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Der Geschiebesammler 45 2 47 - 60 Wankendorf, Juli 2012
* Adresse der Autors: Dr. Frank RUDOLPH, Wohldtor 12, 24601 Wankendorf. e-mail:
info@geschiebesammler.de. Marco MEYER, Hindenburgstr. 12, 23843 Bad Oldesloe.
e-mail: marco-meyer88@web.de
Faserkalk
mit 20Abbildungen
Frank RUDOLPH & Marco MEYER*
Zusammenfassung: Faserkalk als Strandfund stammt meist aus glazial aufgearbeiteten Sedimenten
des Eozäns (Tarras-Ton). Anstehende Vorkommen kennt man von Südholstein bis Fehmarn. Die
Entstehung, Herkunft und Verbreitung sowie bekannte Farbvarianten werden kurz erläutert.
Zudem werden einige besonders große Faserkalke, darunter eine Platte von 1,20 m Länge, von
der Steilküste in Großenbrode / Wagrien vorgestellt.
Schlüsselworte: Faserkalk, Eozän, Tarras-Ton, Großenbrode, Anstehendes, Geschiebe.
Einleitung
Nahezu jeder Ostseeurlauber und Strandsteinesammler kennt Faserkalk. Er ist gelb-
grün, selten rosa, durchscheinend und hat einen feinen, seidigen Glanz. Vor allem im
verwitterten Zustand erinnert erinnert er an versteinertes Holz. Viele sammeln ihn, um
Schmuckstücke daraus zu fertigen. Faserkalk ist im gesamten norddeutschen
Vereisungsgebiet zu finden, ist besonders häufig in Wagrien und auf Fehmarn.
Namen für Faserkalk
Der wissenschaftlich korrkte Name für Faserkalk lautet Faserkalzit bzw. Fasercalcit.
In Dänemark heißt er Silkespat (= „Seidenspat“) oder Trådkalk (Tråd = Draht, Faden,
Faser). Im Volksmund nennt man ihn Ostseejade, Friesengold oder Holsteiner Bernstein.
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Abb. 1. Abgerollter Faserkalk als typischer Strandfund. Größte Länge 4 cm.
Foto Frank Rudolph.
Abb. 2. Faserkalk, verwittert, typische
Kiesgrubenfunde, Ostholstein. Länge 11,5
cm (links) bzw. 6,5 cm (rechts). Slg. und Foto
Frank Rudolph.
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Abb. 3. Faserkalk, poliert, Kiesgrubenfunde aus Ostholstein. Breite des größten Stückes
oben 11,5 cm. Slg. und Foto Frank Rudolph.
Farben des Faserkalkes
In der Regel ist Faserkalk gelblich - grünlich - grau. Küstenfunde sind häufig
durchscheinend, besonders wenn man sie im feuchten Zustand gegen das Lich hält.
Kiesgrubenfunde sind meist schmutzig gelb bis beigebraun, können dunkelbraun mit
einzelnen schneeweißen Fasern verwittern. Solche Funde sind in der Regel dicht. Die
durchscheinenden Eigenschaften nehmen mit zunehmender Verwitterung ab.
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Abb. 4. Rosa Faserkalk von verschiedenen Fundpunkten der schleswig-holsteinischen
Ostseeküste. Breite des größten Stückes 4 cm. Slg. und Foto Frank Rudolph.
Bei Sammlern begehrt ist die rosafarbene Variante des Faserkalkes. Die Färbung rührt
von geringen Beimengungen von Rhodochrosit, einem Mangancarbonat, her. Rosa
Faserkalk ist an Schleswig-Holsteins Küsten selten, Funde mit einer Kantnlänge von
5 cm sind schon die absolute Ausnahme. Seine Häufigkeit nimmt nach Osten zu.
Besonders auf Moen und Rügen sind die Fundchancen deutlich höher.
Ein dänisches Faltblatt listet folgende Farbvariationen in der Reihenfolge abnehmender
Häufigkeit auf::
Hvidgrå (weißgrau)
Honniggul (honiggelb)
Lysrød (lichtrot)
Flaskegrøn (flaschengrün)
Chokoladebrun (schokoladenbraun)
Ren hvid (rein weiß)
Orange (orange)
Am Limfjord findet man demnach den weißgrauen Typ, in Sydseeland, auf Lolland und
Falster den hellroten.
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Abb. 5. Honiggelber Faserkalk im Durchlicht. Breite 6 cm. Strandfund Ostseeküste
Ostholsteins. Slg. und Foto Frank Rudolph.
Abb. 6. Schokoladenbraun verwitterter Faserkalk. Kiesgrube bei Bordesholm.
max. Breite 6 cm. Leg. Adolf Schenck. Slg. und Foto Frank Rudolph.
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Größe des Faserkalkes
Ein Stück, das Prof WEYL (Kiel) seinem Kollegen Prof. ILLIES zur Verfügung gestellt
hat, stammt vom Kliff bei Schönhagen und mißt 15 cm in der Faserrichtung. Der größte
dänische Fund stammt vom Søderby Klint. Das Stück wurde im Februar 1994 entdeckt
und wiegt 11 kg. Er ist im Grusgravmuseum Davinde zu sehen. In der Kiesgrube
Davinde selbst wurde ein 9 kg schweres Stück gefunden.
Die größte Mächtigkeit im Anstehenden (Havighorst) beträgt 8 cm in Faserrichtung
Abb. 7. Großer Faserkalk von der Steilküste bei Heiligenhafen.
Slg. und Foto Frank Rudolph.
Das Heimatmuseum in Heiligenhafen zeigt seit 2010 einen 12 kg schweren Faserkalk
in seiner Ausstellung. Gefunden wurde der Brocken zwei Jahre zuvor von Dr. Christian
LAFRENZ im benachbarten Großenbrode. An derselben Küste entdeckte der Zweitautor
mit seiner Familie im Dezember 2011 eine Faserkalkplatte von 1,20 m Länge. Der
riesige Fund wurde freigelgt und sorgfältig vermessen. Bei der Bergung zerbrach die
Platte in viele hundert Bruchstücke und wird derzeit vom Zweitautor wieder
zusammengesetzt. Das Gesamtgewicht beträgt rund 40 kg.
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Abb. 8. 12 kg schwerer Faserkalk von Großenbrode. Leg. Dr. Christian Lafrenz. Slg.
Heimatmuseum Heiligenhafen. Foto Frank Rudolph.
Abb. 9. 1,20 m großer Faserkalk am Strand von Großenbrode. Foto Marco Meyer.
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Abb. 10. Detailansicht von Abb. 9. Foto Marco MEYER.
Abb. 11. Detailansicht von Abb. 9. Foto Marco MEYER.
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In Großenbrode streicht an mehreren Stellen untereozäner grüner Tarraston aus, der
von den eiszeitlichen Gletschern aufgestaucht bzw. in den Geschiebemergel eingeschuppt
wurde. So verwundern die vielen Funde von Faserkalk an der Küste von
Heiligenhafen,Großenbrode und Katharinenhof bis Staberhuk auf Fehmarn nicht, ist
doch der Tarraston das "Muttersediment" des Faserkalkes. Die riesige Platte Faserkalk
war von Geschiebemergel überdeckt, liegt aber dem grünen Tarraston auf. Es ist
schwer zu entscheiden, ob es sich also um Anstehendes handelt, oder ob die Gletscher
das Stück zumindest ein klein wenig verschoben haben, so dass es zumindest als
Lokalgeschiebe anzusprechen wäre. Bemerkenswert ist dieser bislang größte Fund
von Faserkalk an der Ostseeküste allemal, zudem noch weitere Faserkalkplatten im
Untergrund der Großenbroder Küste bekannt sind. Leider sind sie nur bei extremem
Flachwasser zugänglich.
Anstehender Faserkalk
"Obwohl meist als Geschiebefunde vorliegend, sind Faserkalke auch bei Tiefbohrungen
in ihrer Mutterschicht angetroffen worden, nämlich in paläozänen Meeressedimenten,
die durch einen hohen Gehalt an vulkanischem Explosionsstaub ausgezeichnet sind"
(WETZEL 1958).
Anstehenden Faserkalk hat man in eozänen Tonen von Havighorst, Schwarzenbek,
Hemmoor, Steinfeld, Kellinghusen-Rensing und Goerz in Wagrien angetroffen. Auch
in den Bohrungen bei Breiholz und bei Cuxhaven wurde Faserkalk gefunden.
Abb. 12. Vorkommen von
anstehendem Faserkalk in
eozänen Tongruben bzw. in
Bohrungen..
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Verbreitung des Faserkalkes
Faserkalk kommt von Nordjütland bis zur Odermündung vor. Er ist besonders häufig
um Ahrensburg und an den Küsten Wagriens und Fehmarns. Damit ist seine Verbreitung
mit dem Vorkommen eozäner Tone im Untergrund korreliert. Das bislang südlichste
Vorkommen liegt in einer Kiesgrube bei Peine zwischen Hannover und Braunschweig.
Die rosa Variante des Faserkalkes findet man häufig auf Møn und auf Rügen.
Über die exakte Verbreitung des Faserkalkes ist nicht allzu viel bekannt. Hier wären
Hinweise aus Sammlerkreisen sehr willkommen. Gibt es Faserkalk auf den deutschen
Nordseeinseln? Wie weit westlich kommt er in Niedersachsen und wie weit östlich in
Mecklenburg-Vorpommern vor? Wie weit reicht seine Verbreitungsgrenze nach
Süden? Und woher stammen die nördlichsten Funde? Bitte für den gelben und den rosa
Faserkalk getrennt beantworten. Meldungen bitte an den Erstautor, gerne per email.
Vulkanasche Einlagerungen
Häufig finden sich dunkle Schlieren bis durchgehende Bänder von Asche bzw. Tuff in
den Faserkalk eingelagert. Im späten Paläozän und frühen Eozän öffnet sich der
Atlantik und Nordamerika und Europa trennen sich. Damit verbunden gibt es ausgedehnten
Vulkanismus von den Hebriden entlang des ozeanischen Rückens nördlich bis in die
Region zwischen Norwegen und Grönland und östlich bis in den Skaggerak hinein. Die
vom Wind weit nach Osten verbreitete Asche lagerte sich in den tonigen Sedimenten
des Eozänmeeres ab.
Abb. 13. Faserkalk mit eingelagerten Tuffschichten. Katharinenhof / Fehmarn. Slg. und Foto
Frank Rudolph.
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Abb. 14. Faserkalk mit eingelagerten Ascheschichten. Stohl (links) und Damsdorf (rechts).
Größte Breite 7,5 cm. Slg. und Foto Frank Rudolph.
Abb. 15. Faserkalk mit eingelagerten Ascheschichten. Katharinenhof / Fehmarn.
Slg. und Foto Frank Rudolph.
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Abb. 16. Faserkalk mit eingelagerten Ascheschichten. Bildbreite etwa 3 cm.
Kiesgrubenfund aus Ostholstein. Slg. und Foto Frank Rudolph.
Entstehung von Faserkalk
Eine frühere Deutung ging davon aus, dass in horizontalen Klüften, also Hohlräumen,
die Calcitfasern von oben wie auch von unten aufeinander zu wuchsen und sich in der
heutigen waagerechten Linie trafen, wo das Wachstum der Kristalle zwangsläufig
endete (SCHMIDT 1911).
Später hat sich gezeigt, dass das Wachstum der Kristalle an der Mittelnaht ihren
Ursprung nimmt: "Besondere Erscheinungen zeigt die Mittelnaht. Zwischen den
einzelnen Aschekörnern liegen im Abstand von ½ bis ¼ mm die Zentren einzelnen radial
oder büschelförmig gewachsener Faserpakete, die sich erst ½ bis 1 mm von der
Mittelnaht entfernt in die parallele Fasertextur einregeln. Nahe der Mittelnaht sind die
Fasern häufig gekrümmt, bleiben aber auch dann streng parallel [...]. Sie beweisen
damit, daß das Wachstum immer von der Mittelnaht ausgegangen ist" (ILLIES 1949).
Auch SCHULZ (2003) bringt die Enstehung des Faserkalkes direkt mit dem Vulkanismus
in Verbindung. Die Calcitfasern (mit einem Querschnitt von 0,005 bis 0,12 mm)
beginnen ihr Wachstum an den Tufflagen. Die Tufflage bildet dabei einen Keimrasen,
an dem die Calcitfasern im 90°-Winkel nach oben und unten wachsen.
Der Faserkalk selbst stammt aus dem Ypresium und hat ein Alter von etwa 48 - 55
Millionen Jahre.
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Abb. 17-20. Angeschliffene Faserkalke. Deutich erkennbar sind die parallelfaserigen
Calcitkristalle, die an der Nahtlinie noch etas "verbogen" sind und sich erst während des
späteren Wachstums exakt ausrichten. Kiesgrubenfunde aus Ostholstein. Bildhöhe oben 3
cm, Mitte und unten je ca. 1 cm. Slg. und Foto Frank Rudolph.
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Literatur
ILLIES, H. (1949): Die Lithogenese des Untereozäns in Nordwestdeutschland. -
Mitteilungen aus dem Geologischen Staatsinstitut in Hamburg, 18: 7-44, 2 Taf.;
Hamburg.
KRAUSE, K. (2007): Einige Notizen zum Faserkalk. - Geschiebesammler, 40 (4): 159-
166, 6 Abb.; Wankendorf.
MENDE, R. (1995): Anmerkungen zum Faserkalk. - Geschiebekunde aktuell, 11 (4):
105-108, 1 Abb.; Hamburg.
MEYN, L. (1863): Faserkalkgeschiebe. - Itzehoer Nachrichten, 88; Itzehoe.
NEUWALD, H.K. (2007): Pseudofossil Faserkalk - Fossilien, 24 (6): 327, 2 Abb.;
Wiebelsheim.
RUDOLPH, F. (2012): Strandsteine. Sammeln & Bestimmen von Steinen an der
Ostseeküste. 11. Auflage. - 160 S., 288 Farb-Abb., Neumünster (Wachholtz).
SCHMIDT, R. (1911): Beschaffenheit und Entstehung parallelfasiger Aggregate von
Steinsalz und Gips. Dissertation, CAU zu Kiel
SCHULZ, W. (2003): Geologischer Führer für den norddeutschen Geschiebesammler.
- cw Verlagsgruppe, Schwerin
WETZEL, W. (1925): Die Mineralien Schleswig-Holsteins. - Nordelbingen, 4
WETZEL, W. (1927): Faserkalk in Schleswig-Holstein und England. - Schr. Naturwiss.
Ver. S.-H., 18 (1): 1-24, 1 Abb., 1 Kt.; Kiel.
WETZEL, W. (1958): Mineralien in Schleswig-Holstein. - 72 S:, 10 Abb., 2 Farb-Taf.;
Kiel (Ferdinand Hirt Verlag).