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Bestimmung der Eindringtiefe der Klinge bei
Stichschutzmessungen gemäß VPAM
Andrea Ehrmann, Susanne Aumann, Andrea Brücken, Marcus
O. Weber, Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik,
Hochschule Niederrhein
Thorsten Bache, Bache Innovative, Rheinberg
Untersuchungen der Stichschutzwirkung eines Textils
können mittels verschiedener Normen und Prüfrichtlinien
durchgeführt werden. Nutzt man beispielsweise die
besonders im deutschsprachigen Raum verbreitete
VPAM-Prüfrichtlinie „Stich- und Schlagschutz“, so wird
das Textil während des Tests auf Plastilin aufgelegt, in
dem nach Durchführung der Prüfung die Eindringtiefe
einer definierten Klinge gemessen wird. Da sich diese
Auswertung des Tests als fehleranfällig herausgestellt
hat, wird hier eine alternative Auswertungsmethode
vorgeschlagen.
Auswertung von Stichschutzmessungen gemäß VPAM
Gemäß der Prüfrichtlinie „Stich- und Schlagschutz“ der VPAM
(Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien
und Konstruktionen) werden Stichschutztextilien geprüft,
indem eine Klinge aus einer definierten Höhe durch das zu
prüfende Textil in eine Wanne mit Beschussplastilin fällt (im
Gegensatz zur britische HOSDB, die mit Moosgummi als
Unterlage unter dem Textil arbeitet). Zur Auswertung der
Stichtiefe beschreibt die VPAM-Richtlinie nur: „Nach jeder
Schlagprüfung ist die Verformungstiefe in Plastilin zu
messen.“ Genauere Angaben, wie diese Messung zu erfolgen
hat, sind hier nicht zu finden.
Eigene Erfahrungen sowie Gespräche mit Firmen, die solche
Tests gemäß der VPAM-Richtlinie durchführen, haben
ergeben, dass der Stichkanal zu diesem Zweck stückweise
freigelegt werden muss. Andere Messungen der Tiefe, z. B.
durch Einführen eines langen, schmalen, nicht biegsamen
Tasters, sind aufgrund der leichten Verformbarkeit des
Plastilins nicht möglich; ein Ausgießen des Kanals wäre zu
zeitraubend. Das Freilegen des Stichkanals ist jedoch
erfahrungsgemäß schwierig, langwierig und durch die
mechanischen Einflüsse auf das Plastilin in der Nähe des
Stichkanals fehlerbehaftet.
Abb. 1: Die Prüfklinge ist einseitig angeschliffen (hier rechts
unten im Bild) und beidseitig angeschrägt; diese Anschrägung
endet auf beiden Seiten in unterschiedlicher Höhe.
Korrelation von Eindringtiefe und Schnittbreite
Da die Prüfklinge eine genau definierte Form besitzt (Abb. 1),
entspricht jede Eindringtiefe (bis zu einer Tiefe von 50,75 mm,
wo die Spitze in den geraden Schaft übergeht) einer
festgelegten Schnittbreite.
Wir haben daher untersucht, ob die Eindringtiefe und die
Schnittbreite eindeutig korreliert sind. Da diese Annahme
verifiziert werden konnte, haben wir des Weiteren überprüft,
wie groß die Standardabweichung unter gleichen
Testbedingungen ist. Hierzu wurden je zehn Messungen mit
separater Bestimmung der Schnittbreite und Eindringtiefe für
4, 6 und 10 Lagen Aramid-Vliesstoffe durchgeführt. Der
Vergleich der unter identischen Bedingungen gemessenen
Werte zeigt, dass die Schwankungen in beiden Werten nicht
korreliert sind, also bei größerer Stichtiefe nicht
notwendigerweise eine größere Schnittbreite gemessen wird.
Diese Schwankungen sind also auf Auswerteungenauigkeiten
zurückzuführen, nicht auf unbeabsichtigte Veränderungen der
Messsituation durch z. B. Dickenvariationen in den
Vliesstoffen.
Genauigkeit beider Messmethoden
Daher können die Standardabweichungen der Messwerte für
Schnittbreite und Eindringtiefe als Maß für die Genauigkeit der
jeweiligen Messmethode genutzt werden. Wie in Abb. 2 (links)
zu sehen, ist die relative Standardabweichung, bezogen auf
den Mittelwert der Messungen, für die Stichtiefe stets größer
als für die Schnittbreite. Dies bedeutet, dass eine Messung
der Schnittbreite eher ein zuverlässiges Ergebnis liefert als die
Auswertung der Stichtiefe. Zurückführen lässt sich dies auf die
oben erwähnten technischen Schwierigkeiten beim Freilegen
des Stichkanals. Obwohl die Stichtiefe stets größere
Messwerte annimmt als die Schnittbreite und daher eigentlich
genauer ablesbare Werte liefern sollte, wird dieser Vorteil
durch die experimentellen Fehlerquellen offensichtlich
aufgehoben.
Abb. 2 (rechts) zeigt die gleichen Ergebnisse als
Absolutwerte. Hier erkennt man, dass für mehr textile Lagen,
also eine geringere Eindringtiefe, die Messung der Stichtiefe
immer ungenauer wird, während die Messung der
Schnittbreite stets mit einem ähnlichen absoluten Fehler
behaftet ist.
4 Lagen 6 Lagen 10 Lagen
0.00
0.05
0.10
0.15
0.20
relative Standardabweichung
Dicke des Vliesstoffs
rel. Standardabweichung Schnittbreite
rel. Standardabweichung Stichtiefe
4 Lagen 6 Lagen 10 Lagen
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
3.0
absolute Standardabweichung
Dicke des Vliesstoffs
abs. Standardabweichung Schnittbreite
abs. Standardabweichung Stichtiefe
Abb. 2: Relative (linkes Panel) und absolute (rechtes Panel)
Standardabweichungen von Schnittbreite und Stichtiefe für 4,
6 und 10 Lagen Aramid-Vliesstoff.
Zusammenfassung
Aus den dargestellten Messungen lässt sich ableiten, dass bei
der Erforschung von neuen Stichschutzmaterialien gemäß der
VPAM-Richtlinie insbesondere vergleichende Untersuchungen
zuverlässigere Ergebnisse liefern, wenn die Schnittbreite
anstelle der Stichtiefe gemessen wird. Hinzu kommt, dass die
Messung der Schnittbreite viel schneller durchgeführt werden
kann als die der Stichtiefe, so dass in der gleichen Zeit auch
mehr Messungen der Schnittbreite möglich sind, was die
statistische Signifikanz der Ergebnisse erhöht.
Die Schnittbreite sollte daher zumindest zusätzlich zur
Einstichtiefe gemessen werden, um die Zuverlässigkeit von
Stichschutztests zu erhöhen.
Ansprechpartner:
Andrea Ehrmann
Hochschule Niederrhein
Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik
Webschulstraße 31
41065 Mönchengladbach
Deutschland
Tel. +49 (0)2161/186-6099
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