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Gruppenbilder in Öl. Die Erfahrung von Kontemplation und Gemeinsamkeit. Förderschulmagazin, 25(11), 29–30

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Gruppenbitder in öt
Die Erfahrung von Kontemplation und Gemeinsaml<eit
Es haben sich heute im sonderpädagogischen Feld kunst- und gestaltungsthera-
peutische Verfahren etabliert, die insbesondere Schülerinnen und Schülern
mit Lern- und verhaltensproblemen nicht nur Entlastung, sondern auch die Erfah-
rungvon Kontemplation und Gemeinsamkeit vermitteln können.
joachim Bröcher
Ierinnen und Schülern zusammenzustel-
len und jeweils in das Atelier zu beglei-
ten, damit sich die Künstlerin ganz auf
das Inhaltliche ihrer Arbeit konzentrie-
ren kann.
Strukturiertes Vorgehen
Ursula Groten arbeitet einerseits sehr
strukturiert, andererseits bietet sie den
Kindern und Jugendlichen aber auch
Raum für eigene Vorstellungen und
Ideen. Sie beginnt zunächst mit techni-
schen Instruktionen und macht deutlich,
um welche kostbare Farbe es sich han-
delt. Sie empfiehlt, dass jeder ein altes
U nbelasteter Hand Iungsrahmen
in der Schule durch Künstler
In gewissen Abständen lade ich immer
wieder Künstler in die Schule ein, damit
diese mit den Kindern und fugendlichen
malen. Dies geschieht parallel zum nor-
malen schulischen Betrieb. Künstler
gehen ganz unvoreingenommen an die
Kinder und fugendlichen heran. Sie wis-
sen ja nicht, was in den regulären Schul-
stunden geschieht, sie schreiben weder
Berichte noch Gutachten über die Schü-
lerinnen und Schüler, auch geben sie
keine Noten. Sie haben es daher leichter,
beim Malen jedes Kind wahrzunehmen,
ohne von einem vorgefassten Bild beein-
flusst zu sein. Und gerade das kann den
Kindern und )ugendlichen zugute kom-
men. Sie bekommen so die Chance,
neue Verhaltensmuster zu entdecken
und zu erproben.
Gruppenbilder als
gemeinsame Fantasie
Gertraud Schottenloher (1983, S. 100 ff.)
war eine der Ersten, die das Malen oder
Gestalten von Gruppenbildern unter
einer kunsttherapeutischen Perspektive
in die Pädagogik einführte. Entspre-
chende Beispiele aus dem integrations-
pädagogischen Kontext finden sich auch
in dem Buch »Kunsttherapie als Chan-
ce« (Bröcher 1999, S. 270 ff.). Ein beson-
deres Steckenpferd der Morsbacher
Künstlerin Ursula Groten sind nun spe-
zielle Gruppenbilder, die sie mit cremi-
gen, sehr satt wirkenden und wasserlös-
lichen Ölfarben auf große Holzgründe
malen lässt.
Vorarbeiten
Bevor die Künstlerin kam, habe ich eine
Serie solcher Malgründe vorbereitet. Ich
nahm dazu Sperrholz, das ich zuvor auf
einen Rahmen.aus auf Gärung gesägten
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Dachlatten geleimt und mit weißer Fas-
sadenfarbe grundiert habe. Hängt man
die Bilder nachher im Schulgebäude auf,
haben sie durch die untergeleimten
Dachlatten mehr Volumen und sie wir-
ken recht professionell. Weiterhin habe
ich übernommen, aus den verschieden-
sten Altersstufen der Schule kleine
Arbeitsgruppen von vier bis sechs Schü-
Abb. r: Assoziationen zum Wahrgenommenen
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Hemd anziehen soll und sie sorgt dafür,
dass jeder einzelne einen festen Platz
zugeteilt bekommt, von dem aus gemalt
werden kann. Durch diese feste Struktu-
rierung entfallen unnötige Diskussionen
oder auch Rangeleien, die die ruhige
Arbeitsatmosphäre im Atelier nur stören
würden.
|eder bekommt einen Borstenpinsel
mittlerer Größe und einen Teller als
Palette in die Hand. Darauf befinden
sich Tupfer jeder verfügbaren Farbe,
etwa in der Größe einer Dickebohne.
Zur Erläuterung der günstigsten Mal-
technik sagt sie, dass man diese Ölfarben
am besten tupfen würde. Dann fordert
sie die Schülerinnen und Schüler auf,
auf dem Terrain, das sich direkt vor
ihnen befindet, vor sich hin zu tupfen,
ganz spontan, um einfach ein wenig
warm zu werden und sich mit den Far-
ben vertraut zu machen. Einige Kinder
sorgen sich schon, weil sich die Farben
zu mischen beginnen, aber Ursula Gro-
ten betont, dass gerade dieser Effekt ja
erwünscht sei und sie nur ruhig weiter-
machen sollten.
Praxis
Konstrul<tion einer Geschichte durch
Assoziieren zum Wahrgenommenen
Intuitiv versucht nun die Künstlerin zu
erfassen, um was es thematisch bei den
verschiedenen Anfängen, die die Schtile-
rinnen und Schüler gemacht haben,
gehen könnte.
Abbildung I
zeigt das ganz
deutlich. Ursu-
la Groten ent-
wickelt eigene
Assoziationen
und spiegelt den
Kindern das
zurück, was sie
zu sehen bzw.
zv erkennen
glaubt. Dabei
bewegt sie sich
einerseits auf
der farblichen
Ebene, indem
sie vielleicht
sagt: Ach, die-
ses Grün und
das Blau da, sie
gehen ganz
sanft ineinan-
der über. Oder
sie gibt inhalt-
liche Impulse,
etwa: Dieser
rote Fleck da,
könnte das nicht
ein Schmetter-
Iing oder ein
anderes Insekt
sein? Bei einem
anderen Schü-
Ir
i
ler entsteht ein bärenartiges Tier, das
unten in einer schützenden Höhle
hockt. Auf diese Weise füllt sich Stück
für Stück des anfangs so groß erschei-
nenden Malgrundes (vgl. Abbildung 2).
Ein rätselhafte Welt ist im Entstehen
begriffen. Einerseits sehr der Natur
nachempfunden, dann aber auch wieder
nicht.
Vom lndividuellen zum Gemeinsamen
Und damit etwas entstehen kann, das all
die einzelnen, von den Schülerinnen
und Schülern gemalten Elemente zusam-
menhält, schlagt die Künstlerin gegen
Ende der Doppelstunde vor, jetzt Was-
ser oder Himmel, jedenfalls in Blau, in
die Mitte zu malen, damit nichts weiß
bleibt, damit alles gestaltet ist, wie in der
richtigen Welt, in der es ja auch nur sel-
ten weiß gibt, außer es schneit. Abbil-
dung 3 zeigt das fertige Werk (ca. 1,30 m
x 0,90 m). Unruhe und Spannungen
zeiglen sich hier nicht, dafür ein stilles,
in sich vertieftes Arbeiten, jeder für sich
und alle gemeinsam.
Literatur
Schottenloher, G.: Kunst- und Gestal-
tungstherapie in der pädagogischen Praxis.
München 1983
Bröcher, J.: Kunsttherapie als Chance. Das
Asthetische in der Grund- und Sonderschul-
didaktik bei auffalligem Verhalten. Heidel-
berg 1999
Dr. habit. Joachim Bröcher
Sonderschullehrer, Privatdozent
Heddinghausen 99 A
51588 Nümbrecht
Förderschulmagazin t7. 2oo3
Abb. 3: Das fertige Werk
3o
Abb. z: Stück für Stück füttt sich das Bild
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Kunst-und Gestaltungstherapie in der pädagogischen Praxis
  • G Schottenloher
Schottenloher, G.: Kunst-und Gestaltungstherapie in der pädagogischen Praxis. München 1983
Kunsttherapie als Chance
  • J Bröcher
Bröcher, J.: Kunsttherapie als Chance. Das Asthetische in der Grund-und Sonderschuldidaktik bei auffalligem Verhalten. Heidelberg 1999