Vom 4. bis 5. März 2021 organisierte der Arbeitskreis Empirische Polizeiforschung in Kooperation mit dem Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit (FÖPS Berlin) und dem Sächsischen Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) die 1. Nachwuchstagung Empirische Polizeiforschung. Aufgrund der Pandemie betraten wir onlinebasiertes Neuland. Eine große und spannende Herausforderung für die Organisator*innen und alle Teilnehmer*innen: 39 Vorträge in elf Panels und neun Postersessions an zwei Tagen mit 53 Referent*innen, 13 Moderator*innen und auf drei technischen Plattformen mit einem helfenden Backround-Technikstab von 15 Akteur*innen der HWR Berlin, professionell gemanagt durch Sven Lüders vom FÖPS Berlin. Die 250 teilnehmenden Wissenschaftler*innen und Polizeipraktiker*innen sehen wir als Bestätigung der Notwendigkeit und Relevanz eines Tagungsformates für Nachwuchsforscher*innen im Bereich der Polizeiforschung.
Die zwei Tage waren dicht gefüllt mit inspirierenden Themen, Begegnungen und Diskussionen; oder wie es ein Teilnehmer formulierte: „Vom Drang des Wissen-Wollens getragen und von Eitelkeiten fast unberührt, ist diese Tagung […] das Beste, was mir in dieser Zeit passiert ist“. Dem schließen wir uns gern an, auch wenn die informellen persönlichen Begegnungen fehlten. Die Organisator*innen danken allen Beteiligten der Tagung für ihr zugewandtes, neugieriges, kreatives und lösungsorientiertes Engagement und der HWR Berlin für die Möglichkeit, das Basiscamp der Tagung auf dem Campus Lichtenberg aufschlagen zu können. Die Frage wird sein, wie in Zukunft die Vorteile einer Online-Veranstaltung mit den Vorteilen einer Präsenz-Veranstaltung verbunden werden können.
Aufgrund der besonderen Umstände, aber auch der Vielzahl an Beiträgen, war es uns nicht möglich, die Tagungsbeiträge vollständig zu lektorieren, zu homogenisieren und als Druckversion zu veröffentlichen. Vielmehr wurden diese einheitlich formatiert und auf grobe Fehler durchgesehen. Für diese Mühen danken wir vor allem Anne-Marie Grasse vom SIPS. Das Organisationsteam hat sich sodann über eine gemeinsame Veröffentlichung der verschriftlichten Beiträge per Open Access verständigt. Dies soll die Zugänglichkeit und Verbreitung der Texte erleichtern. Als Ergänzung zu dieser Veröffentlichung können die Video-Mitschnitte der Vorträge auf der Website des FÖPS Berlin angesehen werden. Für diese umfangreiche Arbeit gebührt vor allem Felix Märtin unser Dank.
Der vorliegende thematisch breit und interdisziplinär angelegte Tagungsband soll zu einem konstruktiv-kritischen Dialog zwischen Polizeiforscher*innen und Polizeipraktiker*innen beitragen. Polizei und Wissenschaft prägen als gesellschaftliche Teilsysteme divergierende Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen aus, die im Begegnungsfall spezifische Wirkungen und Effekte entfalten. In summa ist das Verhältnis von Polizei und Wissenschaft seit Jahrzehnten diffizil und teilweise konflikthaft: zu praxisfern, zu kompliziert und zu kritisch sei wissenschaftliche Forschung, sagen die Einen; zu alltagsweltlich, unreflektiert und politisch motiviert die polizeiliche Sicht, die Anderen.
Aus wissenschaftlicher Sicht problematisch ist die Erwartung der Polizeipraxis nach Wissen, das sich unmittelbar in praktische Handlungsanleitungen und im besten Fall in Checklisten übersetzen lässt. Der Wunsch nach Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist grundsätzlich legitim und wird auch von den meisten Polizeiforscher*innen geteilt. Zunächst aber ist die wissenschaftliche (Außen-)Perspektive auf die polizeilichen Praktiken bedeutsam, da praktisch Handelnde in der Regel keine hinreichend reflexive Position zu ihrer eigenen Praxis einnehmen können. Sie haben als Betriebsangehörige zu wenig Distanz, sind der Evidenz vertrauter Berufsroutinen und damit unmittelbar auch zeitlichen, sachlichen, politischen sowie gruppendynamischen Zwängen und Zwecken unterworfen. Hier bietet gerade die diskursive Verbindung von wissenschaftlichen Methoden, Perspektiven und Forschungsergebnissen mit praktischen Strukturen und Herausforderungen die Chance eines substanziellen Dialogs, aus dem dann innovative Impulse für die Gestaltung des polizeilichen Handlungsfeldes hervorgehen können, aber nicht zwangsweise müssen. Auf der issenschaftsseite ist für diesen Dialog die grundlegende Kenntnis der Organisation Polizei notwendig sowie die Bereitschaft, sich auf dieses spezifische Berufsfeld einzulassen. Und im Gegenzug braucht es seitens der Polizei neben der grundlegenden Kenntnis über die Arbeitsweise von Wissenschaft eine Offenheit gegenüber unabhängiger Forschung. Die 1. Nachwuchstagung Empirische Polizeiforschung kann in diesem Kontext als Übersetzungsangebot gesehen werden. Die Organisator*innen wünschen allen Interessierten ein erkenntnisreiches Eintauchen in die Vielfalt der Themen sowie das Forschungs- und Praxisfeld Polizei.
Clemens Arzt, Nathalie Hirschmann, Daniela Hunold, Sven Lüders, Christoph Meißelbach, Marschel Schöne und Birgitta Sticher