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Studieren im Studio: Studentische Videoproduktionen im Sprachunterricht an der Hochschule Wismar

Authors:
Studieren im Studio –
Studentische Videoproduktionen im Sprachunterricht an der Hochschule Wismar
Jakob Diel, Ina Gray, Christopher Könitz, Jürgen Cleve
Ausganglage:
Die Hochschule Wismar betreibt seit Mai 2012 ein Videoproduktionsstudio mit
Greenscreen-Technologie. Das Studio wird sowohl zur Produktion von Lehrmaterialien
durch ProfessorInnen als auch von Lernmaterialien durch StudentInnen genutzt. Die
Produktion studentischer Filme soll in diesem Beitrag vorgestellt und unter
bildungstheoretischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
Videos in der Sprachausbildung:
Das Projekt wird gemeinsam vom E-Learning- und dem Sprachenzentrum der HS
Wismar durchgeführt. Im Rahmen von “Allgemeinen Prüfungsleistungen” besuchen
StudentInnen obligatorisch (English for Architects z. B.) oder freiwillig (Intermediate 1 z.
B.) Englischkurse. Ziel der Videoaufnahmen ist das Anwenden des erlernten Vokabulars
in kreativer Form. Bis zum fertigen Film müssen die StudentInnen verschiedene Phasen
des Lernens durchlaufen.
Die erste Phase besteht aus dem Sprachunterricht im Seminarraum. Wie in
herkömmlichen Lehrformaten werden den StudentInnen dabei die curricularen Inhalte
beigebracht – in diesem Fall das englische Fachvokabular. Dabei werden Themen
behandelt und diskutiert, die in den meisten Fällen auch Gegenstand der Videos sind:
Intercultural Communication, Business Negotiation oder Job Interview. In dieser Phase
ist das individuelle Aneignen von Fachvokabular zentral. Zum Abschluss dieser Phase
bekommen die StudentInnen eine Führung durch das Studio und eine Einführung in die
Filmproduktion und -analyse nach Bordwell und Thompson , so dass der
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Produktionsablauf aber auch die Bewertungskriterien der Filmsprache deutlich werden.
In der anschließenden zweiten Phase kombinieren bzw. transformieren die
StudentInnen diese Informationen in Form eines Storyboards, das die curricularen und
audiovisuellen Aspekte miteinander verbindet. Dies kann einerseits in Form einer
thematisch zentrierten Präsentation oder andererseits als narrative Verarbeitung des
curricularen Lernstoffs in Form einer fiktiven Geschichte erfolgen. Hierbei haben
narrative Formate den Vorteil, dass sie lebensweltliche Erfahrungen und Erwartungen
kommender, beruflicher oder privater Herausforderungen thematisieren und damit
Gegenstand von Bildungsprozessen werden können.
In der dritten Phase setzen die StudentInnen ihre Storyboards mit Hilfe des E-Learning-
Zentrums im Aufnahmestudio um. Hierbei können sie eigene Kostüme, Gegenstände,
Videos oder Bilder für Settings mitbringen und in den Podcast integrieren. Dafür wird in
der Regel ein Termin von zwei bis drei Stunden vereinbart, um Aufnahme und Schnitt
Bordwell, D./ Thompson, K. (2008): Film Art. An introduction. 8. Aufl., Boston: McGraw-Hill.
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durchzuführen. Durch die Greenscreen-Technik und einen Live-Mischer werden die
StudentInnen in Echtzeit vor einem gewünschten Hintergrund aufgenommen, was die
Nachbearbeitung deutlich vereinfacht. Abschließend erfolgt die digitale
Nachberarbeitung. Je nach Motivation und Interesse werden die StudentInnen in alle
Teilschritte der Produktion eingeweiht und einbezogen.
Die abschließende vierte Phase umfasst die Evaluation des Videopodcasts im Rahmen
des Sprachkurses. Zunächst sehen sich die StudentInnen die Podcasts gemeinsam an
und geben in einem Peer-to-Peer-Review ein schriftliches Feedback. Dieses umfasst
sowohl die sprachliche als auch die audiovisuelle Qualität. Dadurch lernen die
StudentInnen, sich und ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen und diese
Einschätzungen zu begründen. Anschließend müssen die StudentInnen den Podcast
transkribieren und mit den Anmerkungen aus dem Seminar und dem Drehbuch
vergleichen. Dadurch findet einerseits eine tiefgehende Reflexion über die eigenen
Sprachmuster und fehlerhafte Formulierungen statt. Andererseits wird den
StudentInnen ein Raum eröffnet, der – mit zeitlichen Abstand – zu Reflexion über
Selbst- und Weltverhältnisse anregen kann .
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In einer ersten Umfrage bewerteten über 70% der 40 befragten StudentInnen den
Einfluss dieser Methode auf ihr Lernverhalten als positiv. Auch in persönlichen,
informellen Rückmeldungen wurde das Arbeiten im Studio und das Produzieren von
Filmen als gewinnbringend und lohnende Erfahrung bezeichnet. Hauptkritikpunkt
seitens einiger StudentInnen ist der höhere Aufwand gegenüber herkömmlichen
Prüfungsformen. Das empfinden einige als unangenehme Belastung, einige sind im
Anschluss aber auch sehr stolz, dass sie die Angst vor der Kamera und den
vermeintlichen Mehraufwand überwunden und einen Videopodcast produziert haben,
den sie auch Freunden und Verwandten zeigen können. Da die Mehrheit gern und mit
Spaß für einen Videopodcast arbeitet, kann dieser Kritikpunkt auch als Fürsprache für
das erweiterte Prüfungsformat verstanden werden.
Das Erstellen von Videopodcasts als Prüfungsform in der Sprachausbildung ist ein
gutes Beispiel dafür, Inhalte und Kompetenzen zu entwickeln und zugleich
Reflexionsräume eröffnen. Die StudentInnen können damit den akademischen Kontext
mit dem lebensweltlichen Kontext verbinden, was die Motivation deutlich steigert. Das
zeigt sich auch in der Nachfrage: im Sommersemester 2014 sind bereits über 20
Videoaufnahmen in Planung bzw. bereits durchgeführt. Als Folge daraus entwickelt das
E-Learning-Zentrum der Hochschule Wismar zusammen mit den DozentInnen
Szenarien, die im verstärkten Maße den StudentInnen Raum für die eigene Entwicklung
Vgl. dazu: Könitz, C. / Diel, J. / Cleve J. (2013): Learning potentials of E-Assessments. Developing
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multiple literacies through media enhanced assessment. Online unter: http://issuu.com/acpil/docs/
ecel2013-proceedings-vol2/5, S. 209-217.
geben, kritisches Denken begünstigen und damit E-Learning nachhaltig in den
Lehralltag integriert.
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