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VHN, 82. Jg., PrePrint Online (2013) DOI 10.2378/vhn2013.art16d
© Ernst Reinhardt Verlag
Mythen geistiger Behinderung und
sexueller Gewalt im Strafverfahren
Ergebnisse einer qualitativen Analyse
von Strafprozessakten aus zwei Deutschschweizer
Kantonen1
Paula Krüger, Seraina Caviezel Schmitz, Susanna Niehaus
Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Zusammenfassung: Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit geistiger Behinderung galt
lange als undenkbar. Inzwischen liegen wissenschaftliche Belege vor, die zeigen, dass
lern- und geistig behinderte Menschen in höherem Maße von sexueller Gewalt betroffen
sind als nicht beeinträchtigte Menschen. Dass das Problem lange nicht erkannt wurde,
dürfte wesentlich mit Prozessen sozialer Wahrnehmung zusammenhängen, denen sich
auch die an einem Strafverfahren beteiligten Fachpersonen nicht entziehen können. Die
soziale Wahrnehmung von intellektuell beeinträchtigten Menschen ist durch über-
wiegend negative Einstellungen diesen Menschen gegenüber, eine pauschale Defizit-
orientierung sowie durch „Mythen geistiger Behinderung“ geprägt. Im vorliegenden
Beitrag werden die Ergebnisse einer qualitativen Analyse von 57 Strafprozessakten
aus zwei Schweizer Kantonen dargestellt und die Wirksamkeit von Mythen geistiger
Behinderung sowie deren Verknüpfung mit bekannten Mythen sexueller Gewalt auf-
gezeigt.
Schlüsselbegriffe:  Sexuelle  Gewalt,  geistige  Behinderung,  Mythen  geistiger  Behinderung, 
Mythen sexueller Gewalt
Myths of Intellectual Disability and Sexual Violence in Criminal Proceedings.
Results of a Qualitative Analysis of Records of Criminal Proceedings
in Two Swiss Cantons
Summary: Sexual violence against people with intellectual disabilities (ID) was long ta-
ken to be inconceivable. Today, there is scientific proof that men and women with ID are
in fact at a higher risk of being raped or sexually assaulted. The failure to recognize the
problem for a long time probably relates strongly to social perception processes; proces-
ses that even professionals within the criminal justice system cannot avoid. Social per-
ception of people with ID is affected by primarily negative attitudes towards these indi-
viduals, a general deficit orientation, as well as “myths of ID”. This article presents the
results of a qualitative analysis of 57 records of criminal proceedings in two Swiss can-
tons, showing the efficacy of myths of ID as well as their intertwining with general myths
of sexual violence.
Keywords:  Sexual violence, intellectual disabilities, myths of intellectual disability, myths of 
sexual violence
FACHBEITRAG
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PAULA KRÜGER, SERAINA CAVIEZEL SCHMITZ, SUSANNA NIEHAUS
Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren
FACHBEITRAG
1 Sexuelle Gewalt gegen
intellektuell beeinträchtigte
Menschen
Inzwischen gilt es als wissenschalich belegt,
dass sowohl geistig als auch lernbehinderte
Männer und Frauen in höherem Maße von se-
xueller Gewalt
2 betroen sind als nicht beein-
trächtigte Menschen (u. a. McEachern 2012;
Schröttle u. a. 2012; Zemp u. a. 2005). Die be-
sondere Gefährdung von Menschen mit intel-
lektuellen Beeinträchtigungen, Opfer sexueller
Gewalt zu werden, liegt in ihrer Abhängigkeit
von anderen, mangelnder sexueller Aulä-
rung, Kommunikationsproblemen und dem
häugen Infragestellen ihrer Glaubwürdigkeit
begründet (u. a. Bender 2012). In der institu-
tionellen Praxis sind bereits seit einigen Jah-
ren verstärkt Bemühungen zu erkennen, auf
diese Problematik zu reagieren, sowohl durch
zielgruppenspezisches Informationsmaterial
(u. a. Elmer/Fries 2006; Bundesvereinigung
Lebenshilfe 2009) als auch durch Maßnahmen
zur Förderung der Reexion des eigenen Rol-
lenverständnisses von Institutionsmitarbei-
tenden (Bosch 2002) sowie der konsequente-
ren Intervention in Verdachtsfällen sexueller
Übergrie (Fegert u. a. 2006). Die Tatsache,
dass das Problem lange Zeit nicht bewusst
wahrgenommen wurde, düre wesentlich mit
Prozessen sozialer Wahrnehmung zusammen-
hängen. So weisen zahlreiche Studien darauf
hin, dass Einstellungen gegenüber Menschen
mit geistiger Behinderung überwiegend nega-
tiv gefärbt sind (z. B. Cloerkes 2001; Scior
2011; Tröster 1990) und in vielen Gesell-
schasbereichen ein diuses, dezitorientier-
tes Bild von geistiger Behinderung vorherrscht
(Schabmann/Klicpera 1995), wenn auch die
Befundlage mit teilweise diskriminierenden
und teilweise wohlwollend mitleidsvollen Re-
aktionen keineswegs eindeutig ist. Darüber
hinaus existieren weit verbreitete Einstellun-
gen und Überzeugungen über Menschen mit
geistiger Behinderung, die – in Anlehnung an
das sozialpsychologische Konzept der Mythen
sexueller Gewalt (u. a. Bohner 1998; Temkin/
Krahé 2009) – mangels Realitätsbezuges als
„Mythen geistiger Behinderung“ bezeichnet
werden können (Brill 1998; Grün 1997; Senn
1993). Hierzu zählt beispielsweise die Über-
zeugung, dass Menschen mit geistiger Behin-
derung keinen Anteil nehmen würden an
dem, was um sie herum geschieht.
Im Zusammenhang mit dem ema sexuelle
Gewalt und geistige Behinderung sind zwei
sich widersprechende Mythen zentral: Einer-
seits der Mythos, Menschen mit geistiger Be-
hinderung seien geschlechtslose, asexuelle
Wesen, andererseits der Mythos der besonde-
ren Triebhaigkeit und sexuellen Impulsivität
geistig behinderter Menschen (u. a. Walter
2002). Diese unvereinbar scheinenden My-
then haben eines gemeinsam: Beide können
dazu führen, dass sexuelle Übergrie auf
Menschen mit geistiger Behinderung nicht als
solche wahrgenommen werden und somit zu
einer Marginalisierung des Problems führen.
In Verknüpfung mit allgemeinen Mythen se-
xueller Gewalt, welche sexuelle Übergrie we-
niger als Machtmissbrauch denn als Ausleben
einer durch Attraktivität des Opfers ausgelös-
ten aggressiven Form normaler Sexualität se-
hen (u. a. Bohner 1998; Greuel 1992), für die
Menschen mit geistiger Behinderung die not-
wendige Attraktivität abgesprochen wird, er-
zeugen unterschiedliche Mythen eine Vorstel-
lungswelt, in der sexuelle Übergrie auf Men-
schen mit Behinderung nicht denkbar sind.
Die soziale Wahrnehmung von Menschen mit
geistiger Behinderung ist somit geprägt durch
überwiegend negative Einstellungen, eine pau-
schale Dezitorientierung sowie Mythen geis-
tiger Behinderung. Auch die an einem Straf-
verfahren beteiligten Fachpersonen können
sich Prozessen der sozialen Wahrnehmung
nicht entziehen. Ergebnisse sozial- und rechts-
psychologischer Forschung machen deutlich,
dass Verlauf und Ausgang von Ermittlungs-
und Strafverfahren durch Prozesse sozialer
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Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren FACHBEITRAG
Wahrnehmung geprägt werden (zusammen-
fassend: Niehaus u. a. 2009). Im Rahmen einer
vom Schweizerischen Nationalfonds geförder-
ten Studie haben die Autorinnen untersucht,
was die am Verfahren beteiligten Berufsgrup-
pen über geistig behinderte Menschen als Op-
fer sexueller Gewalt wissen und denken. Die
Studie bestand aus drei Teilen:
1. Im ersten Teil stand die Frage im Mittel-
punkt, was Vertreter(innen) der Justiz und
Polizei, psychologische und psychiatrische
Sachverständige sowie Sozialarbeitende
über geistige Behinderung denken und wis-
sen und wie sich dies auf die Einschätzung
von Fällen auswirkt. Dies wurde u. a. mittels
einer schrilichen Fragebogenstudie unter-
sucht.
2. Den Schwerpunkt des zweiten Teils bildete
eine qualitative Analyse staatsanwaltscha-
licher und gerichtlicher Akten zu Fällen se-
xueller Gewalt gegen intellektuell beein-
trächtigte Menschen. Sie sollte zeigen, ob
von Verfahrensbeteiligten auf Mythen geis-
tiger Behinderung und sexueller Gewalt ar-
gumentativ rekurriert wird und diese somit
ihre Wirkung in den Verfahren entfalten
können.
3. Im dritten Teil wurden Betroene im Rah-
men einer qualitativen Interviewstudie zu
ihren Erfahrungen in Strafverfahren befragt.
Im vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse
der qualitativen Aktenanalyse vorgestellt und
diskutiert. Für einen detaillierten Überblick
über die Konzeption der Gesamtstudie sei auf
Niehaus u. a. (2012) verwiesen.
2 Methodisches Vorgehen
In die Analysen im zweiten Studienteil wur-
den staatsanwaltschaliche und gerichtliche
Akten zweier Deutschschweizer Kantone zu
Fällen von Delikten gegen die sexuelle Selbst-
bestimmung (Art. 187 193 StGB) von intel-
lektuell beeinträchtigten Menschen aus den
Jahren 2000 – 2009 einbezogen. Da davon
auszugehen ist, dass sich die soziale Wahrneh-
mung kindlicher und erwachsener Opfer se-
xueller Gewalt generell (behinderungsunab-
hängig) unterscheiden düre (z. B. in Bezug
auf die Verantwortungszuschreibung), wur-
den nur Fälle einbezogen, in denen das intel-
lektuell beeinträchtigte Opfer mindestens 15
Jahre alt war. Ab diesem Alter dürfen schul-
entlassene Jugendliche in der Schweiz ohne
Sondergenehmigungen und mit wenigen Ein-
schränkungen erwerbstätig sein und eine Leh-
re beginnen; sie benden sich somit „auf dem
Weg in eine der Schlüsselrollen des Erwachse-
nenstatus, der Erwerbstätigkeit“ (Hurrelmann
2007, 87). Dies gilt grundsätzlich auch für in-
tellektuell beeinträchtigte Jugendliche. Der
Wahrheitsstatus der Aussagen der Opfer war
für die Analysen und damit für die Fallaus-
wahl insofern irrelevant, als das Wirksamwer-
den der hier interessierenden Mythen unab-
hängig davon ist, ob eine Straat vorliegt oder
nicht.
Die Identikation der relevanten Akten war
dadurch erschwert, dass eine intellektuelle Be-
einträchtigung des Opfers in den Ablagesyste-
men der Behörden nicht ausgewiesen ist. Da-
her wurde zunächst eine Vorauswahl von Ak-
ten getroen, in denen nach Hinweisen auf
eine intellektuelle Beeinträchtigung des Op-
fers gesucht wurde (z. B. Besuch einer heilpäd-
agogischen Schule, Erwähnung eines Heims
oder eines Beistandes). Aus unterschiedlichen
Gründen konnten jedoch nicht alle Akten
zum Zeitpunkt der Vorselektion und Akquise
zugänglich gemacht werden (z. B. bei hängigen
Verfahren). In die Analyse konnten auf diese
Weise insgesamt 57 Akten zu 70 Fällen mit 60
Opfern und 66 Beschuldigten einbezogen wer-
den. Die Mehrheit der Opfer war weiblich, in
elf Fällen war das Opfer männlich (18 %). 23 %
der Opfer wiesen eine Lern-, die restlichen
77 % eine geistige Behinderung auf. Der Fokus
der Studie lag zwar auf geistig behinderten
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Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren
FACHBEITRAG
Opfern sexueller Gewalt; dennoch sollte über-
prü werden, ob dieselben Mythen bereits
beim Vorliegen einer Lernbehinderung be-
dient werden. Aus diesem Grund wird bei der
Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
nicht der Begri der geistigen Behinderung,
sondern der der intellektuellen Beeinträchti-
gung verwendet. Insgesamt ist bei diesen Zah-
len aufgrund der erschwerten Bedingungen
bei der Aktenakquise sowie des Umstandes,
dass eine intellektuelle Beeinträchtigung des
Opfers von den Verfahrensbeteiligten nicht in
jedem Fall erkannt worden sein düre, davon
auszugehen, dass es sich um eine deutliche
Unterschätzung von Strafverfahren wegen se-
xueller Gewalt gegen intellektuell beeinträch-
tigte Menschen handelt.
Um Hinweise auf die Wirksamkeit der ge-
nannten Mythen zu erhalten, wurden die Be-
fragungen, Urteilsbegründungen, Gutachten
usw. in Anlehnung an Mayring (2008) com-
putergestützt mit Atlas.ti® qualitativ inhalts-
analytisch ausgewertet. Das hierbei verwen-
dete Kategoriensystem bestand aus deduktiv
gewonnenen Kategorien, die mit den aus der
Literatur bekannten Mythen geistiger Behin-
derung identisch waren („Vor sexueller Ge-
walt schützende Unattraktivität“, „besondere
Triebhaigkeit bzw. -gesteuertheit“, „Asexua-
lität“, „Nicht-Wahrnehmen des sexuellen
Missbrauchs als solchen, „klebrige Distanzlo-
sigkeit“; vgl. Trost 2010; Walter 2002). Diese
konnten durch induktiv gewonnene Kategori-
en ergänzt werden, doch führten die Analy-
sen zu keiner Erweiterung des Mythen-Kate-
goriensystems. Relevante Textstellen wurden
zunächst kodiert, und anschließend wurde
das extrahierte Material pro Kategorie mit
Blick auf die zugrunde liegende Fragestellung
zusammengefasst.
Die folgende Darstellung der Analyseergeb-
nisse ist nach den fünf untersuchten Mythen
gegliedert, die jeweils einleitend kurz erläutert
werden.
3 Ergebnisse
3.1 Mythos 1: Vor sexueller Gewalt
schützende Unattraktivität
intellektuell beeinträchtigter
Menschen
In elf der analysierten Akten (19,3 %) fanden
sich Belege für die Wirksamkeit der falschen
Überzeugung, mangelnde Attraktivität schüt-
ze (intellektuell beeinträchtigte) Menschen
vor sexueller Gewalt; in keinem dieser Fälle
war das Opfer lernbehindert. Bemerkenswer-
terweise wurde in den analysierten Akten
nicht allein die mangelnde physische Attrakti-
vität, sondern auch das auällige, ‚abnormale‘
Verhalten geistig behinderter Personen als
unattraktiv wahrgenommen. Somit ließen
sich zwei Typen des Mythos unterscheiden:
„Mangelnde physische Attraktivität“ und
„unattraktives ‚abnormales‘ Verhalten. Als
Beispiel für den ersten Typus kann folgende
Aktennotiz eines Untersuchungsrichters gel-
ten. Hier wird gleichzeitig deutlich, dass die-
ser Mythos nicht nur von Beschuldigten zur
eigenen Entlastung bedient wird, sondern
dass auch Vertreter(innen) der Ermittlungs-
behörden ihm durchaus anhängen: „Man
merke bei Z schon, dass bei ihr etwas nicht
stimmt. Sie sei auch nicht der Typ Frau, mit
der die Männer sofort ins Bett wollen. [Poli-
zist C] habe die Geschichte nicht wirklich ge-
glaubt und ist eher davon ausgegangen, dass
sie die Geschichte erzähle, damit sie ins Heim
zurück könne. Um Aufmerksamkeit und Mit-
leid zu erregen und als Opfer im Heim wieder
besser da zu stehen.“ (Fall 27)
Aufgrund der mangelnden physischen Attrak-
tivität kann die Frau kein Opfer sexueller Ge-
walt geworden sein, es muss also einen ande-
ren Grund für ihre Anschuldigungen geben.
Der Polizist erklärt sich dieses Verhalten da-
mit, dass der Opferstatus im Heim von Vorteil
ist. Die Ermittler(innen) müssen jedoch nicht
selbst über die Attraktivität des Opfers urtei-
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Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren FACHBEITRAG
len, wenn sie sich dieses Mythos bedienen.
Die Wirkung desselben bei den Ermittlungen
zeigt bereits die Frage, ob der Beschuldigte das
Opfer attraktiv fand. Darüber hinaus spricht
der Vermerk, das Opfer sei trotz seiner geisti-
gen Behinderung eine attraktive Person, für
das Vorliegen dieses Mythos. Sowohl für Fra-
gen nach der als auch für Kommentare zur
Attraktivität des Opfers ließen sich Belege in
den Akten nden.
Beim zweiten Typus dieses Mythos wird nicht
die physische Attraktivität des Opfers disku-
tiert, vielmehr sollen Aussagen über das ‚ab-
normale‘ Verhalten des geistig behinderten
Opfers verdeutlichen, dass es nicht attraktiv
sei und damit nicht für eine Vergewaltigung
ausgesucht worden wäre: „Ich nde, dass Herr
[R.] ein bisschen komisch ist. Sein Verhalten
ist seltsam und man möchte jemanden wie ihn
nicht unbedingt als Freund. […] Ich habe mit
[ihm] nie Sexvideos angeschaut. […] Mit ihm
gesprochen habe ich nicht, weil ich es nicht
nötig habe, mit so jemandem noch anzubän-
deln.“ (Fall 104) Doch nicht allein den Be-
schuldigten diente dieser Mythos der Negie-
rung der Tat, sondern auch den Vertreter(in-
ne)n der Ermittlungsbehörden. Auällig ist
zudem, dass er in den analysierten Akten fast
ausschließlich in Bezug auf die weiblichen
Opfer bedient wurde; nur bei einem männli-
chen Opfer wurde dessen ‚abnormales‘ Ver-
halten vom Beschuldigten als unattraktiv be-
schrieben, um zu verdeutlichen, dass er sich
diese Person nicht als Opfer ausgesucht hätte.
Dahinter steht wahrscheinlich die Überzeu-
gung, die physische Attraktivität bei der Part-
nerwahl sei insbesondere in Bezug auf Frauen
relevant, eine Überzeugung, die nur greifen
kann, weil beim Mythos der schützenden Un-
attraktivität Sexualität und sexuelle Gewalt
vermengt werden.
Der Mythos der schützenden Unattraktivität
wurde allerdings nicht allein von Personen be-
dient, die keinen oder wenig Kontakt mit
Menschen mit geistiger Behinderung haben.
So gab etwa eine gelernte Sozialpädagogin, die
zum Zeitpunkt der Einvernahme bereits seit
über 20 Jahren in einer Einrichtung für geistig
behinderte Menschen arbeitete, an, dass selbst
geistig behinderte Menschen ihre sexuellen
Bedürfnisse aus ästhetischen Gründen nicht
mit ebenfalls geistig behinderten Menschen
befriedigen würden; sie blieben unbefriedigt.
3.2 Mythos 2: Triebhaftigkeit
bzw. -gesteuertheit intellektuell
beeinträchtigter Menschen
Dem Mythos, geistig behinderte Menschen
seien besonders triebha, liegt der Gedanke
zugrunde, Sexualität diene behinderten Men-
schen der ‚tierischen‘ Befriedigung rein kör-
perlicher Bedürfnisse. Sie seien nicht in der
Lage, ihre sexuellen Bedürfnisse zu kontrollie-
ren und sozial angemessen auszuleben. Der
folgende Ausschnitt aus einer Zeugeneinver-
nahme ist ein Beispiel dafür:
„[UR:] Ist Ihnen schon einmal etwas am Kör-
per von [R.] aufgefallen? [E.: …] Da kann ich
nicht viel sagen. Ich muss ihnen aber vielleicht
sagen, dass er manchmal, wenn er auf der Toi-
lette ist, beginnt sein Glied zu reiben. Er macht
dies einfach bis ,er‘ steht. Das haben mir die
Leute vom [Heim] auch gesagt. […] Er hat es
auch schon einmal gemacht auf der [Toi lette].
Da habe ich ihm gesagt, dass man dies nicht
macht. Die Leute vom [Heim] haben mir auch
gesagt, dass [R.] keine Heli anschauen sollte,
wo Frauen [drin] sind. Auch den „Blick“
[= Boulevardzeitung, P. K.] darf er nicht sehen.
Er xiere sich dann zu sehr auf die Frauen.“
(Fall 52)
Statt dem geistig behinderten Jugendlichen
Möglichkeiten aufzuzeigen, wie er seine sexu-
ellen Bedürfnisse sozial angemessen befriedi-
gen kann, wird die Mutter also aufgefordert,
dieses Verhalten nicht noch weiter durch das
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Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren
FACHBEITRAG
Zurverfügungstellen pornograschen Materi-
als zu fördern, wobei vermutlich auch die
ethisch-moralischen Werte der Mitarbeiten-
den eine Rolle spielen. Hier kann man mit
Walter (2004, 15) fragen, „mit welchem Recht
andere Menschen nach der eigenen ethisch-
moralischen Fasson selig gemacht werden
dürfen.
In insgesamt 21 der analysierten Akten
(= 36,84 %) fanden sich Beispiele für diesen
Mythos, wobei die Triebhaigkeit in 14 Fällen
explizit mit der Lern- oder geistigen Behinde-
rung in Verbindung gebracht wurde. Zwar
wurde der Mythos sowohl in Bezug auf weib-
liche als auch auf männliche Opfer verwendet,
bei den weiblichen Opfern war damit jedoch
implizit oder explizit das moralische Urteil
‚leichtes Mädchen‘ verbunden; denn auch
wenn bspw. der Beschuldigte eigentlich nicht
dem vom Opfer vermeintlich präferierten Ty-
pus Mann entsprach, wurde aufgrund der an-
genommenen Triebhaigkeit des Opfers nicht
ausgeschlossen, dass es eingewilligt habe und
sich am Beschuldigten lediglich rächen wollte:
„[UR:] Glauben Sie, dass [G.] sexuelle Kon-
takte zu Männern sucht? [R.:] Also ja, aber
mehr bei Ausländern, nicht bei Schweizern.
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas
zwischen ihr und [M.] gewesen ist; obwohl
man das ja nie ausschliessen kann. Ich selber
habe ja auch eine behinderte Tochter: Die hat
auch im Freien draussen ein Zelt aufgestellt
und ein Pu daraus gemacht. Wissen Sie, die
Behinderten haben einen ungeheuren Trieb.
Ich glaube, das ist nur ein Hass gegenüber
dem [M.].“ (Fall 38)
Das Beispiel zeigt, dass auch Personen diesem
Mythos anhängen, die häug Kontakt zu geis-
tig behinderten Menschen haben, wie hier die
Mutter einer geistig behinderten Frau. Er
scheint sogar so weit verbreitet und überzeu-
gend zu sein, dass die Mutter eines Opfers, die
bisher ihre Tochter eher für sexuell uninteres-
siert gehalten hat, überlegt, ob nicht der
Trieb“ bei ihr „eingesetzt“ habe, was implizie-
ren würde, dass sie Gefallen an den sexuellen
Handlungen hatte:
„[UR:] Denken Sie, dass der Täter [S.] miss-
braucht hat, haben Sie evtl. andere Hinweise
dafür, was denken Sie? [R.: …] Wenn er sie
wirklich missbraucht hat, und es wirklich da-
zu kam, dann hat der normale menschliche
Trieb bei [S.] eingesetzt, was ich noch nie bei
[S.] beobachtet habe bis heute, aber es kann
passieren, dass auch bei ihr der Trieb, das
kann ja schliesslich auch bei ihr sein, sie ist ja
auch nur ein Mensch, das ist ganz gut mög-
lich.“ (Fall 58)
Die Wortwahl der Mutter, der „Trieb“ habe bei
ihrer Tochter eingesetzt, lässt die Sexualität
der geistig behinderten 25-jährigen Frau als
etwas Animalisches erscheinen. Sie hat keine
Lust verspürt, sondern der Trieb hat bei ihr
eingesetzt. Sexuelle Gewalt wird hier von der
Zeugin mit einer triebhaen Sexualität in Ver-
bindung gebracht, die impliziert, dass das Op-
fer nicht in der Lage war zu ‚widerstehen‘ und
dass es Gefallen an dem Übergri gefunden
hat. Darüber hinaus hingen auch Fachperso-
nen, die mit geistig behinderten Menschen
arbeiten, diesem Mythos an. So sagte in einem
der analysierten Fälle, in dem das geistig be-
hinderte Opfer angab, von mehreren Män-
nern vergewaltigt worden zu sein, nicht nur
dessen Vormund, es habe einen „sehr stark
ausgeprägten Sexualtrieb“ und habe sich vor
dem infrage stehenden Geschehen sogar für
15 SFr. prostituiert, sondern auch die Leitung
des Heims, in dem das Opfer lebte, gab an,
dass dies so sei (Fall 27). Die Angabe des ge-
ringen Preises, den das Opfer verlangt haben
soll, betont dabei nicht nur die Freiwilligkeit
der sexuellen Handlungen (‚sie macht es nicht
des Geldes wegen‘), sondern auch die geringe
Intelligenz des Opfers (‚sie ist zu dumm, um
mehr zu verlangen‘). Zwar bestätigte auch die
Betreuerin des Opfers diese Angaben, meinte
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aber, dass die Frau nicht lüge und vermutlich
mit dem ersten Mann einvernehmlichen Ge-
schlechtsverkehr gehabt habe, mit den ande-
ren jedoch nicht (Fall 27). Für die Ermitt-
lungsbehörden ergab dies insgesamt das Bild
einer Frau, die einen starken Sexualtrieb hat,
leichtsinnig ist und mit Fremden mitgeht; hin-
zu kommt, dass es bereits zuvor ähnliche Vor-
fälle gegeben hatte, bei denen nicht zu klären
war, inwieweit der Geschlechtsverkehr einver-
nehmlich war oder nicht. Die Verantwortung
wurde hier deutlich dem Opfer zugeschoben
und das besondere Risiko durch die geistige
Behinderung nicht berücksichtigt. Hier hat je-
doch nicht allein der Mythos der besonderen
Triebhaigkeit geistig behinderter Menschen
gewirkt; bei den Ermittlungsbehörden zeigte
sich besonders deutlich die Überzeugung,
dass das Opfer selbst Schuld an der Tat sei,
wenn es sich in eine solch gefährliche Situa-
tion begebe. Der folgende Ausschnitt aus dem
Polizeibericht zeigt darüber hinaus die mora-
lische Empörung über das Verhalten der geis-
tig behinderten Frau:
Von [Z. U.] ist bekannt, dass sie immer wie-
der Kontakt zu möglichen künigen Sexual-
partnern knüp. Sie tri sich teilweise wahl-
los, und ohne sich eines Risikos bewusst zu
sein, mit Männern zum Geschlechtsverkehr.
Bei solchen Treen kam es bereits früher zu
Zwischenfällen, bei denen im Nachhinein die
Einverständnisfrage Probleme bereitete. Ent-
sprechende Abklärungen und Ermittlungen
wurden vor ca. zwei Jahren durch die Kan-
tonspolizei […] getätigt.“ (Fall 27)
3.3 Mythos 3: Asexualität intellektuell
beeinträchtigter Menschen
Mit der Infantilisierung geistig behinderter
Menschen geht die Erwartung einher, sie
würden stets kindliche, asexuelle Wesen blei-
ben (womit genauso die Sexualität von Kin-
dern geleugnet wird). Dieser Mythos wurde
in acht der analysierten Akten bedient
(14,04 %), wobei eines der Opfer lernbehin-
dert war. Wieder waren es auch Angehörige
der Opfer und Vertreter(innen) von Sozial-
berufen, die mit geistig behinderten Men-
schen arbeiten, die die falsche Überzeugung
vertraten, intellektuell beeinträchtigte Men-
schen seien asexuell. So meinte ein Betreuer:
„Sie hat keine sexuellen Neigungen. Männer
bedeuten ihr überhaupt nichts. Sie war im-
mer wohler in der Nähe von Frauen. Einzig
weiss ich von ihr, dass sie sich o selber be-
friedigt hat, jedoch ohne das zu wissen. Mit
sexuellen Verlockungen kann man sie nicht
reizen.“ (Fall 77)
Selbst die Beobachtung, dass sich das Opfer
selbst befriedigt, wurde mit dem Argument,
dass sie nicht wisse, wieso sie dies tue, als
nicht-sexuell abgetan, ganz zu schweigen von
der Negierung möglicher homosexueller Nei-
gungen der Frau. Die Asexualität und das
‚Nicht-Verstehen‘ kann zudem als Argument
dienen, warum man intellektuell beeinträch-
tigte Menschen nicht aulärt (Fall 58).
3.4 Mythos 4: Nicht-Wahrnehmen
des Missbrauchs durch intellektuell
beeinträchtigte Menschen
Der Mythos, intellektuell beeinträchtigte
Menschen würden einen Missbrauch nicht als
solchen wahrnehmen, wurde in drei Fällen
bedient, in denen das Opfer geistig behindert
war. In einem weiteren Fall ging eine Zeugin
ebenfalls davon aus, dass die Übergrie weder
für das lernbehinderte Opfer noch für den
Täter „schlimm“ gewesen seien, allerdings
brachte sie dies nicht explizit mit der intellek-
tuellen Beeinträchtigung in Verbindung (n = 4;
7,02 %). Ein Gericht bediente diesen Mythos
im Zusammenhang mit der Bewertung der
Aussagen des Opfers: Es wertete ihre „emo-
tionslose Schilderung“ der Vorkommnisse –
ein Verhalten, das nicht zum Stereotyp des
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traumatisierten Opfers sexueller Gewalt passt
(vgl. Niehaus u. a. 2009) – als Hinweis darauf,
dass die intellektuell beeinträchtigte Frau die
Bedeutung des Geschehenen nicht verstanden
habe.
Aus der Annahme, dass intellektuell beein-
trächtigte Menschen einen Missbrauch nicht
als solchen wahrnehmen, wird zudem ge-
schlussfolgert, dass sie durch die Übergrie
auch nicht traumatisiert werden. In dieser
Perspektive bedeutet Opferschutz, den ‚Vor-
fall‘ nicht weiterzuverfolgen, um das Opfer
nicht zu belasten. So gab in einem Fall ein Me-
diziner, der das Opfer untersuchen sollte, an:
„[S.] ist nicht im Stande, das Geschehene zu
begreifen. Ich glaube auch nicht, dass sie einen
seelischen Schaden erlitten hat. Sie sollte des-
halb auch möglichst nicht mehr mit diesem
Erlebnis konfrontiert werden.“ (Fall 58) Im
Zusammenhang mit der Infantilisierung intel-
lektuell beeinträchtigter Personen wurde je-
doch auch genau das Gegenteil genannt: Der
Vorfall habe aufgrund der Kindlichkeit und
Unschuld der Opfer besonders dramatische
Folgen. So beschrieb eine Zeugin das lernbe-
hinderte Opfer als „lebendige, fröhliche und
aufgestellte Person, die auf Menschen zugehe
und ein großes Herz für Kinder habe. Seit
dem Vorfall habe das Opfer jedoch sein „kind-
liches Vertrauen“ verloren und sei viel ernster
geworden (Fall 171).
3.5 Mythos 5: Klebrige Distanzlosigkeit
intellektuell beeinträchtigter
Menschen
Ein weiterer Mythos in Bezug auf intellektuell
beeinträchtigte Menschen besagt, dass sie
klebrig distanzlos seien, wobei das körperbe-
tonte Kommunikationsverhalten der lern-
oder geistig behinderten Menschen mitunter
fehlinterpretiert und sexualisiert wird. Im Zu-
sammenhang mit sexueller Gewalt kann dies
als Argument dafür dienen, dass das Opfer
selbst Schuld am Übergri sei – wie hätte der
Beschuldigte schließlich wissen können, dass
etwaige Berührungen nicht sexuell motiviert
waren, dass das Opfer den sexuellen Kontakt
nicht gewollt habe? Die Beschuldigten werden
dann selbst zum Opfer. Dabei kann dieser
Mythos auch mit dem der besonderen Trieb-
haigkeit intellektuell beeinträchtigter Men-
schen verknüp werden. Beispielha hierfür
steht ein Fall, in dem der beschuldigte Betreu-
er des lernbehinderten Opfers angab, dieses
habe immer seine Nähe gesucht, sei eine
„Schmusekatze“ gewesen, habe sich nackt vor
ihm gewaschen und ihre Brüste an seinen
Arm gedrückt (Fall 113). In einem anderen
Fall wurde die besondere Gefahr des sexuellen
Missbrauchs aufgrund des distanzlosen Ver-
haltens der Patient(inn)en einer Einrichtung
von einem Arzt explizit beim Untersuchungs-
richter thematisiert (Fall 5).
Insgesamt wurde dieser Mythos in sechs Fäl-
len bedient (10,53 %), wobei zwei Opfer lern-
behindert waren. Lediglich in einem Fall wur-
de darauf hingewiesen, dass die Berührungen
des Opfers nicht sexuell motiviert sein müss-
ten; um dies zu erkennen, müsse man das Op-
fer jedoch kennen (Fall 5).
In den analysierten Akten wurde das distanz-
lose Verhalten bisweilen auch als Zeichen
eines stattgefundenen Missbrauchs interpre-
tiert. So gab eine Schulleiterin in der Gefähr-
dungsmeldung an, das Opfer habe versucht,
einem der Sozialpädagogen einen Kuss auf
den Mund zu geben, was sie auf einen stattge-
fundenen Missbrauch schließen ließ.
4 Diskussion der Ergebnisse
In den analysierten Akten konnten Hinweise
auf die Wirksamkeit aller untersuchten My-
then geistiger Behinderung und sexueller Ge-
walt gefunden werden. Die am Verfahren Be-
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PAULA KRÜGER, SERAINA CAVIEZEL SCHMITZ, SUSANNA NIEHAUS
Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren FACHBEITRAG
teiligten rekurrierten argumentativ auf diese
Mythen, sodass sie – zumindest potenziell –
im Verfahren ihre Wirkung entfalten konnten.
Dabei wurde die Annahme bestätigt, dass dies
auch beim Vorliegen einer Lernbehinderung
geschieht, mit Ausnahme des Mythos der vor
sexueller Gewalt schützenden Unattraktivität,
auf den ausschließlich in Fällen mit geistig be-
hinderten Opfern rekurriert wurde. Dies ver-
mutlich deshalb, weil das körperliche Erschei-
nungsbild und das Verhalten von geistig be-
hinderten Menschen in der Regel stärker von
sozial akzeptierten Normen abweichen als
dies bei lernbehinderten Personen der Fall ist.
Dass eine Lernbehinderung im Allgemeinen
im Sozialkontakt schwieriger zu erkennen ist,
erklärt vermutlich auch, warum insgesamt in
einem deutlich geringeren Anteil der Fälle mit
einem lernbehinderten Opfer auf die unter-
suchten Mythen rekurriert wurde (33,33 %)
als in Fällen mit einem geistig behinderten
Opfer (78,18 %).
Die Analysen zeigen ferner eine Verknüpfung
der untersuchten Mythen mit weit verbreite-
ten falschen Vorstellungen von Ursachen se-
xueller Gewalt. So ist der Mythos der schüt-
zenden Unattraktivität intellektuell beein-
trächtigter Menschen eng verknüp mit dem
Mythos sexueller Gewalt, die Attraktivität des
Opfers spiele eine Rolle bei der Opferwahl der
Täter. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass
man unabhängig von seinem Aussehen, Alter
oder sonstigen äußeren Erscheinungsmerk-
malen Opfer sexueller Gewalt werden kann
(vgl. Greuel 1992). Bemerkenswert ist, dass in
Bezug auf geistig behinderte Menschen nicht
allein das physische Erscheinungsbild, son-
dern auch ‚abnormales‘ Verhalten als unat-
traktiv bewertet und damit als Schutz vor se-
xueller Gewalt angesehen wird.
Entsprechend dem Mythos, eine Vergewalti-
gung stelle für Frauen eine aggressive Form
des Geschlechtsverkehrs dar, wird geistig be-
hinderten Menschen unterstellt, „sie würden
[…] die sexuellen Handlungen genießen, da
sie aufgrund der Behinderung nur triebha-
körperlich empnden würden und unfähig
seien zu einer tieferen Sozialbeziehung“
(Walter 2002, 417). Ebenso wie der Mythos
der „klebrigen Distanzlosigkeit“ wird der
Mythos der besonderen Triebhaigkeit dazu
benutzt, dem Opfer die Verantwortung für
die Tat zuzuschreiben – ist es doch selbst
Schuld, wenn es dem Täter ‚Avancen ge-
macht‘ oder sich in eine gefährliche Situation
begeben hat. Trost (2010, 24) führt den Ein-
druck, geistig Behinderte seien nicht in der
Lage, ihre sexuellen Bedürfnisse zu kontrol-
lieren und sozial angemessen auszuleben,
darauf zurück, dass Menschen mit geistiger
Behinderung ihre Sexualität häug im öent-
lichen Raum lebten, was eine besondere Auf-
merksamkeit errege und zu Unmut führe.
Ursächlich sei jedoch nicht die besondere
Triebhaigkeit geistig behinderter Menschen,
sondern der Umstand, dass sie in der Regel
keine Rückzugsmöglichkeiten hätten und kei-
ne sozial akzeptierten Verhaltensregeln im
Umgang mit Sexualität gelernt hätten. Der
Mangel an und Schwierigkeiten bei der Se-
xualaulärung intellektuell beeinträchtigter
Menschen wurden ebenfalls in einigen Akten
von Angehörigen und Fachpersonen themati-
siert. Dies stimmt mit Befunden von Zemp
(2002) überein, wonach sich Mitarbeitende
von Einrichtungen für behinderte Menschen
mit der Sexualaulärung der Bewohner(in-
nen) häug überfordert fühlten, aus Unsicher-
heit, Unwissen oder auch wegen der eigenen
ethisch-moralischen Werte.
Den meisten der aufgeführten Mythen liegt
die Vorstellung zugrunde, geistige Behinde-
rung schließe Erwachsensein aus, wozu nach
Walter (2002, 417) „die assoziative Verknüp-
fung eines […] ‚Behinderungssyndroms‘ von
Unselbständigkeit, Unreife, Ehelosigkeit, kei-
ne oder allenfalls kindliche Sexualität“ gehöre.
In den untersuchten Fällen kam es jedoch
nicht allein zu einer Infantilisierung der geis-
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PAULA KRÜGER, SERAINA CAVIEZEL SCHMITZ, SUSANNA NIEHAUS
Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren
FACHBEITRAG
tig behinderten Opfer, sondern auch derjeni-
gen mit Lernbehinderung. Im Rahmen des
Strafverfahrens zeigt sich die Infantilisierung
der intellektuell beeinträchtigten Erwachse-
nen etwa darin, dass sie ohne Nachfrage ge-
duzt werden. In den untersuchten Schweizer
Fällen äußerte sich dies außerdem darin, dass
auch die intellektuell beeinträchtigten er-
wachsenen Opferzeug(inn)en in Bezug auf
den besonderen Schutz und die besonderen
Rechte nach Opferhilfegesetz (OHG) z. T.
kindlichen Opfern gleichgestellt wurden; da
sich das Gesetz auf kindliche Opfer bezieht,
wurde in den entsprechenden Formularen
auch von Kindern gesprochen. Seit 2011 ist
das OHG in die Schweizerische Strafprozess-
ordnung integriert, erweitert um einen Arti-
kel zu „Massnahmen zum Schutz von Perso-
nen mit einer psychischen Störung“ (Art. 155
StPO), wozu – folgt man der ICD 10 – zumin-
dest potenziell auch Menschen mit einer geis-
tigen Behinderung gezählt werden könnten.
Die Berücksichtigung der Bedürfnisse intel-
lektuell beeinträchtigter Menschen ist zu be-
grüßen und zu unterstützen, sollte in der Um-
setzung jedoch nicht zu ihrer Infantilisierung
führen.
Ein Problem anderer Art ergibt sich aus dem
Befund, dass das distanzlose Verhalten in den
Akten bisweilen als Zeichen eines stattgefun-
den Missbrauchs interpretiert wurde. Dies ent-
spricht den Ergebnissen einer Studie von No-
ack und Schmid (2002), wonach 80 % der von
ihnen befragten Mitarbeitenden von Einrich-
tungen der Behindertenhilfe derartige ver-
meintlichen ‚Missbrauchsignale‘ nennen konn-
ten (z. B. Angst, [Auto-]Aggression, Rückzug
oder sexualisiertes Verhalten). Auch in der
Wahrnehmung kindlicher Sexualität wird häu-
g sexuelles Verhalten als Indikator für ei-
nen sexuellen Missbrauch bewertet, obwohl
„[s]exuelle Verhaltensäußerungen von Kin-
dern […] Bestandteil normaler Entwicklung
und nicht per se erklärungsbedürig“ sind
(Volbert 2010, 60). Veränderungen in (sexuel-
len) Verhaltensmustern von geistig behinder-
ten Menschen können zwar ein Zeichen für ei-
nen stattgefundenen sexuellen Übergri sein,
können aber auch andere Ursachen haben. Aus
diesem Grund gilt wie beim Verdacht des sexu-
ellen Kindesmissbrauchs auch hier, dass der
Ursprung des veränderten Verhaltens in jedem
Einzelfall gründlich geprü werden muss und
dabei ein Missbrauchsverdacht nicht vorschnell
an die geistig behinderte Person herangetragen
werden sollte, um unnötige Belastungen und
eine suggestive Einussnahme zu vermeiden
(ebd., 61). In diesem Zusammenhang ist auch
anzumerken, dass die in den Analysen sichtbar
gewordenen Bemühungen vieler Vertreter(in-
nen) der Strafverfolgungsbehörden im Um-
gang mit intellektuell beeinträchtigten Opfer-
zeug(inn)en – wie etwa der Versuch, sich auf
ihre Sprache einzustellen, oder das Erklärenlas-
sen zentraler Begrie – nicht zu wohlgemein-
ten, aber unprofessionellen Vorgaben von Aus-
sageinhalten führen dürfen.
5 Fazit
Bei der Analyse von Strafverfahrensakten und
der Bewertung der Ergebnisse einer solchen
Analyse ist grundsätzlich zu berücksichtigen,
dass Strafverfahrensakten nicht immer voll-
ständig sind und dass es bei der Dokumenta-
tion des Verfahrens nicht um das Festhalten
einer wie auch immer gearteten objektiven
Realität geht, sondern um die Erfassung der
Maßnahmen zur Aulärung einer Straat
und ihrer Ergebnisse. Dabei kommt es
zwangsläug zu Selektionsprozessen und da-
mit zu Verzerrungen. Bei der Interpretation
der Ergebnisse ist daher zu bedenken, dass es
sich um eine Analyse der ‚Aktenwirklichkeit‘
handelt. Will man – wie es hier der Fall ist –
untersuchen, inwieweit die Beteiligten be-
stimmten falschen, weit verbreiteten Vorstel-
lungen über intellektuell beeinträchtigte Men-
schen und sexuelle Gewalt anhängen, können
diese Selektionsprozesse und Verzerrungen
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PAULA KRÜGER, SERAINA CAVIEZEL SCHMITZ, SUSANNA NIEHAUS
Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren FACHBEITRAG
von Nachteil sein, zumal das Ziel der Doku-
mentation eben nicht die Protokollierung der
persönlichen Meinung der Vertreter(innen)
der Strafverfolgungsbehörden ist und auf die
juristische ‚Verwertbarkeit‘ geachtet werden
muss. Bei den Schweizer Akten kommt hinzu,
dass die Einvernahmen in der Regel nicht
wörtlich protokolliert, sondern ins Schri-
deutsche übersetzt und zum Teil zusammen-
gefasst werden; ferner wird häug parallel zur
Befragung protokolliert. Deshalb ist mit der
Filterung von Aussagen zu rechnen, die aus
Sicht des Protokollanten nicht ins Protokoll –
und damit in ein amtliches Dokument – auf-
genommen werden sollten. Beispiele für der-
artige Selektionsprozesse durch die Überset-
zung und Zusammenfassung ließen sich auch
in den analysierten Akten nden und wurden
zum Teil von Beteiligten moniert. Selbst wenn
die Beteiligten demnach bestimmten Mythen
geistiger Behinderung oder sexueller Gewalt
anhängen, muss sich dies nicht in den analy-
sierten Dokumenten zeigen. Umso bemer-
kenswerter ist es, dass sich in den analysierten
Strafverfahrensakten Aussagen nden ließen,
die die Wirksamkeit dieser Mythen belegen.
Dies spricht für die Stärke der Überzeugung
von der Richtigkeit dieser Mythen und des
hinter diesen Überzeugungen stehenden fal-
schen Wissens über geistige Behinderung;
und dieses falsche Wissen fördert negative
Einstellungen gegenüber lern- oder geistig be-
hinderten Menschen. Wichtig erscheint zu-
dem der Befund, dass nicht allein Personen
diese Mythen bedienen, die keine oder wenig
Erfahrung im Umgang mit intellektuell beein-
trächtigten Menschen haben, sondern auch
solche, die privat oder beruich häug mit ih-
nen Kontakt haben. Auch dies spricht für die
Stärke und Hartnäckigkeit jener falschen
Überzeugungen.
Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse, wie
wichtig zum Schutz von Menschen mit Be-
hinderungen – neben der Vermittlung von
Wissen zum ema Sexualität und sexueller
Gewalt im Rahmen sexualpädagogischer
Aulärung sowie primärpräventiven Maß-
nahmen auf institutioneller Ebene (Perso-
nalpolitik, strukturelle Maßnahmen) – Schu-
lungen des Personals sind (vgl. auch Iten/
Haltiner 2012). In Einrichtungen für in-
tellektuell beeinträchtigte Menschen dürfen
die emen Sexualität und sexuelle Gewalt
nicht tabuisiert werden. Mitarbeitende und
Bewohner(innen) müssen (sprachliche) Mit-
tel und Gelegenheiten haben, um darüber zu
sprechen.
Im Sinne der Vermeidung einer sekundären
Viktimisierung der Betroenen durch einen
unsachgemäßen Umgang mit Verdachtsfäl-
len – sei es im Vorfeld strafrechtlicher Er-
mittlungen oder im Verlaufe eines Straf-
verfahrens – gilt es darüber hinaus alle am
Verfahren im weitesten Sinne beteiligten
Fachpersonen zu schulen. Der in den Ergeb-
nissen deutlich werdenden Hartnäckigkeit
falscher Überzeugungen wird indes kaum
mit einer einfachen Wissensvermittlung zu
begegnen sein. Bei der Konzeption und
Durchführung von Schulungen werden da-
her auch anwendungsnahe Selbsterfahrungs-
elemente zur Reexion der Fehleranfälligkeit
der eigenen Wahrnehmungen, Bewertungen
und Einstellungen von zentraler Bedeutung
sein. Mythen müssen als solche ‚entlarvt‘ und
Fachpersonen für deren Wirkung sensibili-
siert werden. Auch für Fachpersonen, die Er-
fahrung im Umgang mit intellektuell beein-
trächtigten Menschen haben, scheint dies er-
forderlich zu sein. Es wäre wünschenswert,
wenn entsprechende Maßnahmen fester Be-
standteil der Schulungen des Personals in
Institutionen im Umgang mit Verdachtsfäl-
len werden würden.
Begleitende mediale und von entsprechenden
Berufsverbänden initiierte Kampagnen, mit
denen alle beteiligten Fachpersonen erreicht
werden, könnten diese Maßnahmen zudem
unterstützen und deren Wirkung erhöhen.
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PAULA KRÜGER, SERAINA CAVIEZEL SCHMITZ, SUSANNA NIEHAUS
Mythen geistiger Behinderung und sexueller Gewalt im Strafverfahren
FACHBEITRAG
Anmerkungen
1 Dem Aufsatz liegen Ergebnisse einer vom
Schweizerischen Nationalfonds geförderten
Studie zugrunde.
2 Sexuelle Gewalt meint hier sexuelle Handlun-
gen, die an einer Person gegen ihren Willen
vollzogen werden oder denen die Person
nicht verantwortlich zustimmen kann (u. a.
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Anschrift der Autorinnen
Dr. Paula Krüger
Seraina Caviezel Schmitz
Prof. Dr. Susanna Niehaus
Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Werftestrasse 1
CH-6002 Luzern
Tel. ++41 (0) 41 3 67 48 92
paula.krueger@hslu.ch
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Article
Full-text available
Im Rahmen von Strafverfahren wird verhandelt, begutachtet, befragt, überzeugt, gelogen und entschieden. Verlauf und Ausgang des Verfahrens haben unmittelbare Bedeutung für die von den beteiligten Parteien empfundene Verfahrensgerechtigkeit. All dies sind Themen der Psychologie des Strafverfahrens: Wahrnehmung, Eindrucksbildung, Persuasion, Glaubwürdigkeits-attribution und die mentalen Prozesse, die richterlichen Entscheidungen, Urteilen und Bewertungen zu Grunde liegen, sind wichtige psychologische Themen, zu denen die sozial- und rechtspsychologische Forschung umfangreiches Wissen bereitstellt, welches allerdings in der juristischen Praxis in der Regel weniger aufgegriffen wird als beispielsweise Befunde der Forschung zur Kriminalprognose oder Schuldfähigkeitsdiagnostik.
Article
Sexual abuse of individuals with disabilities occurs in alarming proportions, although the prevalence and incidence of such abuse is difficult to determine. Although all states maintain statistics on child sexual abuse, the rate of victimization for individuals with disabilities is not specific. This paper reviews several studies conducted on sexual abuse of individuals with disabilities with a focus on clinical prevention strategies. Recommendations for future directions in prevention and research are provided.
Article
The general public's responses to people with intellectual disabilities influence the likely success or failure of policies aimed at increasing their social inclusion. The present paper provides a review of general population based research into awareness, attitudes and beliefs regarding intellectual disability published in English between 1990 and mid-2011. An electronic search using PsycINFO and Web of Science plus a hand search of the literature was completed. Most of the 75 studies identified consisted of descriptive surveys of attitudes. They tend to conclude that age, educational attainment and prior contact with someone with an intellectual disability predict attitudes, while the effect of gender is inconsistent. Eight studies examined lay knowledge about intellectual disability and beliefs about its causation in a range of cultural contexts. The impact of interventions designed to improve attitudes or awareness was examined by 12 studies. The evidence is limited by the fact that it is mostly based on relatively small unrepresentative samples and cross-sectional designs. It is concluded that overall, high quality research into general population attitudes to intellectual disability is limited. Public knowledge of intellectual disability and causal beliefs are particularly under-researched areas. There is a notable absence of well designed evaluations of efforts to reduce misconceptions about intellectual disability and tackle negative attitudes. Areas for future research are noted, including the need for well designed studies that consider awareness, attitudes and beliefs in relation to stigma theory.
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