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Einleitung
!
Retinopathien sind in einer Zeit hochtechnisierter
Möglichkeiten der gegenwärtigen Augenheilkun-
de nicht regelmäßig Gegenstand expliziter psy-
chosomatischer Erwägungen [1–6]. Dabei fehlt
bis heute in vielen Fällen, wie z. B. bei der Chorio-
retinitis centralis serosa (CCS), eine kausale The-
rapiestrategie ebenso wie ein rein biomechanis-
tisch überzeugendes Krankheitsmodell [7–10].
Bekannt ist, dass der CCS in der pathophysiologi-
schen Endstrecke eine Hyperpermeabilität der
Aderhautgefäße zugrunde liegt, welche zu einer
Abhebung der Netzhaut mit den entsprechenden
Folgen führen kann und zumeist einer sympto-
matischen Kontrolle mittels Laser- und fotodyna-
mischer Therapie zugänglich ist.
Fallbericht (angelehnt an die
CARE Guidelines [11])
!
Patienteninformation und
Aufnahmebefunde
Vorgeschichtlich hatte sich der 43-jährige Patient
im Herbst 2011 lebenszeitlich erstmals beim Au-
genarzt vorgestellt, wo die ophthalmologische
Hauptdiagnose einer auf dem rechten Auge be-
stehenden CCS (ICD-10: H35.7) gestellt wurde
(l
"Abb. 1). Der Patient gab an, „schlagartig
schlecht gesehen“zu haben, von augenärztlicher
Seite stellte sich die Diagnose eher als „verspätet“
dar. Es erfolgte ein einmaliger Therapieversuch
durch eine Injektion mit Bevacizumab (Avastin®)
am 01.12.2011. Eine erneute Bildgebung mittels
OCT am 19.12.2011 zeigte bei Vernarbung keine
Verbesserung, weshalb eine 2. Antikörpergabe in
augenheilkundlicher Würdigung prognostischer
Überlegungen als nicht indiziert klassifiziert wur-
de.
Zusammenfassung
!
Die Chorioretinitis centralis serosa wird in ätiolo-
gischen Überlegungen immer wieder mit einem
unspezifischen Distresskonzept in Zusammen-
hang gebracht. Die depressive Störung stellt hin-
gegen einen klar benennbaren, spezifischen
Stressor dar, der nicht zuletzt in der Kardiologie
wie Diabetologie als bedeutender, eigenständiger
Risikofaktor bekannt ist. In vorliegendem Fall-
bericht wird aus psychosomatischer Sicht die kli-
nische Korrelation zwischen einer Chorioretinitis
centralis serosa und einer depressiven Störung
aufgezeigt, wobei ein lediglich ad hoc naheliegen-
des sequenziell-reaktives Störungsverständnis
demjenigen einer simultanen Verschränkung ge-
genübergestellt wird, welches nach unserem Er-
messen zu bevorzugen wäre.
Abstract
!
Central serous chorioretinitis serosa is repeatedly
brought into aetiological considerations with a
rather unspecific concept of distress. Depressive
disorder represents a specific stressor, which is
known in cardiology or diabetology as a signifi-
cant risk factor. In the present case report, the
clinical correlation between a central serous cho-
rioretinitis and a depressive disorder is shown
from a psychosomatic point of view, comparing a
sequentially-reactive understanding of the dis-
order complex with a preferable model of simul-
taneous entanglement.
Die Chorioretinitis centralis serosa und die depressive
Störung –eine psychosomatische Perspektive
Central Serous Chorioretinitis and Depressive Disorder –
a Psychosomatic Perspective
Autoren S. Haisch1, C. W. Spraul 2, M. Noll-Hussong1
Institute 1Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, University of Ulm, Ulm
2Augenärzte im Basteicenter, Ulm
Schlüsselwörter
l
"intraokulare Entzündungen
l
"Pathologie
l
"Retina
Key words
l
"intraocular inflammation
l
"pathology
l
"retina
eingereicht 22.11. 2013
akzeptiert 3.4. 2014
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0034-1368433
Online-publiziert
Klin Monatsbl Augenheilkd
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York ·
ISSN 0023-2165
Korrespondenzadresse
Dr. Michael Noll-Hussong
Klinik für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie
University of Ulm
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
michael.noll-hussong@
uniklinik-ulm.de
Haisch S et al. Die Chorioretinitis centralis…Klin Monatsbl Augenheilkd
Kasuistik
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Der verheiratete Patient und Vater zweier minderjähriger Töch-
ter war zuletzt als technischer Angestellter vollzeitig im öffent-
lichen Dienst tätig, wobei eine anhaltend hohe berufliche Anfor-
derungssituation berichtet wurde. Hinweise auf eine klinisch
krankheitswertige psychopathologische Entwicklung bestanden
vor Feststellung der CCS nicht.
Seit der Diagnosestellung litt der Patient unter progredienten Un-
ruhezuständen, Niedergeschlagenheit und rezidivierenden Diar-
rhöen ohne richtungsweisenden somatischen Befund. Zudem
zeigten sich korrelierend mit der zunehmenden Antizipation der
Irreversibilität des unilateralen Augenbefunds zunehmend de-
pressive Symptome mit Niedergeschlagenheit, Durchschlaf-
störungen, Antriebsschwäche, Grübelneigung und innerer Un-
ruhe sowie latente Suizidgedanken, nicht zuletzt aus der Angst
heraus, „was passieren könne, wenn auch das andere Auge in
Mitleidenschaft“gezogen würde. Im Rahmen einer augenärztlich
initiierten ambulanten psychiatrischen Konsultation im April
2012 wurde die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Epi-
sode (ICD-10: F32.1) gestellt und eine medikamentöse Interven-
tion mittels antidepressiver Psychopharmakotherapie mit Escita-
lopram 20 mg sowie später zusätzlich Agomelatin 50 mg jeweils
in täglich einmaliger Dosis begonnen. Ein vollstationärer Aufent-
halt in einer Psychosomatischen Rehabilitationsklinik wurde von
Oktober bis November 2012 durchgeführt, welcher jedoch nur zu
einer transienten Besserung der psychischen Beschwerden des
Patienten führte, als u. a. die Aufnahme einer empfohlenen am-
bulanten Psychotherapie im Richtlinienverfahren [12]bei Auslas-
tung aller Psychotherapeuten in Wohnortnähe erst im Februar
2013 möglich war.
Der gesetzlich Versicherte stellte sich auf Anraten seines nieder-
gelassenen Augenarztes und im Einvernehmen mit seinem am-
bulanten Psychotherapeuten im 2. Quartal 2013 in einer Psycho-
somatischen Hochschulambulanz zur Fachdiagnostik und Indika-
tionsstellung zur ggf. stationären Therapie vor. Hier wurden die
Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10:
F32.1), einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (ICD-10:
F45.1) sowie psychologischer Faktoren oder Verhaltensfaktoren
bei CCS (ICD-10: F54 bei H35.7) gestellt. Bei Grenzen der Behan-
delbarkeit im ambulanten Sektor mit der Gefahr (!) einer wei-
teren körperlichen wie psychischen Verschlimmerung vor dem
Hintergrund einer lange bestehenden Arbeitsunfähigkeit bei ko-
pathogenen sozialen Faktoren war eine akutpsychosomatische
Behandlung im multiprofessionellen Team indiziert, zumal ein
vorheriger Rehaaufenthalt keine nachhaltige Besserung erbrach-
te, damit womöglich wie die zwischenzeitlich laufende ambu-
lante Psychotherapie (1 × 50 min Einzelpsychotherapie/Woche)
auch eine zu niedrige „Therapiedosis“repräsentierte.
Der letzte augenärztliche Befund vor der stationären Aufnahme
zeigte nebenbefundlich zur CCS einen Astigmatismus sowie eine
Hyperopie (FV RA: 0,05, mit Korrektur nicht zu verbessern; LA:
1,0). Das OCT zeigte in Anlehnung an die Vorbefunde 2 kleine
RPE-Abhebungen, die sich stabil mit assoziierten retinalen Pig-
mentierungen darstellten (l
"Abb. 2).
Vom psychopathologischen Befund her war der Patient bei voll-
stationärer Aufnahme in die Klinik weiterhin niedergeschlagen,
vermindert schwingungsfähig, antriebsgemindert und berichtete
zusammenfassend über eine „Erschöpfungssymptomatik“.Akute
aktive Suizidalität bestand nicht.
Psychometrisch spiegelten sich bei Aufnahme in den entspre-
chenden Messinstrumenten konkordant deutlich pathologische
Werte (l
"Tab. 1).
In der klinischen Gesamtwürdigung bestand von psychischer Sei-
te die Krankenhaus-Hauptdiagnose einer mittelgradigen depres-
sive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10: F32.11). Im
Strukturierten Klinischen Interview für DSM‑IV (SKID‑I) [13],
welches der Erfassung bzw. Diagnostik ausgewählter psychischer
Syndrome und Störungen, wie sie im DSM‑IV („Diagnostic and
Statistical Manual of Mental Disorders“der American Psychiatric
Association APA) [14] auf Achse I (Klinische Störungen und ande-
re klinisch relevante Probleme) definiert werden, dient, wurde
die Diagnose einer „majoren Depression (major depression)“ge-
stellt. Der SKID repräsentiert den psychodiagnostischen Gold-
standard in der DSM-Welt.
Bei einer depressiven Episode leidet der betroffene Patient ge-
mäß ICD-10 unter einer „gedrückten Stimmung und einer Ver-
minderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude,
das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgepräg-
te Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten.
Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwert-
gefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar
bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken
über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verän-
dert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstän-
de und kann von sogenannten ‚somatischen‘Symptomen beglei-
tet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Frü-
herwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung,
Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust.
Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine de-
pressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeich-
nen“[15,16]. Bei der mittelgradigen depressiven Episode sind
„gewöhnlich vier oder mehr der oben angegebenen Symptome
vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwie-
rigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen“[15,16].
Die allgemein-internistische und neurologische körperliche Auf-
nahmebefund sowie das Routinelabor zeigten jenseits des statio-
nären augenärztlichen Vorbefunds keinerlei Auffälligkeiten. Ins-
besondere bestand in der Anamnese kein Schlaf-Apnoe-Syndrom
[17], keine Helicobacter-pylori- [18] oder HIV-Infektion [19],
Autoimmunerkrankung [20–22], auch keine Vorbehandlung mit
Kortikosteroiden [23], Phosphodiesterase-5-Hemmern [24],
Antibiotika [25] oder angstlösenden [26] ( jedoch antidepressiven
Abb. 1 Fluoreszenzangiografie vom 17.11.2011.
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[27]!) Substanzen. Der kaukasische [28], normotone [27, 29] Pa-
tient war Nichtraucher [30] und betrieb keinen Missbrauch psy-
chotroper Substanzen [31].
Verlauf des Falles
Während des 8-wöchigen vollstationären akutpsychosomati-
schen Aufenthalts von Juni bis August 2013 wurde im Rahmen
einer multimodalen stationären Behandlung mit kognitiver Ver-
haltenstherapie in Einzel- sowie Gruppentherapien fokussiert
Strategien zur Krankheitsbewältigung, Stressreduktion am Ar-
beitsplatz, Strategien zur Reduktion des eigenen Leistungsdrucks
sowie der Zukunfts- und Versagensängste bez. der gesundheitli-
chen Entwicklung erarbeitet. Zudem nahm der Patient regelmä-
ßig an nonverbalen Verfahren wie Kunst- und Bewegungsthera-
pie, Entspannungstraining, Training sozialer Kompetenzen sowie
Achtsamkeitsübungen teil.
Es kam zu einer deutlichen Reduktion der depressiven Sympto-
matik mit gesteigertem Antrieb und verbesserter Stimmung, in
deren Verlauf auch mit einer schrittweisen Reduktion der antide-
pressiven Medikation begonnen werden konnte (bei Entlassung
25 mg Agomelatin und 20 mg Escitalopram in einmal täglicher
Dosis). Die Somatisierungsneigung sowie die gesundheitsbezo-
gene Ängstlichkeit des Patienten konnten zudem deutlich redu-
ziert werden.
Psychometrisch zeigten sich bei Entlassung entsprechende Er-
gebniswerte (l
"Tab. 2).
Eine Reduktion der vormaligen Arbeitszeit auf 80 % wurde als Ziel
für den weiteren Verlauf gesetzt sowie eine stufenweise Wieder-
eingliederung in Abstimmung mit dem Arbeitgeber geplant. Wir
sehen den Patienten jetzt seit Monaten im ambulanten Setting,
wobei sich der klinische wie psychopathologische Befund weiter-
hin stabilisiert bzw. Besserungstendenz zeigt.
Der poststationäre augenärztliche Befund (Kontrolluntersuchung
am 12.09.2013) zeigte konstant bleibende Werte im Vergleich
zum letzten Vorbefund (FV: RA 0,05, LA 1,0; Augeninnendruck
(Zeit/mmHg) 16: 16 14.0/13.0, Befund OCT: exakt gleich zum
Vorbefund, RPE-Abhebung: exakt idem).
Fazit für die Praxis
!
Die CCS wird v. a. in Publikationen älteren Datums mit bestimm-
ten Temperaments- (z. B. höhere Frustrationsneigung) [32] bzw.
Persönlichkeitsfaktoren (z.B. Alexithymie) [24,33], aber auch
Tab. 1 Psychometrische Befunde bei stationärer Aufnahme.
Name des Tests Testinhalt Ergebniswert Bedeutung/Auswertung Normwerte
SOFAS (Skala zur Erfassung des sozialen und
beruflichen Funktionsniveaus)
psychosoziales Funktionsniveau 62 grenzwertiges Funktionsniveau 0–100
QUIDS (Quick Inventory of Depressive Symptoms) Depressivität 17 auffällig 0–27
PHQ‑D (Patient Health Questionnaire) allgemeiner Gesundheitsstatus
"PHQ9 Depressivität 14 mittlere Depressivität 0–27
"PHQ15 somatische Symptome 19 verstärkte somatische Symptome 0–30
STAI-T(State-Trait-Anxiety Inventory) persönlichkeitseigene (trait)
Ängstlichkeit
63 auffällig 20–80
STAI-Ssituative Ängstlichkeit 63 auffällig 20–80
HADS (Hamiliton Anxiety and Depression Scale) Depressivität und Angst 37 stark erhöht 0–42
Abb. 2 Status idem im OCT vom 18.09.2012.
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vermehrten psychologischen Problemen [34,35] in Zusammen-
hang gebracht. Insbesondere chronische Distresserfahrungen
scheinen –zumeist jedoch erst in der Post-hoc-Konstruktion –
in der Genese einer CCS eine Rolle zu spielen [36], wobei das Hy-
pothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindensystem bzw. Korti-
koidrezeptoren als „Interface“dienen mögen [37]. So konnte
jüngst z. B. gezeigt werden, dass die Inzidenz der CCS während
der Finanzkrise in Griechenland in den Jahren 2010–2011 zuge-
nommen hat [38]. Die CCS, welche bei Männern häufiger als bei
Frauen aufzutreten scheint [39], wurde in diesem Kontext auch
schon in Allusion als „Magengeschwür des Auges“bezeichnet
[40]. Eine depressive Störung kann in zeitlicher Folge [41] einer
körperlichen Erkrankungen wie der CCS auftreten. Jenseits eines
solchen, oftmals ad hoc naheliegenden, sequenziellen bzw. psy-
choreaktiven Störungsverständnisses ist eine depressive Störung
jedoch ein eigenständiger, klar benennbarer psychopathologi-
scher Stressor [42], der eine CCS möglicherweise prolongieren,
amplifizieren oder vor dem Hintergrund individueller Vulnerabi-
lität ggf. sogar induzieren mag. Die depressive Störung (ICD-10:
F32.x) wird in vielen somatischen Disziplinen gerade in neuerer
Zeit explizit als Risikofaktor den bekannten biologischen Ein-
flussfaktoren mindestens ebenbürtig an die Seite gestellt. In der
Diabetologie gehen depressive Störungen u.a. mit einer erhöhten
Komplikationsrate bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II ein-
her [43]. Des Weiteren ist bekannt, dass eine Depression in eigen-
ständiger Weise das Risiko kardiovaskulärer Morbidität und Mor-
talität deutlich erhöht [44] und in einem State of the art Paper des
American College of Cardiology aus 2005 wurde bereits der Fo-
kus auf eine sich entwickelnde „behaviorale Kardiologie“gelegt
[45]. Bemerkenswerterweise konnte zuletzt ein erhöhtes Risiko
von CCS-Patienten, an einer koronaren Herzkrankheit zu erkran-
ken, ebenso aufgezeigt werden [46] wie das eines ischämischen
zerebralen Apoplex [47] und einer erektilen Dysfunktion [48].
In den aktuellen Klassifikationssystemen (ICD-10, DSM‑IV/5)
wurde das Konzept der sog. „reaktiven Depression“weitgehend
verlassen, wurden (und werden) damit –jenseits ihrer fraglichen
klinischen Relevanz [49] –ätiologische oder metapsychologische
Vorannahmen postuliert, die zeitliche Korrelationen, z.B. hin-
sichtlich bestimmter Lebensereignisse und psychischen Stö-
rungsdiagnosen, in einen bis heute wissenschaftlich nicht zwei-
felsfrei belegten Kausalzusammenhang stellen [50].
Eine multimodale psychosomatische Behandlung unter Einbezie-
hung verbaler (Einzel- und Gruppenpsychotherapie, entweder
mit verhaltenstherapeutischem oder psychodynamischem An-
satz) sowie nonverbaler Verfahren (z. B. Kunsttherapie, Bewe-
gungstherapie, Entspannungstraining), auch und gerade in Ko-
operation mit der Augenheilkunde, kann möglicherweise in der
Lage sein, die psychischen Beschwerden des erkrankten Subjekts
klinisch ebenso zu lindern wie seinen somatischen Befund zu sta-
bilisieren. Hiermit erhält ein bio-psycho-soziales Behandlungs-
modell ohne Außerachtlassung oft zunächst ausschließlich im
Vordergrund stehender lebensqualitativer Erwägungen eine wei-
tere Rationale, z. B. indem ein weiteres Fortschreiten der Erkran-
kung bzw. Übergreifen auf das kontralaterale Auge möglicher-
weise verhindert werden kann. Dies gilt umso mehr, als wirksam
geglaubte therapeutische Optionen der somatischen Medizin im-
mer wieder auf dem Prüfstand stehen: Die intravitreale Pharma-
kotherapie mit Bevacizumab zeigt z.B. gemäß einer aktuellen
Metaanalyse keinen nachhaltig positiven Effekt [51]. Inwiefern
jedoch wirksame psychotherapeutische Prozeduren [52], insbe-
sondere bei der CCS, tatsächlich in der Lage sind, die Homöostase
des autonomen Nervensystems zu beeinflussen [53, 54] bzw. zu
nachweisbaren (neuro)biologischen Veränderungen führen, ist
gegenwärtig unerforscht.
Der Einsatz von ebenso kompakten wie einfach zu handhaben-
den bzw. auswertbaren psychometrischen Instrumenten –wie
dem ohne Lizenzkosten frei über das Internet verfügbaren und
in verschiedenen Sprachen vorliegenden „Gesundheitsfrage-
bogen für Patienten“(PHQ‑D; http://www.phqscreeners.com/)
[55,56] –könnte eine integrierte Screeningdiagnostik auch im
augenärztlichen Versorgungsalltag „vor Ort“(z. B. beim Einsatz
im Wartezimmer) erleichtern helfen –und in womöglich konzer-
tierter Aktion in Validierung oder Falsifizierung psychosozialer
Risikofaktoren auch einen wertvollen Forschungsbeitrag leisten.
Interessenkonflikt
!
Nein.
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Tab. 2 Psychometrische Befunde bei Beendigung der stationären Therapie.
Name des Tests Testinhalt Ergebniswert Bedeutung/Auswertung Normwerte
SOFAS psychosoziales Funktionsniveau 85 gutes Funktionsniveau 0–100
QUIDS Depressivität 8 unauffällig 0–27
PHQ‑D allgemeiner Gesundheitsstatus
"PHQ9 Depressivität 3 unauffällig 0–27
"PHQ15 somatische Symptome 6 unauffällig 0–30
STAI‑T persönlichkeitseigene Ängstlichkeit 28 unauffällig 20–80
STAI‑S situative Ängstlichkeit 35 unauffällig 20–80
HADS Depressivität und Angst 10 unauffällig 0–42
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