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Kritik an Humanismus, Posthumanismus und Transhumanismus- Wenn Du zum Nietzsche gehst, vergiss den Hammer nicht!

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Also sprach Zarathustra: „Denn von Grund aus liebt man nur sein Kind und sein Werk … Darum weiche ich jetzt meinem Glücke aus und biete mich allem Unglück an. Zu meiner letzten Prüfung und Erkenntnis.“. (Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra)
Carmen Wrede
Kritik an Humanismus, Posthumanismus
und Transhumanismus
Wenn Du zum Nietzsche gehst, vergiss
den Hammer nicht!
Also sprach Zarathustra:
„Denn von Grund aus liebt man nur sein Kind und sein Werk
… Darum weiche ich jetzt meinem Glücke aus und biete mich
allem Unglück an. Zu meiner letzten Prüfung und
Erkenntnis..
(Friedrich Nietzsche, Also
sprach Zarathustra)
Posthume Menschen sind rar. Es wäre naiv zu glauben, dass sich zwei posthume Menschen -
zwei Menschen, die gleich im Geiste sind und sich nur gegenseitig verstehen können - aus
purem Zufall irgendwo zur gleichen Zeit am gleichen Ort treffen, um sich zusammen zu tun.
Wenn der posthume Mensch erkannt hat, dass er rar und deshalb kostbar ist, so bleibt ihm
keine Zeit für Hoffnung. Er kann nicht erwarten verstanden zu werden. Und deshalb auch
nicht darauf vertrauen, dass man das, was er liebt und vertritt posthum aus purem
Humanismus in seinem Sinne lieben und vertreten wird. Der Humanist vertritt nicht den
posthumen Menschen. Er vertritt den Glauben an das Bessere. Doch was ist besser? Mal ist es
das eine, mal das andere. Der posthume Mensch hat somit gar keine andere Wahl, als seine
Gedanken nieder zu schreiben und im Vertrauen auf sich selbst zu veröffentlichen. Und somit
trägt er selbst Sorge, dass sein Ruf Gehör finden wird. Zu Lebzeiten von keinem verstanden
schreibt er doch für alle, die ihn verstehen sollen. Hört mich! Gewiss nicht das Flehen eines
Bettlers. Eher noch der Ruf eines Vaters, der durch Raum und Zeit an seine Kinder gerichtet
ist. Wie wäre ein solches Schicksal zu erfüllen, wenn man nichts über die wüsste, an die man
sich richtet?
Einsamkeit ergibt sich aus dem tiefen Verständnis nichts an sich oder seinem Schicksal ändern
zu können und trotzdem aus Verantwortung nicht schweigen zu dürfen. Weder könnte der
Posthumanist etwas an seinem Schicksal durch Kritisieren anders machen, noch könnte er
etwas an der Form des Schicksal derer reformieren, die direkt auf ihn folgen. Minderheiten
ihrer Zeit sind sie per Definition. Vereint jenseits jeglicher Konzepte von Raum und Zeit. Der
eine führt des anderen Schicksal vor und zurück, versucht es zu vollenden. Gleich einem
Musiker, der eine unvollendete Symphonie vollenden möchte. Übermenschen sollen aus den
Kindes-Kindern einmal werden. Bestenfalls durch kritische Einführung in das Leben.
Der menschliche Anstand gebietet es nicht am Werk eines anderen zu fuschen. Er verbietet es
sogar! Doch wasmmert die degenerierte Tugend der Gesellschaft die, die Zeitlosigkeit
verstanden haben? Man muss ein Unrecht auf sich nehmen können, wenn man dem Ruf folgt.
Man darf nicht im Schatten eines Nietzsches wandeln. Sobald man diese große Bürde den
Übermenschen mit erschaffen zu wollen auf sich nimmt muss man selbst zum Licht werden.
Gleich einem Teilchen, dass von einem anderen angestoßen wird und dessen Energie erhält.
Nur so erträgt man die Traurigkeit sich nie wirklich begegnet zu sein oder begegnen zu
werden. Einsamkeit ist auch immer Traurigkeit.
"Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie
kreuzigen gerne die, welche ihre eigene Tugend
erfinden - sie hassen den Einsamen."
(Friedrich Nietzsche, Also sprach
Zarathustra)
Gemeinsam ein jeder in seiner Zeit und Mode beklagt man die, von denen man bereits
weiß, dass sie dem Ruf folgen und trotzdem nie Übermensch sein werden. Man kennt ihr
Schicksal. Es ist gleich. Verwandte im Geiste nennt man sie. Und meint doch Seelenverwandte.
Posthume sind keine Erlöser des jeweils anderen. Sie sind noch nicht einmal Tröster. Auch
keine geselligen Träumer mehr. Realisten würde man sie nennen, wäre man in der Lage
Realität zu verstehen. Das Schicksal: Erst viel später wird man sie als wahre Realisten
begreifen und verstehen. Realismus geht über die Fähigkeit Tatsachen zu erkennen hinaus. Es
ist die Mutwilligkeit Tatsachen zu schaffen.
„Was soll getan werden?“, fragen sie Zarathustra. Allzu menschlich das Bedürfnis den Kopf in
seinen Schoße zu legen, sich endgültig zu unterwerfen. Wie kann Skepsis dieses große
Schicksal ertragen? So fragend würde man sich gewiss nur in das Resultat versenken und
nicht auf die eigene Bestimmung besinnen.
"Skeptiker... sie glauben an die Oberflächlichkeit des
Daseins als an sein Wesen, und alle Tugend und Tiefe
ist ihnen nur Verhüllung dieser »Wahrheit«, die sehr
wünschenswerte Verhüllung eines pudendum also
eine Sache des Anstandes und der Scham, und nicht
mehr!"
(Friedrich Nietzsche, Also sprach
Zarathustra)
Der eine muss den Fehler des anderen wieder gut machen. Ein Gott kommt nicht lebendig und
schon gar nicht unfehlbar auf diese Welt. Er muss Mensch sein, sterben, wieder lebendig
gemacht werden. Das unterscheidet den Gott vom Götzen. Gerade in seiner Fehlbarkeit als
Mensch ist die Ursache für seine Göttlichkeit zu suchen. Sein tödlichster Punkt: Die Annahme,
Gott sei inexistent. Wo er doch höchstpersönlich lebendig ist. Ein Fehler, der bewusst
begangen wird. Man muss bewusst auf einen Gott verzichten wollen, der nach Götze riecht. Zu
Gunsten einer objektiven und doch allzu menschlichen Urteilsfähigkeit. Erst fähig geworden
zum Urteil kommt man überhaupt in die missliche Lage Verantwortung auf sich nehmen zu
müssen. Die Verantwortung zu Kritik ist gewiss die schwerste Bürde. Während beim
gemeinen Mensch Kritik aus Rache herbeigeführt wird, wird der Übermensch Kritik aus
seinem Schicksal heraus verüben. Dem Schicksal dem anderen bedingungslos einen
Gegendienst leisten zu müssen. Nicht wie ein Knecht seinem Herrn Dienst leistet. Sondern aus
dem Beweggrund der bedingungsloser Selbstliebe heraus. Es zeigt sich, dass die Selbstliebe
das Schicksal des Übermenschen ist.
„Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse
gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein
faustgrobes Verbot an uns: Ihr sollt nicht denken!“
(Friedrich Nietzsche, Ecce Homo)
Wer wäre aber dazu in der Lage einen Zarathustra zu kritisieren, wenn nicht dessen Kinder?
Und wo liegt die Verantwortung des Übermenschen, wenn nicht in der Kritik? Wer kritisieren
will, der muss sich unterscheiden, der muss anders sein. Der muss verstehen, dass sich
posthume Menschen nicht selbst lieben können. Sie handeln aus Selbsthass.
In was aber unterscheidet sich ein Zarathustra von seinen Kindern? Der Übermensch wird
nicht deshalb zum Übermenschen, weil er später geboren ist. Er wird nicht zum
Übermenschen, weil er sich in Nietzsche vergraben hat und dessen Eingeweide beschaut hat.
Man wird nicht zum Übermenschen, weil man anderen den Nietzsche vorspielen und erklären
kann. Das Kind muss sich ihm, dem gemachten Gott-Vater entgegen stellen können, um reif zu
werden. Es muss an ihm zweifeln und den Vater im Zweifelsfall zu entwaffnen wissen. Denn
ein Zarathustra ist kein freundlicher Gott-Vater. Ein Zarathustra ist ein Gott Kronos, der seine
Kinder mit Haut und Haaren verschlingen möchte, sie sich einverleiben und sich gleich
machen will.
„Es macht den erheblichsten Unterschied, ob ein
Denker zu seinen Problemen persönlich steht, so daß
er in ihnen sein Schicksal, seine Not und auch sein
bestes Glück hat, oder aber »unpersönlich«: nämlich
sie nur mit den Fühlhörnern des kalten, neugierigen
Gedankens anzutasten und zu fassen versteht.“
(Friedrich Nietzsche, Die fröhliche
Wissenschaft)
Die, die aber in der Lage sind sich tugendlos zu verhalten, die spuckt er aus, auf dass sie sich
all dem entgegen setzen mögen, was meint Nietzsche verstanden zu haben und doch nur von
ihm vereinnahmt worden ist. Wer sich von einem wie Nietzsche verführen lässt, der gerät
leicht in Gefahr zu glauben er wisse. Wer aber erst einmal geistige Vereinnahmung gewohnt
ist, der wird sich nicht zu wehren wissen, wenn andere von ihm Besitz ergreifen wollen.
"Aber die Faulheit, welche im Grunde der Seele des
Tätigen liegt, verhindert den Menschen, das Wasser
aus seinem eigenen Brunnen zu schöpfen. "
(Friedrich Nietzsche, Menschliches,
Allzumenschliches I)
Die Tugenden des Übermenschen sind nicht die der Gesellschaft. Sie sind nicht einmal die
eines posthumen Menschen. Der posthume Mensch wählt die Tugendlosigkeit als aller erstes
Mittel nicht als letztes -, um sich gegen ein Unrecht zu wehren. In Ermangelung seine
Tugenden durchsetzen zu können. Keine Minderheit wäre dazu in der Lage mehr als Kritik an
der Masse zu üben. Man muss ein feines Gehör und den rechten Geist besitzen, um die
Stimmen der wenigen zu vernehmen.
Der posthume Mensch ist kein mitleidvoller Transhumanist, auf dessen Agenda die künstliche
Veränderung des Menschen zur Vermeidung irgendeines Leides steht. Er vertraut nicht alleine
auf Bücher, Dokumente oder Zitate. Es ist nicht in seinem Interesse dem Fortschritt durch
routinierte Verfahren Vorschub zu leisten. Der Fortschritt alleine dient ihm weder als Grund
noch als Spiegel für Entwicklung. Der Mensch kann nicht werden, was er bereits ist. Viel eher
muss er Selektion an sich selbst betreiben. Der posthume Mensch betreibt Selektion durch
Intuition.
„Jenes ungeheure Gebält und Bretterwerk der Begriffe
... ist dem freigewordenen Intellekt nur ein Gerüst und
ein Spielzeug für seine verwegensten Kunststücke:
und wenn er es zerschlägt, so offenbart er, dass er
jene Nothbehelfe der Bedürftigkeit nicht braucht, und
dass er jetzt nicht von Begriffen sondern von
Intuitionen geleitet wird.
(Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit
und Lüge im außermoralischen Sinne)
Einer, der einem Nietzsche folgen will darf sich also nicht zu einem nihilistischen „Gott ist tot!“
hinreißen lassen. Er muss das völlige Gegenteil eines Nihilisten sein. Mehr noch: Er muss alle
Anstrengungen unternehmen genau das zu Beweisen und Gott der Wissenschaft wieder
schmackhaft zu machen. „Nein! Gott lebt!“, muss er rufen.
„Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn
getötet!“
(Friedrich Nietzsche, Die fröhliche
Wissenschaft)
Schlussendlich muss der Ruf an jedes Kind richtig verstanden werden: Dass Ihr Euch ja nicht
vereinnahmen lasst. Hört den Ruf, schließt Euch an. Aber glaubt nicht, dass einer dem anderen
Denken oder Tun abnehmen kann. Deshalb auch nicht die Verantwortung. Noch in der
Untätigkeit liegt Verantwortung. Und das ist die größte Bürde, die ein Übermensch zu tragen
hat: Dass der Mensch versteht, dass er sogar in der Ruhe ein Ruheloser ist.
"Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine
neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Tätigen,
das heißt die Ruhelosen, mehr gegolten. "
(Friedrich Nietzsche, Menschliches,
Allzumenschliches I)
Verwendete Literatur
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Also sprach Zarathustra. In: Projekt Gutenberg -DE.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/also-sprach-zarathustra-ein-buch-fur-alle-und-keinen-
3248/1 (zuletzt abgerufen am 09. September 2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Die fröhliche Wissenschaft. In: Nietzsche Source. Digitale kritische
Gesamtausgabe (eKGWB). http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/FW (zuletzt abgerufen
am 09. September 2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Ecce Homo. Wie man wird, was man ist. In: Projekt Gutenberg -DE.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/ecce-homo-7354/1 (zuletzt abgerufen am 09. September
2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt.
In: Projekt Gutenberg -DE. http://gutenberg.spiegel.de/buch/gotzen-dammerung-6185/1
(zuletzt abgerufen am 09. September 2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. In: Projekt
Gutenberg -DE. http://gutenberg.spiegel.de/buch/uber-wahrheit-und-luge-im-
aussermoralischen-sinne-3243/1 (zuletzt abgerufen am 09. September 2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Menschliches, Allzumenschliches I. In: Projekt Gutenberg -DE.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/menschliches-allzumenschliches-3252/1 (zuletzt abgerufen
am 09. September 2014).
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Menschliches, Allzumenschliches II. In: Projekt Gutenberg -DE.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/menschliches-allzumenschliches-3252/1 (zuletzt abgerufen
am 09. September 2014).
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Also sprach Zarathustra In: Projekt Gutenberg -DE. http://gutenberg.spiegel.de/buch/also-sprach-zarathustra-ein-buch-fur-alle-und-keinen- 3248
  • Verwendete Literatur
Verwendete Literatur NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Also sprach Zarathustra. In: Projekt Gutenberg -DE. http://gutenberg.spiegel.de/buch/also-sprach-zarathustra-ein-buch-fur-alle-und-keinen- 3248/1 (zuletzt abgerufen am 09. September 2014).
Ecce Homo. Wie man wird, was man ist
  • Friedrich W Nietzsche
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Ecce Homo. Wie man wird, was man ist. In: Projekt Gutenberg -DE.
Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt
  • Friedrich W Nietzsche
NIETZSCHE, FRIEDRICH W.: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt. In: Projekt Gutenberg -DE. http://gutenberg.spiegel.de/buch/gotzen-dammerung-6185/1 (zuletzt abgerufen am 09. September 2014).