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Wirkung von Ultraschall
auf die Knochenheilung
Durch Ultraschall kann die Knochenhei-
lung po sitiv beeinflu sst werden [3, 6,9, 11,
13, 15,16, 17,19]. Die erzeugten Schallwellen
breiten sich im Gewebe in Form von
Druckwellen aus [23], und die durch die
Schallwellen erzeugte mikromechanische
Kraft wirkt auf den Knochen und das
umliegende Gewebe. Auf diese Weise kön-
nen nach dem Prinzip der Mechanotrans-
duktion biochemische Veränderungen auf
zellulärer Ebene hervorgerufen werden
[1].
Erste experimentelle Arbeiten [7,9]
konnten einen Wachstums- und Diffe-
renzierungsreiz des gebildeten Kallusge-
webes bei der Frakturheilung unter dem
Einfluss von Ultraschall nachweisen. His-
tologisch zeigt sich eine schnellere Diffe-
renzierung des Kallus, was sich in einem
frühzeitigen Auftreten von gerichteten
Kollagenfasern und einer beschleunigt
ablaufenden Mineralisierung widerspie-
gelt.Auch die mechanische Festigkeit des
gebildeten Knochengewebes wird in der
Frakturzone signifikant gesteigert [8].
Heilungsstimulation
S.A.Esenwein1· K.F. Hopf1· M.Dudda1· A. Pommer2· F.Kutscha-Lissberg1· G. Muhr1
1Chirurgische Klinik mit Poliklinik,BG Kliniken Bergmannsheil, Ruhr-Universität Bochum
2Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie,Helios Klinikum Wuppertal,
Universität Witten-Herdecke
Niederenergetischer,
gepulster Ultraschall
zur Beeinflussung der
Knochenregeneration
Klinische Anwendung und wissenschaftliche
Grundlagen
Klinisch wurde die adjuvante Ultra-
schallbehandlung frischer und verzögert
heilender Knochenbrüche bereits früh-
zeitig angewandt. Schon 1990 berichtete
Knoch [10] über 20-jährige Erfahrungen
an 2500 mit Ultraschall behandelten Pa-
tienten. In allen Fällen wurde mit einem
relativ hoch dosierten und kontinuierli-
chen Ultraschallsignal (Frequenz 800 kHz,
Intensität 0,1–0,5 W/cm2) gearbeitet, wel-
ches zu einem Temperaturanstieg im um-
liegenden Gewebe führt und bei lokaler
Applikation von länger als 3 min die Ge-
fahr von Hitzenekrosen mit sich bringt. Um
diesen Effekt der Gewebeerwärmung und
somit die Gefahr von Hitzenekrosen auch
bei längerer Anwendungsdauer zu mini-
mieren, wurde zwischenzeitlich ein Sys-
tem entwickelt, welches ein niederener-
getisches, gepulstes Signal verwendet [3].
Niederenergetischer,
gepulster Ultraschall
Niederenergetischer,gepulster Ultraschall
wird seit 1983 zur Beschleunigung der
Frakturheilung eingesetzt.Vorausgegan-
gene tierexperimentelle Studien zeigten,
dass die Knochenheilung auch durch die-
ses Verfahren beschleunigt wird und es
zu einer vermehrten Kallusbildung kommt
[3]. Das Verfahren besitzt in den Vereinig-
ten Staaten von Amerika seit dem 17.10.1994
die Zulassung der Food and Drug Admi-
nistration (FDA),nachdem dessen stimu-
lative Eigenschaften bei der Knochen-
bruchheilung und der Therapie von Pseud-
arthrosen in 2 prospektiven,doppelblin-
den und randomisierten Studien am Men-
schen [6, 11] nachgewiesen werden konn-
ten. Bei den beiden zitierten Studien
wurde eine tägliche Behandlungszeit von
20 min eingehalten und mit einem nieder-
energetischen, gepulsten Ultraschallsig-
nal (Frequenz 1,5 MHz, gepulst mit 1 kHz,
Signallänge 200 ms, Leistung 117 mW;
Intensität 30 mW/cm2) gearbeitet. Die
Eigenschaften des angewandten nieder-
energetischen, gepulsten Ultraschall-
signals lagen dabei im Bereich der als
sicher geltenden diagnostischen Anwen-
dungen.
Ein kommerzielles Gerät mit entspre-
chenden physikalischen Parametern wird
seit geraumer Zeit von der Industrie
(Smith & Nephew GmbH,Produktbereich
Trauma und Berufskrankheit · Supplement 3 ·
2004
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S351
Trauma Berufskrankh 2004 · 6 [Suppl 3] : S351–S356
DOI 10.1007/s10039-003-0722-3
Online publiziert: 30. April 2003
© Springer-Verlag 2003
Heilungsstimulation
Exogen,22869 Schenefeld, Deutschland)
angeboten. Zur wirksamen Behandlung
muss der Schallkopf des Geräts über der
Defektzone zu liegen kommen,was vor
Behandlungsbeginn unter Durchleuch-
tung festgelegt und auf der Haut des Pa-
tienten markiert wird. Nach Geräteein-
weisung führen die Patienten dann die
Behandlung selbstständig zu Hause durch.
Im Folgenden soll ein Überblick über
die klinische Anwendung von nieder-
energetischem, gepulstem Ultraschall bei
Störungen der knöchernen Regeneration
und über die wissenschaftlichen Grund-
lagen zum Wirkmechanismus des Ver-
fahrens gegeben werden. Dabei werden
die eigenen Behandlungsergebnisse mit-
berücksichtigt.
Klinische Anwendungen
von niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall
Durch die Anwendung von niederener-
getischem, gepulstem Ultraschall konnte
in klinischen und experimentellen Stu-
dien eine Verbesserung der Frakturhei-
lung na chgewiesen werden [2,3, 6,11, 13, 14,
15, 17].Dabei konnte eine Verkürzung der
Heilungszeit von bis zu 38% im Vergleich
zu unbehandelten Patienten belegt wer-
den.
Anwendungen
bei gestörter Frakturheilung
In einer prospektiv konsekutiven Anwen-
dungsbeobachtung wiesen Mayr et al. [17]
die Wirksamkeit von niedrig intensivem,
gepulstem Ultraschall zur Behandlung
von Frakturheilungsstörungen nach. 100
Patienten wurden in die Studie einge-
schlossen. In 64 Fällen lag ein Fraktural-
ter von über 120 Tagen und in 36 Fällen
ein Frakturalter von über 240 Tagen zu-
grunde. In allen Fällen wurde die Ultra-
schalltherapie als Alternative zu der an-
sonsten als indiziert angesehenen opera-
tiven Therapie der Frakturheilungsstö-
rung durchgeführt.
Insgesamt konnte bei dem oben ge-
nannten Patientenkollektiv mit gestör-
terFrakturheilung (verzögerte Knochen-
bruchheilung bzw. Pseudarthrosenbil-
dung) eine Heilungsrate von 86% unter
Anwendung von niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall erreicht werden.
Auch die eigenen klinischen Behand-
lungsergebnisse an bisher 14 Patienten
außerhalb einer Studie zeigten die Wirk-
samkeit der Ultraschallbehandlung bei
der Pseudarthrosentherapie (⊡Abb. 1).
Anwendungen
bei frischen Skaphoidfrakturen
Bei der Behandlung von frischen Ska-
phoidfrakturen konnte im Rahmen einer
prospektiv randomisierten Untersuchung
an 30 Patienten ebenfalls eine Verkürzung
der Heilungszeit durch niederenergeti-
schen, gepulsten Ultraschall belegt wer-
den [15]. Die Heilungszeit der Frakturen
verkürzte sich von 62±19,2 Tagen in der
unbehandelten Gruppe auf 43,2±10,9 Tage
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Trauma und Berufskrankheit · Supplement 3 ·
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Abb. 1a–c ▲36-jähriger männlicher Patient,subtrochantere Femurfraktur mit großer medialseitiger
Defektzone,auswär tige primäre osteosynthetische Versorgung mittels Gleitnagel nach Friedl,15 Ta-
ge nach Erstoperation Zuweisung bei bestehender Frakturdehiszenz und vorliegender Außenrota-
tionsstellung von 20°; im Verlauf 3-malige Reosteosynthese mit mehrfacher Spongiosaplastik auf-
grund wiederholtem Osteosyntheseversagen notwendig,zuletzt mit Ausriss der zuvor eingebrach-
ten breiten 10-Loch-LCDC-Platte. aVersorgungsergebnis nach letzter Operation. bAusbildung einer
Pseudarthrose 6 Monate nach dem letzten chirurgischen Eingriff. Die Indikation zur Durchführung
der Therapie mittels niederenergetischem,gepulstem Ultraschall wird gestellt. cAusheilungsergeb-
nis nach 4-monatiger Therapie mittels niederenergetischem,gepulstem Ultraschall. Knöcherne Kon-
solidierung unter schmerzfreier Vollbelastung der betroffenen Extremität ist gegeben
in der Ultraschallgruppe. Die mittels sagit-
talen computertomographischen Schnitt-
bildaufnahmen ermittelte Durchbauung
der Frakturzone zeigte 4, 6 und 8 Wochen
nach dem Unfall einen signifikanten Vor-
teil (p<0,05) der mit Ultraschall behan-
delten Patienten.
Unterstützung der Regeneratreifung
bei der Kallusdistraktion
Eine weitere Herausforderung für den
Einsatz von Ultraschall stellt die Unter-
stützung der Regeneratreifung bei der
Kallusdistraktion dar [4, 23].Im Rahmen
einer prospektiven,randomisierten Studie
an der Klinik des Erstautors wurden bis-
her 32 Patienten mit Distraktionskortiko-
tomien >4 cm nachuntersucht, um fest-
zustellen, ob sich bei der Kallusdistrak-
tion eine Stimulation der Regeneratbil-
dung und -reifung durch die Anwendung
von niederenergetischem, gepulstem Ul-
traschall erzielen lässt.
Beide Patientengruppen (mit und ohne
Anwendung von Ultraschall) waren hin-
sichtlich ihrer demographischen Daten
vergleichbar. Die durchschnittliche Trans-
portstrecke betrug in der Ultraschall-
gruppe 74 mm und in der Kontrollgrup-
pe 75 mm. Die Indikation zur Kallusdis-
traktion ergab sich in 9 Fällen bei primä-
rem Substanzdefekt nach Fraktur der
unteren Extremität,bei 23 Patienten wurde
eine Segmentresektion zur Therapie einer
vorbestehenden Osteitis durchgeführt.
16 von 32 Patienten führten eigenständig
nach Geräteeinweisung durch den behan-
delnden Arzt während 20 min täglich eine
Therapie mittels niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall über der Regene-
ratzone durch.
Die Qualität des gebildeten Regenerats
wurde sonographisch und radiologisch
in 2- bis 4-wöchigen Abständen im Rah-
men der ambulanten Wiedervorstellung
der Patienten beurteilt.Ferner wurde die
Kallusdichte in den standardisierten Rönt-
genaufnahmen mittels digitaler Bildana-
lyse gemessen. Die statistische Auswer-
tung der ermittelten radiologischen Dich-
tewerte innerhalb der Regeneratstrecke
erfolgte mittels ANOVA-Varianzanalyse.
Endpunkt der Studie waren die Trans-
portzeit sowie die Behandlungszeit bis zur
Fixateurentfernung.
Trauma und Berufskrankheit · Supplement 3 ·
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Zusammenfassung · Abstract
Trauma Berufskrankh 2004 · 6 [Suppl 3] : S351–S356
DOI 10.1007/s10039-003-0722-3
© Springer-Verlag 2003
S. A.Esenwein · K. Friedemann Hopf · M.Dudda · A. Pommer · F. Kutscha-Lissberg · G. Muhr
Niederenergetischer,gepulster Ultraschall
zur Beeinflussung der Knochenregeneration.
Klinische Anwendung und wissenschaftliche Grundlagen
Zusammenfassung
Durch die Anwendung von niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall kann die Knochenheilung
beschleunigt werden.Die vorliegende Arbeit soll
einen Überblick über die klinischen Anwendungs
-
möglichkeiten von niederenergetischem,gepuls-
tem Ultraschall bei Störungen der knöchernen
Regeneration und über die wissenschaftlichen
Grundlagen zum Wirkmechanismus des Verfah-
rens geben.Dabei werden neben Erfahrungen
aus der Literatur auch eigene experimentelle
Resultate und klinische Behandlungsergebnisse
mitberücksichtigt.Die präsentier ten Ergebnisse
belegen den stimulierenden Effekt von nieder-
energetischem,gepulstem Ultraschall auf die
Frakturheilung.Insbesondere in Grenzsituationen
wie der Kallusdistraktion und der Therapie von
Pseudarthrosen erscheint uns deshalb der klini-
sche Einsatz des Verfahrens als gerechtfertigt.
Schlüsselwörter
Gepulster Ultraschall · Kallusdistraktion ·
Extremitätenverlängerung ·
Frakturheilungsstörung · Pseudarthrose
Bone healing can be accelerated by the use of
low-intensity,pulsed ultrasound.This article
offers an overview of the possibilities for its clini-
cal application as well as its scientific basics as
far as its effect mechanism is concerned.Apart
from experiences cited in the literature, our own
experimental and clinical treatment results are
also demonstrated.The results presented show a
stimulatory effect of low-intensity,pulsed ultra-
sound on fracture healing.In our opinion, the
clinical application of low-intensity,pulsed ultra-
sound is indicated especially in borderline situa-
tions such as callus distraction and the therapy
of pseudarthrosis.
Keywords
Pulsed ultrasound · Callus distraction ·
Limb lengthening · Delayed fracture healing ·
Pseudarthrosis
Low-intensity,pulsed ultrasound and its influence on bone regeneration.
Clinical results and scientific background
Abstract
Heilungsstimulation
Die mittels digitaler Bildanalyse der
standardisierten Röntgenaufnahmen er-
mittelte radiologische Kallusbildung zeig-
te im zeitlichen Verlauf eine signifikant
raschere Mineralisation (ANOVA, p<0,01)
in der Ultraschallgruppe (⊡Abb. 2). Die
sonographischen Kontrolluntersuchun-
gen erlaubten eine gute Kontrolle in der
Frühphase der Kallusbildung, insbeson-
dere waren Störungen der Regeneratbil-
dung re chtzeitig sichtbar. In beiden Grup-
pen kam es bei jeweils 1 Patienten zum
Regeneratversagen, sodass nach Trans-
portabschluss eine Spongiosaplastik mit
additiver Plattenosteosynthese erforder-
lich war.Je 1-mal pro Gruppe wurde eine
Unterschenkelamputation vorgenommen,
welche in einem Fall aufgrund des Rezi-
divs einer Osteitis im Dockingbereich mit
therapieresistentem Infekt und im an-
deren Fall aufgrund eines chronischen
Weichteildefekts am distalen Unterschen-
kel notwendig war.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Studienergebnisse
Der zellbiologische Wirkmechanismus
des Ultraschalls auf die Knochenneubil-
dung ist noch nicht vollständig geklärt
und wird derzeit in weiterführenden
Unte rsuchun gen e rforscht.Vorausgegan-
gene Studien [21] konnten die Stimula-
tion der enchondralen Ossifikation von
fetalen Mäusemetatarsalia zeigen. In der
ultraschallbehandelten Gruppe fanden
sich ein signifikant positiver Einfluss auf
die Länge der verknöcherten Diaphyse
und eine vermehrte Bildung von hyper-
trophem, teilweise verkalktem Knorpel.
Eine mögliche Erklärung für diesen Effekt
wäre die Stimulation der Osteoblasten-
aktivität und/oder deren Differenzierung,
wodurch es zu einer Längenzunahme des
verknöcherten diaphysären Anteils kommt.
Aufgrund von Genexpressionsanalysen
wiesen Yang et al. [30] nach, dass nieder-
energetischer, gepulster Ultraschall ins-
besondere die enchondrale Ossifikation
stimuliert.
Parvizi et al. [22] zeigten in einer Stu-
die an aus Femurkondylen neugeborener
Ratten isolierten Chondrozyten einen
Effekt von niederenergetischem,gepuls-
tem Ultraschall. Unter Anwendung des
Verfahrens öffneten sich die membran-
ständigen Kalziumkanäle der Zellen. Die
Änderung der intrazellulären Kalzium-
konzentration war dabei von der Inten-
sität des Ultraschallsignals abhängig. Der
Kalziumeinstrom beeinflusste die enzy-
matische Aktivität der Zellen und führte
zu einer Synthesesteigerung von spezifi-
schen Matrixproteinen [29].
Schmelz [25] stellte in vitro an huma-
nen Fibroblasten- und Osteoblastenpo-
pulationen einen proliferationsfördern-
den Effekt von niederenergetischem, ge-
pulstem Ultraschall fest. Auch Sun et al.
[26] wiesen in vitro einen stimulierenden
Effekt der Ultraschallbehandlung auf
Knochenzellen nach. An Osteoblasten, die
aus Calvarien neugeborener Ratten iso-
liert wurden, erfolgte ab dem 4. Tag für
20 min täglich die Applikation von nieder-
energetischem, gepulstem Ultraschall
während einer Gesamtversuchsdauer von
10 Tagen.Bei der nach 10 Tagen durchge-
führten Zellzahlbestimmung fand sich
eine signifikante Zunahme der Osteo-
blastenpopulation im Vergleich zur Zell-
zahl in der unbehandelten Kontrollgrup-
pe. Ferner war die alkalische Phosphata-
se als Leitenzym der Knochenneubildung
nach 7-tägiger Ultraschallstimulation im
Kulturmedium signifikant angestiegen
[26].
Einzelne, nicht systematische In-vitro-
Studien an Osteoblastenkulturen zeigten
die Expression spezifischer, lokal im Kno-
chen wirkender Wachstumsfaktoren wie
IGF-I oder TGF-b[20, 24, 28] nach Sti-
mulation mit niederenergetischem, gepuls
-
tem Ultraschall. Dabei vermitteln diese
Wachs t um sfaktoren ihre Effekte über spe-
zifische Rezeptorenkomplexe [18].
Eigene Untersuchungen
In eigenen experimentellen Studien an
der Abteilung für Chirurgische Forschung
der BG Kliniken Bergmannsheil wurden
humane osteoblastäre Zelllinien (MG-63
und SAOS-2) hinsichtlich der Synthese
osteotropher Zytokine (IL-6, IL-11) unter
dem Einfluss von niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall (Frequenz 1,5 MHz,
gepulst mit 1 kHz, Signallänge 200 ms,
Leistung 117 mW; Intensität 30 mW/cm2)
in vitro untersucht [5].Anhand einer dis-
tinkten Zytokinsynthese konnte die ultra-
schallvermittelte Zellaktivierung nachge-
wiesen werden.So wurde in den SAOS-2-
und MG-63-Kulturen die Freisetzung von
IL-6 bzw.IL-11 (spontan und induziert
durch bFGF,VEGF, IL-1b,TNF-a) durch
die Behandlung mit niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall unterschiedlich
stark moduliert. Während die Synthese
von IL-6 aus MG-63 bei Zugabe von FGF
durch niederenergetischen, gepulsten
Ultraschall positiv beeinflusst wurde, war
die IL-11-Synthese aus SAOS-2 unter Zu-
gabe von VEGF und IL-1berhöht. Diese
Ergebnisse weisen auf den stimulieren-
den Effekt von niederenergetischem,
gepulstem Ultraschall auf humane osteo-
blastäre Zelllinien in vitro hin.
Experimentelle Studien in vivo
Mayr [13] und Mayr et al. [16] untersuch-
ten an 18 erwachsenen Merinoschafen,
inwieweit die tägliche Anwendung von
niedrig intensivem Ultraschall für 20 min
zu einer beschleunigten Regeneratreifung
nach Kallusdistraktion führt [13, 16].Hier-
zu wurde am rechten Metatarsus der Tiere
ein Segmenttransport (Latenz: 4 Tage,Dis-
traktionsgeschwindigkeit 1,0 mm/Tag)
durchgeführt. Nach Abschluss der 21-tägi-
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Trauma und Berufskrankheit · Supplement 3 ·
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Abb. 2 Graphische Dar-
stellung der radiologi-
schen Dichte des Regene-
rats nach Kallusdistrak-
tion im zeitlichen Verlauf
(aus Pommer u.Muhr
[23]). Dargestellt sind die
jeweils 5 ersten Patienten
einer Gruppe aus unserer
Klinik (mit/ohne Ultra-
schallbehandlung), fett
Mittelwerte der jeweili-
gen Gruppe
gen Distraktionsphase erfolgte während
der 63-tägigen Reifungsphase bei der
Hälfte der Versuchstiere die Behandlung
mittels niedrig intensivem Ultraschall für
20 min täglich. In den zum Zeitpunkt des
Ve r s u c h s e n d e s am 84. Tag angefertigten
hoch auflösenden Röntgenaufnahmen
fand sich bei Mayr et al. [16] sowohl für
die Reifung als auch für die Menge an
gebildetem Kallus ein deutlicher Vorteil
zugunsten der Ultraschallgruppe. Com-
putertomographisch ließ sich bei den Tie-
ren der Ultraschallgruppe ein signifikant
höherer Mineralgehalt im gesamten Rege-
nerat nachweisen. Die axiale Steifigkeit
des neu entstandenen Knochens zeigte
mit 6941±961 N/mm vs. 2942±1913 N/mm
ebenfalls einen signifikanten Vorteil zu-
gunsten der stimulierten Tiere [13].Die
quantitative histologische Auswertung des
am 49. postoperativen Tag fluoreszenz-
markierten Kallusgewebes zeigte bereits
zu diesem Zeitpunkt bei den mit Ultra-
schall behandelten Tieren eine Minerali-
sation von 65–70% im Vergleich zu 25–
30% bei den Kontrolltieren,sodass auf-
grund der von Mayr [13] und Mayr et al.
[16] publizierten tierexperimentellen Er-
gebnisse auf eine beschleunigte Regene-
ratreifung nach Kallusdistraktion durch
die tägliche Anwendung von niederener-
getischem, gepulstem Ultraschall ge-
schlossen werden kann.
Tis et al. [27] untersuchten im Rahmen
einer tierexperimentellen Studie an Ka-
ninchen den Einfluss der Therapie mittels
niedrig intensivem,gepulstem Ultraschall
auf die Regeneratreifung nach Distrak-
tionsosteogenese. Nach Osteotomie der
Tibia im mittleren Drittel wurde bei
26 adulten Neuseeländer Kaninchen ein-
seitig ein Fixateur externe von anterome-
dial an die Tibia angebracht.Nach einer
Latenzzeit von 7 Tagen wurde mit jeweils
0,5 mm alle 12 h distrahiert. Nach 10 Tagen
wurde die Distraktion abgeschlossen und
bei 13 Tieren mit der Therapie mit nieder-
energetischem, gepulstem Ultraschall be-
gonnen. Über eine Zeitdauer von 20 Tagen
wurde 1-mal täglich für 20 min mit nieder-
energetischem, gepulstem Ultraschall
behandelt. Nach Abschluss des Versuchs
am 37. postoperativen Tag wurden die
Regenerate ausgewertet. Radiologisch
fand sich in der Behandlungsgruppe 1, 2
und 3 Wochen nach Distraktionsende eine
signifikant vermehrte Kallusbildung im
Ve r g l e i c h zur Kontrollgruppe (p<0,01;
p<0,008 bzw. p<0,05). Histomorphome-
trisch konnten die Autoren [27] signifi-
kant weniger bindegewebi ge Anteile und
vermehrt Knochen in den Regeneraten
der Ultraschallgruppe im Vergleich zu
denjenigen der unbehandelten Tiere nach-
weisen (p<0,05).
Nach Machen et al. [12] ist für eine adä-
quate Regeneratqualität unter dem Ein-
fluss von niederenergetischem,gepulstem
Ultraschall eine relativ rigide Montage des
zur Kallusdistraktion angewandten Fixa-
teursystems erforderlich. Die genannten
Autoren konnten tierexperimentell an
20 adulten Neuseeländer Kaninchen zei-
gen, dass es bei einem entsprechend
gewählten Fixateursystem und daraus
resultierender wenig rigider biomecha-
nischer Situation durch die Stimulation
mit niederenergetischem, gepulstem Ul-
traschall zu einer vermehrten Knorpel-
bildung und zu einer biomechanisch
unterlegenen Kallusbildung im Vergleich
zur unbehandelten Kontrolle kommt.
Resümee bisheriger Ergebnisse
Zusammenfassend lassen die bisherigen
experimentellen Studien erkennen, dass
es auch zukünftig notwendig sein wird,
die Mechanismen der Knochenneubil-
dung unter dem Einf luss von niederener-
getischem, gepulstem Ultraschall weiter
zu erforschen, um die klinische Anwen-
dung des Verfahrens in Zukunft noch ef-
fektiver gestalten zu können.Aus diesem
Grund wird der Forschung auf dem Gebiet
der Mechanotransduktion an den an der
Knochenregeneration beteiligten Zellpo-
pulationen weiterhin eine wesentliche Be-
deutung zukommen.
Diskussion
Unter Berücksichtigung der eigenen posi-
tiven Erfahrungen mit niederenergeti-
schem, gepulstem Ultraschall und der be-
richteten Ergebnisse in der wissenschaft-
lichen Literatur halten wir die vorgestell-
te Therapieform für eine viel versprechen-
de Alternative bzw. für ein sinnvolles Adju-
vans zur Behandlung von Frakturheilungs-
störungen und zur Verkürzung der Rege-
neratreifung bei der Kallusdistraktion.
Es bleibt zu hoffen, dass künftig der
Stellenwert der Therapie mit niederener-
getischem, gepulstem Ultraschall auch auf
breiter Basis erkannt wird. Derzeit besteht
bei der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) im Regelfall eine ablehnende Hal-
tung im Hinblick auf die Übernahme der
Therapiekosten.Durch den Bundesaus-
schuss der Ärzte und Krankenkassen wur-
de mit Wirkung vom 22.3.2000 beschlos-
sen, die Therapie mit niederenergeti-
schem, gepulstem Ultraschall in die Richt-
linien über die Bewertung ärztlicher
Untersuchungs- und Behandlungsmetho-
den gemäß §135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richt
-
linien) als Methode aufzunehmen, die
nicht als vertragsärztliche Leistung zu Las-
ten der Krankenkassen erbracht werden
darf (Anlage B der BUB-Richtlinien in der
Fassung vom 10.12.1999). Begründet
wurde die Vorgehensweise des Bundes-
ausschusses der Ärzte und Krankenkas-
sen zum damaligen Zeitpunkt mit der
Auffassung, dass keine ausreichenden,
wissenschaftlich belegten Erkenntnisse
über die medizinische Wirksamkeit und
den Nutzen der Methode vorliegen wür-
den. Die Ergebnisse der beiden prospek-
tiven, doppelblinden Studien [6, 11],wel-
che die stimulativen Eigenschaften von
niedrigdosiertem, gepulstem Ultraschall
bei der Knochenbruchheilung und der
Therapie von Pseudarthrosen am Men-
schen belegen konnten und die in den Ver-
einigten Staaten von Amerika zur Zulas-
sung des Verfahrens durch die FDA führ-
ten, wurden dabei nicht als hinreichend
beweiskräftig erachtet oder nicht zur
Kenntnis genommen.
Um den Forderungen der gesetzlichen
Krankenkassen in Bezug auf die zukünf-
tige Übernahme der Therapiekosten mit
niederenergetischem, gepulstem Ultra-
schall gerecht zu werden,wird derzeit in
Deutschland eine randomisierte, kon-
trollierte,doppelblinde Multizenterstudie
zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von
niederenergetischem, gepulstem Ultra-
schall bei verzögerter Frakturheilung am
Unterschenkel durchgeführt. Eingeschlos-
sen in die Studie werden volljährige Pa-
tienten mit einer verzögerten Frakturhei-
lung der Tibia im mittleren oder distalen
Schaftdrittel, die mit Marknagel oder Plat-
tenosteosynthese versorgt wurden und
mindestens 4 Monate nach der Fraktur
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bzw.dem letzten chirurgischen Eingriff
keine komplette Durchbauung der Frak-
turzone, eine verminderte Kallusbildung
bzw.ty pische Zeichen einer hypertrophen,
athrophen oder hypothrophen Pseud-
arthrose aufweisen. Für Patienten,welche
die geschilderten Einschlusskriterien er-
füllen, besteht zurzeit noch die Möglich-
keit zur Teilnahme an dieser Studie.
Die Frage nach der Notwendigkeit
einer solchen klinischen Doppelblind-
studie bleibt aber nicht unumstritten,
gerade dann, wenn experimentelle Befun-
de deutliche Unterschiede zwischen der
Behandlungs- und der Kontrollgruppe er-
kennen lassen.
Bei der Kallusdistraktion ist die Durch-
führung einer Doppelblindstudie mit
2 vergleichbaren Gruppen (randomisiert
und prospektiv) selbst im Rahmen von
Multizenterstudien nahezu unmöglich, da
durch die eingeschränkte Fallzahl, die
unterschiedlichen Verletzungsmuster, die
differierenden Ausgangsbefunde und das
unterschiedliche Alter der behandelten
Patienten nur schwer direkt vergleichba-
re Ergebnisse zu erwarten sind.
Hinweise für die Praxis
Zusammenfassend halten wir unter Berück-
sichtigung der eigenen positiven Erfahrun-
gen mit niederenergetischem, gepulstem
Ultraschall und der berichteten Ergebnisse in
der wissenschaftlichen Literatur die vorge-
stellte Therapieform für eine mögliche, viel
versprechende Alternative bzw. für ein sinn-
volles Adjuvans zur Behandlung von Fraktur-
heilungsstörungen und zur Verkürzung der
Regeneratreifung bei der Kallusdistraktion.
Bei der breiten oder generellen Anwen-
dung erscheint trotz der positiven Einschät-
zung zur Wirksamkeit des Ver fahrens aber
Skepsis geboten, weil ökonomische Aspekte
bei der Therapieplanung ebenso in Betracht
gezogen werden müssen,wie die mögliche
Belastung des behandelten Patienten.Im Fall
einer unzureichenden Wirksamkeit kann es
sonst zu Verzögerungen bei der Einleitung
einer notwendigen operativen Behandlung
und zu Schwierigkeiten bei der Steuerung
des Heilverfahrens kommen. Eine fortwäh-
rende Überprüfung des Behandlungsverlaufs
und der Indikation ist daher in jedem Fall
unverzichtbar.Außerdem muss vor der Emp-
fehlung zum Einsatz von niederenergeti-
schem, gepulstem Ultraschall eine über-
schlagsmäßige Kosten-Nutzen-Analyse erfol-
gen [13]. Im Fall von frischen, unkomplizier-
ten Frakturen halten wir den Einsatz des Ver-
fahrens trotz nachgewiesener Verkürzung der
Heilungszeit [6, 11] im Regelfall für nicht
gerechtfertigt, da bei knapper werdenden
Ressourcen der Kostenträger im Gesundheits-
wesen ökonomische Gesichtspunkte dage-
gen sprechen.
Korrespondierender Autor
Dr.S.A. Esenwein
Chirurgische Klinik mit Poliklinik,
BG Kliniken Bergmannsheil,
Ruhr-Universität Bochum,
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1,44789 B ochum,
E-Mail: Stefan.A.Esenwein@ruhr-uni-bochum.de
Literatur
1. Buckley MJ, Banes AJ, Levin LG,Sumpio BE, Sato M,
Jordan R,Gilber t J,Link GW,Tan Son Tay R (1988)
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