels in
dieser Form zu veröffentlichen, ergab sich aus der Erkenntnis, dass ein Nachvollzug des Spiels aus
den Originalbüchern relativ komplex anmutet. Nicht nur aufgrund der Sprache und Argumentation
ihrer Entstehungszeit, sondern auch da sich das Verständnis über die didaktischen und explikativen
Formen von Spielregeln in den letzten 250 Jahren soweit geändert hat, dass dem Leser die Beschäf-
tigung mit den Hellwigschen Regeln in starkem Maße redundant und ›überkompliziert‹ vorkommen
mag. Daher haben wir uns dazu entschieden, den Lesern dieses Buches nicht das Original, dafür
aber ein funktionales und in sich geschlossenes Regelszenario zu präsentieren. Diese Version hält
sich weitestgehend an die zweite Ausgabe des Buches von 1803 und berücksichtigt bevorzugt die
grundsätzlichen Spielregeln. Die von Hellwig ausführlich niedergelegten Ausnahmeregelungen und
Beispielsituationen, aber auch die von ihm im Appendix des Buches vorgeschlagenen Erweiterungs-
regeln für geübte Leser finden in den überarbeiteten Regeln nur gelegentlich Berücksichtigung.
Sollten wir mit der Dokumentation dieser ›pragmatischen‹ Kriegsspiel-Regeln dazu anregen, das
Hellwigsche Spiel temporär wieder zum Leben zu erwecken, würde uns dies sehr freuen. Sollten
wir Interesse auf mehr wecken, so verweisen wir auf unserer Projekthomepage (www.strategiespie-
len.de), auf der die Originalregeln ausführlich dokumentierten sind und ebenso zusätzlichenInfor-
mationen zu finden sind.
Vorrede
Das Hellwigsche Kriegsspiel ist dem Schach nachempfunden. Es übernimmt von ihm das käst-
chenartige Spielbrett, die Bewegung der Figuren, das abwechselnde Ziehen der Spieler, das Schla-
gen von Figuren und die Ausschaltung des Zufalls. Dazu kommen umfangreiche Ergänzungen:
verschiedene Terrains, Schusswaffen und Artillerie, Korpsbewegungen und weitere Elemente.
In der vorliegenden Zusammenfassung wurden die Spielregeln neu formuliert:
☞ Die Reihenfolge der Regeln wurde geändert.
Doppelt genannte Regelungen sind nur noch einfach aufgeführt. ☞
☞
Detailregelungen, die sich aus allgemeineren Prinzipien ableiten, sind in einer übergreifen-
den Regel zusammengefasst.
☞Die Vielzahl der Beispiele und Erläuterungen ist auf ein Minimum reduziert.
Die Regeln sind damit einfacher zugänglich. Der Spielfluss beschleunigt sich. Gleichzeitig ist die
Komplexität und die Differenzierung zwischen den verschiedenen Einheiten, Terrains und Aktio-
nen dadurch etwas geringer. Um Lesbarkeit und Spielbarkeit zu erhöhen, wurden zudem einige
Ausnahmen gestrichen und einige Regeln vereinfacht. Die Darstellung der Figuren und Terrains
bezieht sich auf die Rekonstruktion. Eine Gegenüberstellung der ursprünglichen Regeln und der
Neufassung findet sich auf der Projekthomepage zu diesem Buch.
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A. Spielübersicht
1. Vor Ihnen liegt ein fiktives Kriegsgebiet. Zwei Parteien streiten um die Vorherrschaft. Ihre Aufga-
be ist es, die gegnerische Festung zu erobern!
2. Abwechselnd mit dem Gegner ziehen Sie Ihre Truppen Richtung Festung. Mit Spielbeginn ste-
hen Ihnen dafür eine feste Anzahl an Infanterie, Artillerie, Kavallerie und Brückenwagen zur Ver-
fügung. Die Figuren bewegen sich vergleichbar den Figuren beim Schach, jedoch maximal sechs
oder acht Felder weit. Sie können einzelne Figuren ziehen oder ganze Truppen. Das Gebiet ist
von Flüssen durchzogen, über die Sie Brücken bauen müssen! Wald und Gebirge können nicht
überquert werden. Die Häuser stellen dagegen kein Hindernis dar.
3. Treffen Sie auf feindliche Einheiten, können Sie die gegnerischen Figuren wie beim Schachspiel
schlagen oder aus der Ferne niederschießen. Geschütze und Brückenwagen können stattdessen
auch erobert werden.
4. Um Ihre eigenen Truppen zu schützen, bauen Sie Verschanzungen! Wichtig ist zudem die richti-
ge Strategie: Das Spiel belohnt eine geschickte Taktik mehr als das direkte Drauflosschlagen.
5. Sie gewinnen, wenn Sie die Festung des Gegners eingenommen und einen Zug lang besetzt
haben, oder wenn Sie die Festung komplett umstellt und über die Dauer von 100 Zügen durch-
gehend und lückenlos belagert haben.
B. Spielanleitung
Der Spielplan und die Spielsteine
Das Spielfeld umfasst 49 mal 33 Felder. Die Felder sind quadratisch und durch Linien voneinander
getrennt, analog zu einem Schachbrett. Es repräsentiert eine Landschaft.
Die Hauptfelder sind grün. Sie entsprechen flachem, wegsamen Gelände. Auf diesen Feldern kön-
nen sich alle Figuren ungehindert bewegen. Gebirge werden durch grüne, oben abgerundete Steine
dargestellt. Diese Felder können weder betreten, noch überquert werden. Zudem kann weder Ar-
tillerie noch Infanterie über sie hinwegschießen. Wälder werden durch grüne Kuben repräsentiert.
Abbildung 26: Das rekonst ruierte Spielbrett während eines Spiels in der Draufsicht.
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Sie können nicht passiert werden, aber man kann über sie hinweg auf dahinter liegende Felder
schießen. Gewässer sind durch weiße Vertiefungen dargestellt. Sie können ohne Brücke von kei-
ner Figur überquert werden. Bei entsprechender Reichweite der Figur kann man über den Fluss
hinweg auf feindliche Einheiten schießen. Städte und Dörfer werden durch aufgestellte, grüne
Dreiecke dargestellt. Sie können von allen Figuren passiert werden. Ein Aufenthalt auf diesem
Feld ist nicht möglich. Gewehrfeuer und Artillerie werden durch Städte und Dörfer geblockt. Auf
Felder dahinter kann daher nicht geschossen werden. Die beiden Festungen stellen die Zentren des
Spiels dar, die zu erobern bzw. zu verteidigen das wechselseitige Ziel der beiden Parteien ist. Sie
sind durch eine Umrandung aus grünen Verschanzungen gekennzeichnet (in der Abbildung oben
links im Bild).
Felder, die durch Zerstörung von Artillerie, Verschanzung, Brückenwagen oder anderen Figuren
freigeworden sind, dürfen erst im nächsten Zug überschritten oder überschossen werden. Eine so
eben gebaute Brücke darf ebenfalls erst im nächsten Zug benutzt werden. Eigene oder gegnerische
Figuren sind Hindernisse für die Bewegung. Eigene Figuren sind allerdings kein Hindernis fürs
Schießen.
Die Figuren und Figurenklassen umfassen Infanteristen, Kavalleristen und Dragoner (berittene
Figuren, die zu Fußsoldaten umgewandelt werden können) sowie drei verschiedene Formen der
Artillerie, die sich nach Reichweite und Geschwindigkeit unterscheiden. Dazu kommen noch Brü-
ckenwagen, die zum Transport der Brückenelemente dienen. Die Verschanzungssteine (auf dem
Foto als liegende rote Dreiecke zu sehen) dienen dazu, Einheiten oder die Festung gegen Beschuss
abzusichern.
Spielaufbau
Jeder Spieler erhält 76 Bataillone Infanterie, 20 Bataillone Kavallerie und 15 Geschütze in seiner
Farbe sowie 10 Brückenwagen und 20 Brückensteine.
In der Mitte des Spielplans entlang der Grenzlinie wird der Sichtschutz aufgestellt. Beide Spieler
stellen unbeobachtet voneinander ihre Figuren auf.
Abbildung 27: Die ver schiedenen Terrain s und Spielfiguren des Hellwigschen Kriegsspiels.
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Für die Startaufstellung der Figuren gilt:
☞Die Aufstellung seiner Figuren kann jeder Spieler frei entscheiden.
☞Der Abstand zur Grenze muss für jede Figur mindestens ein Zug sein.
☞Es dürfen keine Verschanzungen gelegt werden.
☞
Brücken können beliebig viele von den eigenen Brückenwagen genommen
und aufgebaut werden, aber nicht direkt auf der Grenzlinie
Es wird ausgelost, welcher Spieler den ersten Zug macht.
Spielablauf
Beide Spieler sind abwechselnd an der Reihe und machen jeweils einen Zug mit
verschiedenen Aktionen in folgender Reihenfolge:
1. Pro Zug eine Bewegung
Eine Figur wird bewegt, wenn sie ihr Feld verlässt.
2. Pro unbewegte Figur eine Aktion
Aktionen können sein: schlagen, schießen, schwenken, auf- und absitzen, Brü-
cken schlagen, abbrechen und vernichten, Geschütz besetzen, umdrehen und
vernichten sowie Verschanzung aufbauen oder übernehmen.
3. Ansage an den Gegenspieler: Fertig!
Spielende
Das Spiel ist gewonnen, wenn die gegnerische Festung erobert wird. Dazu muss
das Spielfeld der Festung mit einer eigenen Figur besetzt und einen Zug
☞
gehalten werden
☞oder die Festung über die Dauer von 100 Zügen belagert werden.
Für die Belagerung müssen alle Brücken zur Festung vernichtet und in alle angren-
zenden Provinzen eingerückt werden. Die Belagerung wird vom Spieler angesagt.
Gelingt es dem Gegenspieler von außen eine Figur in die Festung zu bringen, ver-
zögert sich die Eroberung um 20 Züge. Die Figur kann dabei direkt von außerhalb
kommen oder zunächst aus der Festung ausbrechen, um dann zurückzukehren.
1. Bewegungen
Bewegen einer einzelnen Figur
Infanterie, Dragoner und leichte Reiterei werden wie die Königin im Schach be-
wegt. Gezogen werden kann in eine beliebige Richtung, unabhängig von der Front
der Figur. Ohne Hindernis kann
☞die Infanterie maximal 8 Felder,
☞der Dragoner maximal 12 Felder,
☞die leichte Reiterei maximal 16 Felder
ziehen. Die leichte Reiterei kann darüber hinaus statt als Dame als Springer ge-
setzt werden, jedoch nicht gleichzeitig. Vor einem Hindernis stoppt die Bewe-
gung.
Die Artillerie wird analog zum Turm im Schach gesetzt. Sie unterteilt sich in drei
Gruppen:
☞Das Batteriegeschütz kann maximal 6 Felder ziehen.
☞Das Wurfgeschütz kann maximal 6 Felder ziehen.
☞Das Regimentsgeschütz kann maximal 8 Felder ziehen.
Eine Bewegung ist nur möglich, wenn die Artillerie mit einer Figur der Infanterie
oder einem abgesessenen Dragoner besetzt ist.
Der Brückenwagen wird analog zur Artillerie wie ein Turm gesetzt. Er muss mit
mindestens einer Figur besetzt sein und kann sich ohne Hindernis maximal 8
Felder bewegen.
Abbildung 2 8: Die verschiede-
nen Figurenkla ssen: Infanterie,
Kavallerie, Dragoner, abge-
sessene Dragoner, Regiments-
geschütz , Batteriegeschütz,
Wurfgeschütz.
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Bewegen einer Gruppe von Figuren (Korps)
Wenn eine Gruppe von Figuren ohne Lücke ein Rechteck bildet, kann sie gemeinsam als Korps
bewegt werden. Geschütze innerhalb dieser Gruppe müssen dafür besetzt sein. Das Korps bewegt
sich wie der Turm im Schach. Die maximale Weite wird durch die langsamste Einheit bestimmt.
Alle Felder, die dabei passiert werden, müssen frei und wegsam sein.
Schwenken eines Korps
Beim Schwenken verändern die Figuren ihre Front, das heißt ihre Blickrichtung, bleiben aber auf
demselben Feld stehen. Ein Korps kann auch als Ganzes geschwenkt werden. Der Drehpunkt
muss in einer der Ecken des Rechtecks liegen. Die Figur auf diesem Eckfeld bleibt auf ihrem Feld
stehen, das Rechteck wird um dieses Feld herum gedreht. Alle Felder, über die geschwenkt wird,
müssen frei und passierbar sein.
Schwenken der Artillerie
Die Schwenkung der Artillerie erfolgt genauso wie die Schwenkung eines Korps. Bildet das Ge-
schütz den Drehpunkt, wird die Figur des Artilleristen bewegt. Andersherum zählt das Schwen-
ken als Aktion. Alle Felder, die beim Schwenken passiert werden, müssen frei und wegsam sein.
Schwenken ist nur möglich, wenn die Artillerie mit einer Figur der Infanterie oder einem abgeses-
senen Dragoner besetzt ist.
Schwenken der Brückenwagen
Das Schwenken des Brückenwagens funktioniert ebenfalls wie das Schwenken eines Korps:
☞Alle Felder, über die geschwenkt wird, müssen frei und passierbar sein.
☞Der Brückenwagen muss mit mindestens einer beliebigen eigenen Figur besetzt sein.
☞
Wird beim Schwenken eine Figur bewegt, zählt das Schwenken als Bewegung, sonst als
Aktion.
Eigene Figuren stellen hier kein Hindernis dar. Der Brückenwagen kann unter ihnen hindurch
passieren. Der Wagen kann zudem auch unter einer Figur zum Stehen kommen. Diese steht dann
auf dem Brückenwagen. Wenn sich zwei eigene Figuren auf dem Brückenwagen befinden, kann
umgekehrt eine beim Schwenken auch stehen bleiben. Befindet sich außerdem eine gegnerische
Figur mit auf dem Brückenwagen, kann dagegen gar nicht geschwenkt werden.
2. Aktionen
Schlagen
Das Schlagen gegnerischer Figuren funktioniert wie im Schach: Die eigene Figur zieht auf den
Platz der gegnerischen Figur. Diese wird daraufhin aus dem Spiel genommen.
Die Infanterie schlägt nur auf eins der drei Felder direkt in ihre Frontrich-
tung.
Die Kavallerie schlägt Infanterie in jede Richtung über ihren gesamten Bewe-
gungsradius. Gegen Kavallerie schlägt auch Kavallerie nur in Richtung ihrer
Front, aber über ihren gesamten Bewegungsradius.
Darüber hinaus kann die Kavallerie in einem Zug mehrere Figuren schlagen:
☞Die maximale Reichweite kann genutzt werden.
☞Die Richtung der Bewegung bleibt den gesamten Zug gleich.
☞
Es können so lange Figuren geschlagen werden, bis die Kavallerie auf eine
gedeckte gegnerische Figur trifft.
Die Bewegung endet auf dem Platz der zuletzt geschlagenen Figur. Eine geg-
nerische Figur ist gedeckt, wenn sie im Wirkungskreis einer anderen gegne-
rischen Figur liegt.
Abbildung 2 9:
Schlagbereich der Infanterie
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Schießen
Die Infanterie schießt auf die vier Felder in ihrer Frontrichtung:
Feindliche Kavallerie kann die Infanterie ohne Einschränkung niederschie-
ßen. Der angreifende Spieler kann auswählen, welche der vier möglichen Fel-
der beschossen werden sollen.
Gegen feindliche Infanterie kann die eigene Infanterie nur schießen, wenn:
☞der Gegner ihr Flanke oder Rücken zeigt,
☞die eigene Infanterie in Überzahl ist,
☞die eigene Infanterie durch eine Verschanzung geschützt ist.
Die Kavallerie kann nicht schießen.
Wenn das Geschütz besetzt ist, kann die Artillerie entsprechend ihrer Stärke
schießen. Neben den eigenen können auch gegnerische Geschütze benutzt
werden.
Das Regimentsgeschütz hat eine Stärke von vier.
Batteriegeschütz und Wurfgeschütz haben eine Stärke von sieben.
Das Wurfgeschütz hat eine Reichweite von sieben.
Artillerie kann gegen Infanterie und Kavallerie ohne Einschränkung schießen.
Bei einer Konfrontation Artillerie gegen Artillerie gilt:
☞Artillerien gleicher Stärke können sich ohne Einschränkung angreifen.
☞
Eine schwächere Artillerie kann eine stärkere Artillerie ohne Einschrän-
kung angreifen.
☞
Wird eine schwächere Artillerie jedoch angegriffen, das heißt rückt eine
stärkere Artillerie mit ihrem Wirkungskreis in den Wirkungskreis einer
schwächeren, darf die schwächere Artillerie im darauf folgenden Zug
nicht schießen. Wenn möglich, kann sie aber den gegnerischen Artille-
risten niederschießen.
☞
Mehrere eigene oder gegnerische Artillerien werden in ihrer Stärke je-
weils zusammengerechnet.
☞
Wenn der Wirkungskreis die komplette gegnerische Artillerie beinhal-
tet, kann der Angreifer auswählen, ob er nur den Artilleristen nieder-
schießt, Geschütz und Artilleristen vernichtet oder nur das Geschütz
zerstört.
☞
Eine Verschanzung schützt die dahinter stehende Artillerie gegen An-
griffe von Artillerie. Die feindliche Artillerie muss zunächst die Ver-
schanzung zerstören. Die verschanzte Artillerie dagegen kann die an-
greifende Artillerie ungehindert zerstören, selbst wenn sie schwächer
ist als der Angreifer.
Schwenken
Beim Schwenken verändert die Figur ihre Front, das heißt ihre Blickrich-
tung, bleibt aber auf demselben Feld stehen. Artillerie muss besetzt sein, um
Schwenken zu können. Brückenwagen und Artillerie müssen so schwenken,
dass die dazugehörigen Einheiten ihr Feld nicht verlassen. Ansonsten gilt das
Schwenken als Bewegung.
Darüber hinaus gilt für den Brückenwagen:
☞
Stehen zwei eigene Figuren auf dem Brückenwagen, kann eine der Fi-
guren auch stehen bleiben. Der Wagen schwenkt dann ohne sie.
☞
Alle Felder, die beim Schwenken überquert werden, müssen frei und
wegsam sein. Eigene Figuren sind dabei kein Hindernis. Der Brücken-
wagen kann auch unter einer eigenen Figur zum Stehen kommen.
☞
Steht eine gegnerische Figur mit auf dem Brückenwagen, kann dieser
nicht geschwenkt werden.
Abbildung 30:
Schussfeld der Infanterie
Abbildung 31: Überzahlsituation
Infanter ie gegen Infanterie
Abbildung 32 : Schussfeld des
Regiments geschütz
Abbildung 33: Schussfeld Batter ie-
geschütz und Wurfgeschütz
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Auf- und Absitzen der Dragoner
Der Dragoner kann absitzen und wird dann zum Infanteristen. Die Spielfigur wird entsprechend
ausgetauscht. Genauso kann er wieder aufsitzen.
Geschütze besetzen
Rückt ein Infanterist direkt auf eins der vier Felder an den Seiten eines unbesetzten Geschützes,
kann er dieses im nächsten eigenen Zug in Betrieb nehmen.
Geschütze umdrehen
Zusätzlich zum Schwenken kann die Artillerie umgedreht werden. Dabei bleiben sowohl Artillerist
als auch Geschütz auf demselben Feld stehen und nur das Geschütz wird in seiner eigenen Achse
gedreht.
Geschütze vernichten
Wer den Ort des Artilleristen eines Geschützes besetzt hat, kann das Geschütz unbrauchbar ma-
chen, gleich ob eigene oder fremde Figur. Das Geschütz wird aus dem Spiel genommen. Auch hier-
bei gilt die Regel: Pro Figur nur eine Aktion. Das Geschütz kann also nicht besetzt und im selben
Zug ruiniert werden. Das gilt gleichermaßen auch für das Geschütz selber. Es kann also nicht im
selben Zug schießen oder bewegt werden und dann ruiniert werden.
Brücken schlagen
Um mit seinen Figuren Flüsse zu überqueren, werden Brücken gebaut. Dafür zieht man mit einem
Brückenwagen an das Flussufer, nimmt einen Brückenstein von dem Wagen und legt ihn als Brü-
cke über den Fluss:
☞Der Brückenwagen muss mindestens mit einer eigenen Figur besetzt sein. Es darf sich keine
feindliche Figur auf dem Brückenwagen befinden.
☞Der Brückenwagen muss den Fluss direkt oder über Eck berühren.
☞Das Feld, auf dem die Brücke gebaut werden soll, darf nicht im Schussfeld einer feindlichen
Figur oder benachbart zu einer feindlichen Figur liegen.
Auf einem Brückenwagen befinden sich maximal vier Brücken. Die erste Brücke, die gebaut wird,
muss den Brückenwagen direkt oder über Eck berühren. Alle weiteren Brücken werden so gelegt,
dass sie eine vorherige Brücke berühren.
Brücken abbrechen
Brücken können abgebrochen werden, indem sie zurück auf einen Brückenwagen gelegt werden.
Anschließend können mit den Brückensteinen wieder neue Brücken gebaut werden. Für das Ab-
brechen gilt:
☞Der Brückenwagen muss mit einer eigenen Figur besetzt sein.
☞
Der Brückenwagen muss die Brücke direkt oder über Eck berühren oder über andere Brü-
cken mit ihr verbunden sein.
☞Auf der Brücke darf sich keine eigene oder feindliche Figur befinden.
Unbesetzte Geschütze oder unbesetzte Brückenwagen stellen kein Hindernis zum Abbrechen der
Brücke dar, auf der sie stehen. Die Figuren werden nach dem Abbruch der Brücke aus dem Spiel
genommen.
Brücken vernichten
Brücken können vernichtet werden. Anders als beim Abbrechen werden sie dann nicht zurück auf
einen Brückenwagen gelegt, sondern aus dem Spiel genommen. Zudem können auch Brücken ver-
nichtet werden, die nicht über einen Fluss gebaut sind und noch auf einem Brückenwagen liegen.
Um Brücken zu vernichten gilt:
☞
Es kann die Artillerie eingesetzt werden: Alle Brücken oder Brückenwagen, die sich komplett
innerhalb der Wirkungsfläche der Artillerie befinden, werden nach Wahl des Besitzers der
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Artillerie vernichtet – unabhängig davon, ob die Brücken auf einem Brückenwagen liegen
oder bereits über einen Fluss gelegt sind.
☞
Es kann eine Figur eingesetzt werden, die auf dem Brückenwagen steht: Befindet sie sich
dort allein, kann sie nach Wahl den kompletten Brückenwagen und alle Brücken oder ein-
zelne Brücken vernichten. Steht eine gegnerische Figur mit auf dem Wagen, können nur die
Brücken vernichtet werden, die sich direkt unter der eigenen Figur befinden.
☞
Es kann eine Figur eingesetzt werden, die neben einer bereits geschlagenen Brücke steht:
Die Brücke darf dabei nicht unter feindlichem Feuer liegen, nicht mit feindlichen Figuren
oder besetzten Geschützen belegt sein und nicht in der direkten Nähe von feindlichen Fi-
guren liegen.
Brücken in Brand setzen
Des Weiteren können Brücken in Brand gesetzt werden. Das Anzünden funktioniert ähnlich zum
Vernichten:
☞
Alle Brücken, die sich innerhalb der Wirkungsfläche einer Artillerie befinden, werden nach
Wahl des Besitzers angezündet.
☞
Eine Figur, die neben einer bereits geschlagenen Brücke steht, kann die Brücke anzünden.
Dazu wird der Brückenstein umgedreht, so dass die Seite mit der Flamme sichtbar wird.
Nachdem die Brücke abgebrannt ist, wird der Spielstein aus dem Spiel genommen.
☞
Im Gegensatz zum Vernichten von Brücken können auch mit Figuren besetzte Brücken in
Brand gesteckt werden.
☞
Nimmt der Gegner seine Figuren nicht im unmittelbar nächsten Zug von der brennenden
Brücke, sind sie vernichtet und werden aus dem Spiel genommen.
☞
Der Spieler, der die Brücke angesteckt hat, hat bei seinem nächsten Zug die Entscheidung
darüber, ob die benachbarten Brücken ebenfalls in Brand geraten.
☞
Entscheidet er sich gegen das Ausbreiten des Brandes, gilt dieser als erloschen. Der Brü-
ckenstein wird aus dem Spiel genommen.
Brücken auf- oder abladen
Brücken können vom Brückenwagen auch auf normales Terrain abgeladen werden, beispielsweise
um Platz auf dem Brückenwagen zu machen oder die Brücken auf einen anderen Brückenwagen
umzuladen:
☞Pro Zug und je Brückenwagen kann nur eine Brücke auf- oder abgeladen werden.
☞Das Feld, auf das eine Brücke abgeladen oder von dem eine Brücke aufgeladen werden soll,
muss den Brückenwagen unmittelbar berühren.
☞
Zwei Brückenwagen können direkt nebeneinander stehen, um eine Brücke direkt umzula-
den.
☞Auf- und Abladen zählt jeweils als eigene Aktion.
☞
Der Brückenwagen muss mit einer Figur besetzt sein. Wird von Brü-
ckenwagen auf Brückenwagen umgeladen, reicht es, wenn einer von
beiden besetzt ist.
Verschanzung aufbauen
Um die eigenen Figuren zu schützen, können Verschanzungen aufgebaut wer-
den.
Aufbau: Eine Verschanzung wird auf dem Spielplan durch einen roten drei-
eckigen Stein dargestellt. Eine Seite ist mit einem schwarzen Klebepunkt
markiert, die andere Seite ist unmarkiert. Je nachdem, welche Seite sichtbar
ist, zählt die Verschanzung für den weißen Spieler (unmarkiert) oder für den
schwarzen Spieler (markiert).
Abbildung 34: Schutzbereich
einer Verschanzung
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Die Infanterie kann jeweils ihre acht benachbarten Felder verschanzen. Das zu verschanzende Feld
darf jedoch nicht:
☞im Schussbereich von feindlicher Infanterie oder Artillerie liegen,
☞direkt an eine gegnerische Figur angrenzen,
☞durch andere gegnerische oder eigene Figuren besetzt sein,
☞Fluss, Wald, Gebirge oder ein Dorf sein.
Verschanzungen können auch auf Brücken errichtet werden.
Schutz: Damit die Verschanzung als Schutz wirken kann, muss sie besetzt sein, indem
☞sie im Schussfeld einer eigenen Artillerie oder Infanterie liegt, oder
☞eine eigene Figur die Verschanzung direkt oder über Eck berührt.
Die Verschanzung schützt dabei nur gegen Angriffe, die aus Richtung der Verschanzung erfolgen.
Die Verschanzung selbst kann von keiner Figur betreten oder überquert werden. Sie schützt die
dahinter stehende Infanterie dauerhaft vor dem Gewehrfeuer der gegnerischen Infanterie. Dagegen
kann die verschanzte Infanterie aber über die Verschanzung hinweg feindliche Einheiten nieder-
schießen. Eine verschanzte Infanterie kann eine gegnerische Infanterie auch Front gegen Front
niederschießen.
Die Verschanzung schützt auch gegen Artilleriefeuer. Wenn diese die Verschanzung beschießt, wird
sie jedoch zerstört. Der entsprechende Spielstein wird vom Brett genommen. Im folgenden Zug
können die vorher verschanzten Figuren normal angegriffen werden.
Kavallerie wird durch eine Verschanzung nicht geschützt.
Verschanzung übernehmen
Eine verlassene Verschanzung kann in Besitz genommen werden, wenn sie
☞in das Schussfeld der eigenen Artillerie kommt,
☞eine der eigenen Figuren auf eins der acht benachbarten Felder der Verschanzung zieht.
Die gegnerische Verschanzung wird umgedreht und funktioniert dann genauso, als wäre sie selbst
aufgebaut.
Verschanzung niederschießen
Gegnerische Artillerie kann die Verschanzung in einem Zug zerstören.
Verschanzung abreißen
Wer im Besitz einer Verschanzung ist, kann diese abreißen, egal ob er sie selbst aufgebaut oder
übernommen hat. Der Spielstein wird dann vom Brett genommen. Die Verschanzung darf dabei
jedoch nicht im Schussfeld oder in Nachbarschaft gegnerischer Einheiten liegen.
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59
Literaturhinweise
Den jeweiligen Kapiteln liegen folgende Quellen zugrunde:
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Das Kriegsspiel als Erziehungsmodell
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Campe, Joachim Heinrich (Hg.) (1785-1792): Allgemeine Revision des gesamten Schul- und
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Foto © Ralf Wegemann
Abbildung 2: © Schmidt-Spiele / Hasbro, Foto: Peter Niemayer
Abbildung 3: Niedersächsisches Landesarchiv / Staatsarchiv Wolfenbüttel
(Sign. VI Hs 11 109, Blatt XI-1)
Abbildung 4: © Zombi Studios (2006), http://www.zombie.com/FutureForce.html
(letzter Abruf: 11 4 2008)
Abbildung 5: Original im Besitz des Verfassers
Abbildung 6: Reproduktion aus dem Universitätsarchiv Braunschweig
(Sign. UniA BS J III 1-3 (1. von 5))
Abbildung 7: Niedersächsisches Landesarchiv / Staatsarchiv Wolfenbüttel
(Sign. VI Hs 11 109)
Abbildung 8: Foto © Ralf Wegemann
Abbildung 9: Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg,
Foto: Roman März (Foto Inv. Nr. F0017103)
Abbildungen 10, 11: Universitätsbibliothek Braunschweig (Sign. 2300-6214) / Niedersächsische
Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen
(Sign. 8 u. 2 ARS MIL 1120/5)
Abbilung 12: Tafel im Besitz von W. Angerstein
Abbildung 13: Foto © Ralf Wegemann
Abbildung 14: Niedersächsische Landesmuseen Braunschweig, Braunschweigisches
Landesmuseum, Repro: I.Simon (Inv. Nr.: LMB 21357e)
Abbildung 15: Entnommen aus: J. B. Basedows Elementarwerk mit den Kupfertafeln
Chodoweckis u. a. Kritische Bearbeitung in drei Bänden, Hrsg.
von Theordor Fritzsch, 3. Band, Wiegand: Leipzig, 1909; Orig.
Kupfersammlung zu J. B. Basedows Elementarwerke für die Jugend und
ihre Freunde. Berlin / Dessau [1774]
Abbildung 16: Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin
Abbildung 17: Tafel im Besitz von W. Angerstein
Abbildung 18: Holzstich um 1880, nach einem Gemälde von Fritz Sonderland,
Privatbesitz. Entnommen aus: Horst Scheffler / Rolf Winkeler (1991):
Bilderwelten der Erziehung. Die Schule im Bild des 19. Jahrhunderts.
Weinheim/München: Juventa
Abbildungen 19, 20, 21: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco
Abbildung 22: Universitätsbibliothek Bayreuth (Sign. 46/A. III. b. 8.)
Abbildung 23: Boardgamegeek.com (2009),
http://www.boardgamegeek.com/image/360617
Abbildung 24: © Brøderbund Software, Inc. (1985)
Abbildung 25: Virgin Interactive Entertainment (Europe) Ltd. (1995)
Abbildungen 26, 27: Foto © Ralf Wegemann
Abbildung 28: Grafiken von Jörg Petri
Abbildungen 29 bis 34: Grafiken der Verfasser
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Johann C.L. Hellwig
und das Braunschweiger Kriegsspiel
Rolf F. Nohr und Stefan Böhme
Appelhans-Verlag Braunschweig
Die Auftritte
des Krieges
sinnlich machen
Die Auftritte des Krieges sinnlich machen · Rolf F. Nohr, Stefan Böhme
☞ Der Begriff der Strategie ist in
unserer Gesellschaft heute
prä sent wie nie. Ein dauerhaftes
Element in der Geschichte des
Strategischen ist das Spiel – wie
zum Beispiel das 1780 von Johann
C. L. Hellwig in Braunschweig
entworfene „Kriegsspiel“. Dieses
Buch handelt von dem in Braun-
schweig entwickelten Kriegs spiel,
seiner Rekonstruktion, aber auch
der Geschichte des Strategischen
und den Ideen zur „Versinnlichung“
des Strategischen.