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Das Unvollständigkeitsgefühl: Neuentdeckung eines alten psychopathologischen Symptoms bei Zwangserkrankungen

Authors:

Abstract

Der Beitrag beschreibt klinisch relevante Aspekte des Unvollständigkeitserlebens bei Zwangserkrankungen (Gefühle der Unvollständigkeit bezogen auf die eigene Person, ,,Nicht-genau-richtig-Erleben“ und ,,Noch-nicht-Abschließbarkeit“ von Handlungen/Wahrnehmungen, kompensatorischer ,,Just-right-Drang“) und gibt einen Überblick über empirische Befunde und wichtige Forschungsthemen (Häufigkeit, Vorkommen bei unterschiedlichen symptombasierten Subtypen, motivationsbezogene Binnenheterogenität der Subtypen, Schadensvermeidung und Unvollständigkeit als Kerndimensionen der Zwangsstörung, empfindungsbasierter Perfektionismus, Beziehung zum Tic-bezogenen Zwangsphänotyp, zu dissoziativen Prozessen und speziell Depersonalisation/Derealisation). Neurobiologische Erklärungsansätze, Versuche der biographischen Rekonstruktion und therapeutische Behandlungsansätze werden kurz skizziert. Es wird betont, dass auf Zwänge als Angststörungen zugeschnittene kognitiv-behaviorale Verfahren für die Behandlung ,,unvollständigkeitsmotivierter“ Zwänge erheblich modifiziert werden müssen.
Nervenarzt 2006 · [jvn]:[afp]–[alp]
DOI 10.1007/s00115-006-2070-6
Online publiziert: 21. März 2006
© Springer Medizin Verlag 2006
W. Ecker · S. Gönner
Psychosomatische Fachklinik, Institut für Fort- und Weiterbildung
in klinischer Verhaltenstherapie e.V. , Bad Dürkheim
Das Unvollständigkeits-
gefühl
Neuentdeckung eines alten psychopatholo-
gischen Symptoms bei Zwangserkrankungen
Aktuelles
Geschichte und klinisches Bild
Unvollständigkeitsgefühle sind seit Ja-
net ([25]; „le sentiment d’incompletude“)
als charakteristische Erlebnisqualität bei
Zwangskranken bekannt. Auf der Basis
reichhaltiger Fallbeschreibungen arbeitet
Janet das Unvollständigkeitsgefühl als ein
Grundsymptom der Zwangserkrankung
heraus (vgl. [19]). Er zählt es zu den sog.
„psychasthenischen Stigmata“. Psychas-
thenie versteht er als eine Abschwächung
der seelischen Spannkraft, die dazu führt,
dass die Handlungskontrolle und das Er-
leben des dazugehörigen positiven Erledi-
gungsgefühls erschwert sind (vgl. [19, 21]).
Nach Janet liegt bei Zwängen eine „Stö-
rung des willentlichen Handelns, der Re-
alitätsfunktion“ vor ([19], S. 214). Er be-
mängelt die Reduktion der Phänomeno-
logie von Zwangserkrankungen auf ko-
gnitive und Angststörungen.
Diese nach Janets Ansicht verengte
Sichtweise wurde im international for-
schungsrelevanten Diagnostischen und
Statistischen Manual Psychischer Stö-
rungen (aktuelle Version: DSM-IV-TR)
[42] durch die Einordnung der Zwänge
in die Kategorie der Angststörungen fest-
geschrieben [49], so dass Unvollständig-
keitsgefühle fast in Vergessenheit gerieten.
Erst in den letzten Jahren sind sie aus einer
klinischen Perspektive von Nicolas Hoff-
mann [21–24] und neuerdings auch in der
angloamerikanischen Forschung [5, 6, 51]
wieder als zentrales Element der Phäno-
menologie von Zwangserkrankungen so-
wie als therapeutischer Ansatzpunkt be-
tont worden.
Nach Hoffmann [21] handelt sich um
eine sprachlich schwer zu beschreibende
innere Verfassung. Die Betroffenen ha-
ben „die Empfindung, dass ihre seelischen
Aktivitäten bis hin zum Verhalten ‚unvoll-
ständig‘ sind“. Sie sind nicht sicher, dass
„der entsprechende Akt als vollendet‘ oder
abgeschlossen gelten kann (S. 34). Eigene
„Handlungen erscheinen fremd oder wie
von der Person losgelöst“, es fehlt „die Si-
cherheit, dass die Betroffenen es wirklich
sind, die sie ausführen. Die Handlungen
‚zählen‘ dann nicht und müssen oftmals
wiederholt werden“ (S. 35). Die folgenden
Aussagen Betroffener [21] illustrieren Va-
rianten dieser eigentümlichen Erfahrung
Zwangskranker:
„Ich habe den Knopf auf ‚aus‘ gestellt.
Weiß es auch, habe aber trotzdem nicht
das Gefühl, dass ich es getan habe.
„Ich saß im Dunkeln und weinte bit-
terlich, weil ich nicht das Gefühl bekam,
dass ich die Lampe auch wirklich ausge-
knipst hatte.“
„In Wirklichkeit drehe ich nicht an den
Hähnen, sondern an etwas in mir selber.
Ich sehe ja, dass die Hähne in Ordnung
sind, aber mein Gefühl sagt mir, dass et-
was nicht in Ordnung ist, und so fange ich
eben wieder mit den Hähnen an, denn an
ihnen kann man ja wirklich drehen.“
In der europäischen Tradition (z. B.
[21–24, 25]) wird das Unvollständigkeits-
gefühl vor allem als verändertes Selbster-
leben während bzw. unmittelbar vor/nach
einer Zwangshandlung beschrieben. Hoff-
mann spricht von „Unvollständigkeit be-
zogen auf die eigene Person, „mangeln-
dem Ichgefühl“ oder „Desintegration
des Selbst“ [21–24]. Die Betroffenen füh-
len sich „nicht richtig da“, von der eige-
nen Person entfremdet, wie in Trance, als
ob sie träumen, „neben sich stehen, sich
von außen beobachten, mechanisch oder
wie Roboter“ handeln. Zusätzlich zu die-
sem partiellen Depersonalisationserle-
ben erscheint manchmal die Umwelt un-
wirklich (Derealisation). In schweren Fäl-
len kommt es zu bizarren, aber dennoch
ichdystonen Erlebensweisen wie dem Ge-
fühl, „nicht richtig“ oder nicht ganz“ aus
dem Spiegel herauszukommen [21].
Zudem beklagen Zwangskranke häu-
fig eine mangelnde persönliche Fär-
bung der unmittelbaren Handlungserin-
nerung, der nach Reed ([39], S. 95) der
„persönliche Stempel“ fehlt: Das Selbst
ist nicht in die Gedächtnisrepräsentation
der Handlung integriert. Die Kenntnis
des Handlungsergebnisses (z. B. Herd auf
„aus“ gestellt, im Raum ist es dunkel) löst
das Problem gerade nicht, da ein Unvoll-
ständigkeitserleben bezogen auf die Per-
son als Agent der Handlung fortbesteht.
Der Versuch, es durch Handlungswie-
derholungen zu eliminieren, scheitert, da
die Erinnerungsspuren der immer wie-
der ohne „persönlichen Stempel“ enko-
dierten Handlungen stets erneut „unvoll-
ständig“ bleiben [8]. Dies erklärt Schwie-
rigkeiten Betroffener, „ein Ende zu fin-
den“ (s. auch [52, 56]).
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In der angloamerikanischen Litera-
tur zum Unvollständigkeitsgefühl wird
das Konstrukt des Selbst nicht berück-
sichtigt. Stattdessen wird ausschließlich
das veränderte Erleben konkreter Hand-
lungen und Wahrnehmungen fokussiert
[5, 6, 51]. Diese werden von den Betrof-
fenen nicht als „geschlossene Gestalt“ er-
lebt. Die Autoren sprechen von der Unfä-
higkeit, ein Gefühl der Abgeschlossenheit
zu erreichen [20], abnormer Abwesenheit
einer Abschlussemotion [52] bzw. quä-
lender innerer Unzufriedenheit, verbun-
den mit der Wahrnehmung, dass Hand-
lungen oder Absichten nur unvollständig
zustande gebracht worden sind [51]. Der
verwandte Begriff „not just right expe-
riences(NJREs) [5, 6] meint ein subjek-
tives „Nicht-genau-richtig-Erleben, be-
gleitet vom Gefühl der „Noch-nicht-Ab-
schließbarkeit“. NJREs führen zu einem
kompensatorischen „Just-right-Drang“, d.
h. die Betroffenen fühlen sich gezwungen,
durch Handlungswiederholungen absolu-
te, aber oft schwer artikulierbare subjek-
tive Kriterien oder Standards für „Rich-
tigkeit“ oder Perfektion zu erfüllen [50].
Manche Zwangskranke wiederholen ei-
ne Handlung so lange, bis sie sich „genau
richtig“ anfühlt, wobei die Anzahl erfor-
derlicher Wiederholungen stark variieren
kann. Andere Betroffene haben die „Jagd“
nach dem „Just-right-Gefühl“ irgendwann
aufgegeben, weil es sich zu unzuverlässig
einstellt. Sie führen stattdessen eine will-
kürlich festgelegte Anzahl von Wiederho-
lungen durch, um überhaupt ein Beendi-
gungskriterium zu haben [9].
Das quälende Gefühl, dass die eigenen
Handlungen und Erfahrungen „nicht ge-
nau richtig“ sind, kann sich in verschie-
denen Modalitäten manifestieren [51],
z. B.:
F visuell (etwas sieht nicht „genau rich-
tig“ aus, z. B. das Haar sieht noch
nicht „genau richtig“ in der Mitte ge-
scheitelt aus),
F auditiv (etwas, z. B. ein ritualisiertes
Gebet, hört sich nicht „genau richtig“
an),
F taktil (z. B. eine bestimmte Oberflä-
chenstruktur fühlt sich nicht „genau
richtig“ an),
F propriozeptiv (die Handlung fühlt
sich nicht „genau richtig“ an, z. B.
beide Schnürsenkel sind noch nicht
mit der „genau identischen“ Span-
nung gebunden),
F kognitiv-sprachlich (etwas erscheint
sprachlich nicht „genau richtig“ aus-
gedrückt).
Unvollständigkeitsgefühle, NJREs und
Just-right-Drang sind innere Verfas-
sungen, die schwer in Worte zu fassen
sind. Daher sind die Betroffenen auf psy-
choedukative Versprachlichungshilfen
angewiesen und oft erleichtert, wenn sie
erfahren, dass diese Phänomene für das
Erleben Zwangskranker typisch sind [9,
27,49].
Erhebungsinstrumente
In der englischsprachigen Forschung wer-
den drei Fragebögen verwandt, die NJREs
und den kompensatorischen Just-right-
Drang erfassen: Der „Not Just Right Expe-
riences-Questionnaire-Revised“ (NJRE-
QR; [5, 6]), die Unterskala „Incomple-
teness“ des „Obsessive-Compulsive Trait
Core Dimensions Questionnaire“ (OC-
TCDQ; 2. Skala: „Harm Avoidance“; [48])
und die „Just-right-Subskala“ des Van-
couver Obsessional Compulsive Inven-
tory“ (VOCI; [54]). Wir setzen in einem
aktuellen Forschungsprojekt autorisierte
Übersetzungen dieser Verfahren ein. Zu-
sätzlich verwenden wir den von uns neu
konstruierten, noch in der Entwicklungs-
phase befindlichen Fragebogen zum Un-
vollständigkeitserleben (FU), der verän-
dertes Selbsterleben im zeitlichen Umfeld
von Zwängen erfasst [10].
Empirische Befunde und
weiterführende Forschungsfragen
Auftretenshäufigkeit
Leckman et al. [27] fanden bei 73% ih-
rer ZwangspatientInnen das Bedürfnis,
Zwangshandlungen bis zum Erzielen
eines Just-right-Gefühls durchzuführen.
Diese PatientInnen litten unter signifikant
schwereren Zwängen als PatientInnen oh-
ne Just-right-Drang. 50% der Betroffenen
mit Just-right-Drang gaben an, dieser sei
eher mental als körperlich, weitere 45%, sie
erlebten ihn als „irgendwo zwischen men-
tal und körperlich. 75% beschrieben einen
Just-right-Drang unmittelbar vor oder mit
Beginn der Zwangshandlungen, der Rest
erst während der Zwangshandlungen. 81%
der Gesamtstichprobe gaben zudem (ge-
sondert, d. h. unabhängig vom Just-right-
Drang erfragte) Unvollständigkeitsge-
fühle an, deren zeitliche Dauer signifikant
mit der Symptomschwere (r=0,48) korre-
lierte. Davon beschrieben 57% ihre Un-
vollständigkeitsgefühle als rein mental,
42% als eine Mischung aus „mental awa-
reness“ und „bodily feeling“. In einer Stu-
die von Miguel et al. [34] berichteten 63%
der ZwangspatientInnen über einen Just-
right-Drang.
Studien zur Dimensionalität und zu
Subtypen bei Zwangsstörungen
Mathews et al. [32] fanden faktorenana-
lytisch einen Just-right-Faktor in einer
subklinischen Stichprobe. Dieser Befund
stützt die Position von Summerfeldt et al.
[47], die in Unvollständigkeitsgefühlen die
„Extremmanifestation“ eines Merkmals
sehen, das in abgeschwächter Form auch
im Zusammenhang mit zwanghaften Per-
sönlichkeitscharakteristika und selbst in
nichtklinischen Gruppen auffindbar ist.
In einer phänomenologischen Stu-
die zu Zwangserkrankungen identifi-
zierten Calamari et al. [2, 3] clusteranaly-
tisch eine „Certainty-Untergruppe“ (Stre-
ben nach Gewissheit), die u. a. durch ei-
nen Just-right-Drang gekennzeichnet war.
Zu dieser Gruppe gehörten Betroffene mit
unterschiedlichen Zwangsverhaltenswei-
sen, die im Trend unter umfassenderen
und schwereren Symptomen litten. Auch
klinisch findet man bei ganz unterschied-
lichen „Leitsymptomen“ (z. B. Kontroll-,
Wasch-, Ordnungs-/Symmetriezwängen,
zwanghafter Langsamkeit) Handlungs-
wiederholungen, um zu einem Vollstän-
digkeitserleben im Sinne des Just-right-
Gefühls zu gelangen.
Bislang wurde noch nicht systematisch
untersucht, ob bei bestimmten Subtypen
der Zwangserkrankung Unvollständig-
keitsgefühle/NJREs häufiger/intensiver
sind als bei anderen. Summerfeldt [51]
geht aufgrund klinischer Beobachtungen
davon aus, dass Unvollständigkeitsgefühle
häufiger, aber nicht ausschließlich bei
Symmetrie-, Zähl-, Wiederholungszwän-
gen und zwanghafter Langsamkeit vor-
kommen und seltener mit Zwangsgedan-
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Der Nervenarzt X · 2006
Aktuelles
ken und „schadensvermeidenden“ Kon-
trollzwängen („harm avoidant checking“)
assoziiert sind. Wir überprüfen zurzeit in
einer eigenen Studie, ob sich unser kli-
nischer Eindruck bestätigen lässt, dass
Unvollständigkeitsgefühle in einem en-
geren Zusammenhang zu Kontroll- und
Ordnungszwängen stehen als zu Wasch-
zwängen und Zwangsgedanken. In einer
subklinischen Stichprobe konnte ein ana-
loges Befundmuster bereits nachgewiesen
werden [6].
Motivationsbezogene
„Binnenheterogenität“
symptombasierter Subtypen
Gerade Forscher, die sich bemühen, die
Dimensionalität der Zwangsstörung im
Sinne (zunächst rein deskriptiver) symp-
tombezogener Subtypen mit faktoren-
und clusteranalytischen Methoden aufzu-
klären [2, 3, 7, 31, 45, 50], weisen aufgrund
ihrer Befunde darauf hin, dass das gleiche
beobachtbare Zwangsverhalten bei ver-
schiedenen Betroffenen mit unterschied-
lichen zugrunde liegenden Motivationen
assoziiert sein kann. So „landetenbei
Calamari et al. ([3], S. 663) Betroffene mit
Waschzwängen entweder in der „Conta-
mination-Subgruppe“ oder aber, wenn
das Streben nach „just right feelings“ im
Vordergrund stand, in der „Certainty-
Subgruppe“ („washing to ‚feel right‘ rat-
her than to decontaminate“; ähnliche Be-
obachtungen: [12, 53]). Auch Symmetrie-
zwängen können unterschiedliche Moti-
vationen zugrunde liegen: Schadensver-
meidung bei Symmetriezwängen mit ma-
gischem Denken vs. das Bedürfnis, die
Dinge „genau richtig“ zu haben, bei sol-
chen ohne magisches Denken [45].
Nach McKay et al. [33] weisen auch
Kontrollzwänge eine beträchtliche Bin-
nenheterogenität auf. So dienen sie nicht
immer der Reduktion von Katastrophen-
befürchtungen, sondern es gibt auch „end-
lose Kontrollen ohne jede Vorstellung von
Katastrophen oder gar nur von Schäden,
motiviert durch „ein diffuses Gefühl,
dass alles noch nicht ‚richtig‘ sei“ ([24], S.
130/133). Für Ordnungszwänge gehen Ra-
domsky und Rachman [36] auf der Basis
ihrer klinischen Erfahrung und aufgrund
einer Studie mit subklinischen Probanden
von einem Überwiegen just-right-moti-
Zusammenfassung · Summary
Nervenarzt 2006 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00115-006-2070-6
© Springer Medizin Verlag 2006
W. Ecker · S. Gönner
Das Unvollständigkeitsgefühl. Neuentdeckung eines alten
psychopathologischen Symptoms bei Zwangserkrankungen
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt klinisch relevante As-
pekte des Unvollständigkeitserlebens bei
Zwangserkrankungen (Gefühle der Unvoll-
ständigkeit bezogen auf die eigene Person,
„Nicht-genau-richtig-Erleben“ und „Noch-
nicht-Abschließbarkeit“ von Handlungen/
Wahrnehmungen, kompensatorischer „Just-
right-Drang“) und gibt einen Überblick
über empirische Befunde und wichtige For-
schungsthemen (Häufigkeit, Vorkommen bei
unterschiedlichen symptombasierten Sub-
typen, motivationsbezogene Binnenhetero-
genität der Subtypen, Schadensvermeidung
und Unvollständigkeit als Kerndimensionen
der Zwangsstörung, empfindungsbasierter
Perfektionismus, Beziehung zum Tic-bezoge-
nen Zwangsphänotyp, zu dissoziativen Pro-
zessen und speziell Depersonalisation/Dere-
alisation). Neurobiologische Erklärungsan-
sätze, Versuche der biographischen Rekons-
truktion und therapeutische Behandlungs-
ansätze werden kurz skizziert. Es wird betont,
dass auf Zwänge als Angststörungen zuge-
schnittene kognitiv-behaviorale Verfahren
für die Behandlung „unvollständigkeitsmo-
tivierter“ Zwänge erheblich modifiziert wer-
den müssen.
Schlüsselwörter
Unvollständigkeitserleben · Zwangserkran-
kung · Subtypen · Ätiologische Hypothesen ·
Behandlungsansätze
The feeling of incompleteness. Rediscovery of an old
psychopathological symptom of obsessive-compulsive disorder
Summary
This paper describes clinically relevant as-
pects of incompleteness experiences in ob-
sessive-compulsive disorder (OCD) (feel-
ings of incompleteness concerning the self,
“not just right” experiences and inability to
achieve “closure” concerning actions/percep-
tions, compensatory urge to achieve “just
right” feelings) and reviews empirical results
and important research areas (frequency, as-
sociation with symptom-based subtypes,
motivational heterogeneity within subtypes,
harm avoidance and incompleteness as basic
OCD elements, sensation-based perfection-
ism, and relation to tic-related OCD and dis-
sociative processes, especially depersonalisa-
tion/derealisation). Neurobiological explana-
tions, biographical reconstruction, and treat-
ment approaches are briefly summarised.
It is emphasised that cognitive-behavioural
methods tailored to OCD as an anxiety dis-
order must be modified considerably for the
treatment of incompleteness-motivated OCD.
Keywords
Incompleteness · Obsessive-compulsive dis-
order · Subtypes · Etiological hypotheses ·
Treatment approaches
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vierter Fälle aus, während furchtbezogene
Kognitionen eher selten seien.
Schadensvermeidung
und Unvollständigkeit als
Kerndimensionen
Die klinischen Beobachtungen zur „Bin-
nenheterogenität“ symptombasierter Sub-
typen legen es nahe, jenseits einer Typisie-
rung über „Leitsymptome“ übergreifende
„Kerndimensionen“ der Zwangsstörung
anzunehmen, die unterschiedliches Erle-
ben bei gleichem offenem Zwangsverhal-
ten berücksichtigen [33], z. B. den Herd
kontrollieren, bis es sich „genau richtig“
anfühlt, vs. um die Gefahr eines Haus-
brands abzuwenden. So nehmen Sum-
merfeldt et al. [50] in Anlehnung an ein
älteres Modell [28] eine angstnahe, über-
triebenes Vermeiden potenzieller Risiken
betonende Dimension „Schadensvermei-
dung“ („harm avoidance“) und eine Di-
mension „Unvollständigkeit“ („incomple-
teness“) an. Zwänge dienen demnach ent-
weder mehr der Abwehr von Gefahren
und Angst oder mehr der Reduktion/Be-
seitigung von Unvollständigkeits- und
Nicht-genau-richtig-Erleben. Diese kli-
nisch sinnvoll erscheinenden Dimensi-
onen sind empirisch kaum überprüft. Es
bleibt abzuwarten, ob sie sich tatsächlich
als unabhängig erweisen und ob sie nicht
durch weitere Motive wie Reduktion von
Ekel [23, 24], Schuldgefühlen etc. ergänzt
werden müssen.
Die Arbeitsgruppe um Summerfeldt
versucht, mit einem bidimensionalen
Fragebogen, dem OC-TCDQ [48] so-
wohl Schadensvermeidung als auch Un-
vollständigkeit zu erfassen. Erste empi-
rische Befunde mit diesem Instrument
zeigen, dass bei unvollständigkeitsbe-
tonten Zwängen im Vergleich zu primär
schadensvermeidenden Zwängen ver-
mehrt zwanghafte Persönlichkeitszüge
(z. B. Perfektionismus), kognitive Merk-
male wie Entscheidungsschwierigkeiten
und komorbide Zwangsspektrumsstörun-
gen vorliegen [46, 47].
Bei Zwangskranken geht es also nicht
immer um die Furcht, dass bei Unterlas-
sen einer Zwangshandlung katastrophale
Konsequenzen drohen, und auch das Er-
leben von Angst wird nicht selten gänz-
lich negiert. So berichtet einer unserer
Patienten mit Waschzwängen, er wieder-
hole Waschhandlungen nicht zur Angst-
reduktion, sondern ausschließlich, weil er
sich sogar nach exzessivem Waschen nicht
vollständig sauber“ fühle. In einer Studie
von Tolin et al. [55] berichten 40% der
Zwangskranken von Unbehagen als ein-
ziger Konsequenz eines Verzichts auf Aus-
führung ihrer Rituale. Vermutlich handelt
es sich in einem beträchtlichen Teil dieser
Fälle um Betroffene, die vorwiegend unter
Unvollständigkeitsgefühlen leiden.
Empfindungsbasierter
Perfektionismus
Coles et al. [5] konzipieren NJREs als
auf Sinneserfahrungen bezogenen oder
„empfindungsbasierten“ Perfektionismus
(„sensation-based perfectionism“). Frost
et al. [14] vermuten, dass ein solcher sen-
sorischer Perfektionismus sozusagen ei-
ne zwangsstörungsspezifische Variante
von Perfektionismus darstellennnte. In
Übereinstimmung mit dieser Hypothese
sind überwiegend unvollständigkeitsmo-
tivierte Betroffene perfektionistischer als
überwiegend schadensvermeidungsmoti-
vierte [48].
Bezug zum „Tic-bezogenen
Zwangsphänotyp“
Es gibt Hinweise darauf, dass in der Kind-
heit beginnende Zwänge genetisch, neu-
robiologisch und phänomenologisch stär-
ker mit Tic-Störungen und dem Touret-
te-Syndrom verwandt sind als im Erwach-
senenalter beginnende Zwänge [4, 11, 29,
34, 35, 40]. Bei diesem sog. „Tic-bezoge-
nen Zwangsphänotypsind früher Beginn
der Störung und in manchen Studien auch
männliches Geschlecht überrepräsen-
tiert. Zwangshandlungen, die bis zum Er-
reichen eines Just-right-Gefühls wieder-
holt werden (analog zur „Nachbesserung“
des Bewegungsmusters bei Tics, bis dieses
sich genau richtiganfühlt), scheinen ge-
häuft aufzutreten [41]. Die empirischen
Befunde sind jedoch nicht eindeutig: So
fanden Miguel et al. [34] fast dreimal so
häufig NJREs bei PatientInnen mit ko-
morbider Tourette-Störung (in 90% der
Fälle) als bei solchen mit Zwängen allein
(35%), während Leckman et al. [27] bezüg-
lich des Just-right-Drangs keine Unter-
schiede zwischen Zwängen mit Tic-bezo-
gener Komorbidität (Tourette oder chro-
nische motorische Ticstörung) und Zwän-
gen ohne diese Komorbidität feststellten.
Nach Summerfeldt [51] sind intensivere/
häufigere Unvollständigkeitsgefühle mit
früherem Störungsbeginn korreliert.
Unvollständigkeitsgefühle
und dissoziative Prozesse
Ungeklärt ist auch, inwieweit selbstbezo-
gene Unvollständigkeitsgefühle bei Zwän-
gen mit Depersonalisations- und Derea-
lisationserleben zusammenhängen. Es
könnte sinnvoll sein, Unvollständigkeits-
gefühle als zwangsspezifische Ausprä-
gungsform von Depersonalisationserle-
ben zu konzeptualisieren. Interessanter-
weise wird in Publikationen, die sich mit
dissoziativen Prozessen und Depersona-
lisation/Derealisation bei Zwangserkran-
kungen befassen, in keiner Weise auf Un-
vollständigkeitsgefühle oder Just-right-
Phänomene Bezug genommen.
Zur Datenlage: Lochner et al. [31] fin-
den in einer Stichprobe Zwangserkrank-
ter einen Anteil von 15,6% mit hohen Dis-
soziationswerten (bei 6% sind die Krite-
rien für eine komorbide Depersonalisa-
tionsstörung erfüllt), Goff et al. [15] so-
gar einen Anteil von 20%. Die ermit-
telten Auftretenshäufigkeiten komorbi-
der Zwangsstörungen bei Vorliegen ei-
ner Depersonalisationsstörung liegen bei
8,5% [44] bzw. 16% [1]. Baker et al. [1] ver-
muten, dass Kontrollzwänge einen Ver-
such der Bewältigung von Depersonali-
sationserleben darstellen könnten. Dar-
über hinaus scheint die Dissoziationsnei-
gung je nach Zwangssubtyp zu differieren:
So finden Lochner et al. höhere Dissozia-
tionsscores bei Betroffenen mit Symmet-
rie-, Ordnungs- und Zählzwängen als bei
Zwangskranken ohne diese Symptome. In
der Studie von Grabe et al. [16] korreliert
die Dissoziationsneigung mit Kontroll-
, Ordnungs- und Symmetriezwängen,
nicht aber mit Wasch- und Reinigungs-
zwängen, Zähl- und Berührungszwängen
sowie aggressiven Zwangsgedanken.
Insgesamt ist noch völlig offen, ob es
sich beim Unvollständigkeitserleben und
dissoziativen Prozessen, insbesonde-
re Depersonalisation/Derealisation, bei
Zwangskranken um verwandte psycho-
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Der Nervenarzt X · 2006
Aktuelles
pathologische Phänomene handelt, even-
tuell mit analogen subtypbezogenen Häu-
fungen.
Ätiologische Hypothesen
Nach Summerfeldt [51] resultieren Un-
vollständigkeitsgefühle aus einem Defi-
zit in der Fähigkeit, emotionale Erfah-
rung und sensorisches Feedback zur Ver-
haltenssteuerung zu nutzen bzw. aus einer
Fehlfunktion eines internen Signals, wel-
ches normalerweise Verhalten durch Pro-
duktion eines „Wissensgefühls“ („feeling
of knowing“, [37]) beendet. Aufgrund die-
ser „basalen sensorisch-affektiven Dys-
funktionwerden kontinuierlich Fehler-
signale produziert, die eine Beendigung
von Zwangshandlungen erschweren [51].
Es wird vermutet, dass diese „mismatch si-
gnals, die subjektiv als NJREs erlebt wer-
den, auf neurobiologischer Ebene über das
anteriore Zingulum [6] bzw. den präfron-
talen Kortex [20] vermittelt werden. Ein
elaborierteres, noch spekulatives neuro-
biologisches Erklärungsmodell skizzieren
Szechtman und Woody [52], die im Kern
ebenfalls ein basales Defizit des emotions-
basierten Wissens annehmen.
Nach Hoffmann entwickeln sich Un-
vollständigkeitsgefühle biographisch als
unmittelbare Folge starker, verwirrender,
„stecken bleibender“, nicht vollstän-
dig ausgedrückter Gefühle. Klinisch fin-
det er häufig eine solche „Konfusion und
Implosion der Gefühle“ zu Beginn einer
Zwangssymptomatik ([24], S. 157/158). Ein
angemessener Ausdruck dieser Gefühle
und ihre lösungsorientierte Verarbeitung
seien aufgrund defizitärer innerer Regu-
lationsmechanismen und/oder fehlender
sozialer Unterstützung nicht möglich,
stattdessen werde eine „Desintegration
des Selbst“ mit Unvollständigkeitsgefüh-
len, Depersonalisations- und Derealisati-
onsempfindungen erlebt. In der kompen-
satorischen Suche nach Halt nähmen die
Betroffenen Zuflucht zu einer „externalen
Regulierung“ ihres inneren Gefühlschaos.
Die Aufmerksamkeit richte sich auf De-
tails der Außenwelt (z. B. Silberfische bei
einem Reinigungszwang), an denen „das
Böse“ symbolisch dingfest gemacht wer-
de. Danach könne dann durch Einhalten
einfacher Zwangsregeln (z. B. Entfernen
von Silberfischen) eine kurzfristige Pseu-
dokontrolle der Innenwelt erreicht wer-
den.
Therapeutische Ansätze
Medikamentöse Behandlung
Studien, die direkt pharmakotherapeu-
tische Effekte auf Unvollständigkeitsge-
fühle bei Zwängen untersuchen, liegen
unseres Wissens nicht vor. Dass der Tic-
bezogene Zwangsphänotyp, bei dem Un-
vollständigkeitsgefühle eventuell häufiger
Teil der Symptomatik sind, besser auf eine
Kombination von SSRIs und Neuroleptika
anspricht als auf SSRIs allein, ist empirisch
noch nicht ausreichend belegt [33].
Kognitiv-verhaltensthera-
peutische Verfahren
Die gängigen kognitiv-behavioralen Ver-
fahren sind auf Zwänge als Angststörung
zugeschnitten. Es verwundert daher nicht,
dass ein hohes Angstniveau im Hinblick
auf die Behandlung von Zwängen als pro-
gnostisch günstig gilt [26] und dass Be-
troffene, die keine befürchteten Konse-
quenzen bei Unterlassen der Zwangs-
handlung angeben, schlechtere Behand-
lungsergebnisse erzielen (45% vs. 69%
Symptomreduktion) als solche, die Katas-
trophenbefürchtungen angeben [13]. Dies
wird damit begründet, dass bei Vorliegen
spezifischer befürchteter Konsequenzen
die Widerlegung entsprechender Erwar-
tungen durch Exposition einen zusätz-
lichen Wirkfaktor neben der Habituati-
on darstellt.
Es gibt erst wenige Überlegungen und
abgesehen von einer Fallstudie [51] keine
empirischen Befunde zu Modifikationen
kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ver-
fahren für vorwiegend unter Unvollstän-
digkeitsgefühlen leidende Zwangskranke.
Aufgrund klinischer Erfahrungen wird die
Frage aufgeworfen, ob es sich bei NJREs
um einen negativen Erfolgsprädiktor für
Verhaltens- und Pharmakotherapie han-
deln könnte [6]. Nach Summerfeldt [51]
eignet sich Exposition und Reaktionsver-
hinderung mit dem Ziel der Habituation
zwar eher zur Reduktion von Unvollstän-
digkeitsgefühlen als konventionelle ko-
gnitive Therapie, führt aber zu insgesamt
bescheidenen langfristigen Behandlungs-
ergebnissen. In Anlehnung an den biobe-
havioralen Ansatz [43] empfiehlt sie als er-
gänzendes Behandlungselement, Betrof-
fene bei der emotionalen Distanzierung
von ihren Zwängen zu unterstützen, in-
dem sie angeleitet werden, Unvollständig-
keitsgefühle konsequent als Zwangsphä-
nomene einzuordnen (Relabeling) und
auf „falsche Botschaften des Gehirns“ zu-
rückzuführen (Reattribution). Ihrer skep-
tischen Bewertung traditioneller kogni-
tiver Methoden im Hinblick auf Unvoll-
ständigkeitsgefühle ist zuzustimmen: Es
macht wenig Sinn, an überhöhten Verant-
wortlichkeitsüberzeugungen oder Wahr-
scheinlichkeitsschätzungen anzusetzen,
wenn bei den Betroffenen entsprechende
Befürchtungen fehlen.
Exposition mit Anleitung zur
Subjektkonstituierung
In Deutschland liegt mit der „Exposition
mit Anleitung zur Subjektkonstituierung“
von Hoffmann und Hofmann [23, 24] ein
innovativer, aber international kaum rezi-
pierter und noch nicht empirisch evalu-
ierter Behandlungsansatz vor, der „sub-
jektkonstituierende“ Hilfen zum Abbau
von Unvollständigkeitsgefühlen anbie-
tet, statt nur auf Habituationsprozesse
zu vertrauen. Die Betroffenen werden in
zwangsrelevanten Situationen angeleitet
und unterstützt, sich aus der mit Unvoll-
ständigkeitsgefühlen verbundenen „De-
personalisationstrance“ zu lösen. Sie sol-
len wieder „stärker zum Subjekt kritischer
Situationen“ werden und befähigt werden,
im Moment des Handelns emotional, vo-
litional, konzentrativ, vom Körpergefühl
her und energetisch wieder „voll da“ zu
sein. Hierzu werden vielfältige Übungen
durchgeführt, die eine vollständige Prä-
senz und Wachheit des eigenen Ichs in der
Situation fördern. So wird volles emotio-
nales Erleben evoziert, z. B. indem Betrof-
fene dazu motiviert werden, sich intensiv
über den Zeitverlust durch die Zwänge zu
ärgern oder sich bewusst über eine ange-
nehme Unternehmung, etwa nach Verlas-
sen des Hauses ohne Kontrollen, zu freu-
en. Die volitionale Handlungssteuerung
wird durch klare Selbstinstruktionen ge-
stärkt, die vom Zwang bislang „verschüt-
tete“ Bedürfnisse betonen. Die Betrof-
fenen lernen wieder, sich einen bewussten
5Der Nervenarzt X · 2006
|
Situationsüberblick zu verschaffen (Einü-
ben der sog. „Freeze-Funktion“). Hinzu
kommen körperbezogene Übungen zur
„Erdung“ und zum Erleben von Körper-
integrität (z. B. bewusstes Herstellen von
Bodenkontakt, Sichaufrichten). Nützlich
bei Kontrollzwängen ist auch eine Fokus-
sierung auf motorisch-kinästhethische
Rückmeldungen, d. h. auf das eigene Kör-
pergefühl während der Handlungsausfüh-
rung (zunächst mit geschlossenen Augen
und in Zeitlupe) [9]. Außerdem wird ei-
ne zügige, flüssige, energische Handlungs-
durchführung eingeübt, um zwangsty-
pische Fragmentierungen des Handlungs-
ablaufs zu überwinden. Schließlich lassen
sich auch viele Achtsamkeitsübungen aus
anderen therapeutischen Ansätzen (z. B.
[19, 29]) gut zur Förderung der Subjekt-
konstituierung nutzen.
Ziel der skizzierten Übungen ist eine
Verbesserung des Selbsterlebens als Hand-
lungssubjekt, um hierdurch die Informa-
tionsverarbeitung bereits bei der ersten
Handlungsdurchführung so zu optimie-
ren, dass sich Handlungswiederholungen
erübrigen. Die Handlung wird emotio-
nal, volitional, konzentrativ und bezogen
auf das Körpergefühl „vollständiger“ en-
kodiert, ihr wird wieder der „persönliche
Stempel“ aufgedrückt. Dies führt auch ge-
dächtnisbezogen zu größerer Handlungs-
sicherheit [9].
Häufig gelingt es, Betroffenen den Be-
zug ihrer Unvollständigkeitsgefühle zu
für die Symptomentwicklung entschei-
denden, oft nur während der Exposition
„zustandsabhängig abrufbaren“ biogra-
phischen Episoden erlebnisnah zu ver-
deutlichen, indem man während der Kon-
frontation mit zwangsauslösenden Stimuli
bei vertiefter Exploration des Unvollstän-
digkeitserlebens auftauchende Erinne-
rungen aufgreift [8, 9, 22]. Hier ein Bei-
spiel einer solchen biographischen Ein-
ordnung von Unvollständigkeitsgefühlen
([25], S. 158):
Frau W. berichtet über ihre Reaktion
auf den Bruch mit dem Freund:
„Ich verstand lange Zeit nicht, was mir wi-
derfahren war. Ich war so gedemütigt und
verletzt worden, konnte aber keine innere
Energie mobilisieren, um mich zur Wehr
zu setzen oder um mich wieder selbst
zu finden. Alles war so anders gewor-
den, auch die Dinge des täglichen Lebens.
Mein Zustand war ungefähr so: Ich war
wie eine Hülle, die herumläuft, ein Ro-
boter; mein Selbst war so klein, ich spür-
te mich gar nicht richtig. Mir war so, als
würde ein großes Stück von mir fehlen.“
Vom Unvollständigkeitsgefühl in rele-
vanten biographischen Episoden ist es ex-
plorativ nur noch ein kleiner Schritt hin
zur vorausgegangenen Konfusion und
Implosion der Gefühle, auf deren voll-
ständigen Ausdruck und Integration nun
hingearbeitet werden kann. Nicht selten
kommt es zu einer „kathartischen Entblo-
ckung“ [17] mit hoher emotionaler Beteili-
gung. Danach wird bezogen auf den sonst
zwangsauslösenden Stimulus gewöhnlich
ein steiler, diskontinuierlicher Abfall der
Habituationskurve erlebt [9]. So gesehen
ist das Unvollständigkeitsgefühl ein durch
zwangsbezogene Auslöser regelhaft akti-
vierbares Erinnerungsfragment, welches
es zu vollständigen biographischen Episo-
den zu ergänzen gilt. Sind dann entspre-
chend „affektgeladene Szenen“ wiederer-
lebt und rekonstruiert worden, können
Betroffene zusätzlich angeleitet werden,
in Expositionssituationen die „passenden
biographischen Szenen zu assoziieren und
so den ausgelösten Affekt „dorthin einzu-
ordnen, wo er seinen Ursprung hat und in
Wirklichkeit hingehört“ ([24], S. 180).
Fazit
Unvollständigkeitsgefühle bezogen auf
die eigene Person, ein Nicht-genau-rich-
tig-Erleben eigener Handlungen und
Wahrnehmungen und ein kompensa-
torischer Just-right-Drang sind häufige
psychopathologische Phänomene bei
Zwangserkrankungen, die seit langem
bekannt, aber noch wenig erforscht sind.
Zu unserem Bedauern finden sie bislang
in den diagnostischen Klassifikations-
systemen keine Berücksichtigung, ob-
wohl quälendes Unvollständigkeitserle-
ben (bei z. T. fehlenden Angstgefühlen
und Katastrophenbefürchtungen) häufig
einen integralen Bestandteil der Symp-
tomatik bildet. Es korreliert positiv mit
der Symptomintensität und findet sich
bei unterschiedlichen symptombasier-
ten Subtypen, wobei noch keine hinrei-
chenden Belege für eine verstärkte Asso-
ziation mit bestimmten Leitsymptomen
vorliegen. Erste Hinweise gibt es für eine
Korrelation mit frühem Störungsbeginn,
für ein gehäuftes, aber keineswegs aus-
schließliches Vorkommen bei Tic-bezoge-
ner Komorbidität und für Just-right-Phä-
nomene auch im subklinischen Bereich.
Wertvolle Beiträge zum Verständnis lie-
fern das Konzept des „empfindungsba-
sierten Perfektionismus“, neurobiolo-
gische Erklärungsansätze und Versuche
der biographischen Rekonstruktion.
Die Reduktion/Beseitigung von Un-
vollständigkeitsgefühlen ist neben der
Angstreduktion und Schadensvermei-
dung ein Hauptmotiv zur Ausführung
von Zwängen. Da gängige kognitiv-be-
haviorale Verfahren stark auf Zwänge
als Angststörungen zugeschnitten sind,
müssen sie für durch Unvollständigkeits-
gefühle motivierte Zwänge erheblich
modifiziert werden. Ein innovativer Vor-
schlag hierzu ist die Exposition mit An-
leitung zur Subjektkonstituierung, deren
Evaluation allerdings noch aussteht.
Korrespondierender Autor
Dr. W. Ecker
Psychosomatische Fachklinik, Institut für Fort-
und Weiterbildung in klinischer Verhaltensthe-
rapie e.V.
Kurbrunnenstraße 21a, 67098 Bad Dürkheim
dw-ecker@gmx.de
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkon-
flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-
ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in
dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-
kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation
des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-
halte produktneutral.
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... Their actions 'then "don't count" and often have to be repeated'. This self-related incompleteness (SI) experience could be defined as an OCD-specific variant of depersonalization, which then contributes, e.g., to 'incomplete' recollection of one's actions and to checking compulsions [Ecker and Gönner, 2006]. ...
... SI, which has still scarcely been studied, can be conceptualized as an OCD-specific form of depersonalization [Ecker and Gönner, 2006]. Studies of dissociative processes in general, and depersonalization/derealization in particular, in OCD patients [Lochner et al., 2004;Rufer et al., 2006;Maier et al., 2009] have not referred in any way to the experience of incompleteness. ...
... They should therefore yield independent contributions to the prediction of OCD symptom severity, after taking into account depression, anxiety, pathological worry, and depersonalization/derealization as control variables. 2) Since we consider SI as an OCD-specific variant of depersonalization/derealization [Ecker and Gönner, 2006], we predict a medium to high positive correlation with a general measure of depersonalization/derealization. However, Verhaltenstherapie 2013;23:000-000 ...
Article
Full-text available
Hintergrund: Unvollständigkeitserleben wird zunehmend als klinisch relevante Motivdimension der Zwangsstörung diskutiert. Hierbei wird primär der Aspekt des «Nicht-genau-richtig-Erlebens» betont, während selbstbezogenes Unvollständigkeitserleben (SU) als zwangsspezifische Ausprägungsform von Depersonalisationserleben bislang kaum untersucht wurde. Ziel dieser Studie ist es, ein ökonomisches Selbstbeurteilungsinstrument zur Messung der Schwere von SU zu entwickeln. Methodik: 190 Patienten mit einer Zwangsstörung erhielten 24 Items, die inhaltlich SU abbilden, und zusätzlich eine Reihe weiterer Messinstrumente zur Untersuchung der Konstruktvalidität. Ergebnisse: Auf der Basis inhaltlicher und statistischer Überlegungen wurde der Fragebogen zum SU (FSU-12) entwickelt, der mit je 3 Items 4 Dimensionen des SU abbildet (Depersonalisationserleben, Derealisationserleben, Selbsterleben als automatenhaft, Fehlen lebendiger Gefühle). Ein lineares Strukturgleichungsmodell zeigt eine gute Passung der empirischen Daten und der Modellstruktur. Die innere Konsistenz der FSU-12-Gesamtskala und der einzelnen Subskalen ist hervorragend. SU und Nicht-genau-richtig-Erleben liefern voneinander unabhängige Beiträge zur Vorhersage der Schwere von Zwängen und zeigen unterschiedliche Zusammenhänge mit Depersonalisation/Derealisation und zwanghaften Persönlichkeitszügen. Sie stellen also voneinander abgrenzbare, gleichermaßen zwangsrelevante Aspekte von Unvollständigkeitserleben dar. Schlussfolgerung: Der FSU-12 ist ein reliables und valides Screening-Instrument zur Einschätzung des individuellen Ausprägungsgrads von SU bei Zwangsstörungen.
... Dies ist klinisch relevant, da das gleiche beobachtbare Zwangsverhalten bei verschiedenen Betroffenen mit unterschiedlichen zugrunde liegenden Motivationen assoziiert sein kann [7][8][9][10]. So könnten etwa Wasch-und Reinigungszwänge durch Ansteckungsbefürchtungen [11,12], Ekel [13][14][15], Unvollständigkeits-bzw. "Nicht-genau-richtig-erleben" [16,17] oder eine Kombination dieser Motive motiviert sein. ...
... Diese motivationsbezogene Binnenheterogenität symptombasierter Subtypen [17] legt es nahe, zusätzlich zu einer Typisierung über "Leitsymptome" (z.B. Waschen, Kontrollieren, Ordnen) übergreifende motivationale "Kerndimensionen" der Zwangsstörung anzunehmen, die unterschiedliches Erleben bei gleichem offenem Zwangsverhalten berücksichtigen, z.B. den Herd kontrollieren, bis es sich "genau richtig" anfühlt, versus um die Gefahr eines Hausbrands abzuwenden. ...
Article
Full-text available
Hintergrund: Der Obsessive-Compulsive Trait Core Dimensions Questionnaire (OCTCDQ) erfasst mit 20 Items zwei Motivdimensionen der Zwangsstörung, Schadensvermeidung und Unvollständigkeitserleben. Methode: Eine deutsche Übersetzung wurde an 202 Zwangserkrankten hinsichtlich psychometrischer Eigenschaften und Konstruktvalidität untersucht. Auf der Basis eines linearen Strukturgleichungsmodells wurde eine verkürzte, inhaltlich und messmethodisch optimierte Revision entwickelt. Ergebnisse: Eine 10-Item-Revision (OCTCDQ-R) zeigt eine gute Anpassung. Die innere Konsistenz ist für Unvollständigkeit hervorragend, für Schadensvermeidung zufrieden stellend. Die Zusammenhänge mit der Schwere der Zwänge, Angst, pathologischer Besorgnis und zwanghaften Persönlichkeitszügen sprechen für die Konstruktvalidität des OCTCDQ-R. Schlussfolgerung: Der OCTCDQ-R ist ein reliables und valides Instrument zur Einschätzung des individuellen Ausprägungsgrades von Unvollständigkeit und Schadensvermeidung bei Zwangspatienten.
... Diese Fehlzuschreibungen lassen sich nicht nur in akuten Phasen einer Schizophrenie nachweisen, sondern auch in prodromalen Phasen und bei gesunden Geschwistern (Ford et al. 2013;Hommes et al. 2012;Johns et al. 2010 (Rachman 1997;Salkovskis 1985). In den letzten Jahren wurde allerdings einem weiteren Faktor wieder Aufmerksamkeit geschenkt, den schon Pierre Janet 1903 beobachtete und als Unvollständigkeitsgefühl bezeichnete (Ecker und Gönner 2006;Janet 1903) (Leckman et al. 1994;Miguel et al. 2000). Darüber hinaus konnten Woody und Kollegen (Woody et al. 2005) (Grützmann et al. 2016;Riesel et al. 2015). ...
Thesis
Der Mechanismus der prädiktiven sensomotorischen Selbstüberwachung, auch bekannt unter dem Begriff „Sense of Agency“, wird in den letzten Jahrzehnten immer wieder als Erklärungsmodell zentraler psychopathologischer Symptome der Schizophrenie wie Ich-Störungen und akustischen Halluzinationen herangezogen. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren eine gestörte Selbstüberwachung auch immer wieder als Ursache von Unvollständigkeitsgefühlen bzw. „Not just right experiences“ bei Zwangsstörungen diskutiert und neben dem Bedürfnis der Schadensvermeidung als Ursache von Zwangshandlungen gesehen. Bisher gibt es allerdings nur wenige Studien, die sich der Untersuchung der Selbstüberwachung bei Zwangspatienten gewidmet haben und Zusammenhänge mit der Zwangssymptomatik nachweisen konnten. Gegenstand dieser Arbeit ist daher eine differenzierte Untersuchung der Rolle des Mechanismus der prädiktiven sensomotorischen Selbstüberwachung bei der Entstehung zentraler psychopathologischer Symptome der Schizophrenie und der Zwangsstörung durch zwei experimentelle psychopathologische Studien. In der ersten Studie (PreSens) wurde mit Hilfe unterschiedlicher modalitätsspezifischer Paradigmen geprüft, ob eine Störung des Selbstüberwachungsmechanismus bei Patienten mit einer schizophrenen Psychose im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe vorliegt und ob die Selbstüberwachungsleistung der Schizophrenie-Patienten mit Positivsymptomen (Ich-Störungen, akustische Halluzinationen) jeweils in einem modalitätsspezifischen Zusammenhang steht. Die Untersuchung schloss die Messung hirnphysiologischer Korrelate mittels funktioneller Magnetresonanztomografie ein. In einer zweiten Studie (ConSens) wurde auf Verhaltensebene überprüft, ob sich Patienten mit Handlungszwängen von einer gesunden Kontrollgruppe in ihrer Handlungsüberwachung und -kontrolle unterscheiden. Zudem wurde untersucht, ob die Fähigkeit zur Selbstüberwachung und Handlungskontrolle von Zwangspatienten mit der Ausprägung der Symptome der Zwangsstörung in Zusammenhang steht. Zur Messung der motorisch-sensorischen Selbstüberwachung wurden in beiden Studien bereits etablierte Experimentalparadigmen verwendet. In der erstens Studie kam ein manuell-visuelles sowie ein verbal-auditorisches Selbstüberwachungsparadigma zum Einsatz um modalitätsspezifische Beeinträchtigungen zu messen. In der ConSens Studie fand das manuell-visuelle Paradigma ebenfalls Verwendung. Darüber hinaus wurde zur Messung der Handlungskontrolle, operationalisiert durch das Konzept der Response Inhibition, ein Go/NoGo Paradigma durchgeführt. Die Untersuchung des Mechanismus der sensomotorischen Selbstüberwachung bei Patienten mit schizophrener Psychose (PreSens Studie) ergab je nach Modalität unterschiedliche Befunde. Während die Ergebnisse in der manuell-visuellen Modalität nur auf eine geringe Störung der Selbstüberwachung bei den Patienten hindeuteten, die mit den Ausprägungen von Ich-Störung und der differentiellen Aktivierung im posterioren Cingulum und modalitätsspezifisch mit dem sekundären somatosensorischen Kortex in Einklang stand, zeigte sich in der verbal-auditiven Modalität demgegenüber eine ausgeprägte Störung auf der Verhaltens- wie auch auf der neurofunktionellen Ebene in signifikanten Gruppenunterschieden. Patienten nahmen häufiger an, dass ihre eigenen Handlungen extern verursacht wurden. Die schlechtere verbal-auditive Selbstüberwachungsleistung ging zudem mit einer höheren Ausprägung akustischer Halluzinationen einher. Ein Zusammenhang mit der funktionellen Hirnaktivierung ließ sich in dieser Modalität allerdings nicht zeigen. Insgesamt ergab die Untersuchung der sensomotorischen Selbstüberwachung Im Zusammenhang mit Ich-Störungen und akustischen Halluzinationen bei Patienten mit schizophrener Psychose, dass spezifische Störungen des Selbstüberwachungsmechanismus bestehen, die stark an die Ausprägung der Symptome dieser Modalität gebunden sind. Bei der Messung der sensomotorischen Selbstüberwachung bei Zwangspatienten (ConSens Studie) konnte ebenfalls eine Störung des sensomotorischen Selbstüberwachungsmechanismus festgestellt werden, die mit Ausprägung von Zwangshandlungen in Verbindung stand. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe und anders als Patienten mit Schizophrenie waren Zwangspatienten schlechter darin einen Fremdeingriff in die Wiedergabe ihrer Handlungen als solchen zu identifizieren. In Bezug auf die Handlungskontrolle waren keine Unterschiede zwischen gesunden Kontrollen und Zwangspatienten oder ein Zusammenhang mit der Zwangssymptomatik nachweisbar. Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit mit gleich aufgebauten Paradigmen zur Messung der sensomotorischen Selbstüberwachung bestätigt werden, dass in der Gruppe der Schizophrenie-Patienten wie auch in der Gruppe der Zwangspatienten eine Störung des Mechanismus der prädiktiven sensomotorischen Selbstüberwachung vorlag und diese mit der Ausprägung der jeweiligen Symptome in Zusammenhang stand. Die Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden innerhalb eines Störungsbildes und zwischen Störungsbildern trägt zur Erklärung von Ursachen von Kernsymptomen der Schizophrenie und der Zwangsstörung bei und unterstützt damit die Weiterentwicklung von Störungsmodellen, um so wiederum zur Verbesserung der Therapie dieser Störungsbilder beitragen können.
... The checking compulsions are based on forbidden thoughts of an aggressive, sexual or religious nature that are symbolically fought against in an act of externalization as a threat. However, the decisive factor for not being able to stop the compulsions is the feeling of incompleteness, which Janet first described in obsessive-compulsive disorder [51,52]. The control of electrical appliances and sockets, for example, does not come to an end because neither affect nor insight can be established that the action has been completed. ...
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A methodological order is derived from the concept of phenomena and stages of understanding are developed according to Karl Jaspers. The three levels of descriptive, genetic and hermeneutic understanding are applied to the study of obsessive-compulsive disorder. Descriptive understanding essentially reveals a sense of incompleteness and depersonalization that underlies the experience of the nonsense of obsessive thoughts and that obsessive-compulsive symptoms do not come to an end. Genetic understanding shows particularly by reference to the trigger situation that sensitivity, undifferentiated affects, affective hyperarousal and traumatization are important aspects in the development and maintenance of the obsessive-compulsive disorder. Hermeneutic understanding brings to light the fear of death in obsessive-compulsive disorder as its anthropological dimension. The aim of this methodologically structured overview is to focus on the experience of the obsessive-compulsive patient, to keep curiosity and interest alive, so that both research and relationship to the patient is stimulated.
... Auch wird nach wie vor infrage gestellt, ob es überhaupt sinnvoll ist, Zwangsstörungen als Untergruppe der Angststörungen zu fassen (z. B. [6,7]). In der internationalen Forschung zu Zwangsstörungen wird bis heute am häufigsten die Yale-Brown Obsessive-Compulsive Scale (Y-BOCS) [8,9] zur Messung von Zwangssymptomen eingesetzt, ein semistrukturiertes Interview, das in der Forschung als ¹Goldstandardª gilt und zufriedenstellende psychometrische Eigenschaften hat [8,10,11]. ...
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ZusammenfassungHintergrund: Das Hamburger Zwangsinventar-Kurzform (HZI-K) ist ein im deutschen Sprachraum weit verbreitetes Selbstberichtsinstrument zur Erfassung des Schweregrads und der Symptomatik von Zwangsstörungen. Das Obsessive-Compulsive Inventory-Revised (OCI-R), das sich im englischen Sprachraum gut etabliert hat und inzwischen auch in einer deutschsprachigen Version vorliegt, dient ebenfalls der dimensionalen Erfassung von Zwangssymptomen. Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, einen Vergleich der beiden Instrumente im Hinblick auf Reliabilität und konvergente sowie diskriminante Validität zu liefern. Methode: Basierend auf einer Stichprobe von 41 Patienten mit Zwangsstörungen wurden Korrelationen zwischen OCIR, HZI-K und anderen Instrumenten zu zwangsrelevanten Konstrukten sowie zur Depression berechnet. Ergebnisse: Die Korrelationen des OCI-R mit dem HZI-K lagen in einem moderaten bis hohen Bereich, während die Korrelationen mit der fremdeingeschätzten Symptomschwere unerwartet niedrig ausfielen. Die Korrelationen zu den Depressionsmaßen lagen mit leicht erhöhten Werten in einem akzeptablen Bereich. Schlussfolgerungen: Insgesamt lieferten die Ergebnisse Belege für eine gute bis sehr gute konvergente Validität des OCI-R und HZI-K. Die beiden Instrumente erwiesen sich somit in vielen Aspekten als vergleichbar. Differenzen bestehen in der Anzahl der Items, den Symptombereichen der Subskalen und der diskriminanten Validität zur Depression. Zusammengefasst lässt sich für die Mehrzahl der Fälle eine systematische Anwendung des OCI-R ableiten.Copyright © 2012 S. Karger AG, Basel
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The paper first introduces the concept of implicit and explicit temporality, referring to time as pre-reflectively lived vs. consciously experienced. Implicit time is based on the constitutive synthesis of inner time consciousness on the one hand, and on the conative–affective dynamics of life on the other hand. Explicit time results from an interruption or negation of implicit time and unfolds itself in the dimensions of present, past and future. It is further shown that temporality, embodiment and intersubjectivity are closely connected: While implicit temporality is characterised by tacit bodily functioning and by synchronisation with others, explicit temporality arises with states of desynchronisation, that is, of a retardation or acceleration of inner time in relation to external or social processes. These states often bring the body to awareness as an obstacle as well. On this basis, schizophrenia and melancholic depression are investigated as paradigm cases for a psychopathology of temporality. Major symptoms of schizophrenia such as thought disorder, thought insertion, hallucinations or passivity experiences may be regarded as manifesting a disturbance of the constitutive synthesis of time consciousness, closely connected with a weakening of the underlying pre-reflective self-awareness or ipseity. This results in a fragmentation of the intentional arc, a loss of self-coherence and the appearance of major self-disturbances. Depression, on the other hand, is mostly triggered by a desynchronisation from the social environment and further develops into an inhibition of the conative–affective dynamics of life. As will be shown, both mental illnesses bear witness of the close connection of temporality, embodiment and intersubjectivity. KeywordsTemporality–Intersubjectivity–Desynchronisation–Schizophrenia–Melancholia
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Typische, komplexe Problemsituationen erfordern gleichermaßen, anfangs unbekannte Wirkzusammenhänge zu explorieren und multiple, widersprüchliche Ziele zu balancieren. Ein Rahmenmodell verbindet Hypothesen über mögliche a) motivationale und b) kognitiv-strategische Auswirkungen multipler Ziele beim komplexen Problemlösen. Diese werden in vier Experimenten geprüft. Mit zwei computersimulierten Szenarios wird ein Paradigma entworfen, das unter standardisierten Laborbedingungen Zielkonflikte in einem motivierenden Kontext induziert. Experiment 1 (N = 69) induziert einen Widerspruch zwischen zwei parallelen Zielen und demonstriert konfliktassoziierte Einbußen im Wohlbefinden und der aktuellen Erfolgserwartung. Experiment 2 (N = 42) zeigt vergleichbare Befunde für Konflikte zwischen vier inkompatiblen Zielen. Experiment 3 (N = 42) prüft anhand von Gedächtnisleistungen, ob nicht erreichte Ziele in induzierten Konfliktsituationen vermehrte gedankliche Rumination nach sich ziehen. Experiment 4 (N = 20) identifiziert Subformen ruminierender Gedanken und adaptive Strategien im Umgang mit Zielkonflikten in Verbalprotokollen (Eingriffsvermeidung, Eingriffsflexibilität). Prozessanalysen deuten auf zyklische Phasen des Misserfolgserlebens gekoppelt mit simultanen Phasen der Rumination hin. Die Ergebnisse werden anhand eines zeitlichen Verlaufsmodells diskutiert, forschungsmethodische Perspektiven und ergänzende Fragestellungen werden aufgezeigt.
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Mit freundlicher Genehmigung des S. Karger Verlages (Basel).
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This chapter focuses on perfectionism in Obsessive Compulsive Disorder (OCD). Theorists have linked perfectionism with obsessive compulsive disorder. Despite differences in the measurement of perfectionism, it is clear from the research that perfectionism is related to OCD. The sense of imperfection subsequently leads to a need for perfection in perceptions and behavior to overcome feelings of uncertainty. Cognitive theorists emphasize the importance of perfectionism in understanding OCD. Some theorists suggest that perfectionism develops in an attempt to avoid uncertainty or in an attempt to establish control, while others suggest that perfectionism produces uncertainty and the desire to control one's own environment. However, the research linking perfectionism and OCD has not been much useful limited. Neither have the studies examined the influence of the different levels of perfectionism treatment, nor whether addressing perfectionism directly in therapy would be beneficial. Such evidence is collected with respect to other disorders; such as eating disorders and depression and suggests that specifically addressing perfectionistic thinking may be an important component of treatment. Higher levels of perfectionism may interfere with OCD patients' ability to endure exposure and carefully examine evidence regarding the beliefs about intrusive thoughts. Treatments specifically designed to modify perfectionistic thinking may be a useful for OCD treatment.
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Obsessive-compulsive disorder (OCD) is a commonly occurring neuropsychiatric condition characterized by bothersome intrusive thoughts and urges that frequently lead to repetitive dysfunctional behaviours such as excessive handwashing. There are well-documented alterations in cerebral function which appear to be closely related to the manifestation of these symptoms. Controlled studies of cognitive-behavioural therapy (CBT) techniques utilizing the active refocusing of attention away from the intrusive phenomena of OCD and onto adaptive alternative activities have demonstrated both significant improvements in clinical symptoms and systematic changes in the pathological brain circuitry associated with them. Careful investigation of the relationships between the experiential and putative neurophysiological processes involved in these changes can offer useful insights into volitional aspects of cerebral function.
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Several models seek to explain the psychobiology of obsessive-compulsive disorder (OCD). While none fully explains brain mechanisms responsible for the psychopathology of OCD, such models, based on clinical and experimental studies, elucidate further direction. This article reviews evidence from clinical observations and from electrophysiological and imaging studies on which the models were based. A variety of neurological diseases that involve the fronto-striatal and limbic/paralimbic systems are associated with obsessive and compulsive symptoms. Electrophysiological and imaging studies in OCD patients free from demonstrable neurological lesions, strongly suggest that these regions are involved in the pathobiology of obsessive-compulsive disorder. The most consistent findings in imaging studies were increased metabolism and blood flow in orbito-frontal regions at rest and, in addition, regional changes in the striatum and in limbic/paralimbic regions during symptom provocation. Imaging studies indicate predominant prefrontal hyperactivity, particularly on the right. Neuroimaging, electrophysiological and neuropsychological studies suggest that both hemispheres may contribute, perhaps to different degrees, to the pathophysiology of OCD. Since OCD is a heterogeneous disorder, it is likely that regionally specific pathology in the disorder will be variable.
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Of the various obsessive-compulsive phenomena it seems that compulsive checking may be particularly likely to repay an information-processing approach. There are indications that anxiety-targeted exposure methods are less appropriate to checking than cleaning. Also, repeated checking appears to result from an initial failure to process information adequately. Recent findings from experimental research on cognitive processes in obsessive-compulsive patients (e.g. difficulties in selective-set rather than filtering tasks, poor memory for actions, etc.) provide indications that compulsive checking may arise from a failure of information processing. Clinical observations indicate that the quality of information processing involved in checking deteriorates as checking is repeated, due partly to a deterioration of mood and partly to proactive interference. This suggests the use of cognitive strategies to maximize the effectiveness of the first check, so as to reduce the need for repetition.
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In this study we examined the degree to which the presence of feared consequences and poor insight into obsessive-compulsive symptoms influenced the efficacy of behavior therapy for Obsessive-Compulsive Disorder (OCD). We also examined whether beliefs associated with patients' obsessions changed following treatment. Twenty OCD patients, with and without articulated feared consequences, received treatment by exposure and response (ritual) prevention (EX/RP). Patients' degree of insight into the senselesseness of their obsessional beliefs was measured. Those who articulated fears of disastrous consequences tended to benefit more from EX/RP than those who did not express such fears. However, patients who were extremely certain that their feared consequences would occur evidenced poorer outcome than patients with mild or moderate certainty, despite the reduction of such certainty at posttest.
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Clinicians and researchers have pondered the intersection of obsessive–compulsive disorder (OCD) and psychosis. We examined the records of 395 individuals seeking treatment for OCD and classified participants according to their most frequent or distressing obsession and compulsion. All participants completed measures of fixity of belief, perceptual distortions, magical ideation, and psychotic symptoms. Results indicated that individuals who reported fear of harming self or others via overwhelming impulse or by mistake, and those with religious obsessions, had poorer insight and more perceptual distortions and magical ideation than did individuals with other types of obsessions. These results did not appear to reflect mere differences in OCD severity. Results are discussed in light of previous findings showing that psychotic-like symptoms are associated with attenuated treatment outcome in OCD. More research is needed to assess the absolute magnitude of psychotic-like features in OCD patients with impulse/mistake and religious obsessions and to examine whether these features interfere with standard cognitive–behavioral therapy.