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gfl-journal, No. 2/2005
Deutsch als Fremdsprache: Eine Einführung. 3., überarbeitete und
erweiterte Auflage
Hans Werner Huneke und Wolfgang Steinig
(Grundlagen der Germanistik 34)
Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., 2002, 270 S., ISBN: 3-503-06135-5, €16,80
Rezensiert von Sebastian Seyferth, Joensuu
Dass sich das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache’ nach anfänglichen Rechtfertigungsumständen
mittlerweile vollständig als Wissenschaftszweig innerhalb der Germanistik etabliert hat,
gehört mittlerweile zum Standardwissen – nicht nur zu dem eines germanistischen
Studienanfängers. Dass die dazugehörige Forschungsliteratur methodologisch stark an Breite
gewinnt, ist zwar eine logische Konsequenz – verursacht durch die Beschäftigung mit dem
Gegenstand selbst, dennoch aber eine Tatsache, der es sich zu stellen gilt, da mitunter die
Rede von einer drohenden Diversifikation des Faches und terminologischen Unschärfen laut
wird – gerade in Beziehung zur Auslandsgermanistik1. Die Spannbreite reicht von der eher
theoretisch und fachspezifisch angelegten Forschung der universitären Disziplin ‚DaF’ bis zu
praktischen Fragestellungen für die Unterrichtsgestaltung. Dabei hat das Fach immer die
unterschiedlichen germanistischen Gegenstandsbereiche, deren didaktisch-methodische
Vermittlungsstrategien und die Zielgruppen im Blick. Dies wird umso deutlicher, wenn man
sich vor Augen führt, dass in den letzten Jahren eine enger werdende Forschungsallianz
zwischen DaF und den altetablierten Fachbereichen der Germanistik zu beobachten ist. Ging
es anfänglich um eine wie auch immer geartete Adaptation dieses Fachbereichswissens auf
die anfänglich neu zu konzipierenden DaF-Inhalte, so hat sich der DaF-Bereich als eigener
Forschungszweig emanzipiert. Dies erkennt man nicht zuletzt daran, dass die zu besprechende
Studie in der Reihe‚ Grundlagen der Germanistik’ des Erich Schmidt Verlag erschienen ist.
Auch die dritte überarbeitete und erweiterte Auflage stellt weit mehr dar als eine Einführung
in das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache’, wie der Untertitel vorgibt. Der Fokus des Buches
1 Gelegentlich wird die Trennungslinie zwischen DaF und der Auslandsgermanistik nicht oder nur
unscharf gezogen. „In Wahrheit darf weder DaF zur Auslandsgermanistik hochstilisiert noch die
Auslandsgermanistik auf DaF reduziert werden. […] DaF ist auf den praktischen Erwerb der Sprache
und dessen theoretische Reflexion ausgerichtet, die Auslandsgermanistik (wie die Inlandsgermanistik)
dagegen auf theoretisches Wissen über die Sprache“ (Helbig 2005: 8) Sperrdruck im Original. Helbig
weist in einem aktuellen Aufsatz auf die Problematik zwischen Auslands- und Inlandsgermanistik hin.
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liegt auf „der Vermittlung der Fremdsprache Deutsch im Unterricht, nicht auf der
Hochschuldisziplin Deutsch als Fremdsprache“ (7). Gleichwohl soll aber die relevante
Forschungslektüre nicht unbeachtet bleiben. Gerichtet ist die Studie „an angehende Lehrer des
Faches Deutsch als Fremdsprache sowie an praktizierende Kolleginnen und Kollegen“ nicht
nur in Deutschland (7). Diesem doppelten Anspruch werden die Verfasser gerecht. Sie sind
sich ferner des Unterschieds zwischen dem gesteuerten Fremdspracherwerb beim Fach
‚Deutsch als Fremdsprache’ und dem in den letzten Jahren immer wichtiger werdenden
ungesteuerten Bereich ‚Deutsch als Zweitsprache’ bewußt, wobei der letztere im Buch nicht
vordergründig thematisiert werden soll.
Im gewählten Darstellungsweg erkennt man eine enge Verzahnung zwischen Theorie und
Praxis. Der inhaltliche Aufbau des Buches ist logisch und deutet in der Abfolge der Kapitel
eine direktionale Verbindung zwischen der Zielgruppe: den „Lernern“ (Kapitel 1),
Methodischem: den „Theorien zum Zweitspracherwerb“ (Kapitel 2), dem Gegenstand:
„Deutsche Sprache und Kultur“ (Kapitel 3), dem Aufführungsort: „Unterricht“ (Kapitel 4)
und den Unterrichtenden: den „Lehrenden“ (Kapitel 5) an. Hierbei wird deshalb Kapitel 4 der
meiste Raum gegeben, weil die Autoren unterrichtsbezogene Lernwelten, Lernprozesse,
Lernfertigkeiten und Lernkonzeptionen darstellen wollen. An dieser Gewichtung erkennt
man, was das Buch nicht sein will, eine theorielastige Methodenlehre, sondern ein
gegenstandsbezogenes, einführendes Lern- und Arbeitsbuch.
Nachfolgend sollen die einzelnen Kapitel chronologisch besprochen werden:
In Kapitel 1 werden die Lerner thematisiert, deren individuellen Voraussetzungen, die beim
Spracherwerb eine entscheidende Rolle spielen. So arbeiten die Autoren die personalen
Bedingungen, wie Alter, Sozialisation, Motivation etc. heraus und fundieren ihre
Erläuterungen anhand der einschlägigen Forschungsliteratur. Zudem finden sich jeweils an
den Kapitelenden wertvolle Lektürehinweise. Diese weiterführenden Literaturangaben
werden von den Autoren sachgerecht kommentiert, was für wissenschaftlich ungeübte bzw.
uneingeweihte Leserschichten, wie z.B. Studenten der ersten Semester äußerst nutzvoll ist
und dem Einführungscharakter entspricht.
Das 2. Kapitel widmet sich dem Zweitspracherwerb. Dabei werden bekannte Theorien wie
etwa der Behaviorismus anschaulich und verständlich erläutert. Dies ist notwendig, um darauf
aufbauende Lerntheorien wie die „Kontrastive Analyse“ von Fries und Lado zu erklären (25).
Ferner gehen Huneke und Steinig auch auf neuere Forschungsliteratur ein. Verständlich
werden hier die wesentlichen Zweitspracherwerbstheorien erklärt. Dabei greifen die Autoren
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die immer wieder gern diskutierte und zugleich strittige Frage auf, ob das Gehirn
sprachspezifische Prozesse anders verarbeitet als kognitive (34). Generativistisch2 orientierte
Fragestellungen, wie die, ob eine Universalgrammatik existiere, werden ebenso diskutiert.
Insgesamt führt dieses Kapitel anschaulich sprachlernorientierte Theorien und Modelle vor.
Angemerkt wird zu Beginn (8), daß diese Auflage zahlreiche Präzisierungen und Hinweise
zur Vertiefung im 3. Kapitel „Deutsche Sprache und Kultur“ erhalten hat. Man könnte
einwenden, was diese kurzen Exkurse in die germanistischen Teilsdisziplinen im 3. Kapitel
für einen praktischen Nutzen haben sollen. Wenn auch knapp gehalten sind diese
Sachinformationen deshalb hilfreich, weil sie überblicksartig die Bedeutung der
unterschiedlichen Gegenstände offenlegen. Vielleicht hätte man noch das 3. Kapitel in
einzelne Kapitel wie Sprache, Literatur und Kultur ausdifferenzieren können. Die
sprachwissenschaftlichen Teilgebiete (Syntax, Lexik und Semantik etc.) hätten dann unter
Sprache kategorisiert werden können; die Landeskunde wäre eindeutig der Kultur zugeordnet
und die literarische Kanonempfehlung der Literatur. Dies stellt aber kein wirkliches Manko
dar. Irritierend wirken eher uneinheitliche Begrifflichkeiten. Die Rede ist z.B. einmal von
„indoeuropäischen“ (51), dann wieder von „indogermanischen“ Sprachen (55). Dies scheint
jedoch ein nicht nur hier offensichtliches wissenschaftsgeschichtliches, sondern zugleich
allgemeines Einordnungsphänomen des Deutschen zu sein, nämlich die Situierung dieser
germanischen Sprache in der indoeuropäischen Sprachfamilie (49). Wahrscheinlich aus
vermeintlich sprachpolitisch korrekten Gründen hat sich im 20. Jahrhundert der linguistisch
nur schwer nachvollziehbare, auf sprachwissenschaftlicher Abstraktion basierende Terminus
‚indoeuropäisch’ anstatt ‚indogermanisch’ eingebürgert. Einerseits wurden und werden in
Europa auch nicht indogermanische Sprachen gesprochen (z.B. das Finno-Ugrische).
Anderseits stellt der Begiff ‚europäisch’ keine Sprache dar, sondern ist geographisch
konnotiert.
Auch sind mitunter stark definitorisch anmutende Formulierungen sprachwissenschaftlicher
Sachverhalte zu bemerken, wie bspw.: „Das Deutsche verfügt über vier Möglichkeiten,
Wörter zu bilden: Komposition, Derivation, Konversion und Kürzung“ (55). In linguistischen
Standardwerken wird zumeist von fünf Wortbildungstypen gesprochen. Die Kontamination
(Wortmischung) wird üblicherweise noch dazugezählt. Ferner tauchen manchmal begriffliche
Unschärfen auf. So wird im Kapitel 3.3.2. „Phonetik und Phonologie“ (51) der Unterschied
zwischen beiden Wissenschaftsgebieten nicht erklärt, was die Leser auf Grund der
2 Der Hang der Autoren zum ‚Generativen’ findet sich in unterschiedlicher Ausprägung im gesamten
Buch.
Sebastian Seyferth
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Kapitelüberschrift vielleicht erwarten würden und die Autoren anscheinend voraussetzen. Im
Ganzen überwiegen im Kapitel 3 jedoch die Vorteile, da es für die Zielgruppe des Buches
notwendige Sachinformationen bereithält – dienlich für einen praxisorientierten Unterricht.
Die Stärken des Buches liegen im 4. Kapitel. Die Verfasser demonstrieren kenntnisreich, mit
welchen Spezifika man im DaF-Unterricht konfrontiert ist. Ausgehend von den Lernwelten
werden die vier sprachlichen Grundfertigkeiten (Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen)
sowie sprachliche Fähigkeiten, Methodenkonzeptionen, Medien, Korrekturen bis hin zu
Testmöglichkeiten besprochen, so daß ein homogenes Ganzes entsteht. Übersichtlich werden
z.B. die wichtigsten Merkmale des traditionellen Fremdsprachenunterrichts aufgelistet, so
etwa: „gleich bleibender Lernort“ oder „knapp bemessene Unterrichtszeit“ etc. (93). Dies
dient dann als Folie, um die Andersartigkeit der Anforderungen an das ungesteuerte Lernen
im Zielsprachenland herauszuarbeiten. Ferner werden unterschiedliche
Unterrichtskonzeptionen aufgezeigt, wie z.B. die Immersion – ein Feld, das bei der sich
immer stärker ausprägenden Mobilität der Familien innerhalb Europas sicher einen wichtigen
Gegenstand für die Lerner darstellt. Am Schluß des Unterkapitels 4.1. „Fremdsprachliche
Lernwelten“ stellen die Autoren zu Recht heraus, daß die meisten Methoden (z.B.
Suggestopädie oder Psychopädie) eher psychologisch oder pädagogisch dominiert sind und
eine linguistische Fundierung meist vermissen lassen (vgl. 104). Äußerst sinnvoll erscheint
eine exemplarische Methodenbeschreibung der Suggestopädie. Auch werden neuere Ansätze
diskutiert, so z.B. der von Schwerdtfeger, der die personalen und emotionalen Aspekte des
Lerners fokussiert. Ausführlich werden dann die vier sprachlichen Grundfertigkeiten
behandelt. Es geht um die bei den Lernern zu entwickelnden essenziellen Kompetenzen.
Hervorzuheben ist neben einer theoretischen Fundierung die im Buch immer anschaulich
gestaltete Präsentation. Beispielsweise werden die Absätze im Unterkapitel „Hören“ (4.2.2.)
klar gegliedert: Medium, Zeit, Varietäten, Situation (vgl. 117ff.). Kapitel 4 hält aber noch
mehr bereit. Huneke und Steinig problematisieren auch den mitunter in der Forschung
vernachlässigten, aber wichtigen DaF-Bereich des Wortschatzes (vgl. 4.3.2.). (Psycho-)
Linguistisch fundiert wird hier auf Methoden und Vermittlungsstrategien der
Wortschatzerarbeitung und -erweiterung eingegangen. Auch wird das kontrovers diskutierte
Feld der Grammatik angesprochen (vgl. 4.3.3.). Ausgehend von den verschiedenen
Begrifflichkeiten und Konzeptionen stellt sich die Frage, welche Grammatik geeignet sei für
den DaF-Unterricht, um anschließend konsequenterweise die unterrichtlichen Zugriffe zu
thematisieren. Die Vorteile der dominant gewordenen Dependenz-Verb-Grammatik werden
kurz vorgestellt. Daß dabei der wissenschaftliche Anspruch der Grammatik nicht
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Unterrichtsgegenstand sein kann und nur didaktisiert an die Lerner weitergegeben werden
kann, versteht sich von selbst. Die Autoren sprechen von einer pädagogischen Grammatik
(vgl. 156) und listen deren Aspekte auf.
Das 5. Kapitel widmet sich den Lehrenden. Nun könnte man einwenden, es sei zu kurz. Wenn
man sich vor Augen hält, daß das Buch Einführungscharakter hat, dient es dazu, ‚typische
Lehrerbilder’ sowohl aus der Lerner- als auch aus der Lehrerperspektive zu zeichnen. Es geht
also um Ansprüche, Erwartungshaltungen etc. an die Lehrenden.
Äußerst nutzvoll ist das Schlußkapitel 6. Hier wird ein Exkurs in die reale Unterrichtswelt
unternommen anhand verschiedener praktischer exemplarischer Unterrichtssituationen aus
verschiedenen Ländern. Hierbei sind nicht lediglich Einblicke in allgemeine
Unterrichtssituationen gegeben, sondern die Stunden werden durch die Raster: Zielgruppe,
Intention, Unterrichtsverlauf und Materialien genau gegliedert (219ff.). Man kann also die
jeweilige Stundenplanung bzw. den Stundenverlauf mitverfolgen. Das ist sehr anschaulich für
das eigene theoretische Wissen und das praktische Handeln.
Schließlich wird das Buch durch thematisch breit gefächerte Literaturverweise abgerundet. So
findet man z.B. Bibliographisches zu diversen Lehrwerken, Lerntechniken oder
Sprachlernspielen (231ff.).
Vergleicht man die 2. Auflage (2000) mit der 3. Auflage (2002), so ergibt sich folgendes Bild:
Wie von den Autoren angekündigt, gibt es besonders im 3. Kapitel vertiefende Ausführungen.
So ist z.B. im Kapitel 3.2. eine Überblicksgraphik über die deutschen Dialektgebiete ergänzt
worden. Auch wurde in der 3. Auflage das Kapitel 3.3.3. „Morphologie“ um den Begriff
Wortbildung erweitert. Allerdings scheint das Kapitel hier lediglich um Begriff und
Lektürehinweise ergänzt worden zu sein. Vollkommen neu in der 3. Auflage ist dagegen das
Kapitel 3.3.7. „Textlinguistik“.
Fazit
Die Stärken des Buches liegen eindeutig auf den Inhalten des 4. Kapitels. Alles in allem
vermittelt das auf Ganzheitlichkeit angelegte Buch kompetent aufbereitetes Grundwissen und
ist damit ein interessantes Studienbuch für den DaF-Bereich. Den Autoren gelingt die
verbindende Darstellung zwischen theoretisch-methodischem Anspruch und unterrichtlicher
Praxis. Es ist ein detailreiches, leicht verständliches, trotz einiger angezeigter Schwächen
insgesamt zu empfehlendes Studienbuch.
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Literatur
Helbig, Gerhard: Auslandsgermanistik versus Inlandsgermanistik? In: Deutsch als
Fremdsprache, Zeitschrift zur Theorie und Praxis des Deutschunterrichts für Ausländer.
Heft 1/2005, 4-10.