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Die DGPPN-Kohorte als nationale Ressource für vernetzte psychiatrische Forschung und datenschutzkonformes Biobanking

Authors:
Mitteilungen der DGPPN
403Der Nervenarzt 3 · 2012
|
Redaktion
P. Falkai, Göttingen
O. Gruber, Göttingen
Nervenarzt 2012 · 83:403–414
DOI 10.1007/s00115-012-3517-6
© Springer-Verlag 2012
Evaluationsergebnisse
DGPPN Kongress 
Rückblick auf den größten Fachkongress
Psychiatrie-Psychotherapie in Europa
In der letzten Novemberwoche
2011 fand zum 11. Mal der jähr-
liche Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Psychiatrie, Psy-
chotherapie und Nervenheilkun-
de (DGPPN) unter der Leitung
von Professor Dr. med. Peter Fal-
kai, dem DGPPN- und Kongress-
präsidenten, in Berlin statt. Der
Kongress stand diesmal unter
dem Leitthema „Personalisierte
Psychiatrie und Psychotherapie.
Die Jahrestagung der DGPPN
ist beliebter denn je: Mit erneut
mehr als 9.000 Teilnehmern
wurde das Spitzenniveau der
vergangenen Jahre gehalten. Die
Teilnehmer konnten in 600 Ein-
zelveranstaltungen mehr über
den aktuellen Wissensstand in
Forschung, Diagnostik und The-
rapie psychischer Erkrankun-
gen erfahren und diskutieren.
Unter die Besucher, darunter
hauptsächlich Ärzte und Wis-
senschaftler, mischten sich über
1.500 Teilnehmer aus dem Aus-
land und rund 1.000 Studieren-
de. Wir freuen uns außerdem da-
rüber, dass die Anzahl der Teil-
nehmer aus den Pflegeberufen in
den letzten Jahren deutlich ange-
stiegen ist.
Qualitätssicherung durch
evaluationsgesteuerte Pro-
grammgestaltung
Jährlich hren wir eine systema-
tische Evaluation verschiedener
Aspekte des Kongresses durch:
Ein Großteil der Teilnehmer füllt
am Ende des Kongresses einen
ausführlichen Evaluationsbogen
aus, in dem verschiedene Aspek-
te wie die Auswahl, Zusammen-
stellung und Aktualität der The-
men, die Auswahl der Referen-
ten, die Präsentation der Vor-
träge, aber auch der Erkenntnis-
gewinn und die Praxisrelevanz
nach Schulnoten-System bewer-
tet werden.
Immer mehr Kongressteil-
nehmer nutzen dafür die Mög-
lichkeit, ihr Feedback direkt vor
Ort elektronisch einzugeben, wo-
durch die Auswertung der Eva-
luation auch für die Organisato-
ren erheblich erleichtert wird.
Ziel dieser Evaluation ist es,
im darauffolgenden Jahr die or-
ganisatorische und inhaltliche
Gestaltung des Kongresses wei-
ter zu verbessern. Die Teilneh-
merrückmeldungen geben uns
wichtige Hinweise für die Quali-
tssicherung und stetige Weiter-
entwicklung von Inhalten und
Formaten. Ein herzliches Dan-
keschön an alle Kongressteilneh-
mer, die sich auch im vergange-
nen Jahr wieder diehe der Be-
wertung gemacht haben! Ihr Feed-
back ist sehr hilfreich, um konti-
nuierlich an der Qualität des Kon-
gresses zu arbeiten.
Darüber hinaus wird auch
eine Evaluation sämtlicher Fort-
und Weiterbildungsveranstaltun-
gen durchgeführt, d.h. der State-
of-the-Art-Symposien, der ins-
gesamt 97 1- und 2-Tage-Work-
shops sowie der Weiterbildungs-
symposien.
Die Ergebnisse dieser Evalua-
tion werden den Dozenten und
Leitern der jeweiligen Veranstal-
tungen rückgemeldet, damit die-
se die Qualität ihrer Fort- und
Weiterbildung laufend verbes-
sern können. Die Evaluations-
ergebnisse werden bei der jähr-
lichen Programmgestaltung be-
cksichtigt: Positiv bewertete
und verstärkt nachgefragte Ver-
anstaltungen werden in der Re-
gel im kommenden Jahr erneut
angeboten.
DGPPN Kongress im Laufe
der Jahre immer besser eva-
luiert
Vielfältiges Kongresspro-
gramm mit aktuellen gesund-
heitspolitischen Themen
Besucher des DGPPN Kongres-
ses konnten in diesem Jahr wie-
der die gre Vielfalt unseres Fa-
ches erleben. Neben neuesten Er-
gebnissen aus der biologisch-psy-
chiatrischen und neurowissen-
schaftlichen Forschung, praxis-
relevanten und psychotherapeu-
tischen Schwerpunkten, philoso-
phisch-ethischen Themen und
Debatten sowie historischen Aus-
einandersetzungen widmeten wir
uns verstärkt versorgungspoliti-
schen Fragestellungen.
Die Abbildungen 1 und 2 zei-
gen die Prozentzahlen der Kon-
gressteilnehmer, die jeweils mit
Note 1 (sehr gut) oder Note 2
(gut) bewertet haben. Der Pro-
zentsatz der Personen, die je-
weils mit diesen Noten bewer-
ten, wird als Zustimmungsra-
te“ bezeichnet, weil davon aus-
zugehen ist, dass Schulnotenbe-
wertungen mit 3 oder schlech-
ter eher Unzufriedenheit wider-
spiegeln. Die Abbildungen zeigen,
dass sich zentrale Kenngrößen
wie die Auswahl und Zusammen-
Abb. 1 8 Zustimmungsrate % sehr gut oder gut – Auswahl und Zusammen-
stellung der Themen
Abb. 2 8 Zustimmungsrate % sehr gut oder gut für 2010–2011 – Gesamtor-
ganisation des Kongresses
Zustimmungsrate % sehr gut oder gut
Auswahl und Zusammenstellung der Themen
60
65
70
75
80
85
90
95
100
2008 2010 2011
89,5 %
86,7 %
87,8 %
Fragebogen für 2009 nicht vorhanden
Zustimmungsrate % die mit sehr gut oder gut
werten 2010 –2011
Gesamtorganisation des Kongresses
70
75
80
85
90
95
100
2010 2011
86,5 %
83,7 %
Vor 2010 item noch nicht im Fragebogen
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Mitteilungen der DGPPN
stellung der Themen, aber auch
die Bewertung der Gesamtorga-
nisation des Kongresses im Ver-
gleich mit den vergangenen Jah-
ren sogar weiter verbessert haben.
Insgesamt wurden Auswahl,
Aktualität und Zusammenstel-
lung der Themen sowie die Aus-
wahl der Referenten besonders
gut bewertet.
Dies drückt sich auch in zahl-
reichen Freitextkommentaren
aus, in denen die Teilnehmer
ihre große Begeisterung über
die außerordentliche themati-
sche Vielfalt und Breite des Pro-
gramms zum Ausdruck brachten.
In der Tat zählt es zu den Beson-
derheiten des DGPPN Kongres-
ses, dass das Fachgebiet nicht
nur im Hinblick auf praktisch al-
le Krankheitsbilder aus unserem
Fach, sondern auch im Hinblick
auf klinische und Forschungsbe-
reiche umfassend abgedeckt ist.
Es sind nicht nur sämtliche re-
levanten Krankheitsbilder, son-
dern auch die grundlagenwis-
senschaftlichen und biologi-
schen sowie klinischen bzw. the-
rapeutischen Aspekte des Fach-
gebietes in Symposien und in
Workshops abgebildet, so dass
die Teilnehmer die glich-
keit haben, sich individuell ein
Programm zusammenzustellen,
welches auch ihren Interessen
am meisten entspricht. In Bezug
auf die thematische Breite dürf-
te der Kongress auf dem Gebiet
der psychischen Erkrankungen
nicht nur in Deutschland, son-
dern auch in Europa konkurrenz-
los und nur noch mit dem jähr-
lich stattfindenden Kongress der
APA (American Psychiatric As-
sociation) vergleichbar sein. Die
Etablierung eines mit dem APA-
Kongress vergleichbaren Kon-
gresses auf dem Gebiet der Psy-
chiatrie und Psychotherapie für
den deutschsprachigen Raum
hat sich aus unserer Sicht erfüllt
und ist eine Erfolgsgeschichte ge-
worden.
Kongress punktet erneut mit
hoher Praxisrelevanz und ho-
hem Erkenntnisgewinn
Insgesamt sehr positiv bewertet
wurden auch, wie bereits in den
vergangenen Jahren, der eigene
Erkenntnisgewinn und die Pra-
xisrelevanz (Abb. 3 und 4). Hier
zeigen sich im Vergleich zu den
Vorjahren sogar noch weitere
Verbesserungen bei der Zufrie-
denheit der Teilnehmer. Die Ver-
besserung bei der Praxisrelevanz
ist umso erfreulicher, zumal das
Ziel, ein hohes wissenschaftliches
Niveau mit Nützlichkeit für die
überwiegende Mehrzahl der Teil-
nehmer, die aus der stationären
und ambulanten Versorgungs-
realität kommen, damit immer
mehr erreicht wurde.
Auch Produkt- und Firmenneu-
tralität zunehmend besser be-
wertet
Bemerkenswert ist die Verbesse-
rung in der Bewertung der Pro-
dukt- und Firmenneutralit, die
aus unserer Sicht mit den Vorga-
ben an die Referenten bezüglich
Offenlegung von Industriebezie-
hungen, die seit 2010 durchge-
führt wird, zu erklären ist. Darü-
ber hinaus werden beispielswei-
se Referenten von State-of-the-
Art- oder Weiterbildungssympo-
sien ausdrücklich aufgefordert,
in ihren Vorträgen auf Produkt-
und Firmenneutralität zu achten.
Dieses Vorgehen scheint sich nun,
wie die Evaluation zeigt, auch bei
der Zufriedenheit der Teilneh-
mer auszuzahlen.
Fort- und Weiterbildungsfor-
mate überzeugen
Am eindrucksvollsten lassen sich
die Früchte einer evaluations-
gesteuerten Programmgestal-
tung erneut an der Bewertung
der 25 State-of-the-Art-Sympo-
sien und der 8 Weiterbildungs-
symposien erkennen. Diese Ver-
anstaltungen, die seit Jahren eva-
luationsgesteuert konzipiert wer-
den, erreichen insgesamt Durch-
schnittsnoten von 1,5, was einer
hervorragenden Bewertung ent-
spricht. Die Kongressteilnehmer
nnen sich hier gezielt zu allen
wichtigen psychischen Erkran-
kungen bezüglich leitlinienorien-
tierter Therapie auf den neuesten
Stand bringen.
Welche Veranstaltungen wur-
den amufigsten als High-
light genannt?
Am ufigsten nannten die Teil-
nehmer die Eröffnungsveran-
staltung, die im Saal 2 mit meh-
reren tausend Besuchern statt-
fand und die erstmals auch per
Live- Stream im Internet übertra-
gen wurde. Die häufigsten Nen-
nungen bezogen sich dann auf
Veranstaltungen zu Borderline-
Persönlichkeitsstörungen, Miss-
brauch in der Kindheit, Acht-
samkeit als Therapietechnik so-
wie Symposien zu Non-Respon-
se und Risiken und Nebenwir-
kungen von Psychotherapie. Als
besonderes Highlight wurde
auch die Live-Übertragung eines
Interviews mit Eric Kandel, No-
belpreisträger und Neurowissen-
schaftler genannt. Bereits in den
vergangenen Jahren waren die
Live-Übertragungen eine ein-
drucksvolle Bereicherung des
Kongressprogramms und einma-
lige Gelegenheit, auch berühm-
te Personen, die maßgeblich zur
Weiterentwicklung der Therapie
psychischer Erkrankungen bei-
getragen haben, in Live-Über-
Abb. 3 8 Bewertung Praxisrelevanz 2003–2011
Abb. 4 8 Bewertung Produkt- und Firmenneutralität 2003–2011
Abb. 5 8 Bewertung eigener Erkenntnisgewinn 2003–2011
Bewertung Praxisrelevanz
2003-2011
1
1,3
1,6
1,9
2,2
2,5
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
2,4
2,34
2,45
2,23
2,15
2,15
2,13
2,25
2,34
Durchschnittsnote
Bewertung Produkt-und
Firmenneutralität
1
1,3
1,6
1,9
2,2
2,5
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
2,22 2,21
2,12
2,14
1,97
2,04
1,98
2,12
2,06
Durchschnittsnote
Bewertung eigener Erkenntnisgewinn
2003 - 2011
1
1,3
1,6
1,9
2,2
2,5
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
2,22
2,17
2,3
2,18
2,1
2,152,13
2,252,25
Durchschnittsnote
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der Themen- und Referenten-
auswahl unterstreichen, dass das
Konzept der Kongressgestaltung
wieder einmal aufgegangen ist.
Auch die Kongressorganisation
wurde mit 1,85 so gut wie noch
nie bewertet.
Was erwartet Sie auf dem
Kongress ?
In diesem Jahr wird der DGPPN
Kongress unter dem Motto: „Die
Zukunft der Psycho-Sozialen
Medizin stehen. Es soll in be-
sonderer Weise auf die Wechsel-
wirkungen zwischen psychischen
Störungen und körperlichen
Symptomen, das heißt auf die
Interaktionen zwischen Psyche,
Gehirn und Körper eingegangen
werden. Ziel des Kongresses ist
dabei auch die Verstärkung des
Austausches mit Nachbardiszipli-
nen im psycho-sozialen Bereich,
das heißt insbesondere mit dem
Fach Psychologie und der psy-
chosomatischen Medizin. Daher
wird auch das Thema der Kon-
siliar- und Liaison-Psychiatrie in
besonderer Weise berücksichtigt
werden. Des Weiteren soll auch
am Beispiel der Neuropsychiatrie
über die neurologischen Kompe-
tenzen in der Psychiatrie nachge-
dacht und auf dieser Grundlage
auch die Frage der Ausrichtung
des Neurologie-Rotationsjahres
erneut thematisiert werden.
Ein besonders wichtiges An-
liegen ist es, der Politik die not-
wendigen Bedingungen zur Si-
cherstellung der Versorgung von
Menschen mit psychischen Er-
krankungen als auch der Verbes-
serung der psychiatrisch-psycho-
therapeutischen Forschung zu
vermitteln. Auf dem Kongress
wollen wir gemeinsam darüber
nachdenken, wie wir noch bes-
ser aufklären, beraten und unse-
re Ziele in politischen Entschei-
dungen verankern können.
Wir chten Sie an dieser
Stelle noch einmal auf die Fris-
ten für die Einreichung von Bei-
trägen hinweisen (http://www.
dgppn.de/dgppn-kongress2012.
html)
Symposien: Dauer: 90 Minu-
ten (max. 4 Redner), 15 – 20 Mi-
nuten Vortrag und 5 Minuten
Diskussion; Anmeldeschluss:
30.rz 2012
Freie Vorträge: Dauer: 10 Minu-
ten je Vortrag; Anmeldeschluss:
29. Juni 2012
Poster: Dauer: 5 Minuten je Pos-
terpräsentation einschließlich
Diskussion;
Anmeldeschluss: 29. Juni 2012
Wir würden uns sehr freuen, Sie
auch in diesem Jahr wieder in
Berlin begrüßen zu dürfen.
Ulrich Voderholzer, Prien am
Chiemsee
uvoderholzer@schoen-kliniken.de
Julie Holzhausen, Berlin
j.holzhausen@dgppn.de
Oliver Gruber, Göttingen
ogruber@gwdg.de
Peter Falkai, Göttingen
pfalkai@gwdg.de
tragungen während eines Kon-
gresses zu hören.
Zu welchen Themen wünschen
die Teilnehmer noch mehr Ver-
anstaltungen?
Auf diese, in den Evaluationsbo-
gen neu aufgenommene Frage
wurde am ufigsten der Wunsch
nach noch mehr psychothera-
peutischen Themen genannt. Da-
nach folgten die Pharmakothe-
rapie, Versorgungsthemen, phi-
losophisch-ethische und auch
religiöse Themen sowie Foren-
sik. Das wissenschaftliche Komi-
tee wird darauf achten, dass bei
der Auswahl der Veranstaltungen
für 2012 nach Möglichkeit diese
Wünsche berücksichtigt werden.
Was wurde kritisch bewertet?
Ein nicht seltener Verbesserungs-
vorschlag der Teilnehmer ist eine
optimierte Raumzuweisung, um
überfüllte Veranstaltungen zu ver-
meiden. Die außerordentliche the-
matische Breite und Vielfalt des
Programms geht einher mit dem
Preis einer besonders hohen Zahl
paralleler Veranstaltungen und
entsprechend einer enormen or-
ganisatorischen Herausforderung.
Von Seiten der Kongressorganisa-
toren wird jedes Jahr versucht, die
einzelnen Veranstaltungen ent-
sprechend dem zu erwartenden
Interesse den vorhandenen, unter-
schiedlich großen umen zuzu-
weisen. Angesichts einer Teilneh-
merzahl von mehr als 9.000 Per-
sonen ist es unvermeidlich, dass
es bei einzelnen Veranstaltun-
gen zu einem unerwarteten Besu-
cheransturm kommt. Dies betraf
2011 insbesondere die Veranstal-
tungen zu psychotherapeutischen
Themen. Limitierend ist die An-
zahl der verfügbaren Räume im
ICC. Nichtsdestotrotz werden wir
uns auch in diesem Jahr intensiv
bemühen, das Interesse der Teil-
nehmer an spezifischen Themen
zu antizipieren und eine optima-
le Raumzuweisung vorzunehmen.
Und angesichts der Tatsache, dass
man sich für die einzelnen Veran-
staltungen nicht vorher anmelden
muss, wird es auch in Zukunft un-
vermeidlich sein, dass einzelne
Veranstaltungen trotz einer sehr
hohen Zahl paralleler Symposien
überfüllt sein werden.
Die Kongressorganisation
wird weiterhin in einem solchen
Fall mit Videbertragungen
arbeiten und die technische Um-
setzung noch verbessern.
Wie in allen vorhergehenden
Jahren wurde zudem erneut kriti-
siert, dass zu wenig Diskussions-
zeit vorhanden war. Trotz be-
ständiger Hinweise bleibt es of-
fensichtlich eine der schwierigs-
ten Aufgaben für Dozenten, sich
noch etwas kürzer zu fassen und
mehr Raum für Fragen und Dis-
kussionen zu lassen. Wir werden
dieses Thema in Vorbereitung
auf den kommenden Kongress
noch deutlicher an die Chairs
und Referenten kommunizieren.
Wie haben Teilnehmer aus dem
Ausland das englischsprachige
Programm bewertet?
Wie im Jahr zuvor gab es auch ein
englischsprachiges Programm,
welches von Teilnehmern aus
dem osteuropäischem Ausland,
aus den Niederlanden und ande-
ren angrenzenden Ländern mit
grem Interesse besucht wurde.
Die Teilnehmer wurden gefragt,
wie attraktiv sie den DGPPN
Kongress im Vergleich mit an-
deren internationalen Kongres-
sen empfanden. Zwei Drittel der
englischsprachigen Teilnehmer
bewerten den Kongress mit einer
1 und als besser als andere inter-
nationale Kongresse. Dies drück-
te sich auch in zahlreichen Frei-
textkommentaren aus („attrak-
tivster europäischer Fachkon-
gress im Gebiet“, „attraktiver, da
thematisch breiter“). Besonders
gut, und sogar noch besser als
von den deutschsprachigen Teil-
nehmern wurde die hervorragen-
de Organisation des Kongresses
hervorgehoben, aber auch die
Attraktivität der Stadt Berlin als
Austragungsort scheint für Teil-
nehmer aus anderen Ländern
eine wichtige Rolle zu spielen.
Positive Rückmeldungen
bestigen Konzept des
Kongresses
Die konstant hohe Teilnehmer-
zahl und die positive Bewertung
Konzept
Das bewährte Konzept des DGPPN Kongresses, welches wesentlich
zum enormen Erfolg beigetragen hat, lautet:
F Besonders breite thematische Vielfalt,
F Aufgreifen relevanter aktueller Themen,
F Fort- und Weiterbildungs programm, welches die gesamte Breite des
Faches abdeckt,
F Integration auch philoso phischer und anderer Themen
F sowie andere zusätzliche Angebote, die weit über einen üblichen
medizinischen Kongress hinausgehen, wie zum Beispiel
Pflegekongress, Trialog-Forum, Veranstaltungen für Schüler, Lehrer
und Angehörige.
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Mitteilungen der DGPPN
Abb. 1 8 Datenschutzkonzept für die DGPPN-Kohorte
Die DGPPN-Kohorte als nationale
Ressource für vernetzte
psychiatrische Forschung
und datenschutzkonformes
Biobanking
Hintergrund
Die biologisch-psychiatrische
Forschung stellt einen wichtigen
Bereich moderner psychiatri-
scher Forschung dar. Sie umfasst
unter anderem neurobiologi-
sche, elektrophysiologische und
neuropsychologische Ansätze.
Aus dem Bereich der Neurobiolo-
gie sind mit der Entschlüsselung
des menschlichen Genoms zu
Beginn dieses Jahrtausends ver-
stärkt genetische Ansätze in den
Fokus gerückt, da die technische
Revolution auf diesem Gebiet
große wissenschaftliche Fort-
schritte verspricht. Diese techni-
schen Neuerungen ermöglichen
es inzwischen, hunderttausende
von Varianten (sogenannte Sin-
gle Nucleotide Polymorphisms
= SNPs) bei Tausenden von Pa-
tienten und Kontrollpersonen
innerhalb kürzester Zeit mit ak-
zeptablem finanziellen Aufwand
zu charakterisieren. Diese soge-
nannten „genomweiten Assozia-
tionsstudien (GWAS) wurden
rasch zu einem Standardansatz
bei der Erforschung genetischer
Grundlagen psychiatrischer Stö-
rungsbilder, aber auch einer Viel-
zahl anderer komplexer Erkran-
kungen und Phänotypen. Mitt-
lerweile wurden durch GWAS
eine Vielzahl von Vulnerabilits-
genen für verschiedenste Krank-
heiten und phänotypische Merk-
male gefunden. Auch auf dem
Gebiet der psychiatrischen Ge-
netik wurden so für die Schizo-
phrenie und die bipolare Störung
erste neue Gene identifiziert und
robust repliziert (z.B. ZNF804A,
TCF4, NRGN, ANK3, CACNA1C,
DGKH). Erwartungsgemäß han-
delt es sich sehr häufig um Gene,
die in früheren, streng hypothe-
sengeleiteten Ansätzen (z.B. Kan-
didatengenstudien an Neuro-
transmittergenen) nicht im Mit-
telpunkt des wissenschaftlichen
Interesses standen. Damit eröff-
neten sich bereits eine Vielzahl
neuer Denk- und Forschungsan-
tze, was die ätiopathologischen
Mechanismen psychischer Stö-
rungen, ihrer möglichen geneti-
schen Überlappung untereinan-
der, aber auch mit somatischen
Krankheitsentitäten anbelangt.
Es ist aber trotz aller Erfolge
nicht von der Hand zu weisen,
dass bislang durch diese GWAS
nur ein Bruchteil der die hohe
Heritabilität komplexer psychi-
atrischer Phänotypen bedingen-
den genetischen Varianz identi-
fiziert werden konnte. Die initia-
le Hoffnung, durch die Untersu-
chung einiger tausender Patien-
ten mit GWAS die Mehrzahl der
mehreren hundert, wenn nicht
tausend genetischen Varianten
identifizieren zu können, die in
einem komplexen Zusammen-
spiel untereinander und mit Um-
weltfaktoren bei der Ausprägung
eines psychiatrischen Störungs-
bildes eine Rolle spielen, hat sich
nicht erfüllt. Hierzu sind weitaus
größere Kollektive vonten, wie
Untersuchungen bei komplex be-
dingten somatischen Krankhei-
ten, wie beispielsweise GWAS zur
Körpergße beim Erwachsenen
eindrücklich zeigen (Visscher
et al., 2012). Während anfäng-
liche Studien mit einigen Zehn-
tausenden von Probanden ledig-
lich einige wenige beteiligte Ge-
ne identifizierten konnten, stieg
diese Zahl exponentiell, als ein
multizentrisches, internationales
Konsortium über 180.000 Perso-
nen untersuchte (Lango Allen et
al., 2010). Dies zeigt eindrücklich
die entscheidende Bedeutung der
Kollektivgröße bei GWAS. Nur
Stichprobenumfänge deutlich
über den bisher vorhandenen er-
lauben es, die Vielzahl der Vul-
nerabilitätsgene, die für sich al-
lein genommen nur einen gerin-
gen Effekt zeigen, statistisch ro-
bust zu detektieren (Psychiatric
GWAS Consortium Coordina-
ting Committee et al., 2009; Sul-
livan et al., 2012).
Die Vorstellung, hunderttau-
sende von einer psychischen Stö-
rung Betroffene für solche Unter-
suchungen zu rekrutieren und
zu phänotypisieren, erscheint
gegenwärtig wie eine Zukunfts-
vision. Dass ein solches Projekt
allerdings durchaus realisierbar
und sehr vielversprechend ist,
zeigt der geplante Aufbau der so-
genannten Nationalen Kohorte
(www.nationale-kohorte.de), in
deren Rahmen bei 200.000 re-
präsentativ ausgewählten Perso-
nen in ganz Deutschland über
einen Zeitraum von bis zu 20
Jahren regelmäßig medizinische
sowie sozioökonomische Daten
erhoben werden sollen. Da es
sich hierbei um eine Kohorte
der Allgemeinbevölkerung han-
delt, wird der Anteil an Betroffe-
nen mit psychischen Störungen
in diesem prospektiven Projekt
allerdings nur den Prävalenzen
der betreffenden Srungsbilder
entsprechen. Außerdem lässt ein
derart großes Unterfangen über
alle medizinischen Fachgebiete
hinweg leider nur ein bedingtes
Eingehen auf psychische Erkran-
kungen zu, so dass die Nationale
Kohorte wohl nicht der immen-
sen Bedeutung psychischer Stö-
rungen in der Bevölkerung ge-
recht werden kann.
Der Aufbau einer prospek-
tiv nationalen Kohorter
psychische Störungen: die
DGPPN-Kohorte
Daher liegt die Durchführung
eines ähnlich konzipierten Pro-
jekts nahe, welches auf den Auf-
bau einer Kohorte von Personen
mit psychischen Störungen ab-
zielt. Ein solches wissenschaftli-
ches Unterfangen kann eine äu-
ßerst wertvolle Ressource für die
biologisch-psychiatrische, aber
auch für die klinische Forschung,
die Epidemiologie und die psych-
iatrische Versorgungsforschung
bilden. Vor allem Daten zum
Verlauf der Störungen wurden
im Kontext biologisch-psychia-
trischer Forschung bisher eher
selten oder nur innerhalb kleiner
Stichproben erhoben.
Aus unserer Sicht ist es daher
dringend geboten, analog zur
Nationalen Kohorte, eine natio-
nale psychiatrische Kohorte auf-
zubauen. Als die größte wissen-
schaftliche Fachgesellschaft im
Bereich der Psychiatrie und Psy-
chotherapie in Deutschland, die
akademische und nicht-akade-
mische Zentren sowie den nie-
dergelassenen Bereich rep-
sentiert, ist die DGPPN her-
vorragend positioniert, hier-
bei eine Führungsrolle zu über-
nehmen. Aus diesem Grund hat
der DGPPN-Vorstand beschlos-
sen, den Aufbau einer entspre-
chenden Kohorte unter der Ägi-
de der DGPPN zu initiieren und
auf verschiedensten Ebenen ak-
tiv zu unterstützen. Dieses auf
Langfristigkeit angelegte Projekt
soll unter dem Namen DGPPN-
IDAT
Heinz Müller
ProbDAT
Blutprobe
Datensatz
BildDAT
Röntgenbild
Datentreuhänder
(dritter Standort)
IDAT
Heinz Müller
Koordinierungszentrum
BildDAT
Röntgenbild
ProbDAT
Blutprobe
MDAT
Raucher? ja nein
MDAT
Raucher? ja nein
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Kohorte ein nach außen deutlich
sichtbares wissenschaftliches
Projekt der Fachgesellschaft dar-
stellen. Verschiedene psychiatri-
sche Forschungszentren inner-
halb Deutschlands verfügen be-
reits über Pnotyp- und Bioma-
terialsammlungen zu bestimm-
ten psychiatrischen Phänotypen
(u.a. schizophrene und affekti-
ve Störungen, Angsterkrankun-
gen, Suchterkrankungen, De-
menzen) und konnten hiermit
schon wesentlich zum weltwei-
ten Fortschritt im Bereich der
biologischen Erforschung psy-
chischer Störungen beitragen.
Die DGPPN-Kohorte hat sich
zum Ziel gesetzt, diese Daten zu-
sammenzuführen, weitere zu er-
heben und um eine longitudi-
nale Komponente zu ergänzen.
Durch enge Zusammenarbeit
und eine möglichst homogene
Datensammlung und -analyse er-
scheint die Erhebung in der Grö-
ßenordnung der Teilnehmerzahl
der Nationalen Kohorte durchaus
denkbar, insbesondere in Anbe-
tracht der hohen Lebenszeitprä-
valenzen psychischer Erkran-
kungen und der vielen exzellen-
ten Forschungsprojekte im Be-
reich der deutschen Psychiatrie.
Die DGPPN-Kohorte wird den
notwendigen infrastrukturellen
und logistischen Rahmen bereit-
stellen, einzelne Forschungspro-
jekte zusammenzuführen und
durch eine Bündelung der erho-
benen phänotypischen Daten so-
wie Biomaterialien eine für die
Zukunft der psychiatrischen For-
schung in Deutschland bedeutsa-
me Ressource aufzubauen.
Wir beabsichtigen, in den
nächsten zehn Jahren mittels der
Infrastruktur der DGPPN-Ko-
horte, welche allen Trägern der
psychiatrischen Versorgung in
Deutschland, die sich auch wis-
senschaftlich engagieren wollen,
offen stehen soll, 100.000 Patien-
ten in die DGPPN-Kohorte auf-
zunehmen. Zunächst sollen vor-
rangig Patienten mit schizophre-
nen und affektiven Störungen,
Angsterkrankungen, Abhängig-
keitserkrankungen und Demen-
zen erfasst werden. Nach einer
Etablierungsphase können wei-
tere Störungen hinzukommen.
Zum jetzigen Zeitpunkt stehen
unter anderem bereits die Daten
von mehr als 6.000 Patienten mit
Schizophrenie, bipolarer und uni-
polarer Depression im Rahmen
der MooDS-Initiative (http://
www.ngfn-moods.de/) des Na-
tionalen Genomforschungsnet-
zes zur Verfügung. Darüberhin-
aus wird es die DGPPN-Kohor-
te ermöglichen, auch die vielen
Kollektive, die im Rahmen der
Kompetenznetze aufgebaut wur-
den, in ihr Gesamtkonzept zu in-
tegrieren. Eines der Hauptzie-
le der DGPPN-Kohorte besteht
darin, eine Vernetzung derjeni-
gen Zentren zu rdern, die vor
allem hinsichtlich einer vertief-
ten Charakterisierung der Pa-
tienten ihre Ressourcen effek-
tiver nutzen möchten. Im Zu-
ge des Aufbaus der DGPPN-Ko-
horte sollen auch neue Rekrutie-
rungsorte logistisch unterstützt
werden. Der individuelle Bei-
trag der jeweiligen Zentren am
Aufbau der Kohorte wird sich an
den vor Ort vorhandenen Res-
sourcen und Expertisen orientie-
ren. Die derzeit entstehende In-
frastruktur der Kohorte wird es
ermöglichen, bereits im Kontext
der klinischen Versorgung erho-
bene, wissenschaftlich relevan-
te Daten (neuropsychologische
Testungen, Bildgebung, Labor-
werte, psychometrische Diagnos-
tik etc.) aufzunehmen und diese
mit geringem Aufwand um zu-
tzliche Daten, v.a. im Hinblick
auf den Krankheitsverlauf, zu er-
nzen. Die IT-Infrastruktur der
DGPPN-Kohorte ist so konzipiert,
dass die Unabhängigkeit einzel-
ner Forschunsgruppen bzw. -pro-
jekte sowie höchste Datenschutz-
standards gewährleistet bleiben.
Gleichzeitig stellt die Partizipa-
tion an einer großen Ressource
wie der DGPPN-Kohorte einen
unschätzbaren Mehrwert für je-
de einzelne Forschungsgruppe
dar.
Implementierung einer
standardisierten, daten-
schutzkonformen IT-Infra-
strukturr die DGPPN-Ko-
horte & Biobanking
Für die erfolgreiche Durchfüh-
rung eines Projekts mit solchen
Dimensionen sind eine gemein-
same IT-Infrastruktur, die Er-
stellung von Inventaren für eine
gemeinsame Kernphänotypi-
sierung, harmonisierte Einver-
ständniserklärungen, eine zen-
tralisierte Biobankstruktur so-
wie eine zentrale Koordination
unter Führung der DGPPN un-
abdingbar.
Im Rahmen der Klinischen
Forschergruppe 241 an der Uni-
versitätsmedizin Göttingen
(www.kfo241.de; Leitung Prof.
Dr. T. G. Schulze und Prof. Dr. P.
Falkai) wurde eine IT-Infrastruk-
tur entwickelt, welche höchsten
Datenschutzbestimmungen ge-
nügt und sich an den Empfeh-
lungen der Technologie- und Me-
thodenplattform für die vernetz-
te medizinische Forschung (TMF;
http://www.tmf-ev.de) orien-
tiert. Diese Entwicklung kann
als Grundlage für die IT-Infra-
struktur der DGPPN-Kohorte
genutzt werden (Demiroglu et
al., im Druck).
Das zugrundeliegende Daten-
schutzkonzept der KFO 241 sieht
die strikte Trennung der identifi-
zierenden Daten (IDAT) von den
medizinischen Daten (MDAT),
den Bilddaten wie z.B. Rönt-
genbildern (BildDAT) und den
Probenverwaltungsdaten (Prob-
DAT) vor. Die Umsetzung der
Datentrennung erfolgt innerhalb
der Infrastruktur mit Hilfe eines
Datentreuhänders. In einem ers-
ten Schritt werden an diesen zu-
nächst die IDAT der Studienteil-
nehmer übermittelt. Daraufhin
erzeugt dieser mit Hilfe eines er-
probten Verfahrens für die üb-
rigen Datensätze (MDAT, Bild-
DAT, und ProbDAT) eines Teil-
nehmers jeweils unterschiedliche
Pseudonyme. Der Datentreuhän-
der verwaltet daher zutzlich zu
den IDAT des Studienteilneh-
mers auch die verwendeten Pseu-
donyme (Abb. 1).
Abb. 2 8 IT-Infrastruktur für die DGPPN-Kohorte
408
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Der Nervenarzt 3 · 2012
Mitteilungen der DGPPN
Dieses Konzept genügt höchs-
ten Datenschutzanforderun-
gen, da Biomaterialien (Blutpro-
ben, Liquor, DNS, etc.), phäno-
typische Daten (Diagnose, Sym-
ptome, etc.) und identifizieren-
de Daten (Name, Geburtsdatum,
etc.) völlig separat voneinander
gelagert bzw. gespeichert wer-
den. Die Einbindung eines unab-
hängigen Datentreuhänders so-
wie die Entwicklung eines prag-
matischen Rechte- und Rollen-
systems stellen sicher, dass nur
diejenigen Personen eines Zent-
rums identifizierende Daten des
jeweiligen Standorts einsehen
können, denen die Studienteil-
nehmer über eine Einwilligungs-
erklärung dazu die Erlaubnis ge-
geben haben. Gleichwohl ermög-
licht dieses System die gemeinsa-
me wissenschaftliche Auswer-
tung der nicht-identifizierenden
Daten.
Diese IT-Infrastruktur ist als
eine zugangsgeschützte webba-
sierte Anwendung konzipiert, so
dass sie an jedem Zentrum, wel-
ches an der DGPPN-Kohorte par-
tizipieren möchte, einfach ge-
nutzt werden kann. Sie ermög-
licht den Einschluss eines Pro-
banden, die Generierung von
Pseudonymen für die verschiede-
nen Datentypen, das Ausdrucken
von 2D-Barcodes für Probenbe-
hälter (z.B. EDTA-, Serum-, Plas-
maröhrchen) und das Anmel-
den der Biomaterialproben in
der Biobank-Komponente. Die
Bioproben können anschließend
zur Lagerung in die im Verbund-
system vorgesehene Biobank ver-
schickt werden. Diese Biobank-
Komponente ist nicht notwendi-
gerweise im Sinne einer zentra-
len Biobank konzipiert, sondern
kann verschiedene Biobanken
an mehreren Standorten im Sin-
ne eines Biobankverbundes mit-
einander virtuell verknüpfen, was
auch die doppelte Lagerung oder
„Spiegelung“ von Proben ermög-
licht und somit gewährleistet,
dass im Falle einer technischen
Fehlfunktion einer Biobank Pro-
ben nicht unwiederbringlich ver-
loren gehen (Abb. 2).
Ausblick
Das Konzept der DGPPN-Kohor-
te kann das Rückgrat einer um-
fassenden psychiatrischen For-
schung in den chsten Jahren
und Jahrzehnten in Deutschland
bilden. Wenngleich der Schwer-
punkt auf der Etablierung einer
Ressource für biologische For-
schung liegt, bietet das Gesamt-
konzept der DGPPN-Kohor-
te letztlich umfangreiche Mög-
lichkeiten für die vernetzte For-
schung auf allen Gebieten der
Psychiatrie, sei es z.B. die Epi-
demiologie, die klinische For-
schung oder die psychiatrische
Versorgungsforschung. In den
kommenden Monaten werden
noch einige medizininformati-
sche Anpassungen vorgenom-
men, um die volle Funktionsfä-
higkeit und flexible Anwendbar-
keit des oben skizzierten Kon-
zeptes zu gewährleisten. Im An-
schluss werden die webbasier-
te Infrastruktur zur Phänotypi-
sierung und zum Biobanking in
ausgewählten Zentren exempla-
risch getestet und erste Kollek-
tive in die gemeinsame Daten-
bankstruktur überführt. Parallel
dazu wird unter der hrung der
DGPPN an einem verbindlichen
Katalog r die geplante Kern-
phänotypisierung, einer Organi-
sationsstruktur, einer Nutzerord-
nung sowie Modellen zur Finan-
zierung einmalig und regelmäßig
anfallender Kosten zur Nachhal-
tigkeit der Infrastruktur gearbei-
tet. Unter Einbeziehung aktuel-
ler TMF-Empfehlungen werden
Vorlagen für datenschutzkon-
D GP PN-Kohorten-Zentren
Standort Klinische Einrichtung Beteiligte
Wissenschaftler
Berlin Charité - Universitätsmedizin
Berlin, CC 15: Neurologie,
Neurochirurgie und
Psychiatrie
Schott, B.H.
Walter, H.
Bochum Klinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und
Präventivmedizin, LWL-
Universitätsklinikum
Bochum
Juckel, G.
Roser, P.
Bonn Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie und
Psychotherapie,
Universitätsklinikum Bonn
Maier, W.
Düsseldorf Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie und
Psychotherapie,
Universitätsklinikum
Düsseldorf
Gaebel, W.
Zielasek, J.
Greifswald Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie der
Universität Greifswald
Grabe, H.-J.
Göttingen Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie,
Universitätsmedizin
Göttingen
Anderson-Schmidt, H.
Budde, M.
Falkai, P.
Gruber, O.
Gullatz, V.
Heilbronner, U.
Gade, K.
Reich-Erkelenz, D.
Schulze, T.G.
Halle/Saale Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik
Rujescu, D.
Mannheim Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit, Mannheim
Rietschel, M.
Witt, S.
Marburg Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie,
Universitätsklinikum Gießen
und Marburg
Kircher, T.
Konrad, C.
Krug, A.
München Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie, LMU
München
Falkai, P.
Würzburg Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie,
Universitätsklinikum
Würzburg
Deckert, J.
Reif, A.
Kooperationspartner
Standort Abteilung Beteiligte
Wissenschaftler
Göttingen Abteilung Medizinische
Informatik,
Universitätsmedizin
Göttingen
Buckow, K.
Demiroglu, S.Y.
Gusky, L.
Helbing, K.
Quade, M.
Rienhoff, O.
Schwanke, J.
Skrowny, D.
409
Der Nervenarzt 3 · 2012
|
forme Einwilligungserklärungen
entwickelt, welche die Integra-
tion wissenschaftlicher Projekte
eines Standortes in die DGPPN-
Kohorte ermöglichen.
Die DGPPN-Kohorte wird al-
len forschungsinteressierten psy-
chiatrischen Einrichtungen offen
stehen und einen wichtigen Bei-
trag für zukunftsfähige psychiat-
risch-psychotherapeutische For-
schung in Deutschland liefern.
Referenzen
Demiroglu SY, Skrowny D, Quade M,
Schwanke M, Budde M, Gullatz V,
Reich-Erkelenz D, Jakob JJ, Falkai P,
Rienhoff O, Helbing K, Heilbronner U,
Schulze TG. Managing sensitive phe-
notypic data and biomaterial in lar-
ge-scale collaborative psychiatric ge-
netic research projects: practical con-
siderations. Mol Psychiatry, im Druck.
Lango Allen H et al. Hundreds of variants
clustered in genomic loci and biolo-
gical pathways affect human height.
Nature.  Oct ; ():
-.
Psychiatric GWAS Consortium Coordina-
ting Committee, Cichon S, Craddock
N, Daly M, Faraone SV, Gejman PV,
Kelsoe J, Lehner T, Levinson DF, Mo-
ran A, Sklar P, Sullivan PF. Genome-
wide association studies: history, ra-
tionale, and prospects for psychiatric
disorders. Am J Psychiatry.  May;
(): -.
Sullivan P;  Psychiatric Genetics Inves-
tigators. Don‘t give up on GWAS. Mol
Psychiatry.  Jan; (): -.
Visscher PM, Brown MA, McCarthy MI,
Yang J. Five years of GWAS discove-
ry. Am J Hum Genet.  Jan ;
(): -.
Heike Anderson-Schmidt,
Göttingen
heike.anderson-schmidt@med.uni-
goettingen.de
Thomas G. Schulze, Göttingen
thomas.schulze@med.uni-
goettingen.de
und weitere  Autoren
(siehe Tabelle)
Konzeptvorschlag zur Einrich-
tung eines Deutschen Zentrums
für psychische Erkrankungen
Einleitung
Mit der Einrichtung von Ge-
sundheitszentren hat die Bun-
desregierung eine Neustruk-
turierung krankheitsorientier-
ter Forschung in Deutschland
beschritten. Die Grundidee ist
eine Bündelung wissenschaftli-
cher Kompetenz, um eine Trans-
lation von den pathophysiolo-
gischen Grundlagen zu krank-
heitsrelevanten Therapieansät-
zen sogenannter Volkskrank-
heiten schneller zu ermöglichen.
Dieses Ziel soll durch eine enge
Verzahnung zwischen der Hoch-
schulmedizin und außeruniversi-
tären Forschungseinrichtungen
erreicht werden. Jedes Zentrum
ist über mehrere Partnerstand-
orte verteilt, um die vorhandene
Forschungs- und Versorgungs-
exellenz in Deutschland zu in-
tegrieren. Jedes dieser Zentren
ist auf eine besonders belasten-
de häufige Krankheit (-sgruppe)
ausgerichtet (sogenannte Volks-
krankheiten). Dieser Grundidee
folgend sind seit 2009 folgende
Zentren eingerichtet worden:
F Deutsches Zentrum für Neuro-
degenerative Erkrankungen
(DZNE)
F Deutsches Zentrum für Diabe-
tesforschung (DZD)
Die Einrichtung vier weiterer
Zentren ist beschlossen:
F Deutsches Zentrum für Herz-
Kreislauf-Forschung
F Deutsches Konsortium für
Translationale Krebsforschung
F Deutsches Zentrum für Infek-
tionsforschung
F Deutsches Zentrum für Lun-
genforschung
Obwohl die hier genannten
Krankheiten oder Krankheits-
gruppen von eminenter Bedeu-
tung für die Gesundheit der Be-
völkerung der Bundesrepublik
Deutschland sind, soll das vor-
liegende Konzeptpapier heraus-
arbeiten, dass die Notwendigkeit
für die Einrichtung eines Deut-
schen Zentrums für psychische Er-
krankungen (DZP) dringend er-
forderlich ist.
F Warum braucht Deutschland
ein Deutsches Zentrum für psy-
chische Erkrankungen?
z Häufigkeit und Bedeutung von
psychischen Erkrankungen für die
Bevölkerung:
Psychische Erkrankungen sind
weltweit sehr häufig. In Deutsch-
land betreffen sie ca. 1/3 der Be-
völkerung im Verlaufe des Le-
bens. Zu dieser hohen Erkran-
kungswahrscheinlichkeit tragen
insbesondere die Angststörun-
gen (ca. 10 %), Depressionen (ca.
5 %) und psychotische Erkran-
kungen (ca. 3 %) bei. Eine beson-
dere Bedeutung für die öffentli-
che Gesundheit haben zudem
Suchterkrankungen, wie Niko-
tinabhängigkeit (ca. 5 Millionen
Betroffene in der BRD), Alkohol-
abngigkeit (ca. 2 – 3 Millionen
Betroffene) und Drogenabhän-
gigkeit (ca. 100.000 Betroffene).
Da psychische Störungen
auch stressbedingt sind, wird
angesichts sich wandelnder Ar-
beits- und Lebensbedingungen
die gegenwärtige Steigerungs-
tendenz bei der Inanspruchnah-
me medizinischer Leistungen
aufgrund psychischer Srungen
anhalten. Als Maß für die ge-
sundheitspolitische Bedeutung
von psychischen Erkrankungen
kann zum einen das Maß der Be-
einträchtigung der normalen Le-
bensgestaltung durch diese Er-
krankungen gelten und zum an-
deren das Ausmaß der Frühbe-
rentungen, die diese Erkrankun-
gen zur Folge haben.
F Konsequenzen für Betroffene
und die Gesellschaft:
Psychische Krankheiten neigen
in besonderem Maße zur Chro-
nifizierung und zu wiederkeh-
renden Krankheitsepisoden. Da-
her stellen sie auch den häufigs-
ten Grund für langfristige Er-
werbsunfähigkeit und Frühbe-
rentungen dar. Psychische Stö-
rungen stellen dabei die einzige
Krankheitsgruppe mit steigen-
den relativen und absoluten An-
teilen (siehe Abbildung 1). Da-
raus resultiert nicht nur eine indi-
viduelle Beeinträchtigung der Le-
bensentfaltung und Lebensquali-
t, sondern auch eine volkswirt-
schaftliche mit enormen primä-
ren und sekundären Folgekosten.
Nur eine Verbesserung der Be-
handlungsbedingungen psychi-
scher Erkrankungen kann diese
enormen Lasten reduzieren.
bearbeitet durch die Deutsche Ge-
sellschaft für Psychiatrie, Psychothe-
rapie und Nervenheilkunde (P. Falkai,
W. Maier, T. Becker, F. Schneider) in Zu-
sammenarbeit mit der APK (A. Heinz,
H. Kunze)
Abb. 1 8 Entwicklung der Anzahl der Frühberentungen wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit nach ausgewählten Diagnosegruppen (Statistik der deut-
schen Rentenversicherung in Zeitreihen 2010)
40
35
30
25
20
15
10
5
0
2000 2002 2004 2006 2008
Krankheiten des
Skeletts/ Muskeln/Bindegwebe
Krankheiten des
Verdauungssystems/
Stowechsel
Neubildungen
Herz-/Kreislauferkrankungen
Psychische Störungen
Krankheiten des Atemsystems
Krankheiten des Nervensystems
Krankheiten der Haut
410
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Der Nervenarzt 3 · 2012410
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Der Nervenarzt 3 · 2012
Mitteilungen der DGPPN
Ein international häufig ge-
brauchtes Maß für die Beein-
trächtigung der normalen Le-
bensentfaltung durch Krankheit
sind die so genannten DALYS
(Disability-adjusted life years),
die ein Maß für die Beeinträchti-
gung der normalen Lebensgestal-
tung in Jahren pro Menschenle-
ben ausdrücken. Bei diesem
Maß (siehe Abbildung 2) neh-
men psychische Erkrankungen
die prominentesten Plätze unter
den zehn beeinträchtigensten Er-
krankungen weltweit ein.
F Behandlungschancen
Für alle psychischen Krankheiten
gibt es zwar wirksame Behand-
lungsstrategien, diese führen
aber bei der sehr großen Anzahl
von Patienten zu keiner Heilung:
z. B. konnte auch bei der leitli-
niengerechten evidenzbasierten
Anwendung von vier nachein-
ander eingesetzten antidepres-
siven Therapien bei 33 Prozent
keine Heilung (Remission) er-
reicht werden. Die hohen Ent-
wicklungskosten für ZNS-Me-
dikamente haben zudem das En-
gagement der Industrie derzeit
und zukünftig für neue, innovati-
ve Wirkstoffe mit stärkeren The-
rapieeffekten deutlich gedämpft.
Die erfolgversprechende Ent-
wicklung von Wirkstoffen und
anderen Therapieverfahren jen-
seits der Industrie ist also für psy-
chisch Kranke dringend erforder-
lich. Hier kann nicht auf ein pro-
blemadäquates Interesse der for-
schenden pharmazeutischen In-
dustrie gesetzt werden. Die aka-
demische Forschung muss sich
bei der Entwicklung neuer Wirk-
mechanismen – im Interesse der
Betroffenen und der Gesellschaft
hier verstärkt engagieren. Dieses
Ziel erfordert die Bündelung der
verfügbaren Kräfte in Zentrums-
einrichtungen mit starker, lang-
fristiger finanzieller rderung
(in Kooperation mit vorhande-
nen Strukturen der Hochschul-
medizin).
Um diesen Belastungen ge-
recht zu werden, um die vorhan-
denen Chancen zur Therapie-
entwicklung und -optimierung
zu nutzen, ist die Bündelung
der zurzeit zersplitterten wissen-
schaftlichen Kompetenz in einem
Deutschen Zentrum für psychi-
sche Erkrankungen notwendig.
F Welche psychischen Erkran-
kungen sollten in einem Deut-
schen Zentrum für psychische
Erkrankungen gemeinsam er-
forscht werden?
Alle häufigen psychischen Stö-
rungen sollten gemeinsam in
dem Forschungsverbund eines
über mehrere Partnerstandorte
verteilten Zentrums (DZP) be-
arbeitet werden, denn Entste-
hungsmechanismen, Behand-
lungserfordernisse, Patientenbe-
dürfnisse und Therapieansätze
zeigen erhebliche Gemeinsam-
keiten und Überlappungen. Zu-
dem besteht häufig eine Komor-
bidität (gemeinsames Auftreten
verschiedener psychischer Stö-
rungen).
Die besondere Aufmerksam-
keit sollten jene psychische Stö-
Abb. 2 8 Hochrechnung der World Health Organisation (WHO): Burden of
Disease 2030 der Industrieländerr 12-Monats-Pvalenzen (Mathers &
Loncar 2006)
rungen erhalten, bei denen der
Entwicklungs- und Optimie-
rungsbedarf am chsten und
die krankheitsbedingte Belas-
tung bei Betroffenen am stärks-
ten ausgeprägt sind. Dies gilt vor
allem für affektive Erkrankun-
gen, hier insbesondere Depres-
sion und Angststörungen sowie
Suchterkrankungen. Seltenere
Erkrankungen wie psychotische
Erkrankungen und bipolare Stö-
rungen sind wegen der lebens-
langen Beeinträchtigung von Le-
bensqualität, Ausbildungs- und
Berufshigkeit sowie Anpas-
sungsfähigkeit von besonderem
Belang. Dementielle Erkrankun-
gen, die für eine zunehmend äl-
tere Bevölkerung von großer Be-
deutung sind, sind im Deutschen
Zentrum für Neurodegenerative
Erkrankungen bereits Gegen-
stand intensiver Forschung.
Ebenso ist die Bedeutung für
die öffentliche Gesundheit bei
Schwerpunktbildungen zu be-
achten. Für die Gesellschaft ist
eine Verbesserung von Präven-
tion und Therapie von Persön-
lichkeitsstörungen von Bedeu-
tung, da diese häufig aktiven
Missbrauch und kriminelles Ver-
halten zur Folge haben.
F Wie sollte die Struktur eines
solchen Zentrums für psychi-
sche Erkrankungen aussehen?
Mit dem Deutschen Zentrum
für Neurodegenerative Erkran-
kungen und dem Deutschen
Diabeteszentrum existieren zwei
Modelle für Gesundheitszent-
ren mit ganz unterschiedlicher
Struktur. Verfügt das Deutsche
Zentrum für Neurodegenerati-
ve Erkrankungen über ein star-
kes Zentrum in Bonn mit sechs
Satelliten in Dresden, Göttin-
gen, Tübingen, Magdeburg, Wit-
ten-Herdecke und Greifswald,
so besteht das Deutsche Zent-
rum für Diabetesforschung aus
einem Ring von Satelliten, deren
Zentrum ein Helmholtz-Institut
in München ist. Obwohl es Be-
fürworter für das eine oder an-
dere Modell gibt, wird aus prag-
matischen Gründen die Etablie-
rung einer Ringstruktur mit Sa-
telliten vorgeschlagen, wobei der
administrative Kern wie beim
Deutschen Zentrum r Diabe-
tesforschung an einem vorhan-
denen Helmholtz-Standort lie-
gen kann. Optimal erscheint die
Zahl von ca. fünf Satelliten, die je-
weils schwerpunktmäßig eine der
genannten Erkrankungen, insbe-
sondere im Hinblick auf Epide-
miologie und Versorgungsfor-
schung der entsprechenden The-
menfelder bearbeiten.
F Welche Themen sollten in den
Satellitenstandorten bearbeitet
werden?
Um einen optimalen Erkenntnis-
fortschritt zu gewährleisten, wird
es wichtig sein, dass zentrale The-
men für psychische Erkrankun-
gen an den Standorten bearbei-
tet werden. Im Augenblick gibt
es die folgenden, klar abgrenzba-
ren Forschungsgebiete in der Psy-
chiatrie:
1. Versorgungsforschung
2. Klinische Forschung, Psycho-
pharmakologie
3. Psychotherapieforschung
4. Aggressionsforschung, Miss-
brauch/Trauma und Forensik
5. Bevölkerungsbezogene For-
schung
6. Präventionsforschung
7. Translationsforschung
Diesen Forschungsgebieten kom-
men unterschiedliche Quer-
schnittsfunktionen zu. Auch wer-
den verschiedene Zielgruppen
unter Anwendung von unter-
schiedlichen Methoden unter-
sucht.
Ad . Versorgungsforschung
Die psychiatrische Versorgungs-
forschung konzentriert sich
auf die Praxisrelevanz von For-
schungsprojekten und den Trans-
fer der Ergebnisse von Therapie-
und Interventionsstudien in den
Behandlungsalltag. Die zentra-
len Themen der Versorgungsfor-
schung liegen an der Schnittstel-
le zwischen klinischer Forschung,
Versorgungssystem und Leis-
tungsträgern. Schwerpunkte be-
treffen u.a. die Themenfelder von
Unipolare Depression
Alkoholabhängigkeit
Osteoarthritis
Demenzen
Schizophrenie
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Obstr. pulmonale Erkrankung
Autounfälle
Diabetes mellitus
DALY's = Disability Adjusted Life Years (Mio)
0 2 4 6 8 10 12
Bipolar
Psychische
Erkrankungen
411
Der Nervenarzt 3 · 2012
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F Input (Versorgungswe-
ge, Weiterbildung in therapeuti-
schen Berufen);
F Throughput“ (Strukturen und
Prozesse im Versorgungssystem,
z.B. Wartezeiten, Schnittstellen,
Leitlinien-Anwendung usw.);
F das Thema Output“ (Versor-
gungsleistungen, z.B. Diagnosen
oder Eingriffe) sowie das Thema
F Outcome“ (Erreichen gesund-
heitlicher Ziele beim Patienten).
Wichtig sind Themen der sozia-
len Integration, z.B. die Teilha-
be am Arbeitsleben und beruf-
liche Rehabilitation. Die psych-
iatrische Versorgungsforschung
beschäftigt sich mit innovativen,
multidisziplinären und sektor-
übergreifenden Versorgungsan-
geboten. Beispiele sind u.a. die
nachgehende, multidisziplinä-
re gemeindepsychiatrische Be-
handlung (assertive community
treatment), die gemeindepsychi-
atrische, extrastationäre Akutbe-
handlung (home treatment) so-
wie die direkte Platzierung am
Arbeitsplatz für Menschen mit
schweren psychischen Erkran-
kungen (supported em ployment).
Zu diesen Interventionen liegt
jeweils hochwertige Studienevi-
denz vor.
Die Versorgungsforschung
beschäftigt sich mit der Effek-
tivitätsforschung, d.h. mit Stu-
dien zur Anwendung innovati-
ver Ansätze in der Routinever-
sorgung. Hintergrund ist, dass
die Routinewirksamkeit innova-
tiver Interventionen nicht auto-
matisch aus den positiven Er-
gebnissen sog. efficacy-Studi-
en (randomisierter kontrollier-
ter Studien, RCT) folgt. Die Ef-
fektivitätsforschung bedient sich
ebenfalls des RCT-Ansatzes, aber
auch anderer kontrollierter Stu-
diendesigns. Sie muss der Tatsa-
che Rechnung tragen, dass psy-
chiatrisch-psychotherapeuti-
sche Behandlungsangebote u-
fig komplexe Interventionen sind,
die aus mehreren aktiven Kom-
ponenten bestehen. Somit ist die
Therapieprozessforschung wich-
tig, um bei negativen Studien-
ergebnissen oder hoher Ergeb-
nis- (Outcome-) Varianz wirk-
same Komponenten identifizie-
ren und Gründe für Wirkunter-
schiede ermitteln zu können. In
der Implementierungsforschung,
d.h. bei komplexen Änderungen
im Versorgungssystem, kann
eine Arbeitsteilung zwischen
einem Zentrum, das die Inno-
vation umsetzt sowie einem für
die Evaluation verantwortlichen
Zentrum sinnvoll sein, um Vor-
eingenommenheit in der Evalua-
tion zu vermeiden.
Die Versorgungsforschung
gilt weiterhin themenübergrei-
fenden Fragen wie der Therapie-
Compliance (oder Adhärenz),
Maßnahmen zur Verbesserung
der Compliance sowie der medi-
zinischen Entscheidungsfindung.
Die Bearbeitung dieser Fragen
ist wichtig, da häufig Therapie-
absprachen keinen Bestand über
die Zeit haben (Non-Compli ance
oder Non-Adhärenz). Die Be-
arbeitung dieser Forschungsfra-
gen erfordert Methodenvielfalt
einschließlich empirisch-quali-
tativer Ansätze. Für die Versor-
gungsforschung sind schließlich
die Rahmenbedingungen wich-
tig, unter denen im Gesundheits-
und Sozialsystem Versorgungs-
leistungen erbracht werden, da
diese für das Verständnis des Ver-
sorgungsgeschehens und die Im-
plementierung von Interventio-
nen wichtig sind.
Die gesundheitsökonomi-
sche Forschung ist mit Studien
zu Krankheitskosten, zur Kosten-
effektivität und zur Wirkung von
Anreizsystemen im Versorgungs-
system unverzichtbar. Schließlich
stellen Phänomene der Stigmati-
sierung und Diskriminierung
psychisch Kranker, das Arbeits-
feld „Migration und psychische
Erkrankungensowie der demo-
graphische Wandel wichtige For-
schungsfelder dar, zu denen um-
fangreiche empirische Evidenz
vorliegt. Gleiches gilt für das The-
ma der Teilhabe psychisch Kran-
ker am gesellschaftlichen Leben.
Hierzu zählt man in erster
Linie solche wissenschaftlichen
Arbeiten, die die aktuelle Ver-
sorgungssituation verbessern
wollen, um vorhandene Versor-
gungsstrukturen zu evaluieren
bzw. neue sektorübergreifende
und patientenzentrierte Model-
le aufzubauen, die Stigmatisie-
rung psychisch Kranker zu been-
den und die Teilhabe psychisch
Kranker am gesellschaftlichen
Leben zu erweitern. Hierzu zählt
die Erarbeitung neuer Versor-
gungsmodelle wie zum Beispiel
Aufsuchende Dienste („Asserti-
ve community treatment“) oder
Arbeitsreintegrationsprogram-
me, die eine möglichst dauerhaf-
te Reintegration auf dem ersten
Arbeitsmarkt anzielen („Suppor-
ted employment“, Training on
the job“). Für diese Belange sind
auch die gesundheitsökonomi-
sche Forschung und Nutzenana-
lyse sowie Best-Practice-Analy-
sen zu entwickeln.
Bedarf besteht vor allem auch
an der sich entwickelnden Imple-
mentierungsforschung. Die wis-
senschaftlich begleitende Imple-
mentierung von neuen wirksa-
men und nützlichen Therapie-
verfahren als Behandlungsstra-
tegien und von Versorgungs-
modellen ist entscheidend für
den Transfer von gewonnener
Evidenz zum Patienten und in
die Versorgungslandschaft. Die
gegenwärtige unsystematische
Implementierung führt zu Zeit-
qualitäts- und Effizienzverlus-
ten. Viele Untersuchungen, die
bekannte somatotherapeutische
Möglichkeiten (zum Beispiel Me-
dikamente oder Stimulationsver-
fahren) systematisch daraufhin
überprüfen, ob sie das akute Be-
schwerdebild einer Erkrankung
verbessern und langfristig den
Rückfall verhindern, greifen zu
kurz. Dasselbe gilt für die brei-
te Anwendung von Psycho- und
Soziotherapieverfahren und auch
die Entwicklung neuer Verfahren
(zum Beispiel CBASP für chroni-
sche Depressionen).
Ad . Klinische Forschung:
Psychopharmakologie
Klinische Forschung soll einen
schnellen Transfer grundlagen-
wissenschaftlicher Erkenntnis-
se in die klinische Praxis ermög-
lichen.
Die patientenbezogene klini-
sche Forschung bei psychischen
Störungen leidet in Deutsch-
land unter einer unzureichenden
langfristigen Infrastruktur (spe-
zifische Zentren für klinische
Forschung, stehender, überdau-
ernd qualitätsgerichteter Ring
von Behandlungszentren mit be-
wiesener Expertise). Die bereits
erfolgten qualitativen Sprünge in
der klinischen psychiatrischen
Forschung in Deutschland sind
bisher nur unzulänglich in lang-
fristige Strukturen umgesetzt.
Frühe Phasen der Wirkstoff-
prüfung (Phase I, unizentrisch)
und umfangreiche Phase-III/IV-
Studien (multizentrisch) müssen
auch in Deutschland verstärkt
durchgeführt werden. Eine trag-
fähige, langfristig angelegte Mul-
ticenterstruktur ist unerlässlich
für schnelle, effiziente und quali-
tsvolle klinische Forschung mit
internationaler Sichtbarkeit. Die
lange Zeitschiene zwischen Ent-
wicklung, Markteinführung und
Nutzenbewertung kann auf diese
Weise verkürzt werden. Laufzeit-
begrenzungen bei den von BMBF
und DFG geförderten klinischen
Studien stehen diesem Erforder-
nis entgegen und führten bei psy-
chischen Krankheiten zum Ab-
bau aufgebauter, leistungsstarker
Strukturen nach Auslauf der r-
derung.
Die über die Partner des
Helmholtz-Zentrums langfristig
gebildeten Multicenterstruktu-
ren würden gewährleisten, dass
die nach Zulassung notwendi-
gen Studien und andere Eviden-
zen für die Nutzenbewertung im
vom Gesetzgeber vorgegebenen
engen Zeitrahmen erfolgen kön-
nen.
Ad . Klinische Forschung:
Psychotherapie
Spezifische Psychotherapiever-
fahren sind bei vielen psychi-
schen Störungen wirksam mit
vergleichbarer Wirkung wie
wirksame Psychopharmaka.
Die akademische Forschung ist
hier besonders verpflichtet, da
die Forschungsplattformen der
pharmazeutischen Industrie hier
nicht zur Verfügung stehen. Die
systematische Entwicklung neuer,
besserer Psychotherapieverfah-
412
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Der Nervenarzt 3 · 2012412
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Der Nervenarzt 3 · 2012
Mitteilungen der DGPPN
ren ist aber derzeit nicht so sys-
tematisch angelegt, wie die Wirk-
stoffentwicklung in der pharma-
zeutischen Industrie. Hier be-
steht international erheblicher
Entwicklungsbedarf. Die auslau-
fenden BMBF-geförderten Psy-
chotherapieverbünde haben in
Deutschland eine international
sichtbare Vorarbeit geleistet.
Ad : Bevölkerungsbezogene
Forschung
Frühere Behandlung ist auch
bei psychischen Störungen ent-
scheidend für die Verhütung von
Chronifizierungen. Die Identifi-
kation von Stadien erhöhten Ri-
sikos und von voraussagefähi-
gen Frühsymptomen ist Voraus-
setzung für frühe Interventionen.
Diese Indikatoren müssen vor
dem heute üblichen Zeitpunkt
der ersten Inanspruchnahme me-
dizinischer Dienste erkannt wer-
den. Das kann aber nur durch
prospektive Bevölkerungsstu-
dien, respektive durch Epidemio-
logie und Versorgungsforschung
erfolgen. Besonders vielverspre-
chend ist dabei die Entwicklung
von Biomarkern r die späte-
re Entwicklung von psychischen
Störungen.
Laufende Kohortenprojekte
(z. B. Nationale Kohorte) müs-
sen in dieser Hinsicht systema-
tisch r psychisch Kranke ge-
nutzt und ergänzt werden.
Ein weiteres relevantes Ziel
ist die Berichterstattung über die
Entwicklung der Erkrankungs-
ufigkeiten, die Grundlage der
patientengerechten Bedarfspla-
nung für das Versorgungssystem
darstellen. Solche Daten werden
derzeit nur bruchstückhaft erho-
ben, was zu Über- und Unterver-
sorgung führt.
Ad . Pventionsforschung
Es ist allgemein anerkannt: Prä-
vention vor Therapie. Auch bei
psychischen Störungen wird auf-
grund der wachsenden Kenntnis
über Ursachen und Entstehung
eine wirksame Prävention mög-
lich. Auch für psychische Stö-
rungen gilt die Vision: „Disea-
se Prediction (vor der Diagnos-
tik), Prävention (vor der Thera-
pie), personalisierte Medizin (an-
stelle globalen, diagnosebezo-
genen Zugangs)“. Ansatzpunkte
sind: Krankheits-, AU- und BU-
Prävention durch Schaffung des
„seelisch gesunden Arbeitsplat-
zesoder „Indizierte Prävention
aufgrund von Frühsymptomen
in medizinischen Früherken-
nungszentren. Die Entwicklung
von Präventionsprogrammen
in verschiedenen Settings mit
unterschiedlichen Zielpopula-
tionen steckt in den Kinderschu-
hen. Die akademische Medizin
befasst sich weltweit zu stark mit
der Behandlung bereits erkrank-
ter Menschen. Hier sind außer-
universitäre Forschungs- und
Entwicklungsstrukturen gefragt.
Ad . Translationsforschung
In diesem Bereich werden alle
Anstrengungen unternommen,
um die Grundlagen psychischer
Erkrankungen aufzuklären. Hier-
zu hlen der gesamte Bereich
der krankheitsbasierten Epide-
miologie, Genetik und der Be-
reich der bildgebenden Verfah-
ren. Das bedeutet, dass auf der
Grundlage bevölkerungsbasier-
ter epidemiologischer Untersu-
chungen zu verstehen versucht
wird, welche Faktoren zum Aus-
bruch bzw. zur Aufrechterhal-
tung psychischer Erkrankungen
beitragen. Der Bereich der Ge-
netik widmet sich dem Beitrag
genetischer Faktoren zur Patho-
physiologie. Der Bereich der bild-
gebenden Verfahren andererseits
ermöglicht eine Brücke (Trans-
lation) zwischen den geschilder-
ten Symptomen und dem Zent-
ralnervensystem als wichtigem
Organ für das Verständnis psy-
chischer Erkrankungen. Schließ-
lich darf das Studium von Tier-
modellen nicht vergessen werden,
welches uns die Aufklärung der
Funktion von krankheitsrelevan-
ten Genen erlaubt. Dies wieder-
um ist die Basis für die Entwick-
lung neuer somatischer und/oder
psychotherapeutischer Therapie-
optionen auf der Grundlage der
Pathophysiologie.
Mehrwert durch die Etablie-
rung eines „Deutschen Zent-
rums für psychische Erkran-
kungen
Die Erforschung psychischer Er-
krankungen zur Verbesserung
der Versorgung psychisch Kran-
ker ist gegenwärtig in die Berei-
che der Grundlagenforschung,
patientenbezogenen Forschung,
bevölkerungsorientierten For-
schung sowie der Versorgungs-
forschung fragmentiert und da-
mit sehr kostspielig. Die deut-
sche Forschung im Bereich psy-
chischer Erkrankungen ist zwar
durch hervorragende und inter-
national sichtbare isolierte Ein-
zelleistungen ausgewiesen. Nur
eine Bündelung der derzeit frag-
mentierten Kräfte in eine stand-
ortübergreifende, angereicherte
Infrastruktur kann jedoch in die-
sem Bereich ausstrahlende Syn-
ergien schaffen. Vor allem soll-
te dabei eine institutionell ver-
ankerte Verzahnung zwischen
grundlagenorientierter und kli-
nischer Forschung und der Ver-
sorgungsforschung (Translation)
angestrebt werden. Diese Vernet-
zung der genannten Forschungs-
bereiche im Bereich Psychiat-
rie und Psychotherapie erfordert
die Etablierung eines „Deutschen
Zentrums für psychische Erkran-
kungen.
In den USA (NIMH) und
England werden aktuell bereits
derzeitige Forschungszentren
großzügig gefördert. Ohne eine
solche Initiative sind in Deutsch-
land zukunftsweisende Wege ver-
baut.
Zusammenfassung
Die Einrichtung eines DZP be-
inhaltet die folgenden Anforde-
rungen:
F Klinische und vorklinische
Forschung an jedem Standort
Jeder Standortpartner sollte
krankheitsbezogen die Bereiche
der klinischen, aber auch vorkli-
nischen Forschung abdecken, um
eine Kette von den aus der Ver-
sorgung entstehenden Fragestel-
lungen hin zur Pathophysiologie
und zurück („from the bedside to
the bench and back“) zu ermögli-
chen. Ein solcher Ansatz ist inno-
vativ und ermöglicht eine Bün-
delung wissenschaftlicher Kom-
petenz zu psychischen Erkran-
kungen, was in einem absehba-
ren Zeitraum zu messbaren Ver-
besserungen in der Versorgung
von Menschen mit psychischen
Erkrankungen führen wird.
F Vernetzung der Forschungs-
felder unabdingbar
Eine gegenseitige Bereicherung
von Grundlagenforschung, kli-
nischer Forschung, Umsetzung
evidenzbasierter Medizin so-
wie der Generierung Medizin-
(d.h. Praxis-) basierter Evidenz
durch Projekte der Versorgungs-
forschung ist unabdingbar. Auch
schafft ein Zentrum für Psychi-
sche Erkrankungen eine struktu-
relle Voraussetzung, um die er-
forderliche kritische Masse auch
über längere Zeitstrecken zu ge-
währleisten, da bestimmte Frage-
stellungen eine jahrelange Konti-
nuität der Forschungsarbeit er-
fordern (z.B. biologische Marker,
epidemiologische und Verlaufs-
forschung, Kohortenstudien).
F Grundstruktur des Zentrums
Um eine ausreichende inhaltli-
che Breite bei wissenschaftlicher
Exzellenz in allen Kernbereichen
abdecken zu nnen, wird bei der
Etablierung eines „Zentrums für
Psychische Erkrankungenange-
regt, dass eine Ringstruktur mit
mindestens 5 vernetzten Zent-
ren etabliert wird, die administ-
rativ z.B. von einem Helmholtz-
Zentrum aus verbunden werden.
Jedes Zentrum würde schwer-
punktmäßig eine Erkrankungs-
gruppe (z.B. Depression, Angst-
erkrankungen, Suchterkrankun-
gen, Psychosen und Persönlich-
keitssrungen) abdecken, wobei
methodische Kompetenzen zen-
trumsübergreifend genutzt wer-
den sollten.
F Offene Ausschreibung in der
Auswahl der beteiligten Institute
Das Verfahren zur Auswahl der
beteiligten Institute sollte offen
und breit erfolgen. Eine inter-
413
Der Nervenarzt 3 · 2012
|
nationale Begutachtung sollte
hierfür Grundlage sein und zu
den besten wissenschaftlichen
Arbeitsgruppen auf den gesam-
ten Gebieten führen.
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-.
Zur QTc-Zeit-Verlängerung unter
Citalopram und Escitalopram
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN)
In zwei in Zusammenarbeit mit
dem Bundesinstitut für Arznei-
mittel und Medizinprodukte
(BfArM) erstellten Rote-Hand-
Briefen vom 31. Oktober 2011
bzw. 5. Dezember 2011 warnt die
Lundbeck GmbH vor einer „do-
sisabhängigen QT-Intervall-Ver-
längerung“, die mit Citalopram
(Rote-Hand-Brief vom 31.10.2011)
bzw. dessen S-Enantiomer Esci-
talopram (Rote-Hand-Brief vom
5.12.2011) „in Zusammenhang
gebracht“ werde (http://www.
bfarm.de/DE/Pharmakovigi-
lanz/risikoinfo/2011/rhb-cipra-
mil.html und http://www.bfarm.
de/DE/Pharmakovigilanz/risiko-
info/2011/rhb-cipralex.html). In-
folge dessen wird die zugelasse-
ne Höchstdosis von Citalopram
von 60 mg täglich auf 40 mg täg-
lich abgesenkt. Die zugelassene
Höchstdosis von 20 mg Escitalo-
pram täglich bleibt unverändert.
Bei älteren Patienten ber 65
Jahren) dürfen die Tageshöchst-
dosierungen 20 mg Citalopram
bzw. 10 mg Escitalopram nicht
mehr überschritten werden. Im
Falle von Citalopram gilt diese
Einschränkung auch r Patien-
ten mit eingeschränkter Leber-
funktion. Die Gabe von Citalo-
pram und Escitalopram bei Pa-
tienten mit bekannter QT-Inter-
vall-Verlängerung oder angebo-
renem Long-QT-Syndrom ist
ebenso wie die Kombination mit
Arzneimitteln, die bekannterma-
ßen das QT-Intervall verlängern,
kontraindiziert. Das BfArM hat
die Umsetzung dieser Erkennt-
nisse auch für alle generischen
Zulassungen von Citalopram
eingeleitet. Escitalopram ist noch
nicht generisch verfügbar.
Vorausgegangen war eine et-
wa gleichlautende Erklärung
der amerikanischen Arzneimit-
telzulassungsbehörde Food and
Drug Administration (FDA)
vom 24. August 2011 zum Ci-
talopram (http://www.fda.gov/
Drugs/DrugSafety/ucm269086.
htm). Zum Escitalopram liegt
(noch) keine Erklärung von der
FDA vor. Die FDA macht dabei
etwas detailliertere Angaben zu
weiteren Anwendungsbeschrän-
kungen. So gelte die chstdosis
von 20 mg glich für Patienten
mit reduzierter Leberfunktion,
für Patienten, die älter als 60 Jah-
re sind, und für CYP2C19 Poor
Metabolizers (PM). Citalopram
wird ebenso wie Escitalopram
über CYP2C19 verstoffwechselt.
Eine reduzierte Aktivität dieses
Enzyms hrt zu erhöhten Plas-
makonzentrationen von Citalo-
pram bzw. Escitalopram. Da der
H2-Rezeptorantagonist Cime-
tidin CYP2C19 hemmt, darf bei
Gabe dieser Substanz ebenfalls
die Höchstdosis von 20 mg Ci-
talopram (Escitalopram: 10 mg)
nicht überschritten werden. Zu
beachten ist, dass insbesonde-
re Patienten, die ihre ethnischen
Wurzeln im asiatischen Raum ha-
ben, häufiger als Patienten euro-
päischen Ursprungs gefährdet
sind, mit Citalopram bzw. Esci-
talopram eine klinisch relevan-
te QTc-Verlängerung zu erleiden,
da ein Poor Metabolizer-Status
hinsichtlich CYP2C19 bei Asia-
ten deutlich häufiger ist (homo-
zygote 2C19 PM: Asiaten 12-23%,
Europäer 2-5%).
Grundlage der Warnungen
sind Postmarketing-Beobach-
tungen über Verlängerungen des
QT-Intervalls und Torsade de Po-
intes-Extrasystolien unter Citalo-
pram und Escitalopram sowie die
Ergebnisse zweier randomisierter,
doppelblinder, placebo-kontrol-
lierter Studien im Crossover-De-
sign. In der ersten dieser Studien
erhielten 119 Probanden 20 mg
Citalopram (Tag 9), 60 mg Ci-
talopram (Tag 22) oder Placebo.
Unter der niedrigeren Dosis wur-
de eine mittlere Verlängerung der
QTc-Zeit um 8,5 ms beobachtet,
die höhere Dosis führte zu einer
mittleren Verlängerung der QTc-
Zeit um 18,5 ms. Basierend auf
der Beziehung zwischen Citalo-
pram-Plasmakonzentration und
QTc-Zeit-Verngerung wur-
de für die Dosis von 40 mg eine
mittlere Verlängerung der QTc-
Zeit von 12,6 ms berechnet. Eine
solche Verlängerung des QTc-In-
tervalls wurde von der FDA als
noch tolerabel betrachtet und
die Tageshöchstdosis daher auf
40 mg festgesetzt. In der zweiten
Studie, die der zum Citalopram
durchgeführten sehr vergleich-
bar ist, wurden 113 Probanden
in einer randomisierten, dop-
pelblinden, placebo-kontrollier-
ten Crossover-Studie mit 10 mg
Escitalopram (vergleichbar mit
20 mg Citalopram), mit 30 mg
Escitalopram (vergleichbar mit
60 mg Citalopram), mit einem
aktiven Placebo (400 mg Mo-
xifloxacin) oder mit Placebo be-
handelt (http://www.accessdata.
fda.gov/drugsatfda_docs/label/
2011/021323s033,021365s024lbl.
pdf). Unter der niedrigeren Esci-
talopram-Dosis wurde eine mitt-
lere Verlängerung der QTc-Zeit
um 4,5 ms beobachtet, die höhe-
re Dosis führte zu einer mittleren
Verlängerung der QTc-Zeit um
10,7 ms. Aus diesen Daten wurde
für eine Dosis von 20 mg Escita-
lopram eine erwartete QTc-Zeit-
Verlängerung von 6,6 ms berech-
net. Basierend auf diesen beiden
Studien ist die Verlängerung der
QT-Zeit unter Escitalopram da-
mit geringer ausgeprägt als unter
Citalopram.
Citalopram wurde bisher ge-
nerell als kardial unbedenklich
eingeschätzt. Eine große Metaa-
nalyse der zwischen 1978 und
1996 durchgeführten 40 Studien,
innerhalb derer EKG-Daten er-
hoben wurden, konnte keine si-
gnifikanten Effekte von Citalo-
pram auf PQ-, QRS- oder QTc-In-
tervalle identifizieren. Sie kommt
zu dem Schluss, dass Citalopram
weder bei kurz- noch bei langfris-
tiger Behandlung einen Effekt auf
die kardiale Reizleitung oder Re-
polarisation habe (Rasmussen et
al., 1999). Die ersten Fallberichte
über teilweise erhebliche Verlän-
gerungen der QTc-Zeit bei Into-
xikation mit Citalopram (Inges-
tion von mehreren Hundert mg
Citalopram) folgten wenig später
(Catalano et al., 2001), auch To-
desfälle sind berichtet. Auch Ein-
zelfälle von ausgeprägten Brady-
kardien unter klinischen Stan-
darddosen wurden beobachtet
(Isbister et al., 2001). Der erste
Fall von Torsade de Pointes unter
Citalopram wurde 2008 berichtet
(Kanjanauthai et al., 2008). Das
QTc-Intervall scheint mit der Ci-
talopram-Plasmakonzentration
zu korrelieren (Unterecker et al.,
2011). Es gilt nun als allgemein ak-
zeptiert, dass Citalopram dosis-
abhängig zu einer Verlängerung
des QT/QTc-Intervalls führt, de-
ren Ausmaß allerdings eher als
moderat eingestuft wird (Wen-
zel-Seifert et al., 2011). Die Zahl
der berichteten Fälle von Tor-
414
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Der Nervenarzt 3 · 2012414
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Der Nervenarzt 3 · 2012
Mitteilungen der DGPPN
sade de Pointes unter Behand-
lung mit Citalopram ist in An-
betracht der hohen Zahl der mit
der Substanz behandelten Pa-
tienten als sehr niedrig einzu-
stufen. Das Center for Educa-
tion & Research on Therapeutics
(CERT) der Universität von Ari-
zona (http://www.azcert.org/in-
dex.cfm) stuft Citalopram in die
Risikokategorie 3, „Drugs with a
conditional risk of Torsade de Po-
intes, ein. Hier werden Substan-
zen eingruppiert, die ein Risiko
für Torsade de Pointes und/oder
eine QT-Verlängerung unter be-
stimmten Bedingungen (Patien-
ten mit angeborenem Long-QT-
Syndrom, Überdosierung, Kom-
bination mit CYP-Inhibitor) in
sich bergen (http://www.azcert.
org/medical-pros/drug-lists/
list-04.cfm?sort=Generic_name).
Bemerkenswert ist jedoch,
dass auch die meisten anderen
verfügbaren SSRIs (Fluoxetin,
Paroxetin, Sertralin) hier ein-
gruppiert werden. Auch für Fluo-
xetin und Paroxetin sind Fälle
von Torsade de Pointes beschrie-
ben. Torsade de Pointes wurden
unter Escitalopram bisher nicht
publiziert, Fallberichte liegen laut
Rote-Hand-Brief dem Hersteller
jedoch offenbar vor. Das CERT
stuft die Substanz in die Risiko-
klasse 2, „Drugs with a possible
risk of Torsade de Pointes, ein.
Hier werden Substanzen aufge-
hrt, die das QT-Interval ver-
längern und/oder für die Berich-
te einer Assoziation mit Torsade
de Pointes vorliegen, für die aber
gegenwärtig keine Evidenz vor-
liegt, dass sie Torsade de Pointes
verursachen. In dieser Kategorie
findet sich auch Venlafaxin.
In einer großen retrospekti-
ven Analyse von ca. 800 Fällen
von Citalopram- bzw. Escitalo-
pram-Überdosierungen (Cita-
lopram n = 374, Escitalopram n
= 421) fanden Hayes et al. (2010)
keinen signifikanten Unter-
schied in der Zahl der Fälle mit
einer QTc-Zeit-Verlängerung.
In Anbetracht der medianen in-
gestierten Dosierungen (Citalo-
pram: 310 mg, Escitalopram: 130
mg) war die absolute Zahl von
QTc-Intervall-Verlängerungen
gering (Citalopram n = 14, Esci-
talopram n = 7). Allerdings war
die Gesamt-Toxizität von Citalo-
pramher, insbesondere traten
Krampfanfälle signifikant häufi-
ger auf (Citalopram n = 30, Esci-
talopram n = 1).
Die Warnung der FDA wur-
de als überzogen kritisiert (How-
land, 2011). Die statistisch zwar si-
gnifikante Verlängerung des QT-
Intervalls sei absolut gesehen ge-
ring und die klinische Signifi-
kanz fraglich.
Die DGPPN rät zu einem ra-
tionalen Umgang mit den bei-
den Rote-Hand-Briefen zum Ci-
talopram bzw. Escitalopram. Ein
Verzicht auf die Substanzen wä-
re eine überzogene Reaktion. Ci-
talopram und Escitalopram sind
sichere und gut verträgliche Arz-
neimittel. Dies gilt auch bei einer
Intoxikation. Andere SSRI wie
Fluoxetin, Paroxetin und Sertra-
lin bergen vergleichbare Risiken.
Ein besonnener und vorsichti-
ger Umgang mit Citalopram und
Escitalopram bei bestimmten Pa-
tientengruppen (eingeschränkte
Nierenfunktion, höheres Lebens-
alter, Kombination mit CYP-In-
hibitoren) war auch vor Erschei-
nen der Rote-Hand-Briefe bereits
ratsam. Die Tatsache, dass Rote-
Hand-Briefe für andere Substan-
zen nicht vorliegen, macht diese
nicht sicherer (z.B. relativ hohes
Interaktionspotenzial von Fluo-
xetin oder Paroxetin) und ent-
bindet verschreibende Ärztin-
nen und Ärzte nicht von beson-
derer Sorgfalt im Umgang mit
diesen Substanzen, insbesonde-
re bei den o.g. Patientengruppen.
Die Begrenzung der zugelas-
senen Höchstdosis auf 40 mg Ci-
talopram täglich stellt klinisch
keinen bedeutsamen Einschnitt
dar. Studien zeigen, dass SSRI bei
depressiven Syndromen eine fla-
che Dosis-Wirkungs-Kurve auf-
weisen. Das heißt, dass die meis-
ten Patienten nicht von einer
Dosiserhöhung profitieren. An-
ders ist dies bei Störungen wie
der Zwangssrung oder der Bu-
limie. In diesen Indikationen
ist Citalopram nicht zugelassen,
wohl jedoch das Escitalopram.
Behandelt man diese Störungen
mit einer zugelassenen Substanz
(Zwangsstörung: Clomipramin,
Escitalopram, Fluoxetin, Paroxe-
tin, Sertralin; Bulimie: Fluoxetin)
in einer hohen Dosis (wie dies bei
diesen Indikationen sinnvoll sein
kann), so ist in jedem Fall dar-
auf zu achten, dass alle genann-
ten Substanzen gerade bei hohen
Dosierungen zu einer Verlänge-
rung des QT/QTc-Intervalls füh-
ren können.
Klinisch bedeutsam ist jedoch,
dass mit den beiden Rote-Hand-
Briefen die gleichzeitige Anwen-
dung von Citalopram bzw. Escita-
lopram mit anderen Arzneimitteln,
die bekannterweise das QT-Inter-
vall verlängern, r kontraindiziert
erklärt wird. Explizit genannt wer-
den hier Phenothiazine, Pimozid
und Haloperidol. Da solche Kom-
binationen in der klinischen Pra-
xis weit verbreitet sind, stellt die
Beschränkung ihrer Anwendung
eine erhebliche Einengung der kli-
nischen Behandlungsoptionen dar.
In Anbetracht der nur sehr mäßi-
gen Verlängerung des QT/QTc-In-
tervalls insbesondere unter Esci-
talopram erscheint die Beschrän-
kung von Kombinationsbehand-
lungen in diesem umfangreichen
Ausm überzogen.
Spekulationen, wonach der
Rote-Hand-Brief zum Risiko
der QT-Intervall-Verlängerung
unter Citalopram von der Lund-
beck GmbH veffentlich wurde,
um das nach wie vor patentge-
schützte Escitalopram nach der
Eingruppierung der Substanz in
eine Festbetragsgruppe durch
den G-BA besser im Markt zu
etablieren, hielt die DGPPN be-
reits vor Erscheinen des Rote-
Hand-Briefes zum Escitalopram
für ungerechtfertigt. Auch wenn
die Verlängerung des QT/QTc-
Intervalls unter Escitalopram ge-
ringer ausgeprägt zu sein scheint
als unter Citalopram, enthielt
doch die Fachinformation zum
Escitalopram schon zuvor eine
Warnung vor einer gliche
Verlängerung des QTc-Intervalls
und Torsade de Pointes vor allem
bei Überdosierung, bei Kombi-
nation mit anderen die QTc-Zeit
verngernden Arzneimitteln
und bei Hypokaliämie.
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Gabriel Eckermann, Kaufbeuren
eckermann@iapkf.de
Jürgen Fritze, Pulheim
juergen.fritze@dgn.de
Wolfgang Maier, Bonn
wolfgang.maier@ukb.uni-bonn.de
Hans-Jürgen Möller, München
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Peter Falkai, Göttingen
pfalkai@gwdg.de
Thesis
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Lösungen für die datenschutzkonforme Zusammenführung von biomedizinischen Daten zu finden, gewinnt durch die Zunahme an medizinischen Forschungsnetzen seit dem Jahr 2000 immer stärker an Bedeutung. Kennzeichnend für diese Netze sind umfangreiche Bestände an wissenschaftlich relevanten Daten, die von zugehörigen Forschungsprojekten gesammelt werden. Diese befinden sich häufig in voneinander getrennten Datenbeständen auf Grund der besonders hohen datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Deutschland oder weil Voraussetzungen fehlen, einzelne Systeme über geeignete Schnittstellen miteinander zu verbinden. Um die Beforschung dieser Daten zu ermöglichen, bedarf es neuer Lösungen zur Datenzusammenführung. In der Vergangenheit wurden von der Technologieund Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. generische Lösungen erarbeitet, die Konzepte zur datenschutzgerechten Verwaltung von Forschungsdaten enthalten. Auf Grundlage von diesen hat ein Forschungsprojekt der klinischen Forschergruppe 241 sein Datenschutzkonzept erstellt und die damit zusammenhängende IT-Infrastruktur aufgebaut. Als besonders hervorzuheben ist bei diesem Konzept die Verwendung unterschiedlicher Pseudonyme der Daten in jeder Datenbank. Eine Zuordnungstabelle, die diese Pseudonyme verbindet, ist bei einem Datentreuhänder gesichert und somit nur schwer zugänglich, um Missbrauch zu vermeiden. Im Rahmen dieser Arbeit soll am Beispiel dieses Forschungsprojekts der Fragestellung nachgegangen werden, wie ein solches Konzept zur Datenzusammenführung aussehen kann. Die erfolgte Implementierung ist darauf geprüft, ob sie gestellten Anforderungen entspricht. Die Ist-Analyse des Forschungsprojekts umfasst die zu beachtenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen, Erfassung der eingesetzten IT-Komponenten, beteiligten Akteure und Arbeitsprozesse des Projekts sowie eine Bestimmung der bestehenden Werkzeuge, die für eine Umsetzung verwendet werden können. In einer Literaturrecherche sind zudem aktuelle Publikationen erfasst und ausgewertet worden, die sich mit der Thematik der Datenzusammenführung in Forschungsnetzen und der datenschutzgerechten Verwaltung von Patientendaten befassen. Auf dieser Grundlage wurden Anforderungen an eine Implementierung definiert und Konzepte in UML-Diagrammen umgesetzt. Die spätere Implementierung wurde im Rahmen von verschiedenen Testszenarien geprüft. Als Ergebnis stand eine Lösung, die eine Zusammenführung von phänotypischen Daten in einer Studiendatenbank und organisatorische Daten von Proben in einer Biomaterialdatenbank durch eine semantische Verknüpfung der jeweils verwendeten Pseudonyme erlaubt. Dafür wurde einWebservice entwickelt, der den kontrollierten Zugriff auf die Zuordnungstabelle erlaubt. DasWerkzeug für die Datenzusammenführung, welches den Extract, Transform & Load-Prozess implementiert, stellt Datensätze in einem Format bereit, so dass diese in die Forschungsdatenbank i2b2 geladen werden können. Mit diesem steht Forschern ein Werkzeug zur Verfügung, in dem sie Forschungsfragen entsprechend ihrer Zielsetzung beantworten können. Auch wenn diese Lösung in Hinblick auf die speziellen Bedürfnisse der klinischen Forschergruppe 241 entwickelt wurde, sollten Ansätze für vergleichbare Forschungsprojekte übertragbar sein. Eine Integration in ein bestehendes Import-Werkzeug für i2b2 soll in einem nächsten Entwicklungsschritt für eine reibungslose Prozessintegration sorgen.
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Many psychotropic drugs can delay cardiac repolarization and thereby prolong the rate-corrected QT interval (QTc). A prolonged QTc often arouses concern in clinical practice, as it can be followed, in rare cases, by the life-threatening polymorphic ventricular tachyarrhythmia called torsade de pointes (TdP). We searched PubMed for pertinent literature on the risk of QTc prolongation and/or TdP associated with commonly used psychotropic drugs. Thioridazine and ziprasidone confer the highest risk of QTc prolongation and/or TdP. There is also a clinically significant risk associated with haloperidol given intravenously in high doses. TdP has been reported in a few cases in association with the use of newer antipsychotic drugs (mainly quetiapine and amisulpride), most of the tri- and tetracyclic antidepressants, and the selective monoamine reuptake inhibitors citalopram, fluoxetine, paroxetine, and venlafaxine. As a rule, however, QTc prolongation and/or TdP occur only in the presence of multiple additional risk factors, such as age over 65 years, pre-existing cardiovascular disease, bradycardia, female sex, hypokalemia, hypomagnesemia, a supratherapeutic or toxic serum concentration, or the simultaneous administration of other drugs that delay repolarization or interfere with drug metabolism. Before prescribing a psychotropic drug, the physician should carefully assess its risks and benefits to avoid this type of adverse reaction, particularly when additional risk factors are present. The ECG and electrolytes should be regularly monitored in patients taking psychotropic drugs.
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To report a case of symptomatic bradycardia and hypotension that resulted from the therapeutic use of citalopram and to review any previous reports in the literature, from the manufacturer, and the Australian Drug Reaction Advisory Committee (ADRAC). A 60-year-old white woman who had been taking citalopram 20 mg/d for two weeks presented to the hospital with a heart rate of 39 beats/min, mild hypotension (systolic BP 105 mm Hg), and a normal electrocardiogram (QTc < 440 msec), following a presyncopal episode. The patient was admitted for cardiac monitoring, and citalopram was discontinued. The bradycardia and hypotension resolved in the 48-hour period following cessation of citalopram. No other medical or pharmacologic cause was found for the adverse drug reaction. Bradycardia has been reported rarely with citalopram in therapeutic doses, but this is the first detailed case with a dose of only 20 mg. The manufacturer reports bradycardia as an infrequent adverse effect (0.1-1%) of citalopram. There have been no reports to ADRAC or to the manufacturer in postmarketing surveillance. There is a case report of asymptomatic bradycardia in a patient whose dose was increased to 40 mg. In the case reported here, there was no QTc prolongation consistent with previous reports. The sinus bradycardia reported more often with therapeutic doses would appear to be distinct to QT abnormalities seen with citalopram overdose. Citalopram should be used with care in the elderly and in persons with a history of heart disease. Heart rate and blood pressure should be monitored in the first week of therapy and when doses are modified.
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In August 2011, the U.S. Food and Drug Administration issued a safety announcement that the antidepressant drug citalopram (Celexa(®)) should not be used at dosages greater than 40 mg per day (or greater than 20 mg per day for patients 60 and older) because it can cause abnormal changes in the electrical activity of the heart. This warning was based on the results of a "thorough QT/QTc study" of citalopram and on post-marketing reports of QT prolongation and torsade de pointes in some patients taking the drug. The statistically significant results from the "thorough QT/QTc study" were small in magnitude, and their clinical significance is questionable. Additional electrocardiogram analyses from other studies do not confirm these findings. Nearly 600 cases of citalopram overdoses have been described. Although citalopram overdose is not entirely "cardiac safe," only a proportion of patients develop QTc prolongation without serious cardiac sequelae and no deaths. Three studies comparing citalopram overdoses to other antidepressant overdoses do not demonstrate clinically meaningful differences in cardiotoxic effects.
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Citalopram (CIT) is a widely used antidepressant which acts by a selective serotonin reuptake inhibition. It is considered to be safer than tricyclic antidepressants at therapeutic levels, but also with respect to intoxications. We report the case of a 46-year-old woman, who ingested in suicidal intention 1400 mg CIT. During the following inpatient treatment repeatedly ECGs and determinations of the serum level of CIT were performed. Initially the patient's serum level of CIT was 1231 ng/mL and QTc interval was 541.60 ms. It took 12 days until the serum level of CIT fell below the upper threshold of the recommended therapeutic range (130 ng/mL). The QTc interval on the sixth day after the intoxication for the first time was below 500 ms. The QTc interval correlated significantly with the serum level of CIT after intoxication (r=0.943; p<0.005). Although CIT is estimated as a safe antidepressant regarding serious adverse effects, toxic doses can lead to potentially hazardous ECG changes which according to our findings correlate strongly with the serum level of the drug.
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Seizures and QTc prolongation are associated with citalopram poisoning; however, overdose experience with escitalopram is more limited. The goals of this study were to compare citalopram's vs. escitalopram's clinical effects in overdose, including the incidence of seizures. A retrospective review was conducted for single-substance acute overdoses with citalopram and escitalopram, managed in hospitals, that were reported to six U.S. poison centers from 2002-2005. There were 374 citalopram and 421 escitalopram overdose cases. Gender and ages were similar between the two, with 68-70% females and a median age of 20 years for citalopram and 18 years for escitalopram. Median dose by history was 310 mg for citalopram and 130 mg for escitalopram. More serious outcomes were associated with citalopram overdoses (p < 0.001). Most frequently reported clinical effects with citalopram and escitalopram were tachycardia, drowsiness, hypertension, and vomiting. Seizures (30 vs. 1, respectively, p < 0.001) and tremor (32 vs. 13, respectively, p = 0.001) were more common with citalopram. QTc prolongation occurred in 14 citalopram cases and 7 escitalopram cases (p = 0.109). There was an association between increasing dose and severity of outcome for citalopram (p < 0.001) and escitalopram (p = 0.011). In children < 6 years old, 12 of 66 citalopram and 5 of 57 escitalopram cases experienced toxicity, such as drowsiness, nausea/vomiting, and tachycardia. There were no seizures in this age group. Escitalopram seems to be less toxic than citalopram after an acute overdose; seizures and tremors were more common with citalopram. Initial management of overdoses should include seizure precautions for citalopram and cardiac monitoring for both drugs.
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The selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs) are believed to have a more benign cardiovascular safety profile than do the tricyclic antidepressants. The effects of the SSRI citalopram on cardiac conduction and repolarization have been extensively evaluated, both in prospective studies in volunteers and patients and in retrospective evaluations of all electrocardiographic (ECG) data from all clinical trials conducted from 1978 through 1996 (a total of 40 studies). A randomized, double-blind, placebo-controlled study was conducted in healthy volunteers (N = 23) to assess intraindividual variability of the QTc interval, as well as possible changes during treatment with placebo or citalopram, and its correlation to plasma drug levels. To document any dose-related changes, ECGs were performed at baseline and at the end of study in three randomized, double-blind, placebo- or active-controlled, fixed-dose trials in adult and elderly patients (N = 1,460) with major depression and/or dementia. Finally, more than 6,000 ECGs (N = 1,789 citalopram-treated patients) collected from all clinical trials conducted from 1978 through 1996 were reassessed in a standardized manner to identify any effects of citalopram on ECG parameters. Results of both prospective and retrospective analyses showed that the only effect of citalopram on ECG findings is a small reduction in heart rate (< or = 8 beats per minute). There were no significant effects on PQ, QRS, or QTc intervals, indicating that citalopram has no effect on cardiac conduction and repolarization during short- or long-term treatment.
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Citalopram is a member of the selective serotonin reuptake inhibitor class of antidepressants. In 1998, citalopram was approved by the US Food and Drug Administration for the treatment of major depression. Like the other selective serotonin reuptake inhibitors, citalopram enjoys a relatively benign side effect profile compared with the tricyclic antidepressants and the monoamine oxidase inhibitors. However, citalopram has been associated with electrocardiographic changes and seizures at doses greater than 600 mg per day. Fatalities have occurred with citalopram-only overdoses. We report the case of a healthy 21-year-old woman who developed QTc interval prolongation after ingestion of approximately 400 mg citalopram. We discuss the cardiac effects of citalopram, review previous cases of citalopram overdose, and discuss treatment recommendations.
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Acquired Long QT syndrome is a disorder caused by medications, electrolyte imbalances, and drug interactions. This syndrome is associated with an increased risk of a characteristic life-threatening cardiac arrhythmia, known as torsade de pointes (TdP). In the setting of Long QT syndrome (LQTS), selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs) can precipitate TdP. We report the first case of LQTS and TdP induced by citalopram in the United States. After discontinuation of citalopram, the QT/QTc interval normalized after 3 days and resolved further episodes of TdP. Patients on citalopram should be monitored closely for QT/QTc interval to prevent torsade de pointes.
QTc interval prolonga-tion associated with citalopram over-dose: a case report and literature re-view Compa-rison of toxicity of acute overdoses with citalopram and escitalopram A critical evaluation of the cardiac toxicity of citalopram: part 1
  • G Catalano
  • Mc Catalano
  • Ma Epstein
  • Tsambiras
  • Bd Hayes
  • Klein
  • W Schwartz
  • Rf Clark
  • Aa Muller
  • Miloradovich
Catalano G, Catalano MC, Epstein MA, Tsambiras PE. QTc interval prolonga-tion associated with citalopram over-dose: a case report and literature re-view. Clin Neuropharmacol 2001; 24: 158-162 Hayes BD, Klein-Schwartz W, Clark RF, Muller AA, Miloradovich JE. Compa-rison of toxicity of acute overdoses with citalopram and escitalopram. J Emerg Med 2010; 39: 44-48 Howland RH. A critical evaluation of the cardiac toxicity of citalopram: part 1