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Nicht nur Steinzeug und wertvolle Gläser,
sondern auch zunächst unscheinbare Pflanzen-
reste zeugen von den weitreichenden Handels-
beziehungen der Hansestädte Mecklenburg-
Vorpommerns. Pflanzen und Pflanzenteile,
meist Früchte oder Samen, waren wichtige
Handelsgüter, die beim Warenverkehr sowohl
im Import wie auch im Export eine wichtige
Rolle spielten. Als eindeutige Importprodukte
sind Kulturpflanzen einzustufen, die nicht in
der Region, sondern in Asien oder Afrika, in
Norditalien oder im Mittelmeergebiet ange-
baut wurden. Zu den pflanzlichen Produkten,
die über den Fernhandel die mittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Städte erreichten, ge-
hörten in erster Linie verschiedene exotische
Gewürze, bei denen der aufwändige Trans-
port aus den Ursprungsregionen und ihre oft
eingeschränkte Verfügbarkeit für hohe Preise
sorgten. Zu diesen Luxusprodukten zählen
Pfeffer von der südwestindischen Malabarküste,
Kardamom, Zimt, Muskatblüte und -nuss und
Nelken aus Südostasien, Safran aus Kleinasien
sowie Paradieskorn aus dem westlichen Afrika.
Reis wurde aus Anbaugebieten in der nord-
italienischen Poebene, aus dem Mittelmeerge-
biet oder aus Asien importiert. Getrocknete
Feigen und Weintrauben (Rosinen) sowie
Mandeln stammten wohl überwiegend aus
dem Mittelmeergebiet, jedoch wurden Wein
und Feigen auch in unseren Breiten vereinzelt
an besonders warmen, geschützten Standorten
gezogen. Getrocknete Datteln und Maulbeeren
wurden vermutlich ebenfalls aus den Mittel-
meerländern eingeführt.
Die wohlhabende Oberschicht in den
Hansestädten setzte sich durch die Verwen-
dung teurer Importgewürze und einiger medi-
terraner Früchte sowie durch Speisen aus
Reismehl und den Konsum von hellem, kleie-
armen Brot aus Saatweizen von den ärmeren
Bevölkerungsschichten ab. Pflanzliche Funde
aus Ausgrabungen lassen daher neben dem
übrigen archäologischen Sachgut – beispiels-
weise importiertes Steinzeug, Fayencen oder
wertvolle Gläser – Rückschlüsse auf eine so-
ziale Differenzierung der Bevölkerung in den
Hansestädten Mecklenburg-Vorpommerns zu.
Im Gegensatz zu den Massengütern wie
etwa Salz, Stockfisch und Getreide wurden
exotische Gewürze aufgrund ihres hohen Prei-
ses nur in Kleinmengen verhandelt. In mittel-
alterlichen und frühneuzeitlichen Kaufhaus-
rechnungen, Zoll- und Steuerlisten wird
lediglich Pfeffer sehr regelmäßig angeführt.
Möglichweise wurden andere exotische Ge-
würze mit vergleichbaren Abgaben belegt, oh-
ne dass diese separat aufgelistet wurden.
Auch weitere landwirtschaftliche Produkte
wie beispielsweise Saatgut von Lein (Flachs)
wurden importiert, da Lein aus der Region
um Riga als besonders hochwertig galt. Bei
Pflanzenarten, die auch lokal kultiviert wur-
den, kann der Nachweis des Imports meist
nur anhand der Schriftquellen geführt wer-
den. Dagegen waren Getreide und Getreidepro-
dukte wie Malz, Mehl und Bier neben anderen
landwirtschaftlichen Erzeugnissen besonders
wichtige pflanzliche Exportprodukte der vor-
pommerschen Küstenregion. Die Gegend an
der südlichen Ostseeküste war schon zu Zei-
ten der Hanse eine bedeutende Kornkammer,
die besonders die Länder des nördlichen Bal-
tikums versorgte – Drehscheiben des Fern-
handels waren insbesondere die Hafenstädte
Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald.
Das im Überschuss produzierte Getreide wurde
von den Hafenstädten in die gesamte baltische
Region verschifft, sogar weiter bis nach Now-
gorod. Im Rahmen des Fernhandels wurde
Getreide auch nach Flandern und England
exportiert. Exotische Importe wie verschiedene
Gewürze gelangten wohl ebenfalls in erster Li-
nie auf dem Seeweg in die Städte Mecklenburgs
und Vorpommerns. Eine zunehmende Bedeu-
tung des Handels mit Nahrungsmitteln ergab
sich schon allein durch die seit dem 13. Jahr-
hundert rapide wachsende Bevölkerung, die
in Städten lebte.
Neben den Schriftquellen, die gerade die
in kleinen Mengen verhandelten Gewürze oft-
mals nicht oder nicht detailliert erwähnen,
können auch und vor allem archäobotanische
Funde aus mittelalterlichen und frühneuzeit-
lichen Kloaken- und Latrinenschächten den
Import von pflanzlichen Produkten und die
damit verbundenen weitreichenden Handels-
kontakte belegen. Ein gutes Beispiel dafür
sind die Nachweise von Reis und verschiedenen
exotischen Gewürzen aus Kloakenanlagen in
den Hansestädten Mecklenburg-Vorpommerns.
Einem einzigen spätmittelalterlichen Reisnach-
weis aus einer Kloake des 14./15. Jahrhunderts
von der Baderstraße 1a in Greifswald stehen
zahlreiche Funde aus frühneuzeitlichen Kloa-
ken des 16.–18. Jahrhunderts in Rostock, Stral-
sund und Greifswald gegenüber.
Dies verweist darauf, dass Reis im späten
Mittelalter eindeutig ein seltenes Luxuspro-
dukt war. In der Frühen Neuzeit war Reis da-
gegen durch den zunehmenden Import für
breitere Bevölkerungsschichten leichter ver-
Reis, Pfeffer und Paradieskorn – Pflanzenreste als Quellen zur
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handelsgeschichte
Julian Wiethold
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Abb. 2. Reis (Oryza sativa
L.). Darstellung in der von
Petro Uffenbach 1610
herausgegebenen frühneu-
zeitlichen deutschen Fassung
des berühmten Kräuterbu-
ches von Dioskorides (nach
Uffenbach 1610 [1964]).
fügbar und sicherlich auch billiger, jedoch
immer noch teurer als die heimischen Getrei-
de. Reis war im Gegensatz zu Roggen, Gerste,
Hafer und Saatweizen kein Grundnahrungs-
mittel. Er wurde stets bespelzt verhandelt, da
die harten, verkieselten Spelzen die empfind-
lichen Reiskörner beim Transport vor Insek-
tenfraß und anderen Schädigungen wirksam
schützten. Vor der Zubereitung von Reismehl
mussten die Reiskörner in der Küche von
Hand aufwändig entspelzt werden. Die unge-
nießbaren, hartschaligen Spelzen wurden mit
anderen Küchenabfällen in den Kloaken ent-
sorgt (Abb. 1). Da Reis im Vergleich zu den
heimischen Getreidearten teuer und aufwän-
dig in der Zubereitung war, spielte er nur in
der gehobenen Küche eine wichtige Rolle.
Süßspeisen aus Reismehl, besonders eine
wohlschmeckende breiartige Zubereitung aus
Mandelmilch und Reismehl, der so genannte
„blancmanger“, finden sich in zahlreichen
frühneuzeitlichen Kochbüchern. Helle Spei-
sen aus Reismehl ließen sich auch vielfältig
färben, was bei festlichen Anlässen begehrt
war. In der Fastenzeit dienten Speisen aus
Reismehl zum Imitieren von Fleischgerichten.
Brot aus Reismehl galt als besonders vor-
nehm. So schreibt Alexander Sincerus in sei-
nem Werk „Der wolbestehende Becker“ von
1713: „Vom Reyß. Dieser gibt daß allerschöne-
ste / weiseste und schmackhafftigste / auch nahr-
hafftigste und wohlspeissend Brot / ist köstlich
und gut für zarte Leute“.
Reis wurde im Mittelalter und in der
Frühen Neuzeit auf überschwemmten Feldern
in der norditalienischen Poebene, im Mittel-
meergebiet und in Asien angebaut. Die zu-
nehmende Bedeutung von Reis in der Frühen
Neuzeit wird auch in seiner Erwähnung und
Darstellung in den frühen Kräuterbüchern
deutlich: Im „New Kreütterbuch“ des Leon-
hart Fuchs von 1543 fehlt er noch. In der von
Petro Uffenbach 1610 herausgegebenen deut-
schen Bearbeitung des berühmten Kräuter-
und Heilpflanzenbuchs von Dioscorides wird
Reis dagegen abgebildet (Abb. 2). Adamus
Lonicerus schreibt in seinem 1679 in Ulm he-
rausgegebenen Kräuterbuch über den Reis:
„Wächst in Asia, Syria und Egypten in grosser
Menge / und wird nunmehr auch in Italia auf vie-
len feuchten und sumpffigten Orten gesäet […]“.
Das wichtigste Importgewürz in der mit-
telalterlichen und frühneuzeitlichen Küche
war Pfeffer Piper nigrum, bei dem es sich um
die Beere eines klimmenden Strauches aus In-
dien handelt (Abb. 3 u. 4). Schwarzer Pfeffer
bezeichnet die vollständige reife, getrocknete
Beere. Dagegen ist beim weißen Pfeffer die
äußere schwarze Fruchtwand nach einem Fer-
mentationsprozess entfernt worden. Er ist da-
her milder im Geschmack. Pfeffer sorgt nicht
nur für die beliebte Schärfe vieler Speisen,
sondern regt ganz allgemein das Geschmacks-
empfinden und die Verdauung an. Venedig
besaß lange Zeit ein Monopol im Pfefferhan-
del mit Indien. Von dort wurde er über die
beiden bedeutenden süddeutschen Handels-
städte Augsburg und Nürnberg weiter nach
Norden verhandelt. Da Pfeffer sehr teuer und
stets ein begehrtes Handelsprodukt war, wur-
de er – wie auch der noch wertvollere Safran –
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Abb. 1. Reisspelzen sind
durch Kieseleinlagerungen
besonders hartschalig. Sie
bleiben in den Kloaken-
sedimenten oft ausgezeichnet
erhalten (Foto: J. Wiethold).
Abb. 4. Pfeffer (Piper
nigrum L.). Darstellung
aus dem 1679 gedruckten
Kräuterbuch von Adam
Lonitzer (nach Lonicerus
1679 [1962]).
Abb. 3. Pfefferkörner wur-
den meist zerstoßen in der
Küche eingesetzt. Ganze
Pfefferkörner wie hier blei-
ben nur in Ausnahmefällen
erhalten. Die Leitbündel auf
der Oberfläche zeigen an,
dass die äußere Fruchtwand
fehlt (Foto: J. Wiethold).
oftmals gestreckt und verfälscht. Wegen der
damit verbundenen hohen Gewinne und der
Gesundheitsgefährdung der Abnehmer durch
schädliche Beimengungen wurden Gewürz-
fälscher besonders hart bestraft.
Pfeffer ist bei archäobotanischen Analy-
sen früher vielfach übersehen worden, da man
keine ganzen Pfefferkörner verwendete, son-
dern in der Regel frisch gemörserte oder zer-
kleinerte Körner. Bei dieser Verwendung reich-
ten kleinere Mengen des teuren Gewürzes aus,
um den gleichen würzenden Effekt bei der
Speisebereitung zu erzielen. Zerstoßene oder
zerbissene Fragmente der Fruchtwand sind
bei den Analysen von Kloakeninhalten nur
schwer zu erkennen. Bei einiger Erfahrung er-
möglichen jedoch die schwärzliche innere
Fruchtwand und die aufsitzenden Leitbündel-
stränge eine sichere Bestimmung, die durch
eine ergänzende mikroskopische Untersu-
chung von Querschnitten durch die Frucht-
wand bestätigt werden kann.
Aus einer frühneuzeitlichen Kloake vom
Grundstück Kröpeliner Straße 34–36 in der
Hansestadt Rostock liegt mit einem Samen
vom Kardamom Elettaria cardamomum ein wei-
teres teures Importgewürz vor (Abb. 5 u. 6), das
wie der Pfeffer an der südwestindischen Mala-
barküste beheimatet ist. Bereits 1295 wird
Kardamom in Köln erwähnt; später, 1385,
dann in Bremen. Die Erwähnung von 8 Pfund
„conf(ectionis) cardamo(m)i“ in der Warenliste
der Lüneburger Ratsapotheke von 1475 macht
deutlich, dass die meisten Gewürze zugleich
Heilmittel waren. Gerade die frühen Apothe-
ken verfügten daher in ihrem Warenbestand
über ein breites Spektrum exotischer Gewür-
ze. Kardamom wurde auch mit Zucker oder
Honig vermischt oder kandiert in Form von
Latwergen und den so genannten confectiones
angeboten. Mittelalterliche Funde von Karda-
mom aus Mecklenburg-Vorpommern fehlen
bisher noch. Dies ist jedoch wahrscheinlich
ausschließlich dem derzeitigen archäobotani-
schen Forschungsstand zuzuschreiben.
Als letztes, heute weitgehend unbekanntes
Importgewürz ist der westafrikanische Mele-
gueta-Pfeffer Aframomum melegueta anzufüh-
ren. Das schilfähnliche tropische Ingwerge-
wächs wird in den Quellen als grana paradisi
oder Paradieskorn bezeichnet. Aus Mecklen-
burg-Vorpommern liegt bisher nur ein Fund
aus einer frühneuzeitlichen Kloake von der
Kröpeliner Straße 34–36 in Rostock vor. Auch
kleine, zerbissene Fragmente lassen sich an-
hand der auffälligen, granulösen Oberflächen-
struktur der Samen gut erkennen. Paradieskorn
erreichte vor allem im 16./17. Jahrhundert im
Zuge der Expansion des spanischen und portu-
giesischen Seehandels große Verbreitung, da
der Pfefferimport die steigende Nachfrage nicht
befriedigen konnte und man nach einem Ersatz
suchte. Das ähnlich scharf schmeckende Para-
dieskorn diente daher als willkommener Pfef-
ferersatz. Die Hansestadt Stralsund bezog im
16. Jahrhundert aus den portugiesischen Häfen
Setubal und Lissabon sowie aus dem spani-
schen St. Lucar nicht nur Salz, sondern auch
Wein und Gewürze. Vermutlich kam Para-
dieskorn entweder direkt aus Spanien oder
über die flandrischen oder englischen Hafen-
städte nach Rostock.
Die archäobotanischen Funde pflanzlicher
Handelsgüter müssen vor dem Hintergrund
ihrer Überlieferungsbedingungen bewertet wer-
den. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den
Kloakenanlagen in erster Linie Früchte und
Samen erhalten bleiben, die bei der Speisebe-
reitung ganz oder nur leicht zerkleinert einge-
setzt wurden. So gibt es von Pfeffer, Karda-
mom und Paradieskorn Funde aus Kloaken der
Hansestädte Rostock, Stralsund und Greifs-
wald. Zartwandige Pflanzenteile wie die als
Nelken bezeichneten Knospen des Gewürznel-
kenstrauchs Syzygium aromaticum oder die als
Safran gehandelten Staubfäden einer Krokus-
Abb. 5. „Cardamoemlin“.
Darstellung von Kapseln des
Kardamom (Elettaria
cardamomum (L.) Mahon.)
in der von Petro Uffenbach
1610 herausgegebenen
frühneuzeitlichen deutschen
Fassung des berühmten
Kräuterbuches von
Dioskorides (nach Uffenbach
1610 [1964]).
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Abb. 6. Die unregelmäßig
gefurchten Samen des aus
Indien stammenden Karda-
mom (Elettaria cardamomum
(L.) Mahon.) werden nur
selten bei archäobotanischen
Analysen gefunden. Sie
waren teuer und wurden
nur bei vornehmen Anlässen
in der Küche eingesetzt
(Foto: J. Wiethold).
Abb. 7. In das Hausbuch der
Mendelschen Zwölfbrüder-
stiftung wurde im Jahre
1453 „Perchthold Kromer,
Gewürzkrämer“ eingetragen
(Stadtbibliothek Nürnberg,
Amb. 317. 2°).
art bleiben in der Regel nicht erhalten und
sind daher archäobotanisch nicht nachweisbar.
Auch Knollen des Ingwers Zingiber officinale,
der wie Nelken und Pfeffer in vielen frühen
Kochbüchern als wichtiges Importgewürz ge-
nannt wird, bleiben nicht erhalten. Deshalb
sind bei einer Beurteilung des mittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Handels mit pflanzli-
chen Produkten stets auch die Schriftquellen zu
berücksichtigen.
Zu den bedeutendsten Schriftquellen des
hansischen Handels gehören die Pfundzolllisten
und -bücher aus Hamburg und Lübeck, die Wa-
renhaus-, Sandträger- und Zollrollen aus Lüne-
burg, die Revaler Zollbücher aus dem 14. Jahr-
hundert, die Danziger Pfahlkammerbücher und
schließlich die Sundzollregister des 16. Jahr-
hunderts, in denen Schifffahrt und Warenver-
kehr durch den Øresund erfasst sind. Ferner
sind Kaufmanns- und Handlungsbücher ver-
schiedener hansischer Kaufleute als Quellen
zum Handel und Warenverkehr anzuführen.
In der Hansestadt Stralsund blühte der Han-
del besonders im 14. Jahrhundert. 1390 er-
möglichte der Stralsunder Rat in einem Privi-
leg Kaufleuten aus Polen, Ungarn, Litauen
und Ruthenien den ungehinderten Zugang
zur Stadt und ihren Märkten, nachdem Her-
zog Bogislav VI. von Pommern-Wolgast dies
zuvor für sein Herrschaftsgebiet festgesetzt
hatte. Die dem städtischen Privileg beigefügte
umfangreiche Zolltarifliste von 1390 gehört
zu den frühesten schriftlichen Zeugnissen der
hansischen Handelsgeschichte Vorpommerns.
Neben Roggen, Weizen, Gerste, Malz und
Mehl werden dort auch Gewürze, Feigen und
Rosinen als pflanzliche Handelsprodukte auf-
geführt. Die Warenströme im 16. Jahrhundert
lassen sich dagegen gut über die Aufzeichnun-
gen in den im Stadtarchiv verwahrten Pfahl-
geldregistern sowie den Pfund- und Schoßkam-
merregistern von 1588–1600 rekonstruieren.
Reis und exotische Gewürze spielten im
Fernhandel der Hansestädte Mecklenburg-
Vorpommerns als teure, nur in kleinen Men-
gen verhandelte Spezialitäten sicherlich nur
eine untergeordnete Rolle. Sie belegen jedoch,
dass es spätestens seit dem 14. Jahrhundert in
den Städten eine begüterte Oberschicht gab,
die diese Luxusprodukte nachfragte. Erst in
der Frühen Neuzeit, dem 16. und 17. Jahr-
hundert, waren sie auch für größere Bevölke-
rungskreise erschwinglich. Dies gilt besonders
für Reis und Pfeffer, die in der Küche bei feier-
lichen Anlässen unverzichtbar waren. Beim
Handel mit Gewürzen waren die reichen Ha-
fenstädte der südlichen Ostseeküste einerseits
selbst Abnehmer, andererseits Zwischenstati-
on bei der weiteren Verteilung der Importgü-
ter. Da die Großkaufleute in den Hafenstäd-
ten stets ein breites Warenangebot vorrätig
halten mussten, gehörten neben den Massen-
gütern wie Getreide, Mehl, Bier oder Stock-
fisch in kleinerem Umfang auch Reis und
exotische Gewürze zu den gelagerten und ge-
handelten Waren (Abb. 7). Archäobotanische
Funde von Reis, Pfeffer, Kardamom und Pa-
radieskorn aus Kloaken, beispielsweise aus der
Kröpeliner Straße in der Hansestadt Rostock,
verweisen als Abnehmer auf eine begüterte
Oberschicht an dieser wichtigen innerstädti-
schen Ausfallstraße. Dies wird sowohl durch
weitere archäologische Funde als auch durch
die Baugeschichte der Häuser in diesem Stadt-
quartier bestätigt. Subfossile Pflanzenreste
aus archäologischen Grabungen können so
dazu beitragen, die Wirtschafts- und Sozial-
geschichte der mittelalterlichen und frühneu-
zeitlichen Städte zu entschlüsseln.
Literatur: Ansorge et al. 2002. – Friedland
1994. – Fritze 1985. – Henn 1996. – Lonicerus
1679 [1962]. – Matthies 1989. – North
1994. – Schildhauer 1968; 1985. – Uffen-
bach 1610 [1964]. – Wiegelmann 1996. –
Wiethold 1998; 1999; 2000; 2003b; 2004. –
Wiswe 1970. – Zoellner 1970/71.
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