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Steigerung des Informationsgehaltes einer LULC
Klassifikation durch hierarchische Datenintegration
Daniel HÖLBLING, Petra FÜREDER, Dirk TIEDE und Stefan LANG
Zusammenfassung
Die steigende Nachfrage nach genauen und aktuellen Geodaten sowie die konkreten Be-
dürfnisse und Anforderungen der Nutzer bedingen den Einsatz von fortgeschrittenen Me-
thoden zur Informationsgewinnung. Mit Hilfe der objekt-basierten Bildanalyse (OBIA)
können durch Modellierung der einzelnen Klassen, basierend auf spezifischen Regelsätzen,
die jeweils relevanten Informationen aus Fernerkundungsdaten in einem semi-
automatischen Prozess extrahiert werden. Da jedoch nicht immer alle gewünschten Infor-
mationen direkt aus Fernerkundungsdaten gewonnen werden können, ist die Integration
von thematischen Daten in den Bildanalyseprozess ein wichtiger Aspekt, um Ergebnisse
mit einem reicheren Informationsgehalt zu erzielen. Ziel der vorgestellten Arbeit war die
Erstellung einer grenzübergreifenden Landnutzungs- und Landbedeckungsklassifikation
unter Einbeziehung von heterogenen thematischen Daten. Dabei galt es vor allem, eine
vorgegebene Hierarchie während der Datenintegration zu berücksichtigen.
1 Einleitung
Verlässliche und aktuelle Informationen über die Landnutzung / Landbedeckung (land
use / land cover - LULC) der Erdoberfläche sind – in unterschiedlichen Maßstäben – für
viele Fragestellungen relevant und stellen einen großen Anteil an den geographischen In-
formationen dar (DURBHA et al. 2009). Nutzer von LULC Informationen finden sich u. a.
im Bereich der Wissenschaft, der Politik, im Umweltbereich, in der Raum- und Verkehrs-
planung und der Landwirtschaft; aber auch Hilfsorganisationen (z. B. UNEP, FAO) nutzen
entsprechende Daten, um etwa Hinweise auf potentielle Nahrungsmittelengpässe in Krisen-
gebieten zu erlangen oder Umweltschäden abzuschätzen (FULLER 2003, BARTHOLOMÉ &
BELWARD 2005, HARRISON 2006).
Die gegenwärtige Verfügbarkeit von Satellitenbildern unterschiedlichster räumlicher, zeit-
licher und spektraler Auflösungen erlaubt das Beobachten von Landschaftsveränderungen
und die Ableitung von Landnutzung und -bedeckung für spezifische Probleme. Allerdings
ist die Informationsgewinnung aus Fernerkundungsdaten häufig mit Einschränkungen ver-
bunden. So können beispielsweise administrative Einheiten und Grenzen nicht direkt abge-
leitet werden. Zudem können LULC Produkte aus Sicht von Behörden und Planungsbüros
meist nicht unmittelbar in den operationellen Planungsprozess miteinbezogen werden, da
diese Informationen mit bereits vorhandenen Daten in Bezug auf räumliche Eigenschaften
(Maßstab oder Grenzen) oft nicht übereinstimmen. Diese Restriktionen können aber durch
die aktive Einbindung von bestehenden Daten in den Prozess der Bildanalyse minimiert
werden. Die Integration von thematischen Daten in den Klassifikationsprozess liefert stabi-
lere und verlässlichere Ergebnisse mit einem reicheren Informationsgehalt, da bereits vor-
handenes Wissen und Informationen in die Bildauswertung mit einfließen und so neues
Wissen generiert wird. Damit wird eine Verfeinerung bzw. Schärfung sowie Aktualisierung
D. Hölbling, P. Füreder, D. Tiede und S. Lang
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bestehender Geoinformationen erreicht (GOESSELN & SESTER 2003) und die Bedürfnisse
der Anwender, für deren Anforderungen globale LULC Klassifikationen wie GLC2000,
GlobCover oder das europäische CORINE-Programm oftmals zu wenig detailliert für re-
gionale Fragestellungen sind (BOCK et al. 2005), werden besser erfüllt. Hinderlich bei der
Datenintegration ist jedoch der Aspekt, dass thematische Daten häufig sehr heterogen sind
und sich hinsichtlich Aktualisierungsperiode, Datenquelle, Datenmodell, Datentyp, Maßs-
tab, thematischem Inhalt, Kontext und Bedeutung unterscheiden (WALTER & FRITSCH
1999, BALTSAVIAS 2004, BUTENUTH et al. 2007).
Die hier präsentierte Arbeit erfolgte im Rahmen des EK-RP6 Forschungsprojekts LIMES
(Land and Sea Integrated Monitoring for European Security), welches sich mit der Defini-
tion und Entwicklung prototypischer, auf Satellitentechnologien basierender Informations-
dienste zur Unterstützung des Sicherheitsmanagements auf europäischer und globaler Ebe-
ne beschäftigt. Die LULC Klassifikation war Teil einer Servicedemonstration des Projekt-
clusters Land and Border Monitoring, weswegen für die Analyse nur ein limitierter Zeit-
raum zur Verfügung stand (< 1 Woche) und auf die detaillierten Anforderungen des Nut-
zers – vor allem in Bezug auf eine hierarchische Datenintegration (siehe Kapitel 3) – einge-
gangen werden musste. In diesem Beitrag wird die Klassifikation der Landnutzung und -
bedeckung im Grenzgebiet Polen / Ukraine auf Grundlage eines IKONOS-Satellitenbildes
vorgestellt. Einen wichtigen Aspekt stellte dabei die Integration vorhandener thematischer
Daten dar, die in verschiedener Aktualität, Genauigkeit und Generalisierungsebene vorla-
gen.
2 Datengrundlage und Datenaufbereitung
Die LULC Klassifikation wurde mit der Software Definiens Developer 7 umgesetzt. Neben
einem IKONOS-Satellitenbild (1 m pangeschärft; Aufnahmedatum: 12/09/2004; ca.
100 km² Abdeckung) stand eine Vielzahl an thematischen Daten, wie Vektordaten (u. a.
Straßen, administrative Grenzen, Flüsse, bebaute Flächen, Brücken), topographische Kar-
ten, Orthophotos, ein digitales Höhenmodell und CORINE Landcover Daten zur Verfü-
gung. Deren Eignung zur Integration in die objekt-basierte Satellitenbildanalyse musste im
Vorfeld erst überprüft werden (GOESSELN & SESTER 2003). Von Seiten des Nutzers wurde
eine hierarchische Datenintegration erwünscht, die auch die Einbeziehung von Daten, die
nicht aus der Analyse des Satellitenbildes gewonnen werden konnten (z. B. Grenzkontroll-
punkte, Landesgrenze), umfassen sollte. Die Selektion der dafür geeigneten Daten aus mehr
als siebzig verschiedenen Geodatenschichten musste manuell erfolgen und erwies sich
aufgrund fehlender Metadaten als zeitintensiv. Im grenzüberschreitenden Untersuchungs-
gebiet zeichneten sich die thematischen Daten durch starke Heterogenität aus: einige Daten
waren nur auf polnischer Seite verfügbar, einige Daten deckten nur einen Teil des Untersu-
chungsgebiets ab, teilweise wurden unterschiedliche Klassenbezeichnungen und Erfas-
sungsmaßstäbe verwendet. Zudem reichte die Qualität der verfügbaren Daten in einigen
Fällen nicht aus, um sie ohne Aufbereitung in den Klassifikationsprozess integrieren zu
können. So wurden etwa aufgrund starker Generalisierung der Wasserläufe und der daraus
resultierenden Lageungenauigkeit die größeren Flüsse manuell nachdigitalisiert. Die Stra-
ßendaten wiesen vereinzelt erkennbare Lücken auf, die je nach Erkennbarkeit auf dem
Satellitenbild manuell geschlossen wurden. Brücken, Grenzkontrollpunkte und Grenzüber-
gänge wurden wegen ihrer Lageungenauigkeit ebenso korrigiert bzw. nachdigitalisiert.
Steigerung des Informationsgehaltes einer LULC Klassifikation 3
Abschließend wurden einige der Punkt- und Liniendaten, abhängig von ihren Attributen
(z. B. nach Straßenbreite je Ordnung) bzw. für die kartografische Darstellung im Ergebnis,
gebuffert (siehe Abbildung 1). Die CORINE Klassifikation, die für das polnische Grenzge-
biet zur Verfügung stand, konnte aufgrund der fehlenden Klassenübereinstimmung
(DURBHA et al. 2009) nicht direkt in die Klassifikation integriert werden und diente aus-
schließlich der Informationsgewinnung während der visuellen Interpretation des IKONOS-
Bildes und zum Abgleich mit ausgewählten Zielklassen.
3 Klassifikation
3.1 Datenintegration und Klassenmodellierung
Der Ablauf der Datenaufbereitung, Datenintegration, Klassifikation und Nachbearbeitung
bis zum endgültigen LULC Ergebnis ist in Abbildung 1 dargestellt.
Abb. 1: Schematische Darstellung des Arbeitsablaufs (Datenaufbereitung - Datenintegra-
tion – Klassifikation - Nachbearbeitung)
In einem semi-automatischen, zyklischen Prozess von Segmentierung und Klassifikation,
der Klassenmodellierung (TIEDE et al. 2008), wurden insgesamt 19 Klassen abgegrenzt.
Einige der existierenden und vorprozessierten thematischen Daten wurden direkt in den
Prozess der Klassenmodellierung integriert, andere dienten nur der Abgrenzung einzelner
Klassen. Die Klassen wurden teils regelbasiert (rule-based), teils basierend auf Trainings-
gebieten (sample-based) und teils manuell klassifiziert (vgl. Abbildung 1 und 2).
D. Hölbling, P. Füreder, D. Tiede und S. Lang
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Abb. 2: Objekt-basierte LULC Klassifikation und hierarchische Datenintegration
3.2 Hierarchische Repräsentation
Die Segmentierung aller thematischen Daten garantierte einen einheitlichen Maßstab, da
sich die Abgrenzung von Objekten an der vorgegebenen Auflösung des Satellitenbildes
orientiert (LANG 2008). Da aber während des Segmentierungsprozesses in Definiens Deve-
loper keine bzw. nur sehr aufwendig Hierarchien der zu integrierenden thematischen Layer
berücksichtigt werden können und Überlagerungen zwischen Klassen auftreten (z. B. kön-
nen Straßen sowohl über als auch unter Flüssen liegen), wurden einzelne Datenschichten
gesondert segmentiert. Während der Nachbearbeitung wurden teilweise auftretende Sliver-
Polygone automatisch entfernt und Gebäudeabgrenzungen mit Hilfe von GIS-
Generalisierungstechniken vereinfacht. Die hierarchische Datenintegration, bei der es galt
alle Einzelergebnisse zusammenzuführen und eine vordefinierte Priorität der Klassen zu
beachten (vgl. Tabelle 1), wurde abschließend in ArcGIS 9.2 umgesetzt. Dies erfolgte mit-
tels schrittweise durchgeführter GIS-Verschneidungsanalysen.
Tabelle 1: Reihung der Klassen aufgrund ihrer Prioritäten
Hohe Priorität Straßen (Asphaltstraße, Forststraße, nicht sichtbare Forststraße, Schotter-
straße unter 2 m, Schotterstraße über 2 m)
Flüsse
Landesgrenze
Grenzübergänge
Grenzkontrollpunkte
Brücken
Bebaute Flächen
Seen und Teiche
Nicht durchgängig städtisch geprägte Flächen
Geringe Priorität alle anderen LULC Klassen
Steigerung des Informationsgehaltes einer LULC Klassifikation 5
4 Ergebnisse
Das Endergebnis der Landnutzungs- / Landbedeckungsklassifikation umfasste 19 Klassen,
und berücksichtigte die geforderte Reihung der einzelnen Klassen. Die LULC Klassifikati-
on konnte innerhalb der LIMES-Servicedemonstration erfolgreich in die weiteren Arbeits-
abläufe integriert werden, um bestehende thematische Informationen zu aktualisieren. Eine
punkt-basierte Genauigkeitsabschätzung (stratified random) des Klassifikationsergebnisses
mit 300 zufallsgenerierten Punkten erzielte eine Gesamtgenauigkeit von 85 % für die unab-
hängig von thematischen Daten abgegrenzten Klassen (Tabelle 2).
Tabelle 2: Ergebnis der Genauigkeitsabschätzung
Klasse Producer‘s Accuracy User‘s Accuracy
Wald 93,54 % 93,54 %
Natürliches Grünland / Wiesen und Weiden 81,08 % 69,77 %
Krautvegetation 68,57 % 68,57 %
Ackerland, bebaut 62 % 83,78 %
Ackerland, gepflügt 96,55 % 87,50 %
Nicht durchgängig städtisch geprägte Flächen 96,43 % 87,10 %
Seen und Teiche 100 % 93,33 %
Einzelgebäude 93,55 % 96,67 %
Gesamtgenauigkeit (Overall Classification Accuracy) = 85 %
Kappa Statistik (Overall Kappa Statistics) = 0.8268
Die übrigen Klassen wurden entweder manuell klassifiziert bzw. in ihrer bereits bestehen-
den oder teils korrigierten Form in die Klassifikation übernommen und deshalb keiner Ge-
nauigkeitsüberprüfung unterzogen.
5 Diskussion und Ausblick
LULC Klassifikationen unter Einbindung von Daten unterschiedlicher Qualität und Maßs-
täbe und unter Berücksichtigung einer bestimmten Hierarchie der Datenschichten ist auf-
grund der semi-automatischen Arbeitsabläufe und der Abhängigkeit von a-priori Informa-
tionen zeitaufwendig und erfordert den Einsatz von Expertenwissen. In dieser Arbeit konn-
te gezeigt werden, wie durch die Anwendung integrierter Arbeitsabläufe zeitkritische Anf-
ragen qualitativ zufriedenstellend bearbeitet werden können. Aufgrund des steigenden Be-
darfs an komplexen, den spezifischen Anforderungen angepassten LULC Klassifikationen,
gilt es, weitere innovative Ansätze und Methoden zu entwickeln, um den Arbeitsablauf
unter Berücksichtigung einer hierarchischen Datenintegration weiter zu optimieren und eine
bessere Übertragbarkeit zu ermöglichen.
Die vorgestellte Arbeit wurde aus Mitteln des 6. Forschungsrahmenprogramms der Europä-
ischen Kommission gefördert (SIP-CT-2006-031046).
D. Hölbling, P. Füreder, D. Tiede und S. Lang
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