Die vorliegende Arbeit untersucht molekulare Mechanismen, die in Verbindung mit der Expression des Proteins Argonaut 2 (AGO2) zelluläre Eigenschaften des malignen Melanoms beeinflussen. AGO2 ist Teil des sogenannten „RNA induced silencing complex“ (RISC). Mit Hilfe von kleinen, nicht-codierenden RNAs (miRNAs oder siRNAs) reguliert der RISC spezifisch die Translation und Stabilität von mRNAs. Vordaten zu dieser Arbeit konnten zeigen, dass die Expression von AGO2 im malignen Melanom im Vergleich zu normalen humanen epidermalen Melanozyten oder Zelllinien anderer Tumorarten post-transkriptionell herunterreguliert ist. Die verminderte AGO2-Proteinexpression führt in Melanomzellen zu einer allgemein schlechteren Effizienz von siRNAs. Außerdem konnte in vorhergehenden Studien beobachtet werden, dass die AGO2-Reduktion die tumorigenen Eigenschaften von Melanomzellen begünstigt, wie zum Beispiel die Migration. Eine Analyse des molekularen Mechanismus, der zur AGO2-Reduktion im Melanom führt, stellt den ersten Teil dieser Arbeit dar. Dabei konnte zunächst mit Hilfe eines AGO2-Expressionsplasmids gezeigt werden, dass sich die Regulation von AGO2 auf Bereiche in der codierenden Sequenz (engl.: „coding sequence“; CDS) bezieht und transkriptions-, sowie transfektions-unabhängig abläuft. Ein erhöhter proteasomaler Proteinabbau oder eine verstärkte Aktivität des PI3K-vermittelten lysosomalen Abbauwegs konnten als Ursache für die AGO2-Reduktion in Melanomzellen ausgeschlossen werden. Weiterhin wurde keine melanomspezifisch verringerte AGO2-mRNA-Halbwertszeit gefunden. Um den für die Regulation verantwortlichen Sequenzbereich von AGO2 weiter einzugrenzen, wurden einzelne Teile der AGO2-CDS, die den funktionellen AGO2-Domänen entsprechen, separat in Expressionsvektoren kloniert. Dabei konnte eine gesteigerte Translation der AGO2-N+PAZ-mRNA im Vergleich zur AGO2-MID+PIWI-mRNA beobachtet werden. Eine weitere Unterteilung von AGO2-MID+PIWI ergab eine verbesserte Expression von sowohl AGO2-MID, als auch AGO2-PIWI im Vergleich zu AGO2-MID+PIWI in Melanomzellen. Dies deutet darauf hin, dass sich die regulatorische Sequenz genau am Übergang zwischen AGO2-MID und AGO2-PIWI befindet oder mehrere Sequenzen in AGO2-MID und AGO2-PIWI für die AGO2-Regulation im Melanom verantwortlich sind. Die Mutation der Bindestelle der miR-1265, die genau an diesem Übergang bindet, konnte die AGO2-Expression in Melanomzellen nicht verbessern. Ebenso wenig die Mutation von 24 weiteren miRNA-Bindestellen, die laut Computervorhersage an die AGO2-CDS binden und im Melanom im Vergleich zu normalen humanen epidermalen Melanozyten hochreguliert sind. Im zweiten Teil dieser Arbeit konnte die Existenz einer neuen AGO2-Spleißvariante identifiziert werden. Diese Variante, AGO2-Exon1/3, der Exon 2 fehlt, wird in verschiedenen Melanomzelllinien bis zu 15 % der normalen AGO2-mRNA exprimiert. Eine Expression von AGO2-Exon1/3 konnte weiterhin auch in Gewebeproben von Melanompatienten nach-gewiesen werden. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wurde die zelluläre Funktion von AGO2-Exon1/3 charakterisiert. Dazu wurden zunächst die Auswirkungen einer spezifischen, siRNA- vermittelten Reduktion der Expression von AGO2-Exon1/3 auf verschiedene Melanomzelllinien untersucht. Die gewonnenen Daten zeigen, dass sich aufgrund der reduzierten Expression von AGO2-Exon1/3 die Zellzahl verringert und die im „xCELLigence Real Time Cell Analyzer“ gemessene Proliferationsrate verlangsamt. Des Weiteren besitzen die Zellen eine verminderte Fähigkeit Kolonien aus Einzelzellen zu bilden. Der beobachtete Wachstumsdefekt der Zellen mit einer reduzierten Expression von AGO2-Exon1/3 lässt sich nicht auf zelluläre Seneszenz, einen Zellzyklusarrest oder eine langsamere Zellteilungsrate zurückführen. Jedoch führt die siRNA-vermittelte Reduktion von AGO2-Exon1/3 zu einer Induktion von Apoptose, aus der sich die geringere Zellzahl und Proliferationsrate erklärt. Eine Überexpression von AGO2-Exon1/3 zeigt einen gegenteiligen Effekt und steigert das Zellwachstum und die Klonogenität von Melanomzellen. Daraus lässt sich schließen, dass der Spleißmechanismus, der zur Bildung von AGO2-Exon1/3 führt, den Tumorzellen einen Überlebensvorteil bietet. In einer mittels der CRISPR/Cas-Technik generierten AGO2-Knockout Melanomzelllinie führt der Verlust von AGO2 zu einer gesteigerten Proliferation und einer vermehrten Fähigkeit Einzelzellkolonien zu bilden. In dieser Zelllinie wird AGO2-Exon1/3, das als Spleißprodukt nicht durch den CRSIPR/Cas-Knockout betroffen ist, verstärkt exprimiert. Ein siRNA-„knockdown“ von AGO2-Exon1/3 in diesen Zellen führt ebenfalls zu einem verringerten Zellwachstum. Dies deutet darauf hin, dass der Wachstumsvorteil der Zellen nur von der Expression von AGO2-Exon1/3, nicht aber von AGO2 abhängig ist. Die in dieser Arbeit neu identifizierte und charakterisierte AGO2-Spleißvariante AGO2-Exon1/3 stellt daher, unabhängig von AGO2, ein interessantes neues Zielgen zur Inhibition des Wachstums von Melanomzellen dar. Zusammen mit der Kenntnis des Mechanismus, der die AGO2-Expression in Melanomzellen reguliert, könnte eine neue, siRNA-basierte Therapiemöglichkeit für das maligne Melanom entwickelt werden. Somit stellen die in dieser Arbeit gewonnenen Daten einen wichtigen Schritt zum besseren Verständnis der Entstehung des malignen Melanoms dar und können helfen, der Tumorigenese entgegenzuwirken und mögliche siRNA-basierte Therapieoptionen zu verbessern.