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Martin Krogmann, Dr. Jens Lehmann
Anwendung von Mikroklimaten in der
Konservierung von Pyrit und Markasit
sich weißliche und gelbliche Ausblühun-
gen, die Objekte reißen und zerfallen zuse-
hends. In vielen Fällen ist die Entsorgung
des Stückes unumgänglich. Im Laufe der
Jahrzehnte wurden diverse Konservie-
rungsmethoden vorgeschlagen und prakti-
ziert. Die meisten dieser Methoden haben
sich als nicht wirkungsvoll erwiesen oder
der Nutzwert der Objekte wurde enorm
reduziert (ne W M a n 1998).
Pyritfossilien sind oft besonders gut erhal-
ten und deshalb intensiv gesammelt und
somit häufi ge Objekte in geowissenschaft-
lichen Sammlungen. Unglücklicherweise
sind manche dieser Fossilien nicht stabil
und beginnen in den Sammlungen zu zer-
fallen. Pyritzerfall (Abb. 1, 2) ist vermut-
lich die schwerwiegendste Problematik
überhaupt beim Erhalt geowissenschaftli-
chen Materials. Auf den Objekten bilden
Einleitung
Die Aufbewahrung und Lagerung von geo-
wissenschaftlichen Objekten ist im Großen
und Ganzen unproblematisch. Die meisten
Gesteine und Fossilien sind im Hinblick
auf ihre Lagerung unproblematisch. Aus-
nahmen bilden pleistozäne oder holozäne
Knochen, zum anderen Fossilien, die Pyrit
enthalten oder aus Pyrit bestehen.
4
84 Der Präparator | 55 | S. 84 – 87 | Bremen, 2009
Grundlage des Pyritzerfalls
Pyrit ist ein kubisch kristallisierendes Eisen-
sulfid mit der chemischen
Zusammenset-
zung FeS
2
. Markasit hat die gleiche chemische
Zusammensetzung, im Gegensatz zu Pyrit
ist Markasit aber orthorhombisch. Marka-
sit gilt als bedeutend anfälliger als Pyrit,
aber auch Pyritkristalle haben schon Zer-
fallserscheinungen gezeigt. Es gilt folgende
Reaktionsformel für den Pyritzerfall:
4FeS2
+
13O2
+
2H2O
→
4FeSO4
+
2H2SO4 + 2SO2
Der Pyrit reagiert mit der Luftfeuchtigkeit
sowie dem Luftsauerstoff. Es bilden sich
Eisen(II)sulfat, Schwefelsäure und Schwefel-
dioxid. Diese Reaktionsprodukte des Pyrit
zerstören langsam aber stetig das Fossil. In
extremen Fällen sind nach wenigen Mo-
naten nur noch Fragmente des Objektes
vorhanden. Die Schwefelsäure greift unter
anderen auch die Sammlungsetiketten an,
sodass neben den Stücken auch die zugehö-
rigen Informationen verloren gehen können.
Über diese Grundlagen hinaus ist der Pyrit-
zerfall nur unzureichend verstanden. Es gibt
pyritisierte Fossilien, die über Jahrhunderte
stabil sind, während andere nach wenigen
Wochen komplett zerfallen. Laut ne W M a n
(1998), der verschiedenste Variablen un-
tersucht hat, die Einfluss auf die Reaktion
haben können, sind die einzigen, die wir be-
einflussen können, Temperatur, Luftfeuch-
tigkeit und Luftsauerstoff. Die Reaktion
scheint langsamer zu verlaufen, je geringer
die Temperatur ist. Größeren Einfluss hat
aber die Luftfeuchtigkeit. Viele Fundstücke
scheinen unter 50 % rel. Luftfeuchtigkeit
stabil zu sein. Ab ca. 60 % relative Luftfeuch-
tigkeit beginnt der Zerfall. Dies trifft nicht
auf alle Objekte zu, aber die Mehrheit.
Mikroklima-Methodik
Aus dieser Erkenntniss heraus versuchte
man lange durch trockene und kühle Lager-
bedingungen den Pyritzerfall in Sammlun-
gen zu verhindern. Diese Bedingungen las-
sen sich aber oft nicht dauerhaft aufrechter-
halten. Im Sommer ist die Luftfeuchtigkeit
recht hoch und im Winter sinkt sie beträcht-
lich. Zahlreiche Besucher in der Sammlung,
z.B. bei Führungen, und feuchte Reinigung
des Bodens lassen die Luftfeuchtigkeit an-
steigen. Um die Luftfeuchtigkeit unter 60 %
zu halten, wird in den meist großräumigen
Sammlungen ein großer Luftentfeuchter
benötigt. Dieser ist teuer in der Anschaf-
fung und verursacht zudem laufende Kos-
ten. Manchmal ist es aufgrund baulicher
Gegebenheiten, z.B. offene Räume oder
Zentralbelüftung für das gesamte Gebäude,
nicht möglich, das Klima im Sammlungs-
raum zu kontrollieren. Um diese Proble-
me zu umgehen, hat do y l e (2003) einen
Sammlungsschrank luftdicht verpackt. Dies
diente dazu, das zu kontrollierende Luftvo-
lumen zu reduzieren, Einflüsse von Außen
auszuschalten und so ein möglichst opti-
males und stabiles Mikroklima zu schaffen.
Im Sammlungsschrank wurde eine Art
Sorb-Kassette eingeschlossen. Diese konnte
die Luftfeuchtigkeit im Schrank stabil bei
44 % +/-3 % halten. Außerhalb der Barrie-
re schwankte im selben Zeitraum die Luft-
feuchtigkeit zwischen 30 und 60 %. Dieses
zeigt, dass je kleiner das Volumen ist, in dem
die kritischen Objekte lagern, umso besser
die Möglichkeiten sind, die Bedingungen
im Sinne einer erfolgreichen Konservierung
zu beeinflussen. Optimal wäre ein Klima,
in dem keinerlei Reaktionspartner für den
Pyrit enthalten sind, also Luftfeuchtigkeit
und Sauerstoff fehlen. Vom Verpacken eines
ganzen Sammlungsschrankes war es nur
noch ein kleiner Schritt zur Idee, jedes ein-
zelne Stück in einem Mikroklima unterzu-
bringen. Glücklicherweise gibt es schon ein
Verpackungssystem, das optimal für diesen
Zweck geeignet ist.
Material
Das Verpackungssystem RP wurde von der
Mitsubishi Gas Chemical Company Inc.
als Umhüllung für Elektronikbauteile ent-
wickelt. Diese dürfen während des Trans-
portes und der Lagerung nicht korrodie-
ren und werden deshalb luftdicht mit Ab-
sorbern verpackt. Bec k e R (1999) hat das
System zur Lagerung von korrosionsemp-
findlichen archäologischen Funden ver-
wendet. Die gleiche Methode ist gut auf
Pyritfossilien übertragbar, die eine ähnli-
che Problematik aufweisen. Das RP-System
(an o n y M u s 2002) besteht aus drei Kom-
ponenten: Folien, Absorbern und Indika-
toren. Der Zweck der Folien ist es, eine
gasdichte Barriere um das Objekt zu bil-
den. Herkömmliche PE-Folie ist dazu un-
geeignet, da sie über längere Zeiträume
nicht gasdicht ist (Tab. 1). Aluverbundfoli-
en sind offensichtlich sehr gasdicht, weisen
aber den Nachteil auf, nicht transparent zu
sein. Damit kommen sie für die geowissen-
schaftliche Anwendung nicht in Frage. Die
transparente Escal Folie ist dagegen geeig-
net. Diese 120 µm dicken, mit Keramik be-
schichteten, verschweißbaren Folien sind
als Schlauchfolie sowie als Meterware er-
hältlich.
Tabelle 1
Material Sauerstoffdurchlässigkeit
(cc/m2 x Tag x atm)
Wasserdampfdurchlässigkeit
(g/m2 x Tag)
ESCAL 0,05 0,01
Alufolie <0,01 <0,01
PE Folie 2000 5–15
85
Die letzte Komponente des Systems ist ein
Sauerstoffi ndikator, der sich bei einer Sau-
erstoffkonzentration von über 0,5 % blau
färbt. Somit kann die Dichtheit der Verpa-
ckung sowie eine ausreichende Dosierung
der Absorber kontrolliert werden.
Methode
Der erste Schritt ist die Auswahl der Stücke.
Aufgrund der Kosten ist es nicht praktika-
bel, tausende von Stücken zu verpacken.
In Frage kommt diese Methode jedoch bei
Stücken, die wissenschaftlich bearbeitet
wurden, bei denen es sich zum Beispiel um
Typmaterial handelt, oder die aus anderen
Gründen nicht zu ersetzen sind. Bevor die
Stücke eingeschweißt werden ist es sinn-
voll, so viele Daten wie möglich zu gewin-
nen. Messwerte können nicht oder nur sehr
eingeschränkt genommen werden, Abgüsse
sowie Fotos lassen sich nicht mehr erstellen,
ohne die Verpackung wieder zu öffnen. Um
danach wieder ein Mikroklima zu schaffen,
muss ein neuer Absorber verwendet werden,
sprich: Es entstehen neue Kosten.
Die Verwendung von Schlauchfolie hat
sich in der Praxis am besten bewährt (Brei-
te 120 mm und 220 mm). Vom laufenden
Band wird ein entsprechendes Stück Folie
abgeschnitten. Hierbei sollte man großzü-
gig vorgehen. Eine Seite der Tasche wird mit
dem Schweißgerät verschlossen (Abb. 4).
In der Geowissenschaftlichen Sammlung
der Universität Bremen verwenden wir ein
Impulsschweißgerät SZ380 der Firma Jois-
ten & Kettenbaum (Abb. 5) mit einer 8 mm
breiten Schweißnaht, um die Diffusion von
Sauerstoff möglichst gering zu halten. Mc-
Ph a i l (2003) hat die Sauerstoffdurchlässig-
keit der Schweißnähte untersucht, bei rich-
tiger Verwendung der Schweißpistole sind
sie für unsere Zwecke ausreichend dicht.
Anschließend wird das Objekt mit dem Ab-
sorber in die Tasche gepackt. Nun muss die
zweite Seite möglichst schnell verschweißt
werden. Die Absorber beginnen nun den
Sauerstoff und die Luftfeuchtigkeit in der
Die Absorber (Abb. 3) gibt es in zwei Vari-
anten: RP-K für organische Objekte sowie
RP-A für Metallobjekte. RP-K bindet den
Luftsauerstoff sowie Schadgase (Schwefel-
dioxid, Chlorwasserstoff und Ammoniak),
die Luftfeuchtigkeit bleibt aber konstant.
Damit kommt RP-K zum Beispiel für Holz,
Leder und andere Stoffe in Frage, die durch
eine Reduzierung der Luftfeuchtigkeit Scha-
den nehmen würden. Für unsere Versuchs-
objekte haben wir den Typ RP-A verwendet.
Dieser Typ absorbiert und bindet zusätzlich
die Luftfeuchtigkeit. Beide Absorbertypen
können nur einmal verwendet werden
und werden nach Benutzung im normalen
Hausmüll entsorgt. Die Menge an Absor-
bern muss immer an das Luftvolumen an-
gepasst werden. Bei richtiger Anwendung
wird der Sauerstoffanteil der Luft von 21 %
auf unter 0,1 % reduziert. Die relative Luft-
feuchtigkeit wird in einer Stunde auf unter
10 % reduziert und sinkt danach weiter.
1 cm 1 cm
1 2
Abb. 1–2 | Pyritzerfall
Abb. 3 | Pyritfossilien in luftdicht
verschlossener Folientasche
Abb. 4 | Verschweißen einer Folientüte
Abb. 5 | RP-A Absorber
3
5
86 Anwendung von Mikroklimaten in der Konservierung von Pyrit und Markasit
wrap (brand name: RP-System), providing
an oxygen-free environment. Absorbers
help to maintain an environment free of
oxygen and air moisture. In an oxygen-free
environment the pyrite remains inactive
and stable. A brief introduction is given on
methods, materials and procedures.
Bezugsquellen
RP System:
m.art preserving gmbh
Burstenstraße 37a
D-51702 Bergneustadt
www.m-art-preserving.com
Literaturverzeichniss
an o n y M u s (2002): RP System – Schad-
stoffabsorber Produktinformationen.
Be c k e R , H. (1999): RP SystemTM,
ein neues Verpackungsmaterial für
korrosionsempfindliche Materialien. –
Arbeitsblätter der Restauratoren (1):
72–76.
co R n i s h , L., do y l e , A. (1984): Use of
ethanolamine thioglycollate in the
conservation of pyritized fossils. –
Palaeontology 27 (2): 421–424.
do y l e , M. A. (2003): A large scale
‘microclimate’ enlosure for pyritic
specimens. – The Geological Curator
7 (9): 329–335.
McPh a i l , D., la M , E., ad R i a n , D. (2003):
The heat sealing of Escal Barrier
films. – The Conservator (27): 96–105.
ne W M a n , A. (1998): Pyrite oxidation and
museum collections: A review of theo-
ry and conservation treatments. – The
Geological Curator 6 (10): 363–371.
Zerfallserscheinungen. Die Kontrollgruppe,
die unbehandelt blieb, zeigt geringe Zerfalls-
erscheinungen. Es ist also zweifelsohne ein
konservierender Effekt zu beobachten.
Bei wichtigen Stücken, die Pyrit enthalten,
ist es unsere Meinung nach zu überlegen,
ob sie prophylaktisch in einem Mikroklima
gelagert werden sollen. Es kann den Stücken
nicht schaden und ist mit einen Scheren-
schnitt wieder rückgängig zu machen.
Danksagung
Wir möchten uns bei Sven Maaske von der
Firma m.art preserving für die Überlassung
des Testgerätes sowie die ausführliche Bera-
tung bedanken. Die Diskussion mit Adrian
Doyle vom Natural History Museum in
London (heute am Museum of London)
und der Ergebnisvergleich waren für den
Artikel extrem wertvoll. Diese Untersuchung
wurde durch das Synthesys-Projekt (www.
synthesys.info) unterstützt, finanziert durch
die Forschungs-Infrastrukturmaßnahme
der Europäischen Gemeinschaft unter „FP7
Integrating Activities Programme“.
Zusammenfassung
Der Zerfall mancher pyritisierter Fossilien
ist ein Problem, das geowissenschaftliche
Sammlungen auf der ganzen Welt betrifft.
Es wird ein neuer Ansatz zur Pyritkonser-
vierung von Fossilien vorgestellt. Die Fos-
silien werden in luftdichten Folientaschen
(RP-System) verpackt. Absorber binden
die Luftfeuchtigkeit sowie den Luftsauer-
stoff. Ohne Sauerstoff kann der Pyrit nicht
reagieren und bleibt stabil. Es wird eine
kurze Erläuterung der Methode, Materiali-
en und Vorgehensweise gegeben.
Summary
Decay of some pyritized fossils is a com-
mon problem in geosciences collections
around the world. Herein a new method is
introduced to conserve pyritized fossils by
sealing them in pockets made of clear cling-
Tüte zu binden. Dabei reduziert sich das
Luftvolumen. Die Folie drückt sich an das
Stück (Abb. 6). Dies ist der Grund, warum
man die Verpackung etwas größer wählen
sollte. Wenn sie zu eng ist, können scharfe
Kanten Löcher in die Tüte drücken, oder
die Folie könnte fragile Stücke beschä-
digen. Für sehr fragile Stücke sollte man
Abstandshalter beigeben. Zwei Personen
können so innerhalb kurzer Zeit eine gro-
ße Anzahl an Stücken verpacken. Um die
Kosten zu reduzieren haben wir die Indi-
katoren nur in jede zehnte Tüte gepackt.
Vorteile
Der große Vorteil dieser Methode ist un-
serer Meinung noch, dass die Chemie der
Objekte nicht beinflusst wird. Jede weitere
denkbare chemische oder physikalische
Analyse bleibt möglich.
Der Arbeitsaufwand ist geringer als eine
Tränkung mit Kunststoffen oder eine
EATG-Behandlung (co R n i s h 1984). Eine
„Ansteckung“ ganzer Sammlungen durch
„infizierte“ Einzelstücke ist wirksam unter-
bunden. Im schlimmsten Fall zerfallen die
Stücke in der eigenen Folientasche.
Nachteile
Die Kosten pro Stück und die Schweiß-
zange sind relativ groß. Außerdem ist der
Gebrauchswert der Stücke eingeschränkt.
Solange sie eingeschweißt sind, können sie
nicht mehr direkt vermessen, abgegossen
oder ausgestellt werden.
Schlussfolgerung
Im Gegensatz zu vielen anderen Methoden
bietet dieses Vorgehen, dank der Indikatoren,
eine wirkliche Kontrolle über das Mikrokli-
ma. Versuche mit den Folientaschen im Na-
tural History Museum (NHM) London und
der Geowissenschaftliche Sammlung Bre-
men (GSUB) sind sehr erfolgversprechend.
Die Stücke in Bremen wurden Anfang 2002
eingeschweißt und zeigen bis jetzt keine
Anschrift der Autoren
Martin Krogmann, Dr. Jens Lehmann
Universität Bremen
Geowissenschaftliche Sammlung am
Fachbereich Geowissenschaften
Leobener Straße, Gebäude MARUM
D-28359 Bremen
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