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Wie gesund sind Ziele? Intrinsische Motivation, Affektregulation und das Selbst. [How healthy are goals? Intrinsic motivation, affect regulation, and the self.]

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Abstract

The influence of goals on psychological health is sometimes positive and at other times negative. Why is this so? Drawing from personality systems interactions theory (Kuhl, 2000), the authors suggest that the answer lies in the degree to which goals are integrated in the person's extended self. The more goals are integrated into the self, the more likely it is that the goal will have benefical effects on the person's health and well-being.
Wie gesund sind Ziele?
Intrinsische Motivation, Affektregulation und das Selbst
Julius Kuhl, Universität Osnabrück
Sander Koole, Freie Universität Amsterdam
Menschliche Motivation wäre ohne die antreibende und Richtung gebende Funktion von
Zielen kaum vorstellbar. Menschen verfolgen zuweilen abstrakte Ziele, wie das Ziel “Ich
möchte Spanisch lernen”, oder konkretere Ziele, wie „Ich möchte heute vor Geschäftsschluss
noch an der Ecke beim Bäcker Brot kaufen“. Seit gut zwei Jahrzehnten werden Ziele in der
Motivationspsychologie als die wesentlichen Quellen der Motivation betrachtet (Austin &
Vancouver, 1996; Brunstein & Maier, 1996; Church, Elliot & Gable, 2001).
Das verstärkte wissenschaftliche Interesse an der motivationalen Relevanz von Zielen
beruht nicht zuletzt darauf, dass Ziele Menschen ermöglichen, ihr Leben in die Hand zu
nehmen. Aus dieser Sicht sind Ziele in vielen Lebensbereichen wirksame Werkzeuge zur
Verbesserung der Leistung und des Wohlbefindens der Menschen (Locke & Latham, 1990).
Allerdings sind die Auswirkungen von Zielen komplexer, als es durch diese knappe
Charakterisierung suggeriert wird. Die Zielsetzungsforschung zeigt zwar, dass Fortschritte in
der Zielerreichung das Wohlbefinden und die Gesundheit fördern (Emmons, 1992; Sheldon &
Kasser, 1998). Andererseits gibt es aber auch empirische Hinweise darauf, dass die vielfach
replizierten Befunde zu den positiven Wirkungen von Zielen auf die Zielerreichung und auf
das Wohlbefinden nicht immer gelten. So zeigten z. B. Kasser & Ryan (1993), dass das
Erreichen finanzieller Ziele durchaus mit negativen Auswirkungen verbunden sein kann, z.B.
in dem sie das Wohlbefinden senken.
Müssen wir also Lebensweisheiten vom Typ „Geld macht nicht glücklich“ revidieren?
Oder ist die Vorstellung, dass es Ziele gibt, deren Erreichung das Wohlbefinden sogar
vermindern und Unzufriedenheit oder gar Krankheit verursachen kann, durch die Ergebnisse
der Zielsetzungsforschung widerlegt? Von Niels Bohr stammt die folgende Formulierung
einer alten Erkenntnis: „Es gibt zwei Arten von Wahrheit: Bei der ersten Art ist das Gegenteil
einer Aussage falsch; bei der zweiten Art ist das Gegenteil einer Aussage ebenso wahr“. Die
zweite Art von Wahrheit, die dem logischen Verstand recht „unlogisch“ erscheint, ist im
Grunde auch mit den Mitteln der logischen Vernunft recht einfach zu verstehen. Sie ist eine
paradox wirkende Formulierung relativ einfacher („disordinaler“) Wechselwirkungen: In
einer solchen Wechselwirkung kann eine Variable z. B. das Erreichen persönlicher Ziele unter
bestimmten Bedingungen positive und unter anderen Bedingungen negative Auswirkungen
haben. Damit ist die eine Wahrheit „Zielerreichung steigert das Wohlbefinden“ ebenso wahr
sein wie ihr Gegenteil: „Zielerreichung senkt das Wohlbefinden“, je nach dem, um welche
Ziele es sich handelt und wie die Person mit ihnen umgeht.
Wir werden in diesem Kapitel versuchen, die widersprüchlichen Befunde zur Wirkung
von Zielen durch einen neuen theoretischen Ansatz zu erklären. Zunächst untersuchen wir
gesunde Ziele und ihren Zusammenhang mit der „intrinsischen“ Motivation, d. h. einer
Motivationsform, bei der die Freude am Tun wie „von selbst“ aus der Tätigkeit zu strömen
scheint. Die wissenschaftliche Analyse des Begriffs „intrinsische Motivation“ wird uns dann
zu einer Funktionsanalyse des Selbst führen. Nach einem Exkurs über den in der Motivations-
und Persönlichkeitspsychologie noch ungewöhnlichen Wechsel von der Zentrierung auf die
Inhalte des Denkens, Fühlens und Handelns auf die zugrunde liegenden
Funktionsmechanismen wird das Selbst als ein System dargestellt, dass sich vom bewussten
Denken (das auch bewusste Ziele entwickelt) durch eine intuitive und ganzheitliche Form der
Verarbeitung unterscheidet, die stärker mit Gefühlen und Bedürfnissen vernetzt ist als das
analytische Denken. Vor diesem theoretischen Hintergrund wird dann ein Vorschlag
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formuliert, wie man die eingangs erörterten Widersprüche auflösen kann. Dass das Verfolgen
und Erreichen von Zielen oft das Wohlbefinden und die Leistung steigert, zuweilen aber auch
gegenteilige Auswirkungen haben kann wird sich dann aus den Funktionsprofilen der
beteiligten psychischen Systeme erklären lassen.
Gesunde Ziele und Intrinsische Motivation
Wenn Ziele zuweilen positive, zuweilen negative Auswirkungen auf Wohlbefinden und
Gesundheit haben können, dann wäre danach zu fragen, wovon es denn abhängt, ob die
Zielerreichung eine positive oder eine negative Auswirkung entfaltet. Dies ist die Frage nach
Moderatoren, d. h. nach Variablen, die an der Wechselwirkung der relevanten Einflussgrößen
beteiligt sind. Eine Moderatorvariable ist eine Variable, von der es abhängt, wie sich eine
Variable (z. B. ein Medikament) auf eine andere Variable (z. B. die Reaktionszeit) auswirkt.
Das kann bei einem Medikament z. B. die Tageszeit sein: Morgens wirken sich bestimmte
Aufputschmittel beschleunigend und abends wirken sie sich (paradoxerweise) verlangsamend
auf das Reaktionsvermögen aus. In der Forschung zur Selbstbestimmungstheorie (Deci &
Ryan, 1991) wurde eine solche Moderatorvariable für den Zusammenhang von Zielerreichung
und Wohlbefinden postuliert und untersucht: Demnach sollen Ziele und Zielfortschritte
förderlich sein für das Wohlbefinden und für die Gesundheit, wenn sie intrinsischer
Motivation entspringen, und sie sollen sich negativ auswirken, wenn sie extrinsisch motiviert
sind. Geld gehört in dieser Denkweise ebenso wie Ansehen, Status und Aussehen zu den
extrinsischen Anreizen, während Zusammengehörigkeit, persönliche Begegnung, Austausch
von Gefühlen und persönliches Wachstum zu den intrinsischen Anreizen gezählt wird.
Hier wird allerdings ein theoretisches Problem deutlich: Auch wenn die Unterscheidung
zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation intuitiv verstehbar erscheint, ist sie
wissenschaftlich nicht hinreichend erklärt. Es gibt zwar verschiedene Versuche, dieses
Begriffspaar wissenschaftlich zu bestimmen. Jeder dieser Versuche lässt aber wichtige Fragen
offen, ohne deren Klärung man nicht von einer Erklärung sprechen kann. Dies gilt z. B. für
Heckhausens (1989) Vorschlag, intrinsische Motivation sei durch die „Gleichthematik“ von
Tätigkeit und Ziel bestimmt, während bei der extrinsischen Motivation beides
auseinanderklaffe. Aus dieser Sicht fließt die „intrinsische“ Freude z. B. wie von selbst aus
der Tätigkeit heraus, wenn jemand das Ziel hat, eine gute Leistung zu erbringen, und sich
auch auf eine Leistung erfordernde Aufgabe einlässt. Extrinsische Motivation läge in diesem
Beispiel vor, wenn diese Person die Leistungsaufgabe eigentlich nur deshalb durchführt, um
die eigene Machtposition zu stärken oder Anerkennung von anderen Personen zu erlangen.
Extrinsische Motivation läge nach Heckhausen z. B. auch vor, wenn man Geldgeschäfte
macht, aber eigentlich Geld gar nicht das Ziel ist, sondern die Anerkennung und der Status,
den das Geld verschafft. Diese wichtige Beobachtung kann auf dem Weg zu einer Erklärung
hilfreich sein, aber sie ist eigentlich eher eine Beschreibung als eine Erklärung, die die
zugrunde liegenden Mechanismen bestimmen würde. Macht z. B. Geld glücklich, entspringt
es einer intrinsischen Motivation, wenn man es in großen Mengen nur um des Geldes willen
anhäuft (dann wäre ja Tätigkeit und Ziel gleichthematisch)? Und selbst dort, wo die
Gleichthematik von Tätigkeit und Ziel intuitiv charakteristisch für intrinsische Motivation zu
sein scheint, bleibt die Frage, warum dort Zielfortschritt das Wohlbefinden und die
Gesundheit steigert, und warum bei unterschiedlicher Thematik von Tätigkeit und Ziel der
Zielfortschritt sogar schädliche Folgen haben kann.
Deci & Ryan (1991) haben versucht, der Lösung dieses Rätsels auf die Spur zu
kommen, indem sie die intrinsische Motivation mit der Selbstbestimmung verbanden.
Intrinsische Ziele sind deshalb „gesünder“, weil sie sich besser mit dem „Selbst“ einer Person
verbinden lassen. Ziele wie Geld verdienen, Statussymbole sammeln oder das eigene
Aussehen zu verbessern, gehen „irgendwie“ an dem Selbst der Person vorbei, sie sind nicht so
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„selbstkongruent“ wie Ziele, die sich auf den emotionalen Austausch mit anderen Menschen
beziehen oder auf das Selbstwachstum. Allerdings ist der Erklärungswert auch dieses
Ansatzes begrenzt, solange im Dunkeln bleibt, was denn mit dem „Selbst“ einer Person im
Rahmen einer prozess- oder funktionsanalytischen Theorie gemeint sein könnte: Warum passt
Geld und Ansehen in dieses „Selbst“ nicht so gut hinein wie persönliche Begegnung und
Verbundenheit mit Anderen? Wie kann die Kausalkette von diesem „Selbst“ bis hin zu den
körperlichen Prozessen erklärt werden, auf die intrinsische Ziele den zu erklärenden Befunden
zufolge ihre gesunde Wirkung ausüben?
Es gibt weitere Versuche, die positiven Wirkungen intrinsischer Motivation zu erklären,
z. B. durch die Nähe intrinsischer Motivation zu den Grundbedürfnissen des Menschen (z. B.
nach Lernen, Verbundenheit mit anderen Menschen und persönlicher Autonomie: Ryan,
1995) oder durch den Umstand, dass bei der intrinsischen Motivation der Tätigkeitsanreiz aus
dem Vollzug der Tätigkeit wie von selbst fließt (Csikzentmihalyi, 1975; Rheinberg &
Vollmeyer, 2003). Auch wenn sie noch kein zufrieden stellendes Erklärungsmodell liefern, so
sind diese Vorschläge doch wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer Erklärung
widersprüchlicher Auswirkungen von Zielfortschritten. Jeder theoretische Erklärungsansatz
wird daran zu messen sein, ob er auch diese Facetten erklären kann: Gibt es eine Erklärung
dafür, dass Geld und Ansehen (oft oder zuweilen) weniger selbstkongruent sind als die
emotionale Nähe zu anderen Menschen? Gibt es eine Erklärung dafür, dass bei Tätigkeiten,
die wir „intrinsisch motiviert“ nennen, die Freude an dem Vollzug „aus der Tätigkeit selbst zu
fließen“ scheint?
Die Ansprüche an eine theoretische Erklärung werden nicht nur durch jedes der
auffindbaren Konzepte immer höher, sondern auch durch die empirischen Befunde zur
Wirkung von Zielfortschritten. Wie ist beispielsweise zu erklären, dass im Unterschied zu
positiv formulierten Aufsuchungszielen (z. B. „ich möchte in der Klausur eine bessere Note
erreichen“) bei Vermeidungszielen (z. B. „ich möchte nicht wieder eine fünf schreiben“) keine
positiven Auswirkungen der Zielerreichung auf das Wohlbefinden beobachtet werden (Elliot,
Sheldon & Church, 1997)? Warum führen Zielfortschritte nicht generell zu einer Steigerung
des Wohlbefindens, sondern nur dann, wenn die Erreichbarkeit der und die Bindung an Ziele
hinreichend hoch sind (Brunstein, 1993)? Natürlich kann man für jede einzelne Studie und für
jedes der erwähnten Phänomene und Konzepte maßgeschneiderte Erklärungen suchen. Die
eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin, eine phänomen- und studienübergreifende
Erklärung zu finden.
Metatheoretischer Exkurs: Von Inhalten zu Funktionen
Theoretische Arbeit beginnt damit, die relevanten Schlüsselbegriffe näher zu betrachten. Was
bedeutet psychologisch Wohlbefinden und Zufriedenheit? Wie lässt sich der Begriff des Selbst
psychologisch explizieren? Was passiert psychologisch, wenn die Freude an einer Tätigkeit
aus ihrem Vollzug wie von „selbst“ fließt? Was bedeutet überhaupt „psychologisch“? Da das
weitere Vorgehen entscheidend von der letzten Frage bestimmt ist, möchten wir sie als erste
thematisieren. In der Psychologie hatte man mit „psychologisch“ zunächst im Selbsterleben
beobachtbare Vorgänge (Introspektion) gemeint, später dann nur oder bevorzugt das direkt
beobachtbare Verhalten (Behaviorismus) und heute verstärkt wieder Vorgänge, die Personen
(auf entsprechenden Skalen) selbst beurteilen können („Kognitionen“). Die „kognitive
Wende“ in der Motivationspsychologie hatte in der Tat eine gegenüber der klassischen
Introspektion (etwa der Würzburger Schule: Ach, 1910) „vereinfachte“ Form der Innenschau
salonfähig gemacht, die meist Bewusstseinsfähigkeit und Quantifizierbarkeit der untersuchten
Inhalte auf Selbstbeurteilungsskalen voraussetzt.
Eine Zeit übergreifende Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze liegt in der
Inhaltszentrierung: „Psychologische“ Erklärungen rekurrieren in der Sozial-, Persönlichkeits-
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und Motivationspsychologie auf Inhalte des Denkens, Urteilens, Erlebens und Verhaltens wie
auf Erwartungen, Bedürfnisse, Motive, Absichten oder Ziele. Andere Motivationsquellen wie
„subkognitive“ Bedürfnisse oder implizite Motive sind demgegenüber für eine Weile in den
Hintergrund des Forschungsinteresses geraten. Diese Entwicklung lässt sich auf die
„kognitive Wende“ in der Sozialpsychologie zurückführen, die in der
Leistungsmotivationsforschung einen besonders nachhaltigen Niederschlag gefunden hat. Die
kognitiven Ansätze suchen die Quellen der Motivation nicht in den Tiefen des Unbewussten,
in denen Bedürfnisse und Motive auch dann zu finden wären, wenn sie nicht bewusst werden
(Freud, 1915; McClelland, Koestner & Weinberger, 1989), sondern auf der Ebene bewusster
Ziele. Bewusste Ziele wie die bewusste Einschätzung der eigenen Motivation haben u.a. den
Vorteil, dass sie leicht messbar sind: Man braucht Menschen nur nach ihren Zielen, ihren
Präferenzen oder ihrer Motivation zu fragen (Fragebögen sind leichter auszuwerten als
inhaltsanalytische Methoden, die eine beträchtliche integrative Intelligenz der
Auswerter(innen) erfordern). Darüber hinaus hat eine zielbasierte Motivationstheorie den
Vorteil, dass sie zu der zeitgeschichtlichen Überzeugung passt, dass immer mehr
Lebensbereiche durch den bewussten Verstand kontrollierbar sind. Die
Zielsetzungsforschung zeigt in der Tat, dass Fortschritte in der Zielerreichung das
Wohlbefinden und die Gesundheit fördern (Emmons, 1992; Sheldon & Kasser, 1998). Auch
diese Befunde sind so plausibel, dass man kaum versucht ist, weiter zu fragen, etwa ob Ziele
nicht auch negative Einflüsse auf das Wohlbefinden ausüben können.
Kurt Lewin (1935) hatte in seinem berühmten Aufsatz über den von ihm geforderten
Übergang vom aristotelischen zum galileischen Denken die einseitige Inhaltszentrierung in
der Psychologie mit der Unterscheidung zwischen Geographie und moderner Physik
verglichen. Danach müsste man die vorherrschenden Ansätze nicht „psychologisch“, sondern
„psychographisch“ nennen (Kuhl, 2001). Die psychographische Beschreibung der Inhalte des
Denkens und Fühlens der Menschen (z. B. wie denkt jemand über Selbstwirksamkeit oder
über die Kontrollierbarkeit seiner Ziele) ist sicher für die Psychologie wichtiger als ihr
„geographisches“ Pendant für die Physik. Trotzdem darf, so meinte Lewin, die Untersuchung
von inhaltsübergreifenden Gesetzmäßigkeiten nicht vernachlässigt werden. Die einseitige
Zentrierung auf Inhalte kann die Entwicklung von phänomenübergreifenden Theorien
behindern. Ein Physiker müht sich nicht damit ab zu versuchen, die Position jedes Steinchens
in einer Geröllhalde 10 000 Jahre in die Vergangenheit oder in die Zukunft hinein bestimmen
zu wollen (auch wenn er nicht daran zweifelt, dass all die unüberschaubar vielen
Positionsveränderungen der unzähligen Steinchen durchaus von allgemeinen physikalischen
Gesetzen bestimmt ist). So wichtig die Inhaltszentrierung in der Psychologie für das
Verstehen individueller Personen und ihrer Geschichte ist, so begrenzt dürfte ihr Potenzial für
das Entdecken allgemeiner Funktionen und Prozesse sein (Lewin, 1935).
Den Begriff „psychologisch“ möchten wir also mehr auf die dem Erleben und Verhalten
zugrunde liegenden Prozesse, Funktionen und Systeme beziehen als auf die spezifischen
Inhalte des Denkens, Fühlens, Wollens und Verhaltens. Damit werden die aufgeworfenen
Fragen wie die nach der psychologischen Bedeutung des Begriffs Selbst zu
funktionsanalytischen Fragen. Noch vor wenigen Jahren stieß man in der Motivations- und in
der Persönlichkeitspsychologie auf Unverständnis und Ablehnung, wenn man den Begriff des
Selbst nicht vom Erleben her, sondern von den zugrunde liegenden Funktionen und Systemen
her bestimmen wollte. Der Satz: „Wie funktioniert das Selbst“ klingt auch heute noch in
vielen Ohren wie eine Verdinglichung (Reifizierung) eines theoretischen Konstrukts oder wie
die Reduzierung eines eigentlich nur „intuitiv“, oder hermeneutisch fassbaren Phänomens auf
blanke Mechanismen, die auf einen Verlust der Freiheit und des naturwissenschaftlich nie
vollständig bestimmbaren Wesens der „Selbstbestimmung“ hinauslaufe.
Funktionsanalytische Theoriebildung, Erklärungen altehrwürdiger humanistischer
Begriffe wie Selbst, Freiheit und Verantwortung müssen aber keineswegs reduktionistisch
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sein: „Mechanismen“ sind zwar in der Vergangenheit immer fest mit reduktionistischen
Ansätzen verbunden gewesen, d. h. man hat immer wieder versucht, komplexe humanistische
Begriffe wie Selbstregulation oder Selbstverwirklichung mit zu einfachen Mechanismen zu
erklären. Beispiele sind Skinners (1971) Reduktion der Willensfreiheit auf primitive
Lernmechanismen (schon mit dem Hustenreflex „befreie“ man sich ja von Unerwünschtem)
oder Versuche, den Begriff der Willensfreiheit (d. h. der freien Selbstbestimmung) ganz aus
der Wissenschaft zu eliminieren, weil er durch den Nachweis der Determinanten angeblich
freier Willenshandlungen widerlegt sei (Roth, 2002). Es lässt sich aber durchaus zeigen, dass
Begriffe wie Selbstbestimmung, Willensfreiheit und Verantwortung ohne solche
Reduktionismen naturwissenschaftlichen Erklärungen zugänglich und mit ihnen vereinbar
sind (Kuhl, 2004; Kuhl & Koole, 2004; Ryan, Kuhl & Deci, 1997).
Funktionsanalyse des Selbst
Das „Selbst“, das bei „gesunden“ Zielen beteiligt ist und das die Freude an der Tätigkeit
hervorbringt, lässt sich aus funktionsanalytischer Sicht als ein psychisches System bestimmen,
das unzählige autobiographische Episoden in ein stetig wachsenden Bild der eigenen Person
in ihrem sozialen Kontext integriert. Wer Schwierigkeiten hat, sich das Selbst als ein
funktionierendes System vorzustellen, kann mit einfachen selbstrepräsentierenden Systemen
beginnen: Die Batterieanzeige eines Notebooks ist ein solches System. Sie beruht auf der
Fähigkeit, ein für die eigene Funktionstüchtigkeit wichtiges Merkmal des eigenen Systems
abzubilden („Selbstwahrnehmung“) und dann, wenn ein kritischer Wert erreicht ist (z. B. der
minimale Ladezustand), entsprechende Maßnahmen (gewissermaßen für das eigene
„Überleben“) zu ergreifen (z. B. Ausgabe einer Warnmeldung, Reduktion energieintensiver
Funktionen, bis hin zum vorübergehenden Abschalten). Aus dieser Sicht lässt sich
„Selbstregulation“ als eine funktionsanalytisch beschreibbare Leistung eines Systems
beschreiben, die den scheinbar nur dem Selbsterleben zugänglichen Willensbegriff
naturwissenschaftlich fassbar macht.
Der Vergleich des menschlichen Willens mit der Batterieüberwachung eines Notebooks
darf allerdings nicht reduktionistisch interpretiert werden: Das Selbst einer Person hat eine
komputationale („rechnerische“) Mächtigkeit, die schier unfassbare Dimensionen annimmt
(sodass sich der Begriff der Willensfreiheit trotz seiner prinzipiellen Determiniertheit in der
Tat der umstrittenen Freiheit von der kausalen Determination annähert). Dieses System
integriert unzählige Erlebnisepisoden, von denen jede zahllose Einzelheiten umfasst (die in
einer erinnerten Szene gesehenen Gegenstände und Personen, der ganze Kontext, die eigenen
Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Ziele, Handlungsmöglichkeiten und -folgen, die vermuteten
Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Ziele und Handlungsmöglichkeiten und –folgen anderer
Personen u.v.m.). Wenn eine Entscheidung aufgrund der simultanen Verrechnung einer
(bewusst) unüberschaubaren Vielzahl solcher Erfahrungen getroffen wird, dann ist sie in
einem funktionsanalytisch fassbaren Sinne „selbstbestimmt“. So nennen wir eine
Entscheidung, die eine Vielzahl eigener und fremder Bedürfnisse, Werte,
Handlungsmöglichkeiten und anderer „Selbstaspekte“ berücksichtigt. Eine solche Leistung
kann im Grunde nicht mit der begrenzten Verarbeitungskapazität des analytischen
Bewusstseins erbracht werden. Wir schreiben diese Leistung deshalb als einem parallel
(„ganzheitlich“) arbeitenden System zu, das nach dem Muster konnektionistischer Netzwerke
funktioniert (Marcus, 2001; Pospeschill, 2004).
Die im vorliegenden Zusammenhang wichtigste Eigenschaft der parallel-
konnektionistischen Verarbeitung ist ihre Fähigkeit, eine Vielzahl von Randbedingungen
(constraints) simultan (parallel) zu berücksichtigen, ohne dass diese Informationen Schritt für
Schritt dem Bewusstsein „vorgeführt“ werden müssen. Damit wird auch verständlich, warum
die Freude an einer „intrinsisch“ motivierten Tätigkeit „wie aus der Tätigkeit herausströmt“:
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Dem Bewusstsein ist die Beteiligung des Selbst mit all seinen vielen Bezügen zu persönlichen
Bedürfnissen, Werten und anderen Selbstaspekten nicht zugänglich, aber das Selbst generiert
immer wieder positiven Affekt, weil es gerade in schwierigen oder unangenehmen Phasen in
seinem riesigen Erfahrungsnetzwerk irgendwelche positiven Aspekte der Tätigkeit oder ihrer
Folgen finden und wegen seiner (noch zu besprechenden) Vernetzung mit dem autonomen
Nervensystem emotional erlebbar machen kann. Nun ist wissenschaftlich begründbar, wie es
zu der spontan mit der Tätigkeit verbundenen Motivation kommen kann: Wenn das
Selbstsystem es ohne bewusste Kontrolle schafft, alle durch eine Tätigkeit berührten
Bedürfnisse, Werte und Gefühle zu „verrechnen“, dann ist es nicht verwunderlich, dass dann
die Motivation für die betreffende Tätigkeit buchstäblich wie von „selbst“ vorhanden ist.
Natürlich ist mit der Skizzierung der theoretischen Möglichkeit einer unbewussten
Quelle der Motivation für selbstbestimmte Tätigkeiten noch nicht der Nachweis erbracht, dass
das Selbst an dem Zustandekommen dessen, was mit intrinsischer Motivation bezeichnet
wird, wirklich beteiligt ist. Freude an einer Tätigkeit kann aus funktionsanalytischer Sicht
auch ohne Beteiligung des Selbst entstehen. Das, was Karl Bühler Funktionslust nannte, also
die bei Kindern beobachtbare Freude an der Ausführung einfacher Tätigkeiten, ist durchaus
ohne Beteiligung des Selbst vorstellbar. In der Theorie der Persönlichkeits-System-
Interaktionen (PSI-Theorie) wird angenommen, dass positiver Affekt die Ausführung spontan
(„intuitiv“) abrufbarer Handlungsroutinen bahnt und dass auch umgekehrt das Ausführen
spontaner Handlungsroutinen den positiven Affekt erhöht (Kuhl, 2001). Wenn dieser
Zusammenhang allerdings nur für spontan abrufbare Handlungsroutinen gilt, kann er nicht
den Zusammenhang zwischen intrinsischer Motivation bei Tätigkeiten erklären, die mit
Schwierigkeiten verbunden sind oder unangenehme Seiten haben: Schwierigkeiten sind
dadurch definiert, dass spontan abrufbare Handlungsroutinen nicht ausreichen, so dass höhere
Funktionen zugeschaltet werden müssen, die Problemlösungskompetenzen vermitteln.
Wenn wir das Selbst als eine solche höhere Instanz auffassen, die sozusagen
gesammelte und verdichtete Lebenserfahrung einbringt, dann wird die Rolle dieses Systems
in allen Situationen plausibel, in denen trotz oder gerade wegen zu überwindender
Schwierigkeiten, positive Energien fließen (Csikzentmihalyi, 1975; Rheinberg, 2004): Die
Freude an der Tätigkeit fließt bei Aufgaben, die auch schwierige oder unangenehme Seiten
haben nicht kontinuierlich „aus der Tätigkeit“ heraus. Man kann ja gerade an schwierigen
Stellen durchaus vorübergehend auch die Lust verlieren. Hier wird die Rolle des Selbst
plausibel, damit die Person sich selbst an solchen Stellen motivieren kann. Selbstmotivierung
kann man dann ganz wörtlich verstehen: Die Motivation an schwierigen Stellen kommt aus
dem Selbst, weil dieses System auf so viele Erfahrungen zurückgreifen kann, dass es meist
mit Leichtigkeit irgend eine Erfahrung findet, die Mut macht oder die einfach positive Seiten
der Tätigkeit wieder in der Vordergrund lenkt.
Weitere Funktionsmerkmale des Selbst
Man könnte nun auch denken, dass dann, wenn Menschen mit Schwierigkeiten konfrontiert
sind, das Selbst oder ein anderes System nicht notwendig ist, um positiven Affekt entstehen
zu lassen. Allein die Überwindung von Schwierigkeiten reicht ja aus, um das Entstehen von
Freude zu erklären. Ob bzw. wann das Selbst bei der Entstehung der Freude an einer Tätigkeit
durch das Selbst vermittelt wird, erfordert eine experimentelle Klärung.
Ein erster Hinweis, dass die positive Valenz einer Handlung aus dem Selbst generiert
wird, wäre der Nachweis, dass sie im wörtlichen Sinne „von selbst“ entsteht, d. h. ohne
erkennbaren äußeren Einfluss. Beckmann & Kuhl (1984) ließen wohnungssuchende
Studierende die Attraktivität (Valenz) verschiedener Wohnungsangebote skalieren. Nach
einigen Zwischenaufgaben wurden die Studierenden gebeten, dieselben Angebote noch
einmal zu beurteilen. Da in der Zwischenzeit keine neuen Informationen über die
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verschiedenen Angebote gegeben worden waren, gab es keinen äußeren Anlass, die
persönliche Attraktivität der Wohnungen anders zu beurteilen als beim ersten Mal. Manche
Personen stuften allerdings die Attraktivität der bei der ersten Beurteilung favorisierten
Wohnung beim zweiten Mal deutlich höher ein als bei der ersten Messung, während andere
Personen sämtliche Wohnungen beim zweiten Mal genauso beurteilten wie beim ersten Mal.
Woran lag dieser Unterschied zwischen den Personen? Ein Fragebogen gab einen
Hinweis: Die Personen, die die favorisierte Alternative aufwerteten, ohne dass es irgendeinen
äußeren Anlass dazu gab (etwa neue Informationen), gaben in dem Fragebogen zu erkennen,
dass sie im Alltag bei schwierigen Entscheidungen oder dann, wenn die Umsetzung einer
Handlung schwer falle, meist über die nötige Energie zum Handeln verfügten, auch wenn
diese Energie nicht von außen zugeführt wurde (etwa durch die Unterstützung oder
Ermutigung durch eine andere Person). Diese Personen wurden „Handlungsorientierte“
genannt, weil sie offenbar die Energie und die Motivation zum Handeln „selbst“, d. h. ohne
Hilfe von außen generieren konnten. Diejenigen, die die vorhandene Lage (z. B. in diesem
Experiment die Valenzen der Wohnungsangebote) nicht selbst-ständig änderten, nannten wir
„Lageorientierte“.
Da es im Fragebogen zur Messung der Handlungsorientierung um die Frage ging, ob
auch bei schwierigen oder unangenehmen Vornahmen die Energie zum Handeln aufgebracht
werden kann, lag die Vermutung nahe, dass Handlungsorientierte die Attraktivität der schon
bei der ersten Sichtung der Wohnungsalternativen favorisierten Option deshalb erhöhten,
damit sie für die Realisierung dieser Alternative die nötige Entschlusskraft und
Umsetzungsenergie zur Verfügung hatten (d. h. um sich selbst zu motivieren). Natürlich kann
man aus der Beobachtung, dass Handlungsorientierte die Attraktivität von
Handlungsalternativen „von selbst“ erhöhen, noch nicht zwingend ableiten, dass an dieser
Motivationssteigerung das „Selbst“ beteiligt ist, also ein abstraktes oder sogar tatsächlich
vorhandenes System, das eine Erhöhung der eigenen Motivation immer dann besorgt, wenn
man mehr Motivation braucht, um eine Handlung auch bei Schwierigkeiten zu beginnen oder
aufrecht zu erhalten. Um eine solche Frage zu überprüfen, braucht man eine Theorie, die
dieses hypothetische System genauer spezifiziert, die also z. B. angibt, welche verschiedenen
Aufgaben es übernimmt und wie es im Einzelnen funktioniert. Während in der Vergangenheit
der Begriff des Selbst und verwandte Begriffe wie Selbstbestimmung oder
Selbstverwirklichung auf phänomenologische Theorien beschränkt war (z. B. Deci & Ryan,
1991; Rogers, 1961), gibt es inzwischen auch Ansätze, das Selbst als ein funktionsanalytisch
bestimmbares System aufzufassen (Klein & Loftus, 1993; Koole & Pelham, 2003; Kuhl,
1994, 1996, 2001; Nowak et al., 2000).
In diesen Ansätzen wird das Selbst – ähnlich wie in der oben erwähnten
funktionsanalytischen Bestimmung des Selbst – als ein weitgehend unbewusstes
(„implizites“) System aufgefasst, das von dem bewusst repräsentierten Selbstkonzept zu
unterscheiden ist. Ergänzt wird das Funktionsprofil dieses hypothetischen Systems durch das
bereits erwähnte Funktionsmerkmal der ganzheitlichen („parallelen“) Verarbeitung, das einen
Überblick über alle relevanten eigenen Bedürfnisse und Werte gibt, und durch die postulierte
Anbindung an das autonome Nervensystem, das die Wahrnehmung und die Steuerung von
Emotionen und damit Affektregulation einschließlich der hier diskutierten Selbstmotivierung
ermöglicht. Für die starke These, dass ein solches System nicht nur ein hypothetisches
Konstrukt ist, sondern sogar auf der neurobiologischen Ebene existiert, sprechen Befunde, die
zeigen, dass alle die bislang erwähnten hypothetischen Funktionsmerkmale des Selbstsystems
durch dieselben oder benachbarte Regionen des Gehirns unterstützt werden (d. h. durch die
rechte Hemisphäre, besonders den rechten präfrontalen Kortex): Das gilt (1) für die
Selbstwahrnehmung (Craik et al., 1999; Keenan et al., 2001), die z. B. durch die Frage
gemessen wird, welche Adjektive aus einer gezeigten Liste die eigene Person beschreiben und
welche nicht, (2) für die ganzheitliche (parallele) Verarbeitungscharakteristik, die z. B. in
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einer breiten (impliziten) Aufmerksamkeit für alles potenziell Relevante (Vigilanz) erkennbar
wird (Posner & Rothbart, 1992) und (3) für die Affektregulation (Levesque et al., 2003),
einschließlich der Selbstmotivierung (Barkley, 1997).
Intrinsische Freude mit Selbstbeteiligung?
Wie lässt sich überprüfen, ob ein solches „Selbstsystem“ an dem Zustandekommen von
positivem Affekt beteiligt ist (was gerade bei schwierigen Aufgaben bei vielen Menschen
offensichtlich nicht von selbst geschieht)? In einer Untersuchung von Koole & Jostmann
(2004) wurde dieser Frage angegangen. Überprüft werden sollten die drei erwähnten
Funktionsmerkmale des postulierten Selbstsystems: (1) Die Heraufregulierung von positivem
Affekt dient der Selbstmotivierung bei schwierigen Aufgaben. Deswegen sollten Hinweise
auf eine Zunahme von positivem Affekt nur dann nachweisbar sein, wenn Versuchspersonen
mit einer anspruchsvollen Aufgabe konfrontiert werden. (2) Die Heraufregulierung von
positivem Affekt wird durch ein implizit (unbewusst) arbeitendes System (quasi
„automatisch“) vermittelt, das die Aufmerksamkeit für Reize steigert, die die positive
Motivation stimulieren. Darum sollten Hinweise auf eine Zunahme von positivem Affekt in
einem so kurzen Zeitbereich nachweisbar sein, dass eine bewusste Affektregulation
unwahrscheinlich ist). (3) Die Heraufregulierung von positivem Affekt wird tatsächlich durch
das System vermittelt, das an der Selbstwahrnehmung beteiligt ist, also durch das
Selbstsystem. Deswegen sollte der Zusammenhang zwischen der Heraufregulierung von
positivem Affekt und der Schwierigkeit der Aufgabe verschwinden, sobald man
interindividuelle Unterschiede in der Selbstwahrnehmungskompetenz konstant hält.
------- Abb. 1 hier etwa einfügen -------
Koole und Jostmann konnten diese drei Hypothesen für die (prospektive) Form der
Handlungsorientierung bestätigen, auf die es bei der Überwindung von Schwierigkeiten und
der dazu nötigen Selbstmotivierung an kommt (Abb. 1): (1) Nur in einer Bedingung, in der
die Versuchspersonen mit zu überwindenden Schwierigkeiten konfrontiert wurden (sie sollten
an eine Person in ihrem Leben denken, die hohe Anforderungen an sie stellt oder stellte), gab
es eine signifikante Erhöhung von Kennwerten für das Ansteigen positiven Affekts. (2) Diese
Kennwerte beruhten auf verkürzten Reaktionszeiten beim Entdecken eines fröhlichen
Gesichts, das in einer Matrix von ärgerlichen Gesichtern versteckt war (die niedrigen
Reaktionszeiten und die Auswirkung auf die breite Form der Aufmerksamkeit bestätigen die
Hypothese, dass es sich um eine implizite Form der breit gestreuten Aufmerksamkeit für
Hinweisreize handelt, die potenziell den positiven Affekt erhöhen könnten). (3) Schließlich
bestätigte eine Mediationsanalyse die Hypothese, dass der signifikante Zusammenhang
zwischen der Konfrontation mit zu überwindenden Schwierigkeiten und der erhöhten
Sensibilität für positive Anreize durch die Selbstwahrnehmung vermittelt war: Sobald die
Reaktionszeiten aus einer Selbstwahrnehmungsaufgabe statistisch konstant gehalten wurden,
verschwand der Zusammenhang zwischen Schwierigkeit und erhöhter Sensibilität für positive
Anreize.
Die im vorigen Abschnitt erwähnte Untersuchung von Beckmann & Kuhl (1984) würde
erwarten lassen, dass diese Mediation nur für Handlungsorientierte gilt: Wenn die Hypothese
richtig ist, dass Handlungsorientierte, nicht aber Lageorientierte bei Konfrontation mit
schwierigen Aufgaben positiven Affekt über das Selbstsystem heraufregulieren
(„Selbstmotivierung“), dann dürfte der erwähnte Mediationseffekt des Selbstzugangs nur bei
Handlungsorientierten auftreten. Genau dies war in der Untersuchung von Koole & Jostman
(2004) der Fall (Abb. 1).
Wann machen Ziele krank?
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Halten wir also fest: Das Selbstsystem scheint Menschen, die gerade in schwierigen
Situationen Zugriff auf dieses System haben (d. h. Handlungsorientierten), zu ermöglichen,
auch bei Konfrontation mit unangenehmen oder schwierigen Aufgaben oder Zielen, positiven
Affekt aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen. Es lässt sich nun ein erster
Antwortversuch auf die eingangs gestellte Frage ableiten, wann Ziele „gesund“ sind bzw.
wann sie krank machen oder zumindest das Wohlbefinden beeinträchtigen können:
Angesichts der vielen empirischen Hinweise auf Zusammenhänge zwischen positivem Affekt,
Wohlbefinden und Gesundheit (Diener, 1998; Schwarzer & Renner, 2000) liegt es nahe
anzunehmen, dass Ziele das persönliche Wohlbefinden beeinträchtigen, wenn es den
betreffenden Personen nicht gelingt, die zur Verwirklichung ihrer Ziele notwendige
Motivation (d. h. den notwendigen positiven Affekt) zu generieren. Diese Hypothese konnte
in einer rezenten Untersuchung bestätigt werden (Baumann, Kaschel & Kuhl, 2004). Wie aus
Abb. 2 hervorgeht, wurde in dieser Untersuchung beobachtet, dass Personen, die nach
eigenem Urteil vielen Alltagsbelastungen ausgesetzt waren (also Bedingungen, die
Selbstmotivierungskompetenzen verlangen), gerade dann ein sehr niedriges Wohlbefinden
angaben, wenn sie über geringe affektregulatorische Kompetenzen verfügten (d. h. wenn sie
mehr lage- als handlungsorientiert waren).
------- Abb. 2 etwa hier einfügen --------
Bedeutet nun die Beeinträchtigung der Selbstmotivierungskompetenz, dass mit dem
reduzierten Wohlbefinden automatisch auch die Gesundheit leidet? Aus der PSI-Theorie lässt
sich diesbezüglich eine differenziertere Hypothese ableiten: Wenn es schwer fällt, die
Motivation für die Umsetzung eigener Ziele und für die Freude an den dazu notwendigen
Tätigkeiten aufzubringen, dann werden zwar weniger Absichten umgesetzt und damit auch
weniger Ziele erreicht. Die daraus resultierende Senkung des allgemeinen Wohlbefindens
muss aber nicht in jedem Fall zu psychischen Erkrankungen führen. Psychische Symptome
hängen in starkem Maße von übermäßigem negativem Affekt (z. B. Angst, Bedrohung,
Schmerz) und dem daraus resultierenden Stress ab (Sapolsky, 1992). Die Entstehung und die
Regulation von negativem Affekt hängen von anderen Mechanismen ab als die von positivem
Affekt (Caccioppo & Gardner, 1999; Gray, 1987; Kuhl & Beckmann, 1994; LeDoux, 1995;
Schultz, 1998; Watson & Tellegen, 1985). In der PSI-Theorie kommt dies in den beiden
Modulationsannahmen zum Ausdruck (Kuhl, 2001): Reduzierter positiver Affekt (z. B.
Gehemmtheit, Lustlosigkeit, Entmutigung oder Niedergeschlagenheit) hat eine andere
Wirkung als negativer Affekt (z. B. Nervösität, Angst, Schmerz, Unsicherheit): Während die
Dämpfung von positivem Affekt die Umsetzung von Handlungsabsichten reduziert
(„Willenshemmung“), führt übermäßiger negativer Affekt zu einer Hemmung des
Selbstzugangs („Selbsthemmung“).
Die bei negativem Affekt erwartete Hemmung des Selbstzugangs lässt eine
Beeinträchtigung der Regulation von Emotionen, Bedürfnissen und anderen körpernahen
Prozessen und damit eine Zunahme psychischer Symptome erwarten. Diese Erwartung beruht
auf der Vernetzung zwischen dem Selbst mit dem autonomen Nervensystem und damit auch
mit Emotionen, Bedürfnissen und anderen körpernahen Prozessen bis hin zum Immunsystem
(Kuhl, 2001; Levesque et al., 2003; Wittling, 1990). Auch diese Hypothese konnte in der
Untersuchung von Baumann et al. (2004) bestätigt werden: Die Zunahme von psychischen
Symptomen während des dreimonatigen Beobachtungszeitraums hing nicht von der
Reduzierung positiven Affekts durch Alltagsbelastungen und der
Selbstmotivierungskompetenz (HOP) ab (wie die Senkung des Wohlbefindens: Abb.2),
sondern von der Steigerung negativen Affekts durch Alltagsstress („Bedrohliches“) und der
(Un-) Fähigkeit, negativen Affekt herabzuregulieren („misserfolgsbezogene
Lageorientierung“: LOM), wie aus Abb. 3 hervorgeht.
------ Abbildung 3 etwa hier einfügen --------
10
Eine schwache Affektregulation kann dann, wenn im Alltag ein Übermaß an negativen
Gefühlen ausgelöst wird, zu psychischen Krankheitssymptomen führen. Dieser plausible
Zusammenhang lässt einen direkten Einfluss negativer Affekte auf die Bildung psychischer
Symptome erwarten, die ja meist wesentlich emotionale Störungen sind. Allerdings darf trotz
dieses einfachen und plausiblen Zusammenhangs die Suche nach weiteren
Vermittlungsmechanismen nicht verfrüht aufgegeben werden. In der Motivationsforschung
wird seit einiger Zeit eine Erkrankungsursache untersucht, die in der Klinischen Psychologie
seit langem postuliert wurde: Symptome entstehen oder werden schlimmer, wenn Menschen
Ziele verfolgen, die ihnen nicht gut tun. Wenn wir das Selbst als ein System auffassen, das auf
der Grundlage zahlloser Lebenserfahrungen am besten beurteilen kann, was dem
Gesamtorganismus „gut tut“, dann lässt sich diese Hypothese theoretisch präzisieren: Wenn
Menschen Ziele verfolgen, die nicht zu ihrem Selbst passen, dann entstehen oder
verschlimmern sich psychische Symptome. Wenn die Diskrepanz zwischen dem Selbst und
den persönlichen Zielen eine mögliche Ursache für den Zusammenhang zwischen
übermäßigem negativen Affekt und Symptomentstehung sein soll, dann müsste zunächst
einmal überhaupt ein Zusammenhang zwischen negativem Affekt und dieser Diskrepanz
nachgewiesen werden.
Brunstein (2001) konnte in der Tat diesen Zusammenhang in einer
Längsschnittuntersuchung aufzeigen: Studierende, deren Fähigkeit beeinträchtigt war,
negativen Affekt herabzuregulieren (Lageorientierte: LOM), zeigten eine geringere
Übereinstimmung zwischen ihren expliziten Zielen und ihren impliziten Motiven (die mit
dem TAT gemessen wurden) als Studierende mit höherer affektregulatorischer Kompetenz (d.
h. als Handlungsorientierte). Könnte es sein, dass der Einfluss negativen Affekts auf die
Symptomentstehung (Abb. 3) nicht (nur) direkt zustande kommt, sondern (auch) durch die
Diskrepanz zwischen expliziter Motivation und impliziten Motiven (als Teil des Selbst)
vermittelt ist? Die in Abb. 4 dargestellte Mediationsanalyse bestätigt diese Hypothese
(Baumann et al., 2004): Wenn man den vermuteten Vermittlungsmechanismus, in diesem Fall
die Diskrepanz zwischen der bewussten Einschätzung der Wichtigkeit von Leistungszielen
und dem mit einem projektiven Verfahren (Operanter Motivtest) erfassten impliziten
Leistungsmotiv statistisch konstant hält, wird der Zusammenhang zwischen der
Überforderung der affektregulatorischen Kompetenz (d. h. das Produkt aus Lageorientierung
und als bedrohlich empfundenem Alltagsstress) signifikant reduziert (d. h. von 0,31* auf
0,23).
-------- Abb. 4 etwa hier einfügen --------
Schlussbetrachtung
Die theoretischen und empirischen Fortschritte im Verständnis der Zusammenhänge zwischen
bewusster und unbewusster Motivation (z. B. expliziten Zielen und impliziten Motiven), dem
Wohlbefinden und der Gesundheit ermöglichen uns einige der eingangs erwähnten
motivationspsychologischen Rätsel einer Lösung näher zu bringen. Dem Satz „Geld macht
nicht glücklich“ würden wir vor diesem Hintergrund dann Gültigkeit zubilligen, wenn das
Geld nur durch die explizite Motivation (z. B. durch bewusste Ziele) angestrebt wird, nicht
aber durch die implizite Motivation, d. h. durch das Selbst. Umfassende Zufriedenheit und
subjektives Wohlbefinden können dann trotz aller Erfolge u. U. deshalb nicht entstehen, weil
die Zielverfolgung zu viele andere Bedürfnisse der Person verletzt (z. B. das Bedürfnis nach
Liebe und Nähe zu anderen Menschen oder das Bedürfnis nach Erholung).
Wenn wir das Selbst als das System auffassen, das den umfassendsten und
intelligentesten, wenn auch in seiner Ausdehnung (Extension) nicht voll bewusstseinsfähigen
Überblick über alle eigenen und fremden Bedürfnisse, Werte und Umweltbedingungen
bereitstellt, dann wird verständlich, warum eine allzu einseitige Betonung der bewussten
11
Motivation (einschließlich der persönlichen Ziele) zur Frustration vieler Bedürfnisse führen
muss. Wenn es einer Person gelingt, ihr Streben nach Geld (oder andere „extrinsischen“
Ziele) mit ihren Bedürfnissen, Motiven und anderen Selbstwahrnehmungen abzugleichen,
dann beseitigt sie nicht nur eine Quelle innerer Spannung, sondern bringt auch die
umfassende Intelligenz des Selbst in Kontakt mit diesem Streben. Es dürfte ihr dann z. B.
erheblich leichter fallen, Wege zu finden, ihre finanziellen Ziele zu erreichen, ohne unnötige
Abstriche bei anderen Bedürfnissen und Zielen machen zu müssen. Sie wird ihre Ziele
buchstäblich nicht „ohne Rücksicht auf Verluste“ verfolgen, sondern immer wieder im
Kontext ihrer gesamten Lebenssituation (einschließlich der Bedürfnisse anderer Menschen
und einschließlich des kulturellen Kontexts, in dem die Person lebt). Die komputationale
Voraussetzung für diese Leistung haben wir mit der parallelen Verarbeitungscharakteristik
des Extensionsgedächtnisses beschrieben. Sie macht die enorme Integrationsleistung des
impliziten Selbst erst möglich.
Vor diesem Hintergrund wird auch der zitierte Befund erklärbar, dass Zielerreichung
nur dann das Wohlbefinden steigert, wenn es sich um realistische Ziele handelt (Brunstein,
1993): Ob Ziele realistisch sind, kann umso besser beurteilt werden, je mehr sie einem
Vergleich mit allen relevanten Lebenserfahrungen standhält. Natürlich wird man im Alltag
selten, das was man tut, bewusst mit allen relevanten Lebenserfahrungen abgleichen.
Aufgrund der „Kapazitätsbegrenzung“ des Bewusstseins würde eine solche Prüfung viel zu
zeitraubend sein. Das Selbst ermöglicht jedoch durch seine parallele
Verarbeitungscharakteristik umfassende Abgleichoperationen dieser Art in wenigen Sekunden
oder Millisekunden. Geld, Status und andere „extrinsische“ Ziele wären demnach vielleicht
deshalb weniger leicht ins Selbst zu integrieren als Ziele, die sich auf persönliche
Beziehungen und Selbstentwicklung beziehen, weil die extrinsischen Ziele weniger
Lebensbereiche berühren als Beziehungs- und Selbstverwirklichungsziele. Wenn wir das
Selbst einer Person als die umfassendste Repräsentation aller für ihre Existenz relevanten
Bedürfnisse, Werte und Lebenserfahrungen auffassen, dann sind natürlich Ziele, die direkt
das Selbst betreffen (oder die Beziehung zwischen zwei „Selbstsystemen“), per definitionem
umfassender als die erwähnten extrinsischen Ziele (es sei denn, man schafft es, Ziele wie
Geldverdienen oder Statusgewinnung in das Selbst und damit in das ganzheitliche Erfühlen
der Bezüge und Bedeutungen zu fast allen persönlichen Bedürfnissen, Werten und
Lebenserfahrungen zu integrieren).
Auch die Beurteilung der eigenen Zufriedenheit oder des subjektiven Wohlbefindens
erfordert eigentlich eine Beteiligung dieses Systems. Das analytische Bewusstsein müsste
Fragen nach der Zufriedenheit oder dem Wohlbefinden immer lokal beantworten (d. h. nur
immer auf das gerade ins Auge gefasste Ziel bezogen) oder die Antwort aus dem Zeit
raubenden Zusammensetzen möglichst vieler solcher lokaler Antworten konstruieren. Die in
Brunsteins Befund enthaltene enge Verbindung zwischen subjektivem Wohlbefinden und der
Realitätsnähe persönlicher Ziele kann demnach dadurch erklärt werden, dass diese beiden
Merkmale durch dasselbe System beurteilt werden. Auch der erwähnte Befund, dass das
Erreichen von Vermeidungszielen nicht zu einer Steigerung des Wohlbefindens führt (Elliot
et al., 1997), lässt sich mit den kognitiven Einbußen erklären, die ein gehemmter
Selbstzugang mit sich bringt: Wenn der den Vermeidungszielen zugrunde liegende negative
Affekt den Selbstzugang erschwert, ist es auch schwierig eine umfassende Zufriedenheit zu
spüren (die den Selbstzugang erfordert). Das bedeutet, dass auch Selbstverwirklichungs- und
Beziehungsziele (oder –wünsche) selbst bei Ziellerreichung ihre positiven Auswirkungen auf
das Wohlbefinden und die Gesundheit einbüßen können, nämlich dann wenn diese Ziele nicht
vom ganzheitlichen Selbst unterstützt sind, sondern von der bewussten (analytischen) Form
der Zielverfolgung (z. B. wenn jemand in seinen Beziehungen immer nur dann aktiv wird,
wenn er etwas konkretes erreichen will).
12
Die einseitige Fixierung auf eigene Ziele hat allerdings nicht nur eine Beeinträchtigung
kognitiver Ressourcen zur Berücksichtigung möglichst vieler eigener Interessen zur Folge.
Wenn einzelne Ziele für lange Zeit einseitig verfolgt werden (d. h. ohne sie mit dem gesamten
Selbst abzugleichen), werden auch emotionale Ressourcen beeinträchtigt. Einseitige
Zielverfolgung kann dazu führen, dass die Regulation eigener Gefühle erschwert wird. Das
liegt daran, dass das System, das bewusste Ziele verfolgt, nicht über eine ausgedehnte
Vernetzung mit dem autonomen Nervensystem verfügt: Bei rechtshemisphärischen Systemen,
(die wie erwähnt an der Bildung umfassender Selbstrepräsentationen beteiligt sind) wurde
eine stärkere Vernetzung mit dem autonomen Nervensystem nachgewiesen, als bei
linkshemisphärischen Systemen, die für das analytische Denken und das mit ihm verknüpfte
Aufrechterhalten expliziter Zielvorstellungen besonders wichtig sind (Dawson & Schell,
1982; Levesque et al., 2003; Wittling, 1990). Die Affektabkopplung des
Zielverfolgungssystems mag für das Problemlösen und die Zielverfolgung adaptiv sein: Sie
ermöglicht Probleme schon dann zu bearbeiten, wenn sie noch gar nicht aktuell sind (d. h.
wenn sie keine starken Bedürfnisse und Emotionen auslösen) und Ziele auch dann aufrecht zu
erhalten, wenn sie unangenehm sind (die Entkopplung des analytischen
Zielverfolgungssystems von Affekten reduziert dann die demotivierende Wirkung solcher
Ziele). Wird dieser Vorteil des Zielverfolgungssystems (z. B. des Gedächtnisses für
Intentionen und des analytischen Denkens) zu einseitig genutzt, entstehen chronische
Diskrepanzen zwischen Zielen und Motiven oder zwischen bewusster Motivation überhaupt
und dem Selbst. Diese Entfremdung des bewussten Ich von seiner weitgehend unbewussten
Basis (d. h. dem Selbst) ist demnach die Ursache für die in diesem Kapitel thematisierten
paradoxen Fälle, in denen Zielerreichung keineswegs Zufriedenheit bringt und das
Wohlbefinden steigert und sogar das Verfolgen von durchaus „sinnvollen“ Zielen krank
machen kann.
Wir können also festhalten: Das Erreichen persönlicher Ziele hat zunächst einmal einen
unbestrittenen positiven Effekt, der in dem erreichten Erfolg und der mit ihm verbundenen
Zufriedenheit besteht. Erst wenn das Verfolgen von Zielen zu einseitig mit der bewussten
Form der Handlungskontrolle realisiert wird, kann es zu negativen Auswirkungen auf das
Wohlbefinden oder gar auf die Gesundheit kommen. Das liegt daran, dass das System (der
linken Hemisphäre des Gehirns), das die bewusste Zielverfolgung („Handlungskontrolle“)
unterstützt, weniger dicht mit dem autonomen Nervensystem vernetzt ist als das System, das
die weitgehend unbewussten Netzwerke umfassender Selbstrepräsentationen unterstützt.
Allerdings fördern auch Ziele, die direkt das Selbst und seine (liebevollen) Beziehungen zu
anderen Menschen berühren, nur solange das Wohlbefinden und die Gesundheit, wie sie ihre
natürliche Verbindung mit der unbewussten, emotions- und körpernahen Selbstwahrnehmung
behalten. Wenn es gelingt Ziele wie Geld und Ansehen, die normalerweise nicht mit dem
gesamten Selbst abgeglichen, sondern auf konkrete Ergebnisse ausgerichtet sind, aus dieser
Fokussierung zu befreien und sie mit allen wichtigen Bedürfnissen und Werten der Person
und ihrer sozialen Beziehungen zu verbinden, dann können auch solche „extrinsischen“ zu
intrinsischen Zielen werden, deren Erreichen dann auch das Wohlbefinden und die
Gesundheit fördern kann.
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16
Beschriftungen der Abbildungen
Abbildung 1: Der Einfluss einer imaginierten Person, die hohe Anforderungen stellt, auf ein
Maß für die unbewusste (intuitive) Affektregulation wird bei Handlungsorientierten (HOP)
durch den Selbstzugang vermittelt, der durch die Reaktionszeiten bei selbstreferenziellen
Urteilen gemessen wurde; bei Lageorientierten trat der dargestellte Effekt nicht auf (nach
Koole & Jostmann, 2004).
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Anforderungen (Selbstbeurteilung der eigenen
Alltagsbelastungen) und dem subjektiven Wohlbefinden getrennt für eine handlungs- und eine
lageorientierte Gruppe (gemessen wurde HOP: prospektive Handlungsorientierung).
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Bedrohung (Selbstbeurteilung des Alltagsstresses in
Form von bedrohlichen und Angst machenden Aspekten) und der Zunahme von psychischen
Symptomen wie Spannungskopfschmerzen, Depression, Zwangshandlungen etc. getrennt für
eine handlungs- und eine lageorientierte Gruppe (gemessen wurde HOM:
misserfolgsbezogene Handlungsorientierung)
Abbildung 4: Der Einfluss einer Überlastung der Fähigkeit, negativen Affekt
herabzuregulieren (d. h. wenn hoher Alltagsstress mit einer niedrigen Fähigkeit zur
Stressbewältigung zusammenkommt: Stress x LOM) auf die Zunahme psychischer Symptome
innerhalb von 3 Monaten (t2 – t1) sinkt signifikant (von 0,31* auf 0,23), sobald
interindividuelle Unterschiede in der Diskrepanz zwischen der bewussten Einschätzung der
eigenen Leistungsmotivation und den nicht bewusstseinspflichtigen Motiven statistisch
konstant gehalten werden.
17
Abb.1 11
.35
*
.37*
.43*
Handlungsorientierte Versuchspersonen (HOP)
Visualisierung einer Person
mit hohen Anforderungen
Visualisierung einer Person
mit hohen Anforderungen
.22
Selbstzugang
18
Abb. 2
-1,0
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
Niedrige
Anforderungen
Hohe
Anforderungen
Subjektives Wohlbefinden (Z) .
Lageorientierte
Handlungsorientierte
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
-1.0
19
Abb. 3
-1,0
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
Niedrige
Bedrohung
Hohe Bedrohung
Symptomzunahme t2 - t1 (Z) .
Lageorientierte
Handlungsorientierte
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
20
Abb. 4
0,31*
0,27*
0,23
0,32*
Latente Alienation:
Explizite
minus implizite
Leistungsmotivation
LOM x Alltagsstress
Symptomzunahme
(t2-t1)
LOM x Alltagsstress
Symptomzunahme
(t2-t1)
... Die Th eorie der System-Interaktionen postuliert vier Makrosysteme für die "Beweggründe" (Kuhl, 2018, S. 391) des Verhaltens und Handelns in der Tradition einer "Positionspsychologie" (Adler, 1928, S. 219). Nach der PSI-Th eorie von Kuhl (2001Kuhl ( , 2005 verfügt jeder Mensch "über diese miteinander interagierende[n] psychische[n] Teilsysteme" (Kuhl et al., 2014, S. 85 (Kuhl, 2018). Das System ist sensitiv für Veränderungen von Situationen und nimmt Risiken wahr (Kuhl & Alsleben, 2012). ...
Chapter
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Die Zukunft von Schule ist offen und gestaltbar. Um das Gelingen einer formativen Integration von Bildungsstandards1 in das Schulsystem in Verbindung mit einer fundierten Kompetenzorientierung im Unterricht zu ermöglichen, ist im Sinne von Roth (1971) ein „kritisches und kreatives Sozialverhalten aus eigener Einsicht“ (ebd., S. 478) unabdingbar, also das Hinterfragen von internalisierten Normen, Routinen, Prinzipien, Regeln und Standards, die hinter den sozialen Lehr-Lernkulturen stecken sowie eine konstruktive, produktive Auseinandersetzung mit Positionen, Strebungen und Rollen durch Positionen, Dynamiken, Strukturen und Funktionen. Erfolgreiche Reformen setzen voraus, dass die Grundprinzipien und Werte der Reform auf der Ebene der impliziten Grundannahmen, Vorstellungen und Überzeugungen als auch als „Spirit“ (Rolff , 2015, S. 55) im Sinne eines „Sensemaking“ (Weick, 1995, S. 1; Coburn, 2004, S. 213; Asbrand, 2015) als pädagogische Haltung verinnerlicht werden. Eine Verinnerlichung benötigt vielfältige Ansätze von Begleitung, vor allem, da sich pädagogische Haltungen und Menschenbilder in Begleitungskonzepten wiederfi nden lassen. Eine ganzheitliche Integration von Bildungsstandards in die Schulkultur und Praxis kann nur durch ein mehrperspektivisches Vorgehen und ein integratives Denken, Erleben und Erfahren erreicht werden. Jedes Vorgehen, jede Reform und jede Veränderung hat eine spezielle, eigene Biographie. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf der Frage der Gelingensbedingungen und deren Beschreibung durch Konzepte und Modelle der Begleitung für eine möglichst erfolgreiche formative Integration von Bildungsstandards in den Unterricht und die Schule sowie die Arbeit mit Bildungsstandards als Refl exions- und Proflexionsinstrument für eine gelingende Schul- und Unterrichtsentwicklung als Arbeit im und am (Schul-)System. Der Beitrag versucht zunächst den Begriff der professionellen, pädagogischen Haltung als Ausgangspunkt für die Arbeit mit Bildungsstandards und die zentrale Wirkung von Haltung auf die Schulkultur zu klären. In einem nächsten Schritt und um die Genese der theoretischen Klärung von Begleitungskonzepten zu verdeutlichen, stellt der Beitrag das Modell der Feldtransformation vor, welches u. a. Erklärungs- und Handlungsmöglichkeiten zwischen den Polen Entwicklung und Stabilisierung aufzeigen kann und im Besonderen Möglichkeitsräume für das integrative Denken eröffnet. Durch die Theorie der System-Interaktionen lassen sich im Beitrag die wesentlichen Unterschiede von Herangehensweisen darlegen und die Th eorie erlaubt im Weiteren ein tieferes Verständnis für aktivierende und produktive Unterstützungsprozesse und von Begleitungskonzepten. Anschließend beschreibt der Beitrag die unterschiedlichen Formen von Begleitungen und die darin tief verwurzelten Haltungen als reichhaltiges Repertoire von Ideen, Visionen und Zielsetzungen. Diese Formen und Varianten von Begleitungskonzepten wirken im Sinne von vielfältigen Gelingensbedingungen auf die Integration von Bildungsstandards in das österreichische Schulsystem ein. Es wird durch den Beitrag ersichtlich, dass eine einseitige Begleitung von Reformen und Zielsetzungen, besonders aus der Perspektive des Modells der Feldtransformation sowie der Th eorie der System-Interaktionen, wenig Erfolgschancen eröffnet. Der Beitrag schließt mit ausgewählten Beispielen von Begleitungskonzepten für die Integration von Bildungsstandards und zeigt, dass ein Gelingen vielfältige Ansätze und ein Balancing von Konzepten benötigt. Keywords: Feldtransformation, Reflexion, Proflexion, Haltung, Mentoring, Begleitungskonzepte, Bildungsstandards, Kompetenzorientierung, Feedback, Rückmeldung
... Die Tätigkeit des EGs ist im Gegensatz zur Tätigkeit des IGs nicht an Bewusstsein gebunden, die Entscheidungs-und Bewertungsprozesse verlaufen in Bruchteilen von Sekunden unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Die bewusste Entscheidung des IGs hingegen verläuft langsam und ohne Affekt. Die Tatsache, dass das IG von Affekten weitgehend abgekoppelt ist, sieht Kuhl durchaus auch als Vorteil, denn dadurch ist das IG in der Lage, Probleme schon dann zu bearbeiten, wenn sie noch gar nicht aktuell und damit nur "theoretisch" vorhanden sind, und Ziele auch dann aufrechtzuerhalten, wenn sie unangenehme Affekte auslösen (Kuhl & Koole, 2005). ...
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We ourselves are the first instance that we follow in order to find a foothold in our lives. The knowledge we have of ourselves, the feelings we have about ourselves, the actions we take to gain certainty about ourselves, provide the first foundations on which to base our lives. We call this totality of psychic backgrounds individual spaces of meaning or spaces of sense. And under the hand the concept of sense emerges, which fits quite well to name the supposedly fixed individual points.
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Der Beitrag legt den Fokus darauf, (neue) Lernaufgaben aus (vorliegenden) Testaufgaben zu entwickeln. Es wird geklärt, welchen Gewinn eine solche Entwicklung bringt und warum eine Analyse von Testaufgaben nützlich sein kann, um bewusst verschiedene Aufgabenmerkmale zu variieren und so einzelne bzw. aufeinander abgestimmte Bündel von Lernaufgaben zu entwickeln. Schlussendlich folgen konkrete Überlegungen und Beispiele aus den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik.
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Dieses Buch bietet einen vielperspektivischen Einblick in den Implementierungsprozess einer Bildungsreform, die national und international weiterhin als wesentlichste Maßnahme hin zu einem kompetenzorientiert ausgerichteten Schulsystem bezeichnet wird: die schulischen Bildungsstandards. Die Implementierung wird als komplexer Prozess der Qualitätsentwicklung verstanden, an dem zentrale Dimensionen von Unterricht, Schule und Lehrer/innen/bildung beteiligt sind. Die Gelingensbedingungen einer solchen Reform, die der Band an den unterschiedlichsten Feldern vom Führungshandeln über die pädagogische Diagnostik bis hin zu unterrichtlichen Aufgabenkulturen mit empirischen Ergebnissen aus der Implementierungsforschung zu Bildungsstandards beschreibt, werden am Beispiel der Umsetzung im österreichischen Schulsystem aufgezeigt, zugleich aber auch im internationalen Kontext diskutiert. Sichtbar wird die bildungspolitische Notwendigkeit, eine solche Bildungsreform zukünftig als Gesamtkonzept zu begreifen, in dem es wesentlich auch darum geht, die Nutzungsmöglichkeiten für die pädagogische Profession zu stärken und ihre Mitgestaltung am Transformationsprozess auch im Sinne gemeinsamer Verantwortung zu erhöhen. Der Sammelband richtet sich an Akteure und Akteurinnen in der Lehrer/innen/bildung, in der Schule, in der Bildungsforschung und Bildungspolitik und möchte im Besonderen Lehrpersonen und Lehramtsstudierenden umfassende Möglichkeiten des Verstehens von und der zukünftigen Mitgestaltung bei zentralen Bildungsreformen aufzeigen.
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Wir selbst sind die erste Instanz, der wir folgen, um Halt in unserem Leben zu finden. Das Wissen von uns selbst, die Gefühle, die uns selbst betreffen, die Handlungen, die wir ausführen, um Gewissheit über uns selbst zu erlangen, liefern die ersten Fundamente, auf denen unser Leben sich gründen lässt. Individuelle Sinnräume nennen wir diese Gesamtheit der psychischen Hintergründe. Und unter der Hand taucht der Sinnbegriff auf, der ganz gut passt, um die vermeintlich festen individuellen Punkte zu benennen.
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Die Frage, wie Ziele formuliert werden müssen, um handlungswirksam zu werden, ist seit vielen Jahren Gegenstand psychologischer Forschung. Bei vielen Therapieschulen, Beratungs- und Coachingmethoden gehört das Formulieren von Zielen zum festen Handwerkszeug. Eine gängige Lehrmeinung zur Zielformulierung ist, dass Ziele so konkret wie möglich sein müssen, das heißt, werden Ziele zu vage gefasst oder gleichen globalen Absichtserklärungen (beispielsweise gesund werden, zufrieden sein, gute Umweltpolitik machen, etc.) so fehlt ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem effektiven Umsetzen in der alltägliche Handlungspraxis. Reales Handeln wird nach dieser Meinung durch Zerlegung in eine Vielzahl konkreter Verhaltensweisen möglich. In diesem Beitrag widmen sich die Autorinnen einem neuen Typus von Ziel, mit dem intrinsische Motivation sichergestellt, Sinnerleben erzeugt und Einstellungsänderungen angeregt werden kann.
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Der Begriff Ziel hat in der Alltagssprache wie auch in der psychologischen Literatur – in Abhängigkeit des zugrundeliegenden theoretischen Konzepts – unterschiedliche Bedeutungen (vgl. Elliott/Fryer 2008, S. 235 [403]). Nachfolgend findet sich exemplarisch eine Definition von Brockhaus, welche den Zusammenhang zwischen Ziel und Handlung verdeutlicht. Diese Definition zeigt auch auf, dass Ziele eng mit Selbstentwicklung verbunden sind.
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In The Algebraic Mind, Gary Marcus attempts to integrate two theories about how the mind works, one that says that the mind is a computer-like manipulator of symbols, and another that says that the mind is a large network of neurons working together in parallel. Resisting the conventional wisdom that says that if the mind is a large neural network it cannot simultaneously be a manipulator of symbols, Marcus outlines a variety of ways in which neural systems could be organized so as to manipulate symbols, and he shows why such systems are more likely to provide an adequate substrate for language and cognition than neural systems that are inconsistent with the manipulation of symbols. Concluding with a discussion of how a neurally realized system of symbol-manipulation could have evolved and how such a system could unfold developmentally within the womb, Marcus helps to set the future agenda of cognitive neuroscience. Bradford Books imprint
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Two studies examined the relationship between undergraduates' perceptions of their classroom environment, their adoption of achievement goals for the course, and their graded performance and intrinsic motivation. Results revealed a distinct antecedent profile for each goal in the trichotomous framework: Mastery goals were linked to the presence of lecture engagement and the absence of an evaluation focus and harsh evaluation, performance-approach goals were linked to the presence of evaluation focus, and performance-avoidance goals were linked to the presence of evaluation focus and harsh evaluation. When the perceived classroom environment and achievement goal variables were tested together as predictors of graded performance and intrinsic motivation, the results clearly demonstrated that the influence of the perceived classroom environment on these outcomes measures was indirect; the perceived classroom environment influenced achievement goal adoption, and achievement goal adoption, in turn, directly influenced graded performance and intrinsic motivation.