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Zeitschrift für Feldherpetologie 15: 139–156 Oktober 2008
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis)
in Deutschland
ULRICH SCHULTE1, BURKHARD THIESMEIER2, WERNER MAYER3 & SILKE SCHWEIGER3
1St.-Michael-Str. 1, D-33775 Versmold, ulr.schulte@web.de; 2Diemelweg 7, D-33649 Bielefeld,
verlag@laurenti.de; 3Naturhistorisches Museum, Burgring 7, A-1010 Wien, werner.mayer@nhm-wien.ac.at,
silke.schweiger@nhm-wien.ac.at
Introduced populations of common wall lizards (Podarcis muralis)
in Germany
Overall we present data of 72 introduced populations of Podarcis muralis in Germany.
Genetic analyses of individuals from 24 localities reveal that they belong to five dif-
ferent subspecies. This review contains information about localities, habitats, pre-
sumptive origin, population size, reproduction as well as source populations for
most of all known sites. The reproduction (confirmed to 86,1 % of the populations)
and expansion of several populations far outside their natural range highlights the
great adaptability of this species. Up to now 19 populations with 7–38 generations
have been established in a period of 25–134 years. Besides factors promoting a suc-
cessful establishment a potential competition situation of wall lizards that occur un-
der syntopy with sand lizards and common lizards is discussed.
Key words: Reptilia, Lacertidae, Podarcis muralis, introduced species, invasive, mito-
chondrial DNA, Germany.
Zusammenfassung
Insgesamt konnten wir für Deutschland Daten von 72 allochthonen Vorkommen der
Mauereidechse zusammentragen. Genetische Untersuchungen an Individuen von 24
Lokalitäten zeigen, dass es sich um 5 verschiedene Unterarten handelt. Die Zusam-
menstellung enthält Informationen zum Standort, zu den Lebensräumen, zum ver-
mutlichen Ursprung, zur Populationsgröße, Reproduktion sowie zur Herkunft der
Tiere für einen Großteil der bekannten Standorte. Die Reproduktion (bei 86,1 % der
Populationen bestätigt) und Expansion zahlreicher Populationen weit außerhalb ih-
res natürlichen Verbreitungsgebietes verdeutlicht die große Anpassungsfähigkeit der
Art. Bislang konnten sich 19 Vorkommen in einem Zeitraum von 25–134 Jahren etab-
lieren und dabei 7–38 Generationen ausbilden. Neben Faktoren, die zu einer erfolg-
reichen Etablierung beitragen, wird die mögliche Konkurrenzsituation zwischen
Mauereidechsen und syntop vorkommenden Zaun- oder Waldeidechsen diskutiert.
Schlüsselbegriffe: Reptilia, Lacertidae, Podarcis muralis, allochthone Arten, invasiv,
mitochondriale DNA, Deutschland.
Einleitung
Als etablierte Neozoen (Agriozoen) werden ursprünglich nicht heimische Tierarten
bezeichnet, die nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492 unab-
© Laurenti-Verlag, Bielefeld, www.laurenti.de
140 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
sichtlich oder vorsätzlich durch den Menschen nach Deutschland gelangten und sich
dort ohne menschliche Hilfe über mindestens drei Generationen oder 25 Jahre selbst
reproduzierend erhalten haben (GEITER et al. 2001, KLINGENSTEIN et al. 2005). Paraneo-
zoen sind dagegen neu eingebürgerte gebietsfremde oder heimische Unterarten indi-
gener Arten, die in Gebieten außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes eben-
falls seit 25 Jahren leben. Nach diesen Definitionen ist die Mauereidechse (Podarcis
muralis) an zahlreichen Standorten in Deutschland als ein etabliertes Reptilien-Para-
neozoon zu betrachten, was bisher nur wenig Beachtung gefunden hat.
Obwohl die ersten Aussetzungen von Mauereidechsen bereits im 19. Jh. erfolgten
(MERTENS 1917, MERTENS & SCHNURRE 1949, LAUFER et al. 2007) sind vor allem in den
letzten Jahrzehnten zahlreiche neue Populationen außerhalb des ursprünglichen Ver-
breitungsgebietes in Deutschland entdeckt worden. Darüber hinaus existieren zahlrei-
che eingeschleppte Populationen in den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Liech-
tenstein, Österreich, Griechenland sowie in Nordamerika und Kanada (SCHULTE 2008).
Im Rahmen der Erstellung einer Monografie über die Mauereidechse (SCHULTE 2008)
haben wir im Kreis der Feldherpetologen und Naturschützer um Mithilfe bei der
Zusammenstellung allochthoner Populationen in Deutschland gebeten. Die große
Resonanz darauf ließ es nicht mehr zu, die vielen einzelnen Fundortdaten in die er-
wähnte Publikation einfließen zu lassen, in der wesentliche Zusammenfassungen und
Auswertungen veröffentlicht sind. Im Folgenden legen wir die Einzeldaten mit Er-
gänzungen sowie genetische Auswertungen einer Reihe von Populationen vor.
Methoden
Datengrundlage
Neben Literaturangaben wurden vor allem Daten ausgewertet, die uns nach einem
Aufruf zur Mitarbeit im Kollegenkreis bis zum 15.6.2008 zugesandt wurden. Dabei
wurden verschiedene Informationen zu den einzelnen Vorkommen abgefragt (siehe
Tab. 1). Folgende Personen schickten uns ihre Angaben: Schleswig-Holstein: ARNE
DREWS. Niedersachsen: INA BLANKE, LUDGER FRYE, RICHARD PODLOUCKY, ULLI SAN-
DER. Nordrhein-Westfalen: DIRK ALFERMANN, WOLFGANG BÖHME, LUTZ DAHLBECK,
ERHARDT & THOMAS FRANKE, MANFRED HENF, TOBIAS KRAUSE, MATHIAS LOHR, THO-
MAS KORDGES, MARTIN MASCHKA, JOHANNES MEßER, GÜNTHER POTTHOFF, KAI TOSS,
BENNY TRAPP, CHRISTIAN VENNE, KLAUS WEDDELING. Thüringen: ULRICH SCHEIDT.
Hessen: BERND RÜBLINGER, MATTHIAS SCHAPER. Sachsen-Anhalt: WOLF-RÜDIGER
GROSSE, Sachsen: LOTHAR ANDRÄ, MARKUS AUER, HEINZ BERGER, WOLF-RÜDIGER
GROSSE, URSULA HEINRICH, ULRICH SCHEIDT, STEFFEN TEUFERT, OLAF ZINKE. Rhein-
land-Pfalz: CHRISTOF MARTIN. Baden-Württemberg: GUNTRAM DEICHSEL, KLEMENS
FRITZ, JAKOB HALLERMANN, ALBIA KONSUL, AXEL KWET. Bayern: OTTO AßMANN, AXEL
BEUTLER, HANS-JÜRGEN GRUBER, GÜNTHER HANSBAUER, ANDREAS ZAHN. Diese Zu-
sammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist wahrscheinlich,
dass weitere allochthone Mauereidechsen-Vorkommen existieren oder durch Ausbrei-
tung in naher Zukunft zu erwarten sind (z. B. allochthone Basler Tiere Richtung Inz-
lingen, DEICHSEL schriftl. Mitt. 2008).
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 141
Genetische Untersuchungen
Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 34 Proben von 24 allochthonen Beständen
der Mauereidechse (Podarcis muralis) im deutschen Bundesgebiet untersucht. Als
Probenmaterial dienten in aller Regel Schwanzspitzen (fixiert in 70 % Ethanol). Mittels
Phenol-Chloroform-Auftrennung (SAMBROOK et al. 1989) wurde die genomische DNA
aus dem Gewebe isoliert. Es wurde ein Abschnitt (887 bp) des mitochondrialen Cy-
tochrom b Gens mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) und den Primern Sicnt (5'-
tttggatccctgttaggcctctgtt-3') und Melcb-H (5'-ataataaaaggggtgttctactggttggcc-3') ampli-
fiziert, die Sequenzierung erfolgte durch die Sequenzierservice-Labors MWG (Ebers-
berg, Deutschland) oder AGOWA (Berlin, Deutschland) mittels der Primer HPod (5'-
ggtggaatgggattttgtctg-3') und L15335 (5'- aggcacctccatagttcacc-3').
Ergebnisse
Ursprung der Vorkommen und genetische Herkunft
Insgesamt sind uns bis zum 15. Juni 2008 72 allochthone Populationen der Mauerei-
dechse in Deutschland bekannt geworden (Abb. 1, Tab. 1). Der weitaus größte Teil
(83,1 %) der Vorkommen, deren Einbringung bekannt ist (71 Möglichkeiten bei 67
Populationen), beruht auf vorsätzlichen Aussetzungen (Tab. 2). Ein nicht unerhebli-
cher Effekt dürfte dabei von der Terraristik ausgehen, häufen sich doch im bevölke-
rungsreichsten und terraristisch stärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen (n = 25),
insbesondere im Ruhrgebiet (n = 16) die Meldungen ausgesetzter Mauereidechsen-
Populationen. Nur 12,7 % der Vorkommen sind auf Verschleppungen durch den
Güterverkehr zurückzuführen. Derartige Verschleppungen sind aufgrund der größe-
ren Nähe zum natürlichen Verbreitungsareal und klimatischer Gegebenheiten vor
allem für die bayerischen Vorkommen in Kehlheim und Donauwörth sowie für die
Münchener-Populationen anzunehmen. Einen geringen Anteil (4,2 %) machen unbe-
absichtigte Entweichungen aus der Freiland- oder Terrarienhaltung aus, was für die
Populationen in Halle/Saale, Kamenz und Duisburg-Hüttenheim angenommen wird
(MEßER et al. 2004, GROSSE schrift. Mitt. 2007, AUER schriftl. Mitt. 2007 und 2008).
Die DNA-Sequenzen von Stichproben 24 allochthoner Vorkommen wurden mit Se-
quenzen autochthoner Populationen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art
(SCHWEIGER et al. in Vorb.) verglichen. Da diese Studie gezeigt hatte, dass es zahlrei-
che DNA-Gruppen (Kladen) innerhalb dieser Art gibt und da diese Gruppen jeweils
wohl umschriebene Areale bewohnen, konnte in allen Fällen ein Ursprungsgebiet der
allochthonen Eidechsen zumindest grob umrissen werden. Ein Sonderfall liegt bei
manchen Populationen (Passau, Dresden, Mannheim) vor, deren mitochondriale DNA
mit der von Tieren aus der östlichen Poebene übereinstimmt (P. m. maculiventris),
deren Färbungs- und Zeichnungsmuster aber mehr oder weniger mit P. m. nigriventris
aus der Toskana identisch ist. Mauereidechsen mit dieser besonderen Merkmalskom-
bination fanden wir an den Nordhängen des Apennin südlich von Bologna-Modena
in Norditalien. Wir führen dieses Phänomen auf massive postglaziale Einwanderung
von vor allem Männchen aus dem Süden in das Areal der Subspezies maculiventris
zurück. Im Allgemeinen stimmen die DNA-Daten nicht mit einer traditionellen Unter-
142 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
Abb. 1: Verbreitung allochthoner Populationen in Deutschland. Der grau hinterlegte Bereich kenn-
zeichnet die natürliche Verbreitung der Art. Die Zahlen entsprechen der Nummerierung in der
Tabelle 1.
Distribution of introduced populations in Germany. The natural range of the species is sketched in
grey. The numbers are identical with the numerical order in table 1.
teilung der Art in Subspezies überein, vor allem sind nominelle Unterarten häufig auf
mehrere DNA-Kladen verteilt. Durch die Nennung einer Klade ist eine feinere Zuord-
nung als durch die einfache Angabe von Unterarten möglich. Wir verwenden daher –
im Rahmen der hier präsentierten Ergebnisse – Bezeichnungen wie P. m. maculiventris-
O(st) für Populationen Friauls und der östlichen Poebene ostwärts bis NW-Kroatien
und Südslowenien, P. m. maculiventris-W(est) für solche aus Tirol, dem Trentino, der
westlichen Poebene sowie des westlichen Liguriens, P. m. muralis-II für die Mauerei-
dechsen des zentralen und nördlichen Balkans, Ungarns, der Slowakei sowie eines Iso-
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 143
Tab. 1: Allochthone Mauereidechsen-Vorkommen in Deutschland (Stand: 15. Juni 2008). + = –9 Ind., ++ = 10–50 Ind., +++ = 50–100 Ind., ++++ = > 100
Ind.; alle Angaben beruhen auf Schätzungen, Zählungen sind gesondert erwähnt. Etablierte Populationen sind grau hinterlegt.
Introduced wall lizard populations within Germany (Status quo: 15.6.2008) with information about sites, habitats, origin, population size, reproduc-
tion, subspecies and references. Populations, which could be defined as established »Paraneozoen” are highlighted in grey.
Lage MTQ Lebensra um Vermut licher Ursprung /
Jahr der Entdeckung
Bestandsgröße Repro-
duktion
Herkunft/Unterart Literatur, Quelle
Niedersachsen
1. Bramsche, OT
Ueffeln
3513/3 Quarzit -Steinbruchbösc hungen und -
abraum mit verbuschendem Callune-
tum
Aussetzung, 1980 oder früher +++, knapp 50 Ex. bei einer
Begehung im Juni 2008
gezählt
ja k. A. F
ORMAN
(1981), F
RYE
schriftl. Mitt.
(2007 und 2008), P
ODLOUCKY
schriftl.
Mitt. (2008), eig. Beob. (2008)
2. Nörten-Hardenberg Ruinenmauer, Felsen Aussetzung ++ ja k. A. S
ANDER
schriftl. Mitt. (2007),
P
ODLOUCKY
schriftl. Mitt. (2008)
Nordrhe in-We stfal en
3. Bielefeld-Quelle,
Ostwestfalendamm
3917/3 felsiger Hang (Kalkstein) Aussetzung, 1996 entdeckt +++ ja genetisch best immt:
P. m. maculiventris-W
M
EINIG
& R
ATHJEN
(1996), F
RANKE
(1999), F
RANKE
& F
RANKE
(2004),
eig. Beob. (2007 und 2008)
4. Schloss Holte-
Stukenbrock
4017/4 Bahnho f und Umgebu ng, Ausdehnung
auf rund 700 m
Aussetzung, seit ca. 1980
bekannt
++++ (200-300 geschätzt
2008)
ja genetisc h bestimmt: P. m.
merremius/brogniardi
V
ENNE
schriftl. Mitt. (2007), P
OTHOFF
,
mündl. Mitt. (2008), eig. Beob. (2008)
5. Stahle (Rötan-
schnitt)
4122/4 Steilhang im Röt am Weserradweg
Stahle-Heinsen
Aussetzung, 1991 entdeckt ++ ja vermut lich P. m. muralis ? L
OHR
schriftl. Mitt. (2007)
6. Arnsberg Nehe im-
Hüsten
4513/4 privates Alpinum am Forsthaus
Speiberg
Aussetzung in den 1970er
Jahren
++ ja Tiere aus Kärnten M
EßER
et al. (2004)
7. Holzwickede 4411/4 Bahnanlage Böschung, im April 2007
Einebnung
Aussetzung, 2002 entdeckt früher ++++, nach Habitat-
zerstörung im April 2007 +
(7)
k. A. genetisch bestimmt: P. m.
maculiventris-W
M
EßER
et al. (2004), S
CHLÜTER
(2007)
auf www.lacerta.de
8. Dortmund
(Hengsteysee)
4510/4 Schieferfelshänge und Garten
(Klusenberg, 800 m entfernt)
Aussetzung, 1987 und in den
1950er Jahren entdeckt
+++ ja genetisc h bestimmt: P. m.
merremius/brogniardi
S
CHLÜPMANN
(1996),
eig. Beob. (2007)
9. Witten-Bommern 4510/3 Trockenmauer
»
Gut Steinhausen« Aussetzung ++++ ja genetisch best immt: P. m.
maculiventris-W
M
ÜNCH
(2001), M
EßER
et al. (2004),
K
ORDGES
schriftl. Mitt. (2008)
10. Witt en-Annen Herdeckerst raße, Böschungs-
mauer (Ruhrsandstein) am Fuß
des Ruhrhangs, Gartenge lände
Aussetzung ++ ja k. A. K
ORDGES
schriftl. Mitt. (2008)
11./12. Bochum,
Ehrenfeld und
Botanischer Garten
4509/1 4509/4 Bahnanlage und Alpinum Aussetzung, 2002 und 1995
entdeckt
beide + ja k. A. M
EßER
et al. (2004)
13. Duisburg-
Hüttenheim
4606/1 Schlackengelände 12 entflohene Terrarien-
tiere, 1978
mind. 8 (2000) ja P. m. merremius
(Mit telrhei ntal, Ob erwesel)
M
EßER
et al. (2004), T
OSS
, persön liches
Gespräch mit dem Besitzer der entflohe-
nen Tiere (2008)
14. Duisburg-Ruhrort
Hafen
4506/32 Dammböschung der Ruhr, Bruch-
stein/Rasengittersteine
Aussetzung, 2004 entdeckt ++++ (mind. 150, 2006) ja genetisch bestimmt: P. m.
merremius/brogniardi
M
EßER
et al. (2004), T
ROIDL
& T
ROIDL
(2005c), T
OSS
(2008)
15.Duisburg
Innenhafen
4506/32 Befestigungsmauer des Hafenbeckens Aussetzung, 1987 entdeckt +++ (49 Ind.) ja k. A. T
OSS
(2008)
144 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
Lage MTQ Lebensra um Vermut licher Ursprung/
Jahr der Entdeckung
Bestandsgröße Repro-
duktion
Herkunft/Unterart Literatur, Quelle
16. Duisburg-
Hochfeld
4506/34 Befestigungsmauern der »Brücke der
Solidarität«, Bahndamm
Aussetzung, 2007 entdeckt ++ (mind. 14 Ind.) ja k. A. K
UHLEN
, Internetseite bswr.de (2007),
T
OSS
(2008)
17. Oberhausen-Neue-
Mitte
4507/1 Sandsteinmauer (Gabionenwand) und
Uferschü ttung am Rhein-H erne
Kanal
Aussetzung, 2003 entdeckt ++ (mind. 30 Ind., 2006) ja k. A. M
EßER
et al. (2004)
18. Mühlheim a. d. R. 4507/3 NSG Sandsteinbruch »Rauen« Aussetzung, 2003 entdeckt + (mind. 5, 2003) ja k. A. M
EßER
et al. (2004)
19. Dinslaken-Süd 4406/4 Halde Wehofen, Schlackengelände,
vegetationsarme Kuppe
Aussetzung, 1999 entdeckt ++++ (mind. 500) ja genetisch bestimmt:
P. m. merremius/brogniardi
M
EßER
et al. (2004)
20. Kamp-Lintfort Halde Pattberg k. A. k. A. k. A. genetisch bestimmt:
P. m. merremius/brogniardi
M
EßER
schriftl. Mitt. (2008)
21. Düsseldorf-
Gerresheim
Bahnanlage, ehemalige Glashütte Einschleppung durch Holz-
transporte, 2006 entdeckt
k. A. ja k. A. H
ENF
et al. (in Vorb.)
22. Monheim Bahnanlage Aussetzung, 2003 entdeckt,
zunehme nde Ausdehnung
(B
ÖHM
) auf 1 km Länge
++++ ja k. A. H
ENF
et al. (in Vorb.)
23. Remshagen 4910/1 Abgrabung Aussetzung, 1997 entdeckt + (5) ja k. A. M
EßER
et al. (2004)
24. Köln-Wesseling 5107/4 Rheinufer Aussetzung k. A. ja k. A. G
EIGER
& N
IEKISCH
. (1983)
25. Köln-Rath 5108/1 Ruderalfläche am Gleis Aussetzung, 2003 entdeckt ++ (15) ja k. A. M
EßER
et al. (2004)
26. Niederkassel-
Lülsdorf
5108/3 Basaltuferschüttung Aussetzung k. A. k. A. vermutlich P. m. merremius B
ÖHME
mündl. Mitt. (2003) zitiert in
M
EßER
et al. (2004)
27. Bonn-Poppelsdorf
(Botanische Gärten)
5208/4 Mauern, Biotopanlage,
Trockenbiotop
Aussetzung, Tiere von der
Ahr, 1999 (< 10 Ind.)
+++ (> 50 Adulti, expandie-
rend)
ja P. m. merremius (Ahrtal) A
RNDT
(1999), S
CHULTE
(2007)
www.lacerta.de, W
EDDELING
schriftl.
Mitt. (2007)
Sachsen-Anhalt
28. Halle (Botanischer
Garten)
Alpinum und Begrenzungsmauern zur
Stadt
Aussetzung oder aus Haltung
entwichen, 2006 entdeckt
++ (20 Tiere aller Altersstu-
fen)
ja k. A. G
ROSSE
schriftl. Mitt. (2007)
Sachsen
29. Ammels hain 4741/2 3 Porphyrsteinbrüche im NSG
»Haselberg«
Aussetzung, in den 1980er
Jahren
++++ (1999: 476 nach
S
TEINICKE
2000, 2008:
> 1000, eig. Beob. 2008)
ja genetisch bestimmt:
P. m. muralis-II
R
ICHTER
(1994), S
TEINICKE
(2000),
A
NDRÄ
& B
ERGER
schriftl. Mitt. (2007),
S
CHULTE
(im Druck)
30. Altenhain Steinbruch »Frauenberg« Aussetzung, 2007 entdeckt +++ ja genetisch bestimmt:
P. m. muralis-II
A
NDRÄ
schriftl. Mitt. (2008),
eig. Beob. (2008)
31. Kamenz Altstadt Aussetzung und Entweichen
von Tieren in den 1970/1980er
Jahren
k. A. k. A. ver mutlich P. m. muralis A
UER
schriftl. Mitt. (2007 und 2008)
32. Dresden-
Loschwitz
4948/2 Wohngrundstücke Grundstraße,
Loschwitzer Elbhänge
Aussetzung italienischer Tiere
aus dem Apennin
um 1900
++++ (1000-1500 Ind.) ja genetisch bestimmt :
P. m. nigriventris-II
T
ROIDL
& T
ROIDL
(2005a), T
EUFERT
schriftl. Mitt. (2007 und 2008), P
ROKOPH
mündl. Mitt.(2008), eig. Beob. (2008)
33. Frankenberg Autobahnbrücke, Brückenbauwerk Aussetzung, 2003 entdeckt ++ k. A. k. A. H
EINRICH
schriftl. Mitt. (2008)
Hessen
34. Niederjossa Parkmauer Aussetzung, 1987 entdeckt + ja k. A. H
EIMES
(1990), F
UHRMANN
(2005)
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 145
Lage MTQ Lebensraum Vermut licher Ursprung/
Jahr der Entdeckung
Bestandsgröße Repro-
duktion
Herkunft/Unterart Literatur, Quelle
35. Gießen Ruderalfläche eines Bundeswehr-
standort
Aussetzung + k. A. k. A. FUHRMANN (2005)
36. Hanau Hanauer Gleisbauhof,
Seit 2008: teilweise Umsiedlung ins
NSG
»
Oberwaldsee von Dietes-heim«
(Basaltbruch)
Vermutlich Verfrachtung
durch den Güterverkehr
(Bahnschwellen), 2006 ent -
deckt, 2008 teilweise Um-
siedlung der Population
++++ (2000-3000 Ind.) ja Angehörige der autochthonen
Rhein/Main-Popula-
tion (merremius)
DEICHSEL schriftl. Mitt. (2008),
SCHROTH schriftl. Mitt. (2008)
37. Frankfurt Hauptgüterbahnhof Aussetzung oder Verfrachtung,
1997 entdeckt
++++ (200-250) ja genetisch bestimmt:
P. m. merremius/brogniardi
SEIPP et al. (1998), TWELBECK (2001),
zitiert in FUHRMANN (2005)
38. Wiesbaden Weinbergsmauern,
»
Dyckerhoff-
Steinbruch«
Aussetzung, südeuropäischer
Tiere vor 1990
k. A. ja südeuropäische Tiere? HEIMES (1990), FUHRMANN (2005),
Hessen-Forst FENA Naturschutz (2007)
39. Rheingau Weinbergsmauern Aussetzung vor 1990 ++++ ja k. A. HEIMES (1990), FUHRMANN (2005),
HESSEN-FORST FENA NATURSCHUTZ
(2007)
40. Darmstadt Rangierbereich, Hauptbahnhof Aussetzung, 2004 entdeckt k. A. ja k. A. FUHRMANN (2005)
41. Darmstadt-
Eberstadt
NSG
»
Bessunger Kiesgrube«,
Steinha lde, Felsw ände, Böschunge n
Aussetzung, 2003 entdeckt +++ ja k. A. FUHRMANN (2005)
42. Darmstadt-Mitte
»
Darmstädter
Schloss«
Stadtmauer Aussetzung k. A. k. A. k. A. FUHRMANN (2005)
43. Gernsheim Bahnhof, Gleisschotter und Rude-
ralfläche
Aussetzung oder Verfrachtung
(Güterverkehr), 1989 entdeckt
++ ja k. A. FEDERSCHMIDT (1989)
Rheinland-Pfalz
44. Heidesheim NSG
»
Sanddüne Uhlerborn« Aussetzung 1985 entdeckt k. A. ja k. A. ABERT (1985) zitiert in BAMMERLIN
et al. (1996)
45. Budenheim
(Mainz)
Steinbruch ursprüng lich Aussetzung?
Umsiedlung von T ieren
der Ingelheimer Aue 2007
++++ (2000) k. A. genet isch bestimmt: westfran-
zösische Klade (ssp. ??)
Pressemitteilung (2007)
46. Dexheim 49°50ǯ33.27“N
8°19ǯ12.92“E
Steinbruch Aussetzung 1976/77 von 5 in
Brighton erworbenen
Individuen
k. A. k. A. k. A. MARTIN schriftl. Mitt. (2007)
Baden-Württemberg
47. Mannheim Riedbahnbrücke Aussetzung k. A. ja genetisch bestimmt : P. m.
nigriventris-II
SCHRENK, Bilder auf www.lacerta.de.
(2006), FRITZ schriftl. Mitt. (2008)
48. Heidelberg Mauern (Philosophenweg) Aussetzung weniger Schwärz-
linge
k. A. ja Schwärzlinge FRITZ schriftl. Mitt. (2008)
49. Untergröningen 7025 Steinbruch 1986 Aussetzung 10 Adulti, 5
Juvenes
k. A. ja k. A. SCHWERTNER schrift. Mitt. (1987), zitiert
in LAUFER et al. (2007)
50. Stuttgart Kriegsberge und Siedlungsumfeld Aussetzung von 12 Individuen
aus Wildberg, 1874 von Prof.
Jäger
k. A. ja Tiere aus Wildberg a. d.
Nagold
LAUFER et al. (2007)
146 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
Lage MTQ Lebensra um Vermut licher Urspru ng/
Jahr der Entdeckung
Bestandsgröße Repro-
duktion
Herkunft/Unterart Literatur, Quelle
51. Stuttgart-Bad
Cannstatt
Neckarufer an der Schifflände
»Wilhelma «
Aussetzung von Futterei-
dechsen in den 1970er Jahren
k. A. ja genet isch bestimmt: P. m.
maculiventris-W und
nigriventris-I Mischpopulation
DEICHSEL et al.. (in Vorbereitung)
52. Tübing en Spitzberg (Fels) und Ortskern Aussetzung durch Prof. Eimer
1880
k. A. ja Tiere aus Bozen (FICKERT 1889, zitiert in DÜRIGEN 1897)
53. Schloss Hohentü-
bingen
Schlossmauer Aussetzung, 1977 entdeckt ++ ja genetisch bestimmt:
P. m. maculiventris-W
HALLERMANN schriftl. Mitt., (2007)
54. Freiburg Flussufer Dreisam Aussetzung +++ ja P. m. merremius &P. m.
maculiventris?
P. m. nigriventris
LIEDMEIER (2006)
55. Kaiserstuhl
(Ihringen)
Südspitze des Winklerbergs (Fels) Aussetzung zwischen 1994-
1999
k. A. ja Jungtiere von Mittelrhein u nd
Mosel
HINDER 2000 zitiert in LAUFER
et al. (2007)
56. Konst anz Insel
Mainau
Tro ckenmauern Aussetzung (evtl. Verschlep-
pung durch Pflanzen)
++++ (1000) ja genetisch bestimmt:
P. m. maculiventris-W
DEICHSEL & MAYER schriftl. Mitt.
(2007), DEICHSEL (2008)
Bayern
57. Aschaffenburg
»Pompejanum«
6020/2 Ruine, Befestigungsmauer, archäo lo-
gischer Park
Aussetzung, 1966 entdeckt +++ ja genetisch bestimmt:
P. m. maculiventris-O
LENK (1989), TROIDL & T ROIDL (2005b),
KUPFERE R-HILDMANN (2008)
58. Kelheim 7037 stillgelegte Gleisanlage, Siedlungsge-
biet
Güterverkehr, 1997 entdeckt ++++ ja genetisch bestimmt:
P. m. merremius/brogniardi
GRUBER schriftl. Mitt. (2007)
HIRSCHFELDER et al. (2006)
59. Ingolstadt 7234/4 Bahnanlage k. A. k. A. k. A. k. A. Mitteilung UNB
60. Donauwörth 7230/4 Bahnanlage Verfrachtung (Güterver-
kehr )?, 2003 entdeckt
++++ ja genetisch bestimmt:
P. m. maculiventris-W
Fotos HANSBAUER, DÜRR, GEBHARDT
(2007)
61.- 65.
Hutthurm
Hauzenberg
Passau
Obernzell
Untergriesbach
7346/3, 4
7347/3, 4
7446/1, 2
7447/1, 2, 4
7448/3
Bahnanlagen, Gartenanlagen, Mauern
im Stadtge
b
iet von Pas sau, Do nauufer,
Hafengelände, Felsköpfe und
Blockhalden der Donauleiten
Aussetzung 1932, danach
weitere Aussetzungen,
ausgebreitet auf 30 km Länge
des Donautals und
in Seitent älern
++++ (4000-6000) ja genetisch bestimmt:
P. m. nigriventris-II
MERTENS & SCHNURRE (1949), FRÖR
(1980), WAITZMANN & SANDMAIER
(1990), ASSMANN schriftl. Mitt. (2008)
66. Tittling 7246/3 Bahndamm, Gartengelände k. A. ++ ja angeblich Südtirol AßMANN schriftl. Mitt. (2007/2008)
67. Hutthurm 7346/2 Bahnhof k. A. + k. A. k. A. AßMANN schriftl. Mitt. (2007/2008)
68. Neuhaus 7546/2 Mauern am Innufer k. A. +++ ja evtl. angesiedelte Passauer
Tiere, P. m. nigriventris-II
AßMANN schriftl. Mitt. (2007/2008)
69. Bahnhof Neuötting 7742/1 Gebäuderuine, Bahnhofsgebäude Aussetzung vor 2000 ++ ja genet isch bestimmt:
P. m. maculiventris-W
ZAHN schriftl. Mitt. (2007 und 2008)
70. München-Aubing,
westl. Bahnhof
Langwied
7834/2 Industriegebiet mit Gleisanlagen wahrsch. pass. Verschleppung
mit Frachtgut, 2007
++ ja k. A. GRUBER schriftl und mdl.. Mitt. (2008)
71. Münc hen,
Südbahnhof
7835/3 Ba hnanlage wahrsch. pass. Verschleppung
mit Frachtgut, 2001
++ ja k. A. Pressebericht SZ 11/2002
72. Münc hen,
Donners
b
erger Brücke
bis Bot. Garten
7835/3 Ba hnanlage wahrsch. pass. Verschleppung
mit Frachtgut, 1998
++ ja genetisch bestimmt:
P. m. maculiventris-W und
P. m. nigriventris-II
BEUTLER schriftl. Mitt. (2007), GRUBER,
schriftl und mdl. Mitt. (2008)
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 147
lats in Niederösterreich, P. m. nigriventris-I für Tiere aus Lazium und der Toskana und
P. m. nigriventris-II für Populationen vom Nordhang des Apennin, die aber molekula-
re Charakteristika von P. m. maculiventris-O aufweisen (siehe oben).
P. m. merremius lässt sich nach der mitochondrialen DNA nicht von topotypischen P.
m. brogniardi (Fontainebleau) unterscheiden. Falls diese nominellen Unterarten des-
halb vereinigt würden, müsste der Name P. m. brogniardi aus Prioritätsgründen für die
derzeit als P. m. merremius bezeichneten Mauereidechsen verwendet werden. Um dem
Rechnung zu tragen, bezeichnen wir die mutmaßlich von autochthonen Populationen
des Rheinlandes etc. abstammenden Populationen als P. m. merremius/brogniardi. Das
natürliche Areal dieser Populationsgruppe ist Westdeutschland, die Westschweiz und
Frankreich, mit Ausnahme des Westens und Südwestens. Im Westen Frankreichs fan-
den wir hingegen eine weitere Klade, die wir als Westfranzösische Klade bezeichnen,
und die wir nur einmal im gesamten Probenmaterial (Mainz) nachweisen konnten.
Eine unterartliche Zuordnung dieser Tiere ist derzeit nicht möglich.
Lebensräume
Fast alle besiedelten Habitate sind relativ stark anthropogen überformt. In diesen offe-
nen Lebensräumen (Siedlungsbereiche, Bahnanlagen, Ruderalflächen, Industriebra-
chen), die für Aussetzungen häufig (63,5 %) gewählt werden (Tab. 2), findet die an-
passungsfähige Mauereidechse im Gegensatz zu naturbelassenen Biotopen noch
zahlreiche offene ökologische Nischen, die eingenommen werden können. Häufig
sind diese Ökosysteme nachhaltig gestört und an standorttypischen Arten verarmt,
sodass eingebrachte Mauereidechsen in diesen sekundären Habitaten selten auf au-
tochthone Konkurrenten und Prädatoren treffen, mit Ausnahme der Hauskatze in
urbanen Räumen. Somit erscheint die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Ansied-
lung der Neuankömmlinge in bereits gestörten Ökosystemen besonders groß zu sein,
zumal Bahnstrecken, Straßenböschungen und Flussufer bedeutsame Ausbreitungs-
korridore darstellen (BENDER et al. 1996, HEDEEN & HEDEEN 1999, ALTHERR 2007).
Neben der Habitat-Ausstattung sind vor allem die klimatischen Bedingungen von
größter Bedeutung. Aus diesem Grund haben Aussetzungen in den südlichen und
südwestlichen Bundesländern bessere Chancen auf eine Etablierung. In den mehr
nördlich und östlich gelegenen Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt und Sachsen hingegen ist P. muralis auf spezielle Gunsträume, wie
Tab. 2: Lebensräume der allochthonen Mauereidechsen-Vorkommen in den deutschen Bundeslän-
dern. Niedersachsen (NI): 3 Biotope an 2 Standorten, Nordrhein-Westfalen (NW): 30 Biotope an 25
Standorten, Sachsen-Anhalt (ST): 1 Biotop an 1 Standort, Sachsen (SN): 5 Biotope an 5 Standorten,
Hessen (HE): 13 Biotope an 10 Standorten, Rheinland-Pfalz (RP): 3 Biotope an 3 Standorten, Baden-
Württemberg (BW): 12 Biotope an 10 Standorten, Bayern (BY): 18 Biotope an 16 Standorten.
Habitats of introduced wall lizards in the federal states of Germany. NI: 3 habitats at 2 sites, NW: 30
habitats at 25 sites, ST: 1 habitat at 1 site, SN: 5 habitats at 5 sites, HE: 13 habitats at 10 sites, RP: 3
habitats at 3 sites, BW: 12 habitats at 10 sites, BY: 18 habitats at 16 sites.
Lebensraum NI NW ST SN HE RP BW BY ∑
Mauer, Siedlung, Ruine, Garten 33,3 33,3 100 40 30,7 - 41,7 33,3 34,1
Steinbruch, Fels, Hang 66,7 16,7 - 40 23,1 100 33,3 5,6 23,5
Bahnanlage, Ruderalfläche - 33,3 - - 38,5 - - 55,5 29,4
Straßenböschung, Ufer - 16,7 - 20 7,7 - 25,0 5,6 13,0
148 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
Hanglagen von Gewässern (z. B. Hengsteysee, Witten-Bommern, Duisburg, Oberhau-
sen, Ammelshain), Steinbrüche (Bramsche, Altenhain) oder auch Ballungsgebiete
(Düsseldorf-Gerresheim), in denen das Stadtklima 1–2,5 °C über der Durchschnitts-
temperatur der Umgebung liegt, angewiesen (GUISAN & HOFER 2003, KINZELBACH
2007). Auch wenn zweifellos klimatische Beschränkungen für die xerotherme, ur-
sprünglich mediterrane Art bestehen, zeichnet sie sich durch eine große klimatische
Anpassungsfähigkeit und hohe Kältetoleranz (Abkühlung auf -4,85 °C über 26 Stun-
den ohne Schädigung, CLAUSSEN et al. 1990) sowie lange jährliche Aktivitätsperioden
aus. Durch die seit 1985 kontinuierlich ansteigenden Durchschnittstemperaturen in
Deutschland wird die Mauereidechse als Wärme liebende Art vermutlich in Zukunft
profitieren (s. unten). Begünstigt werden Ansiedlungen durch den relativ geringen
individuellen Platzanspruch (Aktionsräume), das schnelle Wachstum sowie die frühe
Geschlechtsreife der Mauereidechse. Förderlich für eine erfolgreiche Ansiedlung in
direkter Umgebung des Menschen dürfte zudem die Tatsache sein, dass insbesondere
die südeuropäischen Unterarten an das Leben in Städten präadaptiert sind.
Etablierung von Populationen
Insgesamt sind nach den bisherigen Erkenntnissen mindestens 19 allochthone Popula-
tionen als etablierte Paraneozoen (Agriozoen) zu betrachten, die denselben Schutz wie
heimische Arten genießen. Am Spitzberg in Tübingen setzte Prof. EIMER bereits um
1880 Mauereidechsen aus Bozen aus, deren Nachkommen auch heute noch die Um-
gebung besiedeln (FICKERT 1889, zitiert in DÜRIGEN 1897). An den Kriegsbergen in
Stuttgart entwickelte sich eine stabile Population aus nur 12 durch Prof. JÄGER im Jahr
1874 ausgesetzten Individuen aus Wildberg a. d. Nagold (LAUFER et al. 2007, DEICHSEL
Abb. 2: Links/left: Ueffeln (1). Foto: B. THIESMEIER; rechts/right: Dresden-Loschwitz (32). Foto: U.
SCHULTE.
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 149
et al. in Vorbereitung). Nach einer einfachen Berechnung der Generationszeit der
Weibchen, die über das mittlere Alter der Weibchen (mittl. Alter der Weibchen =
Geschlechtsreife (2 Jahre) + Lebenserwartung (5 Jahre) / 2 = 3,5 Jahre) ermittelt wird,
kann die Anzahl bereits ausgebildeter Generationen in Stuttgart auf 38 Generationen
geschätzt werden. Die individuenreichste allochthone Population italienischen Ur-
sprungs in Passau geht auf Aussetzungen nach dem Ersten Weltkrieg durch HANS
GEYER oder durch AUGUST LENTNER in den 1930-er Jahren (etwa 21 Generationen)
zurück (MERTENS & SCHNURRE 1949, FRÖR 1980, WAITZMANN & SANDMAIER 1990). Um
das Jahr 1900 oder sogar früher wurden mit den in Passau ausgesetzten Tieren gene-
tisch übereinstimmende Eidechsen an den Loschwitzer Elbhängen in Dresden ausge-
setzt (TROIDL & TROIDL 2005a, TEUFERT schriftl. Mitt. 2007). Weitere seit mindestens 25
Jahren existierende Populationen befinden sich am Schloss Hohentübingen, am Ne-
ckarufer nahe der Stuttgarter »Wilhelma«, auf einem Schlackengelände in Duisburg-
Hüttenheim (NRW), in privaten Gärten in Dortmund-Hohensyburg (NRW) und Arns-
berg Neheim-Hüsten (NRW), am Bahnhof Schloss Holte-Stukenbrock (NRW), in
Kamenz (Sachsen) sowie in Steinbrüchen bei Ammelshain (Sachsen) und Ueffeln
(Südwest-Niedersachsen); die letztere ist die nördlichste Population in Deutschland
(FORMAN 1981, FRYE schrift. Mitt. 2007, HALLERMANN schrift. Mitt. 2007, DEICHSEL et
al. in Vorbereitung).
Für 62 (86,1 %) der 72 Populationen konnte von den Informanten eine erfolgreiche
Reproduktion sicher bestätigt werden. Bemerkenswert dabei ist, dass selbst am nörd-
lichsten Standort Ueffeln bei Osnabrück keine grundsätzliche klimatische Beschrän-
kung der Reproduktion besteht. Bewahrheiten sich die Prognosen von deutlich an-
steigenden Winterniederschlägen und geringfügig abnehmenden sommerlichen Nie-
derschlägen sowie weiterhin ansteigenden Jahresdurchschnittstemperaturen in
Deutschland (LEUSCHNER & SCHIPKA 2004), ist ein Anstieg des Reproduktionserfolgs
und der Abundanz bei der Mauereidechse zu erwarten. Ein mit dem Anstieg der
Abb. 3: Links/left: Schloss Holte-Stukenbrock (4). Foto: B. THIESMEIER; rechts/right: Bonn-Poppels-
dorf, Botanischer Garten (27). Foto: U. SCHULTE.
150 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
Sommertemperaturen korrelierter Anstieg des Reproduktionserfolges (KRL der Weib-
chen, Gelegegröße) konnte bereits an einer Montanpopulation der Waldeidechse in
Südfrankreich nachgewiesen werden (CHAMAILLÉ-JAMMES et al. 2006). Langfristig
wurde jedoch eher ein Lebensraumverlust in Folge größerer Trockenheit am südli-
chen Arealrand der Art prognostiziert. An geeigneten Trittstein-Biotopen wie Bahn-
trassen oder Flussufern ist eine verstärkte Ausbreitung der Mauereidechse denkbar.
Die Populationsgrößen beruhen auf Schätzungen der Informanten und variieren von
nur wenigen Individuen bis hin zu sehr individuenreichen, expandierenden Bestän-
den. Für 15 (27,8 %) der 54 Vorkommen für die Daten zur Populationsgröße vorlagen,
wurden die Bestände auf mehr als 100 Individuen geschätzt, wobei zu einer Reihe von
Populationen (n = 18) noch Daten zur Populationsgröße fehlen. Die mit Abstand indi-
viduenreichste Population befindet sich in Passau und Umgebung und umfasst 4000–
6 000 Individuen, die sich zunehmend entlang der Seitentäler der Donau sowie auf
über 30 km Länge zur Staatsgrenze nach Österreich ausbreiten (ASSMANN 2004).
Bewertungsversuch
Aufgrund der Komplexität eines Ökosystems und der fehlenden Daten zur Auswir-
kung gebietsfremder Mauereidechsen auf andere Arten in Deutschland ist eine Beur-
teilung der möglichen Invasivität nicht möglich. Als problematisch werden gebiets-
fremde Arten angesehen, die Funktionsabläufe eines Ökosystems verändern, einhei-
mische Arten verdrängen oder diese durch eine genetische Unterwanderung sowie
durch das Einbringen von Parasiten (tierische Vektoren) und Krankheiten (Zoonosen)
gefährden. Ein weiteres negatives Charakteristikum eines problematischen Neozoons
oder Paraneozoons kann der verursachte wirtschaftliche Schaden sein. Die Beurtei-
lung ist sowohl von populationsbiologischen Charakteristika der eingeschleppten Art
als auch von grundlegenden Eigenschaften des Lebensraumes und seiner Bewohner
abhängig. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, dass Aussetzungen von Mauer-
eidechsen gesetzeswidrig sind und ohne eine Abstimmung mit den zuständigen
Naturschutzbehörden grundsätzlich abzulehnen sind.
Erhöhte Aufmerksamkeit erhalten die eingebrachten Mauereidechsen-Bestände (P.
muralis, P. siculus) in Nordamerika und Kanada, da sie einerseits ein interessantes
Forschungsfeld bieten, andererseits ungewiss ist, ob sie einheimische Arten (USA:
Eumeces fasciatus, Eumeces obsoletus, Kanada: Elgaria coerulea) gefährden. In beiden
Ländern wurden umfangreiche Untersuchungen zur genetischen Herkunft, Populati-
ons- und Reproduktionsbiologie, Kältetoleranz, Ernährungsweise sowie zur Aktivi-
tätszeit und Einschleppung von Parasiten durchgeführt (Kanada: CLAUSSEN et al.
1990, SCHWEIGER & DEICHSEL 2004, ALLAN et al. 2006, USA: KWIAT & GIST 1987,
BROWN et al. 1995, OLIVERIO et al. 2001, BURKE & MERCURIO 2002, BURKE et al. 2002,
BURKE & NER 2005, DEICHSEL & SCHWEIGER 2003, BURKE et al. 2007). Die Gefahr einer
Einschleppung von Parasiten durch eingebrachte Mauereidechsen ist nach Untersu-
chungen von BURKE et al. (2007) an den vier verschiedenen amerikanischen Populati-
onen (P. muralis, P. siculus) eher gering. Die Autoren konnten nur eine geringe Anzahl
an Helminthen (Nematoden [Acuariidae], Cestoden) nachweisen. In Deutschland
fehlen derartige Daten. Auch ist nicht bekannt, wie groß die Gefahr einer genetischen
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 151
Infiltration in Regionen ist, in denen eingeschleppte Individuen auf natürliche Be-
stände treffen (Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg).
Auswirkungen auf Zaun- und Waldeidechse
Unbekannt ist, wie sich die ausgesetzten oder eingeschleppten Mauereidechsen zu
syntop vorkommenden Zauneidechsen, seltener Waldeidechsen, verhalten. In der
Regel existiert eine Mikrohabitattrennung von Zaun- und Mauereidechsen-Popula-
tionen bei syntopen Vorkommen an Trockenmauern, die im weiteren Sinne den zent-
ralen Lebensraum von autochthonen P. muralis in Deutschland darstellen. Während
der vertikale Mauerbereich von P. muralis besiedelt wird, bewohnt L. agilis den Mau-
erfuß mit lichter Krautschicht (WAITZMANN 1989, ZIMMERMANN 1989). Durch eine
stärkere Bebauung, Intensivierung der Landwirtschaft und Habitatfragmentierung ist
die Zauneidechse jedoch zunehmend gezwungen, sekundäre degradierte Lebensräu-
me (Bahndämme, Straßenböschungen, Siedlungsbereiche) zu nutzen, die von ausge-
setzten und eingeschleppten Mauereidechsen in hoher Individuendichte besiedelt
werden können (s. Tab. 2). Der Anschluss zahlreicher allochthoner Populationen an
Bahnstrecken ist zudem hinsichtlich einer Ausbreitung über derartige Strukturen
kritisch zu betrachten. Bislang finden sich in der Literatur nur anekdotische Berichte
über eine Konkurrenzsituation zwischen beiden Arten.
Bereits DÜRIGEN bemerkte 1897: »Die flinkere muralis scheint übrigens die langsamere
und plumpere agilis in der That zu verdrängen…«. Nach RICHTER (1994) war die
Zauneidechse im Steinbruch von Ammelshain bei Leipzig noch im Jahr 1992 ausge-
sprochen häufig. Eine intensive Nachsuche 1998/1999 auf dem gesamten Areal durch
STEINICKE (2000) erbrachte jedoch nur 6 adulte Tiere. Im Jahr 2008 konnte keine Zaun-
eidechse entdeckt, aber eine deutliche Ausbreitung der balkanischen P. m. muralis
Abb. 4: Im Steinbruch Ammelshaim bei Leipzig (29) hat die Mauereidechse die Zauneidechse ver-
drängt. Foto: U. SCHULTE.
In the quarry Ammelshaim near Leipzig (29) the wall lizard displaced the sand lizard.
152 SCHULTE, THIESMEIER, MAYER & SCHWEIGER
festgestellt werden (SCHULTE im Druck). In Dortmund (Hohensyburg) und Witten-
Bommern konnte eine starke Ausbreitung allochthoner P. muralis und ein Erlöschen
des Wald- und Zauneidechsenbestandes innerhalb von 10 bzw. 3 Jahren beobachtet
werden (MÜNCH 2001). MOLE (2008) konnte eine Zunahme allochthoner Mauereidech-
sen um 40 % unter gleichzeitiger Abnahme des autochthonen Waldeidechsen-Be-
standes um 75 % zwischen 2002 und 2007 in Dorset, Südengland, beobachten. In Erlau
und Obernzell breiteten sich gebietsfremde P. m. nigriventris in den letzten 10 Jahren
stark aus (ASSMANN 2004). Zugleich sind die Zauneidechsen-Bestände im Siedlungs-
bereich stark rückläufig. Unklar ist, ob eine zunehmende Sukzession und Bebauung,
Prädation durch Katzen oder die Konkurrenzsituation zur Mauereidechse die Ursache
für den Rückgang sind.
Förderlich für eine rasche Ausbreitung der Mauereidechse unter günstigen Klimabe-
dingungen eines Frühsommers/Sommers dürften die im Vergleich zur Zauneidechse
etwas frühere Geschlechtsreife und das schnelle Wachstum der Art sein. Weibchen
der Mauereidechse sind im Alter von 2 Jahren ab einer Kopf-Rumpf-Länge von 49
mm geschlechtsreif (SCHULTE 2008). Dagegen gehen MÄRTENS & STEPHAN (1997) da-
von aus, dass im Alter von 2 Jahren erst 50 % der Weibchen von L. agilis fertil sind.
Nach HAFNER & ZIMMERMANN (2007) sind Zauneidechsen im Alter von 3–4 Jahren
geschlechtsreif. Beide Arten sind während klimatisch günstiger Sommer in der Lage
Mehrfachgelege abzusetzen, wobei der Reproduktionserfolg von P. muralis aufgrund
der weniger weit entwickelten Embryonen in stärkerem Maße vom Klima des Früh-
sommers abhängig ist (Mauereidechse: Stadium 25–29, Zauneidechse: Stadium 30,
Stadium 40 bedeutet Schlupf nach DUFAURE & HUBERTS 1961).
Bei syntopem Vorkommen können beide Arten Nahrungskonkurrenten sein (WAITZ-
MANN 1989). Sowohl Zaun- als auch Mauereidechsen sind Nahrungsopportunisten
mit einer ähnlichen Präferenz für Insekten (BLANKE 2004, SCHULTE 2008). Podarcis
muralis ist jedoch die einzige heimische Eidechse, die mühelos an vertikalen Flächen
klettern kann und eine große Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer schnellen
Bewegungen zeigt. Aufgrund dieser Fähigkeiten könnte die Art der Zauneidechse bei
der Nahrungssuche und -aufnahme überlegen sein. Dagegen kann die bezüglich der
Kopf-Rumpf-Länge um 45 % größere und kräftigere Zauneidechse (größere Beißkraft)
unter Umständen größere und härtere Beute verwerten.
Nach AVERY (1978) müssen Mauereidechsen in der Toskana (P. m. nigriventris) wäh-
rend einer 8-stündigen Aktivitätsphase im Sommer an sonnigen Tagen durchschnitt-
lich alle 24 Minuten Nahrung aufnehmen. Die tägliche massespezifische Nahrungs-
aufnahmerate der Art ist in Mittelitalien aufgrund der höheren Körpertemperatur, der
generell größeren Aktivität und der längeren Aktivitätsphase um 50–59 % höher als
die britischer Waldeidechsen. Die jährliche Nahrungsaufnahmerate ist sogar um ca.
140 % höher als die von Z. vivipara. Auch wenn die Nahrungsaufnahmerate in
Deutschland lebender P. m. nigriventris vermutlich niedriger ist, so kann dennoch von
einem im Vergleich zur Waldeidechse größeren Nahrungsbedarf der eingeschleppten
Tiere ausgegangen werden.
Generell profitiert die Mauereidechse in der Nutzung verschiedener Ressourcen
(Nahrung, Sonn- und Eiablageplätze) durch ihre länger andauernde jährliche Aktivi-
tätszeit (Mauereidechse: 8–9 Monate, Zauneidechse: 7 maximal bis zu 9 Monaten,
Allochthone Vorkommen der Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland 153
HAFNER & ZIMMERMANN 2007) und ausgeprägte Territorialität. Insbesondere die
Männchen der Mauereidechse zeigen eine starke Territorialität gegenüber männlichen
Artgenossen und verhalten sich besonders aggressiv gegenüber ortsungebundenen
Männchen, die in einzelne Reviere eindringen (EDSMAN 1990). Dagegen gibt es keine
Belege für die Verteidigung eines Raumes bei der Zauneidechse. Essentielle Ressour-
cen wie Weibchen oder Nagerbauten werden jedoch zeitweise verteidigt (BLANKE
2004). Eine Art übergreifende Aggressivität in Interaktionen mit L. agilis konnte be-
reits von BENDER (pers. Mitt. in DEICHSEL & GIST 2001) beobachtet werden. Nicht
geklärt ist, ob Unterschiede in der Territorialität und Aggressivität der einzelnen
Unterarten von P. muralis bestehen.
Trotz ihrer stärker ausgeprägten Territorialität kann die Mauereidechse, aufgrund
kleinerer vertikal ausgerichteter Aktionsräume (15–50 m2), in geeigneten Lebensräu-
men eine größere Individuendichte als die Zauneidechse (sehr variabel, 4–790 m2,
BLANKE 2004) ausbilden. So kann vermutet werden, dass die Art innerhalb einer recht
kurzen Zeit einen Lebensraum »überschwemmen« kann. In allochthonen Populatio-
nen in Cincinnati, Ohio und Ammelshain bei Leipzig verkleinerte die Mauereidechse
sogar ihre individuellen Aktionsräume (Cincinnati: 5–15 m2, Ammelshain: 0,3–20 m2)
aufgrund sehr hoher Individuendichten (Cincinnati: –1 250 Ind./ha, Ammelshain: –3
Ind./m2) (BROWN et al. 1995, STEINICKE 2000). Derartig hohe Abundanzen sind vermut-
lich mit einer sehr guten Qualität der Lebensräume zu begründen. Darüber hinaus
konnte in der Cincinnati-Population in Folge langer Isolation eine Anpassung an den
limitierten optimalen Lebensraum in Form einer Auflösung des arttypischen Territo-
rialverhaltens hin zu einem hierarchischen Dominanz-System beobachtet werden.
Da bereits zahlreiche Mischvorkommen allochthoner Mauereidechsen unterschiedli-
cher Unterarten und autochthoner Zauneidechsen existieren, und die mediterran
geprägte Mauereidechse durch die steigenden Durchschnittstemperaturen zusätzlich
profitieren könnte, ist durch eine Risikoabschätzung zu klären, ob die Mauereidechse
die Zauneidechse negativ beeinflusst. Daten zu den Auswirkungen gebietsfremder
Mauereidechsen auf indigene Arten sowie zur Ausbreitungsdynamik der Mauereid-
echse wären nicht zuletzt für den rechtlichen Umgang mit beiden streng geschützten
FFH-Arten unbedingt erforderlich.
Danksagung
Allen eingangs erwähnten Informanten sei herzlich gedankt. Ohne die zahlreichen detaillierten
Informationen der Kolleginnen und Kollegen wäre diese Zusammenstellung nicht möglich
gewesen. Besonderer Dank geht an GUNTRAM DEICHSEL und ANGELIKA und SIEGFRIED TROIDL,
die sich bereits lange mit der Thematik befassen.
Literatur
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ASSMANN, O. (2004): Nachtrag von OTTO ASSMANN zum Bericht von ANGELIKA & SIEGFRIED TROIDL:
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Eingangsdatum: 10.7.2008