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Die Problematik internationaler strafrechtlicher
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der Lord’s Resistance Army -
LRA
Jan Pospisil
Arbeitspapier 58 / November 2008
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
2
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Inhaltsverzeichnis
Abstract 3
1. Einleitung 4
2. Wahnsinniger Millenarismus – Der „offizielle Diskurs“ zur LRA 7
3. Wahrnehmung der Geschichte oder Geschichte der Wahrnehmung – Zur
historischen Entwicklung des Konfliktes 12
3.1. Die koloniale Produktion einer Peripherie – Acholiland und Uganda in
Protektorat und Unabhängigkeit 12
3.2. UPDA, HSM, LRA – Chronologie des Anti-NRM-Kampfes im Norden
Ugandas 17
3.3. Die LRA – eine politische Organisation? 26
3.4. Konflikt um Wahrnehmung und Strategie der Entpolitisierung 30
4. Die LRA: Verbrecher oder Verhandlungspartner? Die Intervention des ICC
und der Juba-Friedensprozess 2006-2008 33
5. Frieden und/oder Gerechtigkeit – ein scheinbarer Widerspruch vor dem
Hintergrund der Kriminalisierung des Konfliktes 41
Literaturverzeichnis 45
Jan Pospisil (Dr. phil.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen
Institut für Internationale Politik (oiip) und Lehrbeauftragter am Institut für
Politikwissenschaft der Universität Wien.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
3
Abstract
Der Konflikt im Norden Ugandas ist zu einem wesentlichen Testfall für den
2003 neu eingerichteten Internationalen Strafgerichtshof (ICC) avanciert. Auf
Ansuchen Ugandas – das erste offizielle Ansuchen eines Signatarstaates an
den Gerichtshof – wird die Führung der Rebellenorganisation Lord’s
Resistance Army (LRA) im Juli 2005 zur Verhaftung ausgeschrieben. Diese
Haftbefehle spielen im so genannten Juba-Friedensprozess, der im
Frühsommer 2006 beginnt, eine wesentliche Rolle und bleiben bis zu dessen
faktischem Scheitern zwei Jahre später ein wesentlicher und zugleich strittiger
Verhandlungspunkt.
Das Working-Paper skizziert auf Basis einer historischen Darlegung der
Entwicklung der betroffenen Region Acholiland in der Phase des britischen
Kolonialismus und den ersten Jahrzehnten der Unabhängigkeit die lokalen
und regionalen bewaffneten Widerstandsprozesse im Norden Ugandas gegen
die Regierung des National Resistance Movement unter der Präsidentschaft
von Yoweri Museveni. Darauf aufbauend werden die Wirkungen der
Intervention des ICC in den Juba-Friedensprozess analysiert, wobei vier
Folgen dieses Engagements festgestellt werden: (1) hat die Intervention zu
einer konkreten Erschwernis der Verhandlungen geführt, die wesentlich zum
Scheitern des Friedensprozesses beitrugen; (2) dient die Intervention der
Verfestigung eines entpolitisierenden Wahrnehmungsrasters, das auf vielen
passiven Opfern und wenigen, als wahnsinnig dargestellten Tätern beruht; (3)
erfolgte vor dem Hintergrund der Intervention eine Ausblendung struktureller
Konfliktursachen; und (4) hat die Verstrafrechtlichung eines laufenden
bewaffneten Konfliktes weitreichende Auswirkungen auf Konfliktwahrnehmung
und -analyse, speziell in Hinblick auf tendenziell irrationalisierte bewaffnete
Konflikte im Afrika südlich der Sahara, wo sich bislang auch alle vom ICC
behandelten Fälle befinden.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
4
1. Einleitung
1
Durch den im Sommer 2006 angelaufenen und mittlerweile (November 2008)
faktisch wieder sistierten Friedensprozess, der auch zu einem spektakulär
inszenierten Zusammentreffen des Vizegeneralsekretärs des UN-Büros für die
Koordination humanitärer Angelegenheiten, Jan Egeland, und den mit
internationalen Haftbefehlen gesuchten Mitgliedern des High Command der
Lord's Resistance Army (LRA), Joseph Kony und Vincent Otti, geführt hat, ist
der seit Jahrzehnten andauernde Konflikt im Norden Ugandas wieder in den
Blickpunkt internationaler Medien gerückt. Wenngleich es angesichts der
enormen Präsenz internationaler Hilfswerke auch vor diesem medialen Schub
übertrieben war, den Konflikt als „vergessen" zu bezeichnen, wie es Egeland
bei verschiedenen Gelegenheiten getan hat, öffnete dieser Friedensprozess
doch einige Widersprüche in der öffentliche Wahrnehmung, die zuvor in dieser
Form außerhalb Ugandas wenig diskutiert wurden.
„Friedenschance mit einem Kriegsverbrecher“
2
lautete eine der typischen
Schlagzeilen der internationalen Presse, als den Journalist/innen das Problem
bewusst wurde, dass sich hier eine Regierung zu Verhandlungen mit
Personen bereit erklärte, zu deren Verhaftung sie sich eigentlich verpflichtet
hatte. Nach einer Eingabe des ugandischen Präsidenten Yoweri Kaguta
Museveni im Dezember 2003 waren mit 9. Juli 2005 fünf Kommandanten der
LRA, darunter deren Anführer Joseph Kony, wegen verschiedener
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vom
Internationalen Strafgerichtshof (ICC
3
) zur Verhaftung ausgeschrieben
worden.
1
Das Working-Paper beruht auf einem Beitrag für die politikwissenschaftliche Drei-Länder-Tagung
zum Thema „Politik und Persönlichkeit“ im Jahr 2006 an der Universität Wien. Ich danke meinen
Gesprächspartner/innen in Uganda, dem Panel, sowie Lioba Lenhart, Sverker Finnström, und Stefan
Khittel für Korrekturen, Anmerkungen, Materialien und anregende Diskussionen. Der Arbeit ist ein
mehrmonatiger Feldforschungsaufenthalt in Uganda und Kenia im Frühjahr 2006 vorangegangen.
Das Working-Paper dient der Vorbereitung eines längerfristigen Forschungsvorhabens, das sich mit
den Aspekten der Intervention der internationalen Strafgerichtsbarkeit in verschiedene laufende
Konflikte im Afrika südlich der Sahara auseinandersetzen soll. Für Anmerkungen bin ich dankbar.
2
Die Presse, 10. August 2006, S. 4
3
Angesichts der Tatsache, dass die Diskussion um die Intervention des Internationalen
Strafgerichtshofes in Uganda primär auf Englisch geführt wird, verwende ich hier und im Folgenden
das englische Akronym.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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5
Den internationalen Beobachter/innen, die sich etwas eingehender mit der
Materie beschäftigten, musste nicht nur auffallen, wie schwierig es mit dem
gängigen Instrumentarium der Konfliktanalyse zu erklären war, dass eine
allgemein als wahnsinnig und gemeingefährlich wahrgenommene
Gruppierung wie die LRA, geführt von einem angeblich von Geistern
besessenen Grundschulabbrecher, in der Lage war, eine ganze Region über
mittlerweile zwei Jahrzehnte im Kriegszustand zu halten. Zugleich musste in
den aktuellen politischen Entwicklungen etwas komplett Unerwartetes ins
Auge stechen: dass nämlich die zivilgesellschaftlichen Organisationen in der
betroffenen Region über die Intervention des ICC nicht etwa erfreut waren
(wie es angesichts der globalen zivilgesellschaftlichen Begeisterung für die
Einrichtung einer solchen Institution eigentlich zu erwarten gewesen wäre),
sondern sie mit unverblümter Deutlichkeit ablehnten. Das dabei häufig
gebrauchte Argument, eine solche Intervention würde eine etwaige
Verhandlungslösung torpedieren, widersprach direkt der Argumentation des
ICC, der – speziell in Person des Chefanklägers Luis Moreno-Ocampo –
immer wieder betonte, dass ohne eine strafrechtliche Verhandlung der
persönlichen Verantwortlichkeiten der LRA-Führung für geschehene Untaten
kein Frieden möglich sei.
Ein solch gravierender Unterschied in den Einschätzungen wirft verschiedene
Fragen auf, die alle mit der nicht gänzlich neuen, aber in jedem Fall
neuartigen Intervention internationaler Strafrechtsinstanzen in bewaffnete
Konflikte zu tun haben. Schafft die Verhaftung der LRA-Führung wirklich diese
Gerechtigkeit, die als Grundlage eines nachhaltigen Friedensprozesses
dienen kann? Greift das Konzept individueller rechtlicher Verantwortung im
Kontext eines lang andauernden bewaffneten Konfliktes zu kurz? Welche
weitergehenden Implikationen bringt der Prozess der Kriminalisierung von
Akteuren eines laufenden Konfliktes – noch dazu in einer Region, die keine
längerfristige moderne strafrechtliche Tradition aufweist – im Allgemeinen mit
sich? Und vor allem: Welche konkreten Auswirkungen hat die Intervention des
ICC auf diesen Konflikt und die Suche nach Frieden in der betroffenen
Region?
Zur Untersuchung dieser Frage will ich mich zunächst mit der Art von
Auseinandersetzung mit der LRA beschäftigen, die Sverker Finnström (2006a)
als „offiziellen Diskurs“ bezeichnet hat, um dann im Rahmen eines
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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6
historischen Überblicks den politischen Kontext des Konfliktes und des
Einflusses der bestimmenden Persönlichkeiten auf dessen Verlaufsform zu
diskutieren. Vor diesem Hintergrund werde ich schließlich die Intervention des
ICC und den aktuellen Friedensprozess, der ja nicht der erste seiner Art ist,
behandeln, und versuchen, einige der angeführten Fragestellungen zu
diskutieren.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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7
2.
Wahnsinniger Millenarismus – Der „offizielle Diskurs“ zur LRA
Ist medial vom Konflikt in Norduganda die Rede, reduziert sich die Darstellung
der LRA zumeist auf eine möglichst bildliche Wiedergabe von ihr verübter
Gräueltaten, zumeist verbunden mit einem Hinweis auf ihren quasireligiösen
und sektenhaften Charakter. Doch es ist bei weitem keine Domäne des
Journalismus, die LRA mit Erklärungsmustern der klinischen Psychologie zu
deuten. Auch die (akademische wie praxisorientierte) Forschung neigt zu
derartigen Modellen.
Als typisches Beispiel kann dabei eine von Jacqueline Niavarani für das
Wiener Institut vidc
4
verfasste Studie herangezogen werden, die sich unter
dem Generalthema „Gender und bewaffnete Konflikte“ mit der Situation in
Norduganda auseinandersetzt.
5
Das dabei von der LRA gezeichnete Porträt
gerät hauptsächlich zu einer Aufzählung ihrer „Verbrechen“ (Niavarani
2006:18). Vorwiegend wird auf spektakuläre Bilder rekurriert, ein gängiges
Muster der Auseinandersetzung mit der Organisation
6
: „Zur Terrorisierung der
Bevölkerung oder bei Verdacht der Zusammenarbeit mit
RegierungsvertreterInnen griff die LRA auf Verstümmelungen der
Zivilbevölkerung Ugandas zurück: Hände, Ohren und Lippen vieler
DorfbewohnerInnen wurden abgeschnitten […].“ (ebda:14).
Ein ähnliches Bild wird in Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Gewaltakte
der LRA gezeichnet: „Die entführten Frauen und Mädchen werden
anschließend mit einzelnen Rebellenführern zwangsverheiratet oder allen
Rebellen für sexuelle Gewaltakte zur Verfügung gestellt. Während der
Zwangsehe wird von den Frauen ‚Treue’ gegenüber ihren Vergewaltigern
erwartet, ein Zuwiderhandeln wird mit dem Tod bestraft. Stirbt der ‚Ehemann’
so werden die Frauen einem erniedrigendem Reinigungsritual unterworfen
und nach einigen Monaten wiederverheiratet.“ (ebda:19)
7
4
Vienna Institute for Development and Cooperation
5
Diese Studie eignet sich als Beispiel insofern gut, als sie methodisch in Form einer Internetrecherche
erarbeitet wurde, somit also den Trend der allgemein zugänglichen Arbeiten zum Thema abbildet.
6
Dieses Muster kommt einem traditionellen medialen Bedürfnis entgegen (vgl. Allen&Seaton 1999:2).
Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion um den Konflikt in Norduganda wird üblicherweise
nicht durch langatmige historische und politische Auseinandersetzungen erreicht, sondern durch eine
immer neue Maximierung der darzustellenden Grausamkeiten.
7
Die letzte der hier aufgestellten Bemerkungen ist – im Gegensatz zu allen vorangegangenen, für die
Beweise vorliegen – zumindest in der behaupteten Allgemeingültigkeit falsch. Hat sich eine Frau nach
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am Beispiel Ugandas und der LRA
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Das Interessante an diesen Beschreibungen ist nun nicht, dass sie allesamt
unrichtig wären. Tatsächlich passierten und passieren derartige Gewaltakte,
und es bestehen keine Zweifel daran, dass die LRA eine der wesentlichen
Urheberinnen ist – wenngleich die Frage der Urheberschaft nicht immer
eindeutig zu klären ist und mitunter, gerade während laufender
Friedensverhandlungen, selbst ein Politikum darstellt. Entscheidend ist
vielmehr, dass diese Beschreibungen oftmals das einzige sind, was von und
über die LRA gesagt wird. Der vermittelte Eindruck ist nun der, dass es zwar
vielleicht objektive Konfliktursachen gäbe
8
, diese allerdings mit der LRA nichts
zu tun hätten.
Charakterisiert wird damit eine Organisation, die vollkommen apolitisch und
ohne jedes Ziel einen Kampf ohne irgendeine Art von Unterstützung führt,
eine reine Entführungs- und Massakermaschine. Politische Äußerungen
wären nicht vorhanden, wie auch der Oxfam-Länderbericht Uganda
behauptet: „It [the LRA] seems to have no political agenda, and does not offer
any alternative analysis on key issues of social, economic, or political
development“ (Leggett 2001:29).
Die Behauptung des Wahnsinns ist damit folgerichtig. Doom&Vlassenroot
(1999) folgern in einem der Schlüsseltexte der akademischen
Auseinandersetzung mit der LRA, dass die Erfahrung von gescheiterten
Friedensverhandlungen im Jahr 1994 Joseph Kony „over the edge“ getrieben
hätte (ebda:25). Auch wenn nach wie vor politische Motive ausgemacht
werden könnten, bleibe unter dem Strich dennoch „Kony’s madness“
(ebda:26). Amnesty International geht einen Schritt weiter und zieht
medizinische Schlussfolgerungen: „The terror inflicted by the LRA represents
a pathological response to a history of violence and social trauma. Acholi
society in Gulu and Kitgum is traumatized; the LRA is both the result and, in a
terrible dynamic, in part the cause.“ (Amnesty International 1997).
Einschätzung des LRA-High Command im Kampf bewährt, kann sie mitunter auch die Führung eines
Kommandos übernehmen. Im Jahr 2002 soll die LRA über 400-500 Kombattantinnen verfügt haben
(vgl. Lucima 2002), aktuellere Zahlen dazu liegen nicht vor. Interessant ist in diesem Zusammenhang
auch, dass die Leitung der (sich allerdings vollständig aus der Diaspora rekrutierenden) LRA-
Verhandlungsdelegation bei den Friedensverhandlungen in Juba zwischenzeitlich einer Frau oblag, der
in London lebenden Josephine Apira.
8
Niavarani benennt vor allem zwei Konfliktursachen: die aus kolonialer Zeit stammende
(ökonomische, soziale und politische) Nord-Süd-Spaltung des Landes sowie die antidemokratischen
Tendenzen der NRM-Herrschaft.
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Die Schilderungen von LRA-Verbrechen mögen Betroffenheit auslösen, zum
Verständnis des Konfliktes, und insbesondere der Konfliktpartei LRA, tragen
sie jedoch wenig bei. Denn obwohl immer wieder über die historischen
Ursachen des Konfliktes reflektiert wird, ohne die Herstellung einer
Verbindung dieser Konfliktursachen mit der Realität des tatsächlich laufenden
Konfliktes und seiner Akteure bleibt jede Analyse schal. Sie reduziert den
Prozess auf wenige Täter (insbesondere den immer wieder
herausgestrichenen Joseph Kony), denen mit einem rationalen
Instrumentarium nicht beizukommen ist, und zahlreiche Opfer, denen
zwischen Entführung, Misshandlung und struktureller Benachteiligung im
Rahmen des postkolonialen ugandischen Staatsgefüges keine
Handlungsoption mehr zugebilligt wird. So sagen solche Ansätze oftmals
mehr über diejenigen aus, die sie treffen, als über den Gegenstand, über den
gesprochen wird. „[…] the reputed insanity of Kony is mostly notable because
it demonstrates just how little understanding of the conflict there really is –
even by academic analysts.“ (Vinci 2005:361).
Adam Branch (2005:7) ortet die Ursache dieses Unverständnisses im Problem
der Vermischung von Moral und politischer Analyse: „A moral judgement as to
the LRA's actions remains just that – moral – and cannot be translated into a
judgement about the LRA's politics.“ Für Autor/innen aus dem akademischen
und zivilgesellschaftlichen Bereich mag diese Einschätzung richtig sein, für
den offiziellen ugandischen Diskurs, der zuvorderst von Präsident Museveni
selbst geführt wird, müssen jedoch handfeste politische Interessen als
grundlegend angenommen werden.
Obwohl der zentrale Ansatz der offiziellen ugandischen Darstellung jener des
gewalttätigen Wahnsinns Einzelner verwandt ist (Museveni hat Kony
mehrfach als Verbrecher und Terrorist ohne jede politische Agenda
bezeichnet, vgl. Westbrook 2000), lassen sich doch merkliche Besonderheiten
erkennen. In seiner Autobiographie „Sowing the Mustard Seed“ verschiebt
Museveni das Problem denn auch von einer persönlichen auf eine kollektive
Ebene, allerdings in strikter Wahrung einer kriminalisierenden, und damit
entpolitisierenden Grundtendenz.
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„It was purely tribal opportunism that brought such numbers to their side.
You could not say that they were fighting to bring resources to the north,
other than by way of looting and corruption, for social corruption had
widely taken root in the region. Under previous regimes, the soldiers,
most of whom came from the north, had been free to loot civilian
property. […] In this way, the whole community in Acholi and Lango had
become involved in plundering of Uganda for themselves. In other words,
the reason why those rebels in the north, organized on a tribal basis,
were fighting for control of the national government, was that the NRM as
a government had stopped them from looting.“ (Museveni 1997:177f.)
Musevenis Operation ist also doppelt: nicht nur verknüpft er die
aufständischen Bewegungen im Norden strategisch mit den allgemein (auch
in Acholiland) verhassten Regimen von Idi Amin und Milton Obote und
skizziert sie somit als von kriminellen Motiven geleitete Verbrecher. Er zieht
einen weiteren entscheidenden Schluss, der in einem Klima einer Jahrzehnte
von oftmals ethnisch und tribalistisch begründeter Gewalt erschütterten
Region gleich fatal wie fast schon zwangsläufig ist: er verknüpft die
Zuschreibung des Verbrechens mit ganzen Gemeinschaften, denen er dann
noch dazu kollektiven tribalistisch motivierten Opportunismus unterstellt.
Damit einher geht das beständige Bemühen, den Konflikt gerade gegenüber
den für Uganda überlebenswichtigen internationalen Partnern
9
herunterzuspielen. So sieht Museveni auch angesichts seiner schlechten
Wahlresultate in Acholiland bei den ersten Präsidentschaftswahlen seit seiner
Machtübernahme im Jahr 1996 keinen Grund zur Sorge. Mit dem Argument,
in der nordöstlichen Region Karamoja hohe Stimmenanteile eingefahren zu
haben, meint er 1997: „Therefore, the whole question of the ‚northern problem’
is overdramatised.“ (ebda:213). An dieser Außendarstellung hat sich auch
nach den Wahlen von 2001 und 2006, bei denen Museveni in den Acholi-
Provinzen nur marginale Stimmenanteile gewinnen konnte, wenig verändert.
Bislang ziehen die internationalen Geber auf dem Weg der tendenziellen
Ausblendung der „Herausforderung Norduganda“ für den gesamtugandischen
Kontext noch mit. Die aktuelle Joint Assistance Strategy, die mit Ausnahme
von USAID die wesentlichen in Uganda aktiven Geber vereint, wird der
9
Der Anteil der Gelder von bilateralen und multilateralen Gebern am Budget Ugandas schwankt in
den letzten Jahren zwischen 40 und 55 Prozent.
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Konflikt vor dem Hintergrund des übergeordneten Ziels der
Armutsbekämpfung zu einer von mehreren „Challenges“, eine Art natürlicher
Unbill, die direkt neben Korruption und Bevölkerungswachstum rangiert (vgl.
Joint Assistance Strategy 2005:2).
Inoffiziell ist allerdings ein tendenzieller Wandel im Bewusstsein der in
Kampala stationierten internationalen Diplomaten und Entwicklungspolitiker
feststellbar. Die Bereitschaft, das System Yoweri Museveni trotz dessen Ruf
als erfolgreicher Repräsentant einer neuen afrikanischen Führungsgeneration
grundsätzlich zu hinterfragen, steigt merklich an.
10
Wenngleich das
langjährige Versagen der ugandischen Regierung im Norden des Landes nur
eine der Ursachen dieser Veränderung ist (die Geberrunden werden zumeist
von den Problemen der schlechten ökonomischen Performance, der
endemischen Korruption und schlechter Governance-Indikatoren, die ihren
konkreten Ausdruck in der international schlecht aufgenommenen dritten
Amtszeit Musevenis gefunden haben, dominiert), ist doch anzunehmen, dass
sie eine der Motivationen hinter der Bereitschaft Musevenis waren, im Jahr
2006 erneut in Friedensverhandlungen mit der LRA einzutreten.
Dennoch behält der offizielle Diskurs – von Seiten des ugandischen Staates,
aber vor allem auch von akademischer Seite – die Oberhand in der
Auseinandersetzung um die Interpretation des Konfliktes und entfaltet nach
wie vor starke faktische Wirkungen, ohne die der Verlauf des gesamten
aktuellen Konfliktes, aber auch die Intervention des ICC und die aus ihr
entstehenden Konsequenzen nicht zu verstehen sind.
10
So bezeichnete ein Büroleiter einer großen bilateralen Entwicklungsagentur Uganda während eines
Interviews unverblümt als „failed state“. Manche europäische Diplomaten zeigen der NRM-Regierung
und der Person Museveni gegenüber in informellen Gesprächen noch weniger Zurückhaltung und
sprechen von korruptem Despotismus – Sichtweisen, die sich freilich nicht in offiziellen Dokumenten
widerspiegeln, aber doch von einem merklichen Stimmungsumschwung zeugen.
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3. Wahrnehmung der Geschichte oder Geschichte der Wahrnehmung –
Zur historischen Entwicklung des Konfliktes
Zunächst benötigt es jedoch eine genauere Auseinandersetzung mit der
langen Geschichte der verschiedenen Konflikte im Norden Ugandas –
tatsächlich Konflikte in der Mehrzahl, da es angesichts der überaus
unterschiedlichen Kontexte meiner Ansicht nach nicht möglich ist, von einem
einheitlichen Konflikt zu sprechen, der sich durch die Geschichte ziehen
würde. Allerdings ist der heute laufende Konflikt zwischen der LRA und den
nun UPDF
11
genannten ugandischen Streitkräften ein Resultat aller
vorangegangenen, oder aber, wie ich argumentieren werde, ein Resultat ihrer
Wahrnehmung und Interpretation.
3.1. Die koloniale Produktion einer Peripherie – Acholiland und Uganda
in Protektorat und Unabhängigkeit
Dass die nördlichen Provinzen Ugandas heute eine nationale Peripherie
darstellen, denen in den Diskursen des Zentrums nicht nur ökonomische,
sondern auch soziale und mitunter intellektuelle Rückständigkeit bescheinigt
wird, ist Resultat eines überraschend kurzen historischen Prozesses. Noch
vor 150 Jahren waren diese Provinzen als sich einheitlich verstehendes
Gebiet nicht existent, und ein organisierter Austausch mit den starken
Königreichen im Süden und Westen des heutigen Uganda fand nicht statt,
abgesehen von arabischen Sklaven- und Elfenbeinjägern, die als zentrale
Handelspartner dieser Königreiche die Region am Ende der etablierten
Handelsrouten vom indischen Ozean als einträgliches Reservoir der Ware
Mensch betrachteten.
Für die Ende des 19. Jahrhunderts eintreffenden britischen Kolonialisten war
die Region weniger ökonomisch denn geostrategisch interessant, bildete sie
doch die Pufferzone zwischen dem als zivilisatorischer Enklave (und damit
viel versprechender Handelspartner) wahrgenommenen Königreich Buganda
(vgl. Pakenham 1992:27f.) und den ägyptischen Reichsbestrebungen und
später dem Mahdi-Reich im Norden auf dem Gebiet des heutigen Sudan.
Demgegenüber sollte ein verankertes ethnisches Selbstbewusstsein nicht nur
11
Mit der Verfassung von 1995 wurde die ursprüngliche Guerilla National Resistance Army NRA, die
unter der Führung von Yoweri Museveni 1986 das Regime von Tito Okello gestürzt hatte und in der
Folge zur nationalen ugandischen Armee avanciert war, in UPDF (Uganda People‘s Defence Force)
umbenannt.
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helfen, mehr Ordnung in ein an den Rändern schwierig zu verwaltendes
Protektorat zu bringen
12
, sondern auch eine stabile Bastion gegen die
arabischen Bestrebungen gewährleisten. Die kollektive Selbstentdeckung
eines Volkes war also eine originär kolonialistische Idee: „This concept of a
people, bound together by a common culture, defining itself as a nation or
chosen to be the military backbone of the state, was created through colonial
interference.“ (Doom&Vlassenroot 1999:8).
Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass die Frage nach einer
historisch gewachsenen Identität des neu entdeckten Volkes im Norden, das
nun als Acholi
13
das Licht der europäischen Geschichtsschreibung erblickt, zu
einem immanent politischen Problem wird. Nachdem die wenig kohärente
Geschichte der Stämme und Klans im Norden Ugandas als Problem definiert
wird (vgl. etwa Ingham 1958:19), beginnen sich Politik und Wissenschaft der
Suche nach einer passenden Lösung zu widmen. Insbesondere die
politischen Bemühungen, die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
einsetzen und in der Einrichtung des Acholi-Distrikts im britischen Protektorat
Uganda 1937 münden, werden dabei zur ersten kollektiven historischen
Erfahrung der Acholi, und diese Erfahrung ist bezeichnenderweise
traumatisch.
Obwohl die Distrikte Gulu und Chua
14
schon 1898 in das 1894 geschaffene
Protektorat Uganda eingegliedert werden (vgl. Finnström 2003:91), wird es bis
1913 dauern, ehe das Gebiet als befriedet gelten kann (vgl. Behrend 1999:16,
HURIPEC 2003:20). Um die soziale Fragmentierung zu durchbrechen, wird
die Stellung der Clan-Chefs, der rwodi, im Zuge des Eingliederungsprozesses
strategisch unterminiert – die „indirect rule“ der britischen Verwaltung wird in
der Folge nicht durch Führungsfiguren aus der Region umgesetzt, sondern
durch Verwaltungsbeamte aus den südlichen Königreichen, insbesondere aus
12
Mahmood Mamdani sieht diese Herstellung einer anthropologischer Ordnung als eine der
originären selbstgesteckten Aufgaben der Kolonialisten: „The implication is that tribes are supposed to
be in an organized state, each with its own territory, customs, leaderships. But should the opposite be
true, it was clearly the duty of officialdom to create order out of chaos and tribal ‘purity’ out of a tribal
patchwork.“ (Mamdani 1996:81).
13
Wie so oft ist auch die Bezeichnung „Acholi“ wahrscheinlich das Produkt von durch europäische
Reisende eigenartig interpretierte Selbstzuschreibungen: an loco li bedeutet, je nach Überlieferung, in
älteren Sprecharten des lokalen Lwo-Dialekt eine Zuschreibung als „Mensch“ oder „schwarz“.
14
Der Chua-Distrikt umfasste das Gebiet um die Stadt Kitgum, das sich weitestgehend mit den
heutigen Distrikten Kitgum und Pader deckt.
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14
Buganda (vgl. Lwanga-Lunyiigo 1989:26). Vor dem Hintergrund der
Verankerung der Protektoratsstrukturen wird die „indirect rule“ damit nicht nur
zur externen, sondern auch zur inneren Kolonisation, zum Paradefall einer
Struktur von Herrschaft, die Mamdani als „dezentralen Despotismus“
bezeichnet (Mamdani 1996:37ff.).
Der für die weitere Entwicklung entscheidende Schritt ist die Konstruktion
dieses „inneren“ Charakters der Kolonisation, der die Grundlage der späteren
Wahrnehmung der Nord-Süd-Spaltung Ugandas bilden wird. Kann der Betrug
bei der Entwaffnung der nördlichen Clans im Jahr 1913 – die britische
Kolonialverwaltung hatte ihre Forderung nach einer Abgabe der Waffen nach
zähem, auch bewaffnetem Ringen auf eine Registrierungspflicht herabgestuft,
nur um dann im Zuge des Registrierungsprozesses die Waffen zu verbrennen
(vgl. Behrend 1999:17) – noch einer europäischen, fremden Macht
zugeschrieben werden, wird die Einsetzung von Buganda-Beamten in den
nördlichen Regionen des Protektorates in der späteren historischen
Wahrnehmung der Acholi zum ersten Beispiel eines südugandischen
Kolonialismus, der über die Jahrzehnte bis hin zum NRM-Regime
15
verschiedene Nachahmer finden wird.
1937 wird schließlich der Acholi-Distrikt, bestehend aus den damaligen
Distrikten Gulu und Chua, aus der Taufe gehoben. Dies ist der finale Schritt in
der kolonialen Produktion der Acholi: „If it is true that the Acholi had never
acted collectively as a unit, that the territorial boundaries were not there before
formal administration, that the word Acholi had never acted collectively as a
unit, and never before symbolized one people, the post 1937 situation bears
little resemblance to what existed in this area prior to colonial rule.“
(Kabwegyere 1995:40, vgl. dazu auch Atkinson 1994:7).
Auf wissenschaftlicher Ebene besteht zur Frage einer vorkolonialen
ethnischen Identität der Acholi keine Einigkeit. Die in klassischer
völkerkundlicher Tradition stehenden Hauptwerke sehen eine solche –
verständlicherweise – als gegeben: „The creation of an Acholi society and
collective identity did not commence with colonial rule. The socio-historical
developments that produced an 'Acholi' entity and identity began hundreds of
15
Das NRM, National Resistance Movement, ist die 1979 gegründete politische Bewegung des
heutigen ugandischen Staatspräsidenten Yoweri Museveni. Mit Beginn des Widerstandskampfes
gegen das Obote-Regime 1980 wird mit der NRA ein bewaffneter Arm aufgebaut.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
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years before that“ (Atkinson 1994:17, ebenso etwa Dwyer 1972 oder Girling
1960). Dahingegen meint etwa Heike Behrend (1999:14) trocken: „The Acholi
did not exist in precolonial times.“ Auch Sverker Finnström (2003:84)
interpretiert die klassischen Arbeiten eher als politische Werke, deren Resultat
schon vor Beginn determiniert war. Sie hätten nichts anderes geschrieben als
„charters for Acholi nationhood“. Wenngleich diese ethnische
Selbstidentifikation in Acholiland bei weitem nicht durchgängig funktioniert
16
,
werden diese Chartas in Hinblick auf das kollektive historische Verständnis im
späteren unabhängigen Uganda fatale Wirksamkeit entfalten.
Eine der politisch-sozialen Erzählungen, die seit den frühen Protektoratszeiten
zirkulieren und bis heute gepflegt werden, ist der angeblich kriegerische
Charakter der Acholi, der sich in ihrer besonderen Eigenschaft als gute
Soldaten manifestieren würde (vgl. etwa Ingham 1958:21). Als empirische
Stützung dieser Behauptung wird zumeist der überproportional hohe Anteil
der Acholi an den britischen King‘s African Rifles während des Ersten
Weltkrieges ins Treffen geführt, die dann die historische Basis für die
Dominanz der Northerners in der Armee des unabhängigen Uganda gelegt
hätte.
Die tatsächlichen Ursachen des hohen Anteils von Acholi dürften jedoch
andere sein. Lwanga-Lunyiigo (1989:29) vermutet, dass der Hauptgrund ganz
und gar nicht in der Zuschreibung besonderer Kampfkraft zu finden sei.
Paradoxerweise dürfte vielmehr ausschlaggebend gewesen sein, dass die
britische Verwaltung aufgrund der schwachen und dezentralen sozialen und
politischen Strukturen keinen aktiven Widerstand, sondern eine bessere
Eingliederung der Acholi in die Truppe erwartete. Dazu kommen ökonomische
Faktoren: die Armee wurde schon in der kolonialen Periode zum
Hauptarbeitgeber einer sich in den neuen ökonomischen Gegebenheiten als
rückständig und arm wiederfindenden Region (vgl. HURIPEC 2003:21).
Dieser Faktor wird nach der NRM-Machtübernahme 1986 noch eine
wesentliche Rolle spielen, bedeutete doch die Ersetzung der alten
Armeestrukturen durch die NRA die zunächst fast vollständige Verdrängung
von Soldaten aus den Nordregionen aus der Armee, was für Acholiland einen
schwerwiegenden ökonomischen Schlag bedeutete.
16
Selbstbezeichnungen als Lwo oder ugandische Staatsbürger sind neben jener als Acholi auch
regelmäßig anzutreffen (vgl. Finnström 2003:54).
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am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
16
Zusammenfassend lassen sich somit drei Resultate feststellen, die das
unabhängige Uganda als Erbe der Kolonialzeit mitnahm und den Konflikt im
Norden des Landes bis heute prägen: (1) Es wurden auf politischer und
ökonomischer Ebene nachhaltige Konfliktursachen geschaffen, wobei
insbesondere die kolonialen Grenzziehungen zu einem schwerwiegenden
Problem werden: „By splitting groups such as the Acholi, Madi and the Kakwa,
the European colonial powers unwittingly created a situation whereby conflict
became part of the political landscape along the Sudanese-Ugandan border.“
(Ofcansky 2000:202). (2) Es wird von Beginn der kolonialen Penetration an
ein Diskurs über die soziale und politische Rückständigkeit der Acholi
generiert, der mit ihrem Charakter als angebliches Kriegervolk verknüpft wird.
Wir haben bereits gesehen, dass noch über ein Jahrhundert später der
ugandische Staatspräsident die exakt gleichen Muster gebrauchen wird, um
den Konflikt im Norden zu erklären (vgl. Museveni 1997:211ff.). (3) Es wird
den Acholi das zweifelhafte Geschenk einer kollektiven
Geschichtswahrnehmung zuteil. Diese Geschichtswahrnehmung wird fatale
praktische Wirkungen entfalten und die vielleicht entscheidende Ursache für
den späteren Norduganda-Konflikt bilden.
Jedenfalls hat es die britische Kolonialverwaltung mit der ethnischen
Konstruktion der Acholi und der Integration von Acholiland in das ugandische
Protektorats- und spätere Staatsgebilde geschafft, eine innere Peripherie zu
installieren – auf ökonomischer wie auf politischer Ebene. Dennoch bildet die
Nord-Süd-Spaltung zunächst kein entscheidendes Thema in den tragisch
verlaufenden ersten beiden Jahrzehnten der Unabhängigkeit.
17
Dies mag
darin begründet liegen, dass alle Teile Ugandas die Wirkungen der
zunehmend exzessiveren Gewaltregime von Milton Obote und Idi Amin zu
spüren bekamen. Zur erstmaligen prononcierten politischen Artikulation der
Nord-Süd-Spaltung kam es erst im Post-Amin-Wahlkampf 1980, als sich die
Gegenkandidaten des sich erneut zur Wahl stellenden Milton Obote, der als
Lango aus dem nördlichen Apac-Distrikt als Nordugander wahrgenommen
wurde, unter dem Slogan „Tired of Northerners“ formierten (vgl. Ginywera-
Pinchwa 1989:53).
17
Für einen Überblick über die Geschichte des unabhängigen Uganda von 1962 bis 1986 siehe etwa
Mutibwa (1992).
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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17
Konsequenterweise wurde die NRA, die nach Obotes Wahlsieg 1980 unter
Führung des aus Südwestuganda stammenden Yoweri Museveni den
bewaffneten Kampf aufnahm, als originär südugandische Bewegung
interpretiert – trotz ihrer sich bis heute in wechselnder Konjunktur
hinziehenden politischen Konflikte mit dem traditionellen Buganda-
Establishment. Zugleich projizierte die NRA den Feind zunehmend in den
Norden des Landes, insbesondere nachdem Milton Obote 1985 von
führenden Acholi-Militärs um Tito Okello gestürzt wird.
3.2. UPDA, HSM, LRA – Chronologie des Anti-NRM-Kampfes im Norden
Ugandas
Wenngleich die übliche historische Interpretation nach wie vor davon ausgeht,
dass die Machtübernahme des NRM das Ende der jahrzehntelangen Gewalt
des nachkolonialen Uganda bedeutet habe und die gelebten Erfahrungen im
in der ersten Hälfte der 1990er Jahre prosperierenden Südteil des Landes
diese Erzählung zu untermauern scheinen, so werden doch in der blutigen
Endphase des Bürgerkrieges die Grundlagen für jene Konflikte gelegt, die den
Norden bis zum heutigen Tag erschüttern.
18
Auch wenn sich das NRM bis zu seiner Machtübernahme keineswegs durch
ethnische Rhetorik zu profilieren sucht, werden die Ereignisse zunehmend vor
dem Hintergrund ethnischer und regionaler Zuschreibungen interpretiert – ein
Spiel allerdings, dass das NRM, einmal an der Regierung, schnell
mitzuspielen bereit ist.
So interpretieren die südlichen Regionen des Landes die Machtübernahme
von Tito Okello als Bedrohung durch die Acholi, eine Wahrnehmung, die sich
in relevanten Teilen der Bevölkerung bis heute hält. Die Okellos
19
werden
nicht nur im Volksmund, sondern auch in akademischen Kreisen als „die
Acholi“ bezeichnet und sofort mit Verbrechen der „Acholi-Soldaten“ in
Verbindung gebracht: „The coup was bloodless because there was no
outward resistance to the arrival of the Acholis; yet, on their arrival in
18
Für einen differenzierten Überblick über die verschiedenen Aspekte der ersten zehn Jahre der NRM-
Herrschaft und ihrer Wahrnehmung im akademischen Bereich siehe die von Holger Bernt Hansen und
Michael Twaddle herausgegebenen Sammelbände (Hansen&Twaddle 1988, 1991, 1994, 1995, 1998).
19
Neben dem kurzzeitigen Präsident Tito Okello war auch der UNLA-Oberkommandierende Bazilio
Olara-Okello federführend am Putsch gegen Obote beteiligt.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
18
Kampala, the Acholi soldiers embarked on a totally malicious looting of the city
and its environs.“ (Mutibwa 192:167).
Von einer ähnlichen Ethnisierung der Interpretationen sind die Massaker im
Luwero-Dreieck getragen. Als die wesentliche Basis des Anti-Obote-
Guerillakampfes wurde die Region zwischen den drei großen ugandischen
Seen nördlich der Hauptstadt Kampala die zentrale Zielregion von Obotes
brutaler Counterinsurgency. Auch nach Obotes Sturz verübte die alte
ugandische Armee, speziell während ihres Rückzuges vor der
heranrückenden NRA, Massenmorde in dem Gebiet, denen bis zu 300.000
Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. In der Schuldzuschreibung spielt
das NRM die ethnische Karte: „Although the UNLA was a national and multi-
ethnic army, the NRM/A held the Acholi exclusively responsible for the
atrocities committed, and this disputed perception was to shape subsequent
attitudes toward the conflict.“ (Otunnu 2002). Bis heute zieht sich die
Verantwortlichmachung der Acholi als Kollektiv durch den öffentlichen
Diskurs, was Robert Gersony (1997:8) dazu veranlasst, von Luwero als dem
„ghost that haunts the Acholi“ zu sprechen (vgl. auch Doom&Vlassenroot
1999:9).
20
Andererseits nehmen die Acholi, gerüstet nun mit der durch die Kolonialherren
verankerten kollektiven geschichtlichen Wahrnehmung, die NRM bis heute als
Organisation wahr, deren Hass auf die Acholi jederzeit den Charakter eines
Genozids annehmen könnte (respektive, je nach Interpretation, bereits
angenommen hat). Die Nairobi-Verhandlungen 1985, in denen Museveni
unter Ägide des kenianischen Präsidenten Arap Moi einen Friedensschluss
mit Okello aushandelte, nur um diesen dann nicht zu unterfertigen und kurz
danach Kampala militärisch einzunehmen, werden in dieser Erzählung zum
betrügerischen Auftakt eines verbrecherischen Regimes – der zweite große
historische Betrug an den Acholi im Zuge ihrer noch jungen Existenz:
„‘Northerners felt cheated by the British and the Baganda during colonial rule‘,
said a senior government official. ‘This second cheat made us feel even more
bitter.‘“ (ICG 2004:3).
20
Zugleich ist auch in einer ethnisch aufgeladenen Interpretation diese Wahrnehmung der Luwero-
Massaker nicht unumstritten. HURIPEC (2003:25) meint etwa: „Thus, it is not the atrocities that led to
the Luwero war, but rather the NRM/A ethnic war that led to the atrocities.“ Diese These ist allerdings
empirisch nur schlecht untermauert und damit eher als politisches Statement zu verstehen.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
19
Aus diesem verhängnisvollen Wechselspiel gab es kein Entrinnen. Sofort
nach ihrer Machtübernahme versucht die NRA, den Kampf gegen die
militärischen Überbleibsel des alten Regimes in Acholiland aufzunehmen – mit
dem Problem, dass sie nicht gefunden werden konnten. Die alte Armee hatte
sich entweder aufgelöst oder in den Südsudan und den Ostkongo geflüchtet.
„The NRA was not liberating the North from dictatorship, but was occupying
the North to finish off that dictatorship. Since this enemy could not be found,
the NRA fought it by attacking the population they believed supported it. To
‘pacify’ Acholiland, the NRA undertook a counter-insurgency without the
insurgency.“ (Branch 2005:9f.).
Es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Aufstandsbekämpfung ohne
Aufstand gegen die lokale Bevölkerung richten musste, noch dazu wenn sie in
der Hand von Soldaten lag, denen zuvor eindeutig klar gemacht wurde, dass
diese Bevölkerung ohnehin mit dem Feind identisch sei. So ist es zu erklären,
dass die ursprünglich als überaus diszipliniert geltende NRA mit Methoden
auftrat, die viele an die Zeit der Idi Amin-Herrschaft erinnerten. Erst dieser
Krieg, der faktisch per definitionem gegen die Acholi-Bevölkerung geführt
wurde, brachte der neu formierten Widerstandsorganisation UPDA, die von
den militärischen Größen der alten ugandischen Armee von Obote und Okello
dominiert wurde, jenen Zulauf, der es ihr überhaupt erst ermöglichte, den
Kampf mit der NRA aufzunehmen. In Acholiland wird die UPDA zu diesem
Zeitpunkt weitgehend als Schutz vor dem Terror der NRA wahrgenommen
(vgl. Doom&Vlassenroot 1999:15).
Ab 1987 kommt es zu wiederholten Überfällen von bewaffneten Karamojong
aus dem ugandischen Nordosten, die einen Großteil der Viehbestände in
Acholiland rauben. Raubüberfälle, deren ökonomische und auch moralische
Wirkung kaum überschätzt werden kann, Gersony (1997:28) bezeichnet sie
als „one of the greatest economic and morale blows of the war.“ Die
Kooperation der Regierung mit den Karamojong liegt für die Acholi auf der
Hand
21
, eine Annahme, die durch die Untätigkeit der NRA als Ordnungskraft
21
Die Bewaffnung der Karamojong erfolgte in jedem Fall mit Regierungsunterstützung. Da deren
Siedlungsgebiet in der Grenzregion zu Kenia liegt, wurde mit dieser Bewaffnung eine Pufferzone
geschaffen, die – da die kenianische Regierung auf ihrer Seite der Grenze Ähnliches praktizierte –
zeitweise zum Schauplatz eines regelrechten Krieges niedriger Intensität wurde. Bis heute haben sich
die Karamojong erfolgreich verschiedenen Ansätzen der Entwaffnung (die vom Ankauf der Waffen
durch die Regierung bis zu UPDF-Strafaktionen reichten) widersetzt.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
20
gestützt wird. Berichte sprechen auch von offener Kooperation von NRA-
Einheiten mit den Karamojong während der Raubzüge. „For the Acholi, it
appears clear that Kampala is giving the Karamojong a free hand further to
destroy their cultural and moral heritage.“ (Doom&Vlassenroot 1999:13).
Erstmals ist im Zusammenhang mit den Karamojong-Überfällen und der als
solcher interpretierten Kooperation der NRA explizit vom Plan eines Genozids
an den Acholi die Rede: „This destruction of one of the bases of Acholi
livelihood became additional proof of the NRA's plans.“ (Branch 2005:11).
Erst vor diesem Hintergrund werden jene Ereignisse nachvollziehbar, die
während und nach der relativ schnellen Niederlage der UPDA in Acholiland
ihren Verlauf nehmen.
22
Im Jänner 1985, etwa ein Jahr vor der
Machtübernahme des NRM, wird die junge Norduganderin Alice Auma, die
zwei gescheiterte, da kinderlose Ehen hinter sich hat, vom christlichen Geist
„Lakwena“
23
besessen. Im August 1986 befiehlt ihr der Geist nach Übergriffen
der NRA in Gulu, der größten Stadt in Acholiland, ihre bisherige Praxis des
Heilens aufzugeben und eine Armee aufzubauen
24
, um die NRM-Regierung
unter Yoweri Museveni aus Uganda zu vertreiben. Alice, mit einer nur 150
Mann umfassenden Gruppe von ehemaligen UPDA-Kämpfern, die einen
komplexen Initiationsritus durchlaufen hatten, überzeugt die UPDA-Führung,
zusätzliche Truppen unter ihre Kontrolle zu stellen, mit denen sie sofort
spektakuläre militärische Erfolge erringen kann.
Sie formt in der Folge, immer als Medium von Lakwena und einigen anderen
Geistern, das Holy Spirit Movement (HSM), das in der kurzen Zeit seiner
Existenz bis zu 18.000 initiierte Kämpfer/innen umfassen wird und die UPDA,
deren Schlagkraft bereits 1986 signifikant geschwächt ist, da die Mehrzahl
ihrer Soldaten zum HSM überläuft
25
, als Hauptträgerin des Kampfes gegen
22
Zur folgenden Geschichte des Holy Spirit Movement siehe Behrend (1999a).
23
Lakwena bedeutet „Bote“.
24
Die Argumentation des Geistes lautete dabei, dass Heilen in dem Moment sinnlos werde, wenn die
Geheilten ohnehin durch einen laufenden Krieg sterben würden.
25
1988 unterzeichnet die UPDA schließlich ein Friedensabkommen mit der NRA, mit dem ein Großteil
der Kommandanten den bewaffneten Kampf aufgibt. Von den bekannten hochrangigen Mitgliedern
geht nur Odong Latek, der zu diesem Zeitpunkt Oberkommandierende, nicht auf den Friedensschluss
ein und schließt sich mit den ihm untergebenen Truppen der LRA an. Die eigentlich garantierte
Amnestie gegenüber der UPDA wurde nicht lückenlos eingehalten, so wurde der in Acholiland sehr
populäre Kommandant Mike Kilama im Februar 1990 von NRA-Grenztruppen getötet, was das
Vertrauen in jegliche Art von Amnestieangeboten der ugandischen Regierung nachhaltig erschütterte
(vgl. Justin Lamwaka in Lucima 2002).
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
21
die NRM ablöst. Die Serie der militärischen Erfolge des HSM setzt sich
zunächst fort, was sich auch dadurch begründet, dass keine
Rekrutierungsschwierigkeiten auftreten – dabei ist das HSM aber alles andere
als eine reine Acholi-Bewegung, vielmehr umfasst die Bewegung Mitglieder,
die aus den verschiedensten Regionen Ugandas stammen.
Spektakulär sind diese militärischen Erfolge dennoch, vor allem insofern, als
sich die bewaffneten Einheiten des HSM, die Holy Spirit Mobile Forces, an
kaum eine der als gültig angenommenen militärischen Strategien und
Taktiken hielten. Die für die Kämpfenden verbindlichen Holy Spirit Safety
Precautions, die Grundregeln des Kampfes der HSMF, verboten den
Mitgliedern etwa, Deckung zu suchen oder feindlichem Beschuss
auszuweichen. Der starke Glaube würde die Kämpfer/innen unverwundbar
machen, Verletzungen oder gar Tod waren in dieser Auslegung schlicht
Ausdruck mangelnder Überzeugung. Dazu kam, dass nur ein relativ geringer
Teil der HSMF mit Feuerwaffen ausgerüstet war – zumindest zeitweise war
auch das bewusste Töten der Gegner verboten.
Der große Mobilisierungserfolg des HSM ist trotz der sich aufschaukelnden
Erzählungen über einen von Museveni geplanten Genozid an den Acholi nur
vor dem Hintergrund der neuen kosmologischen Dimension zu verstehen, die
die Bewegung in die politische Auseinandersetzung einbrachte. Das HSM
markierte damit einen wesentlichen Bruch mit der UPDA (die sie zeitweise
auch direkt bekämpfte) und der gesamten bisherigen nachkolonialen
Geschichte Ugandas.
26
Diese religiöse Kosmologie ist zwar durchaus als
Antwort auf die Versuche der kolonialen wie postkolonialen Modernisierung
und Rationalisierung der Peripherie zu verstehen (vgl. Behrend 1998:245), ist
aber selbst keineswegs per se anti-modern.
27
26
Die offizielle ugandische Position sieht in HSM und LRA hingegen direkte Überbleibsel des Obote-
und Okello-Regimes: „The bandits are all, in one way or another, linked to the old regimes“ (Museveni
1997:213). Eine Bemerkung, die vielleicht nicht nur Propaganda ist, sondern auch Ausdruck der
ethnischen Feindzuschreibungen, die sich in der zweiten Hälfte der 1980er innerhalb des NRM
festsetzen.
27
Behrend und Luig (1999:xiv) verweisen etwa darauf, dass „Spirit Possession“ zwar vielleicht exotisch
anmuten würde, in New York aber ebenso anzutreffen sei wie im Norden Ugandas. Auch im
antikolonialen Kampf kommen Geister immer wieder zum Einsatz, wie David Lan (1985) am Beispiel
Zimbabwe demonstriert. Auch gibt es Berichte, dass die ugandische Regierung und die NRA (und
spätere UPDF) in ihrem Kampf gegen das HSM und die LRA auf spirituelle Medien zurückgreifen
würden.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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22
Vielmehr vermischt sie traditionelle Elemente mit der christlichen Tradition und
verknüpft dies auf Basis einer weit verbreiteten und als real empfundenen
Angst vor der eigenen Ausrottung mit der Forderung nach einer Erneuerung
der ugandischen Gesellschaft. Adam Branch (2005:14) schlägt
dementsprechend vor, das HSM eher als soziale Bewegung denn als
militärische Kraft zu begreifen, und zwar als eine soziale Bewegung, die
bewusst über den Tribalismus hinweg auf das Projekt einer nationalen
Befreiung fokussiert hätte. In diesem Sinne hat der schnelle, überaus blutige
Untergang des HSM 1987 – Lakwena befahl einen Feldzug in den Süden des
Landes zur Einnahme Kampalas, der mit einer vernichtenden Niederlage in
Jinja, 100km östlich der Hauptstadt, endete
28
– auch ein Ende dieses
Projektes zur Folge.
29
Diese Niederlage, vermischt mit den Erwartungen unmittelbarer Rache durch
die NRA, die auf den allgemeinen Genozid-Befürchtungen aufbaut, bildet das
soziale und politische Klima, in dem sich Joseph Kony
30
mit seiner
Organisation, die sich nach wiederholtem Namenswechsel
31
als Lord‘s
Resistance Army (LRA) etablieren wird, als neuer Träger des Kampfes gegen
die NRM-Regierung festsetzen kann. Kony war zuvor bereits in der UPDA
aktiv gewesen, bevor auch er von Geistern besessen wurde. Daraufhin
versuchte er, in das HSM aufgenommen zu werden, wobei ihm der Geist
Lakwena allerdings die Aufnahme verweigerte.
32
Erst nach der Niederlage des
28
Alice konnte sich, obwohl verletzt, nach dieser Niederlage nach Kenia absetzen und lebte danach in
einem Flüchtlingslager im Osten des Landes, von wo aus sie über eine Rückkehr nach Uganda
verhandelte. Die Verhandlungen spießten sich an ihrer Forderung nach einer Entschädigung für die
einst dem HSM gehörenden Viehherden und endeten letztlich mit dem Tod von Alice im Frühjahr
2007.
29
Für kurze Zeit versuchte der Vater von Alice Auma, Severino Lukoya, der ebenfalls als Medium
fungiert, eine dem HSM vergleichbare Bewegung zu etablieren, womit er allerdings scheiterte. Lukoya
ist heute Pastor einer Kirche in Gulu. Wenngleich er für seine Tätigkeiten juristisch nicht belangt
wurde, steht er immer wieder im Zentrum von Repressionen der UPDF, zuletzt wurde er im Jahr 2005
verhaftet. Im Gegensatz zu seiner Tochter, die nach eigenen Angaben im späteren Stadium ihres
Lebens über keine Kontakte zu Geistern mehr verfügte, ist Lukoya nach wie vor als Medium tätig.
30
Über die verwandtschaftliche Beziehung von Joseph Kony zu Alice Auma ranken sich verschiedene
Gerüchte und Interpretationen. Zumeist ist zu lesen, Kony wäre ein Cousin (oder auch Neffe) von
Alice, eine Behauptung, für die Heike Behrend, die wahrscheinlich genaueste Kennerin des HSM im
akademischen Bereich, keine Belege finden kann (vgl. Behrend 1999:179), auch Tim Allen (2006:37) ist
sich diesbezüglich nicht sicher.
31
Zunächst figurierte sie als United Democratic Christian Movement/Army (UDCM/A), ein anderer
verwendeter Name war Lord’s Army.
32
Bis heute scheint das Verhältnis zwischen den spirituellen Figuren des HSM und der LRA eher
feindschaftlich. Severino Lukoya wird von Heike Behrend mit der Bemerkung zitiert, dass Kony von
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
23
HSM und der Kapitulation weiter Teile der UPDA kann der Kampf der LRA an
Fahrt aufnehmen, insbesondere nachdem sich der ehemalige UPDA-
Oberkommandierende Odong Latek mit seinen Verbänden der Organisation
anschließt.
Als ideologische Grundlage des Kampfes werden die zehn Gebote etabliert.
Die Leitung der Organisation obliegt – zumindest ursprünglich – dem Geist
Juma Oris, benannt nach dem zu diesem Zeitpunkt noch lebenden
Kommandanten der West Nile Bank Front, einer im Nordwesten Ugandas
aktiven Anti-NRM-Guerilla.
33
Die militärische Gestaltung des Kampfes obliegt
dem amerikanischen Geist „Who Are You?“, dessen Taktiken allerdings
wesentlich von ehemaligen UPDA-Kämpfern mit beeinflusst wurden. So
orientierte sich die LRA in ihren ersten Gefechten noch an den Taktiken des
HSM, um dann in Folge des starken Zulaufes aus der UPDA nach deren
Kapitulation vollständig auf herkömmliche Guerilla-Taktiken umzuschwenken.
Im Unterschied zum HSM ändern sich auch die Rekrutierungspraktiken –
mangels Freiwilliger (das Potential war durch den verlustreichen Kampf des
HSM weitgehend ausgeschöpft) beginnt die LRA bald mit
Zwangsrekrutierungen und organisiert sich faktisch als ethnisch „reine“ Acholi-
Organisation. Auch wenn diese Vorgangsweise ursprünglich aus einer
praktischen Notwendigkeit heraus entstanden sein mag, werden wir noch
sehen, dass sie politisch-strategische Komponenten impliziert.
Seit Ende der 1980er nehmen die Aktivitäten der NRA im Norden zu, bis sie
schließlich 1991 in der so genannten „Operation North“ eskalieren.
Wenngleich diese Operation die politische Basis der LRA faktisch eliminiert
und die Organisation signifikant schwächt, liegt doch der entscheidende
„Erfolg“ auf einer anderen Ebene: „The most deleterious political effect of
Operation North was to destroy all organized opposition to the NRA,
opposition that was in fact also independent of the rebels, in the name of
eliminating rebel supporters.“ (Branch 2005:17). So ist das Resultat doppelt:
Nicht nur nehmen die Zwangsrekrutierungen der LRA zu (wogegen die NRA
bösen Geistern besessen sei (vgl. Behrend 1999:193). Gerade auf spiritueller Ebene sind die
Unterschiede zwischen HSM und LRA auch signifikant – während das HSM nur wenige christlich
verortete Geister zuließ und beispielsweise Hexerei explizit verfolgte, toleriert die LRA in dieser
Hinsicht verschiedene Ausprägungen.
33
Der reale Juma Oris wurde im März 2001 in einem Gefecht mit der UPDF getötet. Zuvor kam es
allerdings in jedem Fall zu realen Begegnungen mit Kony, wie Allen (2006:39) nicht ohne Ironie
berichtet.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
24
in der Folge wenig entgegenzusetzen hat
34
), sondern es wird auch jeder
politische Prozess, der zumindest potenziell Alternativen zur Fortdauer des
Krieges anzubieten gehabt hätte, nachhaltig eliminiert.
Auf Initiative der damaligen für Norduganda zuständigen Ministerin Betty
Bigombe können 1994 Friedensverhandlungen eingeleitet werden, was die
ugandische Führung vor allem auf die strategische Schwächung der LRA in
der Folge der Operation North zurückführt. Nach viel versprechendem Beginn
verlangt Joseph Kony eine Frist von sechs Monaten, um seine Kräfte in
Hinblick auf eine Abrüstung gruppieren zu können – Yoweri Museveni, von
einer finalen Schwächung der LRA überzeugt, gewährt eine Frist von sieben
Tagen. Sofort nutzt die LRA ihre bestehenden Kontakte zur sudanesischen
Regierung, um eine massive Aufrüstung einzuleiten, und der Krieg setzt sich
mit einer speziell gegenüber der Zivilbevölkerung noch nicht gekannten
Heftigkeit fort.
35
Wenngleich dies eine Internationalisierung des Konfliktes bedeutet und der
LRA neben der logistischen Unterstützung auch wertvolle Rückzugswege
öffnet, ist die oftmals zu hörende Einschätzung, es handle sich um einen
reinen Stellvertreterkrieg, der ohne die Intervention des Sudan nicht
stattfinden würde, höchstwahrscheinlich eine Überbewertung. Denn
letztendlich zeigt sich die LRA, gerade auch in der Aufrechterhaltung ihrer
kämpfenden Verbände, als überaus erfolgreich, und kann immer wieder auch
in Perioden vermeintlicher Schwäche zu heftigen Schlägen ausholen –
Schläge, die zumeist die Zivilbevölkerung treffen.
Als Beleg dieser Einschätzung kann gelten, dass die LRA auch nach der
weitestgehenden Einstellung der sudanesischen Unterstützung – nach 9/11
erhöhen die USA den politischen Druck auf den Sudan signifikant, bereits
2002 gestattet der Sudan der UPDF, auf seinem Territorium Anti-LRA-
34
Um die Armee im Anschluss an die Operation North zu unterstützen, wurden so genannte „Arrow-
Groups“ eingerichtet, mit Pfeil und Bogen bewaffnete Gruppen, rekrutiert aus der lokalen
Bevölkerung. Diese Taktik erwies sich jedoch als Fehlschlag. Nicht nur zog sich die NRA in Fällen von
Angriffen zurück (interpretierte die „Arrow-Groups“ also nicht als Unterstützung, sondern als
Entlastung), es nahmen auch die Angriffe der LRA auf die von ihr als nun mit dem Feind kollaborierend
wahrgenommene Bevölkerung massiv zu.
35
Der Sudan unterstützt die LRA zu diesem Zeitpunkt als taktische Antwort auf die ugandische
Unterstützung der im Südsudan operierenden SPLA (zu den geopolitischen Hintergründen vgl. Prunier
2004).
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
25
Aktionen durchzuführen
36
– aktionsfähig bleibt. Auch unter Druck einer groß
angelegten militärischen Kampagne, der so genannten „Operation Iron Fist“,
gelingt es ihr, eine relativ hohe Kampfkraft beizubehalten. Auch das Angebot
einer bedingungslosen Amnestie für LRA-Kämpfer/innen, das der bereits im
Jahr 2000 vom ugandischen Parlament beschlossene Amnesty Act garantiert,
ändert daran wenig, auch wenn er zunächst von der LRA-Führung als
veritable Bedrohung wahrgenommen wird.
37
In jedem Fall wendet sich der Krieg nach 1994 immer stärker gegen die
Bevölkerung in Acholiland. Während die von der LRA verübten Gewalttaten im
offiziellen Diskurs über den Konflikt ausführlich Erwähnung finden, ist weniger
bekannt, dass diese Neuausrichtung auch von der NRA und der späteren
UPDF mitgetragen wird. So sind die IDP-Camps, in denen nach den
vorhandenen Daten seitdem zwischen 70 und 80% der gesamten Acholi-
Bevölkerung leben mussten, keineswegs ein direktes Resultat einer
Massenflucht vor der LRA. Vielmehr wurden diese Camps als „protected
villages“ im Oktober 1996 von der UPDF erzwungen – jeder Person, die sich
drei Tage nach dem Befehl noch außerhalb der Camps aufhielt, wurde
angedroht, als Feind angesehen und damit bekämpft zu werden. „The
protective displacement strategy was unwelcome by the civilian population,
has been involuntary and is perceived as punitive.“ (Gersony 1997:52).
Die Camps, propagandistisch von der LRA (und auch von der LRA-Delegation
im Zuge der Juba-Verhandlungen) als Konzentrationslager bezeichnet, dienen
dabei oftmals weniger dem Schutz der Bevölkerung durch UPDF-Soldaten als
dem Schutz dieser Soldaten durch die Bevölkerung. Die Armeebaracken
befinden sich zumeist im Zentrum der Camps, im Falle von Angriffen ist ein
Einschreiten der Armeekräfte selten. Dies, zusammen mit den verheerenden
Lebensbedingungen innerhalb der Lager, trägt dazu bei, dass sich der Hass
auf die ugandische Regierung beständig reproduziert.
38
36
Im Jahr 2002 tritt die sudanesische Regierung auch in Friedensverhandlungen mit der SPLA ein, die
im Dezember 2004 erfolgreich abgeschlossen werden und in der Etablierung einer Regionalregierung,
dem Government of Southern Sudan (GoSS) münden, die im Juba-Friedensprozess eine zentrale Rolle
einnehmen wird.
37
Vor diesem Hintergrund sind auch die Bemerkungen von Beobachtern des Juba-Friedensprozesses
interessant, die sich nach einem Treffen mit Kony im Grenzgebiet zwischen Sudan und Kongo von der
nach wie vor bestehenden militärischen Kapazität der LRA überrascht zeigten (vgl. ICG 2006:8).
38
Das alltägliche Leben in den Camps wurde und wird mehr oder minder vollständig durch die
internationale humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Dabei befinden sich die beteiligten Organisationen
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
26
3.3. Die LRA – eine politische Organisation?
Außerhalb Acholilands ist über ein politisches Programm der LRA mit
Ausnahme der Orientierung auf die Zehn Gebote faktisch gar nichts bekannt –
auch eine oberflächliche Betrachtung des Konfliktverlaufs mit all seinen
unfassbaren Taten scheint nahe zu legen, einfach dem zuvor beschriebenen
offiziellen Diskurs zu folgen. Tatsächlich ist dies gängige Praxis, auch bei
einem Großteil der mittlerweile relativ großen Gemeinschaft der in
Norduganda tätigen humanitären Hilfskräfte: „The LRA is commonly
characterized in the Ugandan and international media as a barbaric and
insane cult, with no discernible political agenda. Many expatriates employed in
the region affected by the war share a similar view. They simply cannot
understand how such a bizarre movement can have any credibility.“ (Allen
2006:25).
In jedem Fall artikuliert die LRA ihre politischen Interessen nicht in
konventioneller Art und Weise, was ihre Wahrnehmung schwierig macht, und
sie engagiert sich auch nicht in Mobilisierung von Sympathisant/innen (vgl.
RLP 2004:16). Dies erschwert auch Verhandlungsprozesse massiv. So litten
die Juba-Verhandlungen darunter, dass das LRA-Verhandlungsteam
39
aus
Exil-Acholi zusammengesetzt war, von denen nicht klar ist, wie weit sie
tatsächlich für das High Command der LRA zu sprechen berechtigt waren
(vgl. ICG 2006b:3).
So scheint das Lord’s Resistance Movement (LRM), als dem zugehörig sich
die Mitglieder des LRA-Verhandlungsteams deklarierten, eher eine Diaspora-
Konstruktion zu sein, denn eine tatsächlich mit der LRA organisatorisch
verbundene Bewegung (oder gar deren „politischer Flügel“, vgl. ICG
2007a:10). Auch gab es deutlich feststellbare Interessensunterschiede
zwischen der Delegation, die primär politische Forderungen artikulierte, und
der LRA-Führung, die vor allem an „security and livelihood“ interessiert
gewesen wäre (ebda:11). Dennoch waren die Kontakte der LRA mit dem
im beständigen Widerspruch, Strukturen zu verfestigen, die sie selbst eigentlich als unakzeptabel
einstufen. Der seit 2007 laufende, von der Regierung forcierte Rücksiedlungsprozess wirkt zwar
diesem Problem entgegen, schafft aber für die humanitären Kräfte angesichts des signifikanten Drucks
der Behörden auf die Bewohner/innen, die Lager nun in Richtung kleinerer Zwischenlager (als
Vorstufe zu einer endgültigen Rücksiedelung) zu verlassen, ein neues moralisches Dilemma.
39
Das Verhandlungsteam durchlief mehrfach signifikante Veränderungen, so wurde die Leitung
mehrmals ausgewechselt.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
27
Team im Zuge der Verhandlungen eng, und letztendlich decken sich die
artikulierten politischen Forderungen weitestgehend mit jenen, die der LRA
schon seit längerem zugeschrieben werden können.
Aus den wenigen bekannten LRA-Manifesten lässt sich in der Tat ein
Forderungskatalog zusammenstellen, der auf den ersten Blick ausgesprochen
konventionell wirkt (vgl. Allen 2006:43): Aufhebung des Movement-Systems
und freie Wahlen, Einrichtung eines Ministeriums für religiöse
Angelegenheiten, Maßnahmen zur Förderung allgemeiner Erziehung,
Anziehen von Direktinvestitionen, insbesondere in den Norden Ugandas,
unabhängige Justiz oder die ethnische Ausbalancierung in der ugandischen
Armee sind in der Tat Teile eines politischen Programms, das sich nicht
signifikant von verschiedenen ugandischen Parteien jenseits des NRM
unterscheidet.
40
Die Provokation in den politisch-programmatischen Texten der LRA liegt auf
zweierlei Ebene: einerseits der unmittelbaren Verknüpfung der Forderungen
mit einem stark religiös geprägten Diskurs
41
, andererseits dem permanenten
Vorhalt gegenüber dem Museveni-Regime, den Norden des Landes
strategisch zu benachteiligen. Mitunter wird ein Friedensschluss explizit mit
einem Rücktritt Musevenis verknüpft, und die Vorgangsweise der UPDF als
Ansammlung von Massakern und Pogromen charakterisiert (vgl. Finnström
2003:164).
Der häufige, insbesondere von der Regierung erhobene Vorwurf, bei diesen
Texten handle es sich um reine Propaganda, ist für Finnström (ebda:161)
nicht stichhaltig: „I do not suggest that the LRM/A manifestos are less
propagandistic than the official discourse, only that they are less accessible
for the outside world and less compatible with the official discourse than with
the religious practices of the LRM/A.“ Zugleich zeigt die Praxis der UPDF, die
40
Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die LRA in allen drei Präsidentschaftswahlen seit
der NRM-Machtübernahme (1996, 2001, 2006) aktiv in den Wahlkampf eingeschalten hat, jeweils
zugunsten des aussichtsreichsten Oppositions-Kandidaten.
41
Dennoch bestreitet die LRA explizit, eine fundamentalistische Bewegung zu sein. Die Bezugnahme
auf „Lord“ im Namen wäre Ausdruck der schlichten Dankbarkeit oder Hoffnung. Finnström (2003:168)
zitiert eine solche Passage aus einem Schriftstück der Organisation, die zugleich den Zusammenhang
mit der Projektion einer genozidalen Bedrohung verdeutlicht: „The name ‘LORD’S’ was adopted by
members of the Rural Population who decided to pray for divine intervention in order to prevent the
countless pogroms and massacres of the peasant population by the National Resistance Army now
known as the Ugandan Peoples Liberation Army headed by Major General Yoweri Kaguta Museveni.“
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
28
den Besitz von LRA-Manifesten mit Verhaftungen bestraft, dass die Texte
auch von offizieller ugandischer Seite ernster genommen werden als öffentlich
zugegeben wird.
Zugleich, und dies ist vielleicht das wichtigste Argument in Bezug auf die
Authentizität der Manifeste, werden sie rezipiert und diskutiert. „[…] the
LRM/A rebel manifestos made sense to many young Ugandan adults, as the
manifestos locate the lived predicament in northern Uganda in relation to the
wider, global political order.“ (Finnström 2006a:5). Finnström berichtet auch
wiederholt von Jugendlichen in Acholiland, die die LRA politisch unterstützen
würden, dies aber angesichts ihrer gegen die Bevölkerung gerichteten
Praktiken nicht könnten.
42
Dass solche Sichtweisen im offiziellen Diskurs nicht
auftauchen, ist kein Zufall – gehört wird tendenziell nur, wer die Opferrolle als
Entführte/r oder Kindersoldat/in wie vorgesehen ausfüllt (vgl. Finnström
2006a:11). Über divergierende Meinungen, die keineswegs Einzelfälle sind,
wird nicht berichtet
43
, womit der politische Diskurs um die LRA, der sehr wohl
existiert, in der internationalen und auch nationalen Wahrnehmung hinter
einer binären Täter-Opfer-Logik verschwindet.
Die strategische Logik der LRA mag vielleicht aber auch um einiges weiter
gehen. So scheinen die Entführungen, die sich vorwiegend auf Minderjährige
konzentrieren, nicht nur einer strikten Arbeits- und Kampfkraftstärkung zu
dienen. Nicht zufällig ist die LRA in Familienverbänden organisiert, und der
Kommandant (oder in einigen Fällen auch die Kommandantin) ist nicht nur
militärischer Befehlshaber, sondern auch Familienoberhaupt. Verknüpft mit
angeblich nach wie vor praktizierten Initiationsriten existieren Interpretationen,
dass damit im Widerstandskampf auch eine neue Acholi-Generation
herangebildet werden soll.
44
Dies hätte in der Wahrnehmung des
permanenten Genozids an den Acholi durch die NRM-Regierung eine gewisse
42
So zitiert Finnström (2003:162) eine 18jährige Studentin mit den Worten: „I would like to support
the rebels, but they are killing my people.“
43
Eine interessante Ausnahme ließ sich am 12. November 2006 in der Online-Ausgabe der
österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ finden. Unter dem Titel „Die Rebellen ‚kämpfen für den
Frieden in Uganda’“ interviewt Thomas Spielbüchler den 18jährigen von der LRA entführten
ehemaligen Kindersoldaten David Okello. Nach wie vor ist er der Meinung, dass die LRA für den
Frieden in Uganda kämpfe und er nicht zögern würde, sich dem Kampf erneut anzuschließen, wenn er
nicht ein Bein verloren hätte. (vgl. http://derstandard.at/?url=/?id=2502024, zugegriffen am 13.
November 2006).
44
Persönliche Kommunikation mit George Omona, ACORD Gulu.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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29
Logik und wirkt, wenn die auch in Norduganda spürbar nahen Erfahrungen
der Genozide in Ruanda und Burundi in Betracht gezogen werden,
keineswegs absurd. Dennoch liegen für eine derartige Einschätzung keine
Belege vor.
Zugleich ist festzuhalten, dass das internationale Augenmerk auf die
Kinderentführungen durch die LRA auch andere Interessen bedient. Es ist
wahrscheinlich, dass das Problem sowohl von ugandischer Seite als auch von
verschiedenen mit Kinderfragen befassten internationalen NGOs übertrieben
dargestellt wird. „I have not been able to find evidence that over 85 per cent of
recruitment to the LRA is made up of abducted children – a figure that has
appeared in many reports and articles and is even repeated in the ICC press
release of January 2004 on the situation in Uganda.“ (Allen 2006:63). Chris
Dolan (2002) interpretiert dies als Resultat unterschiedlicher Interessen:
während es der ugandischen Regierung damit gelänge, von der nach wie vor
gängigen Praxis des Einsatzes von Kindersoldaten bei der UPDF abzulenken,
würde sich der Fall LRA bei Kinderrechts-NGOs sehr gut für die Gestaltung
internationaler Kampagnen eignen.
Letztendlich bleibt, dass die LRA als Organisation – trotz ihrer Praxis – nicht
von der Situation in Acholiland und deren historischen und politischen
Problemen abgekoppelt werden kann und auch von vielen in der Region so
gesehen wird: „Although few are willing to say that the LRA is fighting to rectify
historical Acholi grievances, these grievances do exist, and many see the
LRA, for all its faults, as the only group that is effectively confronting
Museveni.“ (ICG 2004:9).
Wenn die LRA zumindest in diesem Sinne als politische Organisation
interpretiert werden muss, so bleibt doch ihre extrem starke Abhängigkeit von
der Figur Joseph Kony – ein Charakteristikum, das sie mit dem HSM von Alice
Lakwena teilt. „Kony’s alleged spiritual powers are used to construct an image
of omnipotence. He has created for himself a cult-like belief in his own spiritual
powers.“ (Vinci 2005:371, vgl. auch Doom&Vlassenroot 1999:22f.). Diese
Tatsache wird auch in der internationalen Strategieentwicklung in Hinblick auf
eine Beilegung des Konfliktes stark bewertet – die International Crisis Group
(2004:ii) sieht in der großen Bedeutung Konys eine „main vulnerability of the
LRA“.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
30
Es bleibt allerdings offen, ob diese Verwundbarkeit einer Organisation
zugleich auch Garant eines nachhaltigen Friedensprozesses sein kann – oder
ob die Ausschaltung der LRA-Führung ohne die Arbeit an strukturellen
Konfliktursachen nicht nur eine Transformation der Formen des Kampfes nach
sich ziehen würde.
3.4. Konflikt um Wahrnehmung und Strategie der Entpolitisierung
Aus diesem historischen Abriss wird sichtbar, dass der heutige Konflikt in
Norduganda mittlerweile vor allem ein Konflikt um unterschiedliche
Wahrnehmungen geworden ist – Wahrnehmungen, die auf durch den
Kolonialismus geschaffenen Kollektiven und ihnen zugeschriebenen
Eigenschaften beruhen, und die sich im Zuge der letzten 25 Jahre mit jeder
Tragödie weiter verschärfen. Der Konflikt wird als Krieg der Acholi im Norden
gegen die Regierung im Süden konstruiert
45
, wobei die Frage nach den realen
Ursachen selbst zum Konfliktstoff geworden ist (vgl. HURIPEC 2003:51). Es
ist daher alles andere als ein Zufall und schon gar nicht realitätsfremd, wenn
das LRA-Verhandlungsteam in Juba den Einstieg in die Gespräche über ein
Positionspapier zur Geschichte des Konfliktes suchte (vgl. ICG 2006b:3).
Insbesondere die Zuschreibung von Massakern ist zu einem Politikum
geworden – ein in der Geschichte Ugandas keineswegs neues Phänomen.
46
„Driving this narrative of attack and counter-attack is an element of distrust, or
more precisely a widespread feeling of betrayal.“ (Van Acker 2004:340). Das
vielleicht hervorstechendste Beispiel der Logik dieses Narrativs sind die
gegenseitigen Anschuldigungen um die bewusste Verbreitung des HIV-Virus,
die den Massaker-Vorwurf auch wieder mit der Genozid-Angst verknüpfen.
Der Vorwurf wird dabei keineswegs nur von der LRA erhoben, sondern findet
sich selbst im US-amerikanischen Magazin Foreign Policy: „HIV/AIDS is being
used as a deliberate weapon of mass destruction. Government soldiers are
screened, and those who test HIV-positive are deployed to the north, with the
45
Dies deckt sich auch mit einer Analyse der Darstellung des Konfliktes in der ugandischen Presse:
„From the press material cited so far, it is clear that a prominent way of understanding the conflict in
the north, among Ugandans on all sides, is as a binary opposition between ‘north’ and ‘south’, in
which the former is represented by ‘the Acholi’ and the latter by ‘the Baganda’.“ (Leopold 1999:231).
46
Siehe dazu etwa die in diesem Aspekt bemerkenswerte Obote-Biographie von Kenneth Ingham
(1994), die die meisten Verbrechen, für die heute die Obote-Armee verantwortlich gemacht werden,
den aufständischen „Terroristen“ – also der NRA unter Führung des heutigen Präsidenten Museveni –
zuschreibt.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
31
mission of wreaking maximum havoc on the local girls and women.“ (Otunnu
2006:46). Auch Finnström (2003:252ff.) gibt lokale Geschichten über
bewusste HIV-Verbreitungen der UPDF wider, die einem speziellen so
genannten Tekgungo-Bataillon obliegen sollen. Auf der anderen Seite erhebt
Museveni den gleichen Vorwurf gegen die LRA: „[…] they kill young people or
kidnap them to make them cannon fodder; they rape women; they marry girls
by force; and they spread AIDS in the north.“ (Museveni 1997:214).
Die primäre Antwort der ugandischen Regierung auf den Genozid-Vorwurf ist
allerdings der Terrorismus-Diskurs, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass
die LRA im November 2001 auf die US-Liste der ausländischen terroristischen
Organisationen gesetzt wurde. Diese Neudefinition der LRA (zuvor war von
„Banditen“ und vereinzelt von „Rebellen“ die Rede) ermöglichte Museveni
neben einer verstärkten diskursiven Schlagkraft vor allem zweierlei: einerseits
eine propagandistische Unterstreichung seiner Position als der zentrale
strategische US-Verbündete in der Region (vgl. Branch 2005:3), was ihm
auch entsprechende praktische Unterstützung auf militärischer Ebene
einbringt (vgl. HURIPEC 2003:83f.). Auf der anderen Seite nützt Museveni
dieser Diskurs auch in innenpolitischen Auseinandersetzungen (vgl. ICG
2004:11). Sein Gegner bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen, Kizza
Besigye, wurde rhetorisch immer wieder in die Nähe jener „Terroristen“
gerückt und als Konsequenz juristisch wie auch persönlich bedroht. Besigye
verbrachte einen Teil des Vorwahlkampfes im Jahr 2005 auch tatsächlich im
Gefängnis, unter dem Vorwurf des Hochverrates. Trotzdem erreichte er
37,4 % der Stimmen, mit astronomischen Zustimmungsraten in Acholiland.
47
Verknüpft ist diese Auseinandersetzung um Urheberschaften, Genozid-
Gelüste und Terrorismus mit einer strategischen Entpolitisierung der
Bevölkerung, die von allen Akteuren gleichermaßen betrieben wird (vgl.
Branch 2005:2). Sowohl LRA als auch NRM haben offenbar kein Interesse an
einer politischen Agency der betroffenen Bevölkerung, die ihrem eigenen
Diskurs zuwiderlaufen könnte (vgl. Van Acker 2004:350). Dabei sind sie
gewissermaßen Gefangene ihrer eigenen Erzählung: während die LRA die
Bevölkerung als potenzielle Kollaborateure und Verräter fürchtet, erkennt die
ugandische Regierung (und mit ihr die UPDF) in ihr einen tendenziell
47
Diese Zuschreibung als Terroristen hat auch bemerkenswerte Rückwirkungen auf die LRA selbst. So
posierten LRA-Mitglieder mit T-Shirts von Osama bin Laden oder verwendeten dessen Namen im Zuge
von Angriffen (vgl. Finnström 2003:173).
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
32
verbrecherischen Feind. Äußerungen außerhalb des offiziellen Diskurses sind
zwar in einem gewissen Rahmen möglich
48
, aber nur sehr eingeschränkt
erwünscht.
Doch auch der Großteil der internationalen Beobachter wie auch der vor Ort
präsenten Hilfswerke vollzieht diese Entpolitisierungsstrategie mit. Opfer
werden nur gehört, wenn sie in den Rahmen des Diskurses passen, die LRA
wird im Rahmen eines stringenten Täter-Opfer-Schemas (Kony und das High
Command gegenüber einer Armee entführter und dementsprechend
meinungs- und willenloser Kinder) konstruiert. Der generelle Tenor der
Projekte der internationalen Entwicklungshilfe ist entsprechend: Nicht zufällig
sind die psychologische Betreuung der Opfer und die Aufklärung über
internationale wie nationale Rechte-Kataloge zentrale Themenstellungen.
Finnström (2006b:13) erkennt in den extremen Ausprägungen einer solchen
Haltung Elemente, die sich bis hin zu einer anti-partizipatorischen Ideologie
verdichten. Es ist dieser Kontext, in dem sich die Intervention des
Internationalen Strafgerichtshofs vollzieht.
48
Die Presse- und Meinungsfreiheit in Uganda ist – außerhalb des Regierungsmediums „New Vision“ –
überraschend groß. Dennoch kommt es, gerade im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen zur LRA
und dem Konflikt im Norden, immer wieder zu repressiven Maßnahmen gegen Medien oder
Einzelpersonen.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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33
4. Die LRA: Verbrecher oder Verhandlungspartner? Die Intervention des
ICC und der Juba-Friedensprozess 2006-2008
Sowohl Ugandas formelle Anzeige der LRA beim Internationalen
Strafgerichtshof im Dezember 2003 als auch die wohl inszenierte Annahme
des Falles durch Chefankläger Luis Moreno Ocampo im Januar 2004,
medienwirksam inszeniert an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Yoweri
Museveni in London, sind ohne einen genaueren Blick auf die jeweiligen
Interessenlagen nur unzureichend zu verstehen.
Die Motivationen Ugandas können auf zwei Ebenen ausgemacht werden.
Ohne Zweifel suchte Yoweri Museveni nach neuen Wegen, seine moralische
und rechtliche Legitimität im Kampf gegen den „Terrorismus“ in Norduganda
unter schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen zu untermauern. Die
Intervention des ICC lieferte ihm eine solche Rechtfertigung (Branch
2007b:185)und ermöglichte zugleich, Uganda als zentralen Verbündeten der
USA im „war on terror“ in der Region Ostafrika zu positionieren (ebda). Dazu
kommt, dass Uganda speziell in Hinblick auf weitere laufende
Untersuchungen des ICC in eine heikle Situation geraten war, da nicht nur
gegen von der ugandischen Regierung unterstützte Milizen, insbesondere die
Union des Patriotes Congolais (UPC) ermittelt wurde (vgl. ICG 2006b:15, FN
112), sondern auch die UPDF selbst aufgrund ihres alles andere als
regelkonformen Verhaltens während der Kongo-Intervention in den Blickpunkt
juristischer Aufarbeitungen zu kommen drohte.
49
Der ICC hingegen brauchte nach seinem unglücklichen Start – die offene
Ablehnung durch die USA hatte den Gerichtshof nach den jahrelangen
internationalen Bemühungen zu seiner Einrichtung desavouiert – einen Fall,
der nicht nur gute Erfolgsaussichten brachte
50
, sondern auch seine Relevanz
49
Die Palette der von Menschenrechtsorganisationen gegen die UPDF erhobenen Vorwürfe reicht von
illegalen Verhaftungen, Entführungen, Raub an Bodenschätzen, illegalem Handel bis hin zur Verübung
von Massakern, speziell in der Ituri-Provinz.
50
Es mag vor diesem Hintergrund kein Zufall sein, dass alle vier derzeit vom ICC behandelten Fälle im
zentralen Afrika zu finden sind: neben Norduganda wird noch die Situation im Kongo und in Darfur
untersucht, wobei hier bereits Anklagen erhoben sind – dem kongolesischen Milizionär Thomas
Lubanga kam die zweifelhafte Ehre zu, als erster Angeklagter persönlich vor dem Gericht zu
erscheinen. In Zentralafrika laufen gerade Vorerhebungen. Diese momentan vollständige Ausrichtung
eines in Den Haag situierten Gerichtshofes auf das zentrale Afrika führt immer wieder zur Ansicht,
zunächst nur leichte und vermeintlich eindeutige – weil für eine Weltöffentlichkeit nur schwer zu
beurteilende Fälle zu behandeln. „If something is new, try it in Africa.“ (Sverker Finnström, persönliche
Kommunikation).
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
34
und Notwendigkeit demonstrieren würde (vgl. Branch 2004). Diese Relevanz
wurde durch die Tatsache, dass der von Uganda vorgebrachte Fall das erste
staatliche Ersuchen um eine Unterstützung des ICC gewesen ist,
untermauert, was zugleich eine schnelle und eindeutige Bearbeitung erwarten
ließ. Zugleich lässt die Stoßrichtung der Untersuchung auch den Schluss zu,
dass die Überzeugung der USA von den Möglichkeiten einer internationalen
Strafgerichtsbarkeit ebenfalls zu den möglichen Zielsetzungen gehörte: „it
would prosecute a Sudanese ally and support an American ally“ (Branch
2007b:186).
Dennoch zeugt die Art und Weise, mit der Chefankläger Moreno-Ocampo
nach nur kurzer Vorarbeit den Fall akzeptierte, von seiner relativen
Unkenntnis der realen Situation – und der Wirksamkeit des offiziellen
Diskurses. Denn nach der offiziellen Ankündigung einer Untersuchung verläuft
nur mehr wenig nach Plan: als UNICEF-Mitarbeiter/innen nach Norduganda
fahren, um von der Aufnahme der Untersuchungen zu berichten, erhalten sie
eine „frosty reaction“ (Allen 2006:83), die den Gerichtshof und seine
entsandten Mitarbeiter/innen völlig überraschend trifft – angesichts einer fast
durchwegs euphorischen europäischen und US-amerikanischen
Zivilgesellschaft, die sich zumeist eindeutig zur Richtigkeit und Wichtigkeit
dieser Form von Gerichtsbarkeit bekannte, war mit einer derartigen
Ablehnung nicht gerechnet worden.
51
Um diesen Widerstand gegen die ICC-Intervention einordnen zu können, ist
es unumgänglich, den bisherigen juristischen Umgang der NRM mit gegen sie
gerichteten Rebellionen in Betracht zu ziehen. Nachdem bis Ende der 1990er
Jahre zumeist informelle Amnestie-Regelungen getroffen wurden, legte die
Regierung im Jahr 2000 auf Druck einflussreicher nordugandischer NGOs –
allen voran der Acholi Religious Leaders’ Peace Initiative – einen so
genannten „Amnesty Act“ vor, der eine Blanko-Amnestie für alle
Aufständischen vorsah, auch – und das war die zentrale Neuerung – in
laufenden Konflikten. Die Amnestie sollte für ganz Uganda gültig sein, eine
51
Selbstverständlich wurde diese Reaktion nicht durchgängig geteilt, speziell im Rest des Landes. Zur
Unterstützung der ICC-Position vgl. etwa Apuuli (2005:56): „Our hope, just like that of all the other
peace-loving Ugandans, is that one day, Kony will stand before the ICC judges in The Hague.“ (ebda).
Einige europäische Diplomaten in Kampala befanden sich hingegen in einer Zwickmühle: während sie
einerseits die ICC-Intervention in Hinblick auf einen möglichen Friedensprozess für kontraproduktiv
hielten, insbesondere weil die Anklageerhebung diplomatische Druckmöglichkeiten auf Museveni
untergrub, mussten sie sie andererseits aus diplomatischer Räson unterstützen.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
Jan Pospisil
35
unabhängige Amnesty Commission sollte bei jedem betreffenden Fall die
Zulassungskriterien prüfen.
Die Annahme dieses Gesetzes durch das ugandische Parlament schuf eine
weltweit bislang einzigartige Situation. Eine solche bedingungslose
Generalamnestie war von ihrem rechtlichen Gehalt her höchstens mit der
Amnestie für die chilenische Militärjunta vergleichbar (vgl. RLP 2005a:6), hatte
jedoch speziell durch die Verknüpfung mit Versöhnungsmaßnahmen und der
komplementären Anwendung von Formen traditioneller
Gerechtigkeitsmechanismen einen politisch einmaligen Charakter.
Bezeichnenderweise lehnte nicht nur die LRA die Amnestie ab und drohte mit
der Bekämpfung von jedem und jeder, der/die sie in Anspruch nehmen wollte
(vgl. HURIPEC 2003:128), auch Yoweri Museveni äußerte bei mehreren
Gelegenheiten, dass er persönlich gegen diese Amnestie-Regelung wäre.
Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, wurde und wird die
Amnestieregelung nicht nur von zahlreichen Kombattant/innen in Anspruch
genommen, sondern auch in der Bevölkerung in Acholiland als sehr
erfolgreiches Mittel in Hinblick auf eine mögliche Beendigung des Konfliktes
wahrgenommen (vgl. RLP 2005a:28).
Dass nun ausgerechnet die Führungspersönlichkeiten der LRA verfolgt
werden sollten, die doch in Hinblick auf Friedensverhandlungen die zentralen
Partner wären, wurde im lokalen Kontext – sowohl von den meisten
zivilgesellschaftlichen Akteuren als auch von relevanten Teilen der
Bevölkerung, auch wenn sich hier die vorhandenen empirischen Studien in
ihren Schlussfolgerungen zum Teil erheblich unterscheiden – kaum
verstanden.
52
Nach der Anklageerhebung gegen Joseph Kony und vier
weitere Mitglieder des High Command
53
startete der ICC eine
52
Allen (2006) vertritt an diesem Punkt eine andere Einschätzung, kann diese aber außer der
Wiedergabe von Einzelinterviews mit Lagerbewohner/innen und Opfern von LRA-Übergriffen nicht
untermauern.
53
Diese vier Mitangeklagten sind – oder vielmehr waren – Vincent Otti, Okot Odhiambo, Dominic
Ongwen und Raska Lukwiya. Vincent Otti, der als führender politischer Kopf der LRA und als treibende
Kraft hinter den Friedensverhandlungen angesehen wurde, wurde im Oktober oder November 2007
von der LRA selbst hingerichtet. Die genauen Hintergründe sind unklar, obwohl ein Streit um die
Positionierung der Organisation im Friedensprozess als wahrscheinlich angesehen wird. Kony
bestätigte den Tod Ottis im Jänner 2008. Raska Lukwiya wurde jedoch Mitte August 2006 im Zuge
eines Gefechtes im Distrikt Kitgum von der UPDF getötet, was vom ICC Anfang November 2006 nach
DNA-Tests anerkannt wurde. Okot Odhiambo wurde im April 2008, vermutlich im Zuge einer
missglückten Rückzugsoperation in Norduganda, von der UPDF erschossen, was zu einer
Unterbrechung der Friedensverhandlungen führte. Außer Joseph Kony ist damit nur mehr Dominic
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
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Informationskampagne im Norden Ugandas (vgl. Allen 2006:178f.). Durch die
Einbindung lokaler zivilgesellschaftlicher Aktivist/innen und Vertreter/innen der
lokalen Behörden gelang ein gewisser Stimmungsumschwung, der sich darin
äußerte, dass sich die Diskussion um die Intervention des ICC von einer
Frage des Ob auf eine Frage des Wann verlagerte.
Chefankläger Moreno-Ocampo antwortete auf diese Herausforderung mit
einem politischen Statement: Kony hätte bislang jede Verhandlungslösung
ausgeschlagen, und alle Verhandlungen dazu genutzt, Zeit zu gewinnen und
sich zu verstärken.
54
Diese klare politische Stellungnahme, die Moreno-
Ocampo in dieser Form in seiner Position als Chefankläger eigentlich nicht
zustehen würde, platzte im Friedensprozess in eine heikle Phase. Eben hatte
der Vizepräsident der südsudanesischen Regierung, Riek Machar, Joseph
Kony im Osten Kongos getroffen und vertrauensbildende Gespräche geführt.
Diese Initiative sollte den Auftakt zu den Friedensgesprächen in Juba bilden,
die Ende Juli 2006 beginnen und am 26. August 2006 in einer Unterzeichnung
eines formellen Übereinkommens zur Einstellung der Feindseligkeiten einen
ersten Höhepunkt finden sollten (vgl. ICG 2006b).
55
In der Folge werden mit
Ri-Kwangba, einem Nationalparkgebiet an der kongolesisch-sudanesischen
Grenze, und Owiny Ki-Bul im Südsudan, 200 km südlich der
Verhandlungsstadt Juba, zwei Sammlungspunkte bestimmt, an denen sich die
LRA-Kräfte, die sich aufgesplittert im nordöstlichen Kongo sowie in und um
die ursprüngliche Konfliktregion in Norduganda aufhielten, einfinden sollten,
was in der Folge auch geschieht.
56
Ongwen am Leben, obwohl auch dieser im Jahr 2005 kurzfristig für getötet gehalten worden war. Dies
konnte allerdings nicht bestätigt werden. Ongwen ist heute wahrscheinlich einer der ranghöchsten
Kommandeure der LRA, obwohl er ursprünglich das rangniedrigste durch den ICC angeklagte LRA-
Mitglied gewesen war.
54
International Herald Tribune, 13. Juni 2006. Ein ähnlicher Text findet sich in der ugandischen „New
Vision“ am 7. Juli 2006. Moreno-Ocampo wird dabei mit folgendem Satz zitiert: „We are deeply
concerned that the LRA will use this time to regroup and re-arm and attack again.“ Auch die
International Crisis Group vertritt mittlerweile eine solche Auffassung (vgl. ICG 2007a:10).
55
Die Einschätzung des ICC, die Haftbefehle gegen das High Command hätten die LRA zu diesen
Friedensverhandlungen gezwungen, da sie aus ihren Rückzugsgebieten im Südsudan vertrieben
worden wären (so Moreno-Ocampo in einem Interview mit IRIN am 8. Juli 2006) oder der
internationale Druck auf die LRA hätte im Zuge der Anklageerhebungen so massiv zugenommen (ICC
2006:§31), erscheinen vor dem Hintergrund der Geschichte der LRA und auch dem Ablauf der
Friedensverhandlungen wirklichkeitsfremd.
56
Ab dem Frühjahr 2007 wird Ri-Kwangba zum einzigen Sammelpunkt erklärt, nachdem sich keine
nennenswerten Kräfte der LRA mehr außerhalb des Kongo befinden.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
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37
Schon in der ersten Phase der Verhandlungen macht die LRA-Führung die
ICC-Haftbefehle mehrfach zum Thema und verlangt deren Rücknahme.
57
Bevor keine entsprechenden Garantien vorlägen, wären – so Vincent Otti –
keine direkten Gespräche in Juba möglich (vgl. ebda:15). Selbst nach Worten
der International Crisis Group ICG (ebda:1) wird der ICC damit zu einem
„complicating factor“ in den Verhandlungen, insbesondere da eine
Rücknahme der Anklagen juristisch nur schwer möglich ist. Der vom ICG
vorgeschlagene mögliche Ausweg aus der Pattsituation mutet paradox an und
ist in jedem Fall ein Tiefschlag für den Gerichtshof: Exil für die Angeklagten in
einem Drittland, das nicht dem Römer Statut zur Einrichtung des ICC
beigetreten ist. Trotz der zweifellos vorhandenen technischen Kreativität
dieses Vorschlages wird er sich in Hinblick auf eine Lösung des Konfliktes als
wenig hilfreich erweisen.
In der Folge entspinnt sich ein wechselhafter Verhandlungsprozess, immer
mediiert von der südsudanesischen Regionalregierung und ihrem
Vizepräsidenten Riek Machar. Übergriffen in der zweiten Jahreshälfte 2006,
für die die jeweiligen konkreten Verantwortlichkeiten zumeist ungeklärt
bleiben
58
, folgt eine intensivierte Verhandlungsrunde im November 2006, die
mit der Erneuerung des Waffenstillstandes endet. Auch beginnt mit der
Ernennung eines UN-Beauftragten, dem ehemaligen Präsidenten von
Mozambique, Joaquim Chissano, eine zunehmende Internationalisierung des
Prozesses, was entsprechenden Forderungen der LRA, die sich durch diese
Internationalisierung durch die bestehenden konkreten Bedrohungen
abzusichern meint, entgegenkommt. In weiterer Folge werden auch Kenia,
Südafrika und Mozambique als Beobachter in die Verhandlungen integriert, in
späteren Phasen kommen noch Beobachterteams aus der Europäischen
Union und den USA dazu. Dies lässt, auch weil eine direkte Verhandlung mit
der LRA-Führung aufgrund der bestehenden ICC-Haftbefehle unmöglich bleibt
57
Yoweri Museveni seinerseits hatte die Position des ICC schon zuvor unterminiert, als er Anfang Juli
Joseph Kony und den anderen zur Verhaftung ausgeschriebenen LRA-Führern im Falle positiv
abgeschlossener Verhandlungen unabhängig von der Verfolgung durch den ICC volle Amnestie
zusicherte (vgl. New Vision, 4th July, 2006, „Museveni gives Kony amnesty“).
58
Im Zuge der Verhandlungen kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die
zumeist Unterbrechungen nach sich ziehen. Daran beteiligt sind in jedem Fall immer wieder sich in
Bewegung befindliche LRA-Einheiten, die sich Scharmützel mit der UPDF liefern. Vermutlich sind aber
auch einige andere Gruppierungen involviert, so etwa die nach wie vor von der sudanesischen
Zentralregierung unterstützte Equatorial Defence Force (EDF) (vgl. ICG 2007a:9, FN 27). Diese
Torpedierung des Friedensprozesses ist vor dem Hintergrund sich verschärfender Spannungen
zwischen der sudanesischen Zentralregierung und der Regierung des Südsudan zu sehen.
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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und eine mitunter komplizierte Pendeldiplomatie notwendig wird, den
Friedensprozess auch zu einer großen logistischen Herausforderung werden.
Im April 2007 werden die Verhandlungen intensiv. Die ugandische Regierung
zeigt bemerkenswerte Flexibilität und geht auf verschiedene Forderungen der
LRA-Delegation ein, so zeigt sich die ugandische Delegation etwa bereit, über
strukturelle Konfliktursachen zu diskutieren. Diese Gespräche münden Anfang
Mai 2007 in einem Abkommen über „comprehensive solutions to the conflict“.
Im Zuge dessen wird von der ugandischen Regierung ein so genannter
„Peace, Recovery, and Development Plan (PRDP)“ (GoU 2007) für
Norduganda vorgelegt, der diese strukturellen Konfliktursachen bearbeiten
soll. Für den vierjährig angelegten Plan (2007-2010) ist ein jährliches Budget
von rund 180 Mio. US$ vorgesehen.
Mindestens ebenso wichtig wie die finanzielle Ausstattung ist die Analyse der
Konfliktursachen, die sich in dem Plan findet. Dabei werden erstmals von
offizieller ugandischer Seite explizit politische, historische und sozio-
ökonomische Gründe anerkannt. Dazu kommt, dass mit der Auflistung von
Sicherheitsproblemen, für deren Bearbeitung eigentlich die UPDF
verantwortlich zeichnen sollte, deren tendenzielles Scheitern an dem Konflikt
implizit eingestanden wird (ebda:24), was im historisch bedingt stark durch
das Militär geprägten ugandischen Staat einer kleinen Revolution
gleichkommt. Zugleich wird in Bezug auf mögliche Lösungswege, gerade auf
rechtlicher Ebene, der ICC in keiner Weise erwähnt, was auch hier einer
relevanten Positionsverschiebung gleichkommt.
Ende Juni wird diese Positionsverschiebung schließlich in einem Abkommen
über Versöhnung und rechtliche Verantwortlichkeit festgehalten. Dabei wird –
in explizitem Widerspruch zur Position des ICC (vgl. ICG 2007b:3) –
festgelegt, dass die Aufarbeitung der begangenen Verbrechen in nationalen
Rechtsmechanismen unter möglichst weitgehender Einbindung traditioneller
Rechtsformen wie „mato oput“
59
geschehen soll. Zudem sichert die
ugandische Regierung zu, zu versuchen, den ICC davon zu überzeugen, dass
59
Bei „mato oput“ handelt es sich um ein traditionellen Verfahren, das die Reue des Täters/der
Täterin vor der Gemeinschaft sichtbar machen und einen Versöhnungsprozess einleiten soll. Die
Auffassungen über die Möglichkeiten, die dieses Verfahren zur Aufarbeitung der geschehenen
Gewaltverbrechen bietet, sind überaus unterschiedlich und reichen von der Empfehlung eines
möglichst weitgehenden Einsatzes bis zur Behauptung seiner vollkommenen Untauglichkeit angesichts
der gegebenen Herausforderungen.
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Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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39
diese vereinbarten Mechanismen eine generelle Sanktionslosigkeit vermeiden
würden, womit eine weitere Verfolgung des Falles durch den ICC nicht mehr
notwendig wäre.
Nachdem sich die konkrete Umsetzung eines finalen Vertrages weiter an
Garantien um die persönliche Sicherheit der LRA-Führung spießt, wird dieser
Punkt nachverhandelt und im Februar 2008 in einen Vertrag über konkrete
Mechanismen der Verfolgung der begangenen Verbrechen gegossen. Dabei
soll eine nationale Lösung garantiert werden, indem am High Court of Uganda
eine spezielle Sektion für die Behandlung von Kriegsverbrechen eingerichtet
werden soll. Damit hofft die ugandische Regierung, den ICC formal zu einem
Einlenken drängen zu können.
60
Zusammen mit der Zusicherung, sich vor
diesem Hintergrund auch beim UN-Sicherheitsrat für die Aufhebung der
Verfolgung des Falles durch den ICC einzusetzen, kann die LRA zur
Ausarbeitung eines Friedensvertrages gebracht werden.
Obwohl zu diesem Zeitpunkt damit alle relevanten Verhandlungskapitel
abgeschlossen sind und mit der Unterzeichnung eines solchen
Friedensvertrages eigentlich nur mehr der letzte formale Schritt fehlt, gären
schon neue Probleme. So bestätigt Joseph Kony im Jänner 2008 die immer
manifester werdenden Gerüchte, dass der ebenfalls vom ICC zur Verhaftung
ausgeschriebene Vincent Otti, vielfach als die Nummer Zwei der LRA
wahrgenommen, im Oktober 2007 getötet worden wäre. Die genauen
Hintergründe dieser Liquidierung bleiben unklar, es dürfte sich allerdings
wahrscheinlich um einen innerorganisatorischen Machtkampf vor dem
Hintergrund der Friedensverhandlungen gehandelt haben. Nachdem Otti als
wesentliche Triebkraft hinter den Friedensbemühungen der LRA gesehen
wurde, ließ dieses Ereignis erste nachhaltige Besorgnis bei den
Verhandlungsteams aufkommen, obwohl die Gespräche vorerst weitergingen.
60
Dieses Drängen hat insofern eine juristische Basis, als die Zuständigkeit des ICC für eine
Strafverfolgung angesichts des Verlaufs des Friedensprozesses in dieser Phase grundsätzlich in Frage
zu stellen war. Nachdem das Interesse des ugandischen Staates an der Strafverfolgung durch das
Gericht (nach Artikel 14 des Römer Statuts) spätestens nach einer eventualen Eingabe beim UN-
Sicherheitsrat nicht mehr gegeben gewesen wäre, bleibt als legitimierende Basis nur mehr Artikel 17,
der die Zuständigkeit des ICC beim Kollaps eines nationalen Rechtssystems (oder seinem Scheitern im
Zugriff auf ein konkretes Verbrechen) festlegt. Würde ein entsprechendes nationales Gericht oder
Tribunal nach Abschluss eines Friedensvertrages eingerichtet, ließe sich diese Argumentation
schwerlich halten (vgl. Southwick 2005:108).
Die Problematik internationaler strafrechtlicher AP 58 - 11/08
Interventionen in laufende bewaffnete Konflikte
am Beispiel Ugandas und der LRA
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40
Doch auch von Seiten des ICC kommt es zu einer neuerlichen Verschärfung.
Gleich nach Abschluss des Vertrages vom Februar macht Chefankläger
Moreno-Ocampo klar, der Gerichtshof sei nicht bereit, die ausverhandelte
Lösung im Rechtsbereich zu akzeptieren. Die Haftbefehle blieben intakt und
wären zu exekutieren, gibt Moreno-Ocampo Anfang März zu Protokoll.
61
Trotz
der bestehenden Garantien durch die Verhandlungsteams, die ugandische
Regierung und die Beobachter der Verhandlungen – so wird etwa informell
wieder begonnen, nach möglichen sicheren Drittstaaten für die verbleibenden
zwei zur Verhaftung ausgeschriebenen LRA-Führungsmitglieder zu suchen –
wirkt diese Aussage als nachhaltige und, wie sich herausstellen wird, finale
Bremse des Friedensprozesses. Die Unterzeichnung des Friedensvertrages
verschiebt sich immer wieder, mehrere Termine im März und April 2008 fallen
aus, wobei Joseph Kony angeblich immer wieder Sorgen um seine
persönliche Sicherheit und die Unklarheit über die ihn betreffenden rechtlichen
Konsequenzen als Gründe ins Treffen führt.
Nach einer letzten geplatzten Vertragsunterzeichnung am 10. April 2008 wird
der Friedensprozess faktisch sistiert. Anfang Juni legt die südsudanesische
Regierung ihr Vermittlungsmandat zurück, womit die ursprüngliche Triebkraft
hinter den Bemühungen ausfällt. Zur gleichen Zeit beginnt die LRA mit einer
signifikanten Wiederaufrüstung, im Zuge derer sie ehemalige Mitglieder, die
mittlerweile legal in Norduganda leben, auffordert, sich wieder der
Organisation anzuschließen. Vorerst bleibt die LRA jedoch im Kongo, womit
die Sicherheitslage im Norden Ugandas, die sich seit dem zweiten Halbjahr
2006 kontinuierlich zu bessern begonnen hatte, weiter relativ entspannt bleibt.
Die Straßen in der Region sind mittlerweile wieder in der Nacht geöffnet, der
lokale Handel blüht, insbesondere zwischen den zwei Provinzmetropolen Gulu
und Juba. Dennoch bleibt ein großes Moment der Unsicherheit bestehen,
denn daran, dass die LRA bereit und in der Lage ist, jederzeit in Norduganda
wieder aktiv zu werden, zweifelt kein/e Beobachter/in.
61
Siehe http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7277577.stm, zugegriffen am 16. November 2008.
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41
5.
Frieden und/oder Gerechtigkeit – ein scheinbarer Widerspruch vor
dem Hintergrund der Kriminalisierung des Konfliktes
Um das Widersprüchliche am Vorgehen des ICC herauszuarbeiten, lohnt es
sich, nochmals das klare politische Programm hinter der juristischen Arbeit in
Bezug auf die LRA zu überdenken, wie es Chefankläger Moreno-Ocampo
formuliert: „We believe that the best way to finally stop the conflict after 19
years is to arrest the top leaders. In the end, the LRA is an involuntary army
since the majority of fighters are abducted children. Arresting the leaders is
the best way to stop those crimes. That is our mission and we believe that we
will achieve it in the long run.“
62
Sichtbar wird an diesen Worten nicht nur dieselbe stringente Täter-Opfer-
Aufteilung, die auch schon im eingangs dargelegten „offiziellen Diskurs“ über
die LRA erkennbar war, sondern auch die klare Verknüpfung mit einem
politischen Programm: Eliminierung der Täter bedeutet in dieser Sichtweise
nicht nur Gerechtigkeit für die Opfer, sondern auch Frieden. Zwar kann dieses
Programm als eine Art humanistische Alternative zum klaren Acholi-Feindbild
eines Yoweri Museveni verstanden werden. Es sind allerdings verschiedene
Aspekte, die dieses gezeichnete Bild und die darin enthaltene
Lösungsmöglichkeit als zweifelhaft erscheinen lassen. Sowohl kurz- als auch
langfristig weisen die möglichen Implikationen eher auf das Gegenteil dieser
Behauptung hin, wobei im Folgenden vier Punkte herausgestrichen werden
sollen.
Erstens, und das hat der Verlauf des Juba-Friedensprozesses eindeutig
gezeigt, verkomplizieren die Haftbefehle jeden konkreten
Verhandlungsprozess und erschweren für die LRA-Führung akzeptable
Lösungen in Hinblick auf ein konkretes Friedensabkommen. Auch wenn
mittlerweile nur mehr zwei der zur Verhaftung ausgeschriebenen Personen
am Leben sind, ist es wohl vermessen, an eine leichte Lösbarkeit der Frage
zu glauben. Vielmehr wird damit eine strategische Militarisierung des
Konfliktes festgeschrieben: „An uncompromising focus on bringing LRA
leaders to justice would condemn the war in northern Uganda to a strategy of
military attrition until the rebel commanders are captured or killed“ (Southwick
2005:110).
62
IRIN, 8th July, 2006: „LRA Leader will face trial, says ICC.“
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Diese Feststellung, gemacht vor dem Beginn des Juba-Prozesses, ist auch
nach seinem Scheitern uneingeschränkt gültig. Damit wird aber auch ein nicht
zwangsläufig vorhandener Widerspruch zwischen Frieden und Gerechtigkeit
schlagend. In der Verweigerung, sich möglichen Sequenzierungen oder
anderen Lösungen, die dem Verhandlungsprozess entstammen, offen zu
zeigen, wird er eigentlich überhaupt erst geschaffen. Zwar ist das
demgegenüber oftmals ins Treffen geführte Argument, die LRA-
Verhandlungsbereitschaft sei ursächlich auf die ICC-Verfolgung
zurückzuführen (vgl. ICG 2007b:8) nicht völlig von der Hand zu weisen,
angesichts des letztendlichen Verlaufes der Gespräche aber eher
unwahrscheinlich. Dass sich Personen, die im Zuge eines langjährigen
blutigen Krieges, der vielen ihrer Wegbegleiter das Leben gekostet hat und in
dem sie sich selber oftmals unter unmittelbarer Lebensbedrohung befinden,
plötzlich durch eine Strafandrohung einer internationalen Behörde im fernen
Europa so eingeschüchtert zeigen sollen, dass sie zu Friedensverhandlungen
einlenken, ist vielleicht nicht unmöglich, aber nicht gerade wahrscheinlich.
Zweitens trägt die Intervention des ICC zu einer Entpolitisierung des
Konfliktes bei. Wie schon oben erwähnt, konstruiert und reproduziert das
Gericht in seiner Anklage einen stringenten Täter-Opfer-Diskurs, der die LRA
als in Joseph Kony und einige wenige Täter einerseits und die Masse
willenloser entführter Kindersoldaten andererseits aufgeteilt darstellt. Die als
naiv zu bezeichnende Sichtweise, durch die Eliminierung einiger weniger „bad
guys“ komplexe historisch gewachsene Probleme zu lösen, wird damit als
Stoßrichtung des internationalen Strafrechts konstituiert. Verknüpft mit den
politischen Stellungnahmen des Chefanklägers, der die nahezu organische
Verbindung zwischen der Bestrafung dieser Personen und einem möglichen
Frieden immer wieder behauptet, läuft der ICC Gefahr, schon in einem seiner
ersten Engagements einen fatalen Präzedenzfall zu schaffen.
Drittens führt die Ausblendung der historischen Dimension des Konfliktes,
insbesondere der Verkennung seiner bereits in der Kolonialzeit angelegten
Wurzeln, zu seiner fast automatischen Prolongierung. Gerade Joseph Kony
scheint sich dieser Dimension in all ihrer Nüchternheit wohl bewusst zu sein,
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wie eine Fabel veranschaulicht, die er auf Radio FM Mega Station im Rahmen
einer Talk Show erzählte:
63
Es regnete und ein junger Mann entschied sich, Unterkunft in einer
verlassenen Hütte zu suchen. Plötzlich kam ein Löwe auf der Suche nach
Unterschlupf in dieselbe Hütte und legte sich auf die Türschwelle. Der
junge Mann hatte keine andere Wahl, als den Löwen beim Schwanz zu
packen und beide begannen zu kämpfen, fast den ganzen Tag.
Glücklicherweise kam ein anderer Spaziergänger vorbei, und der junge
Mann bat um Hilfe, da er bereits müde geworden war. Er gab dem
Spaziergänger den Schwanz des Löwen und versprach, ins Dorf zu
gehen, Hilfe zu holen um den Löwen zu töten. Unglücklicherweise kam
der junge Mann ins Dorf und kam nie wieder zurück. Auch die
Dorfbewohner waren nicht mehr zu sehen.
Kony sieht sich in der Rolle jenes vorbeikommenden Spaziergängers. Weder
hat er den Krieg begonnen, noch ist es wahrscheinlich, dass der Löwe
tatsächlich so schnell zur Strecke gebracht wird. Er zeichnet damit ein Bild
seiner subjektiven Agency, die ihn zwar ins Zentrum des Geschehens setzt,
aber ohne signifikanten Einfluss auf dessen Ausgang. Dies ist ein Bild, das in
gleicher Weise auch auf den ICC zutrifft: selbst im Falle einer Verhaftung und
Verurteilung der LRA-Führung bliebe der Löwe unerlegt, und der Konflikt
ginge weiter, wenn auch in veränderter Konstellation.
Ein Konflikt, der sich um Zuschreibungen dreht, die in frappierend ähnlicher
Form seit über einem Jahrhundert wiederkehren, ist nicht mit Aburteilungen zu
lösen. Die Herausarbeitung individueller Verantwortlichkeiten würde in ihrer
Konzentration auf Episoden und abgerissene Ereignisse letztlich wieder nur
dazu beitragen, die gefestigten Wahrnehmungen zu reproduzieren und damit
weiter zu vertiefen. Vor diesem Hintergrund sieht das in Kampala ansässige
NGO Refugee Law Project die Bildung von „social trust“ (RLP 2005b:50) als
gegenwärtig zentrale Aufgabe.
Viertens stellt sich schließlich auf einer allgemeineren Ebene die Frage, wie
sich Gestalt und Wahrnehmung eines bewaffneten Konflikts verändern, wenn
er derart unter strafrechtlichen Schemata konstruiert, diskutiert und damit
wahrgenommen wird. „The discourse of global criminal law that informs ICC
63
Persönliche Kommunikation mit George Omona, ACORD Gulu.
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interventions embodies a specific epistemology that interprets situations of
violence through certain categories – namely, the criminal, the victim, and the
transcendent justice.“ (Branch 2007b:190). Solche Kategorisierungen müssen
relevante Auswirkungen auf alle Akteure und Akteursebenen haben. Auch
wenn es vermutlich noch zu früh und die Forschung über diese Frage noch zu
jung ist, um relevante Aussagen tätigen zu können, ist zu vermuten, dass sich
der Charakter eines Konfliktes, bis hin zu seinem konkreten Verlauf und den
in den Konflikt gesetzten externen Interventionen, nachhaltig ändert.
Dies trifft umso mehr zu, als es sich, wie bei allen Fällen, denen sich der ICC
bislang angenommen hat, um einen Gewaltkonflikt im Afrika südlich der
Sahara handelt. Diese Auswahl hat, selbst wenn sie rational begründet
werden mag, doch weitreichende Konsequenzen, und eröffnet auch einen
Einblick ins Selbstverständnis dieser Institutionen und ihrer Unterstützer.
Offenbar ist es so, dass diese Weltregion als besonders bedürftig
wahrgenommen wird, wenn es um die Frage von rechtlicher Normierung und
der Durchsetzung dieser Normierungen geht. Dieses auf dieser Ebene
wahrgenommene Defizit korrespondiert sehr gut mit der bis auf die Zeiten des
frühen Kolonialismus zurückreichenden Tendenz, Gewaltkonflikte und die
Formen ihrer Austragung hier unter dem Stigma der Irrationalität und des
Wahnsinns zu interpretieren. Das Recht schafft demgegenüber Ordnung und
ist ein wesentliches Hilfsmittel, diese Irrationalität einzufangen und für die
moderne Rationalität zugänglich, nachvollziehbar und damit handhabbar zu
machen.
Damit manifestiert sich allerdings ein Herrschaftsanspruch, der weit über die
punktuelle Einwirkung in konkrete Konfliktformationen herausreicht. Es ist an
dieser Stelle, gerade vor dem Hintergrund des eingeschränkten Materials, das
bislang zur Verfügung steht, vielleicht noch zu früh, um hier weiterreichende
Schlussfolgerungen anzuknüpfen. Dennoch sind diese Beobachtungen als
offene Frage und damit als Auftrag an eine Forschung zu verstehen, die in der
Lage ist, konkrete Konfliktforschung mit Elementen der Rechtswissenschaft,
aber auch der Cultural und Postcolonial Studies zu verknüpfen und damit den
Beleg zu liefern, dass eine solche Verbindung auch an konkreten Problemen
mit praktisch höchst relevanten Resultaten zu arbeiten in der Lage ist.
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