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Bilddiagnostik und Kunsttherapie
im Kontext der
Lebensweltorientierten
Didaktik
Joachim Bröcher
Musik-, Tanz- und Kunsttherapie, 8(1), 1-12
Hogrefe-Verlag, Göttingen, 1997
Joachim
Pathologien in den Lebenswelten - Didaktik vor neu-
en Herausforderungen
Der Schulunterricht der neunziger Jahre ist nicht nur an
den Rändern der Bildungswelt durch zunehmende Lern-
probleme und Lebensprobleme gekennzeichnet. Angesichts der
zahlreichen Bruchstellen in den Biographien und Lebenswelten
vieler Schülerinnen und Schüler, die Auswirkungen auf das
Lernverhalten, die Motivation und die Einstellung der Heran-
wachsenden dem schulischem Lernen gegenüber zeigen, gilt
das Klassenzimmer vielen als eine ,,Intensivstation" (Szillis-
Kappelhoff, 1993). Die aktuellen soziologischen und sozial-
philosophischen Zeitdiagnosen kreisen um fehlende Sinn-
perspektiven, Aufl ösung,,,Desintegraton" und,,Zerrissenheit"
(vgl. Honneth, 1999, 1994), um ,,Pathologien in der Lebens-
welt" (Habermas, 1981, Bd. 2, S. 565). Der zunehmend diffe-
renzierte Blick auf die Ursachen und Hintergründe von verba-
len und handgreiflichen Aggressionen, Renitenz, Widerstand,
Delinquenz, Realitätsverlusten, Konzentrationsstörungen usw.
von seiten vieler Schüler, die das Lemen in einer Schulklasse
zu einer kräftezehrenden, oft genug sinnlosen Veranstaltung
machen können sowie die detailliertere Wahrnehmung der be-
sonderen psychischen Strukturbildungen, des jeweiligen
psychosozialen Konfliktgeschehens und der dazugehörigen
Abwehr- und Bewältigungsmechanismen (vgl. Kernberg,
Mentzos, Rauchfleisch, Haan, Thomae u. a.), motivieren die
Suche nach Ansatzpunkten nicht nur für die therapeutische För-
derung, sondern auch für didaktische Konstruktionen und Rea-
lisationen. Der Unterricht mit einer überdurchschnittlich kon-
fliktbelasteten Schülerschaft macht es erforderlich, dessen ,,an-
thropologisch-psychologische und sozial-kulturelle Vor-
aussetzungen" (Heimann, 1965, S. 407 f.) so weit wie möglich
zu untersuchen und die Ergebnisse dieser Untersuchung der
Planung und Durchführung didaktischer Einheiten zugrunde-
zulegen. Genau in diesem Prozeß können die bilddiagnosti-
schen bzw. bildhermeneutischen Verfahren, speziell die struk-
turanalytisch-biographische Bildinterpretation (Richter, 1987'
1994) und die biographie- und lebensweltorientierte Explorati-
on auf der Basis ästhetischer und alltagsästhetischer Materiali-
en und Prozesse (Bröcher, 1993, 1994, 1995, 1996 a, b) von
großem Nutzen sein, weil sie die eigentlichen Konfliktthemen
freilegen, Anhaltspunkte über die Art der Bewältigungs- und
Auseinandersetzungsprozesse, der eingesetzten,,Daseinstech-
niken" bzw. ,,Reaktionsformen" (Thomae) geben und Informa-
tionen über die lebensweltlichen Kontexte bzw. Hintergründe
von problematischen Verhaltensweisen liefern. Die bilddia-
gnostischen bzw. bildhermeneutischen Verfahren helfen auf
diese Weise, die Strukturen der jeweiligen Lebenswelt zu re-
konstruieren und im Unterricht entsprechend Schwerpunkte zu
setzen (vgl. die folgenden Beispiele).
Strukturen der Lebenswelt - chiffriert in Bildern
Die subjektive Erfahrungswelt der Kinder und Jugend-
lichen, ihre Lebenswelt des Alltags läßt sich in Erweiterung der
durch Schütz und Luckmann (1975) entwickelten Kategorien
nach räumlich-sozialökologischen, soziokulturellen und zeit-
lich-biographischen Strukturen analysieren. Die Lebenswelt
läßt sich als Prozeß auffassen. Sie ist kognitiv repräsentiert und
zeigt sich in thematischen Strukturierungen (vgl. ,,Daseins-
themen" bei Thomae, 1963, 1988). Handeln läßt sich als Ein-
greifen in die Lebenswelt verstehen, als Reaktion auf Lebens-
probleme (,,Daseinstechniken" bzw.,,Reaktionsforme:
die sich etwa an einem modemisierten Katalog, ursl
von Havighurst (197 2) formulierter,,,Entwicklungsa
festmachen lassen (vgl. Bröcher, 1996a, S. 80 f.).
lungsaufgaben sind etwa im Erwerb schulischen Wis
Aneignung von Lernverhaltensweisen, dem Hersteller
ziehungen zu Gleichaltrigen beiderlei Geschlect
Aufbau einer Identität, der Loslösung von den Eltem,
wickeln einer beruflichen Perspektive usw. zu sehen.
zu den Lebenswelten der Heranwachsenden sind über
der bzw. Zeichnungen, auch über ihre alltagsästhetis<
zesse - etwa in Zusammenhang mit Musik, Jugendz
ten, Kleidung usw. - gegeben. Die Zeichnungen i. w.
sich als objektivierte Vorstellungen der Welt bzw. Lel
die ,,alltagsästhetischen Episoden" (Schulze' 1992) t
me von Zeichetund Bedeutungen auffasse.n (vgl' spr
dritte Beispiel). Die Lebenswelten werden von den
sozusagen verbildlicht, die Bilder wiederum ,,struk
tisch-biographischen" Interpretationsversuchen (Ric
teruogen. Entsprechend der räumlich-sozialökologis
ziokulturellen und zeitlich-biographischen Struktu
,,Aufschichtungen" (Schütz & Luckmann, 1975) diest
tiven Erfahrungswelten haben wir es etwa mit Phänon
den folgenden Bereichen zu tun: Familiäre Belastunl
flikthafte Themen im Bereich der Schule, sozialökr
Übergänge und Einschnitte, Ausdehnung und Anreg
von Lebensräumen, Umgang mit Erlebnisangeboten v
und Zeitschriften, Computerspielen, Videofilmen, l
Accessoires usw., Teilhabe an jugendkulturellen Sze
wicklungsphänomene wie Identität, Sexualität, Intir
Ablösung aus dem Elternhaus u. a.
Bilddiagnostische Verfahren
und lebensweltorientierte Didaktik
Versteht man Didaktik als ,,übergreifende Bez
für erziehungswissenschaftliche Forschung' Thec
Konzeptbildung im Hinblick auf alle Formen intt
(zielgerichteter), systematisch vorbedachter Lehre (
sten Sinne von reflektierter Lernhilfe) und das auf ir
menhang mit solcher Lehre sich vollziehende Lemen
1985, S. 39), so können die wissenschaftlich Tätigen
dokumente zur Aufhellung der Entstehungsgeschi
Verhaltensauffälligkeiten (Sozialisationsforschung,
phie- und Lebensweltforschung) heranziehen und di
nenen Ergebnisse der Entwicklung didaktischer The
Konzepte zugrundelegen. Die an den Sonderschuler
Haupt- oder Gesamtschulen Tätigen werden vor allel
kreten didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten I
diagnostisch gewonnenen Erkenntnisse in Form vr
richt, Intervention, Beratung, Therapie usw. interes
Die bilddiagnostischen Verfahren, speziell in Form c
tisch frei angefertigten Bildgestaltungen, können in d
den didaktischen Kontexten von Nutzen sein.
F e stle gung de s F ördero rtes
Bei der Frage nach dem richtigen Förderor
nächst überprüft werden, welchen Schweregrad das
Konfliktgeschehen aufweist. Lehr (1987) und Thon
Joachim Bröcher
rthologien in den Lebenswelten - Didaktik vor neu-
r Herausforderungen
er Schulunterricht der neunziger Jahre ist nicht nur an
dern der Bildungswelt durch zunehmende Lern-
und Lebensprobleme gekennzeichnet. Angesichts der
en Bruchstellen in den Biographien und Lebenswelten
hülerinnen und Schüler, die Auswirkungen auf das
alten, die Motivation und die Einstellung der Heran-
hn dem schulischem Lernen gegenüber zeigen, gilt
;enzimmer vielen als eine ,,Intensivstation" (Szillis-
rff. 1993). Die aktuellen soziologischen und sozial-
rischen Zeitdiagnosen kreisen um fehlende Sinn-
ven, Auflösung,,,Desintegraton" und,,Zerrissenheit"
rneth, 1990, 1994), um ,,Pathologien in der Lebens-
rbermas, 1981, Bd. 2, S. 565). Der zunehmend diffe-
Blick auf die Ursachen und Hintergründe von verba-
nndgreiflichen Aggressionen, Renitenz, Widerstand,
nz. Realitätsverlusten, Konzentrationsstörungen usw.
n vieler Schüler, die das Lemen in einer Schulklasse
kiäftezehrenden, oft genug sinnlosen Veranstaltung
iönnen sowie die detailliertere Wahrnehmung der be-
psychischen Strukturbildungen, des jeweiligen
zialen Konfliktgeschehens und der dazugehörigen
und Bewältigungsmechanismen (vgl. Kernberg,
Rauchfleisch, Haan, Thomae u. a.), motivieren die
ch Ansatzpunkten nicht nur für die therapeutische För-
ondem auch tür didaktische Konstruktionen und Rea-
r, Der Unterricht mit einer überdurchschnittlich kon-
teten Schülerschaft macht es erforderlich, dessen ,,an-
dsch-psychologische und sozial-kulturelle Vor-
rgen" (Heimann, 1965, S. 407 f.) so weit wie möglich
ruchen und die Ergebnisse dieser Untersuchung der
und Durchführung didaktischer Einheiten zugrunde-
Genau in diesem Prozeß können die bilddiagnosti-
w. bildhermeneutischen Verfahren, speziell die struk-
isch-biographische Bildinterpretation (Richter, 1987,
d die biographie- und lebensweltorientierte Explorati-
r Basis ästhetischer und alltagsästhetischer Materiali-
tozesse (Bröcher, 1993, 1994, 1995,1996 a, b) von
[utzen sein, weil sie die eigentlichen Konfliktthemen
- Anhaltspunkte über die Art der Bewältigungs- und
rdersetzungsprozesse, der eingesetzten,,Daseinstech-
r*'. .,Reaktionsformen" (Thomae) geben und Informa-
xr die lebensweltlichen Kontexte bzw. Hintergründe
rlematischen Verhaltensweisen liefern. Die bilddia-
rcn bzw. bildhermeneutischen Verfahren helfen auf
:ise. die Strukturen der jeweiligen Lebenswelt zu re-
:ren und im Untenicht entsprechend Schwerpunkte zu
gl. die folgenden Beispiele).
{mkturen der Lebenswelt - chiffriert in Bildern
)ie subjektive Erfahrungswelt der Kinder und Jugend-
re Lebenswelt des Ailtags läßt sich in Erweiterung der
:hütz und Luckmann (1975) entwickelten Kategorien
rmlich-sozialökologischen, soziokulturellen und zeit-
gaphischen Strukturen analysieren. Die Lebenswelt
als Prozeß auffassen. Sie ist kognitiv repräsentiert und
:h in thematischen Strukturierungen (vgl. ,,Daseins-
bei Thomae, 1968, 1988). Handeln läßt sich als Ein-
n die Lebenswelt verstehen, als Reaktion auf Lebens-
probleme (,,Daseinstechniken" bzw.,,Reaktionsformen", ebd.),
die sich etwa an einem modemisierten Katalog, ursprünglich
von Havighurst (1972) formulierter,,,Entwicklungsaufgaben"
festmachen lassen (vgl. Bröcher, 1996a, S. 80 f.). Entwick-
lungsaufgaben sind etwa im Erwerb schulischen Wissens, der
Aneignung von Lernverhaltensweisen, dem Herstellen von Be-
ziehungen zu Gleichaltrigen beiderlei Geschlechts, dem
Aufbau einer Identität, der Loslösung von den Eltern, dem Ent-
wickeln einer beruflichen Perspektive usw. zu sehen. Zugänge
zu den Lebenswelten der Heranwachsenden sind über ihre Bil-
der bzw. Zeichnungen, auch über ihre alltagsästhetischen Pro-
zesse - etwa in Zusammenhang mit Musik, Jugendzeitschrif-
ten, Kleidung usw. - gegeben. Die Zeichnungen i. w. S. lassen
sich als objektivierte Vorstellungen der Welt bzw. Lebenswelt,
die ,,alltagsästhetischen Episoden" (Schulze, 1992) als Syste-
me von Zeichen und Bedeutungen auffassen (vgl. speziell das
dritte Beispiel). Die Lebenswelten werden von den Schülern
sozusagen verbildlicht, die Bilder wiederum,,strukturanaly-
tisch-biographischen" Interpretationsversuchen (Richter) un-
terzogen. Entsprechend der räumlich-sozialökologischen' so-
ziokulturellen und zeitlich-biographischen Strukturen bzw.
,,Aufschichtungen" (Schütz & Luckmann, 1975) dieser subjek-
tiven Erfahrungswelten haben wir es etwa mit Phänomenen aus
den folgenden Bereichen zu tun: Familiäre Belastungen, kon-
flikthafte Themen im Bereich der Schule, sozialökologische
Übergänge und Einschnitte, Ausdehnung und Anregungsgrad
von Lebensräumen, Umgang mit Erlebnisangeboten wie Musik
und Zeitschriften, Computerspielen, Videofilmen, Kleidung'
Accessoires usw., Teilhabe an jugendkulturellen Szenen' Ent-
wicklungsphänomene wie Identität, Sexualität, Intimität, die
Ablösung aus dem Eltemhaus u. a.
Bilddiagnostische Verfahren
und lebensweltorientierte Didaktik
Versteht man Didaktik als ,,übergreifende Bezeichnung
für erziehungswissenschaftliche Forschung, Theorie- und
Konzeptbildung im Hinblick auf alle Formen intentionaler
(zielgerichteter), systematisch vorbedachter Lehre (im weite-
sten Sinne von reflektierter Lernhilfe) und das auf im Zusam-
menhang mit solcher Lehre sich vollziehende Lernen" (Klafki,
1985, S. 39), so können die wissenschaftlich Tätigen die Bild-
dokumente zur Aufhellung der Entstehungsgeschichte von
Verhaltensauffälligkeiten (Sozialisationsforschung, Biogra-
phie- und Lebensweltforschung) heranziehen und die gewon-
nenen Ergebnisse der Entwicklung didaktischer Theorien und
Konzepte zugrundelegen. Die an den Sonderschulen, Grund-,
Haupt- oder Gesamtschulen Tätigen werden vor allem an kon-
kreten didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten der bild-
diagnostisch gewonnenen Erkenntnisse in Form von Unter-
richt, Intervention, Beratung, Therapie usw. interessiert sein.
Die bilddiagnostischen Verfahren, speziell in Form der thema-
tisch frei angefertigten Bildgestaltungen, können in den folgen-
den didaktischen Kontexten von Nutzen sein.
F e stle gung de s F ö rdero rte s
Bei der Frage nach dem richtigen Förderort muß zu-
nächst überprüft werden, welchen Schweregrad das jeweilige
Konfliktgeschehen aufweist. Lehr (1987) und Thomae (1988'
Joachim Bröcher Bilddiagnostik und Kunsttherapie im Kontext der lebensweltorientierten Didaktik
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S. 56) ordnen die Begriffe 'Entwicklungsaufgabe', 'Themen',
'Konflikt' usf. in einer Dimension an, die von ,,weitgehender
bzw. äußerst geringer Beherrschbarkeit der Situation" ausgeht:
,,Am erstgenannten Pol wären die Entwicklungsaufgaben ein-
zuordnen; in die Richtung abnehmender Kontrolle über die Si-
tuation wären dann 'Thematik', 'Problematik', 'Konflikt' und
'Krise' einzuordnen." Ein zweites entscheidendes Kriterium ist
die Qualität der von einem Heranwachsenden vorwiegend ein-
gesetzten Reaktionsformen bzw. Daseinstechniken (Thomae)
oder Bewältigungsmechanismen (Haan) im Umgang mit einer
Thematik, einer Problematik usw. Handelt es sich um depres-
siv-resignative, anpassungs- bzw. leistungsbezogene oder ag-
gressiv-destruktive Reaktionsformen? Sind die eingesetzten
Strategien bzw. Mechanismen eher durch Bewältigung, Ab-
wehr oder (eine psychosenahe) Fragmentierung (Haan) ge-
kennzeichnet? Drittens: Gestaltet sich der - die Heranwachsen-
den umgebende - lebensweltliche Kontext eher stabil und un-
terstützend oder wirkt er destabilisierend und in sich zerrissen?
Die Auswertung der Bildgestaltungen im Sinne von Einzelfall-
studie und Dokumentenanalyse (vgl. Bröcher, 1996 c) vermag
hier Aufschluß zu geben, ob ein Kind oder ein Jugendlicher rnit
oder ohne sonderpädagogische Betreuung (gemeinsamer Un-
terricht) an der allgemeinen Schule verbleiben kann, oder ob
eine durchgängige Förderung an einer Schule für Erziehungs-
hilfe erforderlich ist, weil es sich um tief in der Persönlichkeit
verankerte Konflikte handelt. Evtl. muß die psychiatrische Be-
handlung in einer Klinik und die vorübergehende Beschulung
in einer Schule für Kranke erwogen werden, weil die Realitäts-
beziehung eines Heranwachsenden in massiver Weise gestört
ist. Wirkt der lebensweltliche Zusammenhang zu sehr
destabilisierend, muß evtl. eine Heimunterbringung - parallel
zur pädagogischen Betreuung an einer Schule für Erziehungs-
hilfe - in Betracht gezogen werden. Bilder und ergänzende
explorative Gespräche können hier wichtige Anhaltspunkte ge-
ben (vgl. die ersten beiden Beispiele).
Lebensw elto rientierte r U nte rric ht
Fächerübergreifende didaktische Einheiten werden als
strukturierte und gleichzeitig offene,.Handlungsrahmen"
(Kuhn, 1990) konzipiert (vgl. Bröcher, 1992, S.43; 1996 b, S.
343 ff.). Diese Form des Unterrichtens steht in Beziehung zur
Didaktik von Freinet und Ansätzen emanzipatorischer Pädago-
gik sowie Formen offenen und projektorientierten Unterrichts.
Für die jeweilige- Zielgruppe existentiell relevante Themen
(2. B. kulturelle Ubergänge, Entwurzelungs- oder Zerrissen-
heitserfahrungen, Sexualität, Gewalt, Menschenrechte usw.)
müssen zunächst identifiziert werden, bevor sie gemeinsam mit
den Schülerinnen und Schülern zum Dreh- und Angelpunkt
tächerübergreifender didaktischer Einheiten gemacht werden
können. In diesem Prozeß der Identifizierung von Themen, ih-
rer Vorstrukturierung durch die Sonderschullehrerin oder den
Sonderschullehrer können die freien Bildgestaltungen der
Schülerinnen und Schüler eine zentrale Rolle spielen, weil hier
Spuren und Richtungen aufgezeigt werden, denen die Unter-
richtenden folgen können. Ein solcher Unterricht integriert
handlungsorientierte und intellektuelle Zugänge zum Lernen.
Im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik (Klafki, 1985) wird
immer dann zu stärker sachbezogenen oder wissenschafts-
orientierlen Auseinandersetzungsprozessen übergeleitet, wenn
die Motivation und die aktuell verfügbaren Lernverhaltens-
weisen dies erlauben. Die Möglichkeit zur symbolisch-bildhaf-
ten Auseinandersetzung mit Konfliktthemen, die auch durch
die Bearbeitung von Sachthemen aktuii
ist durchgängig gegeben. Die Bilder jun3
Schüler zeigen häufig Inhalte oder Fi-sr,
Planeten, Superman, Batman, Catcher.
die den Bildmedien, d. h. dem Femseher
und Magazinen entnommen werden. .\u
biographischen und lebensweltlichen B:
erkennen und zum Anlaß didaktischer E
Bröcher, 1996 c), in denen alierdings He
szenisches Spiel, Improvisation, Verklei.
usw. dominieren, um eine handelnde .{u
mit dem Thema ,,Helden" oder ,.\'orb'i
Als wesentlich erscheint auch, die d:
tion elektronischer Bildmedien hervor,
gen. Wünsche. Angste usw. in einen i:.
zu überführen und somit durchzuarbeite:
chischen Spannungen abzubauen.
Kuttstpäda go I iUP rida go gi s c lrc i
Die Auseinandersetzung m::
Aspekten läßt sich in die oben genannte.-.
Handlungsrahmen integrieren: Jedes h::
mit Blick auf die vom Zeichner darg:.:
soziokulturell relevanten Inhaite, die -{,
Lebensgeschehens betrachten (vgl. H;r.
93 ff.; Richter, 1984, S. 155 ff.; 19E-. S
doch auch faclrdidaktisch - und unter B,
tiver, lebensgeschichtlicher Bedeutung s:
Ebene der verwendeten Darstellungs- u..
gesetzt werden, um diese weiter auszub"
ren (vgl. Hartwig, 1980, S. 323 tf.: R::
Bröcher, 1991, S. 53; Domma, 1991r. E,
prägter Abwehr ist es ratsam, sich mit R.
sen und Vorschlägen zunächst ausschl::
zu beziehen (vgl. das erste Beispiel.t. S;:
Schülern, die den eigenen bildnerisch:
mend kritisch gegenüberstehen, könn.=:
mittel an die Hand gegeben werden, .\l
etwa das Anbieten eines ausreichend grr,
Künstlem oder Illustratoren gezeichn::
(Landschaften, Stadtansichten, Inne nr;::
menten (menschliche Figuren, Tiere. F:.
die zuvor photokopiert wurden und r.r:.
einem Hintergrund arrangiert und ang:
(,,collage-unterstütztes Zeichnen". Brii;r
duelle Bildentwurf wird dann wiederui: i
Schüler weiter mit zeichnerischen. grrpi
staltet (vgl. die Abb. 1 und 5). Ein and::
für großformatige Arbeiten, Malereien :
pieren von Zeichenelementen auf Fci::
Overheadprojektors auf den Malgrund :
nachgezeichnet und in den eigenen Bilc,
den können (vgl. Abb. 6). Weniger aui'.'.
sind im Anbieten von kopierten Vorlar-::
Schülerin bzw. dem Schüler er-qänzi.
ausgestaltet werden können (vgl. die -{:
sind auch kombinatorische Verfahren.
von Collage-Elementen in einen )lal,:r-
ßende Übermalen, Verändern. Yerlr:::
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en. ob ein Kind oder ein Jugendlicher mit
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neinen Schule verbleiben kann, oder ob
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des Lnterrichtens steht in Beziehung zur
rqd .\nsätzen emanzipatorischer Pädago-
enen und projektorientierten Unterrichts.
elgruppe existentiell relevante Themen
rganse, Entwurzelungs- oder Zerrissen-
(ualität. Gewalt, Menschenrechte usw.)
trfiziert werden, bevor sie gemeinsam mit
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:en aufgezeigt werden, denen die Unter-
mnen. Ein solcher Unterricht integriert
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ker sachbezogenen oder wissenschafts-
dersetzungsprozessen übergeleitet, wenn
dia aktuell verfügbaren Lernverhaltens-
Die \Iögiichkeit zur symbolisch-bildhaf-
rng mit Konfliktthemen, die auch durch
die Bearbeitung von Sachthemen aktualisiert werden können,
ist durchgängig gegeben. Die Bilderjüngerer Schülerinnen und
Schüler zeigen häufig Inhalte oder Figurationen wie Weltall,
Planeten, Superman, Batman, Catcher, Wrestling-Stars usw.,
die den Bildmedien, d. h. dem Fernsehen, den Videos, Comics
und Magazinen entnommen werden. Auch hier lassen sich die
biographischen und lebensweltlichen Bedeutungshintergründe
erkennen und zum Anlaß didaktischer Einheiten machen (vgl.
Bröcher, 1996 c), in denen allerdings Herstellen und Gestalten,
szenisches Spiel, Improvisation, Verkleidung und Inszenierung
usw. dominieren, um eine handelnde Auseinandersetzung z. B.
mit dem Thema ,,Helden" oder ,,Vorbilder" zu ermöglichen.
Als wesentlich erscheint auch, die durch die Dauerrezep-
tion elektronischer Bildmedien hervorgerufenen Vorstellun-
gen, Wünsche, Angste usw. in einen symbolischen Ausdruck
zu überführen und somit durchzuarbeiten, die aufgebauten psy-
chischen Spannungen abzubauen.
Kuns tp äda go giU P äda I o gi s che Kuns tthe ra p i e
Die Auseinandersetzung mit kunstpädagogischen
Aspekten läßt sich in die oben genannten fächerübergreifenden
Handlungsrahmen integrieren: Jedes hergestellte Bild läßt sich
mit Blick auf die vom Zeichner dargestellten affektiven oder
soziokulturell relevanten Inhalte, die Aspekte des besonderen
Lebensgeschehens betrachten (vgl. Hartwig, 1980, S. 13 ff., S.
93 ff.; Richter,1984, S. 155 ff.; 1987, S. 109 ff.). Es kann je-
doch auch/aclzdidaktisch - und unter Berücksichtigung affek-
tiver, lebensgeschichtlicher Bedeutungshintergründe - auf der
Ebene der verwendeten Darstellungs- und Ausdrucksmittel an-
gesetzt werden, um diese weiter auszubauen, auszudifferenzie-
ren (vgl. Hartwig, 1980, S. 323 ff.; Richter, 1984, S. 163 ff.;
Bröcher, 1991, S. 53; Domma, 1991). Bei Schülern mit ausge-
prägter Abwehr ist es ratsam, sich mit Rückmeldungen, Impul-
sen und Vorschlägen zunächst ausschließlich auf diese Ebene
zu beziehen (vg1. das erste Beispiel). Speziell denjugendlichen
Schülern, die den eigenen bildnerischen Fähigkeiten zuneh-
mend kritisch gegenüberstehen, können gestalterische Hilfs-
mittel an die Hand gegeben werden. Als hilfreich erwies sich
etwa das Anbieten eines ausreichend großen Repertoires an von
Künstlern oder Illustratoren gezeichneten Bildhintergründen
(Landschaften, Stadtansichten, Innenräume usw.) und Bildele-
menten (menschliche Figuren, Tiere, Fahrzeuge, Möbel usw.),
die zuvor photokopiert wurden und von den Jugendlichen auf
einem Hintergrund arrangiert und angeheftet werden können
(,,collage-unterstütztes Zeichnen", B röcher, 1 99 1 ). Der indivi-
duelle Bildentwurf wird dann wiederum kopiert, die Kopie vom
Schüler weiter mit zeichnerischen, graphischen Mitteln ausge-
staltet (vgl. die Abb. 1 und 5). Ein anderes Verfahren, das sich
für großformatige Arbeiten, Malereien usw. eignet, ist das Ko-
pieren von Zeichenelementen auf Folien, die mit Hilfe eines
Overheadprojektors auf den Malgrund projiziert, vom Schüler
nachgezeichnet und in den eigenen Bildentwurf integriert wer-
den können (vgl. Abb. 6). Weniger aufwendige Möglichkeiten
sind im Anbieten von kopierten Vorlagen zu sehen, die von der
Schülerin bzw. dem Schüler ergänzt, weiterentwickelt oder
ausgestaltet werden können (vgl. die Abb. 3 und 4). Denkbar
sind auch kombinatorische Verfahren, etwa das Einarbeiten
von Collage-Elementen in einen Malgrund, und das anschlie-
ßende Ubermalen, Verändern, Verfremden der eingeklebten
Bildteile. Auf diese Weise werden auch bei verhaltensauf-
fälligen Jugendlichen erfolgreiche Bildrealisationen gewähr-
leistet, ausweichende oder destruktive Reaktionen weitgehend
verhindert und eine symbolische Auseinandersetzung mit bela-
stenden Lebenserfahrungen ermöglicht.
S o nde rp äda g o g isc he Einlelfi) rde run g/P syc ho lo g i s c he
Kunsttherapie
Wenn es der Schweregrad der Konfliktbelastungen ei-
nes Schülers erforderlich macht und wenn es die institutionel-
len und organisatorischen Bedingungen einer Schule und die
Ausbildung einer Lehrkraft ermöglichen, kann im Rahmen ei-
nes psychotherapieähnlichen Kontextes versucht werden, die
Lebenskonflikte und Lebensweltprobleme einer Schülerin bzw.
eines Schülers unter Rückgriff etwa auf kunst- und gestaltungs-
therapeutischd Verfahren durchzuarbeiten und adäquatere
Reaktionsformen bzw. Daseinstechniken aufzubauen (vgl.
Bröcher, 1993, S. 106;1994, S. 120). Dies geschieht in fest in
den Stundenplan integrierten Förderstunden. Die biographisch
und lebensweltlich orientierte Exploration wird im Kontext der
Einzelförderung in einem besonderen Maße intensiviert. Ande-
rerseits zielt sie nicht auf die totale Enthüllung seelischer Wirk-
lichkeit. Die Zonen des Privaten und Intimen sollen respektiert
werden. Das Geheime und Verschwiegene wird auch ohne un-
sere Protektion seinen Raum. beanspruchen und verteidigen.
Die Exploration in diesem Sinne ist nicht gleichzusetzen mit
dem raffinierten Anwenden ausgeklügelter kommunikativer
Techniken. Analog zur Kunst wird nicht auf Beichten oder Ge-
ständnisse hingearbeitet. Dem Latenten oder Ambivalenten
kommt ein eigener Stellenwert zu, auch wenn diese Vorgänge
nicht immer leicht zu handhaben sind. ,,Die - nach Ort und Zeit
variierende - Grenze zwischen dem Gesagten und dem Unge-
sagten" (Vincent, 1993, S. 178) muß als ein unumstößlicher
Faktor anerkannt werden.
Krisenintervention
Dort, wo die lebensweltorientierte Bildproduktion ih-
ren festen Platz im unterrichtlichen Geschehen besitzt, kann es
hilfreich sein, Schüler, die - ausgelöst durch einen Streit in der
Lerngruppe, ein aktuelles belastendes Ereignis im familiären
Bereich (vgl. das Beispiel ,,Amo") o. ä. - einen Zusainmen-
bruch der Selbstkontrolle oder eine resignativ-depressive bzw.
destruktiv-aggressive Phase erleben, zunächst malen oder
zeichnen zu lassen. Erst dann wird im Sinne der sog. ,,Life
Space Intervention" (Wood & Long, 1991), einer therapeutisch
orientierten Krisenintervention, die unmittelbar nach dem aus-
lösenden Vorfall stattfinden soll, versucht, mit dem Kind oder
Jugendlichen das jeweilige Konfliktgeschehen durchzuspre-
chen. Hierzu kann es sinnvoll sein, den betreffenden Schüler
oder die Schülerin räumlich von der Gruppe zu isolieren. Falls
dies aus organisatorischen, räumlichen oder personellen Grün-
den nicht realisierbar ist, besteht die Möglichkeit, die Lern-
gruppe zunächst zu beschäftigen und sich dann vor dem Hinter-
grund dieser allgemeinen Lernvorgänge dem krisenbelasteten
Schüler gezielt zuzuwenden, passendes künstlerisches Material
anzubieten, den Gestaltungsprozeß mit Aufmerksamkeit und
einer unterstützenden Haltung zu begleiten, um dann langsam
zu einem Gespräch über dasjeweilige Konfliktgeschehen über-
zuleiten.
Versuche, die Lebensweltprobleme vo
senden zu ergründen und didaktische,
punkte zu finden
Eine Thematik, an die sich auf dem Hint
s ch ränkte r ko mmunikat iv e r M ö glichke it
denVertrauens des Schülers nur schwer
In der Collage-Zeichnung des l6jähriger
eine leicht bekleidete Frau an einem kleinen C
oder sie beugt sich darüber. Ihre Brüste sind in a
se sichtbar. Vom Gesicht her betrachtet wirkt dit
und ausgelassen. Hinter ihr steht ein Mann im.
brennender Zigano Die beiden, von Ungerer (
nen, Figuren wirken trotz des fehlenden Blickko
ander bezogen. Das Vorherrschen eines libidini
ist nicht direkt nachweisbar, klingtjedoch an. I
Mann als auch die Frau ohne Unterleib dargr
könnte bedeuten, daß der Schüler erinnerte Beot
sexuellen Handlungen nicht weiter in sein Bewu
gen lassen möchte. Das Auge in der Bildecke obr
anztzeigen, daß der Zeichner hier Dinge beobat
eigentlich nicht sehen durfte. Die Szene an
tischchen wirkt wie aus der Froschperspektive
aus der Perspektive eines kleinen Kindes. Es kÖ
nach um relativ frühe biographische Erinneru
Vorne in der Mitte befindet sich ein Motorrad
mit einem Totenkopf ausstaffiert wurde, auf det
vollständige, deformiert wirkende Figuren mit
wehr. Der Hintergrund zeigt ein Haus, das vo
Buschwerk umgeben ist.
Abb. 1 Harald 16 Jahre
Explorative Gespräche mit dem Schüler
lyse biographischer Daten erbrachten an Anhal
Harald dasjüngste von fünfzehn Kindern seiner
jedoch von verschiedenen Vätern stammen. Das
Mutter war offenbar durch Vielfalt und häufig w
ner gekennzeichnet. Eine der Töchter wurde ,,
Väter" schwanger, diese Schwangerschaft sei jr
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iegrierten Förderstunden. Die biographisch
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en Haltung zu begieiten, um dann langsam
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Versuche, die Lebensweltprobleme von Heranwach-
senden zu ergründen und didaktische Anknüpfungs-
punkte zu finden
Eine Thematik, an die sich auf dem Hintergrund einge-
s chränkter ko mmunikativ er M ö glichkeiten und fehlen-
den Venrauens des Schülers nur schwer anknüpfen ließ
In der Collage-Zeichnung des 16jährigen Haraldl sitzt
eine leicht bekleidete Frau an einem kleinen Gartentischchen
oder sie beugt sich darüber. Ihre Brüste sind in auffälliger Wei-
se sichtbar. Vom Gesicht her betrachtet wirkt die Frau vergnügt
und ausgelassen. Hinter ihr steht ein Mann im Anzug und mit
brennender Zigarre. Die beiden, von Ungerer (1983) entliehe-
nen, Figuren wirken trotz des fehlenden Blickkontaktes aufein-
ander bezogen. Das Vorherrschen eines libidinösen Kontextes
ist nicht direkt nachweisbar, klingtjedoch an. Daß sowohl der
Mann als auch die Frau ohne Unterleib dargestellt wurden,
könnte bedeuten, daß der Schüler erinnerte Beobachtungen von
sexuellen Handlungen nicht weiter in sein Bewußtsein vordrin-
gen lassen möchte. Das Auge in der Bildecke oben links scheint
anzuzeigen, daß der Zeichner hier Dinge beobachtet hat, die er
eigentlich nicht sehen durfte. Die Szene an dem Garten-
tischchen wirkt wie aus der Froschperspektive gesehen, d. h.
aus der Perspektive eines kleinen Kindes. Es könnte sich dem-
nach um relativ frühe biographische Erinnerungen handeln.
Vorne in der Mitte befindet sich ein Motorrad, das am Lenker
mit einem Totenkopf ausstaffiert wurde, auf dem Sitz zwei un-
vollständige, deformiert wirkende Figuren mit Helm und Ge-
wehr. Der Hintergrund zeigt ein Haus, das von Bäumen und
Buschwerk umgeben ist.
Explorative Gespräche mit dem Schüler sowie die Ana-
lyse biographischer Daten erbrachten an Anhaltspunkten, daß
Harald das jüngste von fünfzehn Kindern seiner Mutter ist, die
jedoch von verschiedenen Vätern stammen. Das Intimleben der
Mutter war offenbar durch Vielfalt und häufig wechselnde Part-
ner gekennzeichnet. Eine der Töchter wurde ,,von einem der
Väter" schwanger, diese Schwangerschafi sei jedoch abgebro-
chen worden. Eine andere Tochter, die bereits das Jugendalter
erreicht hatte, wurde unter u:-11...
Das familiäre Klima enlies >: :' : -
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Zukunft des Zeichners. der Ze: -:-: .:
H.-C. Richter, 1987. S. l:::
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Abb. 1 Harald 16 Jahre
I Alie Namen von Schülerinnen und Schülern wurden geändert.
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i--,:::: .:-'hter. die bereits das Jugendalter
erreicht hatte, wurde unter ungeklärten Umständen ermordet.
Das familiäre Klima erwies sich offenbar als hochgradig sexua-
lisiert und von Gewalt durchsetzt. Es steht eine konflikt-
bestimmte Thematik im Vordergrund, weil innerhalb dieser
Schülerbiographie bis hinein in die Gegenwart nicht familiäre
Geborgenheit und stabile Eltembeziehungen dominieren, son-
dern Versagungen, Angste und Bedrohungen, die eines Aus-
gleiches bedürfen. Die Welt des Kindes erscheint in der Retro-
spektive als stark eingeengt: Es sind die Erwachsenen, die be-
stimmen, welches Spiel gespielt wird. Dominierende
Reaktionsformen des Schülers (im Sinne von Thomae, 1988)
sind in erster Linie die ,,Anpassung an die Bedürfnisse und Ei-
genheiten anderer" (der Mutter, der Freier) und ,,die Situation
den Umständen zu überlassen". Das Motorrad könnte für den
im Jugendalter beginnenden Loslösungs- und Emanzipations-
prozeß stehen, der hier aggressiv vollzogen wird. Der vorne
aufmontierte Totenschädel könnte eine provokative Funktion
erfüllen und ein Zunehmen der Reaktionsformen ,,Selbstbe-
hauptung" und,,Widerstand" angesichts der wenig förderlichen
Lebensbedingungen ankündigen. Allerdings wirken die Figu-
ren auf dem Motorrad, die mit hoher Wahrscheinlichkeit als
bildhafte Repräsentationen des Schülers selbst und evtl. eines
Bruders o. ä. aufzufassen sind, schlecht gerüstet für ihre Fahrt
in die Unabhängigkeit. Es fehlen ihnen vor allem Arme und
Beine. So können sie weder die Maschine in Bewegung setzen,
noch wären sie in der Lage, diese zu steuern und während der
Fahrt das Gleichgewicht zu halten. Die von Giger übernomme-
nen Gesichter wirken wie von Säure zerfressen und deformiert.
Die speziellen biographischen Erfahrungen haben deutlich ihre
Spuren hinterlassen. Daß das Motorrad nach links, d. h. auf die
Vergangenheit gerichtet ist, könnte als ungünstiges prognosti-
sches Zeichen interpretiert werden2. Der Weg in die Zukunft
wäre demnach als versperrt anzusehen, weil der Sechzehn-
jährige an die belastenden, evtl. traumatisierenden Erfahrungen
der Vergangenheit gebunden bleibt. In den zunächst aggressi-
ven Eindruck, den diese Motorradfiguration macht, mischen
sich daher zunehmend Momente von Angst und Schrecken. Es
erwies sich als äußerst schwierig, mit dem Schüler in einen Dia-
log über das dargestellte Geschehen, das in einer Reihe weite-
rer Bilddarstellungen variiert wurde, zu gelangen. Der 16jähri-
ge, der vom Verfasser als Fachlehrer unterrichtet wurde, zeigte
wohl auf dem Hintergrund eines mehrjährigen autokratischen,
lehrer- und stoffzentrierten Unterrichts sowie auf der Basis der
bisher an Schulen erfahrenen Bestrafungen und Stigmatisie-
rungen kaum Vertrauen zu einer Lehrperson. Als weitere er-
schwerende Faktoren wirkten hier Sprachstörungen und ein
hochgradig restringierter, milieuspezifischer Sprachcode, der
dem Jugendlichen lediglich einige stereotype Muster für die
soziale Kommunikation zur Verfügung stellte. Aufnahmebereit
zeigte sich der Schüler dagegen für Hilfestellungen und Impul-
se auf der (kunstpädagogischen) Ebene der verwendeten Dar-
stellungs- bzw. Bildmittel. Im Laufe von zwei Schuljahren ließ
sich hier die Variationsbreite und der Ausdrucksgehalt in ei-
nem gewissen Maße erhöhen. Auf der Ebene dös manifest
sichtbaren Bildgeschehens ließ der Schüler zunehmend
2 Wir beziehen uns hier auf ein von S. A. Schetty (1974) velwendetes
Interpretationsschema, nach welchem Bildinhalte, die sich auf der
linken Seite befinden oder die nach links gerichtet sind, sich der Ver'-
gangenheit zuordnen Iassen. Motivelemente auf der rechten Bildseite
sowie Rechtsgerichtetheit lassen sich dagegen mit der antizipierten
Zukunft des Zeichners, der Zeichnerin in Verbindung bringen (zit. n.
H.-G. Richter, 1987, S. 184 f.).
Verständnisfragen des Lehrers zu. .
heantwortete. Zu einer vertieften E
Geschehens kam esjedoch nicht. E
te Auseinandersetzung mit dem Kc
gegen in einem Handlungsrahmer
rechte und Menschenrechtsyerletzu
Gruppe von Schülerinnen und S;h
dem Aspekt ,,Gewalt und Mißhanc
lie". Im Verlauf dieser Arbeit * urd
le gesichtet und ausgewertet. die eil
arbeitet und von den Heranwachsen
situation bezogen. Zwar hielt sicl
wurden von den anderen Schülen
Gewalterfahrungen aus dem Berei.
thematisiert. Auf diese yy'si5s rr ur,
Arbeitsklima geschaffen, das Har.
Teilhabe am Auseinandersetzungs
cherte und ihn zu einer Fortsetzui
ermutigte, die immer einen deutir,
bzw. lebensweltlichen Bezug aui'i
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nuierlichen B ildp rodukri o t:
Lehrer- Schüle r- B e zie lruti s :
Zeichnungen von vethalter.,
mentieren oftmals die,,Geschich::
1993), indem sie Einblick in ci:.
bereiche und Erlebnisschichten d:
Eine Federzeichnung des 9jährig:n
tal wirkende männliche Figur mil
und qualmender Zigane oder Zig:
zeichnen der sonst bei Körperdar:
wie Füße, Becken, Schultern. Ellb'i
Augen, Nase und Mund wurden au:
mata reduziert, Ohren fehlen ii'1
ebenfalls schemaartig, nicht nur ar
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ben des Schülers ,,scheißt" der \Iar
die Sprechblase, gleichzeitig: ..S;
Bild, einmal stehend und einmal
zeichnete Figur ist,,seine Frau". Si
sagt: ,,Hm, lecker Scheiße!". Der I
in sehr reduzierter Form. Dieser F
Merkmale, die ihn als den Leib ein
keit auszeichnen würden. Die Frau
Objekt der sadistischen Lüste des
jedoch gleichzeitig gefügig bis zui
mung unseres Schülers konturlos. r
weiblichen Attribute, wie etwa die l
trisch-zwitterhaften Manne präsent
samkeit auf sich, er steht im Minel;
Bedürfnissen und deren Erfüllung.
in seinem Mund ist doppeldeuti-s:
ßen orale wie genitale Wünsche.
gnügt (oder verlegen?), während er
abgibt: ,,Der Kleine da (zeigt auf c
Leiter) nimmt eine Leiter, klettert h
Pampers um. Das ist der Sohn von
Auf dem Hintergrund bic,
Auswertung einer umfangreichen
Kun s n h e rap i e i ru Kontext de r le b e nsw e lt o rie nt ie rt e n D idaktik
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sbunden bleibt. In den zunächst aggressi-
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ellre Geschehen, das in einer Reihe weite-
n variiert rvurde, zu gelangen. Der 16jähri-
r als Fachlehrer unterrichtet wurde, zeigte
rgrund eines mehrjährigen autokratischen,
rienen Unterrichts sowie auf der Basis der
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ren zu einer Lehrperson. Als weitere er-
n r*irkten hier Sprachstörungen und ein
sner. milieuspezifischer Sprachcode, der
odiglich einige stereotype Muster für die
tion zur Verfügung stellte. Aufnahmebereit
ler dagegen für Hilfestellungen und Impul-
hgogischen) Ebene der verwendeten Dar-
mittel. Im Laufe von zwei Schuljahren ließ
ronsbreite und der Ausdrucksgehalt in ei-
e erhöhen. Auf der Ebene des manifest
rhehens ließ der Schüler zunehmend
raufein von S. A. Schetty (1974) verwendetes
- nech uelchem Bildinhalte, die sich auf der
oder die nach links gerichtet sind, sich der Ver-
assen. \{otivelemente auf der rechten Bildseite
heir lassen sich dagegen mit der antizipierten
i der Zeichnerin in Velbindung bringen (zit. n.
;. lsJ f.).
Verständnisfragen des Lehrers zu, die er dann kurz und bündig
beantwortete. Zu einer vertieften Exploration des dargestellten
Geschehens kam es jedoch nicht. Eine gewissermaßen indirek-
te Auseinandersetzung mit dem Konfliktgeschehen konnte da-
gegen in einem Handlungsrahmen zum Thema ,,Menschen-
rechte und Menschenrechtsverletzungen" erreicht werden. Eine
Gruppe von Schülerinnen und Schülern befaßte sich hier mit
dem Aspekt,,Gewalt und Mißhandlung im Bereich der Fami-
lie". Im Verlauf dieser Arbeit wurde Filmmaterial der Bildstel-
le gesichtet und ausgewertet, die einzelnen Menschenrechte er-
arbeitet und von den Heranwachsenden auf ihre eigene Lebens-
situation bezogen. Zwar hielt sich Harald hier zurück, doch
wurden von den anderen Schülerinnen und Schülern eigene
Gewalterfahrungen aus dem Bereich der Familie erinnert und
thematisiert. Auf diese Weise wurde insgesamt ein Lern- und
Arbeitsklima geschaffen, das Harald immerhin eine gewisse
Teilhabe am Auseinandersetzungsprozeß der Lerngruppe si-
cherte und ihn zu einer Fortsetzung seiner Bildproduktionen
ermutigte, die immer einen deutlichen lebensgeschichtlichen
bzw. lebensweltlichen Bezug aufwiesen.
Ein Konfliktgeschehen, das auf der Basis einer konti'
nuierlichen Bildp roduktion und einer vertrauensvollen
Leh re r- S c hüle r- B e ziehung themati s i e n w e rden konnt e
Zeichnungen von verhaltensauffälligen Schülern doku-
mentieren oftmals die ,,Geschichte des Geheimen" (Vincent,
1993), indem sie Einblick in die verborgenen Erfahrungs-
bereiche und Erlebnisschichten des familiären Lebens geben.
Eine Federzeichnung des 9jährigen Arno zeigt eine monumen-
tal wirkende männliche Figur mit erhobenen Armen, Mütze
und qualmender Zigane oder Zigarette. Auf das genaue Aus-
zeichnen der sonst bei Körperdarstellungen üblichen Details
wie Füße, Becken, Schultem, Ellbogen usw. wurde verzichtet.
Augen, Nase und Mund wurden auf einfache, kreisrunde Sche-
mata reduziert, Ohren fehlen völlig. Dafür werden Brüste,
ebenfalls schemaartig, nicht nur angedeutet, sondem durch die
Ausmalung der Kreise besonders hervorgehoben. Nach Anga-
ben des Schülers ,,scheißt" der Mann und er sagt, sieht man auf
die Sprechblase, gleichzeitig: ,,Schatz". Die rechts unten im
Bild, einmal stehend und einmal hockend oder knieend, ge-
zeichnete Figur ist,,seine Frau". Sie ißt seine Exkremente und
sagt: ,,Hm, lecker Scheiße!". Der Körper dieser Frau erscheint
in sehr reduzierter Form. Dieser Frauenkörper trägt keinerlei
Merkmale, die ihn als den Leib einer individuellen Persönlich-
keit auszeichnen würden. Die Frau ist offenbar zum wehrlosen
Objekt der sadistischen Lüste des Mannes degradiert worden,
jedoch gleichzeitig gefügig bis zum Letzten, in der Wahrneh-
mung unseres Schülers konturlos, reizlos. Selbst die eigentlich
weiblichen Attribute, wie etwa die Brüste, werden vom egozen-
trisch-zwitterhaften Manne präsentiert. Er zteht alle Aufmerk-
samkeit auf sich, er steht im Mittelpunkt mit seinen libidinösen
Bedürfnissen und deren Erfüllung. Die Zigane bzw. Zigarette
in seinem Mund ist doppeldeutig: Sie signalisiert gleicherma-
ßen orale wie genitale Wünsche. Unser Schüler kichert ver-
gnügt (oder verlegen?), während er seine Erklärungen zum Bild
abgibt: ,,Der Kleine da (zeigt auf die kleine Figur oben auf der
Leiter) nimmt eine Leiter, klettert hoch und legt dem Alten eine
Pampers um. Das ist der Sohn von dem."
Auf dem Hintergrund biographischer Daten und der
Auswertung einer umfangreichen Bildserie desselben Zeich-
Jo,
Abb.2 Arno9Jahre
ners (vgl. auch Bröcher, 1996b, S. 89) darf davon ausgegangen
werden, daß unser Schüler in seinen Bildern die sicherlich
hochgradig sadomasochistische Beziehung seiner Eltern und
seinen eigenen Leidensdruck in Zusammenhang mit den exzes-
siven Vorkommnissen und Szenen thematisiert. Nicht ohne ei-
nen gewissen Humor zeigt das Bild einen symbolischen Lö-
sungsversuch: Der Junge legt,,dem Alten" eine ,,Pampers" um,
damit dieser sich nicht länger auf den Boden entleert und die
Frau bzw. Mutter endlich auftrört, sich die Exkremente ihres
Ehemannes, getrieben von Angst und Lust, Abhängigkeit und
Selbstaufgabe, einzuverleiben. Der Kunstgriff als Eingriff in
die sadomasochistischen Beziehungsverhältnisse der Eltern
mißlingt allerdings. Der Kot des Vaters quillt mit einer solchen
Wucht hervor, daß die ,,Pampers" ihm keinen Einhalt gebieten
kann. Das pathologische Beziehungsgeschehen wird so seine
Fortsetzung finden. Der gesamte Zeichenvorgang und die par-
allel bzw. anschließend stattfindenden verbalen Erläuterungen,
die unser Schüler gibt, sind gleichermaßen von depressiven wie
auch lustvoll-heiter wirkenden Affekten des Jungen begleitet.
Was den 9jährigen bedrückt, bereitet ihm auch eine geheime
voyeuristische Lust. Er ist längst in die endlosen Angst-Lust-
Spiralen seiner Eltern verstrickt, die sich immer wieder prü-
geln, erniedrigen, gegenseitig aussperren, exzessiv beschlafen
usw. Die kindlichen Identifikationsprozesse. cl:
gen von körperlicher Liebe und Sexualität sind
den Obsessionen des sadomasochistischen Paa
genen Trieben hilflos ausgeliefert zu sein sch,
kontinuierliche Bildproduktion, die in den hall
ten Unterricht quasi eingestreut war, wurde -
Krisenintervention - eine durchgängige Komn
schen Lehrer und Schüler über die familiäre Pn
li ch. Veränderungen, Entspannungen, Zuspitzu
gen wurden jeweils erkennbat, zurn einen in di
des Schülers und zum anderen in den Gespräch
lel zu den allgemeinen Themenbearbeitungen r
- geführt wurden. Durch das Anbieten dieser \I
de der Sonderschullehrer zu einer festen und r'
zugsperson, mit deren Hilfe die destabilisierend
aus dem familiären Bereich verarbeitet werder
Verknüpfung mit Sachaspekten schien dagegen
spiel aufgrund des Schweregrades der Themat
dismus, Masochismus, abweichende Sexualp
und in Anbetracht der Tatsache, daß es sich hi
bzw. eine Grundschulklasse handelte, weder sir
tretbar.
Die Einschriinkung der therapeutischt
schen Handlungsmö glichkeiten aufgnu
s ti? e n i nstitut ione llen Ko ntextes
,,Erlebnisangebote" (Schulze), die nt
Techno-Musik, Kassettenrekordern, Walk-me
Jugendzeitschriften, Comic-Heften, Videofiln
und Computerprogrammen, Gameboys, Skate
dem, Mofas usw. in den alltagsästhetischen Pro
entierungen unserer Schülerinnen und Schüler
len, sind Kleidungsstücke, insbesondere Jacke
Stiefel und Hosen sowie Accessoires wie Gürt
Brillen, Taschen, Schals, Tücher, Schmuck us
Nebensächlichkeiten und Kleinigkeiten in der
Kleidungsstil einer Zeit entscheidend mitpräf
trägt die Aufschrift,,EXZESS". Ein Schüler kt
Kapuzen-Sweatshirt zu einer Klasssenkonferet
schrift,,CHAOS" in großformatigen Buchstabe
ästhetik erscheint als eine Welt von Zeichen un
dte oft zufiillig gesetzt wirken und manchmal
den Kopf treffen. Die von Radovan, einem st
Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien, ge,
nen sind - mit Blick auf das Herausarbeiten v
Anknüpfungspunkten - in zweifacher Weise
wird zum einen bildhaft eine Jacke der Firma ,l
Mittelpunkt eines sozialen Konfliktgescheher
anderen werden alltagsästhetische Mechanisme
im Bereich der peergroup eine Rolle spielen. Zl
daß der Jugendliche der eigentlichen - projekt
Themenstellung3, nämlich etwas zur familiäre
3 Die hier verwendete Zeichenvorlage und die The
den einer Untersuchung vo1 A. Gappmeyer entnom
te Albeitsauftrag lautete: Uberlege Dir, 1' wie rvoh
sieht, in der der Junge (oder das Mädchen, hierzu gi1
mit einer Mädchenfigur, J. B.) lebt. 2. was in der \
Jungen (odel des Mädchens) passiert sein könnte. 3
des Jungen (oder des Mädchens) aussehen mag. Z
nen Bilder in die dafür vorgesehenen Felder [...]. I
kannst Du schreiben, was Du glaubst, was der JunS
chen) denkt."
Joacltim Bröcher
996 b, S. 89) darfdavon ausgegangen
ler in seinen Bildern die sicherlich
stische Beziehung seiner Eltem und
uck in Zusammenhang mit den exzes-
d Szenen thematisiert. Nicht ohne ei-
gt das Bild einen symbolischen Lö-
le-et,,dem Alten" eine ,,Pampers" um,
n-ger auf den Boden entleert und die
r aufhört, sich die Exkremente ihres
n Angst und Lust, Abhängigkeit und
:iben. Der Kunstgriff als Eingriff in
Beziehungsverhältnisse der Eltern
.ot des Vaters quillt mit einer solchen
rmpers" ihm keinen Einhalt gebieten
Beziehungsgeschehen wird so seine
esamte Zeichenvorgang und die par-
rttfindenden verbalen Erläuterungen,
J gleichermaßen von depressiven wie
nden Affekten des Jungen begleitet.
ckt. bereitet ihm auch eine geheime
t längst in die endlosen Angst-Lust-
'strickt, die sich immer wieder prü-
:itig aussperren, exzessiv beschlafen
usw. Die kindlichen Identifikationsprozesse, das Bild des Jun_
gen von körperlicher Liebe und Sexualität sind durchsetzt von
den Obsessionen des sadomasochistischen paares, das den ei-
genen Trieben hilflos ausgeliefert zu sein scheint. Durch die
kontinuierliche Bildproduktion, die in den halboffen angeleg_
ten Unterricht quasi eingesffeut war, wurde - im Sinne der
Krisenintervention * eine durchgängige Kommunikation zwi_
schen Lehrer und Schüler über die familiäre problematik mög-
lich. Veränderungen, Entspannungen, Zuspitzungen, Wendun_
gen wurden jeweils erkennbar,a)m einen in den Zeichnungen
des Schülers und zum anderen in den Gesprächen, die - paral-
lel zu den allgemeinen Themenbearbeitungen der Schulklasse
- geführt wurden. Durch das Anbieten dieser Möglichkeit wur-
de der Sonderschullehrer zu einer festen und verläßlichen Be-
zugsperson, mit deren Hilfe die destabilisierenden Erfahrungen
aus dem familiären Bereich verarbeitet werden konnten. Eine
Verknüpfung mit Sachaspekten schien dagegen bei diesem Bei_
spiel aufgrund des Schweregrades der Thematik (Gewalt, Sa-
dismus, Masochismus, abweichende Sexualpraktiken usw.)
und in Anbetracht der Tatsache, daß es sich hier um ein Kind
bzw. eine Grundschulklasse handelte, weder sinnvoll noch ver_
tretbar.
Die Einschrcinkung der therapeutischen und didakti_
schen Handlungsmöglichkeiten aufgrund eines ungün_
st i ge n institutionelle n Kontexte s
. ,,Erlebnisangebote" (Schulze), die neben pop_ und
Techno-Musik, Kassettenrekordern, Walk-men, CD-playern,
Jugendzeitschriften, Comic-Heften, Videofilmen, Computern
und Computerprogrammen, Gameboys, Skateboards, f.änna_
dern, Mofas usw. in den alltagsästhetischen prozessen und Ori_
entierungen unserer Schülerinnen und Schüler eine Rolle spie_
len, sind Kleidungsstücke, insbesondere Jacken, Schuhe oder
Stiefel und Hosen sowie Accessoires wie Gürtel, Geldbörsen,
Brillen, Taschen, Schals, Tücher, Schmuck usw., d. h. all die
Nebensächlichkeiten und Kleinigkeiten in der Mode, die den
Kleidungsstil einer Zeit entscheidend mitprägen. Eine Jacke
rrägr die Aufschrift ,,ExzESS.,. Ein schüler kommt mit einem
Kapuzen-Sweatshirt zu einer Klasssenkonferenz, das die Auf_
schrift,,CHAOS" in großformatigen Buchstaben trägt. AIItags_
ästhetik erscheint als eine Welt von Zeichen und Beäeutungän,
die oft zuftilllg gesetzt wirken und manchmal den Nagel auf
den Kopf treffen. Die von Radovan, einem sechzehnjahrigen
Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien, gezeichneien Sle_
nen sind - mit Blick auf das Herausarbeiten von didaktischen
Anknüpfungspunkten - in zweifacher Weise interessant: Es
wird zum einen bildhaft eine Jacke der Firma ,,DIESEL,,in den
Mittelpunkt eines sozialen Konfliktgeschehens gestellt. Zum
anderen werden alltagsästhetische Mechanismen reflektiert, die
im Bereich der peergroup eine Rolle spielen. Zunächst fällt auf,
daß der Jugendliche der eigentlichen - projektiv angelegten _
Themenstellung3, nämlich etwas zur f.amiiären Sitiatio-n, zur
=-.-
3 Die hier verwendete Zeichenvorlage und die Themenstellung wur-
den einer Untersuchung von A. Gappmeyer entnommen. Der känkre_
te Arbeitsauftrag lautete: über-lege Dir, l. wie wohl die Familie aus_
sieht,.in der der Junge (oder das Mädchen, hierzu gibt es eine Vorlage
mit einer Mädchenfigur, J. B.) lebt. 2. was in deiVergangentreit aäs
Jungen (oder des Mädchens) passiert sein könnte. 3. riie d-'ie Zukunft
des Jungen (oder des Mädchens) aussehen mag. Zeichne die einzel_
nen Bildel in_ die dafür vorgesehenen Felder [._]. In die Sprechblase
kannst Du schleiben, was Du glaubst, was der Junge (odei das Mäd_
chen) denkt."
Bilddiagnostik und Kunsttherapie im Kontext der lebensweltorientierten Didaktik
erinnerten Vergangenheit und zur antizipierten zukünftigen
Lebenssituation des im mittleren Feld abgebildeten Jungen zu
zeichnen, nur im Ansatz entspricht. Die Assoziationsfelder
.,Familie" und,,Vergangenheit" im biographisch-rekonstruie-
renden Sinne werden, betrachtet man das Bild rein narrativ und
ohne bereits tiefenhermeneutisch angelegte Interpretationen
vorzunehmen, übergangen. In gewisser Weise läßt sich dieser
Vorgang als ,,Aus-dem-Felde-Gehen" im Sinne einer Reak-
tionsform auffassen, ein Mechanismus, wie er auch von Rich-
ter (1984, S. 157) in Zusammenhang mit den bildhaften The-
menbearbeitungen von sog. verhaltensauffälligen Schülern her-
vorgehoben worden ist. Stattdessen erinnert der Fünfzehnjähri-
ge ein wohl weniger lang zurückliegendes Ereignis, nämlich
den Streit zwischen zwei Jugendlichen wegen einer,,DIESEL"-
Jacke. Die Darstellung des Konfliktgeschehens beginnt in der
Mitte des Blättes, mit den in die Sprechblase eingeschriebenen
Gedanken der Hauptfigur. Der abgebildete Junge, der sich be-
reits in der Zeichenvorlage vor einer Gruppe von Jugendlichen
befindet, denkt also: ,,Dieses Arch hat meine Jacke." Auf der
rechten Seite steht nun ein Junge, der die betreffende Jacke
trägt und vom Zeichner des Diebstahls bezichtigt wird. Der
Jackenträger steht mit dem Rücken zum Betrachter. Auf diese
Weise springt vor allem der Schriftzug ,,DISEL" ins Auge. Die
Individualität des Jackenträgers interessiert zunächst nicht, sein
Gesicht ist nicht erkennbar, er definiert sich vor allem als der
Dieb der DIESEL-Jacke. In der Szene unten hat sich der Be-
stohlene offenbar entschlossen, seine Jacke zurückzufordern,
indem er den anderen packt und schüttelt: ,,Hast Du Probleme.
Gib meine Jacke zurück." Die auf den anderen zudrängende
Körperhaltung des Jugendlichen auf der linken Seite unter-
streicht seine Entschlossenheit. Um dessen Forderung Nach-
druck zu verleihen, setzt Radovan, unser Zeichner - allerdings
erst zu einem späteren Zeitpunkt - ein Messer in die linke
Körperseite des Attackierten. Die Szene ganz oben spiegelt ei-
nen Blick des Zeichners in die Zukunft des Jungen, wohl auch
die eigene phantasierte Zukunft, wider. Im Besitz einer DIE-
SEL-Jacke, eines AMANI (meint wohl: ARMANI, J. B.) - Gür-
tels sowie einer Hose der Marke LEVIS und eine Freundin an
der Hand, Iäßt Radovan den dargestellten Jugendlichen sagen:
,,Ich bin glücklich." Auffällig an der Darstellung des Paares ist
die Hervorhebung von Penis und Hoden sowie Scheide und
Brüsten, die quasi durch die Kleidung hindurch sichtbar wer-
den. Es entsteht der Eindruck, daß Kleidung und Accessoires
für den betreffenden Schüler weit mehr darstellen als ein
,,Erlebnisangebot." Vieles spricht dafür, daß hier Jacke, Gürtel
und Jeanshose eine kompensatorische, selbstreparative Funkti-
on im Hinblick auf ein stark traumatisiertes, geschädigtes und
gekränktes Ich zukommt. Jemandem die Jacke wegzunehmen,
dürfte im Erleben des Schülers einem Angriff auf dessen Iden-
tität, auch als junger Mann, gleichkommen. Aus dieser Ver-
knüpfung könnten sich die hochaggressiven Reaktionsformen
erklären (Prügeln, Stechen mit dem Messer), die während der
Rückforderung der Jacke eingesetzt werden.
Die Frage, mit welcher der dargestellten Figuren sich
Radovan am ehesten identifizieren könnte, läßt sich nicht völ-
lig klar beantworten. Neigt man auf den ersten Blick eventuell
dazu, den fünfzehnjährigen Zeichner in dem bestohlenen und
in seiner Identität gekränkten Jugendlichen zu erkennen, ist bei
-senauerer Analyse biographischer und kriminologischer Daten
auch eine Identifikation des Zeichners mit dem Täter nicht aus-
zuschließen. Radovan hatte sich bereits eine schwere Körper-
verletzung auf dem Schulhof zuschulden kommen lassen. Un-
gefähr zeitgleich mit der Entstehung des Bildes wurde eine
Abb.3 Radovan 15 Jahre
Strafanzeige wegen sog. räuberischer Erpresl
Fünfzehnjährigen gestellt. In einem noch ande
hang wurde er beschuldigt, eine Jacke und eint
wendet zu haben. Möglicherweise spielen be.ir
Rolle, sie könnten in der folgenden internen L-l
einander verschmelzen: Ohne eine DIESEL
nichts wert, meine finanziellen Mittel reichel
deshalb muß ich sie mir mit Gewalt anei-en
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Gruppen um kulturelles Prestige degeneriert i
spiel zu den primitiven Mechanismen wie Ra
um ein Ich zu rächen, das sich a1s kulturell unt
teiligt, als seelisch gekränkt und zurückgesetzt
weniger um ,,Distinktion" als darum, überht
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schehen wurde von dem l5jährigen Schülel
weigert. Der Verfasser, der hier z! einem Zeit
lehrer (in Kunst) fungierte, an dem der JugendJ
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Sonderschule stand, fand nur noch einen sehr
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gen die Bildgestaltung aus dem Unterricht des
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Abb.3 Radovan 15 Jahre
Strafanzeige wegen sog. räuberischer Erpressung gegen den
Fünfzehnjährigen gestellt. In einem noch anderen Zusammen-
hang wurde er beschuldigt, eine Jacke und eine Geldbörse ent-
wendet zu haben. Möglicherweise spielen beide Aspekte eine
Rolle, sie könnten in der folgenden internen Überzeugung mit-
einander verschmelzen: Ohne eine DIESEL-Jacke bin ich
nichts wert, meine finanziellen Mittel reichen nicht aus und
deshalb muß ich sie mir mit Gewalt aneignen. Der von P.
Bourdieu (1979) analysierte Kampf zwischen den sozialen
Gruppen um kulturelles Prestige degeneriert in unserem Bei-
spiel zu den primitiven Mechanismen wie Raub und Gewalt,
um ein Ich zu rächen, das sich als kulturell und sozial benach-
teiligt, als seelisch gekränkt und zurückgesetzt erlebt. Es geht
weniger um ,,Distinktion" als darum, überhaupt jemand zu
sein. Eine inhaltliche Stellungnahme zu dem dargestellten Ge-
schehen wurde von dem l5jährigen Schüler vollständig ver-
weigert. Der Verfasser, der hier zu einem Zeitpunkt als Fach-
lehrer (in Kunst) fungierte, an dem der Jugendliche wegen sei-
ner delinquenten Aktivitäten kurz vor dem Verweis von der
Sonderschule stand, fand nur noch einen sehr geringen thera-
peutischen bzw. didaktischen Spielraum vor. Eine prekäre Si-
tuation ergab sich dadurch, daß der Klassenlehrer des i5jähri-
gen die Bildgestaltung aus dem Unterricht des Fachlehrers zur
Beweissicherung in einem laufenden polizeilichen Verfahren
(Diebstahl einer Markenjacke und einer Geldbörse mit Scheck-
karte usw.) heranziehen wollte. Therapeutische und erzieheri-
sche (bzw. kriminologische) Zielsetzungen traten hier in ein
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Jt
Koirkurrenzverhältnis. Der Klassenlehrer konnte jedoch über-
zeugt werden, daß die Einbeziehung der Schülerzeichnung in
ein polizeiliches Untersuchungsverfahren jede zukünftige Aus-
einandersetzungsbereitschaft des Jugendlichen und der übrigen
Lerngruppe im ästhetischen Bereich verhindert hätte. Das im
pädagogisch-therapeutischen Kontext mühsam aufgebaute
Vertrauen wfue in gravierender Weise enttäuscht worden.
Au s e inander s etzun g s b e re it s c haft und künstle ri s che F ä -
higkeiten auf Seiten einer Schülerin, die sichfrühzeitig
der Schule entzogen hat
Die 14jährige, aus Nordafrika stammende, Saruna er-
gänzte einigä Szenen eines Cartoons, aus denen zuvor der In-
halt der Sprechblasen entfernt wurde.4 Im Zentrum der Bildge-
schichte stehen ein Mann und eine Frau. Die Schülerin erhielt
die Anregung, sich einen Dialog zwischen den beiden abgebil-
deten Personen auszudenken und weitere Bildszenen daatzu-
zeichnen. In der recht realitätsnah gezeichneten Bildgeschichte
von Saruna kommt es ohne besondere Umschweife zu einer
sexuellen Handlung. Der von der Jugendlichen eingetragene
Dialog entwickelt sich wie folgt:
Abb.4 Saruna 14 Jahre
aDas Original wurde von C. Br6t6cher gezeichnet und der Zeitschrift
BRIGITTE entnommen (ohne Datum).
Frau: ,,Du siehst gut aus.'
Mann: ,,Was, ich sehe gut aus?"
Frau: ,,Ja."
Mann (oder Frau, bleibt unklar): ,,Wie wär's n
Mann (oder Frau): ,,Ja, ich gehe schon ins Bet
Mann: ,,Ja komm!"
Frau: ,,Weiter."
Mann: ,,Du bist geil."
Betrachtet man die einzelnen Szenel
entsteht der Eindruck, daß die Schülerin über I
praktische Kenntnisse sexueller Verkehrsf<
muß. Auffällig ist die mit hoher Wahrscheinlit
rung und Sachkenntnis beruhende innere
schehens in allen neun Bildszenen. Die 14jähr
nur über Kenntnisse des sachgerechten Co
sondern auch über Erfahrungen bezüglich der
und Praktiken usw. An Reaktionsformen wen
szenen die Herstellung und Gestaltung eines t
len) Kontaktes, die Anpassung an die Eigenhe
nisse des männlichen Partners sowie Selbstbet
ne des Eintretens für die eigenen libidinösen B
bar. Als problematisch erweist sich an diesem
Verfrühung und Intensität, mit der die sexuel
gemacht werden, und zwar in Kombination t
endgültigen Abkopplung vom schulischen
Das schulische Lernen besitzt für die Jugendlit
noch im Haushalt der Eltem, größtenteils j
wechselnden (erwachsenen) Partnern lebt, offt
einen Stellenwert. Eine eventuelle berufliche
sinkt hinter den Befriedigungen der unmittelb
Wenn die Jugendliche gelegentlich zur Schult
sie mit Leidenschaft großflächige Leinwänc
Malgründe. Es entstehen Gesichter und Kö
taucht auf. Sie arbeitet mit dicken Pinseln, leu
und experimentiert mit der Auflösung und .
von Formen, speziell Gesichtsformen. In soll
kommt sie dahin, in sich hineinzuhorchen un
wissern, wo sie augenblicklich steht. Für den
Lehrer ist sie offen. Auch zeigt Saruna keine
perliche, sexuelle Vorgänge, Erfahrungen, V
usw. zu sprechen. Ab dem darauffolgendel
bleibt sie wieder vier Wochen weg und lebt il
tensives Leben. Die didaktischen Bemühu
Prinzip zwar auf fruchtbaren Boden, doch mar
nuität, wodurch die Prozesse der Auseinande
biographischen und lebensweltlichen Erfahrur
der neu initiiert werden müssen und über ein gt
ni veau selten hinauskommen.
Die Auseinandersetzungsbereitschaft
mit einem Konfliktthema und die Möglt
ti s c he n V e rknüpfun I mit sac hb ezo gen,
Der l5jährige Niko hat männliche Aktr
einem Zeichenlehrbuch (Tank, 1963) photo
Paaren zusammengefügt und zeichnerisch i
Figurationen wurden vor einen karg wirkent
hintergrund gesetzt. Die scharfen Kanten der I
ren stark mit den völlig nackt präsentierten Kö
Verzicht aufjede weitere Ausgestaltung des Li
einmal abgesehen von den Bodenschraffierun
Joachim Bröcher Bilddiagnostik wtd Kwtsttlte rapie im
Der Klassenlehrer konnte jedoch über-
Einbeziehung der Schülerzeichnung in
mchungsverfahren jede zukünftige Aus-
schaft des Jugendlichen und der übrigen
schen Bereich verhindert hätte. Das im
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eiten einer Schülerin, die sichfrühzeitig
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aus Nordafrika stammende, Saruna er-
rines Cartoons, aus denen zuvor der In-
ntfernt wurde.4 Im Zentrum der Bildge-
rnn und eine Frau. Die Schülerin erhielt
rn Dialog zwischen den beiden abgebil-
lenlien und weitere Bildszenen dazuzrt-
realitätsnah gezeichneten Bildgeschichte
i ohne besondere Umschweife zu einer
Der von der Jugendlichen eingetragene
u"ie folgt:
r C. Br6tdcher gezeichnet und der Zeitschrift
(ohne Datum).
Frau: ,,Du siehst gut aus."
Mann: ,,Was, ich sehe gut aus?"
Frau: ,,Ja."
Mann (oder Frau, bleibt unklar): ,,Wie wär's mit uns?"
Mann (oder Frau): ,,Ja, ich gehe schon ins Bett."
Mann: ,,Ja komm!"
Frau: ,,Weiter."
Mann: ,,Du bist geil."
Betrachtet man die einzelnen Szenenbilder genauer,
entsteht der Eindruck, daß die Schülerin über recht detaillierte,
praktische Kenntnisse sexueller Verkehrsformen verfügen
muß. Auffällig ist die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Erfah-
rung und Sachkenntnis beruhende innere Logik des Ge-
schehens in allen neun Bildszenen. Die l4jährige verfügt nicht
nur über Kenntnisse des sachgerechten Condomgebrauchs,
sondern auch über Erfahrungen bezüglich der Blicke, Gesten
und Praktiken usw. An Reaktionsformen werden in den Bild-
szenen die Herstellung und Gestaltung eines sozialen (sexuel-
len) Kontaktes, die Anpassung an die Eigenheiten und Bedürf-
nisse des männlichen Partners sowie Selbstbehauptung im Sin-
ne des Eintretens für die eigenen libidinösen Bedürfnisse sicht-
bar. Als problematisch erweist sich an diesem Fall die enorme
Verfrühung und Intensität, mit der die sexuellen Erfahrungen
gemacht werden, und zwar in Kombination mit einer nahezu
endgültigen Abkopplung vom schulischen Bildungsprozeß.
Das schulische Lernen besitzt für die Jugendliche, die zum Teil
noch im Haushalt der Eltem, größtenteils jedoch bei ihren
wechselnden (erwachsenen) Partnern lebt, offenbar kaum noch
einen Stellenwert. Eine eventuelle berufliche Perspektive ver-
sinkt hinter den Befriedigungen der unmittelbaren Gegenwart.
Wenn die Jugendliche gelegentlich zur Schule kommt, bemalt
sie mit Leidenschaft großflächige Leinwände oder sonstige
Malgründe. Es entstehen Gesichter und Körper. Sinnliches
taucht auf. Sie arbeitet mit dicken Pinseln, leuchtenden Farben
und experimentiert mit der Auflösung und Neukombination
von Formen, speziell Gesichtsformen. In solchen Situationen
kommt sie dahin, in sich hineinzuhorchen und sich zu verge-
wissern, wo sie augenblicklich steht. Für den Dialog mit dem
Lehrer ist sie offen. Auch zeigt Saruna keine Scheu über kör-
perliche, sexuelle Vorgänge, Erfahrungen, Wünsche, Angste
usw. zu sprechen. Ab dem darauffolgenden Unterrichtstag
bleibt sie wieder vier Wochen weg und lebt ihr verfrühtes, in-
tensives Leben. Die didaktischen Bemühungen fallen im
Prinzip zwar auf fruchtbaren Boden, doch mangelt es an Konti-
nuität, wodurch die Prozesse der Auseinandersetzung mit den
biographischen und lebensweltlichen Erfahrungen immer wie-
der neu initiiert werden müssen und über ein gewisses Anfangs-
niveau selten hinauskommen.
Die Auseinandersetzungsbereitschaft eines Schülers
mit einem Konfliktthema und die Möglichkeit der didak-
tischen Verknüpfung mit sachbezogenen Aspekten
Der 15jährige Niko hat männliche Aktdarstellungen aus
einem Zeichenlehrbuch (Tank, 1963) photokopiert, zu zwei
Paaren zusammengefügt und zeichnerisch ausgestaltet. Die
Figurationen wurden vor einen karg wirkenden Landschafts-
hintergrund gesetzt. Die scharfen Kanten der Felsen kontrastie-
ren stark mit den völlig nackt präsentierten Körpern. Durch den
Verzicht auf jede weitere Ausgestaltung des Landschaftraumes,
einmal abgesehen von den Bodenschraffierungen, tritt der Akt
Abb. 5 Niko 15 Jahre
an sich besonders deutlich hen'or. \l-i
linken Seite sich offenbar bei einer kor
len Praktik befindet, bleiben die sexuell
auf der rechten Seite etwas unklar. Dit
sen auf beiden Seiten unterstreichen
(,,Er steht. Super, super geil. Ja es kc't
weiter."). Die eigentliche Fragestellun
Schüler zweifach oben über das ge.4e
schrieben:,,Schwule?"
Diese Kurzform einer Fra.-ee lit
auch übersetzen mit: ,,Was bedeutet e
Wann ist einer homosexuell und u'ie ve
ellen miteinander?" Die Frage. inuierlt
15jährigen zu dem damaligen Zeitpunl
sen sein könnte, ist nicht ohne u'eiter
Tatsache, daß das Thema der Homo:er
Bild gesetzt und in einem exploratiran
stellung des immerhin Möglichen reilel
mutung nahe, daß der Schüler -sleichs
zen im Grundsatz als eine Form der s<
sich und andere akzeptiert. Gleichzail
wie diese Entwicklung ausgehen u'ir,J-
gration, einer Sublimierung oder ein<r
erotischen Tendenzen kommen. ob es e
to" (Pollak, 1990) geben wird. .-Das ab
Bewußtsein - oder im Unbewußten -,
wahrt. Daher entzieht es sich der Erfo
1993, S. 180). Der geringe Grad an At't
te Auseinandersetzungsbereitschart de
gegenüber einer Thematik, die allgernt
ermöglichten in diesem Falle immerh
Lehrer und Schüler, aber auch innerü
deren Verlauf vom Schüler die eigene
denzen enttabuisiert und an,eesprnc
Darüberhinaus war es möglich. zu v
bearbeitungen im wissenschaftsorien
überzuleiten (Varianten sexuellen \-ert
Joaclilm Bröcher Bilddiagnostik und Kunsttherapie int Kontext der lebensweltorientierten Didaktik
rär's mit uns?"
ins Bett."
Szenenbilder genauer,
r über recht detaillierte,
tetrslbrmen verfügen
üeinlichkeit auf Erfah-
rere Logik des Ge-
l.tjähri ge verfügt nicht
Eo Condomgebrauchs,
Ecü der Blicke, Gesten
ca serden in den Bild-
eires sozialen (sexuel-
fusnheiten und Bedürf-
h*trehauptung im Sin-
ftea Bedürfnisse sicht-
üesem Fall die enorme
rxuellen Erfahrungen
nirn mit einer nahezu
Sen Bildungsprozeß.
grodliche, die zum Teil
rdh iedoch bei ihren
ü- ollenbar kaum noch
{lthe Perspektive ver-
inelbaren Gegenwart.
'§ctrule kommt, bemalt
LrInde oder sonstige
d Kairper. Sinnliches
t- Ieu;htenden Farben
g md \eukombination
In snlchen Situationen
h und sich zu verge-
Lden Dialog mit dem
rteine Scheu über kör-
gsn- \\-ünsche, Angste
lrnden Unterrichtstag
I lcbt ihr verfrühtes, in-
iulhungen fallen im
cL man_selt es an Konti-
bm,lersetzung mit den
ifihrungen immer wie-
rrin seu'isses Anfangs-
whaft eines Schülers
t Nöelichkeit der didak-
wgenen Aspekten
lc Ahtdarstellungen aus
pbotokopiert, zt zwei
risch aus_gestaltet. Die
rirtenden Landschafts-
n der Felsen kontrastie-
tto Körpern. Durch den
;des Landschaftraumes,
ffierungen, tritt der Akt
Abb. 5 Niko 15 Jahre
an sich besonders deutlich hervor. Während das Paar auf der
linken Seite sich offenbar bei einer koitusähnlichen bzw. ana-
len Praktik befindet, bleiben die sexuellen Praktiken des Paares
auf der rechten Seite etwas unklar. Die Inhalte der Sprechbla-
sen auf beiden Seiten unterstreichen den sexuellen Kontext
(.,Er steht. Super, super geil. Ja es kommt. Aahh, mm, schön
weiter."). Die eigentliche Fragestellung seines Bildes hat der
Schüler zweifach oben über das gezeichnete Geschehen ge-
schrieben:,,Schwule?"
Diese Kurzform einer Frage ließe sich wahrscheinlich
auch übersetzen mit: ,,Was bedeutet es, homosexuell zu sein?
Wann ist einer homosexuell und wie verkehren die Homosexu-
ellen miteinander?" Die Frage, inwieweit dieses Thema für den
15jährigen zu dem damaligen Zeitpunkt konfliktbesetzt gewe-
sen sein könnte, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Die
Tatsache, daß das Thema der Homosexualität hier so direkt ins
Bild gesetzt und in einem explorativen Gespräch mit der Ein-
stellung des immerhin Möglichen ref'lektiert wird, legt die Ver-
mutung nahe, daß der Schüler gleichgeschlechtliche Tenden-
zen im Grundsatz als eine Form der sexuellen Begegnung ftir
sich und andere akzeptiert. Gleichzeitig ist nicht abzusehen,
q'ie diese Entwicklung ausgehen wird, d. h. ob es zu einer Inte-
-sration, einer Sublimierung oder einer Abspaltung der homo-
erotlschen Tendenzen kommen, ob es evtl. ein ,,Glück im Ghet-
to" (Pollak, 1990) geben wird. ,,Das absolute Geheimnis ist im
Bewußtsein - oder im Unbewußten - des Individuums aufbe-
u.ahrt. Daher entzieht es sich der Erforschung [...]" (Vincent,
I 993, S. 1 80). Der geringe Grad an Abwehr und die ausgepräg-
te Auseinandersetzungsbereitschaft des italienischen Schülers
ge_eenüber einer Thematik, die allgemein viel Abwehr erfährt,
ermöglichten in diesem Falle immerhin Gespräche zwischen
Lehrer und Schüler, aber auch innerhalb der Lerngruppe. in
deren Verlauf vom Schüler die eigenen homoerotischen Ten-
denzen enttabuisiert und angesprochen werden konnten.
Darüberhinaus war es möglich, zu sachbezogenen Themen-
bearbeitungen im wissenschaftsorientierten Sinne (Klafki)
ütrerzuleiten (Varianten sexuellen Verhaltens, Verbreitung,ho-
mosexueller Verhaltensweisen, Bildung von subkultr
Szenen, gesellschaftliche Normen und Einstellungen us'
denen auch einige andere interessierte Schüler teilna
Das Konfliktthema erfährt so eine Relativierung, inden
einem übergeordneten didaktisch legitimierten Kontexl
beitet werden kann. Darüberhinaus ist die Motivation dt
gen, den Unterricht aktiv mitzuplanen und mitzugestaltr
sichert. Durch die Verzahnung des Unterrichtsthemas n
bewußten und unbewußten Konfliktthemen der Schül
sich die Möglichkeit, nicht nur schülerorientiert, sonder
wissenschaftsorientiert zu arbeiten, d.h. Fragestellunl
entwickeln, Informationen zu beschaffen und auszu\r
Sachzusammenhänge zu durchdringen, sich mit sog. ..S
selproblemen der Gegenwart" (Klafki, 1985, S. 21) aus
derzusetzen, etwa mit der ,,menschlichen Sexualität un
Verhältnis der Geschlechter zueinander",,,traditionellen r
ternativen Lebensformen", oder:,,individuellem Glü
spruch und zwischenmenschlicher Verantwortlichkeit'
ebd.) usw.
Bilddiagnostik und Kunsttherapie im Konte:
lebensweltorientierten Didaktik
Didaktische Überlegungen in der Lebenswelt tert
Menzen (1995, S. 220) fragte in dieser Zeitschril
p rida g o gi s c hen Umgangsmöglichkeiten mit den,,zerstlic
Lebens- und Bewältigungspraxen", wie sie sich bei viele
anwachsenden beobachten lassen und richtet seine ,.Antr
die Schule, speziell an den musischen Unterricht". Au
Hintergrund der eigenen praktisch-didaktischen und
therapeutischen Erfahrungen (Bröcher, 1991, 1993-
1995,1996) aus dem Bereich des Umgangs mit sog. verhr
auffälligen Kindern und Jugendlichen an Sonderschul
Joachim Bröcher Bilddiagnostik und Kunsttherapie im Kontext der lebensweltorientierten Didaktik
IS.-
: gu aus.).-
h unhlarr: ..Wie wär's mit uns?"
r. ich gehe schon ins Bett."
r öe :inzelnen Szenenbilder genauer,
,t &: Schulerin über recht detaillierte,
c rerueller Verkehrsformen verfügen
i hrh--r \{rhncheinlichkeit auf Erfah-
is trenhlnde innere Logik des Ge-
rEilCse:;ren- Die l-ljährige verfügt nicht
&s ra:ägarachten Condomgebrauchs,
*trng:n hezuglich der Blicke, Gesten
I Rel"i::r.insi..r-men u'erden in den Bild-
g rt G*reltuns eines sozialen (sexuel-
tpsu:rg -r di: Eigenheiten und Bedürf-
Prms s.-ui: Selbstbehauptung im Sin-
Ic eiger.en iib,idiniisen Bedürfnisse sicht-
Lcnrer* s:;h an diesem Fall die enorme
cia- u: .ier die seruellen Erfahrungen
lzrrr ;;: Krrnbination mit einer nahezu
ig r;,n r'hulischen Bildungsprozeß.
rh6;itzi:'.r,iie Jugendliche, die zum Teil
r Efu;rr-" gri;Etenteils jedoch bei ihren
m, F;finern lebt- offenbar kaum noch
: er,et:ru:ll: heruf'liche Perspektive ver-
üguug:n Jer unmi nelbaren Gegenwart.
:gr§:n'.li;h zur Schule kommt, bemalt
gro$,ü.chise Leinrvände oder sonstige
ten Gesi;hter und Körper. Sinnliches
I itdi;ken Pinseln. leuchtenden Farben
i dsr -{uflösun-e und Neukombination
C.s;ichtsf.rrmen. In solchen Situationen
i* hlneinzuhorchen und sich zu verge-
üIctlich steht. Für den Dialog mit dem
lrcü zei_st Saruna keine Scheu über kör-
qing:. Ertahrun-een. Wünsche. Angste
ö dem darauttblgenden Unterrichtstag
Sochcn *eg und lebt ihr verfrühtes, in-
örlrkt:-hen Bemühungen fallen im
fuen Bolen. doch mangelt es an Konti-
Ercre .ier -{useinandersetzung mit den
ürsrr :ilir;hen Erl'ahrungen immer wie-
l rls:en und über ein gewisses Anfangs-
InEleN.
&w:--v,r E sbereitschaft eines Schülers
pikker; und die Möglichkeit der didak-
-Ifu.! ,r,ir sachbe:ogenen Aspekten
lfrlc' het rnännliche Aktdarstellungen aus
cb rTanl 1963.1 photokopierl. zu zwei
ügt und zeichnerisch ausgestaltet. Die
ru einen kar-u wirkenden Landschafts-
tic rharfen Kanten der Felsen kontrastie-
g reckt präsentierten Körpern. Durch den
6p -{u-igestaltung des Landschaftraumes,
r den Bodenschraffierungen, tritt der Akt
Abb. 5 Niko 15 Jahre
an sich besonders deutlich hervor. Während das Paar auf der
linken Seite sich offenbar bei einer koitusähnlichen bzw. ana-
len Praktik befindet, bleiben die sexuellen Praktiken des Paares
auf der rechten Seite etwas unklar. Die Inhalte der Sprechbla-
sen auf beiden Seiten unterstreichen den sexuellen Kontext
(,,Er steht. Super, super geil. Ja es kommt. Aahh, mm, schön
weiter."). Die eigentliche Fragestellung seines Bildes hat der
Schüler zweifach oben über das gezeichnete Geschehen ge-
schrieben:,,Schwule'1"
Diese Kurzform einer Frage ließe sich wahrscheinlich
auch übersetzen mit: ,,Was bedeutet es, homosexuell zu sein?
Wann ist einer homosexuell und wie verkehren die Homosexu-
ellen miteinander?" Die Frage, inwieweit dieses Thema für den
15jährigen zu dem damaligen Zeitpunkt konfliktbesetzt gewe-
sen sein könnte, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Die
Tatsache, daß das Thema der Homosexualität hier so direkt ins
Bild gesetzt und in einem explorativen Gespräch mit der Ein-
stellung d,es immerhin MögLichen ref'lektiert wird, legt die Ver-
mutung nahe, daß der Schüler gleichgeschlechtliche Tenden-
zen im Grundsatz als eine Form der sexuellen Begegnung für
sich und andere akzeptiert. Gleichzeitig ist nicht abzusehen,
wie diese Entwicklung ausgehen wird, d. h. ob es zu einer Inte-
gration, einer Sublimierung oder einer Abspaltung der homo-
erotischen Tendenzen kommen, ob es evtl. ein,,Glück im Ghet-
to" (Pollak, 1990) geben wird. ,,Das absolute Geheimnis ist im
Bewußtsein - oder im Unbewußten - des Individuums aufbe-
wahrt. Daher entzieht es sich der Erforschung [...]" (Vincent,
1993, S. 180). Der geringe Grad an Abwehr und die ausgepräg-
te Auseinandersetzungsbereitschaft des italienischen Schülers
gegenüber einer Thematik, die allgemein viel Abwehr erfährt,
ermöglichten in diesem Falle immerhin Gespräche zwischen
Lehrer und Schüler, aber auch innerhalb der Lerngruppe. in
deren Verlauf vom Schüler die eigenen homoerotischen Ten-
denzen enttabuisiert und angesprochen werden konnten.
Darüberhinaus war es möglich, zu sachbezogenen Themen-
bearbeitungen im wissenschaftsorientierten Sinne (Klafki)
überzuleiten (Varianten sexuellen Verhaltens, Verbreitung ho-
mosexueller Verhaltensweisen, Bildt
Szenen, gesellschaftliche Normen und
denen auch einige andere interessier
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lebensweltorientierten Didakl
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Fas bedeutet es, homosexuell zu sein?
rell und wie verkehren die Homosexu-
lkage. inwieweit dieses Thema für den
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ü ohne weiteres zu beantworten. Die
re der Homosexualität hier so direkt ins
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Scbüler gleichgeschlechtliche Tenden-
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liert. Gleichzeitig ist nicht abzusehen,
rrssehen wird, d. h. ob es zu einer Inte-
nrng oder einer Abspaltung der homo-
txnmen. ob es evtl. ein,,Glück im Ghet-
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lXnbeu'ußten - des Individuums aufbe-
s sich der Erforschung [...]" (Vincent,
ge Grad an Abwehr und die ausgepräg-
üereitschaft des italienischen Schülers
rit- die allgemein viel Abwehr erfährt,
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s auch innerhalb der Lerngruppe. in
üler die eigenen homoerotischen Ten-
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möglich. zu sachbezogenen Themen-
senschaftsorientierten Sinne (Klafki)
i sexuellen Verhaltens, Verbreitung ho-
mosexueller Verhaltensweisen, Bildung von subkulturellen
Szenen, gesellschaftliche Normen und Einstellungen usw.), an
denen auch einige andere interessierte Schüler teilnahmen.
Das Konfliktthema erfährt so eine Relativierung, indem es in
einem übergeordneten didaktisch legitimierten Kontext bear-
beitet werden kann. Darüberhinaus ist die Motivation des Jun-
gen, den Unterricht aktiv mitzuplanen und mitzugestalten, ge-
sichert. Durch die Verzahnung des Unterrichtsthemas mit den
bewußten und unbewußten Konfliktthemen der Schüler bot
sich die Möglichkeit, nicht nur schülerorientiert, sondem auch
wissenschaftsorientiert zu arbeiten, d. h. Fragestellungen zu
entwickeln, Informationen zu beschafTen und auszuwerten,
Sachzusammenhänge zu durchdringen, sich mit sog. ,,Schlüs-
selproblemen der Gegenwart" (Klafki, 1985, S. 2l) auseinan-
derzusetzen, etwa mit der ,,menschlichen Sexualität und dem
Verhältnis der Geschlechter zueinander", ,,traditionellen und al-
ternativen Lebensformen", oder:,,individuellem Glücksan-
spruch und zwischenmenschlicher Verantwortlichkeit" (vgl.
ebd.) usw.
Bilddiagnostik und Kunsttherapie im Kontext der
lebensweltorientierten Didaktik
Didaktische Uberlegungen in der Lebenswelt verankern
Menzen (1995, S. 220) fragte in dieser Zeitschrift nach
pädago gi schen Umgangsmöglichkeiten mit den,,zerstückelten
Lebens- und Bewältigungspraxen", wie sie sich bei vielen Her-
anwachsenden beobachten lassen und richtet seine ,,Anfrage an
die Schule, speziell an den musischen Unterricht". Auf dem
Hintergrund der eigenen praktisch-didaktischen und kunst-
therapeutischen Erfahrungen (Bröcher, 1991, 1993, 1994,
1995,1996) aus dem Bereich des Umgangs mit sog. verhaltens-
auffälligen Kindern und Jugendlichen an Sonderschulen für
l0
Erziehungshilfe, an Grundschulen (im Rahmen des sog. ge-
meinsamen Unterrichts) und an Schulen für Lernbehinderte er-
scheint es unumgänglich, die Lebenswelt dieser Heranwach-
senden zum Dreh- und Angelpunkt des Unterrichts zu machen,
wenn in ihr überdurchschnittlich viele Probleme und Belastun-
gen vorkommen. Diese lebensweltorientierte Didaktik (Brö-
cher, 1996 b) stützt sich in besonderer Weise auf die erkenntnis-
fördernden bilddiagnostischen bzw. bildhermeneutischen Ver-
fahren. Der Rückgriff auf diese Verfahren im Kontext einer
lebensweltorientierten Didaktik vermag hier etwas sehr We-
sentliches zu erschließen: Das Wissen um die Lebenswelt der
Schüler, ihre darin angesiedelten Belastungen, Sorgen und
Nöte, worin die Basis für einen angemessenen sonderpäd-
agogischen Unterricht zu sehen ist. Die Analysen und Aus-
legungen des immer neu entstehenden Bildmaterials bringen
den kunsttherapeutisch sensibilisierten Pädagogen nah genug
heran an die dargestellten, mitgeteilten, symbolisierten, mehr
oder weniger verschlüsselten Daseinsthemen und Lebenswelt-
probleme und an die lange Reihe erfolgloser oder mehr oder
weniger erfolgreicher Bewältigungs- und Auseinanderset-
zungsprozesse der Vergangenheit oder der Gegenwart sowie an
die überdauernden Persönlichkeitsstrukturen, in denen sich das
alles eingraviert und niedergeschlagen hat. Die lebenswelr
orientierte Didaktik versteht sich als Teil kritisch-konstruktiver
Didaktik bzw. Erziehungswissenschaft (Klafki, 1985). In al-
tersspezifischer Weise werden die meist belastenden biographi-
schen Erfahrungen der Schüler thematisiert, wenn es sein muß
auch in Form einer therapieähnlichen Einzelförderung, und an-
schließend zu stärker sachbezogenen und wissenschaftsorien-
tierten Aspekten und Fragestellungen übergeleitet. Zu denken
ist hier etwa an eine unterrichtliche, handlungs- und projektori-
entierte Auseinandersetzung mit Jugendszenen, Jugendkultu-
ren, Videowelten, Kleidung, Sexualität, aktuellen Helden, Ido-
len usw. Im Verlauf dieser thematischen Prozesse kann immer
wieder auf künstlerische Ausdrucksformen zurückgegriffen
werden. Abbildung 6 zeigt ein Wandbild, das mit der Bearbei-
tung des Themas,,Lebensphasen/Lebensabschnitte" in Zusam-
menhang steht. Inhaltliche Aspekte, die hier in Zusammenar-
beit mit einer Künstlerins bildnerisch realisiert wurden, waren:
Die Jugend der Mädchen, die Jugend der Jungen, die Entwick-
lung vom Kind zum Erwachsenen. In einem solchen didakti-
schen Kontext können erstens Konfliktthemen, wie sie anhand
der Abbildungen 3, 4 und 5 deutlich geworden sind, aktualisiert
und bearbeitet werden. Zweitens können den Schülerinnen und
Schülem neue künstlerische Darstellungs- und Ausdrucksmög-
lichkeiten vermittelt werden. Im kommunikativen Austausch
mit der Künstlerin und im gemeinsamen Realisieren bildneri-
scher Ideen können nicht nur die eigenen biographischen Erfah-
rungen reflektiert werden. Es wurde, wie die Motive des Wand-
bildes zeigen, auch ein andererBlick auf das Jugendalter mög-
lich.
Unsere wesentliche Folgerung lautet, daß die bild-
diagnostischen Verfahren didaktisch relevante Erkenntnisse
ans Licht bringen, nach denen die Planung zusammenhängen-
der, fächerübergreifender unterrichtlicher Einheiten vonstatten
gehen kann, die sich zunächst um die Themen der Lebenswelt
drehen. Sie stellen gleichzeitig ein praktisches Werkzeug für
die Didaktik dar, die darauf angewiesen ist, für die Heranwach-
5 Dieses Wandbild entstand unter Mitarbeit von Julia Prejmerean-
Aston (freie Künstlerin), NümbrechrWinterborn.
Abb. 6 Nadine 16 Jahre, Maurice 15 Jahre ur3 {:-::
(2,40mx1,20m)
senden motivierende und relevante Themen z: : -:.-
wie lebensbedeutsame, zunehmend $'issen::'.:,'
sachbezogene Auseinandersetzungsprozcss: :- *' -- I
und in Gang zu halten. Der Grad der didakiis:.-. - --
keit variiert mit dem Schweregrad der je* eil:5.' . I -,
individuellen Auseinandersetzungsfähigktil -: : -:'
der Heranwachsenden und den objektiren ..:-: '
setzungsmöglichkeiten, die in einem Th:n. =:--.
etwa die Umsetzbarkeit in handlun-esonenll:i'. L" -
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r>e der Vergangenheit oder der Gegenwart sowie an
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=inandersetzung mit Jugendszenen, Jugendkultu-
elren, Kleidung, Sexualität, aktuellen Helden, Ido-
\-erlauf dieser thematischen Prozesse kann immer
künstlerische Ausdrucksformen zurückgegriffen
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emas,,Lebensphasen/Lebensabschnitte" in Zusam-
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Abb. 6 Nadine 16 Jahre, Maurice 15 Jahre und Künstlerin
(2,40mx.1,20m)
senden motivierende und relevante Themen zu formulieren so-
wie lebensbedeutsame, zunehmend wissenschaftsorientierte,
sachbezogene Auseinandersetzungsprozesse in Gang zu setzen
und in Gang zu halten. Der Grad der didaktischen Umsetzbar-
keit variiert mit dem Schweregrad der jeweiligen Thematik, der
individuellen Auseinandersetzungsfähigkeit und -bereitschaft
der Heranwachsenden und den objektiven didaktischen Um-
setzungsmöglichkeiten, die in einem Thema enthalten sind,
etwa die Umsetzbarkeit in handlungsorientierte Lemvorgänge,
in Spiel, Gestaltung und Umgestaltung, in symbolische
Bearbeitungsprozesse, in Improvisation und Inszenierung, fer-
ner die Möglichkeit der Verknüpfung mit sachbezogenen
Aspekten usw.
kompleres Ges;:.-:"=
überblickt uei,ier::
ierlich sozial'i is. ::.,
se zu rez:p:i:::. -
therapeutis:hir l-:-:
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kunsttherap::i-:: -:-
ent*ickelt -:l :." ,
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Bourdieu.P. ,t':-: -. ,
lichen U:::r..r-:::: : -
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Schule :ü: E::.::-::,-
Bröcher. i. ,-v:: S
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Joachim Bröcher Bitddiagnostik und Kunsttlterapie im Kontext der lebensweltorientieften Didaktik
MBI-,:: '5 -ahre und Künstlerin
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dre :r einem Thema enthalten sind,
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ur"i Um-sestaltung, in symbolische
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br \-:rknüptung mit sachbezogenen
Umsetzungsprobleme
Vom Begründungszusammenhang einer kritisch-kon-
struktiven Didaktik (Klafki) her gesehen, ist es nicht schwierig,
den Rückgriff auf bilddiagnostische und kunsttherapeutische
Verfahren zu legitimieren, da auf diesem Wege die individuel-
len Lernvoraussetzungen und psychosozialen wie soziokul-
turellen Lebenskontexte von konfliktbelasteten Schülerinnen
und Schülern ergründet und zur Grundlage spezifischer För-
derbemühungen gemacht werden können, um auch diesen
Schülern verlorengegangene Bildungschancen wieder neu ein-
zuräumen. Die Probleme liegen eher in der praktischen Umset-
zung, d. h. in einer effektiven und organisatorisch wie institu-
tionell machbaren Einfügung der bildhermeneutischen und äs-
thetisch-therapeutischen Verfahren in das übergeordnete Sy-
stem der lebensweltorientierten Didaktik, das sich seinerseits
ebenfalls nicht ohne Reibungspunkte und institutionelle Kon-
flikte innerhalb des Systems Schule installieren läßt. Es wur-
den mit Absicht auch Beispiele vorgestellt, in denen die Um-
setzung kunsttherapeutischer und didaktischer Zielsetzungen
auf Schwierigkeiten stieß, um die verantwortlichen Faktoren
zu ergründen und zu diskutieren. So ist es nicht immer ohne
*,eiteres möglich, die in den Bildem der Schüler aufgefunde-
nen Inhalte und Probleme - in altersangemessener und emotio-
nal wie kognitiv verkraftbarer Weise - in sachbezogene bzw.
rvissenschaftsorientierte Themenbearbeitungen zu überführen
(vgl. die Beispiele ,,Harald" und ,,Amo"). Weitere Probleme
können sich aus der Tatsache ergeben, daß sich viele Schüler
der Schule innerlich und/oder äußerlich entziehen, daß sie ihr
aufgrund früherer Erfahrungen kein Vertrauen und kein Inter-
esse mehr entgegenbringen. Die Institution Schule, die ja auch
bewertet, benotet und diszipliniert, gelegentlich stigmatisiert
und aussondert, Verweise ausspricht und sanktioniert, ist nicht
immer dazu angetan, therapeutische Prozesse oder Prozesse im
Sinne der lebensweltorientierten Didaktik zu fördern. Erzie-
hung und Disziplinierung auf der einen Seite sowie Therapie
und Schülerorientierung auf der anderen Seite, stehen oft ge-
nug in einem unauflösbaren Widerspruch (vgl. das Beispiel
..Radovan"). Schwierig ist ebenfalls, daß Lehrkräfte, die mit
verhaltensauffälligen bzw. konfliktbelasteten Schülern arbei-
ten, nicht nur Therapieziele, sondern auch Ziele erreichen müs-
sen, die an die Inhalte der Unterrichtsfächer geknüpft sind.
Auch die hierzu notwendigen Lernverhaltensweisen und
Kulturtechniken müssen vermittelt werden. Die didaktischen
Planungen und Realisationen erzeugen insgesamt ein hoch-
komplexes Geschehen, daß immer wieder neu strukturiert und
überblickt werden muß. Die Lehrkräfte sind gehalten, kontinu-
ierlich sozialwissenschaftliche und therapeutische Erkenntnis-
se zu rezipieren und in ihre didaktischen bzw. kunst-
therapeutischen Überlegungen zu integrieren. Es gibt kaum et-
rvas Wiederholbares, Standardisiertes in einem solchen didak-
tischen Geschehen. Der Untenicht und die in ihm enthaltenen
kunsttherapeutischen Interventionen müssen zu jeder Zeit nou
entwickelt und realisiert werden.
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