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Altersstereotype 1
Bittner & Wippich, 2011
In-Mind Magazine, 1 (2011)
Altersstereotype:
Bilder vom Altern und von älteren Arbeitnehmern
Jenny V. Bittner (Jacobs Center on Lifelong Learning, Jacobs University Bremen)
& Werner Wippich (Universität Trier)
Obwohl seit langem über den demographischen Wandel diskutiert wird, scheint sich an
der Situation älterer Beschäftigter kaum etwas geändert zu haben. Woran liegt das?
Warum halten sich so beharrlich negative Stereotype über alte Menschen? Wir
beschreiben, wie leicht Stereotype aktiviert werden und welche Folgen ihre Anwendung
in Unternehmen hat. Abschließend wird diskutiert, ob es möglich ist, negative
Vorverurteilungen älterer Menschen zu vermeiden.
Aktivierung, Anwendung und Kontrolle von Stereotypen
Bei Stereotypen handelt es sich um Bilder in unseren Köpfen, genauer gesagt um Bilder von
Mitmenschen, wie der Gruppe der „Alten“. Stereotype beinhalten Vorstellungen und
Erwartungen, die sich im Kopf eines jeden Wahrnehmenden befinden. Diese Vorstellungen
führen in unserer Gesellschaft zu gemeinsamen Auffassungen über Persönlichkeitsmerkmale
und Verhaltensweisen von Gruppenmitgliedern, so auch über „die Alten“.
Stereotype erfüllen wichtige Funktionen, da die Eingruppierung von Mitmenschen unseren
Alltag erleichtert. Unsere Erwartungen und unser Vorwissen führen zu einer schnelleren
Verarbeitung neuer Eindrücke, zum Beispiel über Personen, die uns zum ersten Mal
begegnen. Auch bei überraschenden Ereignissen ermöglicht die Anwendung von Stereotypen
schnelle Entscheidungen, da Verallgemeinerungen unsere komplexe soziale Umwelt in eine
einfache Struktur bringen (Macrae & Bodenhausen, 2000). Oft werden Stereotype mit
Vorurteilen gleichgesetzt; sie unterscheiden sich von diesen jedoch dadurch, dass sie zugleich
positive und negative Eigenschaften einschließen (Filipp & Mayer, 1999). Vorurteile bestehen
eher aus negativen Gefühlen bestimmten Menschen gegenüber, die zu einseitig negativen
Voreingenommenheiten führen.
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Wie kann ein Stereotyp unsere Wahrnehmung von alten Menschen beeinflussen und
infolgedessen zu einem diskriminierenden Verhalten führen? In der Grundlagenforschung
wird von einem mehrstufigen gedanklichen Vorgang ausgegangen, der mit der Aktivierung
von Stereotypen beginnt (Macrae & Bodenhausen, 2000). Bei der Wahrnehmung anderer
Menschen sind bestimmte Merkmale besonders auffällig, die zu einem ersten Eindruck
führen. Neben dem Geschlecht und der Hautfarbe zählt auch das Alter dazu. Für die
Bestimmung des Alters einer Person wird vor allem die äußere Erscheinung herangezogen. So
weisen Merkmale wie Faltenbildung, graue Haare oder eine gebeugte Haltung auf ein höheres
Alter hin. Durch diese Merkmale werden Stereotype aktiviert und beeinflussen dann unser
Urteil über diese Person.
Zahlreiche Studien zeigen, dass die Aktivierung von Stereotypen als ein unbewusster Prozess
abläuft, der automatisch stattfindet, sobald wir einer Person oder Gruppe begegnen. Diese
automatischen Vorgänge werden in psychologischen Studien anhand von Assoziationen im
Gedächtnis untersucht. Beispielsweise wurde von Meyer & Schvaneveldt (1971) gezeigt, dass
Probanden kürzere Reaktionszeiten auf das Wort „Krankenschwester“ hatten, wenn vorher
das Wort „Arzt“ dargeboten wurde, als wenn vorher „Butter“ präsentiert wurde. Mit dieser
Methode wurden auch Geschlechtsstereotype untersucht (Blair & Banaji, 1996). In einer
Studie erhielten die Probanden zuerst Wörter, die entweder dem weiblichen oder dem
männlichen Stereotyp entsprachen (z.B. „sanft“ oder „stark“). Als nächstes sollten sie
weibliche oder männliche Vornamen nach ihrem Geschlecht einsortieren („weiblich“ oder
„männlich“). Es zeigte sich, dass die Reaktionszeiten unter der Bedingung am kürzesten
waren, in der die Probanden nach einem ersten Wort ein zum Stereotyp passendes Zielwort
erhielten (sanft – Jane; stark – John), im Gegensatz zu einem nicht passenden Zielwort (sanft
– John; stark – Jane). Dieser Vorgang lief außerhalb des Bewusstseins ab und illustriert die
automatische Verknüpfung bestimmter Bedeutungen im Gedächtnis. Genau wie in diesen
Beispielen werden auch Altersstereotype aktiviert durch die automatische Assoziation von
„alter Mensch“ mit Eigenschaften wie „vergesslich“ oder „weise“.
Mit der automatischen Aktivierung von Altersstereotypen werden auch die negativen
Eignungsurteile über ältere Arbeitnehmer im Rahmen der Personalauswahl erklärt, die oft im
Gegensatz zu ihrer wirklichen Leistungsfähigkeit und ihrer bisherigen Berufserfahrung
stehen. So wurde zum Beispiel untersucht, ob alte Menschen verzerrt wahrgenommen
werden, indem ihre negativen Eigenschaften besser erinnert werden als positive (Perdue &
Gurtman, 1990). Die Probanden erhielten eine Liste mit positiven und negativen
Eigenschaften. Diese Eigenschaften sollten danach beurteilt werden, wie gut sie auf einen
alten oder jungen Menschen zutreffen. In einem nachfolgenden Erinnerungstest wurden von
den Eigenschaften, die der alten Person zugeschriebenen wurden, mehr negative als positive
erinnert. Umgekehrt wurden von den Eigenschaften, die dem jungen Menschen
zugeschriebenen wurden, mehr positive Eigenschaften erinnert. Dieses Ergebnis zeigt, dass
die Erinnerung durch das Alter beeinflusst wurde, indem bei alten Menschen mehr negative
als positive Eigenschaften erinnert und diesen zugeschrieben wurden.
Es gibt jedoch viele Situationen, in denen Menschen andere Personen beurteilen müssen und
es besonders wichtig wäre, Diskriminierung und Vorurteile zu vermeiden. So sollten von
Unternehmen die tatsächlichen Fähigkeiten und Qualifikationen von Jobbewerbern
herangezogen werden und nicht das Alter. Im Berufsleben werden ältere Mitarbeiter zum
Beispiel oft pauschal als „unflexibel“ beurteilt. Diese Vorverurteilung führt dazu, dass allen
älteren Mitarbeitern Schwierigkeiten im Umgang mit neuen Computerprogrammen
zugeschrieben werden oder dass sie als nicht willig zur Weiterbildung eingestuft werden.
Nach so einer Pauschalisierung werden individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten eines
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älteren Mitarbeiters meist nicht mehr im Detail begutachtet. Da Stereotype in einer
Gesellschaft kulturell geteilt sind, werden sie einigen Personen gegenüber besonders häufig
angewendet. Spätestens bei der Diskriminierung bestimmter Gruppen setzen dann
Bemühungen an, die voreingenommenes Verhalten verhindern sollen (z.B.
Antidiskriminierungsgesetze). Zugleich halten sich viele Menschen auch an allgemeine
Standards und Werte wie Fairness und Gleichberechtigung, die eine bewusste Vermeidung
von Benachteiligungen verlangen. Es stellt sich aber die Frage, ob die bewusste Kontrolle von
Stereotypen überhaupt möglich ist. Sind diskriminierende Urteile wirklich vermeidbar, sobald
eine ausreichende Motivation dafür vorhanden ist?
Die Forschung zeigt, dass es schwierig ist, bestimmte Gedanken zu unterdrücken und dass der
Versuch, dies zu tun, sogar das Gegenteil bewirken kann. Sollten Probanden es beispielsweise
vermeiden, an einen weißen Bären zu denken, so mussten sie unwillkürlich noch viel öfter an
ihn denken (Wegner, 1994). Diese Ergebnisse zur Gedankenunterdrückung sind auch auf die
Kontrolle von Stereotypen anwendbar, denn auch die Unterdrückung von Stereotypen kann
dazu führen, dass Stereotype eher noch besser erinnert werden. Dadurch ist eine bewusste
Kontrolle von Stereotypen in vielen Situationen nicht möglich.
Jedoch gibt es bestimmte Bedingungen, in denen die Anwendung von Stereotypen kontrolliert
werden kann. Die bewusste Unterdrückung kann dann funktionieren, wenn außer einer
ausreichenden Motivation auch kognitive Ressourcen zur Unterdrückung der unerwünschten
Informationen vorhanden sind. Kognitive Ressourcen sind Kapazitäten im Gedächtnis, die
bestimmten Aufgaben zugewendet werden können. Zum Beispiel unter Zeitdruck oder bei
Multitasking bleibt nicht genug Aufmerksamkeit übrig, um Stereotype zu unterdrücken.
Richten wir jedoch unsere volle Konzentration auf eine Person, sind wir eher in der Lage, ihre
verschiedenen Eigenschaften im Detail wahrzunehmen und sie vorurteilsfrei – statt pauschal –
zu bewerten. Diese Mechanismen werden in den nachfolgenden Abschnitten noch genauer
betrachtet.
Bewerten alte Menschen das Alter auch negativ?
In einer Studie wurden junge und ältere Probanden befragt und hinsichtlich ihrer Selbst- und
Fremdwahrnehmung von verschiedenen Altersgruppen verglichen (Celejewski & Dion,
1998). Dabei sollten manche Probanden bewerten, wie sie selbst in bestimmten Altersstufen
(„jung“ - „im mittleren Alter“ - „alt“) waren, sind – oder wahrscheinlich sein werden.
Dagegen sollten andere Probanden unbekannte Personen dieser drei Alterskategorien auf
verschiedenen Eigenschaftsskalen beurteilen. Sowohl bei der Selbst- als auch bei der
Fremdbewertung wurde die Kategorie „alt“ am negativsten beurteilt. Dabei bewerteten die
älteren Urteiler unbekannte alte Personen nur leicht positiver als jüngere Urteiler. Die
Selbstbewertung der älteren Probanden war dagegen deutlich positiver als ihre Bewertung
anderer älterer Personen.
Die negative Wahrnehmung des Alters ist demnach nicht nur bei jüngeren, sondern auch bei
älteren Personen zu finden. Zum Schutze ihres Selbstwertes nehmen alte Menschen Positiv-
Umdeutungen vor und vermeiden eine Selbsteinschätzung als „alt“. Die Ergebnisse weisen
darauf hin, dass jüngere Personen alte Menschen negativer beurteilen als diese sich selbst
sehen. Gleichzeitig schätzen alte Menschen das Alter auch negativ ein – sehen sich selbst aber
im Vergleich eher positiver. Bei alten Menschen führt die negative Sichtweise anderer alter
Menschen dazu, dass sie sich als positive Ausnahme erleben („alt sind nur die anderen“).
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Fragten bisherige Studien nach dem subjektiven Alterserleben, so gaben ältere Menschen
signifikant häufiger als jüngere an, sich selbst jünger zu fühlen als sie aufgrund ihres
tatsächlichen kalendarischen Alters erwarten würden (Filipp & Schmidt, 1998). Als Trend
zeigte sich sogar, dass die Unterschätzung des subjektiven Alters umso stärker ausfiel, je älter
die Probanden waren. Weiterhin war eine hohe Unterschätzung des eigenen Alters mit einem
hohen Wohlbefinden positiv korreliert. Dies deutet darauf hin, dass sich die Identifikation mit
der Gruppe der Alten negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken würde und deshalb
vermieden wird.
Diese Ergebnisse zeigen, dass unsere kulturellen Erwartungen und Ursachenzuschreibungen
die Selbstwahrnehmung älterer Menschen beeinflussen (Filipp & Mayer, 1999). Es scheint –
jedenfalls in unserem Kulturkreis – eine besonders negative Sichtweise des hohen Alters
vorzuliegen. Der Grund dafür können die zunehmenden gesundheitlichen Verluste und
Abbauprozesse im Alter sein. Jedoch fängt das hohe Alter nach der gerontologischen
Grundlagenforschung erst ab einem Alter von 80 Jahren an (Baltes, 1996). Erst im hohen
Alter ist mit einem substantiellen Abfall der kognitiven Leistungsfähigkeit zu rechnen.
Trotzdem werden negative Stereotype bereits den sogenannten „jungen“ Alten zugeschrieben,
die für gewöhnlich noch nicht von irreversiblen Gesundheitsschäden betroffen sind und meist
noch im Berufsleben stehen. Negative Vorstellungen über das hohe Alter werden
verallgemeinert und bereits Menschen im mittleren Lebensalter werden nicht mehr nach ihren
wirklichen Fähigkeiten bewertet, sondern anhand von negativen Erwartungen.
Die Situation in Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt
Im Hinblick auf ältere Arbeitnehmer ist bei den Personalverantwortlichen oft nicht die
Motivation zur Vermeidung von Stereotypen vorhanden. Nach einer Untersuchung des
Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) haben es über 50-Jährige besonders
schwer – und stellen mit 14% nur einen kleinen Anteil der neu eingestellten Arbeitnehmer
(Bellmann, Dahms & Wahse, 2005). So haben es vor allem externe Bewerber schwer, wenn
sie sich mit über 50 von außen auf eine Stelle in einem Unternehmen bewerben. Bei internen
Bewerbern scheinen die Unternehmen deren Leistungsfähigkeit zu bemerken und die
negativen Erwartungen an ihre eigenen über 50-Jährigen zu korrigieren. Externe Bewerber
haben dagegen in besonderem Maße mit dem negativen Altersstereotyp zu kämpfen und
bekommen keine Chance, ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Auch eine Analyse der Personalauswahl-Methode des Assessment Centers zeigte, dass ältere
Bewerber geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben (Clapham & Fulford 1997).
Bewerber ab 40 Jahren erhielten im Assessment Center niedrigere Bewertungen als unter
40jährige, obwohl ihre Kompetenz in Ausbildungsniveau, Berufserfahrung und intellektueller
Leistungsfähigkeit gleich hoch war. Dieses Ergebnis spricht für ein ausgeprägtes
Altersstereotyp in der Arbeitswelt, das bereits bei Bewerbern ab 40 Jahren zu einer negativen
Bewertung führt und im Widerspruch zu ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit steht. Trotz
eines zunehmenden Bewusstseins für den demographischen Wandel hat sich in Unternehmen
an der negativen Sichtweise älterer Mitarbeiter auch in den letzten Jahren nichts geändert
(Maurer, Barbeite, Weiss & Lippstreu, 2008).
Zudem wirken sich Stereotype als selbsterfüllende Prophezeiungen aus. Zum Beispiel kann
die Erwartung einer schlechten Gedächtnisleistung dazu führen, dass ein alter Mensch sich
nur wenig anstrengt, um seine Leistung zu verbessern und damit seine Leistungspotentiale
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nicht voll ausschöpft (Baltes & Baltes, 1986). Diese Auswirkungen von Altersstereotypen
haben vermutlich weitreichende Folgen für unsere Gesellschaft und das individuelle
Wohlbefinden. Die große Mehrheit der Menschen im Ruhestand geht in Deutschland kaum
noch Erwerbstätigkeiten nach, also auch keinen Nebentätigkeiten, wie zum Beispiel
ehrenamtlicher Arbeit (Kohli, 1996). Dies steht im Gegensatz zu anderen Ländern, wo
Menschen im Ruhestand auch ohne finanzielle Not noch Nebentätigkeiten nachgehen – oder
zumindest ehrenamtlicher Arbeit. Bemerkenswert ist dies auch deshalb, da bei den jüngeren
Alten die kleineren Verluste in der Leistungsfähigkeit durchaus mit Expertise und Erfahrung
sowie durch ihre hohe Vertrautheit mit dem Arbeitsplatz kompensiert werden können (Baltes,
1990). Es sieht so aus, als ob Altersstereotype zu der negativen Selbst- und Fremdbewertung
und damit zur Benachteiligung alter Menschen führen.
Die Erfordernisse des Demographischen Wandels
Durch den demographischen Wandel und den drohenden Fachkräftemangel sollte in
Unternehmen ein noch zunehmender Bewusstseinswandel entstehen. So verfügen ältere
Mitarbeiter oft über Spezialwissen in bestimmten Bereichen, die für ein Unternehmen wichtig
sind. Durch langjährige Berufserfahrung haben sie Expertenwissen erworben, das für
Unternehmen unentbehrlich ist. Aus Sicht der Unternehmen müsste es daher wünschenswert
sein, das Wissen ihrer älteren Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und an andere
Mitarbeiter weiterzugeben, bevor die Experten in den Ruhestand gehen. Damit einhergehend
sollten Personalverantwortliche bemüht sein, ein faires Urteil über ältere Mitarbeiter und
Fachkräfte zu treffen und diese nicht zu benachteiligen.
Bisherige Studien legen allerdings die Vermutung nahe, dass Stereotype auch dann die
Bewertungen beeinflussen, wenn jemand ein objektives Urteil treffen möchte (Bittner, 2008).
Versuchen Menschen, bei ihren Urteilen Stereotype zu ignorieren, so kann es unter anderem
auch zu dem Effekt einer Überkompensation kommen. Von Überkompensation wird
gesprochen, wenn der Versuch, ein negatives Stereotyp zu korrigieren, zu einer extrem
positiven Bewertung führt. Dies kann dazu führen, dass den erfolgreichen Alten eine höhere
Kompetenz zugeschrieben wird (z.B. Managern). Diese „positiven Alten“ werden dann als
leistungsfähige Ausnahme innerhalb der Gruppe der Alten wahrgenommen. Ein Grund dafür
ist, dass im Alltag diejenigen Informationen besonders stark unsere Urteile beeinflussen, die
unseren Erwartungen widersprechen. Wird eine ältere Person dem Altersstereotyp
widersprechend als unternehmungslustig und sportlich beschrieben, dann kann es geschehen,
dass diese Person positiver bewertet wird als eine jüngere Person mit diesen typisch jungen
Eigenschaften (Filipp & Mayer, 1999).
Die psychologische Literatur deutet darauf hin, dass die Information über das Alter einer zu
beurteilenden Person vor allem dann einen Einfluss hat, wenn keine weiteren Informationen
über andere Merkmale, wie zum Beispiel über die Leistungsfähigkeit einer alten Person
angegeben werden (z.B. Braithwaite, 1986). Gerade dann wird das kalendarische Alter einer
Person als Kriterium für die Leistungsfähigkeit herangezogen und das tatsächliche
Expertenwissen vernachlässigt (Filipp & Mayer, 1999). Darüber hinaus kommt es jedoch
auch darauf an, welche Kompetenz-Merkmale beurteilt werden sollen. Werden Kompetenzen
im Detail begutachtet, dann werden alte und junge Personen beispielsweise in ihrer sozialen
Kompetenz vergleichbar gut bewertet (Bittner, 2008). Es ist also wichtig, dass möglichst viele
individuelle Eigenschaften einer Person wahrgenommen werden, damit es nicht zu einer
pauschalen Beurteilung anhand des Alters kommt.
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Ausblick
Der demographische Wandel macht eine Änderung des Personalmanagements notwendig, da
viele Unternehmen die Expertise älterer Mitarbeiter benötigen. Um ein Umdenken zu
erreichen, müsste bei Vorgesetzten und Personalverantwortlichen die Motivation zur
Vermeidung von Stereotypen geschaffen werden. Bei diesen Veränderungen können
beispielsweise auch die Medien mithelfen, um durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit einen
Prozess des Umdenkens in Gang zu setzen, wie er bereits im Hinblick auf
Geschlechtsstereotype oder bei der Integration von Migranten begonnen hat. Auch die Politik
könnte verstärkt Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen während ihrer
Sozialisation moralische Normen wie Gleichberechtigung und Fairness erlernen. Dies würde
Menschen in die Lage versetzen, auftretende Diskrepanzen zwischen Fairness- Normen und
ihrem aktuellen Verhalten zu bemerken und diskriminierendes Verhalten zu verändern. Von
diesen moralischen Kontrollprozessen wird angenommen, dass sie mit viel Übung und
Training sogar automatisiert werden können (Montada, 2002).
Auch wenn die Motivation zur Kontrolle von Stereotypen vorhanden ist, reicht diese trotzdem
nicht immer aus. Untersuchungen zeigen, dass die früh gelernte Verknüpfung von „alt“ mit
negativen Eigenschaften in unserem Gedächtnis gespeichert ist und trotz aller Bemühungen
die Beurteilung alter Menschen beeinflusst (Bittner, 2008). Deshalb wäre es wichtig, dass
bereits von der Kindheit an positive Assoziationen mit alten Menschen gelernt werden. In
vielen Kulturen geschieht das, da dort älteren Menschen ein besonderer Respekt
entgegengebracht wird und sie eine hohe gesellschaftliche Stellung haben. Wurden negative
Altersstereotype jedoch einmal gelernt, können sie nur noch schwer verändert werden. Eine
weitere Möglichkeit wären gezielte Trainings (Kawakami, Dovidio & van Kampf, 2005), in
denen sich zum Beispiel Personalverantwortliche mit den positiven Eigenschaften älterer
Beschäftigter beschäftigen. Positive Eigenschaften gibt es viele – und auch die Möglichkeit,
sich durch lebenslanges Lernen weiterzubilden. Zwar ist nicht jeder ältere Mensch
automatisch auch weise, doch kommt es im Laufe des Lebens zu einem Wissenszuwachs an
Erfahrungen und Expertise. Eine Mischung aus jüngeren und älteren Arbeitnehmern würde in
Unternehmen zu einem ausgewogenen Ausgleich zwischen dem Expertenwissen Älterer und
den unkonventionellen Herangehensweisen Jüngerer führen.
Cite this article as:
Bittner, J. V., & Wippich, W. (2011). Altersstereotype: Bilder vom Altern und von älteren
Arbeitnehmern [Age stereotypes: Images of aging and of older workers]. In-Mind Magazine, 1.
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Bittner & Wippich, 2011
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