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Actas X Congr. Int. Aracnol. Jaca/España, 1986. I: 289-310
DIE GROSSGLIEDERUNG DER OPILIONES
UND DIE EVOLUTION DER ORDNUNG (ARACHNIDA)
JOCHEN MARTENS*
MERKMALE UND KLASSIFIKATION
Wollen wir eine Tiergruppe nicht nur klassifizieren, sondern ihre Teilgruppen korrekt in
ihren phylogenetischen Beziehungen erkennen, so sind an die verwendeten Merkmale bestimmte
Anforderungen zu stellen. Sie müssen uns erlauben, monophyletische Einheiten nachzuweisen,
die allein wir dem System zugrunde legen dürfen. Geht es um die basalen Verzweigungen einer
Tiergruppe, aufwärts bis zum Familien-Niveau, sind die Charaktere so zu fassen, dass sie
Strukturen aufweisen, die in der frühen Evolution der Gruppe entstanden sind und die im Laufe
der weiteren Entwicklung wenig "anfällig" für Veränderungen geblieben sind. Bei vielen
Arthropoden hat sich der Genitalapparat als Träger überaus strukturreicher Merkmale erwiesen,
dem hoher Aussagewert für taxonomische und phylogenetische Erwägungen zukommt, —
einerlei, ob innere, vom äusseren Milieu abgeschirmte Bauelemente vorliegen oder ob sie als
Gonopoden frei zugänglich sind. Schon LOMAN (1903) erkannte im Genitalapparat der
Opiliones wichtige Hinweise für phylogenetische Erwägungen.
Welche Phasen durchlief das System der Opiliones? Im wesentlichen lassen sich 2 Perioden
unterscheiden. In einer frühen Phase wurden die Unterordnungen (UO) erstellt (THORELL,
1876; SIMON, 1879), die bis heute akzeptiert sind. Gleichzeitig und darauf folgend errichtete
man die Taxa der Familiengruppe, und dieser Prozess ist auch heute noch nicht abgeschlossen.
Fast ausschliesslich stützten Merkmale der äusseren Morphologie die Gliederungsvorschläge, so
noch bei ŠILHAVÝ (1961). Es hat sich mehrfach gezeigt, dass die Forderung nach
monophyletischen Einheiten mit dieser Arbeitsweise schwerlich erfüllbar war.
In der späteren Phase, beginnend mit ŠILHAVÝ (1938), wird der d-Genitalmorphologie
stärkere Beachtung geschenkt, — doch hauptsächlich, um Taxa auf dem Spezies—und allenfalls
Genus-Niveau zu umreissen. Hier hat sich diese Arbeitsweise ausserordentlich bewährt; sie ist
heute unentbehrlich. Obwohl nach und nach erhebliche Unterschiede in der Penis-Morphologie
bei Arten verschiedener Familien bekannt wurden, hat noch ŠILHAVÝ (1961) für seinen
Vorschlag des Opiliones-Systems keinen Gebrauch von dieser Informationsquelle gemacht.
Auch bis heute wurde nur in Einzelfällen versucht, Funktionsweisen soweit herauszuarbeiten
und zu generalisieren, dass sie sich zur Umgrenzung von Familien eignen (MARTENS, 1976;
1977; 1978a). Noch viel weniger beachtete man die Ovipositores, da sie äusserlich besonders
merkmalsarm erscheinen, doch zeigte sich, dass der innere Bau durchaus weiterführen kann
(MARTENS & al., 1981). In dieser Arbeit soll dargestellt werden, ob und mit welcher Schärfe
der Aussage der Bau von Penes und Ovipositores für die Grossgliederung der Opiliones
herangezogen werden kann.
*Institut für Zoologie der Universität Mainz, Saarstr. 21, D-6500 Mainz, Bundesrepublik
Deutschland.
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Abb. 1. Ovipositores. a) Querschnitt, Travuniidae, Peltonychia clavigera (SIMON); b) Laniatores,
Innenskelet mit kreuzförmiger Vagina, Ringfalte und Receptacula seminis; c-d) Lage der
Receptacula seminis in der Ringfalte: basal im Endoskelet eingelassen und als dorsale
Ausstülpung; e) Gonyleptoidea-Ovipositor, Lage der Ringfalte und Receptacula; f-i)
Längsschnitte: f: Sironoidea, Siro duricorius (JOSEPH), g: Troguloidea, Dicranolasma scabrum
(HERBST), h: rechte Ovipositor-Hälfte, Schema, Travunioidea, i: Phalangodidae (nach
MARTENS & al., 1981).
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DER GENITALAPPARAT
Zwei Anteile sind zu unterscheiden: 1) der innere mesodermale mit Testes] Ovar, ableitenden
Kanälen (Vas deferens bzw. Ovidukt mit Uterus internus), 2) der äussere ektodermale aus einem
Chitinrohr (♂: Penis, ♀: Ovipositor), in das ein weiterer Kanal eingesenkt ist (♂: Uterus
externus, ♀: Vagina, Abb. 1 a, b, g). Penis und Ovipositor sind lagegleiche Organe, die immer,
ausser bei Kopulation und Eiablage, unter der Körperoberfläche verborgen sind. Beide Organe
erfüllen ganz verschiedene Aufgaben. Ihre Evolution kann somit, den jeweiligen Erfordernissen
angemessen, unterschiedlich verlaufen sein, —progressiver und stärker zur Typenbildung
neigend das eine, konservativer das andere. Tatsächlich finden wir deutlich mehr Penis- als
Ovipositor-Typen, besonders wenn wir die Funktionsweisen einbeziehen. Folglich können bei
weitgehend übereinstimmendem Bau der Legeröhren ganz verschiedene Penis-Typen auftreten.
Somit ergeben sich 2 Raster, die wir für System und Evolution miteinander zur Deckung bringen
müssen: ein grobes mit wenigen Ovipositor-Typen, ein feines mit zahlreichen Penis-Typen.
Penes: Muskulatur im Truncus wirkt stark auf die Beweglichkeit der distalen Glans ein. Wir
unterscheiden solche mit 3 (Cyphophthalmi), 2 (Palpatores: Troguloidea), 1 (Palpatores ausser
Troguloidea, Laniatores: Travunioidea) und solche ohne Muskeln (Laniatores: Gonyleptoidea,
Oncopodoidea).
Ovipositores: in Ringe gegliedert, "segmentiert" (Cyphophthalmi, Palpatores: Phalangioidea,
Caddoidea, Abb. 1f) und äusserlich homogen ungegliedert mit minimalen Differenzierungen im
distalen Mündungsbereich (Palpatores: Ischyropsalidoidea, Troguloidea, alle Laniatores; Abb.
1g, h, i).
Vordergründig ergibt sich keine Parallelisierung der 3 anerkannten UO (Cyphophthalmi,
Palpatores, Laniatores) durch Penis- und Ovipositor-Merkmale.
GLIEDERUNG IN UNTERORDNUNGEN
Die 3 traditionellen UO sind darauf zu prüfen, ob Schwestergruppenverhältnisse nachweisbar
sind, folglich engere Verwandtschaft zwischen zweien der UO besteht. Die eindringlichsten
Hinweise geben die Ovipositores, die bei Cyphophthalmi und Teilgruppen der Palpatores fast
völlig übereinstimmen. Sie sind in zahlreiche Halbringe bzw. Ringe gegliedert und distal mit
komplizierten Sensillen besetzt. Konvergente Entwicklung dieses (im Vergleich zu primär
ungegliederten Ovipositores) als stark apomorph geltenden Organs ist wenig wahrscheinlich.
Vielmehr ist diese weitgehende Übereinstimmung als Synapomorphie der Cyphophthalmi und
der entsprechenden Teilgruppen der Palpatores zu werten (Cyphophthalmi und
Phalangioidea/Caddoidea). Deren nahe Verwandtschaft ist somit evident. Auf dieser Einsicht
gründet das Taxon Cyphopalpatores, das Cyphophthalmi und Palpatores vereinigt (MARTENS,
1980; MARTENS & al., 1981, vgl. auch HOHEISEL, 1980; SHEAR & GRUBER, 1983; Abb.
15). Auffallenderweise besitzen nicht alle Teilgruppen der Palpatores gegliederte Legeröhren; sie
fehlen den Troguloidea und Ischyropsalidoidea und sind somit nicht unmittelbar an die
Phalangioidea/Caddoidea anzuschliessen (Abb. 15). Doch liess sich an 3 Familien der
Troguloidea nachweisen, dass die Längsmuskulatur des Ovipositors eine alte Ringgliederung
anzeigt. Diese inseriert an Resten der ehemals vollen Ringe, aussen ferner Sensillen (vgl. Abb.
1g). Bei der letzten Teilgruppe der Palpatores, den Ischyropsalidoidea, sind selbst Reste einer
Segmentierung nicht mehr nachweisbar; sie ist offenbar völlig verlorengegangen.
In den Penis-Strukturen herrscht wesentlich grössere Vielgestaltigkeit, und es ist nicht
möglich, die "Cyphopalpatores" auch mittels der Penes zu begründen. Die Cyphophthalmi haben
komplizierte Penes mit Greifhaken und mindestens 3 Muskelportionen (Abb. 12), die
Troguloidea 2, die übrigen Palpatores je einen Muskel. Die funktionellen Unterschiede,
einhergehend mit verschiedener Muskelausstattung, sind evident (vgl. Abb. 15).
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Alle Laniatores haben ungegliedert glatte Legeröhren (Abb. 1e, h, i), und es gibt keinen
Hinweis darauf, dass sie sich von gegliederten ableiten könnten. Die inneren Strukturen sind bei
allen untersuchten Familien einheitlich und kompliziert (Abb. la, b): Die Vagina ist mit kräftiger
Kutikula ausgesteift, kreuzförmig aufgegliedert und von tiefer Ringfalte umfasst, in die die
Receptacula seminis eingelassen sind. Wir haben es mit einer Synapomorphie zu tun, die auf dem
Familien-Niveau nur geringe Variation zulässt, meist hinsichtlich der Zahl und Lage der
Rezeptakel und der Muskelausstattung. Nach dem Bau des Ovipositors sind die Laniatores als
klar umrissene monophyletische Gruppe anzusehen.
Der Bau des Laniatores-Penis ist wesentlich vielgestaltiger. Er teilt die UO in 2 Gruppen:
Travunioidea mit Penis-Muskel, Gonyleptoidea und Oncopodoidea muskellos. Bei diesen beiden
ÜF vermag Hämolymphdruck hydraulisch komplizierte Sklerit— und Membran-Strukturen zu
entfalten. Neben jenen der Cyphophthalmi finden wir hier die kompliziertesten Organe,
vergleichbar den Bulbi der Araneae. Sehr wahrscheinlich sind muskellose Penes nur einmal
entstanden, worauf die Legeröhren einen Hinweis geben: allen Travunioidea (mit dem
plesiomorphen Penis-Muskel) fehlt die innere Längsmuskulatur des Ovipositors (Abb. la, h), das
wiederum ist offensichtlich ein apomorphes Merk-mal. Diese Muskulatur ist bei den
Gonyleptoidea/Oncopodoidea vorhanden (plesiomorph), dagegen fehlt diesen der Penis-Muskel
(apomorph).
Rückblickend können wir feststellen, dass die bisher gängige Dreiteilung der Opiliones in
UO nur vordergründig richtig ist. Die 9-Genitalmorphologie weist aus, dass 2 eine
monophyletische Einheit bilden, die Cyphopalpatores. Merkmale der Ovipositores erlauben,
basale Verzweigungen zu erkennen und die "Lesrichtung" der weiteren Entwicklung
festzulegen. Das ♂-Organ erlaubt feiner differenzierte Aussagen.
GLIEDERUNG IN ÜBERFAMILIEN UND FAMILIEN
Die Kriterien für sie sind wenig definiert. Bislang waren hauptsächlich äussere Merk-male
ausschlaggebend: äusserer Habitus, Scuta-Bildungen, Pedipalpen-Bewehrung, Tarsalgliederung
der Laufbeine etc. Sie erlauben innerhalb der UO korrekte Zuweisung, doch drohen sie schon
auf dem Familien-Niveau zu versagen. Konvergenzen verschleiern verwandtschaftliche
Beziehungen leicht (vgl. SHEAR & GRUBER 1983: 8-9).
ROEWER (1923) erkannte 12 Familien an, denen er 46 Unterfamilien (UF) zuordnete.
ŠILHAVÝ (1961) akzeptierte 17 Familien. Wahrscheinlich zu Recht besteht heute die Tendenz,
vermehrt Taxa auf das Familien-Niveau zu heben. Die Monophylie mancher UF wurde ermittelt,
vor allem innerhalb der Laniatores. Überdies gelang es, neue Spezies-Gruppen zu entdecken,
denen Familienrang zuzuerkennen war: Synthetonychidae (Neuseeland, FORSTER, 1954),
Agoristenidae (Karibik, ŠILHAVÝ, 1973), Pentanychidae (westl. N-Amerika, BRIGGS, 1971a),
Fissiphalliidae (nördl. S-Amerika, MARTENS, 1987a), so dass je nach Autor 25-30 Familien als
valid anzusehen sind. Gibt es genitalmorphologische Kriterien, mit denen Familienrang definiert
werden kann? Wir müssen nach wenig veränderlichen, auch funktionellen Aspekten fahnden
und versuchen, Grundmuster zu erkennen, zu werten und ihre Varianten aus der Betrachtung
auszuschliessen.
Laniatores
Es werden 3 ÜF unterschieden: Travunioidea, Gonyleptoidea, Oncopodoidea. Die Gruppen
wurden z.T. von KRATOCHVIL (1958) errichtet, z.T. von ŠILHAVÝ (1961) auf dem UO-
Niveau weitergeführt (vgl. MARTENS, 1978b; 1980). Die UO Laniatores wird hier
ausführlicher behandelt, da die Familiengliederung noch wenig durchgearbeitet ist.
TRAVUNIOIDEA: Ihren Familien fehlt die innere Längsmuskulatur des Ovipositors (Abb.
la, h; untersucht bei Cladonychiidae und Travuniidea). Diese Synapomorphie kennzeichnet die
ÜF als monophyletisch. Der Penis weist immer eine endständig distale Glans auf, die vom
Truncus-Muskel bewegt wird, immer ventrad. Der Muskel kann den
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Abb. 2. Triaenonychidae, distaler Truncus und Glans von lateral. a) afrikanische und australische
Gattungen, b) neuseeländische und N-amerikanische Gattungen, Synthetonychidae, c) Nippononychus
SUZUKI, d) Kainonychus SUZUKI, e) Paranonychus BRIGGS, Mutsunonychus SUZUKI.
ganzen Truncus ausfüllen (Triaenonychidae, Synthetonychidae) oder auf den basalen Teil
beschränkt sein (Travuniidae, Cladonychiidae). Dieses Muskel-Sehnen-System lässt keine grosse
Variabilität der Arbeitsweise der Glans zu. Folglich besteht die Tendenz, die Glans zu einer
einfachen Platte zu reduzieren (Abb. 4 a-h). Die kompliziertesten Glans-Formen werden als die
ursprünglichsten angesehen, Vereinfachungen als abgeleitet.
Triaenonychidae (Abb. 2 a-e): Der Truncus ist massig untersetzt und ganz mit Muskeln
ausgefüllt, die Glans kompliziert strukturiert, ebenso der Truncus distal. Die voll-ständige
Armatur umfasst folgende Teile (Abb 2a). 2 dorso-laterale Platten (gehören zum Truncus), 2
dorsale-Platten, Stylus (mit Öffnung des Samenkanals, meist der längste Anteil), 1 ventraler
Sensillenträger (oft median geteilt). Arten australischer (HUNT, 1985) und S-afrikanischer
(KAURI, 1961) Gattungen sind derart ausgestattet. Reduktionen dieses Grundmusters sind
vielfältig: Die dorso-laterale Platte kann fehlen (Yuria Suzuki), andererseits die dorsale(n)
Platte(n) bei Verkleinerung der dorso-lateralen verschwinden (Gattungen aus Neuseeland,
FORSTER, 1954; Abb. 2b), ferner bei den japanischen (SUZUKI, 1975a) und N-amerikanischen
Gattungen (BRIGGS, 1971b; SHEAR, 1977), bei denen weitere Vereinfachungen auftreten:
dorso-laterale Platten stark reduziert oder ventrad verschoben (Kaolinonychus Suzuki,
Metanonychus Briggs) oder ganz fehlend (Kainonychus Suzuki, Mutsunonychus Suzuki,
Paranonychus Briggs). Der Sensillenträger tendiert ebenfalls zur Reduktion und verschwindet.
Dann inserieren dessen Sensillen an der Basis des Stylus (Nippononychus Suzuki u.a. Gattungen,
Abb. 2c) und wandern im Extremfall an die Spitze der Glans (Paranonychus, Mutsunonychus,
Abb. 2e). Ferner kann sich das Stylus-Glied aufspalten in das eigentliche Stylus-Rohr und den
verbleibenden Stylushalter, an dessen Basis nun das Stylus-Rohr inseriert (Kainonychus, Abb.
2d). Die einzelnen Reduktionsformen scheinen stark regional gebunden zu sein; vollständige
Ausprägung kommt nur auf der S-Halbkugel vor (Australien, S-Afrika). Die japanische Fauna ist
besonders stark diversifiziert. Die Pentanychidae (BRIGGS, 1971a) sind von den
Triaenonychidae genitalmorphologisch nicht zu trennen.
Synthetonychidae: Sie sind den Triaenonychidae in der ♂-Genitalmorphologie sehr
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Abb. 3. Synthetonychidae. a-c) distaler Truncus und Glans von dorsal, ventral und lateral, d)
Penis von lateral, e) Habitus (Neuseeland, Taumutu).
ähnlich (Abb. 3a-d). Möglicherweise ist die Familie ein Seitenzweig der neuseeländischen
Triaenonychidae, mit denen sie den Reduktionsgrad in der Glans-Armatur teilen. Status als
eigene Familie, der grossenteils auf dem aberranten Habitus beruht, ist wahrscheinlich nicht
gerechtfertigt (Abb. 3e).
Travuniidae: Penis-Muskulatur auf die Truncus-Basis beschränkt und darin stark
apomorph (S-Europa, westl. N-Amerika); Glans als einfache Platte (Abb. 4a-d; vgl. jedoch
abweichende Verhältnisse bei der extrem kavernikol-abgeleiteten Gattung Dinaria Hadzi
(MARTENS, 1976). Nur dieses Muskel-Merkmal trennt sie von spezialisierten japanisch/N-
amerikanischen Triaenonychidae (Mutsunonychus, Paranonychus, Abb. 2e), die voll-
muskularisierten Penis haben. Travuniidae aus Japan (SUZUKI 1975b) gehören nach diesen
Erwägungen zu Triaenonychidae mit vergleichsweise komplexer Glans-Struktur (Abb. 2a, jedoch
ohne dorso-laterale Platte).
Cladonychiidae (syn. Erebomastridae): Truncus-Glans-Muskel ganz ähnlich den
Travuniidae und auf Familienbasis nach bisheriger Kenntnis kaum trennbar. Beide sind an
der Bekrallung der Laufbeine III und IV zu differenzieren. In beiden Familien liegen stark
apomorphe Verhältnisse vor, die zu morphologisch wie funktionell überaus ähnlichen
Strukturen führten (einfache Glans, Muskulatur auf die Basis beschränkt, Abb. 4 e-h).
GONYLEPTOIDEA/ONCOPODOIDEA: Keine ihrer Familien besitzt Penis-
Muskulatur, und dieser Verlust, der offensichtlich nur einmal eintrat, hat neue funktionelle
Möglich-
294
Abb. 4. Travuniidae, Cladonychiidae. a-d) Travuniidae a-b: Penis von ventral und lateral; c-d: distaler
Truncus und Glans von ventral und lateral (Peltonychia postumicola). a-h) Cladonychiidae e-f: Penis von
ventral und lateral, g-h: distaler Truncus und Glans von ventral und lateral (Holoscotolemon unicolor
ROEWER). (nach MARTENS, 1978).
keiten eröffnet. Distale Teile des Penis lassen sich nun hydraulisch mittels Hämolymph-Druck
bewegen. Dazu werden membranöse Teile benötigt, die dem Binnendruck nach-geben und die
Hartteile auseinanderzufalten vermögen. Durch diese Bewegung wird der Stylus freigelegt. Bei
den stark evoluierten Penes ist er in Ruhehaltung völlig zwischen beweglichen Teilen verborgen.
Eine klare Trennung in basalen Truncus und distale Glans ist in vielen Fällen nicht mehr
möglich.
Als plesiomorph werden solche Penis-Formen angesehen, bei denen "Glans" mit Stylus
exponiert weit distal am Truncus stehen und bereits in dieser Stellung Samenübertragung
möglich ist. Hydraulische Bewegung spielt nur geringe Rolle (Gonyleptidae, Cosmetidae),
Stärker abgeleitet sind solche, bei denen erst Binnendruck die Stylus-Öffnung in eine Lage
bringt, die zur Spermaübertragung geeignet ist (Phalangodidae, Assamiidae). Im Extremfall
erfordern sie auch Lageveränderungen von distalen Truncus-Teilen (Podoctidae, Biantidae,
Fissiphalliidae).
Es erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass die unterschiedlichen funktionellen Systeme
der Gonyleptoidea-Penes frühzeitig in der Evolution entstanden sind. Sie haben sich seither nur
graduell verändert, und sie sind offenbar gut geeignet, monophyletische Einheiten auf dem
Familien-Niveau zu umreissen. Erst die funktionelle Betrachtung offenbart, dass innerhalb der
Gonyleptoidea grosse genitalmorphologische Unterschiede bestehen, die hohen evolutiven
Aussagewert haben.
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Abb. 5. Gonyleptidae, Cosmetidae. a-b) Gonyleptidae; a: distaler Truncus und Glans von lateral; b:
von dorsal. c-d) Cosmetidae; c: distaler Truncus von lateral, d: von dorsal.
Abb. 6. Phalangodidae. a) distaler Truncus und Glans von dorsal, b-c) von lateral; c: Glans partiell
expandiert.
Gonyleptidae: Subdistal am Truncus ein grosser ventraler Sklerit, in der Höhe fast die
Truncus-Spitze erreichend. In diesem Glans-Sklerit ist der Stylus beweglich in eine
Membran eingehängt; dieser erscheint massig und kräftig sklerotisiert. Hydraulische
Bewegungen sind wenig ausgeprägt (Abb. 5 a-b).
Cosmetidae: Ahnlich Gonyleptidae; Glans-Teil stärker abgesetzt, Truncus-Spitze bei
weitem nicht erreichend. Der Stylus ist lang und überragt die Truncus-Spitze. Auch in
296
diesem Fall werden Glans und Stylus durch Hämolymphdruck nur unwesentlich bewegt. Nach
Konstruktion und Funktion sind beide Familien nahezu gleich und vermutlich nahe miteinander
verwandt (Abb. 5c-d) (vgl. ŠILHAVÝ, 1966a).
Phalangodidae: Die Familie mit ihren zahlreichen UF (12 bei ROEWER, 1923) ist
offensichtlich polyphyletisch. Einige UF wurden bereits aufgewertet (Biantidae, Podoctidae).
Will man die Familie auf eine monophyletische Einheit begrenzen, so ist sie wahrscheinlich auf
wenige Gattungen der temperierten N-Halbkugel einzuengen. Diese sind genitalmorphologisch
gut zu umreissen (Abb. 6): Dem Truncus-Rohr sitzt dorso-subdistal eine teils sklerotisierte, teils
membranöse Glans gelenkig an. Hydraulisch verändert sie ihre Lage um fast 1800 von basad
nun nach distad weisend und exponiert die Stylus-Öffnung. Dem entsprechen z.B. Scotolemon
Simon (MARTENS & LINGNAU, 1985, Van der HAMMEN, 1985), Banksula Roewer
(BRIGGS, 1974), Sitalcina Banks (BRIGGS, 1968). Die Nominatgattung Phalangodes
Tellkampf bleibt erneut zu untersuchen (vgl. BRIGGS, 1974).
Oncopodidae: Sie schliessen sich funktionell eng an die Phalangodidae an: Eine basad
geklappte Glans wird hydraulisch aufgerichtet, wenigstens in rechtem Winkel zum Truncus.
Der Glans-Bau ist für die Familie typisch (Abb. 7): Der lange gekrümmte Stylus ragt aus einer
ovalen Öffnung, die durch 2 kräftige dorsad gekrümmte Haken flankiert wird. Variabilität der
beiden untersuchten Gattungen Oncopus Thorell und Pelitnus Thorell äusserst gering (vgl.
SUZUKI, 1969; MARTENS, 1977 mit Abb. 7a-b).
Abb. 7. Oncopodidae. a-b) distaler Truncus und Glans von dorsal und lateral, partiell expandiert).
Assamiidae (Abb. 8): Der expandierbare Glans-Teil ist dorsosubdistal in den Truncus
eingelassen. Er besteht aus einem steifen Zylinder, der dem Truncus gelenkig aufsitzt und mit
dessen Lumen kommuniziert. Der Zylinder ist distal offen und innen mit einer stachelig-warzigen
Membran ausgekleidet ("Stacheltrichter"). An der Basis des Trichters lenkt der Stylus ein und
erreicht das Niveau der Trichter-Offnung. Binnendruck stülpt die Membran des Trichters nach
aussen, zugleich fährt der Stylus distad, der schliesslich das Truncus-Ende weit überragt (Abb. 8
b, d). Diese Arbeitsweise der beweglichen Teile ist
297
r
T a
Abb. 8. Assamiidae. a-b) distaler Truncus und Glans von dorsal, c-d) von lateral; b und d: expandiert. (c-d
nach MARTENS, 1977).
Abb. 9. Biantidae. a und c) distaler Truncus und Glans von lateral, b und d) von dorsal, e) Querschnitt,
Ruhehaltung; a und b: expandiert. (nach MARTENS, 1978a).
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Abb. 10. Fissiphalliidae. a-c) Penis von dorsal und lateral; c: expandiert, d-e) Querschnitte, e: expandiert
bei den Arten aus SO-Asien (MARTENS, 1977; SUZUKI, 1985), S-Afrika (KAURI, 1961) und
Australien einheitlich.
Biantidae: In die dorso-subdistale Truncus-Öffnung ist ein System von mässig sklero-
tisierten Strukturen versenkt, die den Stylus umgreifen: 1 Paar dorsaler Konduktoren, 1 Paar
meist membranöser Titillatoren. Unter Binnendruck schieben sich die Konduktoren distad vor,
sie führen den Stylus mit und geben ihn frei. Die Titillatoren werden basad umgeklappt und
gebläht. Das System arbeitet als Einheit, da Konduktoren und Titillatoren untereinander und mit
dem Truncus-Hämolymphraum in Verbindung stehen (Abb. 9 a-e). Die Gattungen aus Asien
(MARTENS, 1978a), S-Afrika (KAURI, 1961) und aus der Karibik (ŠILHAVÝ, 1973;
MARTENS, rev.) sind in der Bauweise einheitlich. Andere mussten aus der Familie
ausgeschieden werden (vgl. MARTENS, 1978a).
Fissiphalliidae: Der Truncus ist horizontal tief gespalten, maximal bis zu 2 Drittel seiner
Länge. Der kürzere dorsale Ast lenkt beweglich in den Hauptast ein. Erhöhung des
Körperbinnendruckes bläht einen Schwelkörper an der Basis des dorsalen Astes. Er spreizt den
beweglichen Ast ab und legt den ungewöhnlich langen Stylus frei, hebt ihn aber nicht über die
Truncusspitze hinaus (Abb. 10 a-e). Diese neue Familie (MARTENS, 1987a) lebt im
nördlichen S-Amerika.
Podoctidae: Der Glans-Truncus-Bereich ist stark strukturiert, die Einzelteile auffallend
lageveränderlich. Details sind nur erkennbar, wenn sie expandiert sind (Abb. 11 e-f). Die Glans
besteht aus dem Lamellensack, in dem basal der Stylus inseriert. Der Lamellen-sack selbst trägt
2 Spangen, die ihm in Ruhehaltung anliegen. Der distale Truncus ist ventral in 2 Valven
aufgegliedert. An der Basis der Valven und an den Lamellensack-Spangen liegt ein blähbarer
Schwellkörper. Wird das Glans-Truncus-System hydraulisch belastet, drückt der Schwellkörper
den Lamellensack nach aussen (dorsad, Abb. 11 e). Dessen Spangen spreizen sich ab, spannen
sich zwischen die Valven und drücken sie
299
Abb. 11. Podoctidae. a) Penis von lateral, b-d) distaler Truncus und Glans von lateral, dorsal und ventral,
Ruhehaltung; e-f) distaler Truncus und Glans expandiert, von lateral und ventral, g-h) Quer-schnitte, h:
expandiert.
ventrad und laterad. Bei dieser Bewegung wird der Stylus distad ausgefahren. Variabilität in
diesem Grundmuster scheint gering zu sein, und es schliesst sogar die einzige Gattung aus der
Neuen Welt, Ibantila Šilhavý, ein (ŠILHAVÝ, 1969). Lediglich SUZUKI (1977) bildet
philippinische Ibalonius-Arten ab, deren distaler Truncus nicht in Valven aufgegliedert ist.
Cyphophthalmi
Traditionell wurde bisher eine Familie, Sironidae, mit 2 UF, Sironinae und Stylocellinae,
unterschieden, SHEAR (1980) macht den Versuch, die UO mit phylogenetischcladistischen
Argumenten aufzugliedern. Er erkennt 5 Familien an: Sironidae (Europa, Japan, N-Amerika),
Pettalidae (S-Afrika, Sri Lanka, Neuseeland, Australien, Chile), Stylocellidae (Sumatra, Java,
Borneo, Celebes, Malayische Halbinsel, NO-Indien), Ogoveidae (W-Afrika, nördl. S-Amerika),
Neogoveidae (W-Afrika, S-Amerika, Mexico). Merkmale der d-Genitalmorphologie spielen bei
den Familien-Definitionen eine Rolle, doch ist der funk-
300
Abb. 12. Cyphophthalmi. a-c) Stylocellidae, Penis von dorsal, ventral und lateral; Stylocellus sp.
(Malaysia: Kuala Lumpur); d-f) Neogoveidae, Penis von dorsal, ventral und lateral (Neogovea
immsi HIN-TON); g) Sironidae, Penis von dorsal; Siro duricorius (JOSEPH). (d-f nach
MARTENS, 1969; g nach MARTENS, 1978b).
301
tionelle Aspekt bisher kaum gewürdigt (Abb. 12). Der kurze, meist stark dorso-ventral
abgeflachte Penis ist reich muskularisiert. 3 Portionen als Minimum sind erkennbar (MARTENS,
1976; 1978b). Bisher gibt es keine Vorstellungen darüber, wie sie arbeiten. Hydraulische
Eigenschaften spielen keine oder höchstens untergeordnete Rolle. Inwieweit tatsächlich
familienkennzeichnende Merkmale nachweisbar sind, werden histologisch-anatomische Arbeiten
erweisen. Auf die engen Beziehungen der Cyphophthalmi zu den Palpatores, die sich im
Ovipositor-Bau nachweisen lassen, wurde schon hingewiesen (Abb. 1 f).
Palpatores
Mit dem Bau der Ovipositores lassen sich leicht Grossgruppen ausgrenzen (MARTENS,
1978b; MARTENS & al., 1981): Solche mit gegliederten (wie bei den Cyphophthalmi, Abb. 1 f)
und solche mit ungegliedert glatten (Abb. 1e, g-i). Die äusserlich ungegliederten erweist ihr
innerer Bau als deutlich differenziert, — im Einklang mit der bestehenden Einteilung in ÜF:
Somit ergibt sich:
—
—
In Ringe gegliederte Ovipositores: Phalangioidea, Caddoidea (Definition der ÜF durch
SHEAR, 1975).
Ungegliederte Ovipositores mit innerer Rest-Gliederung: Troguloidea (Definition durch
SHEAR, 1975, fortgeführt durch MARTENS 1976).
— Ungegliederte Ovipositores ohne innere Rest-Gliederung: Ischyropsalidoidea (Definition
durch MARTENS, 1976).
Dyspnoi und Eupnoi, die früher zur Untergliederung der Palpatores verwendet wurden, haben sich z.T.
als polyphyletische Gruppierungen erwiesen. SHEAR (1975) und MARTENS (1976) haben
Abb. 13. Ischyropsalidoidea. a-c) Ischyropsalididae, Penis von ventral und lateral, c: Muskel kontrahiert,
Glans angewinkelt. d-f) Sabaconidae, Penis von ventral und lateral f: Muskel kontrahiert, distaler Truncus
und Stylus doppelt verwinkelt. (e-f nach MARTENS, 1983).
302
sie in die oben genannten ÜF aufgelöst, die den verwandtschaftlichen Beziehungen viel besser gerecht
werden.
Diese klare Untermauerung der Palpatores-Gliederung auch durch die Ovipositores, die
SHEAR (1975) und MARTENS (1976) noch gar nicht bekannt war, lässt sich zusätzlich durch
die Penis-Strukturen stützen. Klammert man Aspekte der Feinstruktur und der Funktion
zunächst aus, ist eine Zwei-Gliederung erkennbar:
a)
b)
—
—
1 Muskel im Truncus-Rohr, der über 1 mediane Sehne an der Glans ansetzt: Pha-
langioidea, Caddoidea, Ischyropsalidoidea (Abb. 13 b, e).
2 Muskeln im Truncus-Rohr, die über je 1 Sehne seitlich an der Glans ansetzen:
Troguloidea (Abb. 141).
Funktionale Betrachtungsweise zeigt, dass die einmuskeligen Penes nochmals zu
differenzieren sind:
In Ruhehaltung ist die Glans in Längsrichtung des Truncus gestreckt. Die Sehne setzt
ventral wenig distal eines membranösen Gelenkfeldes an der Glans-Basis an. Sehnenzug winkelt
die Glans ventrad ab (Ischyropsalididae, Abb. 13 c) oder versetzt sie durch zweifache Biegung
parallel zur Truncus-Achse (Sabaconidae, Abb. 13 f). Biegesteife Zonen auf der Dorsalseite des
Truncus führen die Glans in die Ausgangslage zurück, wenn der Zug nachlässt.
— In Ruhehaltung ist die Glans unterschiedlich dorsad gewinkelt. Die Sehne setzt ebenfalls
ventral der Glans an. Sehnenzug streckt die Glans in Längsrichtung des Truncus; Rückführung
in die Ausgangslage wie oben (Phalangiidae, Abb. 14 k).
Die zweimuskeligen Penes arbeiten anders: Die Glans ist immer in Längsrichtung des
Truncus gestreckt. Die beiden Sehnen sitzen der Glans latero-basal an. Gelenkzonen sind
allenfalls geringfügig entwickelt (Abb. 14 1) und vermögen die Glans wenig laterad
auszulenken. Bei extrem langen und dünnen Penes vieler Nemastomatidae könnte gleichzeitiger
Zug an beiden Sehnen stabilisierend wirken.
Welche verwandtschaftlichen Beziehungen lassen sich auf dem Niveau der Familien-Gruppe
ableiten?
Besitz von 1 oder 2 Penismuskeln erscheint als gravierender Unterschied— sowohl
funktionell-anatomisch (s.o.) als auch phylogenetisch. Es ist schwer vorstellbar, wie ein-
muskelige Penis-Typen aus zweimuskeligen hervorgegangen sein könnten und umgekehrt. Es ist
eine Grundform zu fordern, die mit mehr als 2 Muskelsträngen ausgestattet war. Die
Cyphophthalmi (und ihre Vorfahren) erfüllen diese Voraussetzung. Unterschiedliche
Reduktionen können die Verhältnisse der rezenten Palpatores ergeben (MARTENS, 1976).
Folglich müssen die entsprechend ausgerüsteten Teilgruppen hohes Alter haben.
Tab. 1. Raster wesentlicher Kennzeichen der Überfamilien der Palpatores. Phalangioidea, und Caddoidea
sind danach nicht zu trennen.
303
Auch die verschiedenen Umwandlungsstadien der Ovipositores von gegliedert zu ungegliedert
stützen diese Annahme (s. o.).
Kombiniert man die ♂- und ♀-Genitalorgane zu einem Merkmalsraster, dann sind bereits
danach alle ÜF eindeutig gekennzeichnet (vgl. Tab. 1). Nur die Phalangioidea und Caddoidea
überschneiden sich. Bei den Caddoidea sind andere Merkmale ausschlaggebend, auch
genitalmorphologische, die noch wenig bekannt sind (GRUBER, 1974; SHEAR, 1975). Die
beiden Familien der Ischyropsalidoidea sind bereit nach Penisstruktur und Arbeitsweise
abgrenzbar (Abb. 13 a-c und d-f). Innerhalb der Familien der Troguloidea (Trogulidae,
Nemastomatidae, Dicranolasmatidae, Nipponopsalididae) zeigen die Nemastomatidae
vergleichsweise hohe Typenvielfalt des Penis-Baues (ŠILHAVÝ, 1966b). Dennoch sind diese
wie die übrigen Familien klar bereits mit diesen Merkmalen zu charakterisieren (MARTENS,
1976; 1978b; SHEAR & GRUBER, 1983).
Mehr Schwierigkeiten als die vorhergehenden Gruppen bieten die Phalangioidea. Die ÜF
hat fast weltweite Verbreitung auch auf der S-Halbkugel und viele der tropischen Gruppen sind
nicht revidiert. Anerkannt werden zur Zeit die Megalopsalididae, Neopilionidae und
Phalangiidae. Nur diese letzte Familie wird hier kommentiert.
Traditionell umfassen die Phalangiidae die Phalangiinae, Oligolophinae, Sclerosomatinae,
Leiobuninae, Gagrellinae und Gyantinae. Leptobuninae und Dentizacheinae synonymisierte
bereits COKENDOLPHER (1984) mit den Phalangiinae (und teilweise anderen UF). Einzelne
UF wurden immer wieder in Familienrang erhoben (ŠILHAVÝ, 1961; STAREGA, 1975),
solche Ansichten aber nur ausnahmsweise mit genitalmorphologischen Kriterien erhärtet
(MARTENS, 1973; Sclerosomatidae).
Welche Hinweise gibt die Penis-Struktur? Als typisch für Leiobuninae und Gagrellinae
gelten die lateralen Taschenanhänge des Truncus, die vielfältig ausgeprägt sein können. Oft ist
eine dorsale und ventrale Lamelle vorhanden, die sich seitlich zu Taschen zusammenlegen.
Bisweilen verwachsen beide (Abb. 14 a-f). Daneben treten, vor allem bei asiatischen
Gagrellinae, Reduktionen dieser Taschen auf, die zu einfachen glatten Penes führen (Abb. 14 g-
h, MARTENS, 1987b). Diese sind von Penes der Sclerosomatinae, denen diese Taschen immer
fehlen, nicht zu unterscheiden (Abb. 14 i). Allen 3 UF ist gemeinsam, dass die Glans nur
schwach gegen den Truncus dorsad gewinkelt ist, wenig gelenkig inseriert und durch
Sehnenzug geringfügig in Richtung Längsachse des Truncus bewegt wird. Auch die Gyantinae
stehen dieser Gruppe nahe; STAREGA (1976) wertet sie zur Familie auf. Wollte man diese
zweifellos nahe verwandten UF in einer Familie vereinigen, müsste aus Prioritätsgründen der
Name Sclerosomatidae SIMON 1879 ein-treten. So vorzugehen ,scheint aber wenig sinnvoll,
solange nicht mehr tropische "Phalangiidae" analysiert und genitalmorphologische Merkmale
für die Familiengliederung er-arbeitet sind (vgl. Abb. für tropische Gattungen in
COKENDOLPHER & COKENDOLPHER, 1984; GRUBER, 1969).
Bei den Phalangiinae und Oligolophinae ist die Glans in Ruhehaltung rechtwinklig gegen
den Truncus dorsad gestellt (Abb. 14 k); Sehnenzug richtet sie in Längsachse des Truncus aus.
Die Caddoidea umfassen nur einer Familie, Caddidae (GRUBER, 1974; SHEAR, 1975),
sollten aber nach ihrer äusserst heterogenen Genitalmorphologie erneut überdacht werden (vgl.
auch KAURI, 1961). Offensichtlich parthenogenetische Arten bereiten dem Schwierigkeiten.
DISKUSSION
Vergleichende Betrachtung des ♂- und ♀-Genitalapparates zeigt, dass die Grossgruppen
der Opiliones mit beiden Merkmalskomplexen gut umschrieben werden können. Nach äusseren
Merkmalen klar umrissene Überfamilien und Familien haben auch einheitliche
Genitalmorphologie, seien es Ovipositores oder Penes. Schon diese Tatsache erfordert, die
Aussagefähigkeit dieser Organe für alle Opiliones zu prüfen— nach 2
304
Abb. 14. Phalangiidae, Troguloidea. a-h) Gagrellinae, distaler Truncus und Glans von ventral und lateral; i)
Sclerosomatinae (Homalenotus quadridentatus [CUVIER]); k) Phalangiinae, distaler Truncus und Glans
von dorsal und lateral, Mitte: Muskel kontrahiert, Glans gestreckt; 1) Troguloidea, Trogulidae,
Anelasmocephalus SIMON, Penis von lateral und dorsal. (a-h aus MARTENS, 1987a 1 nach MARTENS
& CHEMINI, 1987).
305
Abb. 15. Cladogram der verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der Opiliones bis zum Niveau der
Überfamilien (verändert nach MARTENS, 1980).
Gesichtspunkten: a) Lassen sich die basalen Verzweigungen, die während der Evolution
abgelaufen sind, mittels der Genitalmorphologie nachvollziehen oder sogar nachweisen? Und b)
können die Taxa auf dem Familien-Niveau genitalmorphologisch umrissen werden?
Zunächst die erste Frage. Der Ovipositor erweist sich als das konservativere Organ, und mit
seinen 4 Haupttypen lassen sich bereits die wesentlichen Dichotomien festlegen (Abb. 15):
Cyphophthalmi und Palpatores sind Schwestergruppen, nachgewiesen durch
306
das hoch synapomorphe Merkmale der gegliederten Legeröhre mit komplizierten distalen
Sensillen. Die Laniatores sind die Schwestergruppe zu beiden. Deren Ovipositores sind zwar
plesiomorph-ungegliedert, doch in vielen Merkmalen, z.B. der kreuzförmigen Vagina und der
Ringfalte, hochgradig apomorh und kennzeichnend für alle ihre Subtaxa. Damit ist die
Monophylie dieser Unterordnung erwiesen. Aber auch unter den Palpatores gibt es ungegliederte
Ovipositores. Sind sie als plesiomorph einzustufen oder als apomorph und somit jenen der
Laniatores vergleichbar oder nicht? Die Ovipositores der Troguloidea (Abb. 1 g) weisen wenig
entwickelte äussere Skleritplatten auf, an denen innere Längsmuskulatur ansetzt. Sie entspricht
genau jener, die sich in den gegliederten Ovipositores der Cyphophthalmi und der übrigen
Palpatores findet (Abb. 1 f). Offensichtlich sind das sekundär ungegliederte Legeröhren. Den
ebenfalls ungegliederten der Ischyropsalidoidea fehlt zwar dieses Muskel-Indiz, doch legt der
Penis-Bau mit 1 Muskel nahe, dass sie innerhalb der Palpatores nur als Schwestergruppe der
Phalangioidea/Caddoidea ihren Platz haben können. Damit erweist sich, dass die Legeröhren sehr
wohl Grosstaxa innerhalb der Opiliones festzulegen vermögen und sogar aussagekräftige
Lesrichtungs-Kriterien aufweisen. Wie gliedern sich hier die Penis-Strukturen ein?
Die Typenbildung beim Penis ist vielfältiger, ja es kommen sogar konvergente Bildungen vor
bei Taxa, die sicher nicht als monophyletisch angesehen werden dürfen (Teile der Palpatores und
Laniatores). Generell erlauben die Penes eine feinere Differenzierung und Abgrenzung
monophyletischer Einheiten, besonders deutlich auf dem Familien-Niveau.
Archaische Penes mit reicher Muskelausstattung, aber abgeleitet durch komplizierte
Zangenbildungen, kennzeichnen die Cyphophthalmi. Offensichtlich aus dieser alten
Grundstruktur haben sich einfachere Typen entwickelt, immer unter Reduktion von Muskeln: Ein
medianer blieb erhalten bei einem Teil der Palpatores und Laniatores (Abb. 15), 2 bei den
Troguloidea. Damit zeigt sich bereits, dass die Muskularisierung für sich allein eine zweifelsfreie
Lesrichtung der Merkmalsentwicklung nicht erlaubt; diese ist nur im Kontext mit anderen
genitalmorphologischen Merkmalen möglich. Damit ist ihr Wert aber keineswegs gemindert.
Vielmehr erweist sich nun, dass sehr gute Möglichkeiten bestehen, das Familien-Niveau zu
umreissen —weniger, um phylogenetische Vorgänge aufzuzeigen, sondern um Taxa zu
umschreiben.
Damit lässt sich auch die 2. Ausgangsfrage positiv beantworten. Die feiner differenzierten ♂-
Genitalstrukturen sind hoch-aussagekräftige Organe für monophyletische Taxa. Das lässt sich gut
an den "Funktionstypen" erläutern. Lassen wir die Cyphophthalmi ausser Acht, die ohnehin einen
sofort erkennbaren und klar ausgegrenzten Typ darstellen, so besteht die Funktionalität oft darin,
dass ein Muskel-Sehnen-System eine kurze distale Glans gegen einen langen basalen Truncus
bewegt. Der Muskel liegt immer im Truncus. Dieses System ist vergleichsweise einfach. Es dient
der Feinmotorik zur korrekten Justierung des distalen Stylus mit der Öffnung des Samenkanals,
wenn Sperma übertragen wird. Die Funktionalität ist so gross, dass sich Penes aus verschiedenen
Unterordnungen (Palpatores und Laniatores) sehr ähneln können. Dennoch bleiben
feinstrukturelle Merk-male genug, die nicht nur korrekte Zuordnung erlauben, sondern auch
Familien-typische Merkmale erkennen lassen. Trotzdem können Einzelfälle Schwierigkeiten
bereiten, z.B. Travuniidae und Cladonychiidae (Abb. 4).
Betrachten wir dagegen die höchstevoluierten Penis-Typen, die muskellosen der Laniatores,
so ist hier die kennzeichnende Typenbildung ausserordentlich hoch. Nachdem die zwingende
Zweiteilung in Truncus und Glans, ursprünglich bedingt durch Muskel und Sehne, aufgegeben
war, hat eine starke Radiation der distalen Penis-Strukturen eingesetzt: Bewegungen am Penis-
Rohr sind nun nur noch mittels Binnendruck, hydraulisch, möglich. Dazu sind Sklerite und
Membranen notwendig, die beweglich miteinander verbunden sind. Sie können den Stylus mit
der Öffnung des Samenkanals schützend umgreifen. Hämolymphdruck faltet ein solches System
aus und gibt den Stylus frei. Innerhalb dieses funktionellen Penis-Typs lassen sich eine Fülle von
"Sub-Typen" unter-
307
scheiden. Sie sind gekennzeichnet durch Zahl, Anordnung und Ausstülp-Modus der Sklerit- und
Membran-Teile des distalen Penis-Bereiches. Die Zahl der morphologischen Konfigurationen
scheint hoch zu sein, wenngleich bisher wenig untersucht. Es lässt sich jedoch schon jetzt
erkennen, dass diese fest in sich umrissenen Typen ausserordentlich gute Merkmale für die
Familien-Gliederung bieten. Traditionelle, gut nach äusseren Merk-malen abgegrenzte Familien
sind in diesen Kennzeichen ganz einheitlich und zeigen nur graduelle Variation. Wie gut die
Aussagemöglichkeit ist, geht auch daraus hervor, dass sie selbst für Teilgruppen einer Familie
gilt, die stark disjunkt verbreitet sind, z.B. die Biantidae in SO-Asien, S-Afrika und in der
Karibik. Unter biogeographischen Gesichtspunkten bedeutet das zugleich, dass diese Penis-
Typen früh in der Evolution entstanden sein müssen. Das gibt ihren Aussagen besonderes
Gewicht. Dagegen relativieren sich äussere Merkmale, die bei den Gonyleptoidea besonders oft
konvergent ausgeprägt sind, in ihrem Wert ganz beträchtlich.
Die Konsequenzen aus diesen Einsichten sind erheblich: Es wird sich nicht umgehen lassen,
die gesamte Familien-Systematik der Gonyleptoidea durchzuarbeiten und nach den erläuterten
Gesichtspunkten neu zu gestalten. Diese Arbeit enthält erste Beispiele. Schon diese Stichproben
deuten die Umwälzungen an, die hier zu erwarten sind. Die vorliegende Literatur ist für die
kommende Arbeit leider wenig hilfreich. Kaum ein Autor erfüllt jenen Grad an Genauigkeit, der
notwendig ist, um Funktionstypen erkennen zu können — und dies, obwohl Penis-Strukturen seit
fast 50 Jahren (vgl. ŠILHAVÝ, 1938) unerlässlicher Bestandteil taxonomischer Arbeit an
Opiliones geworden sind.
DANK
Wertvolles Untersuchungsmaterial, das dieser Arbeit zugrunde lag, stellten Freunde und
Kollegen zur Verfügung: Frau Dr. C.L. DEELEMAN-REINHOLD (Ossendrecht), Dr. R.R.
FORSTER (Dunedin), Dr. S.I. GOLOVATCH (Moskau), Dipl.-Ing. E. HEISS (Innsbruck), Prof.
Dr. W.A. SHEAR (Hampden-Sydney, Va.), Prof. Dr. H. STURM (Hildesheim), Dr. N.
TSURUSAKI (Sapporo). Ihnen gilt mein herzlicher Dank; ohne ihre Hilfe wäre diese Studie in
diesem Umfange nicht möglich gewesen.
Abkürzungen
B Borstenfeld Ö Öffnung des Samenkanals
Cu Kutikula Rec sem Recetaculum seminis
Ep, Epi Epidermis RF Ringfalte
De Ductus ejaculatorius RM Ringmuskel
DG Drüsengewebe S Stylus
do P dorsale Platte Sa Samenkanal
do-la P dorso-laterale Platte Se Sehne
Dr Drüse SK Schwellkörper
G Glans SH Stylus-Halter
GH/Gm Gelenkmembran SP Spange
GZ Gelenkzone ST Sensillenträger
H Haken STr Stacheltrichter
HS Haarsockel T Truncus
KA Kanal Ti Titillator
KD Kittdrüse ÜF Überfamilie
Ko Konduktor UF Unterfamilie
LM Längsmuskel UO Unterordnung
LS Lamellensack Va Vagina (♀) oder Valve (♂)
M Muskel Z Zipfel
308
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SUMMARY
Ectodermal parts of d and genitalia (penis, ovipositor) are identical structures in regard to their
anatomical position; they differentiated however independently. Ovipositor is the more conservative
organ, indicating that Cyphophthalmi and Palpatores are closely related ("Cyphopalpatores"), being the
sistergroup of Laniatores. Thus the classical division of the order into 3 suborders is not correct in view of
cladistic analysis. Annulated ovipositores are apomorphic, smooth ones in Palpatores also apomorphic and
descended from annulated ones. Smooth ovipositores in Laniatores are plesiomorphic. Penis structures are
more manifold, resulting from the various outfit with muscles: 3 in Cyphophthalmi, 2 in Troguloidea, 1 in
parts of Palpatores and Laniatores, lacking in Gonyleptoidea/ Oncopodoidea. The one-muscle type
developed independently in Palpatores and Laniatores resulting in similar structures with truncus and
glans. Nevertheless, differing details are indicative for present superfamilies and even families. Most
complicated are muscleless hydraulic penes in Laniatores, which expand sclerites and membranes in order
to expose the stylus. They provide excellent arguments to characterize families, presently the most
discussed field in opilionid systematics.
310