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Benedikt Lutz (Hrsg.)
Wissen nimmt Gestalt an
Edition Donau-Universität Krems
Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement
Beiträge zu den
Kremser Wissensmanagement-Tagen 2013
Benedikt Lutz (Hrsg.)
Wissen nimmt Gestalt an
Beiträge zu den
Kremser Wissensmanagement-Tagen 2013
Edition Donau-Universität Krems, 2014
Herausgeber: Edition Donau-Universität Krems
Donau-Universität Krems, 2014
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
A-3500 Krems
www.donau-uni.ac.at
ISBN: 978-3-902505-55-2
Umschlaggestaltung: Florian Halm
Die Inhalte sind lizensiert unter einer Creative Commons-Lizenz:
Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Österreich
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/at/
Mit freundlicher Unterstützung von:
Inhaltsverzeichnis
Benedikt Lutz:
Vorwort des Herausgebers ...................................................................... 3
Oliver Lehnert:
Vorwort des Mitveranstalters .................................................................. 11
Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach:
Welche Gestalt für Wissen? .................................................................... 13
Daniel Fallmann:
Information ist (Daten-)Gold für jedes Unternehmen ................................. 27
Thomas Greiner:
Einführung einer Wissensmanagementplattform ....................................... 33
Ulf Hausmann, Tabea Scheel:
Wissensbarrieren mindern ..................................................................... 41
Mike Heininger, Simone Fankhauser, Robert Breyner:
Strukturierter Wissenstransfer beim Erwerb von externem Know-how ......... 55
Gerald Hofer, Carsten Tesch:
Kultursprache Storytelling in Change-Prozessen ....................................... 67
Benedikt Lutz:
Sprechen Sie Globalesisch? .................................................................... 75
Lisa Mandl:
Wissensmanagement im Finanzressort .................................................... 85
Manuel Nagl:
Die Macht der Geschichten ..................................................................... 97
Kristina Pelikan:
Verständlichkeit von Wissenskommunikation im interkulturellen Kontext ... 107
Sebastian Peneder:
Projektorientiertes Wissensmanagement 2.0 .......................................... 117
Elisabeth Petracs:
PM2gether – Wissensmanagement im Rahmen des Projektmanagements
bei A1 ............................................................................................... 129
Werner Schachner, Alexander Stumpfegger:
Wissensbereitstellung aus großen Datenmengen .................................... 139
Harald Schenda:
Wie können Firmen die Schreibkompetenz ihrer Techniker verbessern? ..... 147
Markus Schichtel:
Ein neues innovatives Konzept zur Gestaltung von Vorlesungsskripten als
PowerPoint-Folien ............................................................................... 155
Christiana Scholz:
Betriebliche Kompetenzentwicklung ...................................................... 165
Christian Taudt:
Wissenstransfer bei Verrentung von Mitarbeitern sicherstellen.................. 173
Elke Theobald, Anja Späte:
Marketing Intelligence – Wissensmanagement im Marketing .................... 185
Stefan Vogel:
Mini-Bildschirm versus Verständlichkeit ................................................. 195
Michael Zeiller, Bettina Schauer, Doris Riedl:
Wikis im unternehmensinternen Wissensmanagement ............................. 203
Lukas Zenk, Michael Smuc, Florian Windhager:
Beyond the Name Tag ......................................................................... 215
Über die Autoren ................................................................................ 227
Vorwort des Herausgebers
Ende April 2013 fanden an der Donau-Universität Krems zum zweiten Mal die
Wissensmanagement-Tage statt, eine Konferenz für Angewandtes Wissens-
management, die wir in Kooperation mit Oliver Lehnert, dem Herausgeber des
Magazins wissensmanagement veranstalten. Sie ist die österreichische
Schwesterveranstaltung der bereits traditionsreichen Stuttgarter Wissensma-
nagement-Tage auf universitärem Boden. Die zweite Tagung mit mehr als 150
Teilnehmern war wieder ein voller Erfolg und wir sind derzeit schon intensiv
mit der Planung für 2014 beschäftigt.
Die Konferenz 2013 stand unter dem Leitthema Wissen nimmt Gestalt an.
Dieses Thema und die Konferenz generell waren offenbar so attraktiv, dass
wir ein neues Format für Kurz-Präsentationen im Rahmen eines World Cafés
einführten, um viele gute Einreichungen nicht ablehnen zu müssen. Dieses
Format für offenen inhaltlichen und sozialen Austausch kam gut an, und wir
möchten es in den nächsten Konferenzen weiterentwickeln. Insgesamt hatten
wir diesmal über 40 Beiträge in Form von Vorträgen, Workshops und Kurzprä-
sentationen. Im hier vorliegenden Sammelband finden Sie 21 Artikel der Vor-
tragenden – herzlichen Dank allen Autorinnen und Autoren, die diesem Aufruf
gefolgt sind und eine überarbeitete schriftliche Fassung ihres Beitrags geliefert
haben!
Eine derartige Kooperation zwischen Theorie und Praxis, zwischen angewand-
ter Forschung, Consulting und konkreten Bedürfnissen und Erfahrungen von
Unternehmen ist eine herausfordernde Aufgabe, doch sie ist für alle Seiten
bereichernd. Gerade im Wissensmanagement ist die differenzierte Reflexion
über das eigene Tun die Voraussetzung dafür, nachhaltige Verbesserungen im
komplexen Zusammenspiel von Mensch, Organisation und Technik umzuset-
zen. In der wissenschaftstheoretischen Diskussion spricht man in diesem Zu-
sammenhang von Transdiziplinarität: Für die Lösung komplexer Probleme ist
nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Wis-
senschaftsdisziplinen wichtig (im Wissensmanagement etwa Betriebswirt-
schaft, Informatik und weitere sozialwissenschaftliche Disziplinen). Zusätzlich
geht es auch um die Berücksichtigung berufspraktischer Perspektiven und die
Einbeziehung der Betroffenen selbst. Eine besondere Rolle dabei spielt die
verständliche Wissenskommunikation zwischen allen Beteiligten. Dies betrifft
4 Benedikt Lutz
gerade auch den Austausch zwischen den Experten unterschiedlicher Diszipli-
nen und Berufspraktikern auf derartigen Konferenzen.
Die gelingende Wissenskommunikation auf Konferenzen ist ein wichtiges An-
liegen von Teilnehmern und Veranstaltern, ist sie doch die wesentliche Moti-
vation zur Teilnahme. Sie wird üblicherweise durch geeignete Rahmenbedin-
gungen für die inhaltlich orientierten Beiträge unterstützt, wie etwa Diskussi-
onsmöglichkeiten, ausreichend Pausen zur Vernetzung der Teilnehmer unter-
einander und – Krems liegt in der Wachau, der bekanntesten Weingegend Ös-
terreichs – in unserem Fall natürlich auch einen Heurigenbesuch.
Diesmal gingen wir die Sache noch ein bisschen systematischer an: In einem
Forschungsprojekt an unserem Department werden die Rahmenbedingungen
für Wissenskommunikation auf Konferenzen untersucht, und so lag es nahe,
Objekte und Subjekte der Forschung miteinander zu verschränken. Wir unter-
stützten die Vernetzung der Teilnehmer untereinander durch ein Netzwerk-
Tool auf einer Videowall, und erhoben gleichzeitig auch die tatsächlichen Be-
dürfnisse, Reaktionen und das Feedback der Teilnehmer (siehe dazu der Bei-
trag von Zenk et al. in diesem Band). Diese Initiative möchten wir in der Kon-
ferenz 2014 weiterentwickeln.
Transdisziplinarität und die Offenheit im Dialog zwischen akademischer For-
schung, angewandten Perspektiven und beruflicher Praxis ist auch das Credo
der Donau-Universität Krems, die sich ja seit ihrer Gründung im Jahre 1994
als Universität für Weiterbildung mit zahlreichen Universitätslehrgängen auf
die berufsbegleitende Weiterqualifizierung konzentriert. Die Studierenden sind
durchschnittlich 40 Jahre alt, kommen aus der Praxis und suchen theoretisch
fundierte Angebote, deren Inhalte sie im eigenen Arbeitsumfeld in der be-
trieblichen Praxis umsetzen können. Dies ist für Vortragende herausfordernd,
doch – wenn man sich der Forderung nach theoretisch fundierter Praxisrele-
vanz ernsthaft stellt – auch persönlich bereichernd und lohnend.
An der Donau-Universität Krems besteht der Universitätslehrgang Wissens-
management schon seit über 10 Jahren und er war namensgebend für unser
Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement. In diesem De-
partment bieten wir rund ein Dutzend Masterstudiengänge an, die mit der
Professionalisierung von Berufsprofilen in der Wissensgesellschaft zu tun ha-
ben, vom Projekt- und Qualitätsmanagement bis hin zum Innovations- und
Change Management und einem MBA-Programm für Integrierte Management-
systeme. Die Studiengänge sind durchgängig modularisiert und bieten viele
Wahlmöglichkeiten, was gerade ein Wissensmanagement-Studium besonders
reizvoll macht (z.B. durch Fachvertiefungen im Change- oder Innovationsma-
nagement).
Vorwort des Herausgebers 5
In unserem Department bieten wir seit kurzem auch das Studium „Informati-
on Design“ an, in dem die Visualisierung von Informationen im Zentrum des
Interesses steht. So lag es nahe, bei der diesjährigen Konferenz einen
Schwerpunkt auf die Gestalt-Aspekte im Wissensmanagement zu legen. Es ist
offensichtlich, dass Visualisierungen in öffentlicher und beruflicher Kommuni-
kation einen immer wichtigeren Platz einnehmen. Man denke etwa an die
Entwicklung der Bildanteile bei Zeitungen in den letzten zwei Jahrzehnten, an
die Verwendung von PowerPoint-Folien (die kaum mehr ohne visuelle Elemen-
te auskommen), an Infographiken im Fernsehen oder an verdichtete Auswer-
tungen aus Business Intelligence-Tools. Das Leitthema „Wissen nimmt Gestalt
an“ ist aber durchaus auch metaphorisch zu verstehen im Sinne von Gestal-
tung der Rahmenbedingungen für gelingende Wissenskommunikation, etwa
umgesetzt im Konzept der enabling spaces (Räume für die Entfaltung von
Wissen).
Martin Eppler von der Universität St. Gallen ist ein Vortragender der ersten
Stunde in unserem Studiengang Wissensmanagement. Epplers Schwerpunkt
in Forschung, Lehre und Beratung ist die verständliche Wissenskommunikati-
on durch klare Sprache und Visualisierungen. Dies ist ein zentraler Aspekt im
Wissensmanagement, weil es hier um die Übergänge zwischen explizitem und
impliziten Wissen geht (wenn man etwa an das Konzept der Wissensspirale
von Nonaka und Takeuchi denkt): Externalisieren (formulieren, schreiben, vi-
sualisieren), Kombination (verdichten, reorganisieren und kombinieren von
Daten), Internalisieren (verstehen und einordnen in das eigene Vorwissen)
und Sozialisation (Erfahrungen sammeln durch implizite Wissenskommunika-
tion). Eppler bot in seinem Keynote-Vortrag „Wissen nimmt Gestalt an: Zur
Theorie und Praxis der Wissensvisualisierung“ einen Überblick über den Nut-
zen und die gegenwärtigen Formen der Visualisierung von Wissen, und zeigte
auch mit vielen Beispielen auf, in welche Richtung sich dieses Feld in Zukunft
weiterentwickeln kann. Für weiterführende Informationen sei auf die Website
knowledge-communication.org verwiesen, wo auch viele anschauliche Beispie-
le zur Wissensvisualisierung zu finden sind.1
In seinem schriftlichen Beitrag Welche Gestalt für Wissen? widmet sich Eppler
(gemeinsam mit Sebastian Kernbach) einer spezifischen Problematik, die uns
alle betrifft, sei es als Autoren oder Zuhörer: Wie wirken eigentlich Folienprä-
sentationen, welchen Einfluss hat die Wahl des Werkzeugs (etwa PowerPoint
im Vergleich zu interaktiven Visualisierungen am Flipchart) auf die Gespräche
und Sitzungen, in denen wir Wissen teilen und entwickeln? 10 Jahre nach dem
1 Siehe http://www.knowledge-communication.org/gallery.html [2014-01-17]
6 Benedikt Lutz
berühmten Artikel von Edward Tufte „PowerPoint is Evil“2 fassen die Autoren
die Diskussion zusammen und vergleichen die Wirkung von Folienpräsentatio-
nen mit der von Skizzen als unterschiedliche „Gefäße“ für Wissen in Organisa-
tionen. Insbesondere setzen sie sich mit den überwiegend als negativ für die
Wissenskommunikation einzuschätzenden Phänomenen des Sequencing,
Bulleting, Dominating und Over-Aestheticizing auseinander, die Folienpräsen-
tationen von Skizzen unterscheiden. Ein differenzierter und reflektierter Um-
gang mit unterschiedlichen Tools und deren Einsatzmöglichkeiten zum Errei-
chen spezifischer Kommunikationsziele ist das Gebot der Stunde, und nicht
das ritualisierte Starten des Beamers zur nächsten Folienpräsentation.
Nun zur Übersicht der Artikel der weiteren Autorinnen und Autoren (in alpha-
betischer Reihenfolge nach dem Namen der Erstautoren):
Daniel Fallmann von der Mindbreeze GmbH beschäftigt sich in seinem Artikel
Information ist (Daten-)Gold für jedes Unternehmen mit der Thematik intelli-
genter Suche mittels semantischer Technologien im Zeitalter von Big Data.
Dabei geht es immer mehr um die Berücksichtigung des impliziten Kontexts
im Business-Umfeld, etwa bei der Kundenbetreuung durch die Anreicherung
klassischer CRM-Lösungen mit Informationen aus sozialen Netzwerken.
Thomas Greiner von der ASFINAG Baumanagement GmbH stellt in seinem
Beitrag die Einführung einer Österreich-weiten Wissensmanagement-Plattform
für die ASFINAG vor. Er beschreibt dabei den Prozess der Entwicklung und
Einführung, von der Problemerkennungsphase über das Erarbeiten konkreter
Lösungen, der Definition von Rollen und Prozessverantwortungen bis hin zur
tatsächlichen Einführung. Als wichtigster Erfolgsfaktor zeigte sich eine partizi-
pative Vorgehensweise mit früher und ständiger Involvierung der Mitarbeiter;
dem gegenüber traten technische Aspekte deutlich in den Hintergrund.
Ulf Hausmann und Tabea Scheel beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der
Verringerung von Wissensbarrieren aus Sicht der Arbeits- und Organisations-
psychologie. Hintergrund ihrer Arbeit ist eine große empirische Studie in
Steuerberatungskanzleien. Als wichtige Faktoren für die Überwindung von
Barrieren im Rahmen des High Performance Work System (HPWS) identifizie-
ren sie die Qualität der Führungskräftekommunikation, die „Psychologischen
Verträge“ und das Leitbild. Besonders das Konzept der Psychologischen Ver-
träge ist für die Diskussion unternehmenskultureller systemischer Aspekte im
Wissensmanagement bereichernd: Psychologische Verträge sind wahrgenom-
mene, gegenseitige Versprechen und Verpflichtungen zwischen MitarbeiterIn-
nen und deren Organisation. Ihre Erfüllung wird z.B. als wichtige Vorausset-
zung für Engagement und die Bereitschaft zum Wissensaustausch gesehen.
2 Siehe http://www.wired.com/wired/archive/11.09/ppt2.html [2014-01-17]
Vorwort des Herausgebers 7
Mike Heininger, Simone Fankhauser und Robert Breyner beschreiben einen
Expert Debriefing-Prozess der besonderen Art anhand eines konkreten An-
wendungsfalls in der RHI AG (einem internationalen Feuerfestkonzern). Es
ging um den inhaltlichen Transfer eines „Lebenswerks“ (mehrere Patentport-
folios) eines firmenexternen Experten auf ein Team von mehreren internen
Mitarbeitern. Dabei werden die einzelnen Phasen des Prozesses detailliert und
gut nachvollziehbar beschrieben. Im Kern des Transfer-Prozesses steht eine
Schnellvariante des Story Telling – die Methode Story Telling One Day.
Um Story Telling geht es auch im Beitrag von Gerald Hofer und Carsten
Tesch. Story Telling wird von den Autoren als „Kultursprache“ beschrieben,
die in einem komplexen Change-Prozess der DB Systel GmbH (der ICT-
Tochter der Deutschen Bahn) ein hohes diagnostisches und erkenntnisstiften-
des Potenzial entfalten konnte. Der Umgang mit systemischen Prinzipien, das
Konzept der indirekten Steuerung und die zahlreichen überzeugenden Beispie-
le (z.B. die Karriere von Gummibärchen) machen diesen Beitrag lesenswert.
Benedikt Lutz beschäftigt sich in seinem Beitrag Sprechen Sie Globalesisch?
mit verständlicher Wissenskommunikation auf Englisch als Lingua Franca in
der globalisierten Gesellschaft. Globale Kommunikation findet heute immer
mehr auf Englisch statt, und das auch bei relativ geringer Sprachkompetenz
der Kommunikationspartner. Englische „native speakers“ werden eine Minder-
heit und – so der vordergründig überraschende Befund – stören häufig sogar
das Gelingen der Kommunikation. Der Beitrag beschreibt eine Reihe von For-
schungsergebnissen und bietet auch praktische Handlungsempfehlungen.
Lisa Mandl beschreibt in ihrem Beitrag die Einführung von Wissensmanage-
ment im österreichischen Finanzministerium und bietet dabei zusätzlich einen
detaillierten Einblick in die Anwendung ausgewählter Instrumente wie Wis-
sens-Benchmarking, Wissensnetzwerke, Wissensmentoring und Lernwochen
im Finanzministerium – anderen großen Behörden und non-Profit-
Organisationen durchaus zur Nachahmung empfohlen.
Manuel Nagl von der Donau-Universität Krems – er ist Kommunikations- und
Neurowissenschaftler – schreibt über die Macht der Geschichten und bietet
dabei hilfreiche Einsichten aus der Kognitionspsychologie und Gehirnforschung
über die Wirkungsweise von Narrationen. Dieser Beitrag macht plausibel, dass
und warum Story Telling wirkt.
Kristina Pelikan koordiniert in einem internationalen Forschungsprojekt das
Wissensmanagement und die Projektkommunikation. In ihrem Beitrag analy-
siert sie die Verständlichkeit von Wissenskommunikation im interkulturellen
Kontext, zeigt auf, dass English as a Lingua Franca allein kein Garant für Ver-
ständlichkeit ist, und schlägt eine Reihe von praktikablen Maßnahmen vor, um
8 Benedikt Lutz
verständliche Wissenskommunikation im internationalen Kontext sicherzustel-
len.
Sebastian Peneder (Kapsch BusinessCom AG) beschäftigt sich in seinem Arti-
kel mit Lessons Learned, einem Dauerbrenner des Wissensmanagements. Er
zeigt auf, dass gerade in projektorientierten Unternehmen im Umfeld moder-
ner Web 2.0-Technologien ein prozessorientiertes Herangehen an Lessons
Learned sinnvoll ist.
Auch Elisabeth Petracs, eine Absolventin unseres Studiengangs Wissensma-
nagement, ist in einem projektorientierten Unternehmen im EDV-Umfeld tätig
(bei A1 Telekom Austria) und beschreibt in ihrem Artikel anhand von konkre-
ten Beispielen und einem Projektportal die wichtige Rolle des Wissensmana-
gements im Rahmen des (Multi-)Projektmanagements.
Werner Schachner bietet Unterstützung bei der Suche nach der „Nadel im
Heuhaufen“, indem er ein Prozessmodell zur Entwicklung wirkungsvoller Such-
und Analyselösungen vorstellt, die typischerweise auf semantischen Technolo-
gien beruhen. Mit dieser wichtigen Thematik setzen sich immer mehr Unter-
nehmen um Umfeld von Competitive Intelligence, Market Intelligence und Big
Data auseinander.
Harald Schenda, Absolvent unseres Studiengangs Technische Kommunikation,
diskutiert ein häufig vernachlässigtes Thema im Umfeld verständlicher Wis-
senskommunikation: Wie können Firmen die Schreibkompetenz ihrer Techni-
ker verbessern? Er argumentiert dabei plausibel, dass die mangelnde Qualität
Technischer Kommunikation nicht nur an den individuellen Fähigkeiten der
Technischen Redakteure festzumachen ist, sondern auch ganz stark durch si-
tuative und systematische Faktoren beeinflusst wird.
Markus Schichtel beschäftigt sich ebenfalls mit Wissenskommunikation, und
zwar am Beispiel eines innovativen Konzepts zur Gestaltung von PowerPoint-
Folien. Auf Basis der Cognitive Theory of Multimedia Learning optimierte er
Vorlesungsskripten, die in zwei unterschiedlichen Versionen einerseits den
Vortrag bestmöglich unterstützen und andererseits auch zum Selbststudium
geeignet sind. Ein derartiges Vorgehen ist zwar aufwändig bei der Ersterstel-
lung der Folien, scheint aber pädagogisch sehr wirkungsvoll zu sein.
Christiana Scholz argumentiert in ihrem Beitrag zu betrieblicher Kompetenz-
entwicklung, dass die arbeitsimmanente Kompetenzentwicklung eine Ver-
schmelzung von Lern- und Tätigkeitsfeldern verlangt. Informelle Lernprozesse
werden immer wichtiger, und viele Methoden aus dem Wissensmanagement
werden dadurch zum Standardrepertoire im Rahmen der Personalentwicklung.
Christian Taudt von der Continental AG beschreibt in seinem Artikel einen ide-
altypischen, sehr detaillierten Leaving Experts-Prozess, der bei der Pensionie-
Vorwort des Herausgebers 9
rung (Verrentung) von Mitarbeitern zum Einsatz kommen kann. Weiters stellt
Taudt den Nutzen, die nötigen Rahmenbedingungen und die kritischen Er-
folgsfaktoren beim Einsatz eines solchen Prozesses dar.
Elke Theobald und Anja Späte vom Steinbeis-Transferzentrum für Unterneh-
mensentwicklung zeigen in ihrem Beitrag, dass Wissensmanagement im Mar-
keting eine wichtige Rolle spielt (Schlagwort Marketing Intelligence). Sie stel-
len eine umfangreiche qualitative Studie vor, in der erhoben wurde, wie die
tägliche Arbeit bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse aussieht, welches Wis-
sen gesammelt wird, welche Analysen durchgeführt werden und für welche
Marketingbereiche das Wissen im Unternehmen eingesetzt wird.
Stefan Vogel resümiert die Diskussion im Rahmen des World Café zum Thema
„Mini-Bildschirm vs. Verständlichkeit“. Technische Redakteure sind heute im-
mer mehr gefordert, für mobile Geräte (insbesondere Smartphones) nützliche
Kommunikationsangebote zu gestalten. Dafür gibt es aber noch wenige be-
währte Lösungen. In der Diskussion zeigte sich, dass Disziplinen wie Informa-
tion Design und Usability Engineering nützliche Beiträge zu diesem Themen-
kreis liefern können.
Michael Zeiller, Bettina Schauer und Doris Riedl von der Fachhochschule Bur-
genland fassen in ihrem Beitrag eine Cross-Case-Analyse von acht Fallstudien
zum Einsatz von Wikis im unternehmensinternen Wissensaustausch zusam-
men. Als besonders wichtig für den Erfolg zeigten sich die Vorbildfunktion des
Managements und klare Ziele. Ein „sanfter Druck“ auf die Mitarbeiter seitens
des Managements kann bei der Einführung von Wikis durchaus nützlich sein.
Lukas Zenk, Michael Smuc und Florian Windhager von der Donau-Universität
Krems beschreiben unter dem Schlagwort „connecting people and knowledge
at conferences“ den Forschungshintergrund im Projekt ENA (Event Network
Advancement), die Wichtigkeit von enabling spaces (Räume für die Entfaltung
von Wissen) sowie die praktische Umsetzung solcher Konzepte in Konferenzen
am Beispiel des Software-Tools, das bei den Wissensmanagement-Tagen zum
Einsatz kam.
Allen Autorinnen und Autoren nochmals herzlichen Dank für ihr Engagement
und ihre Beiträge! Besten Dank auch für Ihre Bereitschaft, dass dieses Buch
mit einer Creative Commons-Lizenz frei im Internet verfügbar sein kann (und
zwar unter den folgenden Bedingungen: Namensnennung des Autors ver-
pflichtend – keine kommerzielle Nutzung erlaubt – keine Bearbeitung und
Veränderung des Werks erlaubt). Details finden Sie im Internet unter
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/at/.
Vielen Dank auch an unseren Kooperationspartner Oliver Lehnert, an Wolf-
gang Scharf und die Sponsoren für die gute Zusammenarbeit sowie an Gab-
riele Vollmar für die Moderation der Tagung.
10 Benedikt Lutz
Abschließend möchte ich mich besonders bedanken beim Organisationsteam
der Donau-Universität Krems unter der Leitung von Christine Perkonigg. Fol-
gende wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Organisationsassistentinnen
halfen mit, die Tagung zu einem Erfolg werden zu lassen: Judith Bauer, Flori-
an Halm, Christa Haselbacher, Hubert Kirchberger, Cornelia Koppensteiner,
Michaela Kreissl, Magdalena Moser, Manuel Nagl, Andrea Schütz, Michael
Smuc, Manuela Wieländer und Lukas Zenk. Cornelia Koppensteiner besorgte
wie im letzten Jahr das Zusammenführen der Artikel im Sammelband und das
Einarbeiten von Änderungen.
Benedikt Lutz Krems, im Februar 2013
Vorwort des Mitveranstalters
„Wissen nimmt Gestalt an“, so lautete das Leitthema der 2. Kremser Wis-
sensmanagement-Tage im Frühjahr 2013. Dieses Motto traf offensichtlich den
Nerv der Wissensmanagement-Community. Denn gerade die unscharfe Ge-
stalt von Wissen und die Heterogenität des Wissensmanagements machen die
Disziplin so vielschichtig und facettenreich. Andererseits macht die Komplexi-
tät das Thema auch schwer greifbar. Genau hier setzt die Konferenz an: Zahl-
reiche Vorträge und Präsentationen aus den unterschiedlichsten Bereichen des
Wissensmanagements machten die Veranstaltung zu einem abwechslungsrei-
chen Event. Wie abwechslungsreich das Thema sein kann, sah man unter an-
derem an dem erstmals initiierten World Café. Hier entfachten die verschiede-
nen Kurz-Präsentationen angeregte Klein-Gruppendiskussionen und führten so
Wissenskommunikation und -entwicklung beispielhaft vor. Und wenn man ge-
nau hinsah, konnte man förmlich beobachten, wie aus dem abstrakten World
Café konkrete Wissensinseln entstanden, die anschließend von allen Seiten
betrachtet auf einen – nicht immer – gemeinsamen Nenner gebracht wurden.
Hier hat Wissen tatsächlich Gestalt angenommen.
Doch nicht nur in einzelnen Themen kann man die oft schwer greifbare Ge-
stalt des Wissens(managements) erkennen. Sie formt sich unter anderem
zwei Mal im Jahr – bei den Stuttgarter Wissensmanagement-Tagen im Herbst
und den Kremser Wissensmanagement-Tagen im Frühjahr. Gerade letzte ge-
ben mit ihrem universitären Hintergrund dem Faktor Wissen eine besondere
Komponente. Denn Universitäten sind die Orte, an denen Wissen gelebt wird.
Durch Forschergeist entstehen hier neue Theorien und innovative Konzepte.
Kombiniert mit dem beruflichen Wissen der an der Donau-Uni jobbegleitend
lernenden Akademiker und Führungskräfte entsteht ein spannendes Wechsel-
spiel zwischen Lehre und Praxis, das sich auch in der Konferenz wiederfindet.
Demzufolge diskutierten Vertreter aus Lehre und Praxis bei der Podiumsdis-
kussion auch die Frage: Wie viel Theorie braucht Wissensmanagement? Und
auch ansonsten stimmte die Mischung zwischen den „beiden Welten“. Wäh-
rend Prof. Dr. Martin Eppler von der Universität St. Gallen in seiner Key-Note
der Frage nachging, welchen Beitrag die Visualisierung zur Lösung von Wis-
sensmanagement-Problemen leisten kann, stellte DI (FH) Thomas Greiner die
real existierende Wissensplattform der ASFINAG AG vor. Auf der einen Seite
diskutierten Prof. Dr. Markus Peschl von der Universität Wien und Thomas
12 Oliver Lehnert
Fundneider von theLivingCore.com die Zusammenhänge von Wissen und In-
novation im Raum. Auf der anderen Seite erläuterte Christian Taudt den
Leaving-Expert-Prozess bei der Continental AG. Damit blieb nur noch die Fra-
ge, ob die Wiener Polizei auch eine Wissensorganisation darstellt? Eine Dis-
kussion, an der sich Theoretiker und Praktiker gleichsam beteiligen dürfen …
Wissen nahm also auch in sofern Gestalt an, als dass akademisches Wissen
und praktische Umsetzung im Unternehmensalltag eine gemeinsame Sprache
erhielten und sich hervorragend ergänzten. Doch die Gestalt wäre lückenhaft
und die Konferenz in Krems nicht realisierbar ohne die Aussteller und Sponso-
ren. Sie stellten auf der begleitenden Fachmesse die technische Basis für er-
folgreiches Wissensmanagement in Theorie und Praxis vor. Im Gepäck hatten
sie unter anderem Lösungen für effizienteres Geschäftsprozessmanagement,
Enterprise Search, Visualisierung, Kollaboration, Enterprise 2.0, Competitive
Intelligence, technische Dokumentation und SharePoint®. Unser besonderer
Dank gilt daher den beteiligten Unternehmen CID, interface, industrie consul-
ting, Mindbreeze, Mindjet, m2n, RWS Group, Management Monitor, BICon-
cepts und Queiser Druck.
Und damit möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bei unserem Partner
– der Donau-Universität Krems – für die gute Zusammenarbeit bedanken,
insbesondere bei Christine Perkonigg und Benedikt Lutz, sowie dem gesamten
Organisationsteam. Ich freue mich schon auf die 3. Wissensmanagement-
Tage Krems, die am 27. und 28. Mai 2014 stattfinden.
Oliver Lehnert Augsburg, im Februar 2014
Welche Gestalt für Wissen?
Ein Vergleich von Folienpräsentationen und Skizzen als
unterschiedliche Gefäße für Wissen in Organisationen
Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
Universität St. Gallen
Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement
martin.eppler@unisg.ch, sebastian.kernbach@unisg.ch
1. Einführung
In Gesprächen und Sitzungen nimmt Wissen (im Sinne von Erkenntnissen, Er-
fahrungen oder Einsichten) häufig in Form von Folienpräsentationen oder
Skizzen auf dem Flipchart Gestalt an. Es wird geschätzt, dass täglich mehr als
30 Millionen Folien produziert werden. Doch was hat es mit diesen Darstel-
lungsformen auf sich, die täglich in Organisationen eingesetzt werden? Wel-
chen Einfluss hat die Wahl des Werkzeugs auf die Gespräche und Sitzungen,
in denen wir Wissen teilen und entwickeln? In wie weit wirken sich Folienprä-
sentationen und Skizzen auf die Darstellung der Inhalte und die Art der Inter-
aktion aus? Diese Fragen wollen wir in diesem Kapitel beantworten und so
besser verstehen, wie Wissen durch PowerPoint und Handskizzen (Sketching)
Gestalt annimmt und welchen Einfluss dies auf unsere Gespräche und Sitzun-
gen hat.
PowerPoint ist im Unternehmensalltag innerhalb der letzten 15 Jahre zu dem
Standardwerkzeug zur Darstellung von Informationen, Analysen, Plänen und
Erkenntnissen in Organisationen geworden. Hunderte von Arbeitsstunden
werden täglich darauf verwendet, Folien zu erstellen und zu präsentieren. Der
Einsatz von Folienpräsentationen ist häufig automatisiert und gehört wie das
Licht im Meetingraum zu einer Sitzung einfach dazu und der Einfluss der Dar-
stellungsform auf das Treffen wird dabei in der Praxis selten hinterfragt.
Handskizzen werden im Verhältnis zu Folienpräsentationen weitaus weniger
häufig eingesetzt, trotz der bekannten Vorteile dieser natürlichen Darstel-
lungsform. Auch hier erfolgt die Verwendung oder eben die Nicht-Verwendung
in der Praxis ohne vorherige Beurteilung der Möglichkeiten und Beschränkun-
14 Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
gen dieser Darstellungsform. Daher soll dieser Artikel einen genaueren Blick
auf die Verwendung dieser beiden Darstellungsformen werfen.
Im Folgenden möchten wir exemplarisch aufzeigen, welche Einschränkungen
durch den Einsatz von Folienpräsentationen entstehen und welche negativen
Effekte diese Einschränkungen haben. Anschließend werden anhand von Bei-
spielen die Eigenschaften und Vorteile von Handskizzen aufgeführt. Eine Ge-
genüberstellung von PowerPoint und Sketching wird uns helfen, die Ein-
schränkungen und Konsequenzen dieser beiden Darstellungsformen besser zu
verstehen, um zukünftig einen bewussteren Einsatz zu ermöglichen. Abschlie-
ßend leistet dieser Beitrag einen Ausblick auf mögliche Alternativen zu Power-
Point und zeigt interessante Bereiche und offene Fragestellungen für zukünfti-
ge Forschung auf.
2. Folienpräsentationen
In diesem ersten Teil behandeln wir die Entstehung und die Debatte rund um
PowerPoint, mit der deutlich wird, dass PowerPoint sowohl einen Einfluss auf
die Darstellung der Inhalte hat als auch auf die Form der Interaktion zwischen
den Präsentierenden und ihrem Publikum.
2.1. Die PowerPoint Debatte
Um den Einsatz von Folienpräsentationen und deren Effekte besser zu verste-
hen, lohnt sich ein Blick auf die Entstehung der PowerPoint-Software und die
Entwicklung der PowerPoint-Debatte im populären und wissenschaftlichen
Diskurs in den vergangenen 15 Jahren.
PowerPoint wurde im Jahre 1977 lanciert, zu einem Zeitpunkt als Projektor-
Folien die wichtigste Darstellungsform waren, um Präsentationen visuell zu
unterstützen. Diese Folien wurden von Designern erstellt, da es einige techni-
sche Kenntnisse voraussetzte. PowerPoint wurde ursprünglich entwickelt, um
Grafiker und Designer über die ungefähren Vorstellungen des Präsentators zu
informieren. Allerdings ersetzte PowerPoint im Laufe der Zeit und insbesonde-
re mit der Erschwinglichkeit und Verbreitung von Computern und Projektoren
die teuren Projektor-Folien. Zudem konnten die PowerPoint-Folien nun direkt
von den Präsentatoren gestaltet und eingesetzt werden, so dass die Unter-
stützung durch Designer nicht mehr notwendig war. Auf diese Art und Weise
betrat die PowerPoint-Folie sowohl Geschäftssitzungen als auch Klassenzim-
mer.
Der Einzug von PowerPoint in Schulen, Unternehmen und öffentliche Verwal-
tungen war ein rasanter Prozess. Besonders in den ersten Jahren wurde
Welche Gestalt für Wissen? 15
PowerPoint als Darstellungsform für jegliche Art von Inhalten gelobt und häu-
fig im Vergleich zur Wandtafel und Projektor-Folien positiver bewertet. Aller-
dings gab dieser Prozess auch Anlass zu Kritik an PowerPoint als Technologie,
die in viele Lebenssituationen Einzug erhalten hatte. Es wurde argumentiert,
dass die Menschen PowerPoint nicht blind akzeptieren sollten, sondern sich
bewusst machen sollten, welchen Einfluss PowerPoint auf die Darstellung des
Inhalts und die Interaktion zwischen Präsentator und Publikum hatte.
Seit 1998 ist die Kritik an PowerPoint immer lauter geworden. Zwischen 1998
und 2002 veröffentlichten verschiedene Autoren (Searls 1998, Parker 2001,
Brown 2002) auf Basis ihrer persönlichen und der Erfahrung anderer Texte ih-
re Kritik an PowerPoint. Der Kern dieser Kritik war, dass PowerPoint automa-
tisch autoritär ist und durch Aussagen wie „it exists for the speaker, not the
audience“ sollte deutlich gemacht werden, dass der Präsentator durch den
Einsatz von PowerPoint dem Publikum seine Sichtweise aufzwingt. Diese Ein-
seitigkeit der Kommunikation macht Ian Parker deutlich, in dem er schreibt
„we present to each other, instead of discussing“ und macht damit auf die
passive Rolle des Publikums aufmerksam. Zusätzlich merken die Autoren an,
dass sowohl Präsentator als auch Publikum davon nichts mitbekommen. Ne-
ben der hier beschriebenen fehlenden Interaktion durch den autoritären Stil
von PowerPoint schauen Shaw et al. (1998) in Ihrem Harvard Business Re-
view Artikel auf die Art und Weise, wie Inhalte durch die bekannten Spiegel-
striche (‚bullet point lists‘) in PowerPoint dargestellt werden. Sie stellen fest,
dass die Darstellung von strategischen Inhalten für Storytelling durch Spiegel-
striche ungeeignet sind, da Spiegelstriche nur Sequenz, Priorität oder Zugehö-
rigkeit in einem Set darstellen können und nur eine dieser Möglichkeiten zur
gleichen Zeit. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Inhalte darge-
stellt durch Spiegelstriche eine „illusion of clarity“ geben, und dadurch nicht
geeignet sind, echtes Engagement zu erreichen. Sie zeigen damit auf, dass
PowerPoint in der Darstellung der Inhalte limitiert ist und dadurch eine Inter-
aktion im Sinne von Engagement nicht ermöglicht.
Während die Autoren dieser ersten Phase ihre Argumente auf ihre persönli-
chen Erfahrungen und ohne wissenschaftliche Grundlage begründen und
trotzdem ein beachtliches Publikum erreichen, erhält ein Autor im darauffol-
genden Jahr 2003 einen gewaltigen Schub an Aufmerksamkeit durch seinen
systematischeren Ansatz in seinem selbstveröffentlichten Essay The Cognitive
Style of PowerPoint und der angepassten Version dieses Essays, der im
WIRED Magazin im gleichen Jahr erschien. Edward Tufte untersuchte syste-
matisch fünf PowerPoint Fallbeispiele, Tausende von PowerPoint Folien und
machte einen Vergleich mit anderen Darstellungsformen. Er argumentierte,
dass der Absturz der Columbia Raumfähre und der Tod von sieben Menschen
zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass zwar die relevanten Informationen
16 Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
vorhanden gewesen waren, jedoch PowerPoint durch seine eingebaute „un-
der-complexity“ der Inhalte verhinderte, dass diese Information erfolgreich
kommuniziert wurde. Er attestiert PowerPoint einen eigenen kognitiven Stil,
der sich durch die Organisation des Inhalts und die Interaktion zwischen Prä-
sentator und Publikum äußert. Damit wiederholt Tufte frühere Erkenntnisse,
aber seine Analyse geht einen Schritt weiter: Er argumentiert, dass der Inhalt
durch PowerPoint unterbrochen, beherrscht und abgedroschen wird und
kommt zu dem Schluss, dass das Format in der Darstellung wichtiger ist als
der Inhalt. Auch wenn Tuftes Argumente auf einer differenzierten Analyse be-
ruhen, so entspricht sein Ansatz nicht wissenschaftlichen Kriterien. Trotzdem
erfuhr Tuftes Arbeit ein sehr großes Maß an Aufmerksamkeit und seine Argu-
mente hallten in den darauffolgenden beiden Jahren oftmals wider.
Nach 2006 wurde es in der populären Presse ruhiger um PowerPoint. Gleich-
zeitig begann der wissenschaftliche Diskurs dominanter zu werden. Power-
Point wurde nun als soziales Phänomen mit Hilfe von ethnografischen Metho-
den in Organisationen (Yates and Orlikowski 2007, Kaplan 2011) und durch
Befragungen (Hill et al. 2012) untersucht. Im Vordergrund dieser Untersu-
chungen lag vor allem die Erklärung der Effekte von PowerPoint.
Aus der hier beschriebenen Debatte wird deutlich, dass PowerPoint vor allem
für zwei Punkte kritisiert wird: (1) dass es die Darstellung der Inhalte be-
schränkt und, (2) dass es durch seinen autoritären Stil die Kommunikation
einseitig macht. Diese Kritikpunkte werden im nächsten Kapitel anhand von
jeweils zwei Beispielen näher erläutert.
2.2. Der Einfluss von Folienpräsentationen auf die Darstel-
lung von Inhalten und auf die Form der Interaktion
In ihrer Untersuchung der einschränkenden Qualitäten von PowerPoint und
deren negativen Effekte fanden Kernbach und Bresciani (2013) solche Ein-
schränkungen, die sich auf die Darstellung des Inhalts beziehen und solche,
die sich auf die Kommunikation zwischen Präsentator und Publikum beziehen.
Anhand von jeweils zwei Beispielen sollen diese Einschränkungen deutlich
gemacht werden.
Die Darstellung des Inhalts wird durch die Einschränkungen Sequencing und
Bulleting deutlich. Mit Sequencing ist gemeint, dass dadurch, dass nur wenig
Inhalt auf jeder Folie gezeigt werden kann, viele Folien erzeugt werden müs-
sen. Dies führt dazu, dass es eine lange Sequenz von Folien gibt. Dadurch ist
es schwierig, den Kontext der dargestellten Inhalte zu verstehen (weil man ja
immer nur eine Folie zur gleichen Zeit sieht) und Beziehungen zwischen den
Inhalten der einzelnen Folien zu beurteilen. Zudem ist der Präsentator auf die
Reihenfolge der Folien festgelegt und kann während der Präsentation nur sehr
Welche Gestalt für Wissen? 17
umständlich die Reihenfolge anpassen. Dies führt dazu, dass die Flexibilität
auf die Interessen des Publikums einzugehen, verringert ist. Weiter kann
durch den Stop-und-Go-Rhythmus des Folienwechsels die Dynamik und der
Schwung des Präsentators gestört werden; es entsteht die Tendenz, Fragen
an das Ende der Präsentation zu legen. Das entzerrt oder verunmöglicht ad-
hoc Gespräche und führt eher zu Missverständnissen. Es reduziert auch die
Möglichkeit, neue Ideen zu entwickeln. Mit Bulleting sind die Listen mit Spie-
gelstrichen gemeint, die allgegenwärtig zum Standard der PowerPoint-Folien
gehören und häufig eingesetzt werden. Diese Form der Darstellung ermöglicht
nur Inhalte in Form einer Sequenz, einer Priorität oder einer Zugehörigkeit zu
einer Gruppe und nur eine dieser drei Möglichkeiten zur gleichen Zeit. Andere
kritische Beziehungen zwischen Inhalten sind nicht möglich. Spiegelstrichlis-
ten kreieren eine Illusion von Klarheit. Zudem ermöglichen sie keinen Blick
auf das Gesamtbild bzw. auf Wechselwirkungen zwischen Komponenten. Zu-
sätzlich verhindern sie das Denken in aufeinander übergreifende Inhalte oder
Inhalte, die nicht in der Liste enthalten sind. Spiegelstrichlisten unterstellen
eine unbestrittene Autorität und verringern den Bedarf, Behauptungen detail-
liert zu argumentieren bzw. zu entwickeln. Das scheint uns vor allem im Hin-
blick auf die Teilung von Wissen (das als wahrer, gerechtfertigter Glaube ver-
standen werden kann) äußerst problematisch.
Neben diesen beiden Einschränkungen in der Darstellung des Inhalts wird im
Folgenden die Kommunikation zwischen Präsentator und Publikum und deren
Einschränkung durch Dominating und Over-Aestheticizing deutlich. Mit Domi-
nating ist gemeint, dass PowerPoint einen aufdringlichen Stil hat, mit dem es
sich dem Publikum aufzwingt, was dazu führt, dass eine dominante oder auto-
ritäre Beziehung zwischen dem Präsentator und dem Publikum entsteht. Diese
Autorität erzeugt einen vorher festgelegten Monolog, der eine Distanz zwi-
schen Präsentator und Publikum erzeugt, welche die Verbindung reduziert und
das Publikum passiv werden lässt. Das macht einen offenen Austausch zwi-
schen Präsentator und Publikum schwierig, führt zu einem Mangel an Grup-
pen-Kreativität und verhindert generell eine aktive Diskussion. Mit Over-
Aestheticizing ist gemeint, dass bei der Gestaltung der Inhalte ein hoher Wert
auf ein ästhetisches Design gelegt wird. Dies führt in der Interaktion zwischen
Präsentator und Publikum dazu, dass das schöne Design vom Inhalt ablenkt
und visuelle Effekte anstatt gute Argumente überzeugen. Das Publikum wird
dadurch nicht ermutigt, einen eigenen Beitrag zu leisten oder Kritik zu formu-
lieren, weil der Inhalt bereits als perfekt oder endgültig dargestellt wird.
Anhand dieser vier Beispiele möchten wir illustrieren, dass der unbewusste
Einsatz von ‚klassischen‘ Folienpräsentationen Einschränkungen nicht nur für
die Darstellung von Wissen bringen kann, sondern auch für die Kommunikati-
on zwischen Präsentator und Publikum restriktiv wirkt. Im nächsten Kapitel
18 Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
werden deshalb Skizzen als komplementäre Darstellungsform von Wissen in
Organisationen vorgestellt und im Anschluss werden diese beiden Formen, Fo-
lienpräsentationen und Skizzen, miteinander verglichen.
3. Skizzen
In diesem Beitrag definieren wir eine Skizze als eine von Hand gezeichnete,
einfache Zeichnung auf einem Flipchart oder einem Blatt Papier. Alternativ
kann diese Zeichnung auch mit Hilfe eines digitalen Stiftes auf einem Tablet
(z.B. iPad) oder auf einem elektronischen, interaktivem Whiteboard entste-
hen. Im Folgenden werden die Herkunft von Skizzen beschrieben sowie die
Vorteile für die Wissensteilung und -entwicklung anhand von Beispielen auf-
gezeigt.
3.1. Skizzen als Denkwerkzeug
Skizzen oder Skizzieren kann als Werkzeug des Denkens betrachtet werden,
das es dem Verstand ermöglicht, Dinge, die sich „im Wandel“ (in flux) befin-
den, zu erfassen und iterativ weiterzuentwickeln (Buxton 2007).
Dieses Werkzeug des Denkens wurde von den großen Geistern unserer Zeit
genutzt und verhalf ihnen bei der Ermittlung und Übermittlung von Wissens-
durchbrüchen: Leonardo da Vinci, zum Beispiel, war ein begeisterter Zeichner.
In seinem Tagebuch notierte er, dass er in Skizzen oft Dinge entdecke, von
denen er gar nicht wusste, dass er sie wusste. Er entdeckte darin neu entste-
hende Muster, die ihn zu neuen Erkenntnissen führten. Charles Darwin ver-
wendete konzeptionelle Skizzen, um seine Evolutionstheorie zu entwickeln
(wie beschrieben in seinen Skizzenbüchern und Tagebüchern). Ebenso machte
es Sigmund Freud, der sich auf seine Skizzen verließ, um seine Theorien der
Psychoanalyse und Psychopathologie weiterzuentwickeln. Eine weitere Kory-
phäe, die Skizzen nutzte, um Gedanken zu veranschaulichen und weiterzu-
entwickeln und sein implizites Wissen an die Oberfläche zu bringen, war Lud-
wig Wittgenstein.
Selbst der Wissensmanagement-Guru Michael Polanyi erwähnt Skizzen für den
Umgang mit seinem eigenen Wissen als eine Möglichkeit, implizites Wissen
explizit zu machen – quasi durch einen visuellen Dialog mit sich selber.
In der Literatur beschäftigen sich vor allem die Bereiche Design, Informatik
und Psychologie mit Skizzen und Skizzieren. Im Folgenden wird anhand eines
Beispiels der Vorteil von Skizzen aufgezeigt.
Welche Gestalt für Wissen? 19
3.2. Vorteile und Beispiel einer Skizze
Die folgende Abbildung zeigt ein einfaches Beispiel für den Einsatz von Skiz-
zen. Abbildung 1 zeigt eine abgeschlossene Analyse, die während einer Be-
sprechung durch ein Management-Team hinsichtlich der Dienstleistungsquali-
tät durchgeführt wurde. Beginnend mit der Spitze des Eisbergs machte das
Team das implizite Wissen der Teilnehmer über das Problem durch Fragen
nach dem ‚Warum?‘ sichtbar und skizzierte die Antworten auf diese Frage auf
der Darstellung der Eisbergmetapher.
Das Ziel des Skizzierens ist in diesem Zusammenhang, dass der Wissensaus-
tausch zwischen den Teilnehmern der Besprechung optimiert wird. Die Her-
ausforderung vieler Teams ist es, wie man eine Umgebung schafft, die es er-
möglicht, Probleme zu klären, verstecktes Wissen an die Oberfläche zu brin-
gen, Diskussionen zu unterstützen oder Wissen in überzeugender Weise zu
kommunizieren.
Abbildung 1 : Analyse basierend auf einer Ursache-Wirkung-Eisbergmetapher
(Quelle: Eppler/Pfister 2012)
20 Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
Der Prozess der Erstellung der Skizze in Abbildung 1 erfolgt dabei in kollabo-
rativer Weise: Anstelle einer Projektion von Folien an die Wand, wird die Skiz-
ze gemeinsam im Team entwickelt. Der Projektleiter benutzt dazu zum Bei-
spiel ein Flipchart, um die Eisbergmetapher aufzuzeichnen und hält den Stift
in der Hand, um die Aussagen der Teilnehmer auf dem Flipchart festzuhalten.
Das Bild des Eisbergs ist aufgrund seiner klaren Eigenschaften eine starke und
bekannte Metapher. Nur die Spitze des Eisbergs ragt aus dem Wasser, der
größere Teile bleibt unter der Wasseroberfläche verborgen. Nur die Effekte ei-
nes Problems zu sehen, nicht aber deren Ursachen, kommt diesem Bild sehr
nah. Nachdem der Projektleiter den Eisberg gezeichnet hat, das Problem in
einem Wort oder einem kurzen Satz an die Spitze des Eisbergs über der Was-
seroberfläche geschrieben hat, sind nun die Teilnehmer aufgefordert, sich an
der Skizze zu beteiligen. Sie identifizieren die Ursachen und Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge und benutzen Pfeile um diese miteinander zu ver-
binden. Diese Art der Besprechung, in der die Teilnehmer vor dem Flipchart
stehen, involviert und mobilisiert alle, ihr Wissen mit den anderen im Team zu
teilen. Skizzen zu benutzen erlaubt mehr Kreativität. Es lädt dazu ein, über
den Tellerrand hinauszuschauen und motiviert alle Teilnehmer sich an der
Diskussion zu beteiligen. Das führt dazu, dass die Teilnehmer überzeugter von
dem Ergebnis sind und sich besser mit der finalen Entscheidung identifizieren
können, weil das Ergebnis in einer kollaborativen und angenehmen Weise
entwickelt wurde.
Abbildung 1 zeigt eine typische Skizze für Wissensaustausch in dem Sinne,
dass die visuelle Metapher des Eisbergs ermöglicht von der konkreten Situati-
on zu abstrahieren und zu generalisieren. Das Skizzieren während der Be-
sprechung – ohne die Unterstützung von Technologie – signalisiert zugleich,
dass es sich hierbei um ‚work in progress‘ handelt, was die Teilnehmer dazu
einlädt, sich an der Diskussion zu beteiligen und das Bild zu modifizieren oder
zu erweitern. Wenn während des Sprechens skizziert wird, dann sagt das viel
über den Prozess und die Geschwindigkeit der Diskussion aus, und zwar inso-
fern als dass man mit der Übersicht, der sog. Vogelperspektive, startet und
bei Bedarf auf Details eingeht. Es kann dabei nicht schneller diskutiert werden
als der Projektleiter oder Moderator skizzieren kann. In diesem Sinne ist es
förderlich für den Wissensaustausch, weil es im Gegensatz zu Folienpräsenta-
tionen das gemeinsame Denken und Debattieren fördert. Jeder bekommt
durch die „Zeichnungspausen“ (im Idealfall) die Gelegenheit, seine Perspekti-
ve einzubringen.
Welche Gestalt für Wissen? 21
4. Folienpräsentation und Skizzen im Vergleich
Nachdem Folienpräsentation und Skizzen vorgestellt wurden, erfolgt in diesem
Kapitel ein Vergleich dieser beiden Darstellungsformen von Wissen in Organi-
sationen. Dieser Vergleich wird anhand der beiden Dimensionen durchgeführt,
die bereits im Zusammenhang mit Folienpräsentation besprochen wurden.
Zum einen ging es dabei um die Darstellung der Inhalte und zum anderen um
die Art der Interaktion. Diese beiden Aspekte sollen unseren Vergleich struk-
turieren.
4.1. Die Darstellung der Inhalte
In Folienpräsentationen ist die Darstellung der Inhalte dadurch limitiert, dass
immer nur eine Folie zu sehen ist, während die Inhalte der anderen Folien
nicht sichtbar sind und somit in Vergessenheit geraten oder in Erinnerung be-
halten werden müssen. Bei diesem Effekt spricht man von Sequencing, da der
Inhalt auf eine Sequenz von Folien aufgeteilt wird.
Bei Skizzen werden in der Regel sowohl die große Übersicht als auch Details
gezeigt. Dass man dadurch alles im Blick hat, führt dazu, dass das Kurzzeit-
gedächtnis der Teilnehmer entlastet wird und dies die Informationsverarbei-
tung und die Kommunikation erleichtert.
Bei der Darstellung der Inhalte sorgt das Bulleting in Folienpräsentationen da-
für, dass Beziehungen zwischen den Elementen wenig zugänglich sind, das
Gesamtbild fehlt und so keine klaren Erkenntnisse gewonnen werden können.
Die Folienform birgt das Risiko, das Publikum mental zu blockieren.
Skizzen helfen dabei Gedanken zu organisieren und ermöglichen es, durch
den Wechsel von Perspektiven mentale Blockaden zu überwinden. Sie unter-
stützen die Klärung von bestehenden Ideen und die Entwicklung von neuen
Ideen.
4.2. Die Art der Interaktion
Folienpräsentationen suggerieren eine dominierende oder autoritäre Form
(Dominating) vom Präsentator ausgehend, so dass das Publikum eine sehr
passive Rolle in der Kommunikation einnimmt und somit eigentlich nicht von
einer wirklichen Interaktion geredet werden kann. Dadurch kommen kein Aus-
tausch und keine engagierte Diskussion zustande.
Skizzen suggerieren durch ihre unfertige Form, dass sie ‚work in progress‘
sind und laden daher das Publikum dazu ein sich an der Diskussion zu beteili-
gen. Eine Skizze etabliert einen gemeinsamen Fokus und fördert dadurch eine
effiziente und angenehme Zusammenarbeit. Zusätzlich führt die Verwendung
22 Martin J. Eppler, Sebastian Kernbach
von Skizzen dazu, dass die Teilnehmer besser zuhören und sich mehr enga-
gieren, in dem sie z.B. auf den Ideen anderer Teilnehmer aufbauen. Skizzen
sind also nicht autoritär, sondern ermöglichen eine Kollaboration auf gleicher
Ebene.
Folienpräsentation wirken durch ihre elektronische und ‚polierte‘ Form überäs-
thetisiert (Over-Aestheticizing), was dazu führt, dass die Inhalte als fertig
wahrgenommen werden und nicht unbedingt zu einem Dialog über die darge-
stellten Inhalte einladen.
Skizzen erlauben es, sowohl präzise als auch unpräzise Inhalte auszudrücken
und dabei das Wichtige und Relevante zu extrahieren. Skizzen signalisieren
dadurch, dass sie noch nicht fix fertig sind und laden zu Modifizierungen ein.
Dadurch entsteht eine freie und entspannte Form des Austausches und der
Interaktion.
5. Fazit und Ausblick
In diesem Beitrag haben wir Folienpräsentationen und Skizzen als Darstel-
lungsformen für Wissen in Organisationen vorgestellt und anhand der Darstel-
lung der Inhalte und der Form der Interaktion zwischen Präsentator und Pub-
likum verglichen.
Dieser Vergleich hat gezeigt, dass Folienpräsentationen durch die Darstellung
der Inhalte und den autoritären Stil für eine lebendige Diskussion zwischen
Besprechungsteilnehmern, in denen Wissen ausgetauscht und erweitert wer-
den soll, nicht uneingeschränkt zu empfehlen sind. Deshalb empfehlen wir
den vermehrten Einsatz von Skizzen, da sie durch ihre unfertige und dadurch
einladende Weise den Wissensaustausch fördern und einen lebendigen, enga-
gierten und expansiven Dialog unterstützen.
Natürlich kommt es dabei auch auf die Verwendungsweise von Folienpräsen-
tationen und Skizzen an. Nichtsdestotrotz „verführt“ einen ein Werkzeug zu
einer gewissen Handhabung, Dramaturgie und zu bestimmten Interaktions-
mustern. Mit diesem Beitrag wollen wir auf diese subtilen Prozesse bei der
Formwahl für Wissen aufmerksam machen.
Neben den hier behandelten beiden Werkzeugen, Folienpräsentation und Skiz-
zen, lohnt es sich in Zukunft sicherlich auch, auf weitere Werkzeuge für die
Wissensteilung zu achten, wie etwa Prezi, Second Life oder let‘s focus. Zu-
künftige Forschung könnte den Einsatz dieser und anderer Werkzeuge genau-
er in Hinblick auf deren Vor- und Nachteile untersuchen und miteinander ver-
gleichen, um Forschern als auch Praktikern eine noch bessere bzw. noch be-
wusstere Wahl der Wissensformen zu ermöglichen. Denn: Je mehr Gestal-
tungsmöglichkeiten uns für den Ausdruck unseres Wissen zur Verfügung ste-
Welche Gestalt für Wissen? 23
hen, desto eher sind wir in der Lage, dieses adäquat miteinander zu teilen
und weiterzuentwickeln. In Anlehnung an Ashbys berühmtes Diktum könnte
man resümieren, dass wir nur mit einer größeren Vielfalt an Wissensformen
eine größere Vielfalt an Problemen lösen können. Denken wir also in Zukunft
bei Wissensteilung in Sitzungen auch jenseits der Folie und der Skizze, um
Wissen Gestalt zu geben.
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Information ist (Daten-)Gold
für jedes Unternehmen
Daniel Fallmann
Mindbreeze GmbH
daniel.fallmann@mindbreeze.com
1. Unbegrenztes Datenwachstum
Auf rund 40 Zettabyte soll das digitale Universum lt. IDC-Studie (IDC) bis
zum Jahr 2020 anwachsen und auch in Unternehmen wächst die Datenmenge
unaufhörlich. Betrachtet man dieses Volumen und die aktuellen Trends hin zu
einer immer flexibleren Zusammenarbeit in agilen Projektteams, so erkennt
man die riesigen Mengen an unstrukturierten und strukturierten Informatio-
nen, die abgelegt werden. Im Schnitt gut 80% der Daten von und für Unter-
nehmen sind unstrukturierte Informationen in File-Systemen, Collaboration-
Tools, Wikis, Blogs oder in der Cloud. Diese müssen genutzt werden, um
wettbewerbsfähig zu bleiben.
Damit stehen Unternehmen vor der Herausforderung das vorhandene Daten-
material effizient zu analysieren und zu nutzen, um sich ihren Wettbewerbs-
vorteil zu sichern und/oder auszubauen. Deshalb braucht es Lösungen, die
über eine herkömmliche Suche hinausgehen und Daten nicht nur finden, son-
dern auch analysieren, mittels semantischen Methoden Content-
Zusammenhänge verstehen und diese ansprechend aufbereiten. Weg von sta-
tischen Abfragemodellen gegen Datenbankeinträge hin zu dynamischen Ab-
fragen, die auf Semantik basieren.
2. Information im richtigen Kontext
Die Aufgabe von Suchwerkzeugen ist schon lange nicht mehr das „einfache“
Anzeigen von Informationen, die lediglich den Suchbegriff enthalten. Das ra-
sche Auffinden von relevanten Fakten für den jeweiligen Anwender bietet den
28 Daniel Fallmann
wirklichen Mehrwert. Das ist zugleich auch eine der größten Herausforderun-
gen, will man die Aufgabe hochprofessionell umsetzen und perfektionieren.
Ein einfaches Beispiel zeigt warum: Nehmen wir an, ein Anwender sucht ein
Mikrofon und im Zuge der Recherche erweitert er seine Suche auf Funkadap-
ter für Mikrofone. Eine typische Suchsequenz eines Anwenders könnte also
sein.
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Mikrofon und
Funkadapter wird nicht erkannt
Obwohl die Suche nach „Funkadapter“ unmittelbar auf die Suche nach „Mikro-
fon“ folgt, erkennen viele Suchmaschinen oft keinen Zusammenhang. Im
Fachgeschäft wäre die Situation einfach, da der Verkäufer sofort den Zusam-
menhang zwischen dem Interesse an Mikrofonen und Funkadapter hergestellt
hätte. Diesen Kontext zu erkennen und zu berücksichtigen ist wichtig.
Intelligente Suchmaschinen lösen diese Herausforderung durch „Kontextuali-
sierung“. Gemäß Wikipedia ist Kontextualisierung „die interaktive Konstitution
des relevanten Kontextes innerhalb eines Kommunikations- und Interpretati-
onsprozesses“. Eine „Kommunikation“ bzw. ein „Dialog“ findet auch zwischen
Anwendern und Suchmaschinen statt. Genau diese „Dialogfähigkeit“ ist eine
Stärke von intelligenten Suchmaschinen und steht erst am Anfang ihrer Mög-
lichkeiten.
Information ist (Daten-)Gold für jedes Unternehmen 29
Ein Dialog lebt von Vielfalt. Intelligente Suchmaschinen nützen heute bereits
Kontextinformationen, um ein möglichst genaues Bild zu bekommen, wonach
der Anwender gerade sucht. Informationen über den „Kontext“ eines Anwen-
ders, wie beispielsweise seine Umgebung, können genutzt werden, um das
Verhalten von Suchmaschinen dynamisch darauf anzupassen.
Dabei unterscheidet man zwischen implizitem Kontext und explizitem Kontext.
Mit implizitem Kontext sind Informationen gemeint, die sich aus dem Benut-
zerverhalten ableiten lassen. Dazu gehören beispielsweise typische Social Me-
dia Aktivitäten, Alter, Lokation, vorrangig ausgeführte Tätigkeiten oder das
Such- und Klickverhalten. Diese Information über die Interaktion des Anwen-
ders wird bereits vor der Suche erfasst und dann im Rahmen der Suche an-
gewandt.
Dazu im Gegensatz steht der explizite Kontext. Dieser wird direkt durch Ein-
gabe von Kontextinformationen durch den wissenden Anwender geschaffen.
Durch weitere Kriterien unterstützt man den Suchvorgang, um möglichst ak-
kurate Ergebnisse zu erhalten. Darunter sind beispielsweise eingegebene
Suchabfragen im Unternehmenssystem zu verstehen, ausgewählte Sortie-
rungskriterien oder Filterkriterien. Die aktuelle Nutzung von Kontextinformati-
onen steht erst am Anfang dessen, was zukünftig möglich sein wird, um An-
wender gezielt und hochprofessionell mit den richtigen Informationen zur rich-
tigen Zeit zu versorgen.
Die Grenzen zwischen On- und Offline verschwimmen immer mehr. Die Ver-
knüpfung der beiden Welten findet bereits in vielen Bereichen statt. So wäre
man vor einiger Zeit noch bestaunt worden, hätte man versucht, mittels Twit-
ter Feed, Facebook Post oder QR-Code Informationen oder Produktproben zu
erhalten. Heute sind dies gängige Praktiken, um dem Kunden den bestmögli-
chen Service zu bieten und so an das Unternehmen zu binden. Kellogg‘s er-
öffnete beispielsweise in London einen Tweet Shop, um ein neues Produkt zu
promoten. Um eine kostenlose Probe des Produkts zu erhalten, mussten die
Besucher einen Tweet mit dem Hashtag #tweetshop absenden und im Shop
warten, bis dieser auf dem Display erschien, danach erhielten sie die Gratis-
probe. Kellogg‘s akzeptierte nur „Social Currency“, also „soziale Währung“ als
Zahlungsmittel und das Marketing-Experiment wurde ein voller Erfolg. Es
bleibt auf jeden Fall spannend, wie und ob sich „Social Currency“ durchsetzen
wird.
30 Daniel Fallmann
3. Das Businessumfeld
Im Businessumfeld verhält es sich sehr ähnlich. Es gilt die Mitarbeiter mit den
bestmöglichen Informationen zu „versorgen“, damit diese ihre Aufgaben zü-
gig, hochqualitativ und mit Freude umsetzen können. Das ist die Grundvo-
raussetzung, damit Unternehmen und Mitarbeiter im harten Markt und inter-
nationalen Wettkampf erfolgreich bestehen können.
Neben den klassischen Informationen aus dem CRM-System ist es wichtig,
den Kunden positiv zu überraschen und bestmöglichen Service zu bieten. Bei-
spielsweise können aktuelle Themen, mit denen sich ein Kunde beschäftigt
und die durch das eigene Produkt drastisch erleichtert werden können, ein gu-
ter Aufhänger für ein erstes Gespräch sein. Solche Informationen finden sich
normalerweise nicht im internen CRM, aber oft auf Business-Portalen wie
XING, LinkedIn, Twitter oder auf Unternehmensseiten des Kunden.
Ermöglicht Kontextualisierung eine bessere Kundenbetreuung? Was ist darun-
ter im Businessumfeld zu verstehen und wie könnte die Umsetzung in der
Praxis aussehen?
3.1. Kontextualisierung im Unternehmensumfeld
Jeden Tag passieren unvorhersehbare Ereignisse. Beispielsweise verlässt ein
langjähriger Kundenbetreuer überraschend das Unternehmen. Für den Nach-
folger gilt es nun schnell, eine gute Beziehung zu den Kunden aufzubauen und
deren Vertrauen zu gewinnen. Vor dem Kundentermin möchte sich der neue
Betreuer ein möglichst genaues Bild von seinem Gegenüber machen. Der Zu-
griff auf die Unternehmensdaten erfolgt über Tablet. Hier sucht er zunächst
nach aktuellen Aufträgen, Verträgen, Beschwerden, Korrespondenz und Pro-
duktwünschen. Die Ergebnisse werden aus den Unternehmensdatenquellen
(Netzlaufwerk, DMS, Mailsystem, CRM, ERP, usw.) konsolidiert und angezeigt,
die Zugriffsrechte werden dabei von der Suchlösung geprüft. Notizen des Ge-
schäftsführers zu dem Kunden sind für den Betreuer nicht sichtbar, da er da-
für keine Rechte besitzt. Der Kundenbetreuer erhält ein sachliches Bild des
Unternehmens und dessen Aktivitäten. Doch wer ist die Person, die im Mee-
ting gegenübersitzt? Der soziale, persönliche Blick wurde bis dato wenig be-
rücksichtigt. Diese sachliche Sicht wird nun mit implizitem Kontext verknüpft,
indem die Suche auf das Web sowie Social Media Kanäle ausgeweitet wird.
Information ist (Daten-)Gold für jedes Unternehmen 31
Hier steht der Mensch im Vordergrund. Alle öffentlichen Informationen wie
Xing-Einträge, Tweets oder Blogeinträge werden analysiert und ergänzen das
Suchergebnis. Der Kundenbetreuer sieht, dass sein Kontakt sehr technikaffin
ist und in diversen Foren und Communitys mitdiskutiert bzw. moderiert. Da-
mit erkennt der Kundenbetreuer, neben seinen aktuellen Geschäftsinteressen
auch, mit welchem Fokus ein Gespräch stattfinden sollte. Dieses Gesamtbild
bekommt man natürlich nur, wenn der Kunde öffentliche Diskussionen zu ge-
wissen Themen im Web führt und diese Daten wissentlich öffentlich gemacht
wurden. Suchlösungen wie jene von Mindbreeze achten dabei strikt auf die
entsprechenden Rechte.
Abbildung 2: Suchmaschine erkennt den Zusammenhang zwischen
Mikrofon und Funkadapter
4. Fazit
Wie die gegenwärtigen Entwicklungen zeigen, sind Suchlösungen, die einfach
eine Trefferliste liefern, heute nicht mehr zeitgemäß. Die sinnvolle Kombinati-
on der vorhandenen Informationen aus internen und externen Datenquellen,
angereichert mit Informationen aus sozialen Netzwerken, wird in Zukunft
noch stärker beeinflussen, ob Unternehmen sich von ihren Mitbewerbern ab-
heben können. Dabei ist von höchster Bedeutung, dass alle Rechte stets ge-
wahrt bleiben. Dennoch müssen Mitarbeiter genau jene Informationen einfach
32 Daniel Fallmann
und effizient abrufen können, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen –
unabhängig ob im Kundenservice, in der Personalabteilung, im Vertrieb oder
in der Entwicklung.
Einführung einer
Wissensmanagementplattform
Thomas Greiner
ASFINAG Baumanagement GmbH
thomas.greiner@asfinag.at
1. Ausgangslage und Zielsetzung
1.1. Ausgangslage
Innerhalb der ASFINAG wurde der Bedarf für eine Informations- und Wissens-
plattform als Unterstützung für die Projektabwicklung festgestellt und wie
folgt definiert:
„Das fehlende Wissensmanagement ist durch die Gestaltung von geeigneten
Prozessen sowie einer zentralen Systemlösung mit intuitiver Benutzeroberflä-
che und Suchfunktionen abzudecken“.
Im folgenden wird die Umsetzung der Lösung und Ausrollung der Prozesse zur
Informationsgewinnung beschrieben. Wesentlich ist hier, dass seitens aller
Mitarbeiter wichtige Informationen und Wissen aktiv bereitgestellt werden und
so der Wissenstransfer innerhalb der ASFINAG österreichweit aktiv gefördert
werden kann.
1.2. Zielsetzung
Informationen sind die wesentliche Voraussetzung für Entscheidungen und
zweckgerichtetes Handeln. Laut einer Umfrage eines Wirtschaftsjournals, ver-
bringen amerikanische Manager im Durchschnitt 25% ihrer Arbeitszeit oder 60
Arbeitstage pro Jahr mit der Suche nach Informationen. Es lohnt sich also,
das „Informationssystem“ eines Unternehmens zu verbessern (Lehner 2009:
6).
Hinzu kommt, dass laut Zucker/Schmitz (1994: 65) Schätzungen zufolge trotz
der gesteigerten Bedeutung von Wissen nur etwa 30% des real vorhandenen
Wissens einer Organisation wirklich genutzt werden.
34 Thomas Greiner
Gerade bei der Abwicklung von großen Bauvorhaben, wie es bei der ASFINAG
üblich ist, ist die Bereitstellung von Wissen sowie das Schaffen einer Kultur,
aktiv mit Wissen umzugehen und es im Projektgeschäft zu verwenden, not-
wendig. Die Kunst, eine Wissensmanagementplattform aufzubauen liegt aber
nicht in der technischen Umsetzung, sondern vielmehr im Aufsetzen der Pro-
zesse und Begleitmaßnahmen.
Wir definierten daher die folgenden Schritte:
• Problemerkennungsphase (Herangehensweise, Bewusstseinsbildung, Erar-
beiten von Lösungen)
• Einführungsphase (Definition der Abläufe, Organisation der Rollen und
Prozesse)
• Einführung der Plattform (Kommunikation und Ausrollung)
• Erfahrungen/Erkenntnisse (Nachbesserungen)
Ziel muss es sein das implizite Wissen, das nur durch Erfahrung gelernt und
indirekt durch Metaphern und Analogien mitgeteilt wird in explizites Wissen,
welches beispielsweise in Handbüchern und Verfahren enthalten ist, umzu-
wandeln (Nonaka/Takeuchi 1995: 5).
2. Umsetzungsschritte
2.1. Problemerkennungsphase
In einem Abteilungsworkshop wurden die Mitarbeiter mit konkreten Aufgaben
befasst. In Gruppenarbeiten wurde ausgearbeitet, wie die Situation im Ar-
beitsumfeld verbessert werden kann. Die Mitarbeiter signalisierten als Ergeb-
nis den Bedarf, Informationen und Wissen zentral zu bündeln bzw. bereit zu
stellen. Die Aufgabenstellungen sind im Fragenkatalog in der Abbildung 1 dar-
gestellt.
Einführung einer Wissensmanagementplattform 35
Abbildung 1: Bewusstmachen der Situation
(Quelle: List 2010)
In der ersten Phase dieser Herangehensweise war von einer Wissensma-
nagementplattform noch keine Rede. Wichtig ist hier den Bedarf aufzuzeigen
und eine Bewusstseinsbildung für die derzeitige Situation zu schaffen.
In einem zweiten Schritt ging es um die Erarbeitung von Lösungen, welche
ebenfalls in Gruppenarbeiten durchgeführt worden ist. Darin erarbeiteten die
Mitarbeiter Definitionen, insbesondere welche Inhalte abgedeckt werden soll-
ten und welches Wissen im Unternehmen fehlt, um die Arbeit „richtig“ ma-
chen zu können. Die Aufgabenstellungen dieses 2. Schrittes sind im Fragenka-
talog in der Abbildung 2 beschrieben.
36 Thomas Greiner
Abbildung 2: Erarbeiten von Lösungen
(Quelle: List 2010)
Auf Grundlage dieser Arbeiten sowie deren Ergebnisse ging es über zur Ein-
führungsphase.
2.2. Einführungsphase
In der Einführungsphase wurde die Definition der Abläufe abgestimmt, auf die
Struktur innerhalb des Unternehmens ausgerichtet und in einer Matrixform
festgelegt (siehe Abbildung 3). Wesentlich hierbei ist, dass jeder beim Wis-
sensmanagement „mit dabei ist“ und insbesondere der Leiter der Abteilung
(AL) die Wissenskultur aktiv unterstützt. Die Organisation der Rollen und Pro-
zesse baut auf der Problemerkennungsphase auf und besteht aus Mitarbei-
tern, welche die eigentliche Wissensaufbereitung sicherstellen und den Redak-
teuren (RD), welche dieses generierte Wissen plausibilisieren und auf Richtig-
keit und Aktualität überprüfen. Jeder Redakteur ist auch ein Autor. Der
„Kümmerer“ bei diesem Prozess ist der Wissensmanager (WM), er monitort
die Prozesse und greift steuernd in das Wissensmanagementsystem ein.
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Wissensmanagements als auch
die Abläufe und Rollen wurden festgelegt - doch all dies nützt nur bedingt,
wenn der Anreiz und die Motivation fehlen.
Für die Mitarbeiter die bereit sind, sowohl ihr eigenes Wissen an andere wei-
terzugeben als auch auf das Wissen anderer zurückzugreifen und diese anzu-
wenden, gilt es Anreize zu schaffen. Dies kann erreicht werden, indem solche
Mitarbeiter möglichst für alle sichtbar belohnt werden. Gleichzeitig sollen Ver-
Einführung einer Wissensmanagementplattform 37
haltensweisen, die auf der Einstellung „Wissen ist Macht“ basieren, mit Hilfe
negativer Anreize sanktioniert werden (Kilian/Krismer 2006: 35).
Abbildung 3: Rollenverteilung und Prozessverantwortung
(Quelle: Greiner 2010)
Voraussetzung hierfür ist die Messbarmachung der Beiträge aller Mitarbeiter
sowie eine klare Definition von Abläufen und Zuständigkeiten. Abbildung 3
zeigt die festgelegten Rollen und Prozessverantwortungen.
Mit dem Wissen, dass nicht jeder Mitarbeiter auf die gleichen Anreize an-
spricht wurden zwei Anreizsysteme eingeführt. Zum einen wurde ein Prämien-
system zur Erreichung von Wissenszielen in den Zielerreichungsverträgen be-
rücksichtigt, zum anderen eine Auszeichnung im Rahmen eines Abteilungs-
treffens. Dieses findet mit allen Mitarbeitern, welche mit dem Wissensmana-
gementsystem arbeiten, gemeinsam mit dem Wissensmanager und dem Lei-
ter der Abteilung statt.
Die Kombination von monetären und nicht monetären Anreizsystemen soll so
die Motivation von möglichst vielen Mitarbeitern sicherstellen.
2.3. Einführung der Plattform
Die Kommunikation und Ausrollung der Plattform ist jene Phase, in der das
System „zu leben beginnt“ und alle Betroffenen damit direkt konfrontiert wer-
den. Abbildung 4 zeigt die Plattform mit ihren Strukturen. Klare und transpa-
rente Informationen an alle stellen sicher, dass jeder die gleiche Information
hat und niemand einen Vor- oder Nachteil hat, bei diesem neuen System mit-
zuagieren und mitzuwirken. Da die Prozesse und Regeln im Vorfeld kommun-
38 Thomas Greiner
ziert wurden, konnten sich viele Benutzer gleich von Beginn an gut orientie-
ren.
Abbildung 4: Aufbau und Struktur der Plattform
(Quelle: Greiner 2010)
2.4. Erfahrungen/Erkenntnisse
Dieser Schritt dient dazu, durch aktives Einholen Nachbesserungen an den
Prozessen, den Funktionen und der Plattform selbst vorzunehmen.
In den ersten Wochen der aktiven Ausrollung der Plattform, wurden hierzu ei-
gene „Wissensmanagement-Sprechstunden“ eingeführt. Diese festgesetzten
Zeitfenster dienten dazu, Fragen, Anregungen und Hilfestellungen zu geben.
Besuchen konnte man diese Sprechstunden persönlich, per Videotelefonie o-
der auch per Telefon. Die Sprechstunde diente auch als Maßstab, die Akzep-
tanz der Wissensmanagementplattform zu messen, sowie Problemfelder früh-
zeitig zu detektieren.
3. Resümee
Wissensmanagement ist ein breites Schlagwort. Ein Begriff den jeder ver-
steht, aber die wenigsten auch im Sinne des "Wissens-Management" umset-
zen können. Technologische Entwicklungen sind eine große Unterstützung für
das Wissensmanagement, aber können immer nur ein Werkzeug sein. Die da-
hinterliegenden Prozesse und Kulturen kann keine Technologie ersetzen, diese
Einführung einer Wissensmanagementplattform 39
sind den Anforderungen entsprechend abzuleiten und einzuführen. Es ist der
Mensch, der das Wissen einbringt. Dafür gibt es wenige bekannte und be-
währte Methoden. Im Gegensatz zum Management, hier gibt es eine Vielzahl
von Möglichkeiten und Systemen. Managen kann man vieles. Wissen so be-
reitzustellen, damit andere einen Nutzen haben, ist bei weitem schwieriger.
Die Herausforderungen liegen im „Wollen und Tun“, Wissen preiszugeben und
eine Kultur zu schaffen, in der Wissensmanagement zum Alltag gehört. Der
Aufbau der beschriebenen Wissensmanagementplattform ist hier ein wesentli-
cher Beitrag.
Wesentlich ist bei einer Wissensmanagementplattform, dass sich einer darum
kümmern muss - der Wissensmanager. Der Erfolg hängt von „weichen Fakto-
ren“ ab und erst angewandtes Wissen bringt Mehrwert im Unternehmen.
Literatur
Lehner, F. (2009): Wissensmanagement, 3. Auflage
Zucker, B./Schmitz, Ch. (1994): Bedeutung des Wissens
Nonaka, I./Takeuchi, H. (1995): Die Organisation des Wissens
Kilian, D./Krismer, R./Loreck, S./Sagmeister, A. (2006): Wissensmanage-
ment, Werkzeuge für Praktiker
Greiner, T. (2010): Definition der Prozesse ASFINAG BMG (internes Arbeits-
papier)
List, R. (2010): Fragenkatalog Workshop ASFINAG BMG (internes Arbeitspa-
pier)
Wissensbarrieren mindern
Führungskräftekommunikation,
Psychologische Verträge und Leitbild
Ulf Hausmann, Ulf Hausmann CONSULTING
uh@ulfhausmann.de
Tabea Scheel
Arbeits- und Organisationspsychologin, Universität Wien
1 Einleitung
Heutzutage wollen Unternehmen immer effektiver mit der Ressource Wissen
umgehen, um Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu halten. Es sind häufig
„nur“ kleine Stolpersteine, die uns hindern Informationen effektiv zu nutzen
und Wissenspotentiale effektiv auszuschöpfen. Diese sog. Wissensbarrieren
sind vermeidbare Fehler im Umgang mit Informationen im Arbeitsalltag. Wir
beschreiben in unserem Beitrag, wie Führungskräfte im Rahmen des „High
Performance Work Systems“ (HPWS) Einflussgrößen auf Wissensbarrieren
nutzen können, um innerhalb ihrer Arbeitsgruppe bzw. ihrer Organisation
Wissenskultur, -prozesse und ein Umfeld für die Individuen zu schaffen, die
den hohen Anforderungen wissensintensiver Arbeit gerecht werden. In der
neueren Personalmanagementforschung hat sich das HPWS als Modell für leis-
tungsorientierte Personalführung in wissensintensiven Organisationen etab-
liert. Hintergrund unseres Beitrages ist zudem eine empirische Studie mit 570
Mitarbeiter(inne)n von Steuerberatungskanzleien. Hier wurden Zusammen-
hänge niedrig ausgeprägter Wissensbarrieren mit der vom Personal wahrge-
nommenen Qualität der Führungskommunikation, dem Status ihrer Psycholo-
gischen Verträge in der Arbeitsbeziehung, sowie dem Leitbild als Verständnis
über Strategie und Ziele der Organisation sowie die Identifikation damit, ge-
funden. Führungskräftekommunikationsqualität, Psychologische Verträge und
Leitbild sind daher effektive Ansatzpunkte für Personalmaßnahmen, um Wis-
sensbarrieren in Unternehmen entgegen zu wirken. Im Folgenden wird erst
ein kurzer Überblick über Wissensbarrieren und Ressourcen gegeben (aus-
führlich siehe Hausmann und Scholl 2013). Danach werden Maßnahmen des
Personalmanagements zur Vermeidung von Wissensbarrieren vorgestellt.
42 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
2 Wissensbarrieren und Ressourcen
Man spricht von Wissensbarrieren, wenn eine Kleinigkeit missverstanden wird,
eine Detailinformation nicht rechtzeitig ankommt, Misstrauen oder ein lern-
feindliches Umfeld bestehen oder klare Ziele fehlen. Dies sind alltägliche Vor-
kommnisse im normalen Arbeitsleben. Doch was beeinflusst diese Wissens-
barrieren, und was kann man in Unternehmen und Organisationen gezielt zu
ihrer Vermeidung oder Verminderung tun?
2.1 Studie: Ressourcen gegen Wissensbarrieren
Wissensbarrieren - auch Informationspathologien genannt - sind vermeidbare
Fehler und Unzulänglichkeiten im Umgang mit Wissen und Informationen im
Arbeitsalltag (Scholl 2004; Hopf 2009). Eine Wissensbarriere liegt vor, wenn
relevante Informationen nicht produziert, nicht beschafft, nicht gespeichert,
nicht (korrekt) übermittelt oder nicht (korrekt) verarbeitet werden, obwohl
dies eigentlich möglich wäre. In einer empirischen Untersuchung von Haus-
mann und Scholl (2013) wurden Wissensbarrieren auf den drei Ebenen Prob-
leme in der Wissenskultur, individuelle Defizite bei der Wissensverarbeitung
und organisationale Defizite erhoben - siehe Tabelle 1.
Probleme der Wissenskultur Individuelle Defizite bei der
Wissensverarbeitung Organisationale Defizite
Befangenheit
Wissensmanagementdefizite
Mangelnde Offenheit
Unzureichende Lernkultur
Misstrauen
Mangelhafte Darstellungen
Missverständnisse
Betriebsblindheit
Kommunikationsmängel
Mangelhafte Übergabepro-
zesse
Informationsverlust
Speicherungsprobleme
Tabelle 1: Einteilung von Wissensbarrieren
(Quelle: Hausmann und Scholl 2013)
Im Wechselspiel zwischen individuellem und kollektivem Wissen entstehen die
meisten Wissensbarrieren; ihre Vermeidung bringt beispielsweise höheren Er-
folg in Innovationsprojekten, wie Scholl (2004) in der Untersuchung von 42
Innovationsfällen zeigte. In wissensintensiven Unternehmen steht Wissen im
Kern des Leistungsprozesses. Es ist Input und Ergebnis der Wertschöpfung
zugleich, und für seine Verarbeitung sind die Fähigkeiten der Mitarbei-
ter/innen entscheidend: welche formellen (Schul- und Hochschul-)Ausbil-
dungen sie haben, und welche kontinuierlichen Weiterbildungen und prakti-
schen Erfahrungen durch „training on the job“. In allen wissensintensiven Be-
rufen – und das sind heute immer mehr – steigt die Komplexität und das De-
Wissensbarrieren mindern 43
tailwissen jeder/s einzelnen Mitarbeiterin/s; in gleichem Maße nimmt der (un-
terstellte) Wissensvorsprung von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbei-
ter(inne)n ab (Scholl et al. 2013). Hausmann und Scholl (2013) ermittelten
vier Ressourcen gegen Wissensbarrieren: Das Unternehmensleitbild, Innovati-
onsverpflichtungen und Erfüllung des Psychologischen Vertrags und die Quali-
tät der Kommunikation der Führungskräfte.
2.2 Führungskräftekommunikationsqualität
Im effektiven Umgang mit Wissen und Informationen ist die Kommunikation
zwischen den Führungskräften und den Mitarbeiter(inne)n zentral. Wie zweck-
dienlich diese Interaktion aus Sicht der Mitarbeiter/innen wahrgenommen und
als wie effektiv sie von diesen erlebt wird, wurde mittels einer Skala von acht
Fragen erfasst – wie beispielsweise („Mein/e Vorgesetzte/r…“) „gibt mir ge-
naue Rückmeldungen zu meiner Arbeit“, „formuliert schwierige Sachverhalte
verständlich“, „informiert mich bei wichtigen Sachen ausführlich“, „gibt mir
klare und verständliche Anweisungen“ und „lässt Mitarbeiter/innen ausreden“
(Mohr & Wolfram 2008). Hohe Führungskräftekommunikationsqualität zeich-
net sich demnach durch klare Anweisungen und Informationen, Rückmeldun-
gen zu Arbeitsergebnissen und ein generell "offenes Ohr für Mitarbeiter/innen"
aus. Mit der Minderung welcher Wissensbarrieren Führungskräftekommunika-
tionsqualität zusammen hängt, zeigt Tabelle 2.
Probleme der Wissenskultur Individuelle Defizite bei der
Wissensverarbeitung Organisationale Defizite
Führungskräftekommunikationsqualität:
Befangenheit
Wissensmanagementdefizite
Unzureichende Lernkultur
Betriebsblindheit Kommunikationsmängel
Mangelhafte Übergabeprozesse
Psychologischer Vertrag - Verpflichtung zu Innovation:
Wissensmanagementdefizite
Mangelnde Offenheit
Speicherungsprobleme
Erfüllung des Psychologischen Vertrages:
Befangenheit
Misstrauen
Betriebsblindheit
Leitbild:
Wissensmanagementdefizite
Missverständnisse
Mangelhafte Übergabeprozesse
Informationsverlust
Tabelle 2: Zusammenhang einzelner Wissensbarrieren und Ressourcen.
(Quelle: In Anlehnung an Hausmann und Scholl 2013)
44 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
2.3 Der Psychologische Vertrag zwischen Unternehmen
und Beschäftigten
Psychologische Verträge sind wahrgenommene, gegenseitige Versprechen und
Verpflichtungen zwischen Mitarbeiter(inne)n und deren Organisationen
(Schalk et al. 2010: 90). Sie sind wichtig für die Gestaltung von Arbeitsbezie-
hungen, für die Motivation von Mitarbeiter(inne)n, ihre Leistungsfähigkeit und
um ihre Loyalität sowie Verbundenheit mit der Organisation und deren Zielen
zu erreichen. Beschäftigte erwidern die Art, wie sie behandelt werden, auf Ba-
sis ihrer Bewertung des Status des Psychologischen Vertrages. Die wahrge-
nommenen eigenen Beiträge (Ausbildung, Erfahrung, Zeit, Aufmerksamkeit,
Fähigkeiten und Engagement) werden den wahrgenommenen Beiträgen der
Organisation (Status, Anerkennung, Aufstiegsmöglichkeiten, Bezahlung und
Zusatzleistungen, unterstützendes Klima) gegenübergestellt. Wird Ungleich-
heit im Beziehungsaustausch wahrgenommen, wird versucht wieder Ausgleich
herzustellen. Erfüllte Psychologische Verträge werden als Voraussetzung bei-
spielsweise für den Wissensaustausch innerhalb von Organisationen gesehen
(z. B. Hislop 2003) oder die Bereitschaft von Mitarbeiter(inne)n angesehen,
das Unternehmen mit einzigartigen Ideen und kreativen Vorschlägen zu un-
terstützen (Ramamoorthy et al. 2005) (Selbstverpflichtung der Mitarbei-
ter/innen zu Innovation). Tabelle 2 zeigt diejenigen Wissensbarrieren, die
durch Psychologische Verträge – Erfüllung sowie Selbstverpflichtung der Mit-
arbeiter/innen zu Innovation – verringert werden.
2.4 Leitbild
Ein funktionierendes – also vor allem mit Kopf und Herz gelebtes – Leitbild
umfasst das Verständnis und die Identifikation der Belegschaft mit den Zielen,
Strategien und Werten einer Organisation. Wo selbständiges Arbeiten, wenig
Standardlösungen, Entscheidungen vor Ort – beispielsweise bei Kund(inn)en
oder in Projektteams – notwendig sind, hilft ein Leitbild Wege zu finden. Ein
klares Verständnis darüber, wie das Unternehmen in Zukunft aussehen soll
und welche Werte täglich ohne Wenn und Aber gelebt werden, ist die Orien-
tierungshilfe, die Mitarbeiter/innen bei eigenen kurzfristigen Entscheidungen
ohne gegebene Standardprozeduren unterstützt. Ein Leitbild gibt somit nicht
nur die Richtung vor, sondern legt über die Ziele auch Leistungserwartungen
für aktuelle Aufgaben nahe und ermöglicht das Priorisieren der aktuell anfal-
lenden Arbeit (Hausmann und Scholl 2013). In Tabelle 2 finden sich die ein-
zelnen Wissensbarrieren, die durch das Leitbild abgebaut werden können.
Fazit: Als Ausdruck der Arbeitsbeziehung haben Psychologische Verträge na-
turgemäß mehr Auswirkungen im Bereich (der Probleme) der Wissenskultur,
v.a. Misstrauen und Befangenheit sind typisch bei nicht erfüllten Psychologi-
Wissensbarrieren mindern 45
schen Verträgen. Während die individuellen Defizite bei der Wissensverarbei-
tung, d.h. Missverständnisse und Betriebsblindheit, mit allen drei Ressourcen
zusammenhängen, sind organisationale Defizite besonders vom Leitbild und
der Kommunikation der Führungskräfte beeinflusst. Interessanterweise hän-
gen Defizite im Wissensmanagement (Bereich Wissenskultur) von allen drei
Ressourcen ab – denn hier geht es um Fragen wie „Mein Chef geht beim Wis-
sensmanagement mit gutem Beispiel voran und lebt es uns vor“, „Bei uns
wird man dafür belohnt, sich in Sachen Wissensmanagement zu engagieren“
und "Mir ist klar, wie unsere Wissensmanagementziele an die Unternehmens-
ziele gekoppelt sind" (Hausmann und Scholl 2013).
3 High Performance Work System
Das HPWS hat sich aus der empirischen Personalforschung der 90er Jahre
entwickelt. Mit ihm wird insbesondere in wissensintensiven Arbeitsumfeldern
leistungsorientierte Personalpolitik auf ihre Erfolgswirkung hin untersucht. Es
geht von der Annahme aus, dass Personalmanagement insbesondere Beiträge
zum ökonomischen Unternehmenserfolg leistet, wenn besonders leistungsbe-
reite und -fähige Mitarbeiter/innen rekrutiert werden und Arbeitsbedingungen
geschaffen werden, die die Belegschaft zu Leistung befähigen und motivieren.
Elemente des HPWS werden als zentral für intrinsische bzw. extrinsische Moti-
vation eingeteilt (Tabelle 3). Maßnahmen, die allein auf extrinsische Motivati-
on abzielen, zeigen meist keine belegbaren Zusammenhänge mit dem Unter-
nehmenserfolg (vgl. z.B. Gmürr et al. 2010). Die vier intrinsisch motivieren-
den Elemente des HPWS sind deshalb folgend der Rahmen, praktische Maß-
nahmen zur Verbesserung von Führungskräftekommunikationsqualität, Leit-
bild und Psychologischen Verträgen einzuordnen.
HPWS-Elemente, welche die
intrinsische Motivation stärken HPWS-Elemente, die extrinsische Mo-
tivation stärken
• Optimaler Fit von Person und Position
durch hohen Rekrutierungsaufwand
• Integration durch Einführungspro-
gramme
• Wertschätzung, Feedback, Informati-
on, Partizipation
• Entwicklungsmöglichkeiten durch eine
Förderung des Wissensaustau-
sches/Weiterbildungsangebote
• Aufstiegsmöglichkeiten sind abhängig
von wirtschaftlichen Erfolgsbeiträgen
• Verhaltenssteuerung durch leistungs-
abhängige Vergütung
Tabelle 3: Das Konstrukt des HPWS
(Quelle: Gmürr et al. 2010)
46 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
3.1 Optimaler Fit von Person und Position durch hohen
Rekrutierungsaufwand
Die Wahrnehmung der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen einerseits und
die „Benefits“ aus ihrer Arbeitsbeziehung andererseits (Psychologische Verträ-
ge) entstehen bereits vor der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses, und werden
vor allem in der ersten Phase stark geprägt. Das Leitbild kann auch die At-
traktivität des Unternehmens für potentielle Bewerber/innen bestimmen und
wird im Bewerbungsverfahren transportiert. Die Qualität der Führungskräfte-
kommunikation wird v.a. im Bewerbungsgespräch zum Tragen kommen.
Die Grundlage dafür, dass neueingestellte Mitarbeiter/innen zum Unterneh-
men passen, wird auch schon mit der Personalsuche gelegt; denn schon die
Methoden, wie neues Personal gesucht wird, sind eine erste Vorauswahl:
• Wird für Stellenbesetzung sowohl intern als auch extern gesucht?
• Werden schon bei der Personalsuche Kontakte und Netzwerke der Mitar-
beiter/innen genutzt?
• Wird auf unpersönliches Personalmarketing (Anzeigen, online) gesetzt?
• Werden verstärkt persönliche Wege der Personalsuche (z.B. Netzwerke
des Unternehmens, Kontakte zu) genutzt?
• Werden Headhunter eingesetzt?
Je mehr über persönliche und vor allem Netzwerke der vorhandenen Mitarbei-
ter/innen gegangen wird, um so eher passen die neuen Mitarbeiter/innen in
das Teamgefüge (Behrends/Wilkens 2005). Die Suche nach neuen Mitarbei-
ter/innen außerhalb vorhandener Netzwerke birgt den Vorteil, Personen mit
anderen Hintergründen, Erfahrungen und Sichtweisen in das Team zu holen,
was bereichernd und ein probates Mittel gegen Betriebsblindheit sein kann.
Aufwand lohnt sich auch bei der Beurteilung des neuen Personals, mehrere
Gespräche oder andere Auswahlverfahren wie Arbeitsproben geben die Mög-
lichkeit, potenzielle neue Mitarbeiter/innen nach verschiedenen, vorher gut
bedachten Kriterien zu beurteilen und eine Entscheidung zu treffen.
Genauso wichtig wie positive Kriterien sind auch Kriterien von „no go´s“ – mit
welchen Personen wollen wir nicht in unserem Team arbeiten. Es ist zwar sel-
ten, aber dann besonders wichtig, wenn sich ein neuer Mitarbeiter/in in der
Probephase als nicht zum Team und den Werten (Leitbild) des Unternehmens
passend erweist, sich wieder zu trennen. Darüber muss vor dem Einstellungs-
prozess Klarheit herrschen, denn sonst ist eine Entscheidung, sich von Mitar-
beiter(inne)n zu trennen, die man gerade mühsam geworben hat, schwer um-
zusetzen. Häufig ist hier die Meinung auf Ebene der Mitarbeiter/innen wichti-
Wissensbarrieren mindern 47
ger als die der Vorgesetzten – denn sie müssen ja täglich mit der/m neuen
Kollegen/in effektiv arbeiten können.
3.2 Unterstützung der Integration durch Einführungspro-
gramme
Damit Mitarbeiter/innen besser und aus Eigeninitiative heraus mit Informatio-
nen und Wissen umgehen, müssen sie mehr einbezogen werden und mehr
Verantwortung bekommen (Scholl et al. 2013). Das HPWS zielt genau darauf
ab, und nach der wichtigen Phase der Auswahl schließt sich die Einarbeitungs-
phase an. Neue Mitarbeiter/innen lernen hier ihre neue Arbeitsumgebung
kennen, wie die neuen Kollegen/-innen und Vorgesetzte „ticken“, was im Un-
ternehmen bzw. der Arbeitsgruppe üblich ist, was erwartet wird und was man
erwarten kann. Führungskräfte stehen hier im besonderen Augenmerk - sie
sind besonders wichtig für die Orientierung und Eingliederung. „Keine zweite
Chance für den ersten Eindruck“ – dieser Leitsatz gilt hier besonders, und in
dieser Phase sind die oben vorgestellten Ressourcen gegen Wissensbarrie-
ren – Leitbild, Führungskräftekommunikation und Psychologische Verträge –
relevant. Werden diese berücksichtigt, liegt hier die Chance, gute Grundlagen
für effektives Arbeiten in einem anspruchsvollen und wissensintensiven Ar-
beitsumfeld zu legen.
In der Praxis wird die Bedeutung der Einarbeitungsphase gerade in kleineren
Unternehmen unterschätzt – hier fehlt es häufig an handfesten, einfachen und
übersichtlichen Informationen, die üblicherweise in ein gut gepflegtes Mitar-
beiterhandbuch gehören: Regelungen zu Arbeits- und Urlaubszeit, Fortbil-
dungsmöglichkeiten, regelmäßige Team- und Mitarbeiterbesprechungen etc.
Optimal sind – mehr oder weniger standardisierte – Einführungsprogramme
für neue Mitarbeiter/innen. Diese beinhalten neben nötigen Informationen
zum Arbeitsumfeld auch regelmäßige Gespräche mit Vorgesetzten und im
Team. Das gibt den nötigen Raum für Fragen und Feedback, denn vielfach
haben neue Mitarbeiter/innen Fragen, auf die die „alten Hasen“ nicht kommen
würden, weil „es doch eh klar ist!“ wie es hier läuft. Je dichter die Kommuni-
kation in der ersten Phase ist, um so schneller kann sich ein/e neue/r Mitar-
beiter/in in ein neues Arbeitsumfeld einfinden, auch wenn es komplex ist. Be-
währt haben sich deshalb „Patensysteme“. Ein Pate oder eine Patin sind „täg-
liche/r Begleiter/in“ für die ersten Wochen oder Monate, der oder die für alle
Fragen über und rund um die Arbeit des/der neuen Kollegen/in zur Verfügung
steht.
Neben schnellerem Einfinden in das neue Arbeitsumfeld, besserem Umgang
mit dem Wissen im Unternehmen und flüssigerem Übergang zur Routine, be-
wirkt ein gutes Einführungsprogramm eine höhere Wertschätzung und Motiva-
48 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
tion für neue Mitarbeiter/innen, gibt ihnen die Möglichkeit schneller effektiv zu
arbeiten und sie können sich besser orientieren. Die Führungskommunikation
lässt Vertrauen entstehen und bildet eine wichtige Grundlage für zukünftiges
Zusammenarbeiten und damit für die Wissenskultur. Innerhalb der Psycholo-
gischen Verträge bilden sich realistische Wahrnehmungen, die sich daher
leichter erfüllen, so sinkt mittelbar auch die Kündigungsrate.
Elemente eines guten Einführungsprogrammes:
• funktionierendes und eingerichtetes Arbeitsequipment am 1. Tag (Telefon,
Computer, Email, Visitenkarte, Schlüssel, ...)
• Mitarbeiterhandbuch (Arbeitszeitregelung, Verwaltungsfragen, Who is who
Team, Organigramm, Vision/Werte/Leitbilder, Ziele, interne Kommunikati-
on ...)
• persönliches Willkommen im Team
• Pate für die ersten Wochen/Monate
• regelmäßige Feedbackgespräche mit Vorgesetzten
3.3 Wertschätzung durch Feedback, Information und Par-
tizipation
Erst im Arbeitsalltag zeigt sich, wie das im Mitarbeiterhandbuch aufgeschrie-
bene Leitbild gelebt wird. Wie Vorgesetzte in jedem persönlichen Gespräch, in
Teamsitzungen, bei der Delegation von Aufgaben und im Feedback an ihr
Team Bezug auf Werte und langfristige Entwicklungen im Unternehmen neh-
men, bestimmt darüber, wie sich Mitarbeiter/innen wertgeschätzt fühlen und
mit dem Unternehmen und seinen Zielen identifizieren – mehr als alle QM-
Systeme, Tools und Checklisten das könnten. Wegen der Bedeutsamkeit ihrer
persönlichen Kommunikation sollten Führungskräfte ihre Kommunikations-
und Führungskompetenz kritisch reflektieren und regelmäßig entwickeln, z. B.
in Trainings, Workshops und Coachings. Umfragen bescheinigen hier deut-
schen Führungskräften meist schlechte Zeugnisse (z.B. FAZ 2012). Über Mit-
arbeiterfeedbacks können sie sich regelmäßig vom Team einschätzen lassen,
um so besser an blinden Flecken arbeiten zu können. Zudem gilt: Nur wenn
die notwendigen Informationen vorhanden sind, können sie Verantwortung
übernehmen und effektiv arbeiten. In für ihre Arbeit relevanten Teilbereichen
haben Mitarbeiter/innen meist mehr Detailwissen als ihre Vorgesetzten. Auch
aus Gründen der Motivation und Identifizierung mit internen Kommunikati-
onsmaßnahmen sollten Mitarbeiter/innen bei der Erarbeitung und bei der Um-
setzung beteiligt sein, Mitspracherecht haben, Ideen einbringen und maßgeb-
lich selbst mit umsetzen. Das Ergebnis eines solchen Entwicklungsprozesses
Wissensbarrieren mindern 49
können folgende drei Methoden sein, die sich in großen und kleinen Teams
bewährt haben (vgl. Lami 2006):
Interner Newsletter/Intranet/Wandzeitung:
• sollte regelmäßig erscheinen
• ein/e Mitarbeiter/in (ggf. rotierend) ist für die Erstellung verantwortlich
• Inhalte in gleich bleibender Struktur, ggf. in verschiedenen Medien
Regeln für Teamsitzungen:
Persönliche Besprechungen sind das wichtigste Informationsmittel. Um effek-
tiv Informationen und Wissen zu übermitteln, muss hier eine Gratwanderung
von zu viel und zu lange und zu wenig und zu kurz getroffen werden. Wichtig
ist es, eine Besprechungskultur mit Regeln zu etablieren, die alle Beteiligten
die Zeit produktiv nutzen lässt, wie beispielsweise folgende:
Besprechungen...
• beginnen pünktlich, zu spät kommen wird nicht akzeptiert,
• werden professionell mit einer Tagesordnung vorbereitet,
• werden angemessen protokolliert und nachbereitet.
Raum für informelle Kommunikation:
Die Bedeutung informeller Kommunikation ist kaum zu überschätzen. Neben
dem effektiven Informationsaustausch auf dem Flur, an der Kaffeemaschine
oder an eigens dafür bereit gestellten Stehtischen ist das persönliche Ge-
spräch mit einem/er Kollegen/in manchmal nicht nur für schnelle Informatio-
nen, sondern auch für die Motivation wichtig. Das zeigen Studien eines ameri-
kanischen Beratungsunternehmens, das Kommunikationsstrukturen mittels
Aufzeichnung von Kommunikationswegen, -haltung und Stimmung von Mitar-
beiter/innen erfasst. So wurden bspw. Teammitglieder identifiziert, die durch
ihre Gespräche mit Kolleg(inn)en deren Motivation und Arbeitsleistung stei-
gern (Kucklick 2013). Für Gelegenheiten zu solch informeller Kommunikation
muss Raum geschaffen werden, dann lassen sich Wissensbarrieren deutlich
vermindern.
Mitarbeitersitzungen mal anders:
Gerade wenn Teams wachsen stellt sich die Frage, wie oft man alle zusam-
menholt und persönlich in der großen Runde informiert. Droht die Gefahr,
dass durch Rückfragen die Zeit ausufert, können Führungskräfte auch zu ein-
fachen Informationsrunden zusammenrufen, in denen sie lediglich von sich
aus informieren, Rückfragen dann aber persönlich, einzeln oder per Email er-
50 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
folgen sollten. Das hält die Besprechungszeit kurz, ist dennoch persönlicher
als eine Rundmail. In kleineren Teams haben sich als straffe Form für Sitzun-
gen solche im „Redaktionskonferenzstil“ als vorteilhaft erwiesen: Straff mode-
riert, Platz für Brainstorming und Ideen, klare und schnelle Aufgabenvertei-
lung, kein Raum für lange Ausführungen, sofortige Visualisierung am Flip-
chart. Wenn Vorgesetzte dies ernst nehmen, werden diese gemeinsamen Sit-
zungen effektiv zur Senkung von Wissensbarrieren beitragen – nicht zuletzt,
weil sich eine gemeinsame Wissenskultur nur gemeinsam entwickeln kann.
3.4 Entwicklungsmöglichkeiten durch eine Förderung des
Wissensaustausches sowie Weiterbildungsangebote
Häufig wird betont, wie stark Unternehmen gerade von hoch qualifizierten
Mitarbeiter(inne)n abhängig sind. Es gibt sehr gute Mechanismen, diese Mit-
arbeiter/innen zu binden und so als Wissensressource zu erhalten (vgl. Mintz-
berg 1983, 195-205):
• gute Karriereaussichten
• attraktive Arbeitsstrukturen, in denen normative Strukturen (geprägt von
Leitbildern) bürokratische Strukturen überwiegen
• Ressourcen und Unterstützungsabteilungen
• Möglichkeit, von Kolleg(inne)n zu lernen, intensiver Austausch
• durch die Organisationsstruktur immanenter Wissenstransfer
• Bedürfnis an der Orientierung an gleichgesinnten Kollegen/-innen
Je höher qualifiziert Mitarbeiter/innen sind, um so höher ist das Bedürfnis
nach konsequenter Weiterentwicklung von Fach-, Methoden-, Sozial- und
Selbstkompetenz. Durch herausfordernde, anspruchsvolle und interessante
Arbeit, Fort- und Weiterbildungsprogramme und durch den Austausch mit Kol-
leg(inne)n kann das im Unternehmen gewährleistet werden. Mit dieser Ent-
wicklung sind Karrierechancen verbunden – etwa durch klassische Formen wie
Aufgabenerweiterungen (Job Enlargement), Arbeitsplatzwechsel (Job Rotati-
on), Arbeitsanreicherung (verschiedenartige Aufgaben; Job Enrichment). Sind
diese Arbeitsgestaltungselemente gut in die Organisationstruktur und -kultur
eingebunden, erhalten Mitarbeiter/innen dadurch auch mehr Eigenverantwor-
tung und Kompetenzen, und können Informationen und Wissen eigenverant-
wortlich und schneller produzieren, übermitteln und anwenden (vgl. Scholl et.
al. 2013). Auch die Möglichkeiten zu gegenseitiger Vertretung im Urlaubs- und
Krankheitsfall werden dadurch erleichtert.
Wissensbarrieren mindern 51
Für die Verminderung von Wissensbarrieren ist dabei ein unternehmens-
kultureller Aspekt besonders bedeutsam: Vertrauen ist eine entscheidende
Grundlage für die Bereitschaft von Mitarbeiter(inne)n, innerhalb der Organisa-
tion offen mit Wissen umzugehen. Intakte Psychologische Verträge (Flood et
al. 2001) sind dafür ebenso Voraussetzung, wie die positive Erfahrung und
das Erleben von Mitarbeiter/innen, dass Wissen und Erfahrungen ohne Egois-
men im Unternehmen ausgetauscht werden (Robertson und O´Malley Ham-
mersley 2000). Das wiederum steigert die eigene Bereitschaft und Motivation,
sich am internen Wissensaustausch und der Wissensentwicklung zu beteili-
gen; wenn das Gegenteil der Fall ist, sind entsprechende Wissensbarrieren
stärker ausgeprägt und bremsen Innovationsfähigkeit und den Informations-
fluss aus.
Während Qualität der Führungskräftekommunikation und Leitbild hier nur mit-
telbar wirken, sind Psychologische Verträge für Arbeitsgestaltung und Weiter-
bildung zentral. Die eigenen Verpflichtungen zu innovativen Beiträgen können
sich erhöhen durch entsprechende Arbeitsgestaltung, und Weiterbildung wird
häufig als Verpflichtung der Organisation wahrgenommen. Die Folge können
beidseitig als erfüllt wahrgenommene Psychologische Verträge sein – wovon
wieder die Wissenskultur im Unternehmen profitiert.
4 Fazit
Wenn Wissen für die Leistungsfähigkeit der Organisation wichtiger wird, müs-
sen die Träger des Wissens in den Fokus der Führungsbemühungen des Un-
ternehmens rücken. Aus gesammelten Informationen entsteht nicht automa-
tisch Wissen: Wissen lässt sich nicht kommandieren (Scholl et. al. 2013). Wis-
sensbarrieren sind eine Gefahr für den Unternehmenserfolg – die drei vorge-
stellten Ressourcen sind kostengünstige und dabei sehr effiziente Mittel, die
Wissensaustausch und -kultur (Leitbild) fördern, zudem Fluktuation senken
und Commitment der Mitarbeiter/innen stärken (Psychologische Verträge;
Zhao et al. 2007).
Partizipieren Mitarbeiter/innen an der Verbesserung in den Wissensprozessen,
wirkt das zugleich motivierend und steigert auch deren Engagement in der
Umsetzung. Die auf die intrinsische Motivation fokussierenden Elemente des
HPWS liefern für ein leistungsorientiertes Personalmanagement einen prakti-
kablen Rahmen – und somit auch die Grundlage für die kontinuierliche Arbeit
an der Verminderung von Wissensbarrieren.
52 Ulf Hausmann, Tabea Scheel
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Strukturierter Wissenstransfer
beim Erwerb von externem Know-how
Work-Life Achievements Debriefing in 30 Tagen
Mike Heininger, Simone Fankhauser, Robert Breyner
wissen.io, RHI AG
mh@wissen.io, sf@wissen.io, robert.breyner@gmail.com
1. Anwendungsfall
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit einem Anwendungsfall zum
strukturierten Wissenstransfer im Rahmen des Erwerbs von externem Know-
how in der Form von mehreren Patentportfolios am Beispiel der RHI AG.
Ziel war es – neben dokumentiertem Wissen und Wissensobjekten – das im-
plizite Erfahrungswissen aus 15 Jahren Forschungsarbeit zu transferieren. Im
zeitlichen Rahmen von 30 Arbeitstagen sollte ein “One-To-Many” Transfer von
einem externen Experten auf ein Team von mehreren RHI-Mitarbeitern erfol-
gen.
Der externe Experte übertrug dabei sein Lebenswerk: Nicht die Resultate le-
diglich eines einzelnen Projektes, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen –
positiven wie negativen – Forschungsergebnissen aus mehreren Technologie-
bereichen galt es seinerseits an RHI-Mitarbeiter zu transferieren. Unterdessen
sollte beim Auftraggeber RHI nicht zuletzt ein umfassendes Verständnis für
die vom Experten gewählten Forschungswege samt entsprechender Hinter-
grundinformationen entstehen.
Der Wissenstransferprozess wurde Ende 2011 erarbeitet und ab Frühjahr
2012 über 15 Monate hinweg umgesetzt.
56 Mike Heininger, Simone Fankhauser, Robert Breyner
2. Wissenstransfer
2.1. Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi
Die Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi (1995) basiert auf der Unter-
scheidung von implizitem und explizitem Wissen. Es geht dabei um die “Inter-
aktion zwischen implizitem und explizitem Wissen” und der ontologischen
Ebene der Wissensentwicklung (Mittelmann 2001).
Abbildung 1: Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi
Grob gesagt wird implizites Wissen durch Sozialisation weitergegeben. Dieses
kann durch Artikulation expliziert werden und durch Kombination erweitert
werden. Im letzten Schritt der Internalisierung wird Wissen im neuen Wis-
sensträger wieder implizit.
Der hier vorgestellte Wissenstransfer behandelt die Quadranten Artikulation
und Kombination. Für eine Sozialisation müsste der externe Experte aktiv bei
RHI involviert werden und eine regelmäßige Zusammenarbeit stattfinden. Die
Internalisierung findet nach dem Transfer im Alltag statt.
2.2. Rahmenbedingungen
Wissenstransfer ist ein Prozess, der zwischen Wissensträgern und -gebieten
sowie Kompetenzen stattfindet. Um einen Verlust des Wissens beim Abgang
eines Wissensträgers zu vermeiden, muss das Wissen dokumentiert werden.
Ein Wissenstransfer gilt dann als erfolgreich, wenn diese Dokumentation er-
Strukturierter Wissenstransfer beim Erwerb von externem Know-how 57
folgt ist und das Wissen beim neuen Wissensträger effektiv genutzt werden
kann.
Optimale Rahmenbedingungen für den Wissenstransfer-Prozess (vgl. auch
Wissensmanagement Forum 2007) sind gegeben wenn:
• ein Prozessverantwortlicher definiert wurde,
• die Rahmenbedingungen festhalten wurden (Budget, Zeitressourcen, örtli-
che Ressourcen, externe Begleitung etc.),
• Absorptionsvermögen beim Wissensempfänger aufgebaut wurde,
•