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Beeinflusst die Beziehung älterer Menschen zu ihren erwachsenen Kindern die räumliche Nähe zwischen den Generationen? Wechselbeziehungen zwischen Wohnentfernung, Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge im Längsschnitt

Authors:
  • Deutsches Zentrum für Altersfragen / German Centre of Gerontology
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Abstract

Die Ergebnisse unserer Analysen zeigen, dass die gängige alterssoziologische Interpretation des Zusammenhangs zwischen Wohnentfernung und Kontakthäufigkeit der Eltern zu ihren erwachsenen Kindern als Effekt unterschiedlicher räumlicher Gelegenheitsstrukturen nicht die ganze Wahrheit erzählt. Zwar beeinflusst die räumliche Nähe zweifellos die Häufigkeit des Kontakts der beiden Generationen und ihre Verbundenheit. Der negative Zusammenhang zwischen Wohnentfernung, Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge erklärt sich jedoch zu einem nicht unerheblichen Anteil auch aus der Struktur und Qualität der intergenerationalen Beziehung. Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge bestimmen mit darüber, wie weit Eltern und erwachsene Kinder voneinander entfernt wohnen. Die Generationenbeziehung beeinflusst die Wahl des Wohnstandorts. Je häufiger die Kontakte und je enger die Beziehung, desto größer ist das Bestreben der Eltern und Kinder, nahe beieinander zu wohnen. Häufiger Kontakt und sehr eng empfundene Beziehungen erhöhen daher die Neigung der Beibehaltung oder Wiedererlangung räumlicher Nähe. Seltener Kontakt und weniger enge Beziehungen wirken umgekehrt. Größere räumliche Distanz ist nicht nur Ergebnis exogener Einflüsse (z.B. des Arbeits- und Wohnungsmarkts) sondern auch beziehungsabhängiger Faktoren. Insgesamt konnte die Annahme der Koexistenz der beiden Effekte bestätigt werden, die in einer Wechselbeziehung zueinander stehen: (a) dem Wohndistanzeffekt auf die Generationenbeziehung, und (b) dem Beziehungseffekt auf die Wohndistanz zwischen den Generationen. Im Vergleich der beiden Beziehungsaspekte Kontakthäufigkeit und Beziehungsenge hat die Kontakthäufigkeit den stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Wohnentfernung. Ob Eltern und erwachsene Kinder die räumliche Nähe suchen oder meiden, hängt zwar auch von der empfundenen Beziehungsenge ab, mehr aber noch von der alltäglichen Pflege dieser Beziehung durch Kommunikation und persönlichen Austausch. Die Beziehungsenge beeinflusst die Wohnentfernung mehr indirekt über ihren Einfluss auf die Kontakthäufigkeit. Enge Beziehungen führen zu häufigeren Kontakten, häufige Kontakte festigen die Beziehung und beeinflussen Umzugsentscheidungen. Auch konnte gezeigt werden, dass bei im Lebensverlauf steigender Wohnentfernung die Kontakthäufigkeit weniger stark abnimmt, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sehr eng ist. Beziehungsenge moderiert demnach den Opportunitätsstruktureffekt der Wohndistanz. Enge Beziehungen mildern die Auswirkungen steigender Wohndistanz auf die Kontakthäufigkeit der Generationen.

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... Angehörige sind zentrale Akteure in der häuslichen und stationären Gesundheitsversorgung [4,8,12]. Dies illustrieren auch die wachsenden politischen [5,18] und akademischen [2,3,11] Diskussionen zum Thema. ...
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Background Family caregivers are important players in both inpatient and domestic healthcare. As a result of increasing mobility many also perform care over geographical distances. Objective The article highlights the opportunities and challenges of distance caregiving from a distance caregivers’ perspective. Data were collected as part of the binational research and development project on distance caregiving, which investigated various dimensions of distance caregiving with an interdisciplinary team from Germany (Protestant University Ludwigsburg) and Switzerland (Careum University of Applied Sciences Zurich). To date empirical results exist mainly for the Anglo-American region. This study provides hitherto lacking empirical findings for Germany and Switzerland. Material and methods The study was based on 49 guideline-based, partially narrative interviews (Germany: N = 35; Switzerland: N = 14) with distance caregivers, who at the time of data collection were caring for a person at least 60 years old. The software-supported data analysis (MAXQDA 10) was carried out using deductive and inductive structuring content analysis according to Mayring. Results and conclusion Distance caregivers provide substantial and diverse care and support tasks. A central challenge is the lack of up to date and reliable information regarding the care situation. This may lead to emotional strain; however, distance also results in relief for caregivers. A functioning network including well-defined agreements and transparent communication is crucial.
... her vorrangigen Figur der hochinvolvierten " Hauptpflegeperson vor Ort ". Hier kommen – von der Gesellschaft und den Unternehmen noch weithin unbeachtet – die Bedingungen in den Blick, die u.a. zu Distance Caregiving führen: @BULLET Wenn Pflegebedürftige überhaupt nächste Angehörige haben, leben diese immer häufiger weit entfernt, v.a. Kinder (vgl.Engstler & Huxhold, 2010;MAGS 2013;Steffen, Klein, Abele & Otto, 2015@BULLET Zugleich soll die o.g. Vereinbarkeit mit Blick auf das berufliche Umfeld gestärkt werden, um beide Herausforderungen nachhaltig und mit Zufriedenheit zu meistern – sowohl aus Perspektive der Beschäftigten als auch der Arbeitgeber (vgl. Bischofberger,Otto & Franke, 2015;Bischofberger, Fr ...
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Zusammenfassung. Aufgrund von demografischen Prozessen, Wertewandel und veränderten Fami-lienstrukturen leben An- und Zugehörige oft räumlich (auch weit) entfernt. Dennoch wird von ihnen häufig erhebliche Unterstützung für zuhause lebende Pflegebedürftige geleistet. Dieses Phänomen des Distance Caregiving ist gesellschaftlich und wissenschaftlich noch wenig thematisiert. Es bezieht sich auf eine große Bandbreite an Unterstützung. Es steht für neuere Typen informeller Unterstützung jenseits der bisher vor-rangigen Figur der hochinvolvierten " Hauptpflegeperson vor Ort ". Das Unterstützungsarrangement berührt wesentlich die Vereinbarkeit von informeller Pflege-und Erwerbstätigkeit, kann durch assistive Technik stark gestützt werden, verlangt aber auch von den Vor-Ort-Fachkräften systematisches Umdenken in Rich-tung Koproduktion in gemischten Sorgesettings.
... Ergebnisse des Deutschen Alterssurveys (DEAS) weisen darauf hin, dass eine hohe emotionale Nähe von Generationenbeziehungen auch über geografi sche Distanz aufrechterhalten werden kann (vgl. Kapitel 14; Engstler & Huxhold 2010). Ebenso scheint ein Rückgang der Institution Ehe nicht zwangsweise mit einem Anstieg von Partnerlosigkeit, sondern eher mit einer stärkeren Verbreitung alternativer Partnerschaft smodelle (zum Beispiel der nichtehelichen Partnerschaft ) einherzuge-hen (vgl. ...
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Soziale Beziehungsnetzwerke sind eine zentrale Voraussetzung für Zufriedenheit, Sicherheit und persönliches Wachstum (Baumeister & Leary 1995). Sie erfüllen nicht nur grundlegende Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Wertschätzung, sondern sind auch Quelle für Unterstützung, Wissen und neue Perspektiven sowie für positive Erlebnisse im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten.
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This section offers descriptions as well as discussions of data sources that are of interest to social scientists engaged in empirical research or teaching courses that include empirical investigations performed by students. The purpose is to describe the information in the data source, to give examples of questions tackled with the data and to tell how to access the data for research and teaching. We focus on data from German speaking countries that allow international comparative research. While most of the data are at the micro level (individuals, households, or firms), more aggregate data and meta data (for regions, industries, or nations) are included as well. Suggestions for data sources to be described in future columns (or comments on past columns) should be send to: Joachim Wagner, Leuphana University of Lueneburg, Institute of Economics, Campus 4.210, 21332 Lueneburg, Germany, or e-mailed to hwagner@leuphana.dei. Past “European Data Watch” articles can be downloaded free of charge from the homepage of the German Council for Social and Economic Data (RatSWD) at: http: //www.ratswd.de.
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