In Arno Schmidts Gelehrtenrepublik (1957) hausen die Autoren in einem abgeschlossenen Elysium, weit entfernt von ihren professionellen Lesern, den Rezensenten, und, vor allem, ihren Biographen.1 Fast scheint es, als ob Schmidts leicht verschmockte Utopie einem berühmten Diktum Oscar Wildes zur allegorischen Anschauung verhelfen wollte: »Every great man nowadays«, so heißt es bei ihm in The Critic
... [Show full abstract] as Artist (1891), »has his disciples, and it is always Judas who writes the biography.«2 Wo die Schriftsteller es mit der Geste der ironisch geprägten Verdammung halten, regiert in der akademischen Welt die Tendenz zur programmatischen Ablehnung einer Gattung, die als methodisch restaurativ oder (schlimmer noch) theoretisch naiv eingestuft wird. Zu den gängigen Einschätzungen zählt die Ansicht, dass seine wissenschaftliche Reputation aufs Spiel setzt, wer eine Biographie schreibt. Im neuen Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft erklärt Holger Dainat unumwunden, das Genre habe im 20. Jahrhundert »den Anschluss sowohl an die Theoriediskussion wie an avanciertere literarische Schreibweisen« verloren.3 Heinrich Kaulen bemerkte bereits vor einigen Jahren in den philologischen Disziplinen die Tendenz, das Terrain der Biographie fachfremden Autoren zu überlassen, weil man die Gattung mit dem Makel des Unseriösen überzogen sieht.4 Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Deirdre Bair, die Biographien Samuel Becketts, Simone de Beauvoirs und Anaïs Nins veröffentlichte, hat erst jüngst in einem Essay behauptet, das Genre zwinge förmlich zum »akademischen Selbstmord«.5