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Wie unterscheiden Einzeller oben und unten – Beispiele für biologische Experimente im
Weltraumlabor
Donat-P. Häder
Friedrich-Alexander Universität, Institut für Botanik und Pharmazeutische Biologie, Staudtstr. 5, 91058 Erlan-
gen, e-mail: dphaeder@biologie.uni-erlangen.de
Kurzfassung
Einzellige Flagellaten, wie die photosynthetisch aktive Euglena gracilis, orientieren sich sehr prä-
zise am Schwerefeld der Erde. Raumfahrtexperimente belegen, dass die Reizschwelle bei 12 % der
Erdschwerkraft liegt. Intrazelluläre sedimentierende Statolithen sind nicht für die Graviperzeption
verantwortlich; stattdessen drückt der gesamte Zellkörper, der schwerer ist als das umgebende Me-
dium, auf die jeweils untere Cytoplasmamembran. Dort aktiviert der Druck mechano-sensitive Io-
nenkanäle. Der resultierende Einstrom von Ionen ändert das elektrische Membranpotential der Zel-
le, und steuert letztlich das Ausschwingen der Geißel und damit die Reorientierung der Zelle. Das
kleine Signal wird durch eine biochemische Amplifikationskette in der Zelle verstärkt. Zahlreiche
Weltraumexperimente und Parabelflüge zeigen, dass die Elemente der Signaltransduktionskette
ähnlich zu denen bei Wirbeltieren und dem Menschen sind. Das Bewegungsverhalten der Zellen
reagiert extrem sensitiv auf geringe Konzentrationen von toxischen Substanzen im Wasser. Daher
wurde ein vollautomatisches Monitoringsystem entwickelt, dass Abwässer aus Deponien oder der
chemischen Industrie auf potentiell giftige Stoffe analysiert.
1. Passive Ausrichtung im Schwerefeld
oder aktive Reizperzeption?
Viele bewegliche Einzeller, wie z.B. Algen oder
Ciliaten, orientieren sich am Licht und an der
Schwerkraft, um optimale Bedingungen in ihrer
Umwelt für Wachstum und Vermehrung zu suchen.
Während der Photorezeptor bei einigen Flagellaten
weitgehend aufgeklärt ist (der Flagellat Euglena be-
nutzt zwei genetisch eng verwandte Photorezeptor-
proteine, die Flavine als chromophore Gruppen ent-
halten [1]), war der Schwerkraftrezeptor lange Zeit
unbekannt. Das menschliche Vestibularorgan ist
recht kompliziert gebaut und verlangt einen hohen
Anteil an neuronaler Leistung. Wie kann dann ein
Einzeller so präzise die Richtung des Schwerevek-
tors der Erde erkennen?
Das Phänomen der Gravitaxis bei beweglichen Phy-
toplanktonorganismen (Orientierung im Schwere-
feld) ist schon seit über 100 Jahren bekannt [2]; aber
bis vor kurzem konnte keine der aufgestellten
Hypothesen bewiesen werden. Einige Autoren
schlugen vor, dass die Organismen ein schwereres
Hinterende besitzen und wie eine Boje rein passiv
durch eine Asymmetrie des Schwerpunktes ausge-
richtet werden [3]. Da sich der Zellmotor, die Gei-
ßel am Vorderende befindet, würde die Zelle nach
oben schwimmen. Zumindest lichtmikroskopisch
gibt es jedoch keinen Hinweis auf die Richtigkeit
dieser Hypothese. Ein weiterer Hinweis, dass die Zel-
len des Flagellaten Euglena gracilis nicht rein passiv
ausgerichtet werden, ist, dass junge Zellen nach unten
schwimmen, während ältere Kulturen eine negative
Gravitaxis zeigen. Die positive Gravitaxis der jungen
Zellkulturen lässt sich durch Zugabe von mikromola-
ren Konzentrationen von Schwermetallen in eine ne-
gative umschalten. Dieses Experiment funktioniert
mit Cadmium, Quecksilber, Eisen, Blei und anderen
Schwermetallsalzen [4]. Umgekehrt kann man die
negative Gravitaxis älterer Zellen durch höhere Salz-
konzentrationen in eine positive umkehren. Bestrah-
lung von Zellen mit kurzwelligem UV führt zu einem
raschen Verlust der Orientierung, während die Be-
weglichkeit nicht beeinträchtigt wird [5]. Und letzt-
lich folgt die Präzision der Gravitaxis einer endoge-
nen Rhythmik: in einem Tag-Nacht Licht-Dunkel
Wechsel ist die Gravitaxis tagsüber gut ausgeprägt
und nachts nur schwach erkennbar. Diese Rhythmik
bleibt über mehrere Tage im Dauerlicht erhalten [6].
Wenn die bisher geschilderten Resultate stimmen und
die Algen nicht passiv durch das Schwerefeld der Er-
de ausgerichtet werden, könnte die Alternativhypo-
these sein, dass die Zellen über einen physiologischen
Rezeptor verfügen, der die Richtung des Schwerefel-
des wahrnimmt und durch eine biochemische Signal-
kette den Geißelschlag modifiziert, so dass eine
Kurskorrektur erreicht wird.
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Frühjahrstagung Augsburg 2003
2
2. Bewegungsanalyse durch Echtzeit-
Bildverarbeitung
Die Bewegungsbahnen der Zellen werden durch ei-
ne in unserem Labor entwickelte Bildverarbeitung
in Echtzeit analysiert (Wintrack 2000, [7] (Abb. 1).
Dabei werden die Positionen aller Zellen (bis zu
mehreren Tausend) in aufeinander folgenden Vi-
deobildern bestimmt und daraus die Bewegungsvek-
toren errechnet. Für die Objekterkennung lassen
sich definierte Schwellen bestimmen: Zellen, die zu
groß oder zu klein sind, werden ausgefiltert, ebenso
zu schnelle oder zu langsame. Aus den Bewegungs-
bahnen wird die Bewegungsrichtung, die
Schwimmgeschwindigkeit, der Prozentsatz der be-
weglichen Zellen, der Anteil der nach oben oder un-
ten schwimmenden Zellen und auch die Zellform
analysiert.
Abb. 1: Echtzeit-Bildverarbeitung zur Bahnverfol-
gung beweglicher Mikroorganismen.
3. Algen im Weltraum
Erst mit Hilfe der Raumfahrttechnologie konnte
zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass sich die
Zellen an Hand der Schwerkraft der Erde und nicht
etwa dem Magnetfeld der Erde oder chemischen
oder thermischen Gradienten orientieren [8]. Bei
einem Experiment auf einer ballistischen Rakete
(TEXUS = technologische Experimente unter
Schwerelosigkeit) schwammen Euglena gracilis
Zellen völlig ungeordnet, während sie vor und nach
dem Flug äußerst präzise negative Gravitaxis zeig-
ten. Da auf der Flugbahn der Rakete das Magnetfeld
nicht wesentlich schwächer als auf der Erde ist und
chemische oder thermische Gradienten ähnlich wie
bei terrestrischen Experimenten war, muss die Ori-
entierung in den Bodenkontrollen tatsächlich auf
das Schwerefeld der Erde zurückgeführt werden.
Während der IML-2 Mission auf dem amerikani-
schen Shuttle Columbia wurde der Schwellenwert
der Gravitaxis bestimmt [9, 10]. Dazu wurden die
Zellen zunächst unter Schwerelosigkeit gehalten
und dann mit einer Zentrifuge (NIZEMI = Nieder-
touren-Zentrifugenmikroskop) künstlich zwischen 0
und 1,5 x g beschleunigt. Das Videobild der
schwimmenden Zellen wurde per Video-Downlink
zur Bodenstation in Huntsville (Alabama) übertragen.
Die Auswertung der Bahnen erfolgte mit der Echt-
zeit-Bildverarbeitungsanlage. Das überraschende Er-
gebnis war, dass sich die Zellen bereits bei einem
Sechstel der Erdschwerkraft orientieren (Abb. 2). E-
rich von Däniken würde vermutlich sagen, dass die
Organismen folglich von einem anderen Planeten mit
geringerer Schwerkraft stammen; wahrscheinlicher ist
jedoch, dass die Organismen eine Sicherheitsmarge
eingebaut haben, so dass die Orientierung unter 1 x g
sicher funktioniert. Dieser Schwellenwert wurde un-
abhängig davon gefunden, ob die Zellen vor dem
Versuch unter Schwerelosigkeit oder auf einer 1 x g-
Referenzzentrifuge gehalten wurden.
Abb. 2: Orientierungsverhalten von Euglena unter 0 x
g (links), 0,12 x g (Mitte) und 0,25 x g (rechts).
Diese Versuche zeigen die bemerkenswerte Sensitivi-
tät der Organismen und die Präzision der Orientie-
rung, erklären aber nicht den Mechanismus der
Schwerkraftperzeption. Höhere Pflanzen und andere
Organismen benutzen schwere Partikel (Statolithen),
die in der Zelle sedimentieren und auf Membranen
drücken [11]. Im Gegensatz zur Reaktion bei höheren
Pflanzen auf Änderungen des Schwerevektors bewe-
gen sich die Flagellaten recht schnell und rotieren bei
der Vorwärtsbewegung mit 1 – 2 Hz um die Längs-
achse. Daher ist ein solcher Mechanismus bei diesen
Flagellaten eher unwahrscheinlich. Alternativ könnte
der gesamte Zellkörper, der schwerer ist als das um-
gebende Medium, als Statolith wirken und auf die je-
weils unten liegende Membran drücken. Tatsächlich
konnte man mit Hilfe der isopygnischen Zentrifugati-
on nachweisen, dass die Dichte des Cytoplasmas etwa
1,05 g/ml beträgt.
4. Biologische Schwerkraftsensoren
Erhöht man die Dichte des umgebenden Mediums
durch Zugabe von hochpolymeren Substanzen wie
z.B. Ficoll, wird die Gravitaxis unterdrückt, sobald
eine Dichte von etwa 1,04 g/ml erreicht wird. Bei ei-
ner Dichte von 1,06 g/ml schwimmen die Zellen so-
gar in die umgekehrte Richtung [12]. Zellen, die auf
Grund von Hungerzuständen eine geringere Dichte
aufweisen als 1,03 g/ml, zeigen keine Gravitaxis, ob-
wohl die Beweglichkeit nicht beeinträchtigt ist. Da
intrazelluläre Statolithen durch die Erhöhung der
Dichte im extrazellulären Medium nicht beeinflusst
3
werden, kann ihre Existenz oder Funktion für diesen
Flagellaten ausgeschlossen werden. Im Gegensatz
dazu benutzt der Ciliat Loxodes intrazelluläre Stato-
lithen in seinen 4 bis 8 so genannten Müllerschen
Organellen: In Vakuolen befinden sich Cilien, die
an ihrer Spitze jeweils ein schweres Bariumsulfat-
körperchen tragen. Durch Lageveränderungen der
Zellen im Raum werden die Cilien ausgelenkt, was
von der Zelle detektiert und mit einer gravitakti-
schen Orientierung beantwortet wird. Mit einem e-
leganten Experiment konnte bewiesen werden, dass
diese Hypothese stimmt [13]: wenn man mit geziel-
ten Laserblitzen die Cilien durchtrennt, verlieren die
Zellen die Fähigkeit zur gravitaktischen Orientie-
rung, während Kontrollzellen, die die gleiche Zahl
von Laserschüssen in das Cytoplasma erhalten hat-
ten, nicht beeinträchtigt waren.
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Abb. 3: Aktive Pumpen(rosa) transportieren Calci-
um aus den Zellen heraus und produzieren so einen
Gradienten. Wenn die mechano-sensitiven Ca-
Kanäle (rot) nach einem gravitaktischen Reiz geöff-
net werden, fließt Calcium in die Zelle hinein und
initiiert dabei eine Signalkette, die in einer Ände-
rung des Geißelschlages und damit einer Re-
orientierung der Zelle endet.
Wenn wir annehmen, dass bei dem Flagellaten
Euglena gracilis der gesamte Zellkörper als Stato-
lith wirkt und auf die jeweils unten liegende Memb-
ran drückt, muss die nächste Frage lauten, was ist
der molekulare Rezeptor für die dabei ausgeübte
Kraft? Viele Organismen und auch wir Menschen
besitzen mechano-sensitive Membrankanäle, Pro-
teine, die sich unter mechanischem Zug oder Druck
öffnen oder schließen können. Jede lebende Zelle
produziert Ionengradienten über der Cytoplasma-
membran mit Hilfe von spezifischen Pumpen (AT-
Pasen), die z.B. Calcium aus den Zellen her-
auspumpen (Abb. 3).
Im geöffneten Zustand fließen diese Ionen passiv ent-
lang dem aufgebauten Gradienten durch die Kanäle in
die Zelle und lösen damit eine Signaltransdukti-
onskette aus. Hemmt man solche Kanäle selektiv
durch z.B. Gadolinium [14], wird die Gravitaxis bei
Euglena vollständig unterdrückt. Auch wenn man die
cytoplasmatische, Ca-abhängige ATPase durch Vana-
dat hemmt, blockiert man die Gravitaxis. Ebenso wird
die gravitaktische Orientierung gehemmt, wenn man
künstliche Poren für die Ca2+ Ionen (so genannte Ca-
Ionophoren) in die Membran einbaut, durch die der
Gradient zusammenbricht.
Die Calciumkonzentration innerhalb einer Zelle lässt
sich mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoffen nachweisen
und quantifizieren. Wir haben für diesen Zweck Cal-
cium Crimson eingesetzt, das im langwelligen Be-
reich angeregt wird und fluoresziert, um eine Interfe-
renz mit der Blaulicht-gesteuerten Phototaxis der Zel-
len auszuschließen. Die Fluoreszenzsignale werden
mit einer Bildverstärkerkamera aufgenommen und
mit der Bildverarbeitung ausgewertet. Dieser Ver-
suchsaufbau ist auf einem Raketenflug gleich doppelt
eingesetzt worden. Dabei befanden sich die Module
auf einer Zentrifuge, so dass während der Schwerelo-
sigkeit unterschiedliche Zentrifugalbeschleunigungen
erzeugt werden konnten. Jedes Mal, wenn die Zellen
eine Reorientierung einleiteten, stieg die interne Cal-
ciumkonzentration markant an [15].
Der Einstrom von positiv geladenen Calciumionen
führt zu einer Änderung des Membranpotentials. Wie
jede lebende Zelle bauen die Flagellaten ein negatives
Potential in ihrem Zellkörper gegenüber außen auf.
Zwar ist es bis heute nicht gelungen, das Membranpo-
tential in diesen Zellen direkt mit Mikroelektroden zu
messen, aber man kann das Membranpotential der
Zelle zusammenbrechen lassen, indem man lipophile
Kationen (z.B. Triphenylmethylphosphonium+) durch
die Membran wandern lässt, die die negative Ladung
im Inneren der Zelle kompensieren. Dabei wird die
Gravitaxis ebenfalls massiv gestört. Man kann das
Membranpotential durch den Einsatz von Oxanolen
messen, die sich in die Membran einbauen und dabei
ihr Absorptionsverhalten ändern. Mit einem Zweika-
nal-Spektrophotometer kann man dann das Verhältnis
der Absorption der membrangebundenen Fraktion
und der im wässrigen Milieu befindlichen Fraktion
bestimmen und daraus das Potential errechnen. Sol-
che Versuche sind kürzlich auf Parabelflügen der
ESA mit einem Airbus 300 durchgeführt worden.
Tatsächlich ändert sich das Membranpotential beim
Übergang von Schwerelosigkeit zu einer Beschleuni-
gungsphase [16].
4
5. Signalverstärkung
In der Regel reicht der geringe Ionenstrom durch
die Kanäle nicht aus, um eine physiologische Reak-
tion in einer Zelle auszulösen. Das kleine Signal
wird in der Regel in einer Verstärkungskaskade
amplifiziert. So wird das Lichtsignal in unserem
Auge etwa eine Million Mal verstärkt. An solchen
Verstärkungskaskaden sind meist Enzyme und oft
zyklische Nukleotide, wie z.B. zyklisches Adeno-
sinmonophosphat (cAMP) beteiligt. Auf einem wei-
teren Raketenflug wurden Zellen in zwei antagonis-
tisch laufenden Zentrifugen unterschiedlichen Be-
schleunigungen ausgesetzt und durch schnelles Ein-
spritzen von Ethanol zu unterschiedlichen Zeiten
fixiert. Im Labor wurde später die cAMP Konzent-
ration der Zellen analysiert. Dabei zeigte sich, dass
die Zellen kurz nach dem Beginn der Beschleuni-
gung cAMP produzieren, vorausgesetzt, die Be-
schleunigung überschreitet den während der IML-2
Mission gemessenen Schwellenwert von 0,12 x g.
40 Sekunden später war die Konzentration wieder
abgefallen.
Wenn man die intrazelluläre cAMP Konzentration
dadurch erhöht, dass man das abbauende Enzym
(Phosphodiesterase) blockiert, verbessert sich die
Präzision der gravitaktischen Orientierung. Man
kann auch ein nicht metabolisierbares Analogon (8-
bromo-AMP) einsetzen, was ebenfalls die Orientie-
rung verbessert.
6. Model für die gravitaktische Reaktion
Alle diese Experimente deuten darauf hin, dass me-
chano-sensitive Kanäle für die Orientierung der Fla-
gellaten im Schwerefeld verantwortlich sind, dass
die aktive Reorientierung durch eine Modulation
des elektrischen Potentials ausgelöst wird und dass
das primäre Signal durch eine cAMP Kaskade ver-
stärkt wird.
Die Kanäle können nicht gleichmäßig auf der Zell-
oberfläche verteilt sein, denn dann würden immer
irgendwelche Kanäle gereizt werden, egal wie die
Zelle ausgerichtet ist [17]. Viele Ergebnisse deuten
darauf hin, dass sich die Kanäle bevorzugt am Vor-
derende der Zelle unter der Geißel befinden. Da die
Zelle bei der Vorwärtsbewegung um ihre Längsach-
se rotiert und die Geißel immer nach außen gerich-
tet ist, werden bei horizontalem Schwimmen die
Kanäle immer dann aktiviert, wenn die Geißel (und
damit die Kanäle) nach unten zeigen. Bei jeder Ak-
tivierung wird die Geißel von der Zelle weg ausge-
lenkt, und diese Kurskorrektur dreht das Vorderen-
de der Zelle schrittweise nach oben. Wenn die Zelle
senkrecht schwimmt, werden die Kanäle nicht akti-
viert, und damit wird eine stabile Schwimmrichtung
nach oben gewährleistet.
7. ECOTOX – Applikation der Gravitaxis
in einem Bioassay
Das Bewegungsverhalten und die Orientierung am
Schwerefeld der Erde reagieren extrem sensitiv auf
toxische Substanzen im Medium. Diese Beobachtung
führte zu der Idee, ein vollautomatisches Testsystem
zu entwickeln, das Abwässer aus Deponien oder der
chemischen Industrie, Trinkwasser oder Ökosysteme
auf gefährdende Stoffe analysiert.
Das etwa schuhkartongroße Gerät (Abb. 4) pumpt im
ersten Schritt eine Zellsuspension in eine Beobach-
tungskammer, die an einem miniaturisierten Mikro-
skop angeflanscht und mit einer CCD Kamera ver-
bunden ist. Das aufgenommene Videobild wird an
einen Hostrechner weitergeleitet, und dort werden
neun verschiedene Bewegungsparameter aus den Be-
wegungsbahnen extrahiert.
Abb. 4: ECOTOX – Ein vollautomatisches Analyse-
gerät, das zur Überwachung von aquatischen Ökosys-
temen auf potentiell toxische Substanzen eingesetzt
wird.
Im nächsten Schritt werden neue Zellen mit der po-
tentiell toxischen Probe gemischt und die Bewe-
gungsbahnen erneut analysiert. Wenn in einem der
Parameter Abweichungen um mehr als 2σ auftreten,
wird ein Alarm ausgelöst, der z.B. die Ventile im
Abwasserstrom sperrt.
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