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Zur Bedeutung jugendkultureller/ alltagsästhetischer Prozesse für die Verhaltensauffälligenpädagogik

Authors:

Abstract

Ziel des Beitrags ist herauszuarbeiten, dass sich in den jugendkulturellen, alltagsästhetischen, mitunter subkulturellen Manifestationen verhaltensauffälliger Jugendlicher nicht nur Daseinsthemen und Lebensprobleme widerspiegeln, sondern auch Ressourcen, Potentiale und Anknüpfungspunkte für deren Bewältigung. Das Modell der Lebensweltorientierten Didaktik versucht, diesen Zusammenhang für den Bereich des Pädagogischen fruchtbar zu machen. Die Analysen der alltagsäthetischen Prozesse im Umgang mit Musik, Computern, Szenezeitschriften, Videos usw., speziell auch die Analyse der bildhaften Produktionen der verhaltensauffälligen Heranwachsenden, legen die tieferen Sinnschichten `störender´ oder `auffälliger´ Verhaltensweisen frei. Lebensweltorientierte Didaktik beginnt mit dem Anbieten handlungsbezogener, bildhaft-symbolischer Auseinandersetzungsmöglichkeiten mit den manifest werdenden Lebenskonflikten. Voraussetzung ist die Öffnung des Unterrichts für die subkulturellen Inhalte und Praktiken der Jugendlichen. Häufig bieten sich kunst- bzw. getaltungstherapeutische Verzweigungen und Vertiefungen an. Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den Lebensproblemen werden Fortführungen/Weiterführungen im Sinne sachbezogener Lernprozesse und zugleich eine Anbindung an die allgemeinpädagogischen Bildungsprozesse möglich.
BEITRAGE
Joachim Bröcher
Zur Bedeutung jugendkultureller/alltagsästhetischer
Prozesse für die Verhaltensauffälligenpädagogikl
Zusammenfassung: Ziel des Beitrags ist herauszuarbeiten, dass sich in den jugend-
kulturellen, alltagsästhetischen, mitunter subkulturellen Manifestationen verhal-
tensauffälliger Jugendlicher nicht nur Daseinsthemen und Lebensprobleme wider-
spiegeln, sondern auch Ressourcen, Potqntiale und Anknüpfungspunkte für deren
Bewältigung. Das Modell der Lebensweltorientierten Didaktik versucht, diesen
Zusammenhang für den Bereich des Pädagogischen fruchtbar zu machen. Die Ana-
lysen der alltagsästhetischen Prozesse im Umgang mit Musik, Computern, Szene-
zeitschriften, Videos usw., speziell auch die Analyse der bildhaften Produktionen
der verhaltensauffälligen Heranwachsenden. legen die tieferen Sinnschichten stö-
render oder auffälliger Verhaltensweisen frei. Lebensweltorientierte Didaktik be-
ginnt mit dem Anbieten handlungsbezogener, bildhaft-symbolischer Auseinander-
setzungsmöglichkeiten mit den manifest werdenden Lebenskonflikten. Vorausset-
zung ist die Offnung des Unterrichts für die subkulturellen Inhalte und Praktiken
der Jugendlichen. Häufig bieten sich kunst- bzw. gestaltungstherapeutische Ver-
zweigungen und Vertiefungen an. Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den
Lebensproblemen werden Fortführungen/Weiterführungen im Sinne sachbezogener
Lernprozesse und zugleich eine Anbindung an die allgemeinpädagogischen Bil-
dungsprozesse möglich.
1. Einleitung
Meine inzwischen zehnjährigen schulpraktischen Erfahrungen liegen vor al-
lem im Schnittfeld von Verhaltensauffälligenpädagogik und Heilpädagogischer
Kunsterziehung bzw. Pädagogischer Kunsttherapie. An der Uberschneidungs-
fläche dieser beiden Wissenschaftsgebiete habe ich meine Unterrichtserfahrungen
reflektiert und zu Papier gebracht. Im Zentrum meiner Arbeit steht die Analyse
der Lebenswelt verhaltensauffälliger Heranwachsender über ihre Bildgestal-
tungen und ihre alltagsästhetischen Manifestationen (vgl. Bröcher 1993, 1994,
1997, 1999). Alltagsästhetik, ein von Schulze (1992) übernommener Begriff, be-
zieht sich dabei auf sämtliche kulturellen Tätigkeiten, die von den einzelnen als
schön, interessant oder relevant erlebt werden. Aus dem Spektrum möglicher
Themen möchte ich einige Aspekte der Lebenssituation und der subkulturellen
Orientierungen massiv verhaltensauffälliger Jugendlicher herausgreifen und von
vHN 68 (1999) 2, t t6-129
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hier aus eine Skizze fu: i
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vHN 68 (t999) 2. 1 16- 1:
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derfallen der sozialen Gruppen, der Zerfall der städtischen Gesellschaft (Touraine
1996) hat zu einer Abtrennung von Armutsgebieten, zum Niedergang der Vor-
städte geführt, in denen sich die Globalisierungsverlierer sammeln, in denen sich
die ethnischen Konflikte häufen, in denen die Gewaltexzesse ihren Nährboden
finden. Es fehlen Berufschancen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Anerken-
nung. Die bedrohte Identität vieler Jugendlicher wird dann häufig über primäre
ethnische oder nationale Gemeinschaften abgesichert und stabilisiert. Speziell
Heitmeyer et al. (1992) haben die sozialen, Streek-Fischer (1992, 1994) die psy-
chischen Hintergründe des Rechtsradikalismus bei Jugendlichen untersucht. In
den französischen Vorstädten, den banlieues, bilden sich sogenannte «points
chauds», d.h. rechtlose Gebiete, die man besser nicht betritt, Schlafstädte, in de-
nen es häufig weder Arbeitsplätze noch eine funktionierende Infrastruktur gibt. Es
handelt sich um städtische Zonen, in denen sich die Sozialwohnungen häufen,
Armutsinseln, in denen sich Menschen der untersten Einkommensschichten sam-
meln, Gebiete, in denen eigene Gesetze trprrschen. Gleichgültig, ob es sich um die
Nouvelles Villes vor den Toren von Paris handelt, oder um Köln-Chorweiler, Lon-
don-East End oder Brixton, New York Brooklyn, Haarlem, die South Bronx, Nea-
pel-Secondigliano oder schlimmer noch die Armensiedlungen Lateinamerikas und
Asiens: Der Mechanismus ist immer derselbe. Elias (1965) spricht von <<Etablier-
ten und Aussenseitern>>, Luhmann (1997) von «Einschluss und Ausschluss» , Heit-
meyer (1997 a, b) von <<Integration und Desintegration>>, Honneth (1990) von der
<<zerrissenen Welt des Sozialen». Soziale Strukturprobleme äussern sich als indi-
viduelle Pathologien und Auffälligkeiten. Sie werden daher zu «Pathologien des
Sozialen» ( Honneth 1994).
3. Sich aus den Milieus heraus entwickelnde, zum Teil durch die Medien
überformte, ästhetisch-kulturelle Tätigkeiten als Oberflächen,
unter denen sich ungelöste Lebensprobleme verbergen und in denen sich
Bewältigungsressourcen zeigen
Die Jugend in den sozial desintegrierten Milieus organisiert sich in Form spe-
zifischer, ästhetisch-kultureller Tätigkeiten und jugendkultureller Stile, die z.T.
durch die Massenmedien und die Kulturindustrie überformt werden. Hinter den
<<selbstorganisierenden>> subkulturellen Identifikationen (vgl. Schwendter 1973
bzw. 1993, 196 ff.), die ja ständigen Wandlungen unterliegen und die sich eher
fragmenthaft bzw. wechselhaft vollziehen, stossen wir auf Phänomene wie die
inzestnahe Verstrickung des Sohnes mit der alleinerziehenden Mutter oder die
tiefgehende Verletzung eines Jugendlichen, dessen Vater den Sohn nie kennen-
lernen wollte. Ethnische oder geschlechtliche Identitätsprobleme werden oft
genug mit Hilfe von Gewaltphantasien oder eines hochaggressiven Auftretens
überspielt. Das gesamte Spektrum an Bewältigungsstrategien lässt sich anhand
des Gebrauchs der verschiedenen jugendkulturellen Stile und Szenen, die als
zu entschlüsselnde Symbolsysteme, als psychosoziale Texte aufgefasst werden
können, belegen.
118 vHN 68 (1999) 2, tt6-t29
Schema
- passiver Konsur::. R
- Abreagieren vor .i.-
- Kompensation
- Identifikation
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(Schulze 1993 '
- Entgrenzun,e. In:.:-.
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- Destruktion. L':-,:=.
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Video- und Comput::.
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Die Chaostage tolge:
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sich häufig inleger ::-
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<<Jugendzimmer'.. -\:.
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wart, Arbeitslosi Sk:::-
punkte, Ieugnen de: Fi
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Vieles Beoba.'h::.:
nennt: Pausenlose S:-::
suchen. Riskante S;:-
(vgl. Wen:el 199- . r::
vieler J ugendliche:',-.".
geht es um eine Int::...
VHN 68 (1999r l. I .:-
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Konrpcnsation
ldcntil'il'ltion
Stinrulation. Suchc
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Elrtcre Ilrr.lr'r-9. Intcnsir icrLrns ll'lcktir er'/kiirperlicher Erlcbniszr.lstiindc
aktir r' Arrcignuns \ ot1 N'lcrlicn untl ntcrlialcn Tertcn
Konst rutktiort sozialcr- Evcnts. Konrnrunikation. Ptirl izipation
Sl nrhol i s i cru n g. Erl'uhru ngsr cnrrhc i tLrng. Kolt l'l i ktkl liru ng
Blicollrgc. Konrhinution. SvrrrbolltlodrrkIion
DcstrLrk1 ion. LInrgcstaltLrng. Ncuschiiplirnu
Riickzug. Vet einsanruirg. Dcsorientiertrng Lntd l)cprL'ssion kiinncn sich int
Gebrairch von Drogcn oclel inr [)aLrcrkonsLrr]r \'on N'lLrsik. Vicle«r-Clips. Filnren.
Viclco- unc[ ConrpLrtersl]iclcn u idcls;licueln. Doch nicht inrner u ird ausschliess-
lich vor cler Rcalitlit gcl'liichtct unrl lionrpcnsielt. L.lnt in Kanrpl'sl.liclc..iLrntlt- ancl
l'tllt-. Action- ocler Atrenteucr-Spiele lrbrLltaLrcilcn. nrtisscn aLrch Technik Lrnd So1't-
\\'are anseeignet. sllczifische Flihigl(citcn irul'{etraut uer.clcn. Prolcst uncl Rcgcl-
vcrlctzLuts gelri)rert seil clcn 60cl Jahrcn zr-rnr ltstcn lnvcntar clcr'.lLrgenclkulturcn.
N{itn clettke an Rocl( «rtlcr PLrnk. üihcr.ll,t svrntrolisclre Auslgicrcrr von A-u9res-
sioncrt hirtaLrs gehcn.jr-'cloch clie Ger.r'allcxzcssc dcr Rechten. clcl Hooligans. rlas
.Pcr.tncr. Spastis oclcl l'iirkcn Klatschen". clie Stl'asselrschlachten util clcr Polizci.
Die Chaostngc fol-rcn licinenr nachvollzichbarcn Prosranrn'r. sie sincl ein blindes
Abrcagic'rclt \'on Enttiiuschung Lrncl Wr.rt. Ilinc bcsonclerc Rollc slticlen hier dic
sich hiiul'ig intcgcr ptiscntierendc-n rcchtc'n.lugencllichen. clic'sich rnit cincr nu-
tionalsozialistisch get'iilbtcn Alltagslisthetik Lrnr-{t-bcn. Die Geu,altbereitschal't
kotnn'tt nicht inrnrcr sr(ile'ncl clalrcr. ol't ist sie subtiler orlel fLrngicrt als blosser
Stil. dcr aticlcles iibercleckcn soll. Dies clokurrcnticrt bcispiclsvucise rler I-ilru
"Keitt Lrtnrl in Sicht" (Laitrvtbct'l9fi2l..lLrgeltclliche ltriisenticrcn sich in einent
,..luscnclzinrnrer». Au tlcn Wlinclen befinclct siclr nutionulsoziulistisch gcflirbtcs
Bilclntatcrial ri ic Irahncn. Ftihrcr'portli.tit. Aufnahntcrt votr Solclaten Lrsu,'. Die int
Stilclel Hitlc'r'juucncl sckleicleterr Jun-9cn beklasen clie soziale Miscrc clcr Gegcn-
wart. Arbcitslosigkeit. Chanccnlosigkeit unrl liusscrn auslrinclcrltinclliche Stancl-
ptrttl'te. leLrgttcn clen HolocaLrst. clcl'inieren clennoch clie Juclen als ntinclerr.r,eltige
Rasse trsu,.
Vicle s Beobuchtbale cntspricht clenr. u'as Sr'/irr1:c clas .SpannLlnqsschenra»
rtr:rlrt: Pauscnlosc Stinrulation. inrrlcr ctwlrs NcuL's crle bcn. inrnrer stiilkere Rcize
suchen. RisklLnte Sprtingc nrit clenl Skatcboarcl LiL-lcl Trcppen Lrncl NIaLrern Itirtu,eg
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r ielcr.lugertcllichcr nach EnlgrcnrLlug. Bci "Tckkno-Parlies" uncl .Rave Events"
-seht cs uur cinc Intcnsir ierung al'l'clitiver uncl k0rperlichc'r'ErlcbniszLrstiinrlc. S;lc-
VII\ 6S ( l()()() ) l. I l() I l,) l19
passir t-r Konsunr. Itticku Lrg (NIctlicn. Musik
Abrcagicrcn von Allcklcn (sr ntlrolisch ode-r' ctc. irl\ Drogcn)
h lnclg rr. i l'l ic h I
i rlnrcr stilrlicrcn Rci zcn. . Splnntrngsschcr.rlr "
ziell Musik wird zur Konstruktion sozialer Events benutzt, man denke en die
<<Love parades>>, an <<Rave culture.. Die aktive Produktion subkultureller \lusik
ermöglicht ein Abreagieren von Aftekten und im günstigsten Falle eine \usein-
andersetzung mit den Lebensproblemen der Heranwachsenden, eine Art Kon-
fl iktklärung und Selbstidentifi kation.
In der im Vergleich zur Punk-Musik jüngeren HipHop-Musik kommen die Le-
benserfahrungen der afro-amerikanischen und afro-karibischen Jugend aus den
amerikanischen Grossstädten zum Ausdru.-k. Die Jugendlichen organisieren sich
in Form einer gang.Im Zentrum der \lusik. der Song-Texte, des Graffiti-Writin-s.
des Breakdance, des Si-eniff in-e. u omit subtrle. polemische.Sprachspiele gemeint
sind, dominiert die Metapher des Lebens int Ghetto. des Uberlebens im Gross-
stadtdschungel. Die Erfahrun_een der \ Iarginali si erung. der beschnittenen Lebens-
chancen werden in den symbolischen \lanitestationen thematisiert und entschärft.
Zumindest für den Bereich der Subkultur uerden Kommunikations- und Partizi-
pationsmöglichkeiten geschaffen. Die §lmbolik des HipHop kann schliesslich
von anderen benachteiligten Gruppen an anderen Onen durch die massenmediale
Verbreitung aufgegriffen und instrumentalisiert u'erden (r sl. Rose l99l). Im An-
schluss an Levi-Straass (1968) wird die fortwährende \eukombination, Bear-
beitung und Weiterentwicklung von jugendkulturellen Stilen und Stilelementen
als Bricolage bezeichnet. Wir haben es mit einer Vielzahl an Stilan-seboten und
Szenen zu tun, mit cross cultural mix und fortwährender S1'mbolproduktion:
Pop, Punk, HipHop, Rap, Ska, Techno, House, Acid House. Rechtsrock. Heavy
Metal, Gangsta Rap auf dem Gebiet der Musik. Daneben verzwei-een sich die
Stile und Szenen in die Welt des Sports, man denke an Fussball-Fantum, an die
Hooligans, die Catcher und Kickboxer, an Streetball, an Skating, Inlineskating
oder S-Bahn-Surfen (vgl. die verschiedenen Beiträge im Kursbuch Jugendkul-
tur 1997). Schliesslich die Verzweigungen in die vor-politischen Szenen der
Skin Heads oder der jugendlichen Gefolgschaften rechter Agitatoren. Die sozial
benachteiligte Jugend der französischen Vorstädte erfindet ihr eigenes Franzö-
sisch, <<adolang>> oder «verlan>> genannt, durch Destruktion, Umgestaltung und
Neuschöpfung (vgl. Gsteiger 1996). Es handelt sich um ein neu codiertes und
hermetisches Sprachsystem, das durch die Umkehrung, züm Teil auch durch
die Verstümmelung von Wörtern durch das Kappen von Anfangs- und End-
silben, durch Eingriffe und Umstellungen in der Syntax zustandekommt. <<Cafe>>
wird zu <<feca>>, <<mec>> wird zu <.keum>>. Speziell durch die Jugendlichen alge-
rischer Abstammung werden Anleihen im Arabischen gemacht (ebd.). Die Er-
fahrung der sozialen Ausgrenzung führt ntr Abgrenzung nach innen, aber auch
zu neuen subkulturellen Ausdrucksformen, die der Identifikation dienen. Wenn
alle Möglichkeiten der gesellschaftlichen Anerkennung und Teilhabe zusam-
menbrechen, bleibt als letztes die subkulturelle Identifikation und sei es in einer
gang, in der man sich auf bestimmte Idole, Musikstile, Outfits und Sprechwei-
sen bezieht. Auf diese grundlegende Ebene gilt es zurückzugehen. Von hier aus
gilt es, das Denken über die zu leistenden pädagogischen Anstrengungen zu be-
ginnen.
t20 vHN 68 (1999) 2, tt6-r29
4. Psychisches und G
Prozesse als Einstie
mit verhaltensaufü
Öffnet man den L-:-:
zesse, entfaltet >i,^i- ::
Lärm, das Streiien. :.
zieren. Auf der B...-
( I 985) herzuleiren;::.
chermassen die inc:-. ::
beziehungen im .\u:: :
bezogene Grenzen .:..
werden. Im Untern-:.:
ästhetische Episode:.
Kleidung und Ae ce.r. .
der Konstruktion c:;';
zunehmend sr mboi:-:
Lebensthematik he:"-.
kämpfenden JusenJl::
jewei lige ästheti:ch- r.- :
von ihren Interessen. \\
1968), zu äussern u:;
Die zunächst erkunü.:
Abbildung I
vHN 68 (1999) 2. I l6-1:
(
4. Psychisches und Gesellschaftliches transportierende ästhetisch-kulturelle
Prozesse als Einstiege in die didaktische und (kunst-)therapeutische Arbeit
mit verhaltensauffälligen Jugendlichen
ÖtTnet man clen Unterricht für die jLrgendkulturellen Inhalte, Medien uncl pro-
zesse, entfältet sich eine ontlere pädagogische Wirklichkeit. Der sonst übliche
Lärrn, das Streiten, das Zersetzen diclaktischer Absichten beginnt sich zu redu-
zieren. Auf der Basis eines von Kunt (1785 bzw. 1968, Bd. 6,63) bis KlaJki
(198-5) herzuleitenden kritischen, ernanzipatorischen Bildungsbegriffes, der glei-
chermassen die individuelle Entfaltung des einzelnen wie auch positive Soliat-
beziehungen im Auge hat, muss ein clurch thematische Offenheit und verhaltens-
bezogene Grenzen charakterisierter didaktiscl-rer Handh,rngsrahmen geschaff'en
werden. Im Unterricht Lrnd an seinen Rändern lassen sich zunächsi ,,alltags-
ä.sthetische Episoden» (Sc'hul«)im umgang rnit vicleos, MLrsik, Zeitschrifiän,
Kleidung und Accessoires beobachten, die Richtungen aufzeigen, in die wir mit
der Konstruktion didaktischer Einheiten gehen können. Es kristallisieren sich
zunehmend symbolische Selbstdarstellungen uncl Aussagen zur individuellen
Lebensthemaük heraus. Die meist um ihä Autonomie und selbrtachtung hart
kärnpl-enden Jugendlichen werden ermutigt, durch die Bezugnahme ,ui ih.e
jeweilige ästhetisch-subkLrlturelle Praxis, arif indirekte. symboliiche Weise etwas
von ihren Interessen. Wünschen. Angsten. eben ihren «Daseinsthe men>> (Thgrncre
1968), zu äussern und einer pädagogischen Bearbeitung zugänglich zu machen.
Die zunächst erkundenden didaktischen Aktivitäten eüblg;n -in Form fächer-
Abbilclung I
vHN 68 (t999) 2. I t6-129
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Abbildung 3
Die kunsttherapeutische Vertiefung folgt allerdings eigenen Gesetzen. Kommt
überhaupt so etwas wie ein therapeutisch wirksamer prozess zustande, dann fügt
er sich unregelmässig und fragmenthaft aus situativ entstehenden Interaktionen
und Erfahrungen zusammen. um den bildhaften Ausdruck zu fördern, ist man gut
beraten, Hilfsminel anzubieten: Zufallsverfahren, einklebbare und zu verändein-
de Bildteile, das Projizieren von aus der Kunst entlehnten Figurationen mit einem
vHN 68 (1999\2. tt6-129 t23
Abbildung 4
Overheadprojektor, die wiederum ergänzt und umgestaltet werden können. Ab-
bildung 4, die Arbeit eines l4jährigen Schülers, zeigt einen Ausschnitt aus der
Szene der Skater und der Grffiti-Sprayer. Abbildung 5 reproduziert eine Grup-
penarbeit, die sich um die Szenen der Rapper und der Punker dreht. Es wurden
Bildteile aus Zeitschriften und Magazinen kopiert, aufgeklebt, wieder abgerissen,
übermalt, übersprüht. Die sich übereinander lagernden Bildausschnitte reflektie-
ren die szenetypischen Gesten, Verhaltensmuster und Rituale. Ein Unterricht, der
für die kulturelle Praxis der Schülerinnen und Schüler offen ist, begünstigt immer
auch die Entstehung spontaner erotischer Bildnereien. Das generative Thema der
Sexualität hat einen zentralen Platz im Katalog der Entwicklungsaufgaben und
durchzieht viele jugendkulturelle Phänomene offen oder verdeckt. Gefragt sind
dem Lebensgefühl und den ästhetischkulturellen Orientierungen der Jugendlichen
angepasste Zugänge zu diesem immer noch schwierigen Gelände. Wir benötigen
geeignete Medien wie z.B. den von Möller (1987) produzierten Film «Sex - Eine
Gebrauchsanweisung für Jugendliche».
Die schülerorientierten Herangehensweisen werden schliesslich im Sinne der
kritisch-konstruktiven Didaktik Klaftis (1985), in die sich die Lebensweltorien-
tierte Didaktik (Bröcher 1991) als Subsystem einfügt, zunehmend in wissen-
schaftsorientierte Aktivitäten überführt. Damit ist gemeint: Fragen zu stellen, In-
formationen zu beschaffen, den eigenen lebensweltlichen Erfahrungen Erkennt-
nisse abzugewinnen und sich darüber hinausgehend mit den Schlüsselproblemen
der Gegenwart auseinandersetzen zu lernen. Die schülerorientierten und die the-
rapeutischen Aktivitäten führen zurück zu den allgemeinen didaktischen Prozes-
sen - hier die Fächer Kunst, Deutsch, Englisch, Politik, Musik miteinander ver-
vHN 68 (1999)2,116-129
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124
Abbildung 5
netzend -, Aktivitäten, die jedoch bei verhaltensauffälligen Jugendlichen nie ganz
von ihrer Lebenswelt abgekoppelt werden dürfen.
5, Zar instrumentellen Funktion ästhetisch-kultureller Prozesse
im Kontext der Verhaltensauffälligenpädagogik als einer kritischen
Sozialwissenschaft
Der Rückgriff auf das symbolisch-bildhafte und alltagsästhetisch orientierte
Methodenrepertoire qualitativer Sozialforschung (vgl. Flick, v. Kardoff et al.
l99l; darin speziell die Beiträge von Hitzler/Honer, v. Woffirsdof-Ehlert und
Girtler) ermöglicht die Analyse marginalisierter gesellschaftlicher Zonen, in de-
vHN 68 (1999)2, tt6-129 t25
nen sich sozusagen als letzter Rettungsanker bestimmte subkulturelle Stile und
Szenen herausbilden, die als kommunikative Oberflächen fungieren sowie der
«Identitätsbildung» (Erikson 1959) und der Verarbeitung von Lebensproblemen
dienen. Der alltagsästhetisch-subkulturelle Bereich lässt sich auch dort mit didak-
tischer Absicht instrumentalisieren, wo in der Arbeit mit schwer traumatisierten,
zu «dissozialem Verhalten, (Rauchfleisch l98l) neigenden Jugendlichen kaum
noch etwas anderes möglich erscheint. Doch sind wir es den sozial desintegrier-
ten Zielgrtppen schuldig, die Gesellschaft als Nährboden ihrer Entstehung mit
sich selbst zu konfrontieren, statt uns den Institutionen in affirmativer Weise als
Reparaturbetrieb anzudienen. Die Konzentration auf die in den Lebenswelten ver-
anterten Ausdrucks- und Symbolsysteme der Jugendlichen zielt auf die Freile-
gung noch oder wieder vorhandener Ressourcen, Bewältigungsreserven, Lebens-
änergien, auf die Stabilisierung und Erweiterung der sozialen Netze, auf die För-
derung von Kommunikation und Partizipation, oft genug auf blosses Leben und
Überleben. Ich begab mich als forsclender Lehrer ins Feld und lernte das sub-
kulturelle ABC meiner Schülerinnen und Schüler. Die sich auf dieser Basis ent-
wickelnden pädagogischen Beziehungen ermöglichten es mit der Zeit, zu den
eigentlichen Bildungsaufgaben von Schule überzuleiten. Das Denken von Sub-
kulturen und ihren symbolischen Ausdrucks- und Kommunikationssystemen her
war und ist bisher kein explizites Thema der deutschen akademischen Verhal-
tensauffälligenpädagogik, gemessen an den wissenschaftlichen Publikationen
und Kongressbeiträgen. Eventuell gibt es Berührungsängste mit den weniger
schönen Milieus? Die durch lben (1971, 1987, 1995) vorgenommene «Rand-
gruppenforschung>>, die durch Eberwein (1987, 1997) propagierte <<qualitativ-
ethnographische>> Methodologie oder der von Theunissen (1992) postulierte
«systemökologische Ansatz» sind hier allerdings mögliche Bezugspunkte. Vieles
von dem, was in der akademischen Verhaltensauffälligenpädagogik fehlt, fin-
det sich in anderen, benachbarten Wissenschaftsgebieten. Diesbezügliche Vor-
läufer waren die Cultural Studies der Birminghamer Schule, die ausserschu-
lische Jugendkulturarbeit, die kritische Jugendforschung (Baacke 1983, u.a.),
die Medienforschung oder Hartwrss (1980) Untersuchung zu den schichtspe-
zifisch geprägten jugendkulturellen Orientierungen, die als Orte der Erfah-
rungsverarbeitung ausgemacht werden. Das ethnographisch-soziologisch moti-
vierte Entziffern von Symbolsystemen zum Verständnis spezifischer Teil- oder
Subkulturen sowie der darin eingelagerten Verhaltensweisen, Lebensprobleme
usw. fand in meinem Falle seinen Ort auf dem Gebiet der Heilpädagogischen
Kunsterziehung/Kunsttherapie, einem akademischen Gelände, auf dem es in-
zwischen um mehr geht als um die Förderung der ästhetischen Kommunika-
tionsfähigkeit und die Stabilisierung von in ihrer Entwicklung behinderter
Persönlichkeiten mittels ästhetischer Verfahren und Materialien. Es geht letztlich
darum, die sozialen Mechanismen und den Menschen selbst in seinen ästhetisch-
kulturellen, symbolisch-bildhaften Hervorbringungen zu erkennen. wie zuletzt
Richter (1997) in seiner Analyse von <<Leidensbildern» gezei-et hat. Es gibt in
der Tat offene Wissenschaftssysteme, deren Strukturen darauf vorbereitet sind,
die aus den gesellschaftlichen Realitäten resultierenden Problemstellungen auf-
126 vHN 68 ( 1999) 2. t16-129
zunehmen und zugleich
erweitern.
Anmerkung:
I Bei dem Text handelt t
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Chapter
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Karl-Josef Kluge, Universität zu Köln, gehört zu der Generation von Professoren (es waren in erster Linie Männer), die, seit Ende der 1960er Jahre, das akademische Fach der Pädagogik der emotionalen und sozialen Entwicklung überhaupt erst etabliert und begründet haben. Der Beitrag dokumentiert Kluges bedeutsamste Handlungsfelder, von der Hochschulpädagogik, über die Weiterbildung auf Gebieten wie Kommunikation, Beratung, Supervision usw. und über die Familienberatung, bis hin zu internationalen pädagogischen Aktivitäten, unter Einarbeitung von umfangreichem Bildmaterial. Das Kapitel zeigt auf, dass Kluge mit seinen Projekten und Gründungen seiner Zeit stets voraus war, etwa im deutsch-polnischen pädagogischen Austausch während der Zeit des Kalten Krieges, im Aufspannen von inklusiven europäischen Lernräumen, schon seit den frühen 1970er Jahren, als sonst noch niemand über Inklusion sprach, und als noch gar keine etablierten akademischen Austauschstrukturen, wie wir sie heute kennen, existierten, und schon gar nicht zwischen dem sog. "Ostblock" und dem Westen, sodann im Gründen von internationalen pädagogischen, zunächst sehr stark amerikanisch geprägten, Sommercamps für Kinder und Jugendliche mit hoher Intelligenz, Kreativität usw., ab 1985, als das Thema politisch und gesellschaftlich in Deutschland noch vollständig tabu war, während in den USA aktiv und produktiv in dem Feld gearbeitet wurde. Also holte er das Wissen aus Michigan, Connecticut usw. Bei fast allen diesen Projekten arbeitete Karl-Josef Kluge eng mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Jaczewski, Universität Warschau, zusammen, teils auch mit dem Warschauer Kultur- und Jugendpalast. Über die Jahrzehnte hinweg setzte Kluge schon früh Maßstäbe, wenn es um De-Etikettierung, De-Kategorisierung und De-Psychologisierung der Sonderpädagogik ging. Ihn interessierten niemals enge, rigide Abgrenzungen zwischen sog. sonderpädagogischen Förderschwerpunkten. An den begabungspädagogischen und inklusiven Camps nahmen etwa auch blinde Jugendliche, oder solche mit körperlicher Beeinträchtigung oder mentalen Besonderheiten teil, und sie kamen überdies noch aus Frankreich, Ungarn, Polen usw. Für die Kölner Studierenden war das ein breit aufgespanntes Lernfeld, denn die Projekte dienten ja zugleich der universitären Bildung der Studierenden der Sonderpädagogik. Kluge sah und sieht den Menschen an sich, auch hier war er immer schon weiter, lange bevor kritische Diskurse zu diesen Themen im Wissenschaftsbetrieb einsetzten. Selbst in diese kritischen wissenschaftstheoretischen Diskurse einzugreifen oder diese gar zu befördern ist Kluges Sache aber nicht. Er sieht seinen Auftrag mehr im praktischen Umsetzen und Anwenden, im handelnden Entwerfen einer anderen und besseren Pädagogik und zugleich Gesellschaft, in der jeder/jede Einzelne mit seinem/ihrem inneren Erleben zählt. Im Zentrum seiner pädagogischen Philosophie stehen denn auch angewandte, gelebte und wirklich erfahrbare humane Werte, die er unter anderem, wie auch Andrzej Jaczewski, aus dem Pfadfinderwesen ableitete. Ihm war und ist es nicht um statistische Daten zu tun, nicht um diagnostische Tests, nicht um Handlungsmodelle, woher diese auch kommen mögen. Ihm ging und geht es nicht um Diskurse oder Theorien und schon gar nicht um Ideologien. Kluge ist ein Gründer, ein Entrepreneur, ein Vordenker, ein Mann der stets mit pädagogischer Leidenschaft Lernräume aufgespannt hat und dies bis in die Gegenwart des Jahres 2022 tut, d. h. internationale und inklusive Lernräume, schöpferische und entschleunigte Lernräume, wo Zeit ist genau hinzuhören, was die Menschen tatsächlich bewegt. "The person first", hat Kluge seinen wichtigsten Grundsatz einmal auf den Punkt gebracht, to put it in a nutshell: "The person first".
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Theoretisch basiert die seit den 1990er Jahren von Joachim Bröcher entwickelte Lebensweltorientierte Didaktik auf der—am Bildungsideal der Freiheit, der Emanzipation, der Selbst– und Mitbestimmung und der Solidaritätsfähigkeit des Einzelnen ausgerichteten—kritisch-konstruktiven Erziehungs– und Bildungswissenschaft, wie sie von Wolfgang Klafki (1927-2016), von 1963 bis 1992 Professor an der Philipps-Universität in Marburg, seit 1985 ausgearbeitet worden ist. Die Lebensweltorientierte Didaktik versteht sich nicht nur als pädagogisches Handlungsmodell, sondern will selbst auch Beiträge zur Forschung leisten, indem sie die „zerrissene Welt des Sozialen“ (Axel Honneth) mit der Absicht einer positiven Veränderung ausleuchtet (qualitativ, gesellschaftskritisch). Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen werden ihre Lebenswelten (vgl. die Konzeptualisierung der Lebenswelt bei Schütz und Luckmann, im Anschluss an Husserl) und die hierin liegenden Daseins– und Lebensthemen (im Sinne von Hans Thomae) sowie die eingesetzten Daseinstechniken bzw. Auseinandersetzungsstrategien (Thomae) untersucht. Bei alldem spielen symbolbildende Prozesse (Spiel, Zeichnen, Malen und Gestalten, Jugendkultur, Jugendsprache, Medien, Musik, virtuelle Welten, Welt der virtuellen Spiele, Alltagsästhetik, Körperkulte, Mode, Tattoos etc.) eine zentrale Rolle (vgl. Helmut Hartwig u.a.). Die Lebensweltorientierte Didaktik sucht dann im nächsten Schritt nach Übergängen und Anknüpfungspunkten für curriculares, sachbezogenes Lernen in den Unterrichtsfächern. Subjektzentriertes Arbeiten wird mit sachorientiertem Lernen verschränkt. Lernen vollzieht sich im Sinne Klafkis exemplarisch, es hat Gegenwarts– und Zukunftsbedeutung. Je mehr Konfliktpotenzial, desto mehr Subjektbezug. Mit Bezug auf Paolo Freire lässt sich hier auch von generativen didaktischen Themen sprechen, die aufgefunden und bearbeitet werden müssen. Generative Themen sind Themen, die für die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien und Communities von existenzieller Bedeutung sind. Generative Themen haben immer eine soziale und kulturelle Komponente, sie sind niemals rein psychologisch zu sehen. Winfried Kuhn und Ulrike Kocks, in den 1990er Jahren Leiter_innen des Düsseldorfer Studienseminars, entwickelten das Konzept des fächerübergreifenden Handlungsrahmens, d.h. es werden längerfristige, projektartige, prozesshafte und variable didaktische Einheiten kreiert, in denen mal mehr die Subjektanliegen geklärt und mal mehr die Sachanliegen weiter vorangebracht werden, je nach Situation, je nachdem, was möglich ist. Es findet eine in den didaktischen Prozess integrierte pädagogische Reflexion zu den Daseinsthemen, Lebenskonflikten, inklusive ihrer sozialen und kulturellen Hintergründe etc. statt, wie auch zu den Daseinstechniken, die sich als Lern-, Arbeits– und Sozialverhalten zu erkennen geben. Auch die von Jean-Paul Sartre in „Das Sein und das Nichts“ explizierten existentialistischen Konzepte (die Art der Beziehungsgestaltung, um solche Reflexionen überhaupt in Gang zu bringen, die Gespräche über Vergangenheit, Faktizität und Transzendenz, das Überschreiten des Alten und das Entwerfen des Neuen etc.) gingen in die Lebensweltorientierte Didaktik ein.
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Gegenstände des ersten Teils „Verhalten, Schule, Gesellschaft, Wissenschaft“ sind das Verhältnis von Theorie und Praxis, die Rolle der Sprache, wissenschaftstheoretische Paradigmen, das fragmentierte Subjekt und die Fiktionalisierung von Wirklichkeit. Der zweite Teil thematisiert Facetten einer „lebensweltorientierten Pädagogik und Didaktik“: Lernen aus konstruktivistischer Sicht, Selbststeuerung durch Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion, die Frage nach der Offenheit und dem adaptiven Charakter des Unterrichts sowie das Möglichkeitsfeld der Didaktik. Der Band enthält ferner Tagebuchaufzeichnungen aus einer großstädtischen Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung sowie die Dokumentation von Diskussionen zur lebensweltorientierten Pädagogik und Didaktik mit Studierenden. Im dritten Teil „Kommunikation, Beratung, pädagogische Beziehung“ geht es um die anwendungsbezogene Auswertung und Diskussion der „Kölner Beziehungsethik“ sowie um Modelle, Prinzipien und Techniken des Coachings. Der vierte Teil „Verhalten steuern und stabilisieren“ gibt Einblicke in das britische Behavior Management. Der fünfte Teil „Sozialpädagogische Intervention“ beschäftigt sich mit der US-amerikanischen „Positive Peer Culture“. Im sechsten Teil „Kollektives Lernen“ geht es um internationale Ansätze, die auf die Verknüpfung von Schulleben und umgebender Community abzielen. Dieser Band ist der dritte Teil einer pädagogischen Trilogie zum herausfordernden Verhalten, deren Bände jeweils den gleichen Aufbau haben.
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Die zerrissene Welt des Sozialen
  • A Honneth
Honneth, A.r Die zerrissene Welt des Sozialen. Sozialphilosophische Aufsätze. Frankfurt/ M. 1990.
Hrsg.): Pathologien des Sozialen
  • A Honneth
Honneth, A. (Hrsg.): Pathologien des Sozialen. Die Aufgaben der Sozialphilosophie.
Randgruppenforschung und Schule
  • G Iben
Iben, G.: Randgruppenforschung und Schule. In: Eberwein;
Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik
  • W Klafki
Klafki, W.' Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik. Weinheim 1985. Kursbuch lugendkultur: Stile, Szenen, Identitäten vor der Jahrtausendwende. Mannheim 1997.
Kings of outside. ln: Kursbuch Jugendkultur
  • A Lützen
Lützen, A.; Kings of outside. ln: Kursbuch Jugendkultur 1997,273-281.
Dissozial. Entwicklung, Struktur und Psychodynamik dissozialer Persönlichkeiten
  • U Rauchjleisch
RauchJleisch, U..' Dissozial. Entwicklung, Struktur und Psychodynamik dissozialer Persönlichkeiten. Göttingen I 981.
Ein Stil, mit dem keiner klar kommt
  • T Rose
Rose, T.: Ein Stil, mit dem keiner klar kommt. HipHop in der postindustriellen Stadt. In: Kursbuch Jugendkultur 1997, I 42-l 56.