Die Ergebnisse unserer Analysen zeigen, dass die gängige alterssoziologische Interpretation des Zusammenhangs zwischen Wohnentfernung und Kontakthäufigkeit der Eltern zu ihren erwachsenen Kindern als Effekt unterschiedlicher räumlicher Gelegenheitsstrukturen nicht die ganze Wahrheit erzählt. Zwar beeinflusst die räumliche Nähe zweifellos die Häufigkeit des Kontakts der beiden Generationen und ihre Verbundenheit. Der negative Zusammenhang zwischen Wohnentfernung, Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge erklärt sich jedoch zu einem nicht unerheblichen Anteil auch aus der Struktur und Qualität der intergenerationalen Beziehung. Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge bestimmen mit darüber, wie weit Eltern und erwachsene Kinder voneinander entfernt wohnen. Die Generationenbeziehung beeinflusst die Wahl des Wohnstandorts. Je häufiger die Kontakte und je enger die Beziehung, desto größer ist das Bestreben der Eltern und Kinder, nahe beieinander zu wohnen. Häufiger Kontakt und sehr eng empfundene Beziehungen erhöhen daher die Neigung der Beibehaltung oder Wiedererlangung räumlicher Nähe. Seltener Kontakt und weniger enge Beziehungen wirken umgekehrt. Größere räumliche Distanz ist nicht nur Ergebnis exogener Einflüsse (z.B. des Arbeits- und Wohnungsmarkts) sondern auch beziehungsabhängiger Faktoren.
Insgesamt konnte die Annahme der Koexistenz der beiden Effekte bestätigt werden, die in einer Wechselbeziehung zueinander stehen: (a) dem Wohndistanzeffekt auf die Generationenbeziehung, und (b) dem Beziehungseffekt auf die Wohndistanz zwischen den Generationen. Im Vergleich der beiden Beziehungsaspekte Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge hat die Kontakthäufigkeit den stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Wohnentfernung. Ob Eltern und erwachsene Kinder die räumliche Nähe suchen oder meiden, hängt zwar auch von der empfundenen Beziehungsenge ab, mehr aber noch von der alltäglichen Pflege dieser Beziehung durch Kommunikation und persönlichen Austausch. Die Beziehungsenge beeinflusst die Wohnentfernung mehr indirekt über ihren Einfluss auf die Kontakthäufigkeit. Enge Beziehungen führen zu häufigeren Kontakten, häufige Kontakte festigen die Beziehung und beeinflussen Umzugsentscheidungen. Auch konnte gezeigt werden, dass bei im Lebensverlauf steigender Wohnentfernung die Kontakthäufigkeit weniger stark abnimmt, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sehr eng ist. Beziehungsenge moderiert demnach den Opportunitätsstruktureffekt der Wohndistanz. Enge Beziehungen mildern die Auswirkungen steigender Wohndistanz auf die Kontakthäufigkeit der Generationen.