ArticlePDF Available

Abstract

Investigative Psychologie unterstützt die Strafverfolgung mit taktischen Ratschlägen und Analysemethoden. Dazu gehört das Fokussieren der kriminalpolizeilichen Ressourcen auf Intensivtäter. Die Verwendung störenden Verhaltens während der Strafuntersuchung zum Sammeln von weiterem Beweismaterial, z. B. die Planung verdeckter Beweiserhebung für die Zeit unmittelbar nachdem ein Beschuldigter erfährt, dass ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde. Die Beachtung von Stärken und Schwächen von Beschuldigten resp. unbekannter Täterschaft: nicht nur Schwächen, sondern auch Intelligenz und berufliche Fähigkeiten lassen sich nur schwer verstecken. Eine möglichst wörtliche Protokollführung entspricht der Spurensicherung im Tatort „Kopf“, welche die rechtliche Verwertung der gemachten Aussagen im Bezug auf die subjektiven Elemente des Tatbestands und der Schuld ganz entscheidend verbessert. Die kognitive Überlastung beim Lügen bewirkt vielerlei Ungereimtheiten und Fehlleistungen in den Aussagen, diese sind für geschickte Folgefragen zu nutzen. Gewisse Täter lassen sich von ihrem Geltungsdrang verleiten, andere wiederum haben eine neuropsychologische Dysfunktion in der semantischen Sprachverarbeitung. Beides hinterlässt verräterische Spuren in den Aussagen, die ihre wahren Handlungen und Absichten preisgeben, man muss die Protokolle nur gründlich analysieren, um sie zu entdecken.
195
Kriminalistik – Schweiz
Redaktion: Dr. Peter W. Pfefferli, Forensisches Institut Zürich; lic. iur. Alberto Fabbri, LL. M., Erster Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft
Basel-Stadt; Fürsprecher Jürg Noth, Chef Grenzwachtkorps GWK, Eidg. Finanzdepartement Bern; Dr. Silvia Steiner, Staatsanwältin,
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich; lic. iur Bruno Fehr, Chef Kriminalpolizei St. Gallen; Dr. iur. Dr. med. Thomas Noll, Chef
Vollzug, Justizvollzugsanstalt Pöschwies; lic. iur Christian Aebi, Oberstaatsanwalt des Kantons Zug; Peter Holenstein, Publizist
Investigative Psychologie
Von Henriette Haas
man ein detailliertes Profil aufstellen
kann, lässt es sich auf Grund der Daten-
schutzgesetze nicht in systematischer Art
und mit allen verfügbaren Datenbanken
abgleichen und ist somit oft nur von be-
grenztem Nutzen.
Trotzdem kann man – sowohl in der
Fahndung als auch während der Beweis-
erhebung bei bekannten Tatverdächtigen –
psychologisches Wissen aus einschlägigen
Studien für die kriminalpolizeiliche Arbeit
nutzbar machen. Logischerweise gelten Er-
gebnisse von Studien über Delinquente nur
für schuldige Tatverdächtige und nicht für
Unschuldige. Die Frage stellt sich daher, ob
aufgrund, der daraus abgeleiteten polizeili-
chen Ermittlungsansätze u. U. ein Unschul-
diger zu Unrecht belastet werden könnte
oder ein Schuldiger fälschlicherweise aus
dem Radar fällt. Diese Möglichkeit ist,
beim Zusammentreffen mehrer unglückli-
cher Zufälle, nicht völlig auszuschliessen,
allerdings nur in Kombination mit den
statistischen Fehlerquoten der anderen Be-
weismittel. Bei der Nicht-Verwendung der
hier geschilderten Taktiken besteht dieses
in jeglichem wissenschaftlichen Unterfan-
gen – so auch im Strafprozess – inhärente
Risiko aber im gleichen, wenn nicht im viel
höheren Mass.
Quintessenz: Viele Menschen, so auch
die Straftäter, sind stark ihren Gewohnhei-
ten verhaftet, sie zeigen eine gewisse Rigi-
dität, mit der sie sich an ihre bekannten
Verhaltensmuster klammern. So verhalten
sich solche Beschuldigte, die tatsächlich
Täter sind, oftmals vor den Behörden tak-
tisch recht ungeschickt; sie können nicht
anders.
2. Versatilitäts- und Spezialisie-
rungsdebatte
Eine Grundfrage der Kriminalpsychologie
lautet: Gibt es ein bestimmtes Persönlich-
Investigative Psychologie unterstützt die Strafverfolgung mit
taktischen Ratschlägen und Analysemethoden. Dazu gehört
das Fokussieren der kriminalpolizeilichen Ressourcen auf
Intensivtäter. Die Verwendung störenden Verhaltens wäh-
rend der Strafuntersuchung zum Sammeln von weiterem
Beweismaterial, z. B. die Planung verdeckter Beweiserhebung
für die Zeit unmittelbar nachdem ein Beschuldigter erfährt,
dass ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde. Die Beach-
tung von Stärken und Schwächen von Beschuldigten resp.
unbekannter Täterschaft: nicht nur Schwächen, sondern
auch Intelligenz und berufliche Fähigkeiten lassen sich nur
schwer verstecken. Eine möglichst wörtliche Protokollfüh-
rung entspricht der Spurensicherung im Tatort „Kopf“, wel-
che die rechtliche Verwertung der gemachten Aussagen im
Bezug auf die subjektiven Elemente des Tatbestands und der
Schuld ganz entscheidend verbessert. Die kognitive Über-
lastung beim Lügen bewirkt vielerlei Ungereimtheiten und
Fehlleistungen in den Aussagen, diese sind für geschickte
Folgefragen zu nutzen. Gewisse Täter lassen sich von ihrem
Geltungsdrang verleiten, andere wiederum haben eine neu-
ropsychologische Dysfunktion in der semantischen Sprach-
verarbeitung. Beides hinterlässt verräterische Spuren in den
Aussagen, die ihre wahren Handlungen und Absichten preis-
geben, man muss die Protokolle nur gründlich analysieren,
um sie zu entdecken.
Psychologie
Prof. Dr.
Henriette
Haas, Psy-
chologisches
Institut,
Universität
Zürich
1. Einleitung in die investigative
Psychologie
Psychologie im Strafprozess funktioniert
aus verschiedenen Gründen nicht so, wie
es in den TV-Serien gezeigt wird. Ers-
tens, was das Profiling anbetrifft, gibt
es kaum kriminelle Spezialisierungen auf
spezifische Taten, die dann mit anderen
Merkmalen der Persönlichkeit hochgra-
dig korrelierten. Zweitens, selbst wenn
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
196
Schweiz: Psychologie
keitsprofil für jede Art von Straftat, z. B.
den Vermögensdelinquenten, den Ver-
kehrstäter, den Sexualtäter, den Gewalt-
täter, den Bankräuber oder den Mörder?
Diese Frage wird in der Kriminologie unter
dem Begriff der „Versatility versus Specia-
lization“ Debatte abgehandelt.
Die Soziologen gehen mehrheitlich
davon aus, dass es keine Spezialisten für
bestimmte Taten gibt. Begriffe wie „Sexu-
altäter“ werden durch die Presse geprägt,
die sich an spektakulären Taten orientiert
und über die anderen Delikte dieser Ver-
brecher kein Wort verliert.
2.1 Mythen und Tatsachen über
Täter-Typologien
Es sei an dieser Stelle davor gewarnt, die
vielfach populär vermarkteten Täterpro-
file z. B. des „organized vs disorganized
Serialkiller“ als psychologisch gesicherte
und distinkte Kategorien zu verstehen. Es
hat gute und empirisch fundierte Gründe,
warum man im 19. Jahrhundert von ei-
nem Täterstrafrecht – wie das von Lomb-
roso propagierte – abgekommen ist und
ein Tatstrafrecht eingeführt hat.
Wo liegt das Problem? Zum einen sind
die Profile unspezifisch und treffen auf
fast alle Intensivtäter zu oder manchmal
gar auf die ganze Bevölkerung. Wenn
etwa behauptet wird, dass ein Drittel der
Serienmörder aus Scheidungsfamilien
stamme, besagt das nichts, denn dies ent-
spricht der Scheidungsrate in der Gesamt-
bevölkerung. Zum andern sind gewisse
Aussagen tautologisch, z. B. wenn aus
dem Faktum, dass einer Mörder seine Lei-
chen mit dem Auto entsorgt, der Schluss
gezogen wird, es handle sich um einen
„organized offender“.
2.2 Inwiefern existiert die kriminelle
Spezialisierung?
Schon früh hat man beobachtet, dass die
Mehrheit der rückfälligen Delinquenten
kriminell versatil sind, wohingegen sich
nur eine kleine Minderheit von Tätern spe-
zialisiert. Der Grund für die Austauschbar-
keit der Taten liegt nach Gottfredson und
Hirschi (1990, S. 21) in der Tatsache, dass
der Gewinn, der aus den diversen illega-
len Handlungen resultiert, oft ähnliche
Vorteile hat, nämlich: mit wenig Aufwand
wird eine sofortige Befriedigung erreicht,
ohne dass eine Gegenleistung erbracht
werden müsste. Cusson (2005, S. 37 ff.)
argumentiert ähnlich: nach ihm haben
Täuschung und Gewalt(-Androhung) eine
gemeinsame, den einzelnen Taten über-
geordnete Motivation, die darin besteht,
dass mit diesen Mitteln die Zustimmung
der Mitmenschen umgangen werden
kann (z. B. für Zwecke der Ausbeutung
oder der Rache). Dazu kommt auch noch
ein gewisses Element der Spannung
hinzu, des Nervenkitzels durch das Risiko,
den viele Täter in allen Bereichen des Le-
bens suchen: in der Sexualität, im Glück-
spiel und im Rausch.
Im Lichte der Rekrutendaten konnten
wir die Frage nach der Versatilität und
Spezialisierung nuancieren (Haas & Killias
2003). Die allgemeinen illegalen Aktivitä-
ten, die beinahe alle Täter aufweisen, sind
die Missachtung der Strassenverkehrsre-
geln, der Cannabiskonsum und Cannabis-
handel, d. h. Straftaten, die in weiten Krei-
sen der Bevölkerung als nicht so schlimme
Verfehlungen angesehen werden. Ob-
wohl fast alle Intensivtäter mehr oder
weniger multi-aktiv sind, haben manche
von ihnen ganz bestimmte Vorlieben (z. B.
Serienvergewaltiger, Schlägertypen unter
den Sportfans, Brandstifter, etc.).
3. Wissenschaftlich etablierte
Persönlichkeitsprofile von Tätern
Betrachten wir einmal die wissenschaft-
lich fundieren Täterkategorien, nämlich
zuerst die Gelegenheitstäter versus die In-
tensivtäter, danach die offen aggressiven
versus die heimlich aggressiven Täter.
In den späteren Kapiteln geht es dann
um einzelne ermittlungspsychologisch re-
levante Merkmale von Tätern, die meis-
tens auf einem Kontinuum angesiedelt
werden können: Ausgebranntheit, Bega-
bungen und Ausbildung, die Fähigkeiten
zur Lüge und Täuschung, das Konstrukt
„Psychopathy“, Mitläufer- und Sympathi-
santentum und schliesslich die Nachah-
mungstäter.
3.1 Intensivtäter versus Gelegen-
heits- und Einfachtäter
Die heute allgemein akzeptierte Haupt-
unterscheidung verschiedener Straftäter
betrifft die Intensität der Delinquenz. Es
gibt einerseits die grosse Masse der Ge-
legenheits- und Einfachtäter, die aus ju-
gendlichem Übermut oder als einmalige
Dummheit delinquieren und nach einer
ersten Strafe – oder auch spontan –
wieder damit aufhört. In dieser grossen
Gruppe von leichten Tätern scheint das
Delinquieren eine Phase im Leben zu sein,
die aufhört, sobald sich der junge Mensch
(meist Mann) in Beruf und Beziehung sta-
bilisiert. Andererseits haben wir die so ge-
nannten Intensivtäter, die irgendwie alles
tun, was Gott verboten hat, also kriminell
versatil sind. Auf diese Unterteilung stützt
sich auch das Bundeskriminalamt. Cusson
(1998, S. 83) erklärte es folgendermassen:
Delinquenz ist gleichzeitig weit verbreitet
und doch konzentriert. Weit verbreitet:
fast alle Jugendlichen lassen sich gele-
gentlich zu leichteren Straftaten hinreis-
sen. (…) Andersherum betrachtet ist die
Delinquenz aber auch sehr konzentriert:
Wo auch immer gemessen wurde, fand
man eine Minderheit von Tätern, die der-
art aktiv sind, dass sie allein für einen sehr
beträchtlichen Teil der Kriminalität verant-
wortlich sind.“ Die sehr asymmetrische
Verteilung von Delinquenz unter den po-
lizeilich registrierten Personen wurde erst-
mals mit der Philadelphia-Kohortenstudie
von Wolfgang, Figlio und Sellin (1972)
nachgewiesen. Für die Schweiz konnte
dieses Ergebnis auch für das Dunkelfeld
der noch unentdeckten Taten und Täter in
der Rekrutenstudie (Haas 2001) bestätigt
werden. Mehr als die Hälfte aller unter
dem Deckmantel der Anonymität zuge-
gebenen Straftaten (56.8 %) ging auf das
Konto einer Kerngruppe von nur 8.1 %
der Rekruten (der Intensivtäter). Dabei
wurden Gewalt- und Sexualdelikte ebenso
erfasst wie solche im Strassenverkehr oder
gegen das Eigentum. Die Kerngruppe der
Intensivtäter (d. h. der Mehrfachtäter und
potentiell gefährlichen Kriminellen) war
für fast 70 % aller Gewaltdelikte und über
80 % aller sexuellen Übergriffe verant-
wortlich.
Um auf die Frage der kriminellen Spe-
zialisierungsdebatte zurückzukommen,
können wir zusammenfassen, dass Spe-
zialisierung teilweise zu existieren scheint;
dass sie allerdings das Begehen ande-
rer Delikte keineswegs ausschliesst. Sie
kommt einerseits durch individuelle Be-
dürfnisse und spezielle psychische Stö-
rungen zustande, andererseits aber auch
durch spezifische soziale und berufliche
Fähigkeiten. Siehe dazu auch Aspekte der
sog. White-Collar Kriminalität in Haas (Kri-
minalistik 2007).
Daraus folgt, dass man heute vielerorts
die kriminalpolizeilichen Ressourcen auf
die Gruppe der Intensivtäter konzentriert.
3.2 Merkmale der Intensivtäter
Die Gruppe der männlichen Einfach- und
Gelegenheitstäter unterscheidet sich nur
geringfügig von der männlichen Normal-
bevölkerung. Hingegen unterscheiden
sich die Intensivtäter sowohl von der Nor-
malbevölkerung als auch von den Ein-
fach- und Gelegenheitstätern signifikant.
Sie waren als Kinder in viel stärkerem
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
197
Schweiz: Psychologie
Ausmass den bekannten kriminogenen
Risikofaktoren ausgesetzt gewesen (Mili-
euschädigung, Misshandlung und sexuel-
ler Missbrauch) und zeigten oft schon in
der Kindheit Anzeichen einer Verhaltens-
störung. Als Erwachsene haben sie viele
Symptome, die man den Persönlichkeits-
störungen zuordnet (anormale Persön-
lichkeiten). Sie zeigen ein generell stark
erhöhtes Risikoverhalten in der Sexualität,
im Strassenverkehr, beim Konsum von
Gewalt und Pornovideos der harten Sorte
und im Umgang mit Suchtmitteln. Viele
werden von Alkohol oder Drogen abhän-
gig. Die Intensivtäter tun sich gerne mit
ihresgleichen zusammen und haben eine
Vorliebe für Waffen.
In der Kohortenstudie über 21 314 Re-
kruten des Jahres 1997 (Haas 2001,
S. 384 ff., Kap. 14 & 15) konnte man fest-
stellen, dass die Mehrheit der Intensivtä-
ter an einer dissozialen Störung leidet.
Die Mängel an Realitätsprüfung, an
Impulskontrolle und Frustrationstole-
ranz, an Beziehungsfähigkeit und in der
sprachlichen Symbolisierungsfähigkeit
führen dazu, dass die Dissozialen ihre
psychischen Vorgänge wenig reflektie-
ren können und sie dafür bei unpassen-
den Gelegenheiten direkt in Handlungen
umsetzen, u. a. in der Delinquenz selber
und nachher im Kontakt mit den Straf-
verfolgungsbehörden. Man nennt dieses
Symptom „Agieren“. Vielfach ist der sog.
Modus operadi der Täter weit davon ent-
fernt, seinem hochtrabenden lateinischen
Namen gerecht zu werden, sondern be-
steht einzig und allein aus dummen und
planlosen Handlungen, eben dem Agie-
ren.
Wenn es während der Straf-Untersu-
chung geschieht, wird das Agieren oft nur
unter dem volitiven Aspekt (d. h. der Im-
pulsivität und der präverbalen Ausdruck-
weise) gesehen, es hat jedoch auch einen
kognitiven Aspekt. Kognitiv gesehen tritt
es an die Stelle des Vorbringens von ent-
lastenden Tatsachen oder Argumenten,
wenn jemand den Vorwürfen nicht mehr
anders begegnen kann. Er versucht dann,
mit einer irrationalen Notfallreaktion zu
entkommen. In der Natur der Sache liegt
es, dass diese „Flucht nach vorn“ meist in
der Sackgasse endet.
Inhaltlich entladen sich im Agieren
nicht selten solche Verhaltensweisen und
unbedachte Äusserungen, die mit dem
Tatvorwurf zusammenhängen.
Das Agieren einer Person ist oft ein
Versuch, die Rollen umzukehren (z. B.
„ich bin hier der Ankläger und Sie wer-
den beschuldigt“, „dieser Staat ist kein
Rechtsstaat“)
Das Agieren zeigt viel über die Psyche
einer Person u. a. seine Beziehungswelt
(z. B. „Frauen sind Sexobjekte ohne ei-
genen Willen“, „das Opfer hat mich
provoziert“).
ihr Selbstbild (z. B. „ich bin der
Grösste!“, „ich, der Sieger, setze mich
gegen die Verlierertypen mit allen Mit-
teln durch“)
das Verhältnis zu Regeln und zum Ge-
setz (z. B. „Spielregeln gelten nur für
die anderen, nicht für mich“, „Fairness
ist für die Dummen“, „alle tun das
doch!“, „diese Gesetze sind für interna-
tional tätige Unternehmer ein Ärgernis,
sie wurden von Schreibtischtätern ent-
worfen“)
Daraus folgt: Obwohl das Agieren
manchmal als Störfaktor in der Ermitt-
lung wirkt (Nix 1993), ist es dennoch ein
treuer Helfer der Strafverfolger und soll in
geeigneter Weise mit Aktennotizen und
durch Fragen in der Vernehmung doku-
mentiert werden (z. B. „warum haben
Sie die Staatsanwältin gerade „Schätzeli“
genannt?“). Viele der genannten absurd
wirkenden Behauptungen, die als Recht-
fertigung vorgebracht werden, eignen
sich hervorragend, um daraus Fragen
über soziale Beziehungen und über das
Rechtsverständnis des Beschuldigten her-
zuleiten, deren Beantwortung dann wie-
derum viel über Aspekte des subjektiven
Verschuldens preisgibt.
3.3 Der Extinction burst vor der
Löschung eines konditionierten
Verhaltens
Die Delinquenz der Intensivtäter ist ein
Verhalten, das über lange Zeit mit Geld,
Sex, Drogen, Ansehen und Macht belohnt
wurde. Es ist somit konditioniert worden,
d. h. der Betroffene hat sich an diese Be-
friedigungen gewöhnt und sie haben den
Charakter einer psychischen Sucht ange-
nommen. Wenn nun ein konditioniertes
Verhalten durch einen aversiven (unange-
nehmen) Reiz von der Löschung bedroht
ist, kommt es in ca. 25–40 % der Fälle zu
einem Extinction burst, d. h. zum kurz-
fristigen Aufflammen des Verhaltens statt
zum Verschwinden und bei ca. 20 % der
Fälle kommt es zu einem Anstieg von Ag-
gression (Lerman, Iwata & Wallace 1999).
Dieses Phänomen kann man unschwer an
sich selber beobachten, wenn man gute
Vorsätze gefasst hat. Kurz vor dem Ter-
min der Umsetzung ist die Versuchung
nochmals und jetzt erst recht „auf den
Putz zu hauen“, besonders gross (z. B. der
Polterabend).
Strafverfolgung (Vorladung, Verhaftung
des Beschuldigten) sind typische aversive
Reize und das Aufflammen der Delin-
quenz just in diesem Moment bietet aus-
gezeichnete Gelegenheiten zum Sammeln
von Beweismitteln, sofern man es zuvor
taktisch einplant.
Typisch für das delinquente Aufflam-
men unmittelbar nach dem Versand der
ersten Vorladung oder der Verhaftung
sind folgende Verhaltensweisen der Tat-
verdächtigen:
Gewalt und Drohung gegen Beamte
noch rasch ein paar Unterschriften fäl-
schen
Versuche, die Zeugen einzuschüchtern
und zu beeinflussen
Akten, Gegenstände verschwinden las-
sen, Tatorte putzen
sich nochmals richtig mit Drogen oder
Alkohol zudröhnen
restliche Drogen oder Diebesgut mög-
lichst schnell verkaufen
Daraus folgt, dass die erste Zeit nach dem
Auffliegen der Machenschaften unbe-
dingt zur verdeckten Beweiserhebung (Te-
lefonüberwachung) genutzt werden soll,
d. h. die Stunden und Tage nachdem der
Beschuldigte erstmals erfahren hat, dass
ihm die Strafverfolgungsbehörde auf die
Schliche gekommen ist.
3.4 Gewalt-Intensivtäter versus
heimlich agierende Intensiv-Täter
Die Intensivtäter kann man in zwei wei-
tere Unterkategorien teilen. Loeber und
Hay (1997) haben aufgrund der Daten
einer Längsschnittstudie (Pittsburgh
Youth Study) eine Art dynamischer Tä-
terprofile über den Werdegang jugendli-
cher Täter entworfen. Sie unterscheiden
die „overt aggression“ von der „covert
aggression“. Manche Täter bevorzugen
seit Kindheit heimliche Formen von Ag-
gression (wie Diebstahl, Betrug, etc.)
um zu illegitimen Vorteilen zu gelan-
gen, wohingegen Andere eine offen ag-
gressive Konfrontation mit dem Opfer,
d. h. die direkte Gewaltanwendung be-
vorzugen (z. B. Raub, Vergewaltigung,
Tötungsdelikte).
Gemäss diesen Forschern neigen Ge-
walttäter zu rund 80 % ebenfalls zu den
versteckten Formen der Aggression, d. h.
sie lügen und stehlen ebenfalls, wäh-
rend die heimlich agierenden Täter eher
vor Gewalt zurückschrecken, d. h. nur ein
Fünftel von ihnen wird irgendwann auch
gewalttätig.
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
198
Schweiz: Psychologie
4. Der Abwärtstrend des
delinquenten Lebensstils
Chronische Delinquenz, sowohl die von
offen aggressiv als auch diejenige von ver-
steckt aggressiven Tätern, hat oft einen
dynamischen Aspekt, der durch die Straf-
taten und ihre Konsequenzen bedingt ist.
Entgegen dem Wunsch der Täter durch
ihre illegalen Aktivitäten eine Abkürzung
zum Erfolg nehmen zu können, haben
diese meistens schwere Rückwirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit, auf die sozialen
Beziehungen und die Psyche im Sinne ei-
nes generellen Abwärtstrends. Die Täter
unterschätzen dabei die entstehenden
Ängste vor dem Auffliegen und die sich
bildenden Abhängigkeiten zu den Kom-
plizen. Am Schluss der Karriere sind sie
nur noch ausgebrannt und erschöpft. Wir
illustrieren, den Verlauf solcher Karrieren
am Beispiel von Drogenhandel.
4.1 Suchten und Delinquenz
In der ambulanten Drogentherapie sieht
man Adoleszente, die Partydrogen oder
Cannabis anfangen zu verkaufen (zuerst
ohne selber davon abhängig zu sein). Sie
wollen sich damit ein schönes Taschen-
geld verdienen und geniessen in den ers-
ten Jahren einen Lebenswandel, den sich
andere Gleichaltrige niemals leisten kön-
nen. Nun sind aber sowohl Kunden als
auch Zulieferer nicht einfach im Umgang,
denn sie kümmern sich wenig um die
Sicherheitsvorkehrungen, die dem Neu-
Einsteiger in dieses „Business“ anfänglich
wichtig sind. Die Kunden müssen, ähn-
lich wie diejenigen an einer Bar, gepflegt
werden. D. h. der Jung-Dealer muss sich
deren Probleme anhören, sie trösten,
manchmal Kredite erteilen etc. Gewisse
sehr treue und gute „Kunden“ geraten
dadurch in eine psychische Abhängigkeit
und tauchen mitten in der Nacht vor dem
Haus des Jungdealers auf, werfen Steine
an die Fenster, läuten Sturm und rufen
laut „he, mach endlich auf und lass et-
was raus!“. An ein Aufhören ist unter die-
sen Umständen nicht mehr zu denken.
So geraten smarte Jungdealer in einen
zunehmenden Arbeits-Stress, den sie na-
heliegenderweise zuerst mit Kokain, mit
Heroin oder Alkohol-Drogen-Mischungen
zu bewältigen versuchen. Danach reicht
der Cannabis-Handel für die finanziel-
len Bedürfnisse nicht mehr aus und sie
müssen auf harte Drogen umsteigen. Ir-
gendwann kommt der Tag, wo sie sel-
ber süchtig sind und erst dann suchen sie
erstmals eine Beratungsstelle auf. Oft sind
sie in der ersten Phase der Sucht, wo diese
noch zu einer Erleichterung von den Här-
ten der Realität und zu einer Verdrängung
der Gefahren verhilft, noch zu wenig für
eine wirksame Behandlung motiviert. Im
Verlauf des weiteren Abstiegs, kommt es
vor, dass sie in einer Krise den ganzen auf
Kommission gekauften Stoff selber konsu-
mieren, anstatt ihn zu „strecken“ und mit
Gewinn weiter zu verkaufen. Dies führt
zu weiterem Abstieg in der Hierarchie der
Drogenszene, wenn sie keinen „Stoff“
mehr auf Provision bekommen und nun
das Geld für die Drogen durch „Brüche“
(d. h. Diebstahl, Einbruchdiebstahl, Raub)
Prostitution und Zuhälterei anschaffen
müssen. Zum Schluss kommt die Phase
schwerer Verwahrlosung mit Polytoxiko-
manie, Obdachlosigkeit, Filterleinfixen
und Infektionen (HIV, Hepatitis).
Verschiedene empirische Studien haben
bestätigt, dass Delinquenz im Lebenslauf
oft der Sucht vorausgeht und nicht etwa
wie manchmal behauptet wird, nur eine
reine Folge der Kriminalisierung der Sucht
ist. Später Süchtige fangen durchschnitt-
lich im Alter von ca. 13 Jahren mit Dieb-
stählen an und ein Jahr später mit Ein-
brüchen und Vandalismus. Im selben Jahr
kommt dann erstmals Cannabiskonsum
hinzu (Makkai und Payne 2003, S. 56).
Mit 15 Jahren kommt es im Durchschnitt
zu Fahrzeugdiebstählen und erst mit
18 Jahren werden die gestohlenen Waren
an Hehler weiterverkauft oder getauscht.
Regelmässiger Heroinkonsum stellte sich
bei der australischen Stichprobe relativ
spät, erst mit 20 Jahren ein ( S. 39). In der
Stichprobe von Opiatabhängigen, die von
Uchtenhagen und Zimmer (1985 S. 125)
untersucht wurde, fanden sich 38 % der
Frauen und 59 % der Männer, die Delin-
quenz bereits vor der Drogenkarriere an-
gaben. Der Unterschied zur Normalstich-
probe war vor allem bei den Frauen frap-
pant. In verschiedenen Untersuchungen
zu drogenabhängigen Kollektiven fan-
den sich ein Prozentsatz zwischen 27 %
und 77 % von Personen, die bereits vor
dem ersten Drogenmissbrauch verurteilt
worden waren (Bennett & Wright 1986,
S. 267).
4.2 Späteinsteiger
Bei Tätern ohne jugendliche Delinquenz,
die erst im mittleren Alter (30- bis 50-jäh-
rige) beispielsweise aus einer persönlichen
Notlage heraus beginnen, Gelder ihres
Arbeitsgebers zu veruntreuen, sieht man
ebenfalls manchmal einen Abwärtstrend.
So geht die geplante Strategie des ein-
maligen Coups nicht auf; das Geld ist ver-
spekuliert oder verspielt und es braucht
immer grössere Summen, um das ent-
standene Loch zu decken. Viele Betriebe
verzichten darauf, ihre Viktimisierung bei
den Behörden anzuzeigen, da die Ruf-
schädigung durch ein negatives Auffallen
in der Presse einen ungleich grösseren
Schaden anrichtet als der entstandene
Verlust.
4.3 Prognose und Ausstieg
Sowohl im Strafvollzug als auch in am-
bulanten Massnahmen besteht für viele
der ausgebrannten Täter eine erstaun-
lich gute Legalprognose, d. h. sie werden
nicht mehr delinquent. Hingegen ist es
viel schwieriger, den gesellschaftlichen
Abstieg oder die Sucht wieder rückgängig
zu machen. Daher bleiben diese Leute oft
ein Leben lang mehr oder weniger stark
invalidisiert oder von Behandlungen (z. B.
Substitutionsprogrammen) abhängig.
Quintessenz: Beschuldigte, die sich
aus der Gruppe der Täter mit deutlichem
Abwärtstrend rekrutieren, sind innerlich
erleichtert, wenn die Teufelsspirale ange-
halten wird. Sie sind in der Straf-Unter-
suchung vergleichsweise kooperativ und
einsichtig, manchmal sogar echt reuig.
Drogenabhängige mit Vermögensdelikten
(und Raub), die das Pech hatten, nicht
rechtzeitig erwischt zu werden, werden
erst durch den Schock einer ernsthaften
Erkrankung oder eines schweren Unfalls
realistisch und sind dann erstmals moti-
viert, sich den Versagungen einer Thera-
pie zu unterziehen.
5. Ausbildungen und Begabun-
gen als ermittlungsrelevante
Tätermerkmale
Klinische Beobachtung zeigt, dass ge-
wisse Spezialisierungen zweck- und lust-
orientiert mit andern illegalen Handlun-
gen kombiniert werden. So wird etwa
ein Drogenhändler gern auch mal einen
Kunden mit Schulden mit Gewalt dazu
bringen, diese zu bezahlen oder er enga-
giert sich in bewaffneten Territorialkämp-
fen. Ein grosses Geltungsbedürfnis kann
von Kriminellen aller Art, z. B. Betrügern
oder Gewalttäter, mit Autorasen befrie-
digt werden.
Als weiterer Einfluss kommen spezifi-
sche Begabungen ins Spiel, genau wie
bei den legalen Tätigkeiten auch. Der ge-
lernte Buchdrucker neigt logischerweise
eher zum Geldfälschen als zum Einbre-
chen, währen es beim Schlosser umge-
kehrt ist.
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
199
Schweiz: Psychologie
Täter, die schon Gerichtsurteile in ei-
gener Sache lesen mussten, fühlen sich
manchmal versucht, den juristischen Jar-
gon (engl. „legalese“) anzuwenden, denn
für sie ist er die Sprache der Macht. In an-
onymen Drohbriefen oder Erpresserschrei-
ben wollen sie mit ihren Kenntnissen im-
ponieren und lassen so einen Rückschluss
auf einen möglichen Strafregistereintrag
zu.
Daraus folgt: Es lohnt sich herauszu-
finden, welche beruflichen und anderen
Kenntnisse eine unbekannte Täterschaft
mitbringt (schriftlicher Ausdruck, hand-
werklich, IT-mässig, Fachwörter). Weiter
kann es sinnvoll sein – im Rahmen des ge-
setzlich erlaubten Spielraums – bei Inten-
sivtätern nach weiteren Delikten als das
Anlassdelikt Ausschau zu halten. Kein Ge-
heimnis ist es ferner, dass unbegabte, we-
nig intelligente und impulsive Täter sich
durch ihre plumpe Vorgehensweise und
ihre ebenso unbeholfenen Vertuschungs-
versuche verraten.
5.1 Intelligente und fachlich hoch-
qualifizierte Täter und solche, die
sich dafür halten
Man kann Intelligenz und fachliche
Kenntnisse kaum verschleiern, denn diese
Denkprozesse laufen ganz automatisch
ab und werden zur Planung der Straftat
eingesetzt. Ein bekanntes Sherlock-Hol-
mes Zitat lautet: „ich liebe die brillanten
Köpfe. Sie sehnen sich danach, gefasst
zu werden!“ (weil es ihnen nämlich um
Anerkennung und Berühmtheit geht). In
der Tat ist das Angeben mit der eigenen
Intelligenz oder mit allfälliger fachlichen
Qualifikationen eine Versuchung, der die
wenigsten Personen widerstehen können.
Dasselbe gilt für Personen, die bloss mei-
nen, sie gehörten in diese Kategorie.
Daraus resultiert: Beruflich qualifizierte
und intelligente Täter (und solche, die
sich dafür halten) verraten sich manch-
mal, weil sie Andere mit ihren einzigar-
tigen Qualitäten beeindrucken wollen.
Täter mit besonderen Qualifikationen hin-
terlassen gerade dadurch hochspezifische
Spuren, sei es im MO oder sei es in der
Sprache (z. B. in Briefen, Telefonaten, E-
Mailverkehr).
5.2 Das Paradox der guten Verbre-
chensplanung
Ein zweiter Umstand bewirkt, dass selbst
intelligente und qualifizierte Täter oft zum
Scheitern verurteilt sind. Gemäss dem
Locard’schen Austauschprinzip (1920, zit.
in Martin 2002, S. 8 und Pfefferli 2007),
der Basis der naturwissenschaftlichen
Kriminaltechnik, findet bei jeder Straftat
(und bei jeder Handlung generell) ein
Austausch von Material zwischen Täter-
schaft, Waffen, Transport- und Kommuni-
kationsmitteln, Opfern und Tatorten statt.
Dieses Material besteht aus dem Dreck
und den Fasern der Umgebung (Mikros-
puren) und es wird ständig von der Haut,
den Haaren, den Körperflüssigkeiten ab-
gesondert und nach jedem physischen
Kontakt hinterlassen. Heute rechnet man
auch virtuelle Spuren (auf elektronischen
Datenträgern) hinzu.
Quintessenz: Das Locard-Prinzip führt
zum Paradox der guten Verbrechenspla-
nung. Je besser geplant wird, desto mehr
zielgerichtete Tätigkeiten sind involviert
und desto mehr verräterische Spuren
werden generiert. Intelligenz, Bildung,
technische Fähigkeiten werden von Tätern
bei der Planung natürlicherweise einge-
setzt und hinterlassen so Unmengen von
hochspezifischen Spuren und Indizien.
Dasselbe gilt natürlich für alle Vertu-
schungsversuche, die der Kriminalpolizei
viele neue interessante Spuren zuführen.
Selbst ein kriminalistisch versierter Täter,
der das Locard-Prinzip kennt, kann dem
Dillemma (sich durch Planung schützen
und dafür viele Spuren hinterlassen oder
das Risiko eines ungeplanten Vorgehens
auf sich nehmen) nicht entkommen.
5.3 Die machiavellische Intelligenz –
nicht zu unterschätzen
Auch Leute, die im konventionellen Sinn
wenig bis keine Begabungen haben,
können gewisse spezielle Fähigkeiten
kultivieren und trainieren, die man un-
ter dem Begriff „machiavellische Intelli-
genz“ zusammenfasst (Whiten & Byrne
2002). Machiavellische Intelligenz hat mit
Schulintelligenz nichts zu tun und kann
sogar bei debilen oder dementen Perso-
nen stark ausgeprägt sein. Zum Beispiel
können manche abgebaute Alkoholiker
noch im fortgeschrittenen Stadium ihrer
Erkrankung in einer psychiatrischen Klinik
oder in einem Pflegeheim über ihre Mit-
patienten und über das Personal eine fast
unglaubliche Macht entfalten, indem sie
gezielt bösartige Intrigen und Gerüchte
starten. Ein Strafgefangener, der als Kind
von Taglöhnern schon mit fünf Jahren
zum Betteln geschickt wurde, keinen Be-
ruf erlernt hatte und intelligenzmässig am
unteren Rand des Normenbereichs ange-
siedelt war, hatte später spezielle Fähig-
keiten im Betteln entwickelt. Zum Beispiel
bekam er von einem Pfarrer einen alten
Mercedes geschenkt, weil er sich den Jeni-
schen (Schweizer Fahrende) anschliessen
wollte. Ein anderer „ganz lieber“ Pfarrer
hatte ihm einfach so 5000,– Fr geschenkt.
Dazu liess sich dieser Gefangene Visiten-
karten mit seinem Namen und dem Zu-
satz „Lord of Metaphysiks“ (sic) drucken
und erbettelte damit Spenden für nicht
existierende okkulte Organisationen. Der
gleiche Mann hatte ein Arsenal an selbst
erfundenen schrecklichen Waffen konst-
ruiert, beispielsweise eine Schnur mit ei-
ner neunschwänzigen Katze dran, die aus
Rasierklingen bestand. Diese setzte er zur
Drohung und zur Nötigung ein, indem er
sie den Opfern vor dem Gesicht herum
schwang.
Man soll die machiavellische Intelligenz
von Kriminellen und psychisch Kranken
auf keinen Fall unterschätzen, denn viele
sind uns (sog. Normalen) auf diesem Ge-
biet haushoch überlegen. Es tönt vielleicht
ein bisschen ungewohnt, aber man kann
die Delinquenz auch unter dem Aspekt
von besonderen Begabungen und erlern-
ten Fähigkeiten anschauen. Man darf sie
unter psychologischen Gesichtspunkten
keinesfalls nur auf einen Defekt reduzie-
ren. Diese besonderen Fähigkeiten wer-
den für Straftaten genutzt. Taschendieb,
Kunstfälscher, Bandenchef, Erpresser,
Einbrecher, Mörder, Geldwäscher, Million-
betrüger, Identity-thief auf dem Internet,
Heiratsschwindler, Menschenhändler sein:
das kann nicht jeder!
Ein typisch machiavellistisches Verhal-
ten besteht im skrupellosen Missbrauch
ahnungsloser, oftmals besonders vulne-
rabler Drittpersonen, als unwissendes
Werkzeug für die Tat oder als Schutzschild
bei Auseinandersetzungen. Die Wirkung
dieser Machenschaften hält allerdings nur
solange an, als die Täterschaft die Kont-
rolle über ihre Opfer behält. Sobald diese
aus den Fängen der Täterschaft befreit
sind, werden sie zu Zeugen und kön-
nen fortan der Strafverfolgung wertvolle
Dienste erweisen.
Machiavellische Intelligenz äussert sich
ferner so, dass Beschuldigte in den Ver-
nehmungen und vor allem in der Presse
einen sog. smoke-screen errichten. Sie
bestreiten und widerlegen angebliche Be-
schuldigungen, die in Wirklichkeit gar nie
gemacht wurden, führen unauffindbare
angebliche Zeugen auf, und verstehen es,
die Diskussion immer wieder auf Neben-
schauplätze zu führen.
Daraus folgt: 1. Aus dem Wissen um
die machiavellischen Begabungen der Tä-
ter resultiert eine Einvernahmetaktik, in-
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
200
Schweiz: Psychologie
dem der Strafverfolger seinem Interesse
für diese Formen von Intelligenz und Le-
bensstil nonverbal oder verbal (aber sub-
til) Ausdruck verleiht oder sich selber naiv
stellt. Der Aufwertung ihrer Person kön-
nen nur wenige Menschen widerstehen,
immer vorausgesetzt, dass sie echt und
nicht gespielt ist. Umgekehrt kann man
sich auf unliebsame Überraschungen ge-
fasst machen, wenn man die machiavelli-
sche Intelligenz ausser acht lässt.
2. Machiavellistische Personen hinter-
lassen entlang ihres Lebensweges unzäh-
lige „Leichen“, d. h. weitere Opfer, die
finden, dass das Mass voll sei und die
es gilt, als Zeugen aufzuspüren. Solche
Menschen sind erfreut, wenn sie über die
Machenschaften der Machiavellisten aus-
sagen dürfen, selbst wenn es nicht mehr
um die eigene (verlorene) Sache geht.
6. Tatverdächtige, die lügen und
täuschen
Wie Loeber und Hay (1997) ausführen,
tritt heimliche, versteckte Aggression,
d. h. Lügen, Stehlen und Täuschen bei
nahezu allen Tätern auf, ungeachtet des
Anlassdelikts. Da offene Gewalt gegen-
über den Ermittlungsbehörden (nach der
Verhaftung) kaum mehr möglich ist, wird
generell Täuschung als Verteidigungsstra-
tegie eingesetzt und es wird viel gelogen.
6.1 Die kognitive Überlastung beim
Lügen
Das menschliche Gedächtnis beruht auf
mehreren unterschiedlich lokalisierten
und organisierten Netzwerken im Hirn
(z. B. Eysenck & Keane 2005). Für krimina-
listische Zwecke ist besonders eine Unter-
scheidung wichtig: Einerseits das autobio-
grafischen Gedächtnis, das am leichtes-
ten abrufbar ist, weil es mit dem Sitz der
Emotionen verbunden ist. Andererseits
das semantische Gedächtnis, wo gelernte
und theoretische Inhalte abgespeichert
werden. Eine weitere Eigenschaft des Ge-
dächtnisses besteht darin, dass man sich
meistens viel leichter an die Inhalte von
Erlebtem oder Erlerntem erinnert als an
deren Quelle. Dies nennt man die Quel-
lenamnesie (Schacter 2001, S. 179, 209).
Alle wissen beispielsweise, dass Paris die
Hauptstadt von Frankreich ist, doch wo-
her haben wir das erstmals erfahren?
Aus diesen drei Gründen ist es fast un-
möglich, elaborierte Lügengebäude im
Gedächtnis zu behalten, ohne dass man
sich früher oder später verrät. Die Wahr-
heit sprechen ist einfach; man muss nur
eine einzige autobiografische Geschichte
aus ein und demselben Gedächtnisnetz-
werk überblicken. Lügner müssen hinge-
gen zwei Netzwerke (das semantische und
das autobiografische Gedächtnis) bemü-
hen, um ihre Konstruktionen überblicken
zu können. Die Konstruktionen sind zudem
unerwartet komplex, sie bestehen aus:
einigen ausgewählten Tatsachen
der erfundenen Geschichte
der Gestaltung zeitlichen Säume, der
Ränder, wo die wahre Vor-Geschichte
zum erfundenen Teil überleitet und wie-
der zurück zur wahren Nach-Geschichte
denjenigen Fakten, von denen die Lüg-
ner offiziell Kenntnis haben dürfen, im
Gegensatz zu den andern (hier wirkt
Quellenamnesie)
Daraus folgt: Damit die kognitive Über-
lastung beim Lügen in der Vernehmung
maximal zum Tragen kommt, bedarf es
bestimmter Vernehmungstechniken. Beson-
ders wichtig dabei ist das Erheben eines sog.
freien Berichts, jedesmal, wenn Gesprächs-
bereitschaft signalisiert wird oder auf Vor-
halt hin neue Fakten zugegeben werden.
Dasselbe gilt für die Befragung über den
Zeitraum des Alibis. Mehr dazu wird in Haas
und ILL (2013), einem systematisch aufge-
bauten Leitfaden der Vernehmungstaktik
verraten. Damit die, durch das Lügen ent-
standenen Widersprüche, nachher in den
Protokollen aufgespürt werden können,
braucht es ein möglichst wörtliches Proto-
kollieren. Protokollführung ist keineswegs
eine Nebensache, sondern sie entspricht der
Sicherung der Spuren im Tatort „Kopf“. Die
Protokollführung soll daher mit der genau
gleichen Sorgfalt und Fachkenntnis ange-
gangen werden, wie es die Kriminaltechni-
ker im Umgang mit dem Beweismaterial an
den physischen Tatorten tun.
7. Psychopathische und andere
Symptome von Bindungsstörung
beachten
7.1 Psychopathische Persönlichkeits-
züge
Unter allen Intensivtätern haben diejeni-
gen die ungünstigste Legalbewährungs-
prognose, die einen hohen Score auf der
sog. Psychopathie-Checkliste oder sons-
tige Symptome von Bindungsstörungen
aufweisen. Die Kenntnis dieser Kriterien
dient einerseits dem Nachweis besonde-
rer Gefährlichkeit, andererseits soll sie die
Aufmerksamkeit der Ermittler auf eine
bestimmte typische Störung im semanti-
schen Sprachverständnis der Betroffenen
lenken, die in der Auswertung von Ver-
nehmungsprotokollen ausserordentlich
nützlich sein kann.
Folgende Merkmale sind für die Diag-
nose der sog. Psychopathy nach Hare und
Cleckley (zit. aus Cooke, Michie, Hart &
Hare 1999) relevant.
1. Glatt, oberflächlicher Charme
2. Grandiose Selbstüberschätzung
3. Manipulativ, berechnend, durchtrie-
ben
4. Pathologisches Lügen
5. Mangel an Reue oder Schuldgefühlen
6. Seichte Affekte, Oberflächlichkeit
7. Mangel an Einfühlungsvermögen,
gefühlskalt, hart
8. Mangelhafte Bereitschaft und Fähig-
keit, Verantwortung für sein Handeln
zu übernehmen
9. Unverantwortlichkeit
10. Parasitärer Lebensstil
11. Frühkindliche Verhaltensprobleme
12. Schlechte Verhaltenskontrolle
13. Fehlen von realistischen langfristigen
Lebenszielen
14. Impulsivität
15. Stimulationsbedürfnis, thrill seeking,
Hang zur Langweile
16. Verletzen von Bewährungsauflagen
17. Jugendkriminalität
18. Kriminelle Vielseitigkeit
19. Promiskuität
20. Viele kurzfristige eheähnliche Bezie-
hungen
7.2 Weitere Kriterien für prognos-
tisch ungünstige Bindungsstörungen
Weitere Kriterien mit Relevanz für die
Gefährlichkeit sind Symptome von Bin-
dungs- und paranoiden Störungen wer-
den in den Werken von Meloy (1998)
und De Becker (1998) als Kriterien ge-
nannt. Sie sind vor allem im Bereich der
häuslichen Gewalt, bei Morddrohungen
in Schule und am Arbeitsplatz und bei
Stalking wichtig:
Sofortige Bereitschaft, sich rechtlich
binden zu wollen (ambivalentes Bin-
dungsverhalten) (z. B. nach zwei Wo-
chen Bekanntschaft heiraten wollen).
Pathologische, chronische Eifersucht
Generelle Ablehnung der Antwort
„nein“
Die „Ewigkeit“ einer Beziehung oder
eines Arbeitsverhältnisses wird genannt
Fixierung auf ein einziges Thema oder
eine Person, redet von nichts anderem
Sensitiver Beziehungswahn, wähnt sich
in naher Beziehung zu jemanden, der er
kaum kennt und der auch nichts wissen
will von ihm
Die Ziele im Leben sind rückwärts ge-
richtet, will à tout prix etwas rückgän-
gig machen oder will sich rächen
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
201
Schweiz: Psychologie
7.3 Nachweis der Wiederholungsge-
fahr bei gefährlichen Beschuldigen
Bei potentiell gefährlichen Beschuldigten
mit krimineller Vorgeschichte geht es auch
um den Nachweis der langfristigen Wie-
derholungsgefahr. Hier können mit Hilfe
kriminalpsychologischen Wissens bereits
durch Polizei und Staatsanwaltschaft ge-
wisse „Pflöcke eingesetzt“ werden. Eine
Studie von Elz (2007) an der kriminologi-
schen Zentralstelle Wiesbaden über die
Akten von gemeingefährlichen verwahrten
Sexualstraftätern hat zu Tage gebracht,
dass ein grosser Teil der Roh-Informationen,
die im psychiatrischen resp. psycholo gi-
schen Gutachten für die Gefährlichkeits-
prognose verwendet wurden, aus den
polizeilichen Vernehmungen stammte. De
facto wird keiner anderen Stelle im ganzen
Strafverfahren ein Beschuldigter so intensiv
und unmittelbar erlebt wie im Ermittlungs-
verfahren. Durch eine sorgfältige Befra-
gung können Strafverfolger somit nicht
bloss die richterliche Entscheidung über
Schuld und Unschuld, sondern indirekt
auch diejenige über Strafen und Massnah-
men erheblich beeinflussen.
Daraus resultiert: Es lohnt sich für Straf-
verfolger in schweren Fällen nicht bloss
die Vorstrafen- und Jugendstrafenge-
schichte darzustellen, sondern auch auf
Verhaltensweisen und Äusserungen der
Angeschuldigten einzugehen, die auf die
oben genannten Symptome der Psycho-
pathie-Checkliste und der Liste Merkmale
der Bindungsambivalenz und der paranoi-
den Persönlichkeitszüge verweisen.
7.4 Gestörtes semantisches Proces-
sing bei Personen mit psychopathi-
schen Zügen
Inbau, Reid, Buckley und Jayne (2001,
S. 164 ff.) heben die narzisstische Moti-
vation hinter einem chronisch manipula-
tiven Verhalten hervor. Einerseits suchen
die Manipulatoren den Kick durch das
Risiko und andererseits brauchen sie die-
ses Verhalten, um sich den Mitmenschen
überlegen zu fühlen. Es wird nicht nur
defensiv gelogen, um der Strafverfolgung
zu entkommen, sondern solche Beschul-
digte betreiben das Austricksen als stän-
diges Spiel zur Hebung ihres Selbstwert-
gefühls und freuen sich (heimlich), wenn
sie andere beschämen und über den Tisch
ziehen können. Bei manchen von ihnen
kann man eine kurzfristige Bewunderung
hervorrufen, wenn man ihnen auf eine
gewitzte Art zeigen kann, dass man ih-
nen nicht auf den Leim geht. Leider ist
diese positive Beziehung nicht von Dauer
und somit keine tragfähige Basis für eine
Therapie.
Täter mit psychopathischen Zügen ha-
ben ein gestörtes semantic processing,
d. h. sie haben Mühe, die Bedeutungen
von Begriffen im Zusammenhang mit Ge-
fühlen und Bindung zu verstehen. Sprache
wird durch soziale Bindung in der frühen
Kindheit erworben. Wo diese fehlt, ist der
Spracherwerb gestört. Gestörte „semanti-
sche Prozesse“ wurden schon von Cleckley
(1988/1941) beschrieben und sind heute
als neuropsychologische Dysfunktion be-
legt (Kiehl, Smith, Mendrek, Forster, Hare
& Liddle 2004). Das Symptom beinhaltet
die Unfähigkeit, den sozialen und affek-
tiven Gehalt der sprachlichen Kommuni-
kation zu verstehen: Wenn es um Begriffe
wie „Gesetze“, „Fairness“, „Vertrauen“,
„Mitgefühl“, „Gegenseitigkeit“, „Liebe“,
„Respekt“, „Reue“ geht, verhalten sich
Bindungsgestörte wie Geburts-Blinde, die
über Farben reden. Sie imitieren Gesunde,
ohne über entsprechende eigene Wahr-
nehmungen zu verfügen.
Dadurch setzen die Betroffenen solche
Wörter ein, wie wenn es mechanische He-
bel wären, mit denen man Andere mani-
pulieren kann. Dabei passieren ihnen aber
immer wieder krasse Versprecher und
Fehleinschätzungen. Oft sind sie sogar
stolz auf ihre Gestörtheit und sie verra-
ten sich dadurch. Folgende Phänomene
konnte die Autorin als Therapeutin im
Strafvollzug (früher) und als Gutachterin
(heute) beobachten:
Die Täter äussern sich stolz über ihre
negativen Charaktereigenschaften,
ohne zu merken, dass andere dadurch
abgestossen sind. Sie reden davon, wie
man andere Menschen „benutzen“
kann, wie „eiskalt“ sie selber seien, wie
sie lügen können und andere Men-
schen über den Tisch ziehen. Die da-
für benutzen Begriffe kann man später
sehr gut in der Anklageschrift wieder
aufnehmen.
Es kommt zu eklatanten Widersprüchen
in ihren Aussagen. Wenn ein Wort sie
selber betrifft, hat es eine ganz andere
Bedeutung als wenn es andere Men-
schen betrifft (besonders die Wörter:
„Respekt“, „Gesetz“ und „Gerechtig-
keit“).
„Sie müssen mir vertrauen“ wird zum
Lieblingssatz, wobei man sich fragt,
warum der andere das denn müsse,
wenn er doch nicht freiwillig will.
Innerlich sind sie überzeugt, dass nicht
ihr Verhalten das Problem sei, sondern
dass die Gesetze „falsch“ seien oder
dass die „Gesellschaft schuld sei“. Die-
ser Gesinnung ist in der Einvernahme
empathisch zu begegnen, damit der
Beschuldigte sie ausführlich erläutert
und sich rechtfertigt. Damit ist der erste
Schritt zum Nachweis der subjektiven
Schuld bereits gemacht, auch ohne Ge-
ständnis.
Daraus folgt wiederum, dass wörtliches
Protokollieren einen sehr hohen Stellen-
wert in der Beweisführung einnimmt.
Es handelt sich um die Dokumentation
psychischer Tatsachen. Oft bemerkt man
nämlich die Versprecher erst beim Lesen
der Protokolle, wenn die Konzentration
nicht vom eigenen Fragenstellen absor-
biert ist. Besonders wichtig in der Be-
weisführung psychischer Tatsachen sind
diejenigen Begriffe, die vom Befragten
spontan ins Spiel gebracht werden (ohne
dass sie je zuvor in einer Frage erwähnt
worden wären). Wenn beispielsweise bei
einem Steinewerfer auf die Autobahn
gefragt wird: „wollten Sie damit jeman-
den verletzen?“ Und die Antwort lautet:
„nein, und ich wollte auch niemanden
umbringen“ dann ist damit belegt, dass
der Gedanke ans „Umbringen“ im Kopf
des Beschuldigten im Zusammenhang mit
der Tat eine Rolle spielt (immer vorausge-
setzt, dass der Begriff „Töten“ und seine
Synonyme von Befragerseite vorher noch
nie verwendet wurden).
8. Die Mitläufer und Sympa-
thisanten der Haupt-Täter
Ein Feld das psychologisch noch zu wenig
erforscht ist, sind die Sympathisanten der
Täter und die Mitläufer von Rädelsführern.
Teilweise haben diese natürlich dieselben
Merkmale wie alle andern Delinquenten.
Es kommt jedoch auch vor, dass dissozi-
ale Personen trotz ihrer Bindungsstörung
(ursprünglich) nicht-delinquente Partner
und Freunde finden, die sie ungeachtet
des ständigen Vertrauensmissbrauchs
über lange Jahre hinweg begleiten und
unterstützen.
8.1 Komplizenbeziehungen und
Banden
Komplizenbeziehungen fussen nicht so
sehr auf Sympathie als auf einer falschen
Prämisse, nämlich auf der gemeinsamen
Ablehnung des Gesetzes und der Regeln.
Dies führt zu einer sehr starken Allianz,
allerdings nur solange die Komplizen frei
kommunizieren können und sich so ge-
genseitig kontrollieren.
Dazu in Haas und ILL (2013): „Entgegen
dem sog. Gefangenen-Dilemma, das in
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
202
Schweiz: Psychologie
der Theorie besagt, dass Komplizen dann
am besten fahren würden, wenn sie von
ihrem Schweigerecht Gebrauch machen,
ist die soziale Realität der Beziehungen
unter Komplizen eine ganz andere. Meist
sind nicht alle Tatbeteiligten gleichermas-
sen am vorgeworfenen Delikt schuldig. Ei-
nige sind bloss Mitläufer und haben eine
passive Rolle, andere wurden vielleicht
eingeschüchtert und sogar zur Teilnahme
an Aktivitäten der Gang genötigt.“
Daraus folgt: viele Mitläufer haben je-
des Interesse, die Delikte aufzuklären und
zu gestehen, denn ihnen droht nur eine
geringere Strafe und es lockt die Befrei-
ung aus den Fängen einer Bande. Vor-
aussetzung dafür ist allerdings, dass alle
möglichen Kollusionswege wirksam blo-
ckiert werden und dass die Vorteile ei-
nes Geständnisses, aber auch die Ängste
davor, ausführlich angesprochen werden.
8.2 Komplementäre Pathologien –
Co-Narzissten als Freunde und Helfer
der Täter
Eine Erklärung des Phänomens „Co-
Narzissmus“ stammt vom Zürcher Paar-
Therapeuten Jürg Willi (1975, S. 76), der
eine Theorie dysfunktionaler Beziehun-
gen entwickelt hat, die später auch auf
das Gebiet der Substanzenabhängigkeit
(Co-Abhängige als Partner und Familien-
angehörige von Süchtigen) ausgeweitet
wurde. In der Psychotherapie kommt zum
Vorschein, dass es im Innenleben dieser
Menschen anders aussieht, als sie äusser-
lich wirken. Sie haben nämlich ebenso wie
die Narzissten, ausgeprägte Grössen- und
Allmachtsphantasien, derentwegen sie
intensive Schuldgefühle empfinden. Sie
glauben, keinen Anspruch darauf zu ha-
ben, selber „jemand“ zu sein und möch-
ten es darum umso mehr. Sie haben oft
das Gefühl, nicht sich selbst zu sein und
es nicht zu sein dürfen. Deshalb gehen
sie ganz in der Macht, der Nonchalance
und den Eskapaden ihrer Partner oder
Schützlinge auf. Umgekehrt gibt es ihnen
die Möglichkeit, den Narzissten an ihrer
Seite ein Stück weit zu „therapieren“ und
unter Kontrolle zu halten, ein Machtge-
fühl, das sie zur Stützung ihrer eigenen,
vermeintlichen Unzulänglichkeit dringend
brauchen.
Im Umfeld der Täter finden sich also
manchmal Personen, die ohne selber de-
linquent zu sein, die Täter zu schützen
versuchen, wo sie nur können. Man be-
gegnet ihnen von Seiten der Strafverfol-
ger mit wenig Verständnis. Diese Partner
und Helfer sind manchmal sozial gut in-
tegriert, wirken psychisch stabil, sind be-
ruflich und sozial kompetent und schei-
nen das pure Gegenteil der Täter, die sie
begleiten, zu verkörpern. Sie wirken oft
sogar noch ausgeglichener, altruistischer
und bescheidener als andere, psychisch
unauffällige Menschen. Je tiefer sie sich
mit den Tätern einlassen, desto mehr lau-
fen sie allerdings Gefahr, in die kriminel-
len Machenschaften aktiv mit einbezogen
zu werden. Bekanntes Beispiel für eine
solche Stütze war der frühere irakische
Aussenminister Tarek Aziz unter dem Dik-
tator Saddam Hussein. Er bewegte sich
mit schlafwandlerischer Sicherheit im
Auge des Orkans und hat den Diktator
wohl unzählige Male, so gut es ging, zur
Vernunft bringen müssen. Weiter sind
etliche Partnerinnen von Sexualmördern
unrühmlich bekannt geworden, weil
sie ihren Männern bei perversen und
mörderischen Taten geholfen haben (z. B.
die Frau von Marc Dutroux).
Man fragt sich daher, warum will je-
mand Zuwendung und Hilfsbereitschaft
an solch unangenehme Charaktere ver-
schwenden; wie kann er nur? Diese merk-
würdige Persönlichkeitsstruktur, die äus-
serlich oft symptomfrei scheint, ist leider
kaum erforscht. In extremen Fällen wie
etwa bei Adolf Eichmann könnte man fast
von einer Art blanden Psychopathy spre-
chen, d. h. die Betroffenen zeigen in eige-
ner Regie keine produktiven Symptome,
aber es fehlt ihnen an affektiver Bindung
und Gewissensbildung (d. h. sie haben
nur die sog. Negativsymptome) und so
geraten sie an die falschen Partner.
Daraus folgt: Sympathisanten und Hel-
fer von Tätern – ob sie im strafrechtlichen
Sinn Mittäter sind oder nicht, spielt keine
grosse Rolle – haben einen grösseren
Leidensdruck als die letzteren. Wenn die
Situation der Ausbeutung, die sie lange
Zeit ertragen haben, unerträglich gewor-
den ist, suchen sie selber Hilfe und öff-
nen sich, auch gegenüber Ermittlern. Es
braucht aber viel, bis es soweit kommt;
oft ist eine vitale Bedrohung nötig. Hilf-
reich kann es weiter sein, die oben ge-
nannten möglichen tieferen psychologi-
schen Gründe für ein solches Verhalten in
Form von gezielten Fragen in der Verneh-
mung anzusprechen.
9. Nachahmungstäter (engl.
social contagion oder copycats)
Nachahmungstäter bilden nicht eine ei-
gene Täterkategorie, denn sie sind grund-
sätzlich „im gleichen Spital krank“ wie die
anderen Täter ihrer Art. Hingegen sollte
präventiv etwas gegen die Ausbreitung
der Delinquenz unternommen werden.
9.1 Soziale Ansteckung mit
Delinquenz
Im späten 18. Jahrhundert breitete sich
eine merkwürdige Mode unter jungen
Männern aus. Ohne dass sie einander
gekannt hätten, begannen Jünglinge in
verschiedenen Regionen Deutschlands
sich in gelben Hosen und blauem Ja-
cket zu kleiden. Viele pflegten eine de-
pressive Grundstimmung und äusserten
Selbstmordabsichten oder brachten sich
sogar um. Die Ursache des Phänomens
blieb zunächst unerkannt. Gleichzeitig
schien die Suizidrate unter jungen Män-
nern anzusteigen und besonders unter
solchen mit dieser Kleidung. Nota bene,
dies ist anekdotisches Wissen, denn die
mathematische Statistik war damals noch
nicht entwickelt. Nach einiger Zeit wurde
die Quelle dieser Mode entdeckt: es war
Goethes Roman „die Leiden des jungen
Werther“. Das Buch wurde daraufhin an
verschiedenen Orten verboten. Die Sozio-
logie der 1970-Jahre prägte den Termi-
nus Werther-Effekt für medien-induzierte
Selbstmorde. Nach einem spektakulären
Suizid, beispielsweise einer bekannten
Persönlichkeit des öffentlichen Lebens,
kann sich die Suizidrate in der Bevölke-
rung um bis zu 10 % erhöhen.
Der allgemeine Terminus ist soziale
Ansteckung (social contagion). Sie wirkt
nach Marsden auf drei Ebenen: der Emo-
tionen, des Verhaltens und der Ideen. Die
emotionale Ansteckung betrifft anste-
ckende Stimmungen und Lebensgefühl
(Aggression, Depression, Weltschmerz).
Die Verhaltens Ansteckung geht vom Gäh-
nen und Lachen bis hin zum Verbrechen.
Die ideelle Ansteckung entsteht durch
Suggestion durch Verbreiten von Gerüch-
ten, durch moderne Legenden, irrationale
Glaubensinhalte und Extremismus.
Unterdessen sind denn auch verschie-
dene andere Modewellen im Bereich
des Verhaltens, der Psychopathologie
und der Verbrechen bekannt geworden:
eine Lachepidemie unter Schülerinnen in
Afrika, die Welle der Magersuchten bei
Mädchen, die Drogenepidemie der 1980–
1990 Jahre, die Schulschiessereien und
heute die Gewalt- und Bandenepidemie,
die für Europa neu ist. Über die genauen
Hintergründe bezüglich solcher Anste-
ckung herrscht allerdings keine Einigkeit
unter den Wissenschaftlern. Wegen der
grossen Verbreitung aller Nachrichten auf
dem Internet, ist es heute auch schwieri-
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
203
Schweiz: Psychologie
ger geworden, das Phänomen zu unter-
suchen. Allgemein akzeptiert ist aber die
Erkenntnis (ursprünglich von Bandura &
Walters 1963), dass menschliches Verhal-
ten zum grossn Teil durch Nachahmung
erlernt wird.
Über die Inkubationszeit für direkte
Nachahmungstaten bei schweren Verbre-
chen wird ebenfalls gestritten. Einige Un-
tersuchungen lokalisieren einen Peak am
dritten Tag (Philips 1983), andere spre-
chen von ca. 1–2 Wochen nach der ersten
Publikation; der Effekt kann aber auch viel
länger anhalten. Auf das Attentat im Zu-
ger Parlament hin, über das durch die Me-
dien weltweit Milliarden von Menschen
erfahren haben, ist drei Monate später
eine ähnliche Tat in New Delhi, Indien und
ein halbes Jahr später eine weitere in Nan-
terre, Frankreich gefolgt. Seither gab es
keine mehr. Die Nachahmungstäter (co-
pycats) schwerer Verbrechen teilen sozi-
ale und persönliche Merkmale mit dem
Ersttäter, mit denen sie sich identifizie-
ren. Vom präventiven Standpunkt her ist
es somit wichtig, dass die Medien solche
Täter nicht personifizieren und mystifizie-
ren. D. h. je weniger interessante Details
über diese Täter publiziert werden, desto
geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass
es zum Copycat Effekt kommt. Je mehr
hingegen in den Medien und auf dem In-
ternet solche Verbrecher zum tragischen
modernen Helden oder zum „unverstan-
denen Monster“ hochstilisiert werden,
desto mehr Leute fühlen sich zu einer
ähnlichen Karriere berufen.
9.2 Prävention gegen soziale Anste-
ckung
Zur Verhinderung von Nachahmungs-
taten lassen sich bestimmte Ratschläge
herleiten, die auf der Analogie der Suizid-
prävention beruhen (vgl. Marsden & Attia
2005, CDC Ratschläge online) nämlich:
Keine spezifischen Details zum MO zu
veröffentlichen
Keine Andeutungen und Exkulpationen
im Stil von „die Tat sei unerklärbar, der
Täter hätte so viele positive Qualitäten
gehabt“ machen
Keine Publikation von romantisierenden
Erklärungen der Täterschaft, etwa wie
„wir wollten im Tod auf ewig vereint
sein“
Keine Publikation von simplifizieren-
den Erklärungen wie etwa: „Schüler
erschoss Lehrer wegen ungenügender
Mathenote“
Vermeidung der Herausgabe von Bil-
dern der Täterschaft, wo es nur geht
Vermeidung der Nachricht auf der Titel-
seite, wo es nur geht
Vermeidung von gewissen Wörtern wie:
Klassenzimmer-Mord, Familiendrama
(das Wort beinhaltet eine unzulässige
Exkulpation des Täters)
Daraus folgt: Die oben genannten Punkte
widersprechen diametral den Rezepten
des modernen Journalismus für publi-
kumswirksame Artikel, sind also nicht
ohne Widerstand durchzusetzen. Indes-
sen können Strafverfolger versuchen,
diejenigen Details mit dem grössten
Identifikationspotential unter dem Deckel
zu halten, oder dann aber eine Art Ge-
genpropaganda einfliessen zu lassen, in
der Details aus der Untersuchung veröf-
fentlicht werden, die den Täter als das
erbärmliche und feige Individuum entlar-
ven, das es ist. Eine Darstellung als ge-
schlechtsloses, gescheitertes Neutrum
(und nicht als Mann) wirkt zudem dem
falschen Männlichkeitskult entgegen, der
in den Vorlagen solcher Verbrechen, den
einschlägigen Filmen, Videospielen, und
den gewaltextremistischen Ideologien
gepflegt wird (je brutaler desto „männli-
cher“ und „erfolgreicher“).
Literaturverzeichnis
Bandura, A. & Walters, R. (1963). Social Learning
and Personality Developement. New York N. Y:
Holt, Rinehart & Winston.
Bennett, T. & Wright, R. (1986). The impact of
prescribing on the crimes of opiod users. British
Journal of Addiction. 81, 265–273.
Centers for Disease Control (CDC). Suicide Con-
tagion and the Reporting of Suicide: Recom-
mendations from a National Workshop. Online
(besucht am 17. Dez. 2012): http://www.cdc.
gov/mmwr/preview/mmwrhtml/00031539.htm
Cleckley, H. (1988). The Mask of Sanity. Mosby &
Co. (Original 1941).
Cooke, D. J., Michie, C., Hart, S. D. & Hare, R. D.
(1999). Evaluating the screening version of the
Hare Psychopathy Checklist – Revised (PCL:SV):
An item response theory analysis. Psychological
Assessment. 11(1): 3–13.
Cusson, M. (2005). La délinquance, une vie
choisie. Cahiers de Québec, collection droit et
criminologie.
Cusson, M. (1998). Criminologie clinique. Paris:
Presses universitaires de France.
De Becker, G. (1998). The Gift of Fear. Survival
Signals that Protect us from Violence. New York:
Dell Pocket Book
Dern, H., Frönd, R., Straub, U., Vick, J. & Witt, R.
(2004). Geografisches Verhalten fremder Täter
bei sexuellen Gewaltdelikten. BKA Wiesbaden.
Elz, J. (2007). Karriereverläufe „gefährlicher“ Se-
xualstraftäter. Kriminologische Zentralstelle e. V.
Wiesbaden. Vortrag an der APES Tagung „Delik-
tunspezifische Mehrfachtäter“ am 26.11.2007
an der FHVR Berlin.
Eysenck, M. W. & Keane, M. T. (2005). Cognitive
Psychology. 5. Ed., Hove, UK: Psychology Press.
Gottfredson, M. R. & Hirschi, T. & (1990). A Gen-
eral Theory of Crime. Stanford CA, Stanford
University Press.
Haas, H. & ILL, Ch. (2013). Gesprächsführungs-
techniken in der Einvernahme. Forum poenale.
Sonderheft.
Haas, H. (2007). Ermittlungen gegen intelligent
planende, gut ausgebildete Täter. Kriminalistik
11/07: 709–717.
Haas, H. (2001). Agressions et victimisation: une
enquête sur les délinquants violents et sexuels
non détectés. Sauerländer Verlag Aarau. ISBN
3–7941–4915–7. Habilitationsschrift an der
Universität Zürich.
Haas, H. & Killias, M. (2003). The Versatility vs.
Specialization Debate: Different Theories of
Crime in the Light of a Swiss Birth Cohort. In:
Chester Britt & Michael Gottfredson (2003).
Control Theories of Crime and Delinquency (Ad-
vances in Criminological Theory, Vol. 12), New
Brunswick: Transaction Publ.
Hirschi, T. & Gottfredson, M. R. (1993). The Gen-
erality of Deviance. London: Sage Publications
Inbau, F., Reid, J., Buckley, J. & Jayne, B. (2001).
Criminal Interrogation and Confessions. 4th ed.
Aspen Publishers Inc. Maryland.
Kiehl, K., Smith, A., Mendrek, A., Forster, B.,
Hare, R. & Liddle, P. (2004). Temporal lobe ab-
normalities in semantic processing by criminal
psychopaths as revealed by functional magnetic
resonance imaging. Psychiatry Research: Neu-
roimaging 130: 297–312.
Lerman, D., Iwata, B. & Wallace, M. (1999). Side
effects of extinction: Prevalence of bursting and
aggression during treatment of self-injurious
behavior. J. of Applied Behavior Analysis, 32:
1–8.
Locard, E. (1920). L’enquête criminelle et les mé-
thodes scientifiques, Paris: Flammarion.
Loeber, R. & Hay, D. (1997). Key Issues in the
Development of Aggression and Violence from
Childhood to early Adulthood. Annual Review
of Psychology, 48, 371–410.
Loeber, R., Farrington, D. P., Stouthamer-Loe-
ber, M. & White, H. R. (Eds.) (2008). Violence
and serious theft: Development and prediction
from childhood to adulthood. Routledge, 404.
Martin, J.-C. (2002). Investigation de scène de
crime. Lausanne: Presses polytechniques et uni-
versitaires romandes.
Makkai, T. & Payne, J. (2003). Drugs and Crime
– A Study of Incarcerated Male Offenders. Aus-
tralian Institute of criminology, Reserach and
Public Policy Series. No. 52. (www.aic.gov.au).
Marsden, P. & Attia, Sh. (2005). A Deadly Conta-
gion. The Psychologist, 18(3), 152–155.
Marsden, P. (2000). Mental Epidemics & the Tip-
ping Point. New Scientist: 2237, 46–47.
Marsden, P. (2000). The ‘Werther Effect’ Fact or
Fantasy? PhD Thesis am Graduate Research Cen-
tre in the Social Sciences University of Sussex.
Marsden, P. (1998). Memetics & Social Contagion:
Two Sides of the Same Coin: Journal of Memet-
ics: Evolutionary Models of Information Trans-
mission (Vol. 2).
Meloy, J. R. (1988). The Psychopathic Mind. North-
vale, N. J.: Jason Aaronson Inc.
Meloy, J. R. (Ed.) (1998). The Psychology of Stalk-
ing. London: Academic Press.
Nix, Ch. (1993). Über das Sitzen bleiben und
andere Ungebührlichkeiten vor Gericht“, in:
Norbert Leygraf (Hrsg.) Die Sprache des Verbre-
chens. Wege zu einer klinischen Kriminologie.
Festschrift für Wilfried Rasch, Stuttgart Berlin
Köln.
Phillips, D. (1974). The influence of suggestion on
suicide: substantive and theoretical implications
of the Werther effect. American Sociological Re-
view, 39, 340–54.
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Kriminalistik 3/2013
204
Schweiz: Psychologie
Phillips, D. (1983). The Impact of Mass Media Vio-
lence on U.S. Homicides. American Sociological
Review 48, 560–568.
Pfefferli, P. (2007). Die Spur: Ratgeber für die spu-
renkundliche Praxis, 5. Auflage, München: Kri-
minalistik Verlag.
Schacter, D. (2001). The Seven Sins of Memory.
Boston: Houghton Mifflin Co.
Uchtenhagen, A. & Zimmer-Höfler, D. (1985). He-
roinabhängige und ihre „normalen“ Altersge-
nossen. Bern Haupt.
Walder, H. & Hansjakob, Th. (2012). Kriminalisti-
sches Denken. Heidelberg: Kriminalistik Verlag,
9. Aufl.
Willi, J. (1975). Die Zweierbeziehung. Rowohlt,
Reinbeck b. Hamburg.
Whiten, A. & Byrne, R. (2002). Machiavellian Intel-
ligence II. Cambridge UK: Cambridge University
Press.
Wolfgang, M., Figlio, R., Sellin, Th. (1972). De-
linquency in a Birth Cohort. The University of
Chicago Press, Studies in Crime and Justice,
Chicago.
Agenda 2013
Gesichtserkennung – Möglichkeiten und
Grenzen
Dienstag, 16. April 2013, 0930 Uhr
Freitag, 19.April 2013, 0930 Uhr
(Wiederholung)
Universität Zürich-
Irchel
Kriminalistisches Institut des Kantons
Zürich
www.staatsanwaltschaften.zh.ch
Forensische Psychiatrie, 5. Internationa-
les Symposium
15. – 17. Mai 2013 World Trade Center
Zürich
5. Internationales Symposium der
Forensischen Psychiatrie
www.forensiktagung.ch
Zwischen Wahrheit und Lüge (Aussa-
gepsychologie für RichterInnen, Staats-
anwältInnen, GerichtsschreiberInnen,
PolizistInnen und RechtsanwältInnen)
10. – 11. Juni 2013 Kartause Ittingen Institut für Rechtswissenschaft und
Rechts-praxis , Universität St. Gallen und
Kompetenzzentrum für Rechtspsychologie
www.irp.unisg.ch
Kommunikation der Gerichte Dienstag, 18. Juni 2013 Kongresshaus Zürich Institut für Rechtswissenschaft und
Rechts-praxis , Universität St. Gallen
www.irp.unisg.ch
© Mit freundlicher Genehmigung des Kriminalistik Verlags www.kriminalistik.de
Article
Full-text available
Folge 2 von Das perfekte Verbrechen gibt es nicht: lasciate ogne speranza, voi ch’intrate! auf Linkedin. https://www.linkedin.com/pulse/tip-2-das-perfekte-verbrechen-gibt-nicht-lasciate-ogne-haas/?published=t
Article
Full-text available
Folge 1 Das «perfekte Verbrechen» gibt es nicht: https://www.linkedin.com/pulse/das-perfekte-verbrechen-gibt-es-nicht-lasciate-ogne-speranza-haas/?trackingId=pqPiHNgnRnOz1g%2Fs9zaqyw%3D%3D
Chapter
Full-text available
In 1997, Swiss Army recruits were interviewed on the topic of violence. The present study is based on 21,314 anonymous interviews with 20-year-old Swiss men, representing over 70 percent of this birth cohort. After approximately 4 weeks of basic training, the soldiers were asked to complete a questionnaire containing about 900 variables on the biographic and social circumstances of their childhood and adolescence, including violent and other deviant behavior they had either committed or experienced. Apart from those young men whose only offenses are traffic offenses (speeding and drunk driving) or smoking cannabis, we found that most delinquents do not specialize in just one given type of crime. They take whatever is easily available. However, we cannot exclude the possibility of finding clusters of typical forms of delinquency. Among subjects who admitted having perpetrated violent acts towards others, we found 669 who had committed a bodily injury. Among respondents who admitted any sexual harassments or sexual abuse, we found 30 who confessed to having committed rape using threats or violence. Introducing 33 different variables into the models of logistic regression we filtered out those factors, which contribute to the crimes of bodily injury and sexual violence. The crime of bodily injury seems to be most related to three principal causes: lack of self-control, personality disorder, and the access to weapons. Rape seems to be related to some of the same basic factors that influence violence in general. However, sexual victimization during childhood or adolescence is the one most important risk factor in this form of crime. Based on these figures, it seems that empirical evidence supports the following theories on the origins of crime: control theory, psychopathology, situational approach, and biographical trauma theory. On the other hand, we found no support for Sutherland’s theory of differential association, for macro-social theories such as Merton’s functional approach, nor for the labeling approach and critical criminology. The high-quality social welfare, the strong commitment to rehabilitation of the Swiss juvenile justice system, and the relatively fair chances for less privileged juveniles to achieve professional success in a wealthy country may limit the generality of the findings.
Article
Full-text available
Following a thematic overview of social contagion research, this paper examines the question of whether this established field of social science and the nascent discipline of memetics can be usefully understood as two sides of the same coin. It is suggested that social contagion research, currently lacking a conceptual framework or organising principle, may be characterised as a body of evidence without theory. Conversely, it is suggested that memetics, now over two decades old but yet to be operationalised, may be characterised as a body of theory without evidence. The article concludes by proposing a memetic theory of social contagion, arguing that social contagion research and memetics are indeed two sides of the same social epidemiological coin, and ends with a call for their synthesis into a comprehensive body of theoretically informed research.
Article
Crime Scene Investigation offers an innovative approach to learning about crime scene investigation, taking the reader from the first response on the crime scene to documenting crime scene evidence and preparing evidence for courtroom presentation. It includes topics not normally covered in other texts, such as forensic anthropology and pathology, arson and explosives, and the electronic crime scene. Numerous photographs and illustrations complement text material, and chapter-by-chapter fictional narrative also provides the reader with a qualitative dimension of the crime scene experience. The text is further enhanced by the contributions of such recognized forensic scholars as William Bass and Arthur Bohannon. Dozens of photographs and illustrations supplement the text. Includes key terms, discussion questions and a glossary. A chapter-by-chapter fictional narrative provides a colorful look at a crime scene investigation.
Chapter
Diana, Princess of Wales, was killed in an automobile accident on August 31, 1997. Millions grieved at the loss of what they felt to be a personal relationship with a woman they had never met. This chapter emphasizes that recognizing the force of fantasy as a central component of intense emotion and inexplicable behavior is the first step in understanding the psychology of stalking. Stalking is a crime involving acts of pursuit of an individual over times that are threatening and potentially dangerous. Clinical definitions of stalking vary, but tend to be more easily operationalized and measurable than legal definitions. In 1997 the Center for Policy Research in Denver published a study that reported the results of a telephone survey of 8000 men and 8000 women concerning their experiences with stalking. The findings of this survey indicate that stalking is a substantial criminal justice and public health concern. This chapter also discusses cyberstalking. Although there is no research on cyberstalking at present, there are legal cases, in which the Internet has been utilized as a means of unwanted communication to stalk someone.
Article
This paper shows that suicides increase immediately after a suicide story has been publicized in the newspapers in Britain and in the United States, 1947-1968. The more publicity devoted to a suicide story, the larger the rise in suicides thereafter. The rise in suicides after a story is restricted mainly to the area in which the story was publicized. Alternative explanations of these findings are examined; the evidence indicates that the rise in suicides is due to the influence of suggestion on suicide, an influence not previously demonstrated on the national level of suicides. The substantive, theoretical, and methodological implications of these findings are examined.
Article
We examine the relation between memory and self by considering errors of memory. We draw on the idea that memory's imperfections can be classified into seven basic categories or “sins.” Three of the sins concern different types of forgetting (transience, absent-mindedness, and blocking), three concern different types of distortion (misattribution, suggestibility, and bias), and one concerns intrusive memories (persistence). We focus in particular on two of the distortion-related sins, misattribution and bias. By describing cognitive, neuropsychological, and neuroimaging studies that illuminate these memory sins, we consider how they might bear on the relation between memory and self.