Content uploaded by Daphne Hahn
Author content
All content in this area was uploaded by Daphne Hahn on Oct 26, 2020
Content may be subject to copyright.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
Kenntnisstand zu Infektionen mit humanen
Papillomaviren und deren Präventionsmöglichkeiten von
13- bis 21-jährigen Schülerinnen und Schülern aus Fulda,
Hessen
Knowledge of Human Papillomavirus Infection and the Possibilities for Prevention
among 13- to 21-Year-Old Students from Fulda, Hessen
Autoren C. Stumm, D. Hahn, I. Heberlein, F. Doherr, W. Hofmann
Institut Fachbereich Pege und Gesundheit, Hochschule Fulda, Fulda
Bibliograe
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0034-1396846
Online-Publikation: 2015
Gesundheitswesen
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
ISSN 0941-3790
Korrespondenzadresse
Caroline Stumm, M.Sc.
Public Health
Fachbereich Pege und
Gesundheit
Hochschule Fulda
Marquardstraße 35
36039 Fulda
caroline.stumm@gmx.net
Schlüsselwörter
●
▶ humane Papillomaviren
●
▶ HPV-Impfung
●
▶ Prävention
●
▶ HPV
●
▶ Jugendliche
●
▶ junge Erwachsene
Key words
●
▶ human papillomavirus
●
▶ HPV vaccination
●
▶ prevention
●
▶ HPV
●
▶ adolescents
●
▶ young adults
Zusammenfassung
▼
Ziel der Studie: Ziel dieser Studie war die Erhe-
bung des Kenntnisstandes von Schülerinnen und
Schülern aus Fulda bezüglich HPV und HPV-Imp-
fung. Zudem wurde die Inanspruchnahme der
Impfung geprüft.
Methodik: Die Untersuchung von 13- bis 21-jäh-
rigen Schülerinnen und Schülern (n = 1 515) wur-
de 2011 mit einem standardisierten Fragebogen
durchgeführt.
Ergebnisse: Die Bekanntheit von humanen
Papillomaviren (HPV) und das Wissen darüber
waren gering. 29 % der Stichprobe hatten von
HPV gehört. Die Schülerinnen sowie Befragte
mit christlicher Religionszugehörigkeit kann-
ten HPV häuger als die Schüler und Befragte
mit muslimischer Religionszugehörigkeit. Von
21 Wissensfragen zu HPV wurden im Mittel 7,8
(SD = 3,3) korrekt beantwortetet, wobei keine
Unterschiede bezüglich der soziodemogra-
schen Variablen festgestellt wurden. 77 % aller
Teilnehmenden hatten von der HPV-Impfung ge-
hört. Weibliche Befragte, Personen ohne Migra-
tionshintergrund und mit höherem Bildungssta-
tus kannten die Impfung häuger als männliche
Befragte, Personen mit Migrationshintergrund
und niedrigem Bildungsstatus. Im Mittel beant-
worteten die Schülerinnen 2,9 (SD = 1,3) von 5
Fragen zur HPV-Impfung korrekt. Ältere Befragte
verfügten über mehr Wissen als jüngere. 30 % der
Schülerinnen hatten mindestens eine Impfdosis
erhalten, wobei höheres Alter, fehlender Migra-
tionshintergrund und mittlerer bzw. hoher Bil-
dungsstatus als Prädiktoren für die Inanspruch-
nahme der Impfung festgestellt wurden.
Schlussfolgerung: Der Schulunterricht und
ärztliche Untersuchungen wären geeignete Orte
der Wissensvermittlung, um soziodemograsch
begründeten gesundheitlichen Ungleichheiten
entgegenzuwirken.
Abstract
▼
Study Aim: The aim of this investigation was
to assess awareness and knowledge of HPV and
HPV vaccination in a sample of female and male
students from Fulda. Further vaccination uptake
was investigated.
Methods: In 2011 a regional cross-sectional
survey of 13- to 21-year-old students (n = 1 515)
was conducted by using a standardised questi-
onnaire.
Results: Overall, the awareness and knowled-
ge of human papillomavirus (HPV) was poor.
29 % of the sample had heard of HPV. Multiva-
riate analyses demonstrate that females as well
as Christians knew HPV better than males and
Muslims. Mean HPV knowledge score was 7.8
of 21 (SD = 3.3). None of the tested sociodemo-
graphic variables was a predictor for better HPV
knowledge. 77 % of the sample was aware of
the HPV vaccination. Females, persons without
migration background as well as persons with
middle or higher education knew HPV vaccina-
tion better than males, persons with migration
background and lower educational level. Mean
HPV vaccination knowledge score of the female
students was 2.9 of 5 (SD = 1.3). Older female stu-
dents had a better level of knowledge than youn-
ger ones. 30 % of the females had received at least
one dose. Higher age, no migration background
and middle or higher education status were tes-
ted as signicant predictors of vaccine uptake.
Conclusion: School lessons and consultations
would be appropriate places to transfer knowled-
ge in order to prevent health inequalities caused
by social determinants.
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
Hintergrund
▼
Die Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) zählt zu den
häugsten sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten welt-
weit. Die höchsten Prävalenzraten nden sich bei sexuell akti-
ven Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis
24 Jahren [1]. In einer deutschen Untersuchung von 10 bis
30-jährigen Mädchen und Frauen wurde festgestellt, dass 9 % der
10–16-jährigen, 24 % der 20–22-jährigen und 18 % der
27–30-jährigen mit HPV Hochrisikotypen inziert waren [2].
Eine HPV-Infektion gilt als notwendige Voraussetzung für die
Entwicklung eines Zervixkarzinoms und ist mit weiteren
Tumorerkrankungen der Anogenitalregion wie Vaginal-, Penis-
oder Analkrebs sowie der Entstehung von Genitalwarzen assozi-
iert [3–5].
Seit 2006/2007 stehen 2 Impfstoe zur Verfügung, die vor einer
Infektion mit den beiden häugsten Hochrisikotypen HPV-16
und -18 schützen sollen. Seit März 2007 wird die HPV-Impfung
von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Mädchen im Al-
ter von 12 bis 17 Jahren empfohlen [6]. Im Jahr 2009 lag das Bun-
desland Hessen im deutschlandweiten Vergleich mit einer
Durchimpfungsrate von 21 % bei den 12–17-jährigen Mädchen
im unteren Drittel [7].
Aufgrund der hohen Prävalenz von HPV-Infektionen bei jungen
Menschen sollten Präventionsstrategien primär auf diese Ziel-
gruppe gerichtet sein. Eine wichtige Grundlage dafür stellt die
Erforschung des aktuellen Kenntnisstandes in diesen Gruppen
über Entstehung, Folgen und Präventionsmöglichkeiten von
HPV-Infektionen dar, um daraus Ansätze zur Wissensvermitt-
lung bspw. dafür abzuleiten, welche Informationen zu Risikofak-
toren und Präventionsmöglichkeiten wo und durch wen am
besten vermittelt werden können. Darüber hinaus ermöglicht
der Zugang zu unabhängigen Informationen eine selbstbe-
stimmte Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme der
HPV-Impfung.
In internationalen Studien, die das Wissen beider Geschlechter
untersuchten, wurde ein lückenhafter Kenntnisstand zum Thema
HPV festgestellt [8–12]. Eine Untersuchung von 18 bis 25-jähri-
gen Berufsschülerinnen und -schülern aus Berlin kam zu demsel-
ben Ergebnis [13]. Außerdem zeigten viele Studien, dass Mädchen
und Frauen im Vergleich zu Jungen und Männern über ein
größeres HPV-bezogenes Wissen verfügten [8, 10, 12–15].
Die vorliegende Untersuchung zielte darauf ab, den Kenntnis-
stand zu HPV, den damit assoziierten Erkrankungen sowie den
Möglichkeiten der Prävention von Schülerinnen und Schülern
aus Fulda im Alter von 13 bis 21 Jahren zu untersuchen. Im Zen-
trum der Untersuchung standen zum einen geschlechtsspezi-
sche Wissensunterschiede, zum anderen sollten weitere sozio-
demograsche Merkmale identiziert werden. Zudem wurde
die Inanspruchnahme der Impfung untersucht.
Methoden
▼
Stichprobenauswahl und Prozedere
Die Befragung musste zunächst durch das zuständige Bildungs-
ministerium genehmigt und der entwickelte Fragebogen freige-
geben werden. Es zeigte sich dabei, dass sich die Befragung nicht
nur durch die im Ministerium erforderliche Entscheidungszeit
erheblich verzögerte, sondern auch die Beteiligungsbereitschaft
der einzelnen Schulen erhebliche Anstrengungen erforderlich
machte, sodass die ursprünglich geplante probabilistische
Clusterstichprobenauswahl einen weiteren nicht tragbaren Zeit-
aufwand innerhalb des zeitlich begrenzten Projekts bedeutet
hätte. Deshalb wurde von einer Zufallsauswahl abgesehen und
der Kontakt zu den Schulleiterinnen und -leitern mithilfe des
Schulamts und schriftlicher Einladungen an alle weiterführen-
den Schulen der Stadt und des Landkreises Fulda hergestellt.
Die Untersuchung wurde von März bis Mai 2011 durchgeführt.
Da die HPV-Impfung seit 2007 von den gesetzlichen Kassen für
Mädchen von 12 bis 17 Jahren erstattet wird, wurde ein
Höchstalter von 21 Jahren festgelegt. Zusätzlich sollten ausrei-
chende Deutschkenntnisse vorhanden sein. In den Schulen wur-
den die Klassenstufen 8–12 befragt. Die Eltern minderjähriger
Jugendlicher wurden um ihre schriftliche Zustimmung zur Teil-
nahme ihrer Kinder gebeten.
Messinstrumente
Basierend auf den aus den Ergebnissen früherer Studien abgelei-
teten Hypothesen wurde ein standardisierter Fragebogen entwi-
ckelt [8–12, 14–26]. Eine zentrale Hypothese im Hinblick auf die
Fuldaer Untersuchung lautete, dass die Schülerinnen über einen
besseren Kenntnisstand bezüglich HPV und HPV-Impfung verfü-
gen als die Schüler. Weiterhin bestand die zu prüfende Annah-
me, dass sowohl ältere Jahrgänge im Vergleich zu jüngeren als
auch Personen mit einer hohen Bildung im Vergleich zu solchen
niedrigerer Bildung und Personen mit Migrationshintergrund
im Vergleich zu solchen ohne Migrationshintergrund über ein
umfangreicheres Wissen verfügen. Ein Pretest wurde mit 46
Schülerinnen und Schülern in 2 mittelgroßen Städten in Rhein-
land-Pfalz und Hessen durchgeführt.
Die Frage zur Awareness von HPV „Hast Du schon mal von hu-
manen Papillomaviren (HPV) gehört?“ fungierte als Filterfrage
für den HPV-Wissensteil. Die Jugendlichen, die HPV kannten,
wurden zu 21 Multiple-Choice-Fragen weitergeleitet. Für jede
korrekte Antwort wurde 1 Punkt und für jede falsche oder nicht
gewusste Antwort 0 Punkte vergeben, sodass maximal 21 Punkte
erzielt werden konnten. Anschließend wurden die Informa-
tionsquellen zum Thema HPV abgefragt.
Die Frage zur Awareness „Hast Du schon mal von der HPV-Imp-
fung gehört?“ fungierte als Filterfrage zum Wissenteil zum The-
ma HPV-Impfung. Zuvor wurde in einem kurzen Einleitungstext
beschrieben, dass es eine Impfung für Mädchen von 12 bis 17
Jahren gibt, die einer HPV-Infektion vorbeugen soll. Dazu wurde
der Hinweis gegeben, dass die Impfung auch unter den Herstel-
lernamen oder als Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs be-
kannt ist. In Anbetracht der Impfempfehlungen in Deutschland
wurden lediglich die Schülerinnen, denen die Impfung bekannt
war, zu den 5 Wissensfragen über die Impfung weitergeleitet
und nicht die Schüler. Der Wissenscore wurde analog zum
HPV-Wissensscore gebildet. Anschließend wurden die Informa-
tionsquellen zum Thema HPV-Impfung abgefragt.
Zur Erhebung der Inanspruchnahme der Impfung wurden die
Schülerinnen gefragt, ob sie gegen HPV geimpft sind und die
Impfausweise gesichtet. Lag kein Impfausweis vor, wurde nach
der Anzahl der Impfdosen gefragt.
Daneben wurden soziodemograsche Daten wie Geschlecht, Al-
ter, Migrationsstatus, Religionszugehörigkeit, Bildungsgrad so-
wie der Bildungsstatus der Eltern erhoben. Ein Migrationshin-
tergrund bestand, wenn a) keine deutsche Staatsangehörigkeit
vorhanden war oder b) bei Abstammung mindestens eines El-
ternteils aus einem anderen Herkunftsland als Deutschland. Das
Bildungsniveau wurde gemäß des 3-gliedrigen Schulsystems
bzw. Schulabschlusses (Abitur/Fachabitur, Mittlere Reife, Haupt-
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
schulabschluss) in einen niedrigen, mittleren und hohen Bil-
dungsgrad unterteilt.
Datenanalyse
Die tatsächliche Stichprobe sollte einen Umfang aufweisen, der
präzise Schätzungen relativer Häugkeiten und eine den wis-
senschaftlichen Konventionen gemäße Teststärke ermöglicht.
Für den Vergleich zweier Gruppen sollte eine Anteilsdierenz
von 20 Prozentpunkten als relevante Eektgröße zu einem sig-
nikanten Testergebnis führen. Davon ausgehend wurden für
eine Irrtumswahrscheinlichkeit (α) von 5 % und eine Power (1-β)
von 80 % als Mindestumfang für die männlichen und weiblichen
Stichprobenteilgruppen unter der ungünstigsten Annahme (40 %
vs. 60 % Prävalenz; gleich große Gruppen) jeweils 97 Befragte er-
mittelt. Für einen Vergleich von Schülern mit und ohne Migra-
tionshintergrund wurden ein Verhältnis von 1:4 unterstellt und
erforderliche Gruppengrößen von 59 bzw. 236 errechnet, zu-
sammen knapp 300 Schülerinnen und Schüler. Angestrebt wur-
den also auswertbare Daten von etwa 1 200 Schülern (darunter
wären dann jeweils 120 Schülerinnen und Schüler mit Migra-
tionshintergrund usw.). Um diese Anzahlen in der tatsächlichen
Stichprobe zu erreichen, wurden unter der Annahme einer Res-
ponserate von mindestens 80 % bei der schriftlichen Gruppenbe-
fragung und einem Sicherheitszuschlag von 25 % eine Min-
destanzahl von 2 000 einzuladenden Schülerinnen und Schülern
bei der Rekrutierung zugrunde gelegt.
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte mithilfe des
Statistikprogramms SPSS Version 19. Deskriptive Statistiken
wurden genutzt, um die Studienpopulation zu charakterisieren.
Mithilfe des Chi-Quadrat-Tests nach Pearson und dem exakten
Test nach Fisher wurde überprüft, ob Unterschiede in der Awa-
reness von HPV und der HPV-Impfung je nach Geschlecht,
Altersklassen, Migrationsstatus, Religion, Bildungsstatus oder
Bildungsabschluss der Eltern vorliegen. Die Unterschiedshypo-
thesen hinsichtlich des Wissens über HPV in Abhängigkeit von
denselben Faktoren wurden anhand von 2-seitigen t-Tests für
unabhängige Stichproben und einfaktorieller Anova überprüft.
Zur Absicherung der entdeckten Zusammenhänge wurden mul-
tivariate Analysen durchgeführt. Als unabhängige Merkmale
gingen Alter und Geschlecht der Schülerinnen und Schüler, ihre
Religionszugehörigkeit, ihr Migrationsstatus, ihr Bildungsstatus
sowie der Bildungsgrad der Eltern ein. Zur Überprüfung der un-
abhängigen Einussfaktoren der Awareness von HPV und
HPV-Impfung sowie der Inanspruchnahme der Impfung wurde
eine multivariate logistische Regression und zur Überprüfung
der Faktoren des Wissens eine multivariate Varianzanalyse
durchgeführt.
Ergebnisse
▼
Stichprobe
Die Direktion von 9 der 28 relevanten Schulen aus Fulda Stadt
und Landkreis gaben ihr Einverständnis zur Teilnahme an der
Befragung: 2 der 7 Hauptschulen, 1 der 2 Realschulen, 2 der 5
Gymnasien, 2 der 3 Gesamtschulen und 2 der 5 berufsbildenden
Schulen und keine der 6 integrierten Haupt- und Realschulen.
Von 2 077 eingeladenen Schülerinnen und Schülern nahmen
1 626 teil (Response-Rate: 78 %). 111 Fragebögen wurden ausge-
schlossen. 1 515 Befragte wurden in der statistischen Analyse
berücksichtigt.
In
●
▶ Tab. 1 werden die Merkmale der Stichprobe dargestellt.
Awareness bezüglich HPV und HPV-Impfung
29 % der 1 515 Befragten hatten von HPV gehört (
●
▶ Abb. 1). Biva-
riate Analysen ergaben, dass 40 % der weiblichen und 17 % der
männlichen Befragten HPV kannten (p < 0,001). Hinsichtlich des
Migrationsstatus, der Religionszugehörigkeit und des Bildungs-
status wurden ebenfalls signikante Unterschiede in der Aware-
ness gefunden. In multivariaten Analysen blieben Geschlecht
und Religionszugehörigkeit als Prädiktoren bestehen. Die
HPV-Awareness war bei den Schülerinnen höher als bei den
Schülern [OR = 3,3 (2,5–4,4)]. Evangelischen [OR = 5,3 (1,5–12,7)]
und katholischen Befragten [OR = 5,3 (1,8–15,8.)] war HPV
bekannter als muslimischen. Allerdings zeigte das signikante
Modell insgesamt mit einem Nagelkerke R2 von lediglich 0.11
keine gute Vorhersagekraft.
Von der HPV-Impfung hatten 77 % der 1 515 Befragten gehört
(
●
▶ Abb. 1). Bivariate Analysen zeigten, dass 92 % der weiblichen
und 60 % der männlichen Befragten die Impfung kannten
(p < 0,000). Hinsichtlich des Migrationsstatus, der Religionszuge-
Tab. 1 Merkmale der Studienpopulation.
N %
Geschlecht
männlich 695 45,9
weiblich 820 54,1
Alter
13–14 352 23,2
15–16 648 42,8
17–18 329 21,7
19–21 186 12,3
Migrationsstatus
mit Migrationshintergrund 297 19,6
ohne Migrationshintergrund 1 167 77,0
fehlende Angabe 51 3,4
Religionszugehörigkeit
katholisch 992 65,5
evangelisch 335 22,1
muslimisch 70 4,6
ohne Konfession oder andere 111 7,3
fehlende Angabe 7 0,5
Schultypenzugehörigkeit
Berufsb. Schule mit (Fach)-Hochschulreife 23 1,6
Berufsb. Schule mit Realschulabschluss 117 7,7
Berufsb. Schule mit Hauptschulabschluss 119 7,8
Gymnasium/beruiches Gymnasium 584 38,5
Realschule 442 29,2
Hauptschule 175 11,6
fehlende Angabe 55 3,6
Bildungsstatus
hoch 607 40,1
mittel 559 36,9
niedrig 294 19,4
fehlende Angabe 55 3,6
Schulabschluss der Mutter
hoch 304 20,1
mittel 673 44,4
niedrig 311 20,5
kein Abschluss 14 0,9
fehlende Angabe 213 14,0
Schulabschluss des Vaters
hoch 370 24,4
mittel 445 29,4
niedrig 425 28,1
kein Abschluss 27 1,8
fehlende Angabe 248 16,4
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
Tab. 2 Wissen der Befragten über HPV, die von HPV gehört haben (n = 442) nach Geschlecht in % Richtig/Weiß nicht (WN).
Gesamt
N = 442
Weiblich
n = 323
Männlich
n = 119
p-Wert
HPV wird durch Niesen übertragen. richtig 64,5 71,3 44,8 < 0,001
WN 29,2 24,8 41,9
HPV wird durch einen Wangenkuss übertragen. richtig 75,0 80,1 59,8 < 0,001 *
WN 23,5 18,9 37,3
HPV wird durch Geschlechtsverkehr übertragen. richtig 88,6 89,7 85,6 < 0,259 *
WN 11,2 10,0 14,4
HPV wird durch Oralverkehr übertragen. richtig 35,6 29,1 53,1 < 0,001
WN 46,8 52,6 31,0
HPV wird durch Händeschütteln übertragen. richtig 74,3 79,1 60,2 < 0,001
WN 23,5 19,2 35,9
HPV wird durch Petting übertragen. richtig 17,9 17,6 18,5 < 0,857
WN 56,0 55,6 57,4
Wer kann HPV übertragen? Beide Geschlechter 40,1 ** 36,2 ** 50,8 < 0,014
Mädchen + Frauen 7,5 7,1 8,5
Jungen + Männer 22,0 ** 25,1 ** 13,6
WN 30,4 31,6 27,1
Wer kann sich mit HPV inzieren? Beide Geschlechter 24,8 ** 19,3 ** 39,5 < 0,001
Mädchen + Frauen 60,9 ** 68,2 ** 41,2
Jungen + Männer 0,2 0,3 0,0
WN 14,1 12,1 19,3
Wer kann von den Folgen einer HPV-Infektion betroen sein? Beide Geschlechter 20,6 ** 17,2 ** 29,9 < 0,001
Mädchen + Frauen 54,8 ** 61,6 ** 37,6
Jungen + Männer 0,2 0,3 0,0
WN 23,9 ** 21,0 ** 31,6
Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung inziert sich im
Laufe ihres Lebens mit HPV.
richtig 14,1 15,2 11,0 < 0,136
WN 57,0 58,4 53,4
Kondome vermindern das Risiko, sich mit HPV zu inzieren. richtig 72,6 70,2 79,0 < 0,171
WN 22,2 23,9 17,6
Die Infektion mit dem HP-Virus kann ohne Behandlung wieder
vollständig abheilen.
richtig 2,9 3,1 2,5 < 0,002
WN 36,3 ** 31,4 ** 49,6
Eine HPV-Infektion kann AIDS verursachen. richtig 39,5 42,8 30,6 < 0,069
WN 48,2 45,1 56,8
Eine HPV-Infektion kann Gebärmutterhalskrebs verursachen. richtig 84,6 89,9 70,1 < 0,001
WN 13,8 10,1 23,9
Eine HPV-Infektion kann Genitalwarzen verursachen. richtig 32,4 32,6 31,9 < 0,796
WN 55,4 54,6 57,5
Eine HPV Infektion kann Nasenbluten verursachen. richtig 54,0 59,8 37,8 < 0,001
WN 43,6 38,9 56,8
Eine HPV-Infektion kann Peniskrebs verursachen. richtig 8,8 6,8 14,4 < 0,033
WN 60,4 60,4 60,4
Eine HPV-Infektion kann Genitalherpes verursachen. richtig 15,5 16,6 12,5 < 0,124
WN 68,7 69,7 66,1
Eine HPV-Infektion kann Brustkrebs verursachen. richtig 30,8 31,8 27,9 < 0,738
WN 57,5 56,8 59,5
Eine HPV-Infektion kann Analkrebs verursachen. richtig 10,3 8,4 15,5 < 0,110
WN 65,8 67,5 60,9
Eine HPV-Infektion kann ohne Folgen bleiben. richtig 10,9 9,3 15,2 < 0,005
WN 48,4 45,3 57,1
* exak ter Test nach Fisher
** signikante Dierenz
Abb. 1 Ablaufsheet.
Gesamtpopulation
n=1515 davon:
HPV bekannt: Ja
442 (29%)
davon weiblich: 323
davon männlich: 119
21 Wissensfragen HPV
an 442 männliche+weibliche Befragte,
die HPV kannten
5 Wissensfragen HPV-Impfung
an 753 weibliche Befragte,
die die Impfung kannten
HPV-Impfung erhalten?
an 753 weibliche Befragte, die die
Impfung kannten über den Fragebogen+
Sichtung der vorhandenen Impfausweise
1168 (77%)
davon weiblich: 753
davon männlich: 415
HPV-Impfung bekannt: Ja
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
hörigkeit und des Bildungsstatus wurden ebenfalls signikante
Unterschiede in der Awareness gefunden. In multivariaten Ana-
lysen verblieben die Variablen Geschlecht, Migrationsstatus und
Bildungsstatus als Prädiktoren. Frauen und Mädchen [OR = 10,0
(6,8–14,7)] hatten im Vergleich zu Jungen und Männern häu-
ger von der Impfung gehört. Befragte ohne Migrationshinter-
grund [OR = 2,4 (1,6–3,8)] kannten die Impfung häuger als Be-
fragte mit Migrationshintergrund. Ein mittlerer [OR = 1,8 (1,2–
2,9)] und höherer Bildungsstatus [OR = 2,9 (1,8–4,6)] war ein
Prädiktor für eine höhere Awareness der Impfung. Das signi-
kante Modell zeigte mit einem Nagelkerke R2 von 0,28 eine
bereits nennenswerte Vorhersagekraft.
Wissen zum Thema HPV
Die 442 Befragten, die HPV kannten, beantworteten die Wis-
sensfragen über HPV (
●
▶ Abb. 1). Der durchschnittliche Wert auf
der 21-Item-Skala betrug 7,8 (SD = 3,3). Sowohl in bivariaten als
auch multivariaten Analysen wurden keine signikanten Unter-
schiede in Abhängigkeit von den soziodemograschen Variablen
festgestellt. Jedoch zeigten sich geschlechterspezische Unter-
schiede im Wissen über HPV bei der Betrachtung einzelner
Items (
●
▶ Tab. 2). Ihre Informationen über HPV erhielten die
Schülerinnen hauptsächlich von ärztlicher Seite (74 %) und ihren
Müttern (57 %). Den Schülern wurde das Wissen von Lehrkräften
(57 %) und dem Fernsehen (41 %) vermittelt, während Ärztinnen
und Ärzte (20 %) oder Mütter (19 %) seltener beteiligt waren
(
●
▶ Abb. 2). Unabhängig vom Geschlecht spielten Väter (< 10 %)
bei der Wissensvermittlung nur eine geringe Rolle.
Wissen zum Thema HPV-Impfung
Folgende Ergebnisse basieren auf den Angaben zum Wissen über
die HPV-Impfung der 753 Schülerinnen, die die HPV-Impfung
kannten (
●
▶ Abb. 1,
●
▶ Tab. 3). Im Mittel beantworteten die Be-
fragten 2,9 (SD = 1,3) von 5 Fragen korrekt. Anhand bivariater
Analysen wurden signikante Unterschiede in Abhängigkeit von
Alter und Migrationsstatus festgestellt. Die 13/14-jährigen und
15/16-jährigen Schülerinnen (M = 2,6, SD = 1,2 bzw. M = 2,9,
SD = 1,3) unterschieden sich mit p < 0,000 signikant von den 17
bis 18-jährigen und 19 bis 21-jährigen (M = 3,3, SD = 1,2 bzw.
M = 3,3, SD = 1,4). Mädchen und Frauen ohne Migrationshinter-
grund verfügten über mehr Wissen (M = 3,0, SD = 1,3) als jene
mit Migrationshintergrund (M = 2,7, SD = 1,3). In multivariaten
Analysen blieb lediglich das Alter als Prädiktor bestehen. Ihre
Informationen zur HPV-Impfung bekamen die Schülerinnen von
der Ärzteschaft (78 %), ihren Müttern (72 %), ihren Freundinnen
(36 %) und dem Fernsehen (23 %).
Inanspruchnahme der HPV-Impfung
30 % der 774 Schülerinnen hatten mindestens eine Impfdosis er-
halten und 69 % davon waren vollständig geimpft. 35 % der nicht
geimpften möchten sich zukünftig impfen lassen, 22 % lehnten
dies ab, 27 % waren unentschieden und 16 % hatten noch nicht
darüber nachgedacht oder machten keine Angabe.
Der Anteil der Geimpften stieg mit dem Alter: 18 % der 13/14-jäh-
rigen, 26 % der 15/16-jährigen und 46 % der 17/18-jährigen
Schülerinnen waren geimpft (p < 0,000). Eine Ausnahme bildete
die Altersklasse der 19–21-jährigen mit einem geimpften Anteil
von 38 %. 32 % der Schülerinnen ohne Migrationshintergrund
und 19 % mit Migrationshintergrund nahmen die Impfung in An-
spruch (p = 0,002). Unterschiede im Impfstatus zeigten sich auch
hinsichtlich des Bildungsstatus. 32 % der Schülerinnen mit
hohem und 31 % mit mittlerem Bildungsgrad erhielten die
Impfung, wohingegen nur 20 % derjenigen mit niedrigem
Bildungsstatus geimpft waren (p = 0,032).
In multivariaten Analysen verblieben die Variablen Alter, Migra-
tionsstatus und Bildungsstatus als Prädiktoren. Die 15/16-jähri-
gen [OR = 2,1 (1,2–3,6)], 17/18-jährigen [OR = 6,0 (3,3–11,0)] und
19–21-jährigen Schülerinnen [OR = 4,0 (2,0–7,8)] waren häu-
ger geimpft als die 13/14-jährigen. Befragte ohne Migrations-
hintergrund [OR = 2,2 (1,1–4.3)] waren häuger geimpft als die-
jenigen mit Migrationshintergrund. Bei Schülerinnen mit mitt-
lerem [OR = 2,6 (1,4–5,2)] und hohem Bildungsstatus [OR = 2,2
(1,1–4,3)] lag die Teilnahmerate höher als bei denjenigen mit
niedrigem Bildungsstatus. Das signikante Modell zeigte mit
einem Nagelkerke R2 von 0,13 eine geringe Vorhersagekraft.
Abb. 2 Informationsquellen zum Thema HPV nach Geschlecht.
74
57
31
30
21
20
20
16
8
5
20
19
16
57
6
15
41
26
7
10
02040608
01
00
Arzt/Ärztinnen
Mutter
Infobroschüren
Lehrkräfte
Freunde
Zeitschriften
Fernsehen
Internet
Vater
Geschwister
Angaben in%
weiblich männlich
Tab. 3 Wissen über die HPV-Impfung der weiblichen Befragten, die von der HPV-Impfung gehört haben ( % Richtig. Weiß nicht).
Gesamt n = 753
Die HPV-Impfung wirkt am besten, wenn man sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr erhält. richtig 67,0
WN 25,5
Wie viele Spritzen sind für eine vollständige HPV-Impfung erforderlich? (1, 2, 3, 4) richtig 65,0
WN 23,4
Die HPV-Impfung bietet einen 100 %-igen Schutz vor Gebärmutterhalskrebs, richtig 56,1
WN 30,6
Die Vorsorgeuntersuchungen gegen Gebärmutterhalskrebs beim Frauenarzt werden durch die Impfung unnötig. richtig 75,8
WN 22,9
Es ist sicher, dass die HPV-Impfung ein Leben lang wirkt. richtig 35,3
WN 54,2
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
Diskussion
▼
Die niedrige Awareness und der geringe Wissenstand über HPV
im Gegensatz zu der hohen Bekanntheit der Impfung selbst wir-
ken zunächst widersprüchlich, könnten aber durch die sehr ein-
seitige impforientierte Werbestrategie zu erklären sein. Dabei
stand häug die Schlüsselbotschaft, dass die Impfung einen
sicheren Schutz vor Gebärmutterhalskrebs darstellt, im Zentrum
der Informationsvermittlung. Eine Aufklärung der Jugendlichen
über die HPV-Infektion scheint in geringerem Maße stattgefun-
den zu haben und zwar weder in Arztpraxen noch in Schulen, in
denen sexuell übertragbare Erkrankungen Gegenstand des Un-
terrichtes sind bzw. sein sollten. Eine Verwechslung von HPV
mit HIV ist denkbar, da über die Hälfte der Befragten eine
AIDS-Erkrankung infolge einer HPV-Infektion nicht eindeutig
ausschloss. Dieses Ergebnis zeigt einen dringenden Aufklärungs-
bedarf, da geimpfte Jugendliche in der Annahme vor AIDS ge-
schützt zu sein, womöglich auf die Anwendung von Kondomen
verzichten.
Über die HPV-Impfung waren die Schülerinnen deutlich besser
informiert, was wieder ein Hinweis darauf sein könnte, dass die-
se den Schwerpunkt der Wissensvermittlung darstellte und
nicht der verursachende Erreger HPV. Wissensdezite sind je-
doch auch hier erkennbar und betreen wichtige Aspekte wie
den unvollständigen Schutz oder die noch unbekannte Schutz-
dauer der Impfung. Diese Informationen sollten allen Frauen
und Mädchen zugänglich sein, um eine selbstbestimmte Ent-
scheidung für oder gegen die HPV-Impfung treen zu können.
Die niedrige Awareness und der geringe Wissenstand bezüglich
der HPV-Impfung bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund
oder niedriger Bildung könnten auf deren geringeren Kontakt
mit dem Gesundheitssystem zurückzuführen sein. Die Ergebnis-
se des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) zeigten,
dass Kinder mit Migrationshintergrund bzw. niedrigem sozialen
Status seltener an U-Untersuchungen teilnahmen, wodurch der
Zugang zu Informationen erschwert wird [27]. In einer Untersu-
chung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) zur Jugendsexualität gaben Jugendliche mit Migrations-
hintergrund zudem an, sich zu sexuellen Themen weniger auf-
geklärt zu fühlen als diejenigen ohne Migrationshintergrund,
was auf einer geringeren Thematisierung sexueller Fragen in
deren Familien beruht [28]. Wichtig wäre hier wohl die Schule
als Ort der Information über STI zu nutzen und Materialien da-
hingehend zu erweitern, dass die in dieser Untersuchung ermit-
telten Wissensdezite über die Entstehung, die Folgen sowie
Präventionsmöglichkeiten inhaltlich aufgegrien werden.
Die HPV-Infektion, soweit sie bekannt war, tritt in der Wahrneh-
mung vieler Schülerinnen und Schüler vorzugsweise beim weib-
lichen Geschlecht auf. Auch Krankheitsfolgen wurden eher Frau-
en und Mädchen zugeschrieben, während Penis- und Analkrebs
sowie Genitalwarzen seltener als Konsequenz einer HPV-Infekti-
on bekannt waren. Geschlechtsspezische Unterschiede der Be-
kanntheit von HPV und der Impfung könnten mit der ausschließ-
lichen Zulassung für Mädchen und der daran anschließenden
Bewerbung der Impfung zusammenhängen, die über Arztpraxen
bzw. TV-Werbung erfolgte. Die Konzentration auf Mädchen kann
dazu führen, dass – ähnlich wie bei Maßnahmen zur Schwanger-
schaftsverhütung – Verantwortlichkeiten für die Verhütung von
Krankheiten vor allem dem weiblichen Geschlecht zugeschrie-
ben werden. Um dies zu verhindern sollte bei der Diskussion
bezüglich einer adäquaten Präventionsstrategie auch die Frage
der Geschlechtergerechtigkeit eine Rolle spielen. Überdies zeigte
sich, dass Väter nur eine sehr kleine Rolle in der Beratung und
Information spielen und auch hier Potenziale ungenutzt bleiben.
Mit einer Durchimpfungsrate von 30 % lagen die Fuldaer Schüle-
rinnen über der hessischen Rate von 21 % (Stand Oktober 2009).
Jedoch mussten erst ab Mitte 2010 die gesetzlich Krankenversi-
cherten in Hessen nicht mehr für die Impfung in Vorlage treten,
was eine plausible Erklärung für die niedrige Impfrate im bun-
desweiten Vergleich sein könnte. Die geringere Durchimpfungs-
rate bei Schülerinnen mit niedrigem Bildungsstatus bzw. mit
Migrationshintergrund lässt sich mit denselben Gründen erklä-
ren, die schon zu der geringeren Bekanntheit der Impfung bei
diesen Gruppen genannt wurden.
Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung sind konsis-
tent mit den Ergebnissen anderer Studien, die eine ähnlich ge-
ringe oder noch geringere Awareness von HPV (3–44 %) belegten
[8, 10, 11]. In dieser Untersuchung war die Impfung bekannter
als bei früheren Erhebungen. Die Impfung hingegen scheint mit
der Zeit, wahrscheinlich durch mediale und ärztliche Aufklä-
rung, bekannter zu werden. Konsistent mit den meisten Studien
kannten die weiblichen Befragten HPV und die Impfung häuger
als den männlichen [8, 10, 12, 14, 15]. Das Detailwissen über HPV
war auch bei anderen Erhebungen relativ gering [8–11, 26], je-
doch konnten in dieser Untersuchung keine geschlechterspezi-
schen Unterschiede im Gesamtwissen festgestellt werden, wie
es internationale Studien belegen [8, 13, 14, 26].
Folgende Limitationen sollten bei der Interpretation der Studie
berücksichtigt werden: Da keine Zufallsziehung der Stichprobe
möglich war, besteht die Möglichkeit des Auftretens eines Non-
response-Bias. Das Thema der Befragung musste den Eltern
während der Rekrutierungsphase oengelegt werden, was die
Gefahr birgt, dass die Teilnehmenden vorab informiert wurden1.
1 Die Möglichkeit einer Vorabinformation durch den Schulunterricht ist als
sehr gering einzustufen, da die Literaturrecherche ergab, dass der hes-
sische Lehrplan das Thema nicht vorsieht. Dies wurde im Rahmen von
Fokusgruppen, die innerhalb des Projekts mit den Lehrkräften der Schulen
von Fulda Stadt und Landkreis durchgeführt wurden, bestätigt. Sie gaben
an, dass die Infektion mit humanen Papillomaviren im Gesamtkontext der
Lehre zu den sexuell übertragbaren Krankheiten gar keine oder lediglich
eine geringe Rolle spielt.
Fazit
Objektives und umfassendes Wissen über die Entstehung und
Prävention einer HPV-Infektion bildet die Basis für eine infor-
mierte Entscheidung bezüglich der Anwendung vorbeugen-
der Maßnahmen. Ein geeigneter Ort der Wissensvermittlung
wäre der Schulunterricht, um soziodemograsch begründe-
ten gesundheitlichen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Um
eine ächendeckende Aufklärung aller Jugendlichen zu errei-
chen wäre eine Aufnahme des Themas in den Lehrplan oder
zumindest eine Sensibilisierung der Lehrkräfte für das The-
ma vonnöten. Ein weiterer zentraler Zugang zu dem Wissen
über die Infektion mit HPV bildet das Gesundheitssystem.
Der verpichtende Besuch der Jugenduntersuchung J1, bei
dem Jugendliche auch zu diesem Thema aufgeklärt werden,
wäre eine mögliche Strategie, um auch männliche Jugendli-
che bzw. Jugendliche mit niedrigem Bildungsstatus bzw. mit
Migrationshintergrund zu erreichen.
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.
Originalarbeit
Stumm C et al. Kenntnisstand zu Infektionen mit … Gesundheitswesen
Interessenkonikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessen-
konikt besteht.
Literatur
1 Weinstock H, Berman S, Cates W. Sexually transmitted diseases among
American youth: incidence and prevalence. Perspect Sex Reprod
Health 2004; 36: 6–10
2 Iftner T, Eberle S, Iftner A et al. Prevalence of low-risk and high-risk
types of human papillomavirus and other risk factors for HPV infecti-
on in Germany within dierent age groups in women up to 30 years
of age: an epidemiological observational study. J Med Virol 2010; 82:
1928–1939
3 Bosch FX, Manos MM, Munoz N et al. Prevalence of human papillo-
mavirus in cervical cancer: a worldwide perspective. International
biological study on cervical cancer (IBSCC) Study Group. J Natl Cancer
Inst 1995; 87: 796–802
4 Trottier H, Franco EL. The epidemiology of genital human papilloma-
virus infection. Vaccine 2006; 24: S1/4–S1/15
5 Giuliano AR. Human papillomavirus vaccination in males. Gynecol
Oncol 2007; 107: S24–S26
6 Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Impfung
gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jah-
ren – Empfehlung und Begründung. Epidemiologisches Bulletin 2007;
12: 97–103
7 Müller K. Die Aufnahme der HPV-Impfung in die bestehende Impfver-
einbarung zum 1. April 2011 bringt die Chance für höhere Impfraten.
Hessisches Ärzteblatt 2011; 6: 353–356
8 Agius PA, Pitts MK, Smith AM et al. Human papillomavirus and cervical
cancer: Gardasil® vaccination status and knowledge amongst a natio-
nally representative sample of Australian secondary school students.
Vaccine 2010; 28: 4416–4422
9 Chelimo C, Wouldes T. A Human papillomavirus knowledge and awa-
reness among undergraduates in healthcare training in New Zealand.
N Z Med J 2009; 122: 33–45
10 Gottvall M, Larsson M, Höglund AT et al. High HPV vaccine acceptan-
ce despite low awareness among Swedish upper secondary school
students HPV and upper secondary school students. Eur J Contracept
Reprod Health Care 2009; 14: 399–405
11 Höglund AT, Tyden T, Hannerfors AK et al. Knowledge of human papil-
lomavirus and attitudes to vaccination among Swedish high school
students. Int J STD AIDS 2009; 20: 102–107
12 Lenselink CH, Schmeink CE, Melchers WJG et al. Young adults and ac-
ceptance of the human papillomavirus vaccine. Public Health 2008;
122: 1295–1301
13 Blödt S, Holmberg C, Müller-Nordhorn J et al. Human Papillomavirus
awareness, knowledge and vaccine acceptance: a survey among 18–25
year old male and female vocational school students in Berlin, Ger-
many. Eur J Public Health 2012; 22: 808–813
14 Gerend MA, Magloire ZF. Awareness, knowledge, and beliefs about
Human Papillomavirus in a racially diverse sample of young adults. J
Adolesc Health 2008; 42: 237–242
15 Sandfort JR, Pleasant A. Knowledge, attitudes, and informational be-
haviors of college students in regard to the human papillomavirus. J
Am Coll Health 2009; 58: 141–149
16 Benning BR, Lund MR. Patient knowledge about human papillomavirus
and relationship to history of abnormal Papanicolaou test results. J
Low Genit Tract Dis 2007; 11: 29–34
17 Caskey R, Lindau ST, Alexander GC. Knowledge and early adoption of
the HPV vaccine among girls and young women: Results of a national
survey. J Adolesc Health 2009; 45: 453–462
18 Cates JR, Brewer NT, Fazekas KI et al. Racial dierences in HPV
knowledge, HPV vaccine acceptability, and related beliefs among ru-
ral, Southern women. J Rural Health 2009; 25: 93–97
19 Cermak M, Cottrell R, Murnan J. Women’s knowledge of HPV and their
perceptions of physician educational eorts regarding HPV and cervi-
cal cancer. J Community Health 2010; 35: 229–234
20 Di Giuseppe G, Abbate R, Liguori G et al. Human papillomavirus and
vaccination: Knowledge, attitudes, and behavioural intention in ado-
lescents and young women in Italy. Br J Cancer 2008; 99: 225–229
21 Donders GG, Bellen G, Declerq A et al. Change in knowledge of women
about cervix cancer, human papilloma virus (HPV) and HPV vaccina-
tion due to introduction of HPV vaccines. Eur J Obstet Gynecol Reprod
Biol 2009; 145: 93–95
22 Donders GG, Gabrovska M, Bellen G et al. Knowledge of cervix cancer,
human papilloma virus (HPV) and HPV vaccination at the moment
of introduction of the vaccine in women in Belgium. Arch Gynecol
Obstet 2008; 277: 291–298
23 Lenehan JG, Leonard KC, Nandra S et al. Women's knowledge, attitudes,
and intentions concerning Human Papillomavirus vaccination: n-
dings of a waiting room survey of obstetrics-gynaecology outpatients.
J Obstet Gynaecol Can 2008; 30: 489–499
24 McClelland A, Liamputtong P. Knowledge and acceptance of human
papillomavirus vaccination: Perspectives of young Australians living
in Melbourne, Australia. Sex Health 2006; 3: 95–101
25 Roberts ME, Ger rard M, Reimer R et al. Mother-daughter communica-
tion and human papillomavirus vaccine uptake by college students.
Pediatrics 2010; 125: 982–989
26 Walsh CD, Gera A, Shah M et al. Public knowledge and attitudes to-
wards Human Papilloma Virus (HPV) vaccination. BMC Public Health
2008; 8: 368
27 Kamtsiuris P, Bergmann E, Rattay P et al. Inanspruchnahme medizini-
scher Leistungen. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssur-
veys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesund-
heitsschutz 2007; 50: 836–850
28 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Jugendsexualität 2010.
Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und
ihren Eltern – Aktueller Schwerpunkt Migration – 2010
Heruntergeladen von: Hochschul- und Landesbibliothek Fulda. Urheberrechtlich geschützt.