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Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug – Zu Viktimisierungs-und Tätererfahrungen junger Strafgefangener

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Abstract

Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor ,über das bereits in Heft 2/2011 (S. 133 –146) berichtet wurde. Im Jugendstrafvollzug ist danach die Zahl der Gefangenen, die angeben, selbst Gewalt gegen andere Gefangene ausgeübt bzw. solche Gewalt erlitten zu haben, beträchtlich. Dabei überschneiden sich die Gruppen von Tätern und Opfern weitgehend. Bloße Täter bzw.Opfer stellen eine Minderheit dar. Die verschiedenen Gruppen sind durch Einstellungsunterschiede gekennzeichnet. Stark ausgeprägt ist die Gewaltakzeptanz u .a. in der Gruppe der Täter/Opfer; dort finden sich auch vermehrt negative Einstellungen gegenüber Opfern. Im Längsschnitt zeigt sich, dass unter den Gruppen Fluktuation herrscht und die Gefangenen nicht selten in eine Gruppe mit starker Gewaltausübung wechseln. Die Ergebnisse sprechen für einen Prozess der Anpassung an die Gefangenensubkultur und ihre gewaltlegitimierenden Normen. Interventions-und Präventionsmaßnahmen müssen berücksichtigen, dass die meisten Gefangenen Täter und Opfer von Gewalt sind.
Bewährungshilfe –Soziales •Strafrecht •Kriminalpolitik
Jg. 60, 2013, Heft 1, S. 20–38
©Forum Verlag GodesbergGmbH
Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug –
Zu Viktimisierungs-und Tätererfahrungenjunger
Strafgefangener
JENNY HÄUFLE•HOLGER SCHMIDT •FRANK NEUBACHER
Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vorber das bereits in
Heft 2/2011 (S. 133–146) berichtet wurde. Im Jugendstrafvollzug ist danach die Zahl
der Gefangenen, die angeben, selbst Gewalt gegen andereGefangene ausgeübt bzw.
solche Gewalt erlitten zu haben, beträchtlich. Dabei überschneiden sich die Gruppen
von Täternund Opfernweitgehend. Bloße Täter bzw.Opfer stellen eine Minderheit dar.
Die verschiedenenGruppen sind durch Einstellungsunterschiede gekennzeichnet.
Stark ausgeprägt ist die Gewaltakzeptanzu.a.inder Gruppe der Täter/Opfer; dort
finden sich auch vermehrt negative Einstellungen gegenüber Opfern. Im Längsschnitt
zeigt sich, dass unter den Gruppen Fluktuation herrscht und die Gefangenen nicht
selten in eine Gruppe mit starker Gewaltausübung wechseln. Die Ergebnisse sprechen
für einen Prozess der Anpassung an die Gefangenensubkultur und ihregewaltlegiti-
mierenden Normen. Interventions- und Präventionsmaßnahmen müssen berücksichti-
gen, dass die meisten Gefangenen Täter und Opfer von Gewalt sind.
1. Einleitung
Aus der nationalen und internationalen
Forschung ist bekannt, dass Opfer von
Gewalttaten eine erhöhte Wahrscheinlich-
keit aufweisen, selbst Gewalt auszuüben
(vgl. Bundesministerium des Inneren/Bun-
desministerium der Justiz, 2001: 497; De-
Lisi et al., 2009; Kury &Smartt, 2002: 326;
Krischer &Sevecke, 2008; Pfeiffer &Wet-
zels, 1999: 11). Im „Kreislauf der Gewalt“
(Walter &Neubacher,2011: 350) ist auch
zu beobachten, dass –inumgekehrter
Richtung –Täter zu Opfer werden. Das gilt
für den Strafvollzug in besonderem Maße,
selbst wenn es „ungewohnt“ sein mag,
verurteilte Gewalttäter ihrerseits (auch) als
Opfer von Gewalthandlungen wahrzuneh-
men (Kury &Smartt, 2002: 325). Das Ge-
fängnis ist jedoch in mehrfacher Hinsicht
ein Schauplatz der Gewalt. Zunächst ist es
gleichsamStein gewordener Zwang, weil
der Staat hier in Form der Freiheitsentzie-
hung seine Macht demonstriert und exer-
ziert. Außerdem kann die Möglichkeit von
Gewalt durch die Gefangenen selbst Rea-
lität werden. Denn weit mehr als die Hälfte
der Gefangenen wirdwegen Gewaltdelik-
ten verurteilt. Gewalt ist ein verfestigter
Bestandteil der Gefangenensubkultur,in
der viele Gefangene auf diese als Mittel
zur Durchsetzung ihrer Ziele zurückgreifen
und nicht wenige viktimisiert werden (vgl.
Neubacher,2008; J. Walter,2011: 104).
20 BewHi 1/2013
Der Forschungsstand wirdimGanzen
zwar als „dürftig“ bezeichnet (Goerdeler
2012: 451), doch gilt als sicher,dass Ge-
walt unter Gefangenen besonders im Ju-
gendstrafvollzug vorkommt, dass sie in
erster Linie die Form von Nötigungen, Be-
leidigungen und situationsbedingten Kör-
perverletzungen annimmt und dass eine
gemeinschaftliche Unterbringung das Ri-
siko körperlicher Angriffe erhöht (vgl. auch
Heinrich, 2002; Hinz &Hartenstein, 2010;
Neubacher,Oelsner,Boxberg&Schmidt,
2011; Wirth, 2006). In einer schriftlichen
Befragung in 33 deutschen Justizvoll-
zugsanstalten, die Teile des Jugendstraf-
vollzugs einbezog (Bieneck &Pfeiffer
2012: 11), gaben 49% der Jugendstrafge-
fangenen an, in den letzten vier Wochen
physisch viktimisiert worden zu sein1,7%
antworteten, Opfer sexueller Gewalt ge-
worden zu sein. In jüngst veröffentlichten
Daten, die 2008/2009 im Rahmen des
„National Survey of Youth in Custody“ un-
ter Federführung des Bureau of Justice
Statistics in 195 nordamerikanischen Ju-
gendanstalten erhoben wurden (s. Witt-
mann, 2012: 287), berichten indes nur
knapp 3% der Jugendstrafgefangenen
von nicht einvernehmlichen sexuellen
Handlungen oder Kontakten mit anderen
Gefangenen. Häufig werden Übergriffe
nicht gemeldet: In der Studie von Bieneck
&Pfeiffer (2012: 18, 20) verzichtete rund
ein Drittel der Jugendstrafgefangenen
darauf, erlittene physische bzw.sexuelle
Übergriffe zu melden –überwiegend aus
Angst vor weiteren Attacken bzw.umnicht
als „Zinker“ dazustehen. Die Größenord-
nungen der angegebenen Viktimisie-
rungserfahrungen entsprechen weitge-
hend der internationalen Datenlage (vgl.
u. a. Bieneck &Pfeiffer,2012: 31; Ireland,
2000, 2012; Kury &Smartt, 2002; Maitland
&Sluder,1998; Wolff, Blitz, Shi, Siegel, &
Bachman, 2007), wobei durchgehend be-
richtet wird, dass psychische Gewalt am
häufigsten, sexuelle Gewalt am seltensten
vorkommt.
Der Jugendstrafvollzug scheint sich
nach alledem in einer Kulisse der Gewalt
abzuspielen, die einschüchtert. Das ist ein
Problem, weil sie die Behandlungsan-
strengungen des Vollzugs konterkariert
und weil es dem Staat nicht gleichgültig
sein kann, dass junge Menschen in sei-
nem Gewahrsam mitunter drangsaliert
werden. Darüber hinaus ist zu berück-
sichtigen, dass die Gefangenen häufig aus
einem Milieu stammen, in dem sie zum Teil
ausgeprägte Gewalterfahrungen gesam-
melt haben. Wie muss die erneute Kon-
frontation mit Gewalt im Strafvollzug auf
diese Menschen wirken? Sollte deshalb
nicht auch in diesem Zusammenhang
Opferschutz und opferbezogene Vollzugs-
gestaltung ein Thema sein? Diese Frage
scheint sich von selbst zu beantworten,
wenn man sich das Ausmaß der Über-
schneidung von Täter-und Opfergruppen
vergegenwärtigt. Die dichotome Gegen-
überstellung von Täternund Opfern, wie
sie teilweise selbst in den Gefangenenper-
sonalakten im Vollzug vorzufinden ist, ver-
stellt jedenfalls den Blick auf die Verhält-
nisse im Jugendstrafvollzug, von denen im
Folgenden die Rede sein wird.
Der vorliegende Beitrag soll das Aus-
maß an Viktimisierungen im Jugendstraf-
vollzug aufzeigen und den Fokus auf jene
Täter richten, die Opfer werden oder es
früher schon waren. Anhand von Befun-
den zu den Einstellungen von Inhaftierten
wirberprüft, inwieweit die Zuordnung
Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
BewHi 1/2013 21
1Allerdings umfasste dieser Begriffauch zwei Items, die kaum
als körperlicher Übergriffgelten können, nämlich das Andro-
hen von körperlicher Gewalt und die Sachbeschädigung.
zur Gruppe der Täter bzw.Opfer tragfähig
ist. Dabei ist die Annahme leitend, dass
nur ein Jugendstrafvollzug,der sich der
Opfer-Täter-Überschneidungen bewusst
ist und diesen Umstand in seine Vollzugs-
gestaltung mit einbezieht, das gesetzliche
Resozialisierungsprogramm umsetzen
und einen Beitrag zu Rückfallverhütung
und Opferschutz leisten kann. Die Grund-
lage bilden Daten aus dem längsschnitt-
lichen Forschungsprojekt „Gewalt und
Suizid im Jugendstrafvollzug“, welches
das Institut für Kriminologie der Univer-
sität zu Köln durchführt (siehe Neubacher,
Oelsner,Boxberg&Schmidt, 2011). Ziel
des Projekts, das eine quantitative Frage-
bogenerhebung zu vier Messzeitpunkten
mit qualitativen Interviews und einer Ana-
lyse von Gefangenenpersonalakten der
jungen Inhaftierten kombiniert, ist es, den
Anpassungsprozess der Gefangenen an
den Strafvollzug näher zu untersuchen.
2. Stichprobe und Datengrundlage
Den nachfolgenden Analysen liegen so-
wohl quantitative Daten aus zwei Mess-
zeitpunkten (Mai und August 2011) einer
Fragebogenbefragung von männlichen In-
haftierten dreier geschlossener Jugend-
strafanstalten in Nordrhein-Westfalen und
Thüringen als auch Daten 22 vertiefender
qualitativer Interviews zugrunde. Neben
dem Einholen von Unbedenklichkeits-
bescheinigungen der Ethikkommissionen
der Universitäten Jena und Köln sowie der
Datenschutzbeauftragten beider Univer-
sitäten wurden umfangreiche forschungs-
strategische Vorbereitungen getroffen, um
ein Vertrauensverhältnis zu den Gefan-
genen aufzubauen und eine möglichst
hohe Personenzahl zur Studienteilnahme
zu motivieren (vgl. Neubacher,Oelsner &
Schmidt, 2012). Für den vorliegenden Auf-
satz wurden die Täter-und Opferangaben
aus den Fragebögen von 576 Inhaftierten
analysiert, die am ersten und/oder zweiten
Messzeitpunkt der Erhebung teilgenom-
men haben. 146 der Befragten haben aus-
schließlich beim ersten Messzeitpunkt
teilgenommen, 190 haben nur bei der
zweiten Erhebung mitgemacht und 240
Gefangene sowohl bei der ersten als auch
bei der zweiten Erhebung. Die meisten
Teilnehmer sind zwischen 19 und 22 Jah-
renalt (n =394, 72,6%), wobei die Spanne
von 15 bis 25 Jahrereicht. Auch in der
Stichprobe zeigt sich also, dass der Ju-
gendstrafvollzug in erster Linie ein Heran-
wachsendenvollzug ist. Die Mehrheit der
Inhaftierten besitzt die deutsche Staats-
bürgerschaft (n =442, 80,2%), gefolgt von
jungen Gefangenen mit türkischem Pass
(n =34, 6,2%). Knapp die Hälfte der In-
haftierten hat keinen Schulabschluss
(n =273, 49,1%) und nur annähernd ein
Prozent gibt an, keine Vorstrafen aufzu-
weisen. Die meisten Inhaftierten in der
Stichprobe sind zu mehreren Strafen ver-
urteilt worden, die gemäß §31JGG zu
einer Einheitsjugendstrafe zusammenge-
setzt wurden. Berücksichtigt man davon
nur die schwerwiegendsten Delikte, sind
62,6% (n =310) wegen einfacher und
qualifizierter Körperverletzungen sowie
Raub inhaftiert, weitere5,3% aufgrund
von Tötungsdelikten.
Messinstrumente:
Für die Analyse der quantitativenDaten
werden Daten zu Opfer-und Täteranga-
ben sowie zu Gewaltakzeptanz, Männlich-
keit und Subkultur herangezogen. Zudem
wirberprüft, inwieweit die Gefangenen
Vorerfahrungen mit Gewalt haben.
22 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
Opfer-und Täterangaben: Die Opfer-und
Täterskalen bestehen jeweils aus 24
Items, die Ereignisse abfragen, die den
Gefangenen in Haft widerfahren sein kön-
nen. Die Skalen wurden in Anlehnung an
die DIPC-Scaled von Ireland und Ireland
(2008) entwickelt. Die Befragten sollen
beurteilen, wie häufig (0 = nie, 1=selten,
2=manchmal oder 3=oft)ihnen diese
Geschehnisse in den letzten drei Monaten
widerfahren sind bzw.wie häufig sie diese
Handlungen selbst ausgeführt haben. Die
Fragen beziehen dabei unterschiedliche
Arten von Gewalt ein, die im Strafvollzug
vorkommen können. Dazu zählen physi-
sche Gewalt im weiteren Sinne2(z. B. „Ich
wurde absichtlich geschubst.“, „Ich habe
anderen Gefangenen Gewalt angedroht.“),
psychische Gewalt (z. B. „Jemand hat
versucht, andereGefangene gegen mich
aufzuhetzen.“, „Ich habe die Familie eines
Mithäftlings beleidigt oder mich über sie
lustig gemacht.“), Zwang oder Erpressung
(z. B. „Ich wurde genötigt, Arbeiten für
Anderezuverrichten.“, „Ich habe einen
Gefangenen dazu gezwungen, für mich
Drogen zu schmuggeln.“), sächliche
Schädigung im Sinne von Diebstahl oder
dem Zerstören von Eigentum (z. B. „Ich
wurde beklaut.“, „Ich habe absichtlich die
Sachen von einem Mithäftling kaputt ge-
macht.“) und sexuelle Gewalt (z. B. „Ich
wurde sexuell belästigt.“, „Ich habe einen
Mitgefangenen vergewaltigt.“). Die inter-
nen Konsistenzen sowohl der Täterskala
(Cronbachs α=0,94) als auch der Opfer-
skala (α=0,89) sind als sehr gut zu beur-
teilen.
Gewaltakzeptanz: Für die Erfassung der
Gewaltakzeptanz wurde eine Skala aus
der Studie Labuhns (2004) verwendet.
Diese besteht aus acht Items, die Einstel-
lungen hinsichtlich der Anwendung von
Gewalt abfragen (z. B. „Ich schlage schon
mal zu, wenn mich jemand ärgert.“, „Ein
bisschen Gewalt gehört manchmal ein-
fach dazu, um Spaß zu haben.“). Die Ant-
worten wurden auf einer vierstufigen Li-
kertskala mit den Werten 0 (trifft nicht zu),
1(trifft eher nicht zu), 2(trifft eher zu) und
3(trifft völlig zu) kodiert. Die interne Kon-
sistenz der Skala ist mit α=0,85 als gut zu
bezeichnen.
Männlichkeit: Das Konstrukt Männlichkeit
wurde mit Hilfe von vier Items aus der
Skala zu gewaltlegitimierenden Männlich-
keitsnormen (GLMN) nach Enzmann,
Brettfeld und Wetzels (2003) erfasst (z. B.
„Ein richtiger Mann ist stark und beschützt
seine Familie.“, „Ein Mann, der nicht bereit
ist, sich gegen Beleidigungen mit Gewalt
zu wehren, ist ein Schwächling.“). Die Ant-
worten sind erneut auf einer vierstufigen
Likertskala mit den Werten 0 (trifft nicht zu)
bis 3 (trifft völlig zu) kodiert. Die Items bil-
den eine einfaktorielleSkala mit einer in-
ternen Konsistenz von α=0,64.
Subkulturelle Einstellungen: Zur Erfassung
subkultureller Einstellungen wurden vier
Items entwickelt, die etwaig vorhandene
subkulturelle Normen erfassen sollen („Mit
den Bediensteten arbeitet man nicht zu-
sammen.“, „Den Opfernunter den Gefan-
genen kann man nicht helfen.“, „Jede Hilfe
hat ihren Preis.“, „Ich helfe anderen Ge-
fangenen nur,wenn ich etwas davon
habe.“). Die Inhaftierten sollten beurteilen,
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Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
2Das Konstrukt der physischen Gewalt beinhaltet Handlun-
gen, die im weiteren Sinne Gewalt darstellen (z. B. „Ich habe
andereGefangene eingeschüchtert.“, „Ich habe anderenGe-
fangenen Gewalt angedroht.“). Ein engerer Gewaltbegriff, der
juristisch dem Straftatbestand der Körperverletzung ent-
spricht, bezieht sich auf zwei der sechs Items aus der Täter-
skala („Ich habe einen Gefangenen absichtlich verletzt.“ und
„Ich habe einen anderen Gefangenen getreten oder geschla-
gen.“) bzw.auf zwei Items aus der Opferskala („Jemand hat
mich absichtlich verletzt.“ und „Ein Gefangener hat mich ge-
treten oder geschlagen.“).
wie sehr die Aussagen auf sie zutreffen
(von 0=trifft nicht zu bis 3=trifft völlig zu).
Die Items bilden eine einfaktorielle Skala
mit guter Varianzaufklärung (49,49%) und
moderater interner Konsistenz (α=0,66).
Vorerfahrungen mit Gewalt: Zur Erfassung
der Vorerfahrungen mit Gewalt wurden
zehn Items aus der Konflikttaktikskala
(Straus, 1979) für die Studie angepasst
(vgl. auch Wetzels, 1997: 121). Diese fra-
gen ab, welche Gewalthandlungen den
Probanden während einer Konfliktsitua-
tion (z. B. Streit) in der Kindheit und Ju-
gend widerfahren sind und wer diese aus-
geführt hat (Eltern, Geschwister,andere
Familienangehörige, anderePersonen),
z. B. „Während eines Streits oder einer
Auseinandersetzung wurde mir eine runter
gehauen“, „… wurde ich verprügelt oder
zusammengeschlagen“, „… wurde ich mit
einem Gegenstand geschlagen“. Für die
Verwendung in dem vorliegenden Beitrag
wurde ein dichotomer Gesamtscore gebil-
det, der angibt, ob die Befragten eine der
aufgeführten Gewalttaten erlebt haben
und ein Familienscore, der angibt, ob es
zu familiärer Gewalt kam (ja/nein).
Da sich ein Großteil der Gefangenen
(72% aller Teilnehmer) auch zur Teilnahme
am vertiefenden Interview bereit erklärte,
wurden die Gesprächspartner der Teil-
stichprobe randomisert entlang festgeleg-
ter Sampling-Kriterien gezogen (Erst- vs.
Folgeinhaftierung; gewaltsames vs. ge-
waltloses Inhaftierungsdelikt). Insgesamt
führten zwei Projektmitarbeiter (männlich
bzw.weiblich) 36 Interviews durch, in
denen 3709 Minuten (ca. 62 Stunden)
Interviewmaterial produziert wurden. Die
durchschnittliche Gesprächszeit betrug
103 Minuten, wobei die Dauer von 44 bis
157 Minuten reichte. Die im Folgenden
dargestellten Ergebnisse beziehen sich
auf 22 Interviews (2114 Minuten; Durch-
schnitt 96 Minuten), die bei Abfassung des
Artikels entsprechend aufbereitet waren.
Dieses Sample bildet die soziodemogra-
phische und kriminologische Zusammen-
setzung der Gesamtstichprobe gut ab.
Den problemzentrierten Interviews lagen
Leitfäden zugrunde, die in drei modulare
Inhaltsbereiche (Vorhafterfahrungen, In-
haftierungsmoment und Hafterleben) un-
terteilt sind, die in der bisherigen For-
schung Zusammenhänge mit den Phä-
nomenen aufzeigen (zur Methodik vgl.
Neubacher,Oelsner &Schmidt, 2012; zur
Theorie vgl. Neubacher,Oelsner,Boxberg
&Schmidt, 2011).
3. Datenanalyse
Die Analyse der Daten aus den unter-
schiedlichen Quellen (Fragebogen und
Interviews) erfolgt in mehreren Schritten.
Zunächst wirdanhand der Fragebogen-
daten analysiert, wie hoch das Ausmaß
der Viktimisierung im Strafvollzug ist. Da-
bei wirddarauf fokussiert, ob sich Täter
und Opfer unterscheiden lassen und worin
ggf. Unterschiede bestehen. Auch auf
mögliche bedeutsame Einstellungsunter-
schiede hinsichtlich Gewaltakzeptanz,
Männlichkeit und subkulturellen Einstel-
lungen soll näher eingegangen werden.
Die Einstellungsunterschiede werden mit-
tels einer multivariaten Varianzanalysemit
drei abhängigen Variablen untersucht.
Schließlich soll deskriptiv anhand von
Häufigkeiten geprüft werden, ob die ge-
fundenen Gruppen über die Zeit hinweg
stabil sind.
Für die Auswertung der qualitativ erho-
benen Daten werden sämtliche Erzählun-
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SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALT UNG
gen der jungen Männer zu eigenen Vikti-
misierungen analysiert, die sich während
und vor der aktuellen Inhaftierung ereignet
haben. Vonbesonderem Interesse ist da-
bei zu eruieren, wie sich die jungen Män-
ner zu diesen Erfahrungen positionieren.
Die computergestützte Datenauswertung
erfolgt in Anlehnung an das Analysever-
fahren des thematischen Kodierens, wie
es Kuckartz und Grunenberg(2010) einge-
hend dargestellt haben (vgl. auch Hopf &
Schmidt, 1993; Kuckartz, 2010; Schmidt,
2010).
4. Ergebnisse
4.1 Ausmaß der Viktimisierung
Das Ausmaß der Viktimisierung im Straf-
vollzug zeigt sich in der Stichprobe an-
hand der Opferbefragung zu den beiden
Messzeitpunkten (siehe Tabelle 1), in der
insgesamt eine hohe Prävalenz von Vikti-
misierung sichtbar wird. Nur etwa 23%
der Gefangenen gaben bei beiden Wellen
keinerlei Opfererfahrungen an. Etwas
mehr als 70% berichteten, in den letzten
drei Monaten Opfer von psychischer Ge-
walt geworden zu sein. Bei der ersten
Welle gab knapp die Hälfte der Befragten
an, Opfer physischer Gewalt geworden zu
sein. Bei der zweiten Welle waren dies pro-
zentual weniger Gefangene. Physische
Gewalt im engeren Sinne (Körperverlet-
zungen) hatten nach eigenen Angaben
28% der Gefangenen bei Welle 1und 21%
bei Welle 2erlebt. Mit annäherungsweise
30% kommen materielle/sächliche Schä-
digungen als dritthäufigste Viktimisie-
rungserfahrung zu beiden Wellen vor.
Zwang oder Erpressung hat ca. jeder
sechste Gefangene in den letzten drei Mo-
naten erlebt. Vonsexueller Gewalt berich-
teten nur sehr wenige Gefangene.
Viktimisierungserfahrungen scheinen im
Gefängnisalltag eine Rolle zu spielen. Be-
trachtet man im Vergleich nun die Täter-
angaben, lässt sich auch hier eine hohe
Prävalenz zu beiden Messzeitpunkten
konstatieren. Auch hier berichteten die
Gefangenen am häufigsten von psychi-
scher Gewaltanwendung (Welle 1: 87%,
Welle 2: 84%), gefolgt von physischer
Gewalt im weiteren Sinne (Welle 1: 68%,
Welle 2: 64%). Betrachtet man physische
Gewalt im Sinne von Körperverletzung,
liegen die Häufigkeiten bei knapp 45%.
Ebenfalls ca. 45% der Gefangenen gaben
an, andereGefangene materiell geschä-
digt zu haben. Weniger häufig gaben die
Probanden an, anderezuerpressen oder
Zwang auszuüben(bei beiden Wellen
ca. 40%) oder sexuell zu viktimisieren
(Welle 1: ein Gefangener,Welle 2: fünf
Gefangene). Auffällig ist hier insbesondere
die Diskrepanz zwischen den Häufigkeits-
angaben von Täternund Opfern. So liegen
die Häufigkeiten für Täter insgesamt höher
als für Opfer.Bei genauerer Betrachtung
der Überschneidung von Täter-und Op-
ferangaben zeigt sich, dass nur etwa 5%
weder Täter noch Opfer waren, also in ei-
gener Person nicht mit Gewalt konfrontiert
waren. Diese Zahl unterstreicht, dass sich
offensichtlich nur sehr wenige Gefangene
von Gewaltereignissen fernhalten können.
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Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
Tabelle 1: Viktimisierungserfahrungen aller Befragten nach
Wellen (Querschnitt)
Gewaltopfer Welle 1(N=386) Welle 2(N=430)
N(fehlend) %N(fehlend) %
Physisch 192 (2) 49,7 177 (3) 41,2
Psychisch 284 (1) 73,6 310 (3) 72,1
Zwang/
Erpressung 63 (1) 16,3 53 (2) 12,3
Materiell 138 (1) 35,8 120 (3) 27,9
Sexuell 6(1) 1,6 14 (2) 3,3
Gesamt 301 (1) 78,0 328 (2) 76,3
Auch in den qualitativen Interviews wird
deutlich, dass Gewalt, gleich ob aus Täter-
oder Opferperspektive, ein Thema zu sein
scheint, zu dem sich die jungen Gefange-
nen positionieren müssen. So fällt bei der
Analyse der Viktimisierungserzählungen
zunächst auf, dass die meisten Interview-
ten angeben, am Zustandekommen ihrer
Viktimisierung nur geringfügigbeteiligt zu
sein. Neben einer lediglich schwach aus-
geprägten anonymen Agency3werden am
häufigsten konkrete andereMitgefangene
benannt, die zum Zustandekommen der
Opferwerdung beitragen: Sie sind es, die
den Befragten –insbesondereinder An-
fangszeit der Haft –auf dem Freihof taxie-
renund testen. Der Selbstpositionierung
kommt in solchen Situationen eine her-
ausragende Wichtigkeit zu, da die Ge-
fangenen nun Stellung gegenüber dem
Angreifer,aber auch innerhalb der Ge-
fangenengemeinschaft beziehen müssen.
Demgemäß wirddie Handlungs- und Wirk-
mächtigkeit der Interviewpartner überwie-
gend in der Darstellungeigener Hand-
lungsmöglichkeiten angesichts einer aktu-
ellen Bedrohung deutlich. Sich der Situa-
tion zu entziehen oder den Bediensteten
anzuvertrauen, wurde zwar auch als
Handlungsoption benannt, doch stellte
das Unter-Beweis-Stellen von physischer
Stärke und Selbstbewusstsein die am
häufigsten geäußerte Behauptungsstrate-
gie dar.Mithin kommt auch dem Einsatz
(übersteigerter) Gewalt ein symbolisch-
demonstrativer Gehalt zu. Im Beisein an-
derer Mitgefangener ist der Einsatz von
Gewalt die reputabelste „Demonstration
kein Opfer zu sein“ (Neuber,2009). Dies
wirddurch den überwiegend faktifizieren-
den Charakter der Viktimisierungs- und
Tätererzählungen untermauert, wie das
folgende Zitat verdeutlicht:
„[…] eine gewisse berei/ Gewaltbereit-
schaft muss auch da sein. Ich wurde mal
wirklich in die Ecke gezwungen. Und mir
wurde Schutz aufgedrückt. Das war […]
bei der Arbeit. Da musste ich aber richtig
schnell reagieren und habe denjenigen
dann in (.) in das goldene Dreieck getreten,
also in den Solar Plexus. Und nachdem
die Luft raus war,habe ich ihn dann noch
auf den Boden geschmissen und noch in
die Rippen getreten und mich dann ein-
fach hingesetzt. Das hat sich/ das Pro-
blem hat sich dann von selbst erklärt. Da
war Ruhe.“
Neben der technisch-neutral beschrei-
benden Erzählweise des Gefangenen –die
auch der Selbstpositionierung dienen mag
–fällt die naturalistische Deutung dieser
Szene auf. Die Erfahrung von (auch mas-
siver) Gewalt wirdvon dem zitierten Ge-
fangenen als auch von anderen betroffe-
nen Inhaftierten überwiegend unter dem
Aspekt des Normalen und Alltäglichen
konstruiert. Darüber hinaus werden diese
Sichtweisen –wie im obigen Beispiel –
durch stark soziale Deutungsmuster über-
lagert, in denen mal mehr,mal weniger ex-
plizit auf Gesetzmäßigkeiten, soziale Re-
geln und Handlungszwänge des Gefäng-
nislebens referiert wird. Die interviewten
Gefangenen sind sich der geltenden so-
zialen Regeln bewusst und wissen, „wie
Haft läuft“. Damit heben sich die Berichte
von ViktimisierungserfahrungeninHaft
deutlich von jenen Passagen ab, in denen
die Gefangenen von Opfererfahrungen vor
26 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
3Die angewendeten Analyseheuristiken gehen neben dem
propositionalen Gehalt einer Erzählung („was erzählt wird“)
vor allem auf die Modi ihrer Versprachlichung („wie erzählt
wird“) ein (vgl. Kruse, 2010; Lucius-Hoene &Deppermann,
2002). Der BegriffAgency bezeichnet dabei „[…] wie der Er-
zähler seine Handlungsmöglichkeiten und Handlungsinitia-
tive im Hinblick auf die Ereignisse seines Lebens linguistisch
konstruiert“ (Lucius-Hoene &Deppermann, 2002: 59).
der Haft erzählen. Zwar wirdauch hier er-
fahrene physische und psychische Gewalt
von vielen Gefangene als Normalität kon-
struiert, die primär im sozialen Nahbereich
der (Kern)-Familie erfahren wurde („Weil
für mich war das ja was NORMALES, hin
und wieder mal Schläge zu kassieren“).
Doch finden sich in einigen Erzählungen
mehrfach Hinweise auf Opfererfahrungen,
in denen die Gesetzmäßigkeiten der eige-
nen Viktimisierung als chaotisch und un-
durchschaubar wahrgenommen wurden.
Verweise auf soziale Regeln, wie sie in
den Hafterzählungen zu finden sind, feh-
len fast völlig. So lassen sich die gewalt-
samen Reaktionen der Bezugspersonen
aus der (meist kindlichen)Lebenswelt
nicht kontingent mit dem eigenen damali-
gen Handeln verknüpfen (Ursache-Wir-
kung) und sind daher nicht antizipier-
bar.Den als übermächtig erlebten Vikti-
misierungen vermochten die meisten
Gefangenen aufgrund ihres jungen Alters
weder physisch noch psychisch etwas
entgegenzusetzen. In Anbetracht dessen
verwundert es kaum, dass die jungen
Männer überwiegend andereAkteure–
aber auch anonyme Urheber –beschrei-
ben, die auf das (Nicht-)Zustandekommen
der Opferwerdung vor der Haft hinwirken.
Letzteres weist darauf hin, dass der Ur-
heber der Viktimisierung nicht genau be-
nannt werden kann und der Proband
folglich auch keine Handlungskontrolle
besitzt.
In den quantitativenDaten zeigt sich
gleichfalls, dass viele Gefangene bereits
vor der Inhaftierung mit Gewalt konfron-
tiert waren. So geben 69% der Inhaftierten
(160 von 233, die diese Frage beantworte-
ten) an, in der Kindheit und Jugend vikti-
misiert worden zu sein. Die Mehrheit da-
von (73%, n=117) berichtet von Opfer-
erfahrungen innerhalb der Familie.4Dabei
kommen eher leichte Formen (eine runter
hauen: 35%, hart anpacken oder stoßen:
30%, mit einem Gegenstand beworfen:
30%) häufiger vor als schwerbergriffe
(Verbrennungen oder Verbrühungen zufü-
gen: 2%, mit einer Waffebedrohen: 3%).
Der „Kreislauf der Gewalt“ („cycle of of-
fending“), der in vielen Studien bereits be-
legt werden konnte (vgl. u. a. DeLisi et al.,
2009; Krischer &Sevecke, 2008), spiegelt
sich daher auch in den vorliegenden Daten
wider.
4.2 Gruppen von Täternund Opfern
In einem nächsten Analyseschritt wurden
die Befragten anhand ihrer Täter-und Op-
ferangaben in verschiedene Gruppen ein-
geteilt. Die Gruppeneinteilung kann dabei
nach verschiedenen Methoden erfolgen.
Aus der Literatur sind die dichotome (oder
traditionelle) Einteilung sowie die Eintei-
lung mittels Median-Split bekannt (Ireland
&Ireland, 2008). In der hier verwendeten
dichotomen Einteilung wirdjede Person
als Täter bezeichnet, die auf der Täter-
skala mindestens ein Item mit „ja“ (bei der
DIPC-Scaled also mit „selten“, „manch-
mal“ oder „oft“) beantwortet hat. Wenn
alle Items der Skala mit „nie“ beantwortet
wurden, also keinerlei Tätererfahrungen
innerhalb der letzten drei Monate vorlie-
gen, ist der Befragte kein Täter.Gleiches
wirdauch für die Opferskala gemacht (Op-
fer vs. keine Opfer). Aus der Kombination
beider Skalen ergeben sich dann Gruppen
aus Täternund Opfern. Dabei ist zu be-
achten, dass diese Einteilung nichts über
BewHi 1/2013 27
Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
4Die Viktimisierung innerhalb der Familie bezieht sich dabei
sowohl auf die Kernfamilie (Elternund Geschwister), als auch
auf andereFamilienangehörige wie Großmutter und -vater,
Tante oder Onkel. Die Einteilung in leichte und schwereGe-
walt wurde von Wetzels (1997) übernommen.
die Art der ausgeübtenoder erlebten Ge-
walt aussagt, sondernlediglich Auskunft
darüber gibt, ob Gewalterfahrungen vor-
liegen. Auch über die Schwereder Tatwird
damit nichts ausgesagt. Aus der Eintei-
lung ergeben sich vier Gruppen, deren
Verteilung zu beiden Messzeitpunkten in
Tabelle 2eingesehen werden kann. Die
Gruppe der Täter/Opfer stellt mit jeweils
70% der Befragten, die dieser Gruppe an-
gehören, zu beiden Messzeitpunkten die
weitaus größte Gruppe dar.Die nächst-
größereGruppe ist jene der reinen Täter,
also derjenigen, die angaben, in den letz-
ten drei Monaten Gewalt angewendet zu
haben, aber selber keine erfahren haben.
Reine Opfer sind mit knapp 5% und 8%
recht selten. Auch diejenigen, die in den
letzten drei Monaten weder Täter noch
Opfer waren, sind mit lediglich 19 (5,0%)
und 24 (5,6%) Personen als Ausnahmen
im Jugendstrafvollzug anzusehen. Auf der
Basis dieser Daten zeigt sich erneut, wie
präsent das Gewaltproblem für die jungen
Gefangenen ist. Selbst jene Probanden,
die angeben, sich von Gewalt fernzuhal-
ten, können sich diesem Thema ange-
sichts der hohen Prävalenz nicht entzie-
hen, sondernmüssen aktiv Stellung bezie-
hen. Der Gruppenname „Nicht-Involviert“
ist daher nur bedingt zutreffend. Ver-
gleichbar scheintdiese Gruppe am ehes-
ten mit den sogenannten „bystander“, die
man aus der Literatur zum Bullying im
Schulkontext kennt (vgl. Matt, 2006).
Diese Gruppenaufteilung findet sich auch
in anderen Untersuchungen in dieser
Weise (vgl. Ireland &Ireland, 2008). Be-
sonders auffällig ist hier aber die geringe
Anzahl nicht involvierter Gefangener
(5–6%), die in anderen Untersuchungen
im Strafvollzug bei ca. 20% liegt.
4.3 Unterschiedezwischen den
Gruppen bei MZP1
Für die Untersuchung der Gruppenunter-
schiede hinsichtlich der Einstellungen zu
Gewaltakzeptanz, Männlichkeit und Sub-
kulturstatus wurde aufgrund der geringen
Anzahl von Personen in den einzelnen
Gruppen (siehe Tabelle 2) auf die Median-
Split-Methode zurückgegriffen. Bei dieser
Methode weisen die Gruppen eine adä-
quate Größe auf, um Unterschiede aufzu-
decken. Dabei wirdder Median der jewei-
ligen Skala ermittelt und die Befragten in
Personen mit Werten unter dem Median
und über dem Median eingeteilt. Täter,die
Werte oberhalb des Medians der Täter-
skala angegeben haben, werden daher als
Täter über dem Median kategorisiert und
Personen mit Werten unterhalb des Me-
dians als gering involvierteTäter.Gleiches
wirdauch für die Opferskalen gemacht.
Die Kombination der beiden kategorisier-
ten Skalen ergibt erneut vier Gruppen:
1) die sogenannten Gering-Involvierten,
die sowohl auf der Täter-, als auch auf der
Opferskala unterhalb des Medians blei-
ben; 2) Täter über dem Median, die auf der
Täterskala Werte über dem Median auf-
weisen, auf der Opferskala jedoch Werte
unterhalb des Medians; 3) Opfer über
dem Median, die auf der Täterskala unter-
halb des Medians bleiben, jedoch auf der
Opferskala über dem Median liegen und
28 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALT UNG
Tabelle 2: Einteilung in Täter-und Opfergruppen nach der
dichotomen Methode (Querschnitte)
Welle 1Welle 2
n(%) n(%)
nicht involviert 19 (5,0) 24 (5,6)
reine Täter 64 (16,6) 75 (17,6)
reine Opfer 20 (5,2) 36 (8,4)
Täter/Opfer 280 (73,1) 292 (68,4)
Insgesamt 383 427
4) Täter/Opfer über dem Median, die auf
beiden Skalen Ausprägungen über dem
Median aufweisen. Auch hier sagt die Ein-
teilung weder etwas über die Schwereder
jeweiligen Taten noch über die Form der
ausgeübten oder erlebten Gewalt aus,
sondernlediglich darüber,obdie von einer
Person angegebene Gewalt höher oder
niedriger liegt als der Median aller Befrag-
ten.
Die Gruppe der Gering-Involvierten –
die auch die Nicht-Involvierten bei der
dichotomen Einteilung umfasst (vgl. Ta-
belle 3) –stellt bei dieser Einteilung zu bei-
den Wellen interessanterweise die größte
Gruppe dar.Viele der Gefangenen wenden
also Gewalt an oder erfahren Gewalt, dies
aber nicht übermäßig häufig. Die zweit-
größte Gruppe setzt sich aus Personen
zusammen, die Täter-und Opfererfahrun-
gen angeben, die über dem Median der
Skalen liegen, die also relativ häufig be-
troffen sind.
Die Einstellungsunterschiede zwischen
den vier Gruppen (gemäß Median-Split-
Einteilung) wurden für die Daten der ersten
Welle mittels einer multivariaten Varianz-
analyse (MANOVA) untersucht. Da die drei
abhängigen Variablen Gewaltakzeptanz,
Männlichkeit und Subkultur miteinander
korrelieren, die Voraussetzungen jedoch
erfüllt sind5,wirdRoys größter Eigenwert
als Prüfgröße für den Modeltest genom-
men (Olsen, 1976). Der Test ergibt ein sig-
nifikantes Ergebnis (größte Wurzel nach
Roy =0,389, p<0,01) mit einem großen
Effekt (η2=0,28). Dies bedeutet, dass
sich die vier Täter-und Opfergruppen sig-
nifikant und auch bedeutsam auf den ab-
hängigen Variablen unterscheiden. Beim
Test der Zwischensubjekteffekte zeigt sich
für jede der abhängigen Variablen ein
signifikantes Ergebnis (Gewaltakzeptanz:
F=47,18, df =3,p<0,01; Männlichkeit:
F=10,52, df =3,p<0,01; Subkultur:
F=22,35, df =3,p<0,01). Dabei ergibt
sich für die Gewaltakzeptanz der größte
Effekt von η2=0,27. Alle drei Variablen un-
terscheiden sich daher signifikant inner-
halb der Gruppen, wobei der Unterschied
bei der Gewaltakzeptanz aufgrund des
großen Effekts besonders bedeutsam ist.
Die Gruppeneinteilung erklärt immerhin
26% der Varianz von Gewaltakzeptanz in
der Stichprobe. Aber auch für die Sub-
kultur ergibt sich ein großer (η2=0,15) und
für die Männlichkeit ein mittlerer Effekt
(η2=0,08). Im anschließenden Post-Hoc-
Test wirduntersucht, welche Gruppen
sich in der Ausprägung der abhängigen
Variablen unterscheiden.
Im Post-Hoc Test ist erkennbar,dass
sich der Mittelwert der Gewaltakzeptanz
der Gering-Involvierten von beiden Täter-
gruppen unterscheidet (Täter über dem
Median und Täter/Opfer), jedoch nicht von
BewHi 1/2013 29
Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
Tabelle 3: Einteilung der Gruppen nach der Median-Split-
Methode
Welle 1Welle 2
n(
%) n(%)
gering involviert 125 (32,5) 142 (33,2)
Täter über dem Median 78 (20,3) 93 (21,7)
Opfer über dem Median 79 (20,5) 83 (19,4)
Täter/Opfer über dem Median 103 (26,7) 110 (25,7)
Total 385 428
5Bei allen drei abhängigen Variablen (Gewaltakzeptanz,
Männlichkeit und Subkultur) zeigt sich bei der visuellen Ins-
pektion der Daten im Q-Q-Plot eine Verteilung, die die An-
nahme einer Normalverteilung rechtfertigt. Die drei abhängi-
gen Variablen korrelieren signifikant miteinander (zwischen
r=0,51 und r=0,58), jedoch ist eine Multikollinarität nicht ge-
geben. Zudem sind sowohl die Kovarianzmatrizen, getestet
mit dem Box-M-Test (F =1,24, df1 =18, p=0,22; n. s.), als
auch die Fehlervarianzen der unterschiedlichen abhängigen
Variablen (Levene-Test; Gewaltakzeptanz: F=0,89, df =3,
p=0,45, n. s.; Männlichkeit: F=0,32, df =3,p=0,91, n.s.;
Subkultur: F=1,20, df =3,p=0,31, n.s.) über die Gruppen
gleich verteilt.
den Opferber dem Median (siehe Ab-
bildung 1). Auch die Opfergruppe über
dem Median unterscheidet sich von den
beiden Gruppen mit Täterangabenober-
halb des Medians der Täterskala. Gleiches
findet sich auch für die Angaben zur Sub-
kultur.Lediglich für den Mittelwert der
Männlichkeit unterscheidet sich die
Gruppe der gering involvierten Inhaftierten
nicht von der Täter/Opfergruppe (p =0,07),
die anderen Mittelwertunterschiede sind
jedoch genauso wie für die Gewaltakzep-
tanz und Männlichkeit. Die Täter über dem
Median und die Täter/Opfer haben also
signifikant höhereWerte von Gewaltak-
zeptanz, Männlichkeit und Subkultur als
die Opfer über dem Median und die Ge-
ring-Involvierten (außer für Subkultur). Die
Täter über dem Median unterscheiden
sich im Mittelwert der abhängigen Varia-
blen nicht von den Tätern/Opfern. Die Ein-
stellungender beiden Gruppen ähneln
sich daher und passen zum subkulturellen
Geschehen in Haft, obwohl die Täter/Op-
fergruppe auch häufig selbst Viktimisie-
rungen erfährt. Obwohl diese Gruppe
Gewalt erlebt, haben die Täter/Opfer ne-
gative Einstellungen gegenüber Opfern.
Die Opfer über dem Median ohne häufige
Tätererfahrungen (Opfergruppe) zeigen
solche Einstellungen weniger.Auch die
Gering-Involvierten zeigen insgesamt sel-
tener das Einstellungsmuster,das für eine
Anpassung an die Subkultur spricht.
Selbst Täter zu werden, und zwar mit einer
höheren Häufigkeit (über dem Median),
geht daher mit typischen subkulturellen
Einstellungen einher,die auch Gewalt
befördernkönnen. Gewaltakzeptanz ist
bekanntlichein starker Prädiktor für Ge-
30 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
Abb. 1: Gruppenunterschiede zum ersten Messzeitpunkt
walt (z. B. Endrass, Rossegger,Noll, &Ur-
baniok, 2008; Gendreau, Goggin, &Law,
1997).
In diesem Zusammenhang ist bemer-
kenswert, dass sich ähnliche Beobach-
tungen auch in den Narrationen der Ge-
fangenen machen lassen. Es zeichnen
sich mitunter deutliche Vorstellungen da-
von ab, wie „man“ zum Opfer von Gewalt
wirdbzw.was nach Meinung der inter-
viewten Gefangenen ein „Opfer“ aus-
macht. So beziehen sich sowohl reine Tä-
ter als auch Täter/Opfer in ihren Täterer-
zählungen verstärkt auf Verstöße gegen
subkulturelle Regeln (z. B. im Kontext in-
formeller Ökonomien), die überwiegend
gewaltsam sanktioniert werden. Ebenso
gewaltsam gestaltet sich in vielen Fällen
die Verteidigung der „(Familien-)Ehre“ ge-
gen die Infragestellung eines übersteiger-
ten Männlichkeitsideals (vgl. Bereswill,
2002: 168; Neuber,2011: 8, Wirth, 2006).
Auch Begriffe wie „Schäfchen“, „Ritze“
oder „Sittich“ verdeutlichen sehr dra-
stisch, dass die kategoriale Grenzziehung
und Zuordnung zur Opfergruppe unter
den Gefangenen überwiegend mit Be-
zügen auf als unmännlich geltende Cha-
rakteristika (schwache Physiologie;
Schüchternheit; Homosexualität) oder auf
Verstöße gegen normativ bindende Moral-
vorstellungen des „ehrbaren Mannes“
vollzogen werden. Die männliche Gemein-
schaft (re-)konstituiert sich hier durch die
Exklusion und Opfermachung von „un-
männlichen“ und „unehrenhaften“ Män-
nern. Aber auch in den Opfererzählungen
dieser beider Gruppen sind die Referen-
zen auf subkulturelle Motive auffällig: Man
ist oder man ist nicht „[…] negativ in den
Augen der Gefangenen aufgetreten“. Die
reinen Opfer im Sample distanzieren sich
hingegen von einem hypermaskulinen Ha-
bitus und verweisen u. a. auf die Bekannt-
schaft von einflussreicheren Mitgefange-
nen: „Aber,wie gesagt, habe ich Freunde
wiedergesehen. Und die haben mich in
Schutz genommen, sonst wäreich hier
auch eine Ritze gewesen, wie man es hier
sagt. Da hatte ich halt meine Ruhe, wurde
dann nichts erpresst von mir und so“. Sel-
tener vertrauen sich die Gefangenen die-
ser Gruppe den Vollzugsbediensteten an
und versuchen sich der Situation durch
Verlegung auf eine geschützte Abteilung
zu entziehen.Doch scheint diese Hand-
lungsoption selbst für jene Gefangenen,
die davon Gebrauch machen (mussten),
sowohl im Vollzugsalltag als auch in der
Interviewsituation stigmatisierend und be-
gründungspflichtig zu sein.
4.4 Stabilität der Gruppen über die
Zeit
Die gefundenen Einstellungsunterschiede
sind an sich schon bemerkenswert. Den-
noch erhalten sie besondereRelevanz,
wenn sich ein Anpassungsprozess hin zu
derartigen Einstellungen in der Haft zeigt.
Da die Einstellungen der beiden Täter-
gruppen subkulturelle Normen widerspie-
geln, wäreeine Verfestigung von Täter-
erfahrungen während der Inhaftierung be-
sonders aussagekräftig und auch relevant
für die Frage nach Präventionsmaßnah-
men. Betrachtet man die Stabilität der
Gruppen (nach der Median-Split-Eintei-
lung) über Welle eins und zwei hinweg,
zeigt sich zunächst, dass bei beiden
Tätergruppen und bei den gering invol-
vierten Gefangenen weitestgehend Stabi-
lität herrscht (siehe Tabelle 4). Am häufigs-
ten wechseln die Opfer über dem Median:
entweder wenden sie mehr Gewalt an
(d. h. Wechsel in die Täter/Opfergruppe)
BewHi 1/2013 31
Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
oder sie werden seltener Opfer (d. h.
Wechsel in die Gruppe der Gering-Invol-
vierten). Die Ausnahme stellt ein „extre-
mer“ Wechsel hin zu den Täterber dem
Median dar.Die gering involvierten Inhaf-
tierten aus der ersten Welle wechseln am
häufigsten in die Tätergruppe über dem
Median, wenden also gleichfalls häufiger
Gewalt an. Auch die Täter/Opfer wechseln
am häufigsten in die Gruppe der Täter
über dem Median. Werbereits bei der er-
sten Welle Täter über dem Median war,
kann sich bei der zweiten Welle eher raus-
halten (Wechsel in die gering involvierte
Gruppe von Gefangenen). Auf der Basis
dieser Daten lässt sich also sagen, dass
der Wechsel zwischen den Gruppen am
häufigsten in der Art und Weise erfolgt,
dass mehr Gewalt angewendet wird6–es
sei denn, man hat sich bereits vorher
(Welle 1) „beweisen können“ und kann es
sich nun leisten, sich herauszuhalten. An-
gesichts der ermitteltenEinstellungsunter-
schiede zwischen den Gruppen ist anzu-
nehmen, dass sich die Einstellungen jener
Gefangenen ändern, die mehr Gewalt an-
wenden. Die gezeigte Zunahme von Ge-
walt spricht jedenfalls für einen Prozess
der Anpassung an die Gefangenensubkul-
tur und ihregewaltlegitimierenden Nor-
men.
5. Diskussion
Die Ergebnisse der quantitativen und qua-
litativen Analysen zur Viktimisierung deu-
ten in dieselbe Richtung und ergänzen
sich. Gewalt ist demzufolge für die jungen
Strafgefangenen ein alltägliches Thema;
fast alle sind davon in der einen oder an-
deren Form betroffen. Am häufigstensind
dabei Viktimisierungen psychischer Natur,
aber auch physische Übergriffe kommen
häufig vor.Versteht man unter physischer
Gewalt auch die Androhung von Gewalt,
liegen die Häufigkeiten für eine Viktimisie-
rung innerhalb eines Zeitraums von drei
Monaten bei 40–50%. Bezieht man sich
lediglich auf körperliche Angriffe, liegen
die Opfererfahrungen um ca. 10 Prozent-
punkte niedriger,bewegen sich jedoch
immer noch auf einem hohen Niveau. Die
Wahrscheinlichkeit, im Strafvollzug Opfer
von Gewalt zu werden, ist sehr hoch –ein
Umstand, der den jungen Männerndurch-
aus bewusst zu sein scheint. So zeigt sich
32 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
Tabelle 4: Gruppeneinteilung und Gruppenwechsel über die Zeit (Welle 1zuWelle 2)
Welle 1
n(%) n(%) n(%) n(%)
gering involviert Täter über Opfer über Täter/Opfer
dem Median dem Median
Welle 2gering involviert 59 (72,58) 10 (19,61) 12 (26,09) 4(6,78)
Täter über dem Median 13 (16,05) 34 (66,67) 6(13,04) 10 (16,95)
Opfer über dem Median 8(9,88) 0(0) 17 (36,86) 4(6,78)
Täter/Opfer 1(1,23) 7(13,73) 11 (23,91) 41 (69,49)
Insgesamt 81 51 46 59
Hinweis: Die Prozentangaben beziehen sich auf die Personen der ersten Welle, d. h. wie viele Personen, die zu Welle 1der Gruppe
angehörten, bei der zweiten Welle in den Gruppen zu finden sind.
6Nimmt man die Einteilung nach der dichotomen Methode vor,
wirddies ebenfalls deutlich, allerdings sind die Zahlen auf-
grund des hohen Anteils der Täter/Opfer in den anderen
Gruppen recht gering. So wechseln 6von 12 Nicht-Involvier-
ten in eine der Tätergruppen und 8von 11 reine Opfer wech-
seln in eine Tätergruppe. Viele reine Täter (21 von 41) bleiben
in dieser Gruppe, 17 wechseln in die Täter/Opfergruppe. Von
den Tätern/Opfernbleiben 143 von 170 in der Gruppe und 16
wechseln in die reine Tätergruppe.
in den qualitativen Interviews, dass die
Gefangenen vornehmlich mittels natura-
listisch-sozialer Bezüge auf „normale“ im-
plizite Gesetzmäßigkeiten der Opferwer-
dung im Strafvollzug referieren. Dies trifft
auf die Opfererfahrung vor der Haft indes
nicht zu –insoweit wirdnämlich nicht auf
soziale Regeln der Viktimisierung einge-
gangen. In ihren Fragebögen berichten
die Gefangenen in einem hohen Maße von
Tätererfahrungen. Diese werden sogar
häufiger angegeben als Opfererfahrun-
gen, was zunächst verwundernmag. So
ließe sich argumentieren, dass die Täter-
häufigkeiten infolge von Imponierverhal-
ten der jungen Männer zu hoch und
die Viktimisierungsangaben aufgrund der
schambesetzenund negativen Konnota-
tion des Opferbegriffs (vgl. Butler,2008;
Neuber,2009) zu niedrig ausfallen. Indes
geben mehrerberlegungen Grund zur
Annahme, dass die Daten ein durchaus
realistisches Bild zeichnen. Zum einen
kann es sein, dass verschiedene Täter ein
und denselben Mitgefangenen attackieren
oder es sich um eine Gruppentat handelt,
weswegen die Zahl der Täter höher ist als
die der Opfer (Bieneck &Pfeiffer,2012:
15). In diesem Sinn weisen verschiedene
Studien (vgl. u. a. Cunningham &Soren-
sen, 2007; Drury &DeLisi, 2008; Griffin,
2006) darauf hin, dass die Zugehörigkeit
zu einer Gruppe Gewalthandlungen vor-
hersagen kann. Zum anderen sind die
Zahlen mit Angaben anderer Studien na-
tionaler (Bieneck &Pfeiffer,2012; Kury &
Smartt, 2002) und internationaler Herkunft
(u. a. Ireland, 2000; Maitland &Sluder,
1998; Wolff, Blitz, Shi, Siegel &Bachman,
2007) vergleichbar.Auch das Ergebnis,
dass psychische Gewalt die am häufigs-
ten genannte Tätererfahrung ist, deckt
sich mit anderen Studien (Connell &Far-
rington, 1996; Ireland, 2005; Maitland &
Sluder,1998). Darüber hinaus sind die
Täter-und Opferangaben sowohl im Quer-
schnitt als auch über die unterschied-
lichen Messzeitpunkte hinweg relativ ähn-
lich. Aus der Zusammenschau mehrmali-
ger Befragungen und der Ähnlichkeit der
jeweils ermittelten Werte kann man auf
eine hohe Zuverlässigkeit der Ergebnisse
schließen.Esmuss daher davon ausge-
gangen werden, dass Gewalterfahrungen,
sei es als Täter sei es als Opfer,inHaft
häufig vorkommen und sich die Gefan-
genen diesem Sachverhalt nur in einge-
schränktem Maße entziehen können.
Gleichzeitig ist eine dichotome Eintei-
lung in Täter und Opfer zu stark verein-
facht. Tatsächlich ist die Mehrheit der In-
haftierten sowohl Täter als auch Opfer.
Diese Gruppenaufteilung mit den entspre-
chenden Gruppengrößen (gleich ob nach
dichotomer oder Median-Split-Einteilung)
findet sich auch in anderen Untersuchun-
gen in dieser Weise (vgl. Ireland &Ireland,
2008). Besonders fällt in der vorliegenden
Studie jedoch der geringe Anteil von nicht
involvierten Gefangenen auf, der in ande-
renStudien deutlich höher ausfällt. Gewalt
stellt sich also speziell im Jugendstraf-
vollzug nach wie vor als ein drängendes
Problem dar.Bereits Wirth (2006) sprach
in seiner Hellfeldstudie vom Jugendstraf-
vollzug als Brennpunkt der Gewalt, dem
besondereAufmerksamkeit geschenkt
werden sollte. Bei der Median-Split-Unter-
teilung sind die meisten Inhaftierten ent-
weder geringfügig in Gewalt involviert
oder sowohl Täter als auch Opfer.Indie-
sem Zusammenhang ist hervorzuheben,
dass „Gering-Involviert“ nicht mit der Aus-
übung leichter Gewalt gleichzusetzen ist.
Auch jemand, der der Gruppe der gering
involvierten Inhaftierten zuzuordnen ist,
kann schwerekörperliche oder psychi-
BewHi 1/2013 33
Jenny Häufle et al.: GewaltopferimJugendstrafvollzug
sche Gewalt verübt haben, jedoch „nur“
selten. Die Einteilung sagt daher nichts
über die Schwereder Gewalt aus. Hier
besteht weiterer Forschungsbedarf, in-
wiefernsich die Täter-und Opfergruppen
in der Schwereder ausgeübten oder er-
lebten Gewalt unterscheiden. Eine Grup-
peneinteilung, die die Schwereder Ta ten
berücksichtigt, könnte aufschlussreiche
Erkenntnisse liefern. Besonders wichtig
erscheint dabei, wie schwer die Gefange-
nen selbst bestimmte Gewalthandlungen
einschätzen. Zu diesem Punkt sind noch
weitereAuswertungen im Projektverlauf
vorgesehen.
Neben Einschränkungen hinsichtlich
der Gruppeneinteilung könnten auch Fra-
gen bezüglich der Zuverlässigkeit selbst-
berichteter Daten aufkommen –insbeson-
dereinAnbetracht des sensiblen For-
schungsthemas und der als schwierig
geltenden Untersuchungsgruppe. Indes
lassen die nachfolgenden, lediglich stich-
wortartigen Punkte auf eine hohe Relia-
bilität der erhobenen Daten schließen.
Erstens wurde eine kontrollierte Befra-
gungssituation hergestellt: Die Fragebo-
generhebungen fanden in parallelen Grup-
pensettings von bis zu 13 Gefangenen in
Anwesenheit zweier Projektmitarbeiter
und in Abwesenheit des Vollzugsperso-
nals statt. Es wurde sichergestellt, dass
die Befragten den Fragebogen unbeein-
flusst von Mitgefangenen ausfüllten konn-
ten. Zweitens wurden die Teilnehmer vor
jeder Befragung umfangreich in Informa-
tionsveranstaltungen aufgeklärt und zur
Studienteilnahme motiviert. Die Gefange-
nen zeigten ein großes Interesse an der
Befragung, was u. a. durch Nachfragen
besonders deutlich wurde. Der persön-
liche Kontakt stellte sich als sehr positives
Element heraus, da die Gefangenen zu
den Projektmitarbeiternschnell ein Ver-
trauensverhältnis aufbautenund in Ge-
sprächen auch persönliche Fragen und
Anliegen formulierten. Auch die hohe Mit-
wirkungsquote von bis zu 75% lässt auf
eine hohe intrinsische Motivation und
Bindung der Probanden schließen. Dies
wurde, drittens, auch im offenen Frage-
bogenteil und in den Interviews sichtbar,in
denen die Gefangenen das Bedürfnis mit-
teilten, ihrepersönliche Perspektive zu
artikulieren. Viertens bestand durch die
Erhebung unterschiedlicher Datenquellen
(Fragebögen und Gefangenenpersonalak-
ten) die Möglichkeit eines Abgleichs von
Hell- und Dunkelfeld, der hier jedoch nicht
weiter ausgeführt werden kann.7Darüber
hinaus rechtfertigen insbesonderedas
Forschungsdesign einer wiederholten Be-
fragung zu vier Messzeitpunkten und die
Konstanz der sich auf einem ähnlichen
Niveau bewegenden Ergebnisse die Aus-
sage, dass die erhobenen Daten eine hohe
Reliabilität aufweisen. Letztendlich zeigt
auch der Vergleich mit anderen Studien,
dass die Daten als zuverlässig gelten kön-
nen.
Bisherige Studien unterlagen häufig der
impliziten Annahme einer statischen Ein-
teilung der Inhaftierten in Täter und Opfer.
Ein derartiges Verständnis der Gruppen-
zugehörigkeiten findet sich auch häufig in
Gefangenenpersonalakten, in denen die
Inhaftierten in Täter,Opfer oder Mitläufer
eingeteilt werden, was Folgen für den Voll-
34 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
7Dies impliziert indes nicht, dass die von den Anstalten doku-
mentierten Daten einen höheren Wahrheitsgehalt aufwiesen.
Diese Annahme ließe sich durch Umstände wie die Nichtauf-
deckung und das Verschweigen von Gewalthandlungen oder
auch eine unterschiedliche Aktenführung entkräften (vgl.
auch Dölling, 1984). Indes kann der Abgleich zu einer
Annäherung an ein präziseres Bild der Prävalenz von Ge-
walthandlungen beitragen. Zudem lässt sich sagen, dass
sich die Studienteilnehmer durch das Wissen um diese Mög-
lichkeit zu ehrlichen Angaben motiviert sahen.
zugsalltag haben kann8.Die Ergebnisse
zur längsschnittlichen Überschneidung
der Gruppen sprechen jedoch für eine
hohe Fluktuation der Gruppen und eine
dynamische Veränderung der Rollen im
Strafvollzug. Jemand, der gerade noch
Aggressor war,kann im nächsten Moment
Opfer werden. Ein Gefangener,der es
bislang geschafft hat, sich dem Gewalt-
geschehen weitestgehend zu entziehen,
kann mit Gewalt konfrontiert werden und
muss dazu Stellung beziehen bzw.darauf
reagieren. Ein statisches Verständnis der
Täter-und Opferrollen geht daher an der
Wirklichkeit des Vollzugsgeschehens vor-
bei.
Darüber hinaus scheint die Fluktuation
der Gruppen über die Zeit besonders
wichtig zu sein, wenn man die Einstel-
lungsunterschiede zwischen den Gruppen
betrachtet. Einstellungen, die Gewalt be-
fördernkönnen und starke Prädiktoren für
Gewalt darstellen (Gewaltakzeptanz und
Männlichkeit; Endrass et al., 2008; Gen-
dreau et al., 1997; Lahm, 2007), sind in
den Gruppen unterschiedlich stark aus-
geprägt. Die beiden Tätergruppen (Täter
über dem Median und Täter/Opfer) haben
einen höheren Mittelwert auf den unter-
suchten Skalen zu Einstellungen. Diese
weisen also Einstellungen auf, die Gewalt
eher fördernund zu weiterer Gewalt
führen können. In diesem Zusammenhang
ist festzustellen, dass Gewalt auch in den
Erzählungen jener Gefangener,die selber
Viktimisierungserfahrungen aufweisen, als
soziales Ordnungsprinzipwirksam wird
und sich (männlichkeitsbetonende) Aus-
grenzungs- und Abwertungsprozesse von
Opfernf
inden lassen. Bei reinen Opfern
hingegen lässt sich eine derartige Ausprä-
gung weder in den Interviewaussagen
noch in den quantitativen Ergebnissen
konstatieren, in denen sie einen mitunter
deutlich geringeren Mittelwert auf den
Konstrukten Subkultur und Männlichkeit
aufweisen. Da sich die Gruppen über die
Zeit primär hin zu mehr Gewalt entwickeln,
sich also eine Anpassung an die Um-
stände im Strafvollzug vermuten lässt,
sind die Gruppenunterschiede von beson-
derer Bedeutung. Die höhereGewaltak-
zeptanz, das Vorliegen gewaltlegitimieren-
der Männlichkeitsnormen sowie die ver-
mehrten subkulturellen Einstellungen in
den Tätergruppen sprechen für eine
höhereEingebundenheit dieser Inhaftier-
ten in die Subkultur der Gewalt. Die An-
nahme, dass Einstellungen sich im Zuge
eines Wechsels in eine Tätergruppe dahin-
gehend verändern, dass sie mit mehr Ge-
walt einhergehen, ist jedoch in weiteren
längsschnittlichen Untersuchungen noch
zu prüfen. Dennoch unterstreichen die
Ergebnisse die Bedeutsamkeit von For-
schung in diesem Feld. Gleichzeitig kann
die Forschung zu Ursachen von Einstel-
lungsänderungen und zu Gruppenwech-
seln Interventions- und Präventionsmög-
lichkeiten aufzeigen, um Gewalt im Straf-
vollzug und Viktimisierungserfahrungen
von Gefangenen vorzubeugen.
Ein dynamisches Verständnis der Täter-
und Opferrollen im Strafvollzug ist auch für
Interventions- und Präventionsbemühun-
gen von besonderer Wichtigkeit. Dem-
gemäß müssen Präventionsmaßnahmen,
wie z. B. Anti-Aggressionstrainings für
Täter,die Möglichkeit der Opferwerdung
dieser Personen mit einbeziehen. Die ei-
genen Opfererfahrungen können womög-
lich genutzt werden, um Änderungen des
Verhaltens bei den Inhaftierten zu bewir-
ken. Mit Blick auf eine opferbezogene
BewHi 1/2013 35
Jenny Häufle et al.: Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug
8Zumindest fanden sich solche Einteilungen in vielen der vom
Projektteam analysierten Gefangenenpersonalakten.
Vollzugsgestaltung, d. h. auf eine Ausrich-
tung der Maßnahmen auf die Opfer der
Inhaftierten, sollten auch hier die eigenen
Opfererfahrungen der Inhaftierten nicht
unberücksichtigt bleiben. Immerhin waren
zwei Drittel der Inhaftierten nach eigenen
Angaben bereits selbst Opfer von Gewalt.
Sollen die Gefangenen es schaffen, den
„Kreislauf der Gewalt“ zu durchbrechen,
muss daher auch im Strafvollzug die The-
matik eigener Viktimisierungserfahrungen
bearbeitet werden. In diesem Sinne ver-
weisen verschiedene Studien auf die Not-
wendigkeit früher Prävention und Inter-
vention (vgl. Welsh &Farrington, 2007a,
2007b) und liefernBelege, dass entspre-
chende Bemühungen erfolgreich sein
können. Befinden sich die jungen Männer
erst einmal im Gefängnis, sollten die
Bemühungen nicht nachlassen, sondern
müssen auch dort aufrechterhalten bzw.
intensiviert werden. Nicht zuletzt könnte
ein besseres Verständnis der eigenen
Viktimisierung und ihrer Aufarbeitung zu-
künftige Täterschaft verhindern, wenn
dadurch Empathie gefördert und ein bes-
seres Verständnis des Opfererlebens er-
reicht würde (siehe auch Schwingenheuer
&Wirth, 2011). Aufgrund der hohen Be-
deutung der Einstellungen für die Gewalt-
ausübung erscheint es auch bei Präven-
tionsmaßnahmen wichtig, die negativen
Bewertungen und Einstellungen gegen-
über den Opfernzubearbeiten. In jedem
Fall sind Ansätze verkürzt, die lediglich auf
einen Aspekt der Thematik abstellen, also
nur die Täter-oder nur die Opferseite er-
fassen.
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Dipl.-Psych. JENNY HÄUFLE
HOLGER SCHMIDT M.A.
Prof. Dr.iur.FRANK NEUBACHER M. A.
Adresse:
Institut für Kriminologie der Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
38 BewHi 1/2013
SCHWERPUNKT OPFERBEZOGENE VOLLZUGSGESTALTUNG
... Es zeichnete sich das Bild ab, dass psychische Gewalt am häufigsten vertreten war, gefolgt von physischer Gewalt (Neubacher 2014). Sexuelle Belästigung oder Übergriffe spielten hingegen nur eine untergeordnete Rolle und waren in mehreren Dunkelfeldstudien nur von vereinzelten Befragten angezeigt worden (Bieneck und Pfeiffer 2012;Häufle et al. 2013;Neubacher 2014). Die Mehrheit der Inhaftierten übte Gewalt aus, viele von ihnen waren zugleich deren Opfer, eine Minderheit war nur Opfer, und eine andere Minderheit war gar nicht betroffen (Baumeister 2017;Bieneck und Pfeifer 2012;Häufle et al. 2013;Neubacher 2020). ...
... Sexuelle Belästigung oder Übergriffe spielten hingegen nur eine untergeordnete Rolle und waren in mehreren Dunkelfeldstudien nur von vereinzelten Befragten angezeigt worden (Bieneck und Pfeiffer 2012;Häufle et al. 2013;Neubacher 2014). Die Mehrheit der Inhaftierten übte Gewalt aus, viele von ihnen waren zugleich deren Opfer, eine Minderheit war nur Opfer, und eine andere Minderheit war gar nicht betroffen (Baumeister 2017;Bieneck und Pfeifer 2012;Häufle et al. 2013;Neubacher 2020). Die entsprechenden Raten hängen u. a. von den Items, mit denen Gewalt erfasst wird, und vom betrachteten Zeitraum ab. ...
... Gemäß den psychologischen Grundbedürfnissen nach Grawe wäre die Schlussfolgerung denkbar, dass der Freiheitsentzug das Selbstwertgefühl beeinträchtigt und die Inhaftierten dies durch die Anwendung instrumenteller Gewalt ausgleichen. Häufle et al. (2013) Baumeister und Campell (1999) war eine mögliche Ursache für Gewalttaten das Streben nach aufregenden Gefühlen, um der Langeweile zu entkommen. Mit Blick auf Grawes Grundbedürfnisse würde das dem Streben nach Lustgewinn und Unlustvermeidung entsprechen (Grawe 2004). ...
Article
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Zusammenfassung Die deutsche Justiz hat die Aufgabe, die Insassen der Justizvollzugsanstalten sicher unterzubringen (also auch frei von Gewalt) und auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Empirische Studien kamen jedoch zu der Erkenntnis, dass ein hohes Ausmaß an Gewalthandlungen zwischen Gefängnisinsassen zu verzeichnen ist und insbesondere Jugendstrafanstalten stark von diesem Phänomen betroffen sind. Für die vorliegende Studie wurden 50 Interviews mit Insassen der bayerischen Jugendstrafanstalten geführt, um deren Annahmen über die Motive und Ursachen der Gewalthandlungen zwischen den Gefangenen des Strafvollzugs zu erfragen. Dieses explorative Vorgehen wurde durch eine quantitative Datenerhebung ergänzt. Dabei wurde zum einen die Hypothese geprüft, dass Gewalt gegenüber anderen Insassen das Ziel verfolgt, Macht bzw. Status zu erlangen, um den eigenen Selbstwert und die Position in der Gemeinschaft zu stärken. Zum anderen wurde angenommen, dass gewalttätiges Verhalten stimulierend wirkt und angewendet wird, um der Langeweile in der Haft zu entfliehen. Die Auswertung der Interviews erfolgte durch eine qualitative Inhaltsanalyse. Die Mehrheit der befragten Personen berichtete von einem verstärkten Gewaltaufkommen innerhalb der Gefängnismauern verglichen mit der Außenwelt. Das im Interview am häufigsten genannte Motiv für gewalttätiges Verhalten war das Streben nach Status und Macht. Dieser Zusammenhang konnte auch durch die Fragebogendaten bekräftigt werden. Ebenso konnte ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß aktiver Gewaltausübung und der erlebten Langeweile durch die empirischen Daten belegt werden. Im Hinblick auf mögliche Maßnahmen, um dem Gewaltphänomen präventiv entgegenzuwirken, konnten die meisten Befragten keine Verbesserungsvorschläge nennen. Darin spiegeln sich die Komplexität und Schwierigkeit, wirksame Präventionsmaßnahmen in den Strafvollzug zu implementieren, wider.
... Dessen begrenzte Möglichkeiten treffen also auf zunehmend größere Herausforderungen. In einem Forschungsprojekt der Universität zu Köln, das auf den geschlossenen Jugendstrafvollzug fokussierte und erstmals längsschnittlich angelegt war, wurden quantitative und qualitative Verfahren kombiniert und eine Kontrollgruppe aus Bewährungsprobanden einbezogen (Neubacher 2014;Boxberg et al. 2016;Schmidt 2013;Häufle et al. 2013;Neubacher et al. 2011). Die 882 männlichen Jugendstrafgefangenen, die an der Studie teilnahmen, waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 20 Jahre alt. ...
... Wer Opfer wird, tritt später mit höherer Wahrscheinlichkeit als Täter hervor. Durch die Ausübung von Gewalt verfestigen sich bestimmte Einstellungen, nämlich Gewaltakzeptanz, Männlichkeitsvorstellungen sowie eine positive Einstellung zu subkulturellen Werten und Verhaltensweisen (Häufle et al. 2013). Gleichzeitig stieg mit der Dauer der Inhaftierung auch die Zahl derer, die auf massive Formen der Gewalt zurückgegriffen hatten. ...
... Die Demonstration physischer Stärke ist die häufigste Selbstbehauptungsstrategie -und auch jene, die den eigenen Status wahrt. Dagegen wird die Alternative, sich in einer "geschützten Abteilung" unterbringen zu lassen, eher als stigmatisierend und der eigenen Reputation abträglich angesehen (Häufle et al. 2013). Verknüpft man die in Haft ausgeübte Gewalt mit der vorinstitutionellen Biographie der jungen Männer, so zeigt sich, dass vor allem die im familiären Kontext erlittenen Ohnmachts-und Missachtungserfahrungen von Bedeutung sind (Schmidt 2013). ...
Chapter
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In einem Überblicksbeitrag ist es schwerlich möglich, alle Forschungsbefunde im Detail darzulegen und zu diskutieren. Wir gehen deshalb wie folgt vor: Zunächst kennzeichnen wir für den Jugendstrafvollzug maßgebliche Entwicklungen der letzten Jahre (1.), um auf dieser Grundlage besonders relevante Fragen und damit zusammenhängende Arbeiten einzuordnen. Dabei behandeln wir schwerpunktmäßig die Problembereiche Gewalt und Disziplinierung (2.) sowie Ausbildung und Arbeit, auch unter dem Aspekt der Desistance (3.), bevor wir zum Schluss einen Ausblick geben.
... Sie betrifft insbesondere den Jugendstrafvollzug, ist eng mit subkulturellen Normen und Einstellungen verwoben und beeinträchtigt das Sicherheitsempfinden der Gefangenen nicht unerheblich. In einem Forschungsprojekt der Universität zu Köln, das auf den geschlossenen Jugendstrafvollzug fokussierte und erstmals längsschnittlich angelegt war, wurden quantitative und qualitative Verfahren kombiniert und eine Kontrollgruppe aus Bewährungsprobanden einbezogen Boxberg et al. 2016;Häufle et al. 2013;Neubacher et al. 2011). Die 882 männlichen Jugendstrafgefangenen, die an der Studie teilnahmen, waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 20 Jahre alt. ...
... Die Demonstration physischer Stärke ist die häufigste Selbstbehauptungsstrategie -und auch jene, die den eigenen Status wahrt. Dagegen wird die Alternative, sich in einer "geschützten Abteilung" unterbringen zu lassen, eher als stigmatisierend und der eigenen Reputation abträglich angesehen (Häufle et al. 2013). Verknüpft man die in Haft ausgeübte Gewalt mit der vorinstitutionellen Biographie der jungen Männer, so zeigt sich, dass vor allem die im familiären Kontext erlittenen Ohnmachts-und Missachtungserfahrungen von Bedeutung sind . ...
Chapter
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Auch wenn das einleitende Zitat des Grünen-Bundestagsabgeordneten Kai Gehring beim Erschienen dieser dritten Auflage des Handbuches Jugendkriminalität bereits fast ein Jahrzehnt alt ist, so steht es doch exemplarisch für ein auf der politischen Bühne weiterhin weitverbreitetes Verständnis davon, wie strafrechtlich bewährte Abweichungen von Jugendlichen am besten verhindert oder bearbeitet werden sollten (Dollinger et al. 2016).
Chapter
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While there are relatively many reports and research projects on violence in prison, the issue of mental illness of prisoners has so far played only a relatively minor role in criminology. Overall, the public is uninformed about the prison system, especially through the media, which usually report very selectively, especially about problems. In recent years, public punitiveness has increased on the background of growing problems in society. People with mental health problems are significantly over-represented in prison compared to the normal population. In particular, the suicide rate among prisoners is also significantly increased in this context. This is confirmed by international data from many countries. Due to the unfavourable living conditions and the multiple problems of the prisoners, it is not surprising that the violence among the prisoners is also relatively high. This is especially true for juvenile male detainees. On prison violence, living conditions and, in particular, contact between prisoners and staff and their quality play a major role. In this context, it is difficult for prisons to realise their real task of resocialising the prisoners. Prisons are very unfavourable places to achieve the statutory resocialisation task. In many cases, incarceration contributes to a deterioration rather than an improvement in the social behaviour of prisoners.
Article
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Jugendstrafgefangene gelten als eine hoch belastete Bevölkerungsgruppe. Intraprisonäre Gewalt kann als mögliche Anpassungsstrategie auf die – durch die Haft mitunter verstärkten – Belastungslagen verstanden werden. Der nachfolgende Beitrag stellt umfassend die Ergebnisse aus einer Längsschnittstudie im Jugendstrafvollzug vor. Dabei werden verschiedene Importations- und Deprivationsmerkmale zu Gewalt unter männlichen Jugendstrafgefangenen in Bezug gesetzt, um der Frage nachzugehen, inwiefern Gewalt als eine Anpassungsstrategie an die Haft gesehen werden kann. [Violence as adaptation strategy? Dealing with hardship in prison (In German Language): Young prisoners are a population group reckoned as highly strained and marginalised. Violence can be understood as a possible adaptation strategy to cope with the hardship that might even be intensified by the imprisonment. The following contribution goes into this matter and presents numerous findings of a longitudinal study about young people in youth custody. In doing so, several features of importation and deprivation respectively are put into relation to violence among young male prisoners.]
Article
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Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Fragestellungen, Methoden und Kernbefunde einer retrospektiven Untersuchung an weiblichen und männlichen Jugendstrafgefangenen in Sachsen, die seit 2007 wegen mindestens einer im Strafvollzug begangenen Gewalttat aufgefallen sind. Es werden Aussagen zu Art, Aufkommen und Formen der Gewalt sowie zu Merkmalsunterschieden der Täter- und Opfergruppe und einer männlichen Vergleichsstichprobe getroffen. Schließlich werden ethische Aspekte einer möglichen Prognosestellung von Gewalttaten im Vollzug diskutiert und Anstöße für eine Diskussion über weitere Ansätze in der Präventionsarbeit mit möglichen Opfern und Tätern und hinsichtlich des Institutsklimas gegeben.
Article
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The prospective link between early life exposure to violence and victimization and subsequent antisocial behaviors is known as the cycle of violence. Although the cycle of violence has been linked to an array of behavioral and psychiatric outcomes, less is known about its relationship to compliance with the juvenile/criminal justice systems. Data from 813 confined delinquents selected from the California Youth Authority and the Traumatic Experiences scale from the Massachusetts Youth Screening Instrument Version 2 (MAYSI-2) were used to examine the cycle of violence and three forms of misconduct. After controlling for other 18 demographics, delinquent history, commitment offense type, and comorbid psychiatric symptoms that are consistent with the importation model of inmate behavior, the authors found that wards with greater exposure to early life trauma evinced more sexual misconduct, suicidal activity, and total misconduct reviewed by the parole board. Implications and discussion for future research are offered.
Article
A retrospective review was conducted of the 2003 disciplinary records of close-custody inmates (N = 24,514) in the Florida Department of Corrections. The frequency of various forms of violent misconduct was inversely related to the severity of this prison violence. A logistic regression analysis controlling for other factors demonstrated that younger age, shorter sentence, prison gang affiliation, prior prison violence, and prior prison term were predictive of violent institutional misconduct. Conversely, older age, longer sentence, and violent offense of conviction were associated with lower rates of violent prison infractions. Actuarial models constructed from the logistic regression analysis were modestly successful in predicting institutional misconduct (area under the curve = .717 to .738, p < .001), whether predicting all infractions or violent misconduct of varying severity.
Article
This article reviews research on bullying amongst prisoners. It discusses the definitional problems surrounding the concept of “bullying” applied to a prison environment, and the concepts of dominance and inmate subculture in relation to their contributions to understanding bullying among prisoners. It also addresses the nature and the extent of bullying, the characteristics of bullies and their victims, and the reactions of victims to the bullying. The review concludes with a discussion of the methodological limitations of the present research and directions for future research.
Article
Most literature on inmate assaultive behavior considers only one level of analysis, thereby ignoring the importance of prison context on inmate behavior. This study improved on past research by combining inmate and prison-level data into a multilevel model explaining inmate-on-inmate, nondeadly assaults. Data from 1,054 male inmates in 30 prisons revealed that age and aggression were the most robust predictors of inmate-on-inmate assaults. In terms of multilevel effects, aggressive inmates were found to commit more assaults in prisons that were more crowded and had a greater percentage of younger inmates (e.g., younger than age 25). Policy implications and suggestions for a multilevel theory of prison violence are discussed.
Article
Ausgangspunkt ist die Frage, wie in modernen Gesellschaften das Kollektivgut Sicherheit gewährleistet und die öffentliche Ordnung aufrechterhalten werden können und wie sich der bellum omnium contra omnes verhindern lässt. Inneren und äußeren Frieden, Freiheit und soziale Wohlfahrt zu bewahren ist eines der zentralen Ziele demokratischer Gesellschaften. Sicherheit wird in seinen vielfältigen soziologischen, politischen und gesellschaftlichen Dimensionen reflektiert und als ein zentraler Begriff der Sozialwissenschaften und der Staatswissenschaften eingeführt. Hierauf aufbauend wird ein analytisches Modell, das verschiedene Sphären von Sicherheit (soziale, wirtschaftliche, politische und Wertsphäre) im politischen Raum unterscheidet, vorgestellt. Abschließend wird mit Blick auf die genuinen Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Staates dessen Rolle bei der Friedenssicherung, der Gewährung innerer Sicherheit diskutiert und darauf verwiesen, dass dieser gegenwärtig nicht mehr alleiniger Garant von Sicherheit sein kann.