Content uploaded by Benedikt Lutz
Author content
All content in this area was uploaded by Benedikt Lutz
Content may be subject to copyright.
Benedikt Lutz (Hrsg.)
Wissen im Dialog
Edition Donau-Universität Krems
Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement
Beiträge zu den
Kremser Wissensmanagement-Tagen 2012
v
Benedikt Lutz (Hrsg.)
Wissen im Dialog
Beiträge zu den
Kremser Wissensmanagement-Tagen 2012
Edition Donau-Universität Krems, 2013
Herausgeber: Edition Donau-Universität Krems
Donau-Universität Krems, 2013
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
A-3500 Krems
www.donau-uni.ac.at
ISBN: 978-3-902505-28-6
Umschlaggestaltung: Florian Halm
Die Inhalte sind lizensiert unter einer Creative Commons-Lizenz:
Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Österreich
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/at/
Mit freundlicher Unterstützung von:
Inhaltsverzeichnis
Benedikt Lutz:
Vorwort des Herausgebers ...................................................................... 3
Oliver Lehnert:
Vorwort des Mitveranstalters ................................................................... 9
Klaus North:
Wissensmanagement wird erwachsen ...................................................... 11
Hans-Ferdinand Angel, Reinhard Willfort:
Die Systematik hinter „Bauchentscheidungen“ .......................................... 21
Julia Dönch:
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht ............................................... 29
Daniel Fallmann, Gerald Martinetz:
Datenberge erfolgreich bewältigen .......................................................... 41
Michael Fegerl, Wilfried Wieden:
Gelebte Wissenskommunikation ............................................................. 47
Birgit Gobi:
The HP way of implementing Knowledge Management ............................... 59
Corinne Höfliger:
Wissensverteilung im Human Resources Management der Stadt Zürich ....... 71
Christian Koudela:
Erkenntnisse aus dem Web 2.0 im angewandten Wissensmanagement ........ 79
Bernhard Krabina:
Wissensmanagement mit Wikis .............................................................. 87
Benedikt Lutz:
Wissenskommunikation ......................................................................... 95
Ronald Maier:
From Ideas to Mature Knowledge .......................................................... 105
Manuel Nagl:
Veränderung aus Sicht von Neuroleadership .......................................... 117
Richard Pircher:
Blinde Flecken des Wissensmanagements .............................................. 125
Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg:
Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungsprojekten ................ 137
Alexander Stocker:
Enterprise 2.0 in der Praxis .................................................................. 147
Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit:
Wissen intelligent suchen und schneller nutzen ...................................... 157
Doris Weßels:
Die Zukunft zählt –
Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken ..................... 167
Über die Autoren ................................................................................ 179
Vorwort des Herausgebers
Im Mai des vergangenen Jahres fanden an der Donau-Universität Krems
erstmals die Wissensmanagement-Tage statt. Nach mehrjähriger Kooperation
mit Oliver Lehnert, dem Herausgeber des Magazins wissensmanagement und
Veranstalter der bereits traditionsreichen Stuttgarter Wissensmanagement-
Tage wollten wir diese Tagung auch auf österreichischen Boden und in univer-
sitären Kontext bringen. Schon nach der ersten Konferenz lässt sich sagen:
Das Experiment ist bestens gelungen. Mit mehr als 30 Referenten und 150
Teilnehmern war die Konferenz so erfolgreich, dass wir schon beim Abschluss
gemeinsam mit unserem Kooperationspartner beschlossen, die nächste Ta-
gung für 2013 zu planen. Heuer stehen die Kremser Wissensmanagement-
Tage unter dem Leitthema Wissen nimmt Gestalt an, und auch für 2014 ha-
ben wir schon erste Ideen. Die Idee eines Sammelbandes war schnell gebo-
ren, und so liegen nun die überarbeiteten schriftlichen Fassungen von 17 Bei-
trägen der 1. Kremser Wissensmanagement-Tage in der Edition Donau-Uni-
versität Krems vor – herzlichen Dank allen Autorinnen und Autoren, die die-
sem Aufruf gefolgt sind!
Eine derartige Kooperation zwischen Theorie und Praxis, zwischen angewand-
ter Forschung, Consultern und konkreten Bedürfnissen von Unternehmen ist
eine herausfordernde Aufgabe, doch sie ist für alle Seiten bereichernd. „Es
gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ – das Diktum wird häufig Kurt
Lewin zugeschrieben, andere sprechen gar von Immanuel Kant – sollte gerade
im Wissensmanagement ernst genommen werden. Erst die differenzierte Re-
flexion über das eigene Tun ermöglicht es, nachhaltige Verbesserungen um-
zusetzen im komplexen Zusammenspiel von Mensch, Organisation und Tech-
nik. Theorie ohne die Berücksichtung praxisbezogenen Handlungswissens ver-
kommt leicht zu Eunuchenwissen (Dietrich Dörner), Handlungswissen ohne
theoretische Reflexion bleibt konservativ und versperrt sich der Innovation.
In der wissenschaftstheoretischen Diskussion spricht man in diesem Zusam-
menhang immer mehr von Transdiziplinarität: Für die Lösung komplexer
Probleme ist nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen ver-
schiedenen Wissenschaftsdisziplinen wichtig (für das Wissensmanagement
etwa Betriebswirtschaft, Informatik und weitere sozialwissenschaftliche Dis-
ziplinen). Zusätzlich geht es auch um die Berücksichtigung berufspraktischer
Perspektiven und die Einbeziehung der Betroffenen selbst. Nur so können re-
4 Benedikt Lutz
levante Themen umfassend bearbeitet und zur Zufriedenheit aller Beteiligten
gestaltet werden. Eine besondere Rolle dabei – und hier sind wir wieder im
Zentrum des Wissensmanagements – spielt die verständliche Wissenskom-
munikation zwischen allen Beteiligten. Dies betrifft gerade auch den Aus-
tausch zwischen den Experten unterschiedlicher Disziplinen und Berufsprakti-
kern auf derartigen Konferenzen: Unter den Vortragenden fanden sich nicht
nur Betriebswirte und Informatiker, sondern auch Juristen, Neurowissen-
schaftler, Linguisten, HR-Spezialisten, technische Redakteure und Vertreter
weiterer Disziplinen. Und die Kommunikation zwischen den Vortragenden und
Teilnehmern gelang, nicht zuletzt unterstützt durch das von Christine Perko-
nigg perfekt organisierte Rahmenprogramm mit Weinverkostung und dem
Wirtschaftskabarettisten Otmar Kastner, der den Kongress buchstäblich zum
Tanzen brachte.
Transdisziplinarität und die Offenheit im Dialog zwischen akademischer For-
schung, angewandten Perspektiven und beruflicher Praxis ist auch das Credo
der Donau-Universität Krems, die sich ja seit ihrer Gründung im Jahre 1994
als Universität für Weiterbildung mit zahlreichen Master-Studiengängen auf
die berufsbegleitende Weiterqualifizierung von Berufspraktikern konzentriert.
Die Studierenden sind durchschnittlich 40 Jahre alt, kommen aus der Praxis
und suchen theoretisch fundierte Angebote, die sie in ihrem Arbeitsumfeld in
der betrieblichen Praxis umsetzen können. Dies ist für Vortragende herausfor-
dernd, doch – wenn man sich der Forderung nach theoretisch fundierter Pra-
xisrelevanz ernsthaft stellt – auch persönlich bereichernd und lohnend.
An der Donau-Universität Krems besteht der Universitätslehrgang Wissens-
management schon seit über 10 Jahren und er war namensgebend für unser
Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement. In diesem De-
partment bieten wir rund ein Dutzend Lehrgänge an, die mit der Professionali-
sierung von Berufsprofilen in der Wissensgesellschaft zu tun haben, vom Pro-
jekt- und Qualitätsmanagement bis hin zum Innovations- und Change Ma-
nagement und einem MBA-Programm für Integrierte Managementsysteme.
Richard Pircher hat seinerzeit den Lehrgang Wissensmanagement aufgebaut
und einige Jahre geleitet, und so freut es mich, dass er uns immer noch ver-
bunden ist und einen Beitrag für diesen Sammelband geliefert hat. Petra
Wimmer hat aktuell die Leitung dieses Lehrgangs inne und hat auch die Wis-
sensmanagement-Tage 2012 von unserer Seite her inhaltlich betreut. Sie ist
derzeit ein Jahr lang auf Bildungskarenz und daher habe ich die Herausgabe
dieses Sammelbandes übernommen.
Ein Vortragender der ersten Stunde in unserem Lehrgang Wissensmanage-
ment ist Klaus North, der mit seinem Konzept der Wissenstreppe und zahlrei-
chen Publikationen zur wissensorientierten Unternehmensführung einer der
einflussreichsten Autoren im Wissensmanagement ist. Er widmete sich in sei-
Vorwort des Herausgebers 5
nem Keynote-Vortrag Wissensmanagement wird erwachsen zum Einstieg in
die Konferenz den Jugendsünden, Adoleszenzkrisen und aktuellen Herausfor-
derungen der emergenten Disziplin. Für die Zukunft des Wissensmanage-
ments hält North eine enge Kopplung zu Strategie, Innovationsmanagement
und Personalentwicklung für zentral, um die Dynamisierung von Unternehmen
bestmöglich zu unterstützen. Dies war auch ein wichtiger Input für die Podi-
umsdiskussion am Abend zur Frage, wie das Berufsbild Wissensmanager denn
konkret aussehen könnte.
Nun zur Übersicht der Artikel der weiteren Autorinnen und Autoren (in alpha-
betischer Folge der Erstautoren):
Der Artikel von Hans-Ferdinand Angel und Reinhard Willfort zur Systematik
hinter Bauchentscheidungen gibt einen Einblick in die Theorie der Creditionen,
die das Zusammenspiel zwischen Kognition, Emotion und Glaubensprozessen
untersucht. Dadurch wird unter anderem ein besseres Verständnis von inno-
vationsbasierten unternehmerischen Entscheidungen möglich. Diese Überle-
gungen werden bereits in konkreten Innovationsprojekten umgesetzt. Dass
ein studierter Theologe wichtigen Input für ein Tool zur Unterstützung des In-
novationsmanagements bieten kann, war für mich persönlich das beeindru-
ckendste crossover dieser Tagung.
Julia Dönch ist als Rechtsanwältin im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz und
Wettbewerbsrecht tätig. Sie widmet sich in ihrem Artikel den rechtlichen As-
pekten beim Einsatz von Unternehmens-Wikis. Sie bereitet die möglichen
Problemfelder hinsichtlich Arbeitsrecht, Urheberrecht, Datenschutz und Schutz
des Know-how detailliert auf und zeigt auch typische Konfliktsituationen und
Ansätze zu deren Lösung. Dieses wichtige Thema wird bei der Einführung
häufig unterschätzt, wie generell die rechtlichen Aspekte beim Einsatz von
Social Software.
Daniel Fallmann und Gerald Martinetz beschreiben in ihrem Artikel Datenber-
ge erfolgreich bezwingen, welche Herausforderungen für die Bewältigung gro-
ßer Datenmengen in modernen Unternehmen bestehen, und wie man damit
professionell umgehen kann. Dies wird anhand eines Projekts bei der Wirt-
schaftskammer Oberösterreich beispielhaft dargestellt.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung und praktischer
Umsetzung kennzeichnet den Artikel Gelebte Wissenskommunikation von Mi-
chael Fegerl und Wilfried Wieden. Hier werden im Detail Konzepte und Modelle
für toolgestütztes Knowledge Refinement beschrieben sowie die erfolgreiche
Anwendung bei der voestalpine Stahl Donawitz mit besonderem Schwerpunkt
Wissensdokumentation, Wissenslandkarte und Suchportal. Dieses Projekt ge-
wann übrigens im Mai 2012 den Preis „Exzellente Wissensorganisation“ - herz-
lichen Glückwunsch!
6 Benedikt Lutz
Birgit Gobi ist Wissensmanagerin bei Hewlett Packard und beschreibt in ihrem
Artikel, was genau HP unter Wissensmanagement versteht und wie Wissens-
management in dieser international agierenden IT-Firma eingeführt und in der
Organisation verankert wurde. Als entscheidenden Erfolgsfaktor für die Um-
setzung und Wirksamkeit sieht Gobi die Verankerung in der Unternehmens-
kultur.
Auch die öffentliche Verwaltung setzt immer stärker auf Wissensmanagement.
Corinne Höfliger vom Human Resources Management der Stadt Zürich zeigt,
wie mittels einer relativ einfachen Navigationsplattform Suchprozesse und die
Wissensverteilung erheblich verbessert werden konnten.
Christian Koudela (Frequentis AG) beschäftigt sich in seinem Artikel mit den
Erkenntnissen aus dem Web 2.0 für das Angewandte Wissensmanagement. Er
argumentiert für eine Kultur des Teilens, die durch gut in die Organisation in-
tegrierte Social Software unterstützt werden kann.
Bernhard Krabina vom Zentrum für Verwaltungsforschung untersucht die
Möglichkeiten und Grenzen von Wikis für das Wissensmanagement. Als wich-
tige Erfolgsfaktoren identifiziert er den realen Bedarf nach Inhalten, eine Ver-
trauens- und Wertschätzungskultur, die richtige Mischung von Motivation und
Zwang (z.B. „abdrehen“ der alten Lösung), die geeignete Quantität und Quali-
tät der Inhalte sowie Usability und Spaß.
Benedikt Lutz von der Donau-Universität Krems betont die Wichtigkeit der
sprachlichen Verständlichkeit bei der Wissenskommunikation. Dieses Thema
wird nach Meinung des Autors im Wissensmanagement relativ wenig ange-
sprochen, hat jedoch große Bedeutung für eine effiziente Kommunikation im
Unternehmenskontext. Einige typische Probleme sowie konkrete Ansatzpunkte
zur Optimierung der Kommunikation werden anhand der Textsorten Formular,
Pflichtenheft und Besprechungsprotokoll dargestellt.
Das Konzept der Wissensreifung steht im Mittelpunkt des Artikels von Ronald
Maier (Universität Innsbruck). In einem detailliert ausgearbeiteten Phasenmo-
dell werden die einzelnen Stufen der Wissensreifung auf der Ebene des Indivi-
duums, der Gruppe, der Organisation und der Gesellschaft beschrieben. Wei-
ters werden die Ergebnisse einiger empirischer Studien in der Anwendung die-
ses Modells vorgestellt.
Manuel Nagl (Donau-Universität Krems) beschäftigt sich aus neurowissen-
schaftlicher Perspektive mit Veränderungen und Veränderungsresistenz, die
gerade bei Wissensmanagement-Initiativen eine große Rolle spielen. Er plä-
diert aus der Sicht von Neuroleadership für ein neues Führungsverständnis,
das auf inzwischen weithin abgesicherten neurologischen Erkenntnissen be-
ruht. Er betont besonders den Faktor Zeit, um neue Verhaltensweisen zu er-
lernen und als Gewohnheiten zu automatisieren.
Vorwort des Herausgebers 7
Richard Pircher (FH des bfi) beschäftigt sich in seinem Artikel mit blinden Fle-
cken des Wissensmanagements. Als wichtige Zukunftsthemen identifiziert er
dabei persönliches Wissensmanagement, die Rolle des Gehirns als Organ des
Wissens, individuelle und soziale Lernprozesse, Kontext und Raum des Wis-
sens (im Sinne des japanischen Konzepts ba) sowie Synergien mit anderen
Managementansätzen.
Eine Fallstudie zum Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungspro-
jekten stellen Lars Rölker-Denker und Marco Eichelberg von OFFIS – Institut
für Informatik vor. Sie beziehen sich dabei auf den Wissensmanagement-
Ansatz von Probst et al. und stellen dessen Implementierung im Rahmen des
Niedersächsischen Forschungsverbunds Gestaltung altersgerechter Lebens-
welten (GAL) detaillert vor. Ihr Fazit: Besonders wichtig sind in solchen Pro-
jekten Räume für Kommunikation und Kennenlernen, das Finden einer „ge-
meinsamen Sprache“ und transparente Informationswege.
Alexander Stocker vergleicht die Einführung von Enterprise 2.0-Plattformen in
Form von praxisorientierten Fallstudien in zwei unterschiedlichen Firmen
(Siemens BT und Capgemini). Er arbeitet die Gemeinsamkeiten und Unter-
schiede der beiden Firmen in der strategischen Positionierung und praktischen
Einführung heraus und bietet dadurch gute Ansatzpunkte zur Planung und
Umsetzung eines eigenen Vorgehens.
Alexander Stumpfegger, Werner Schachner und Bianca Matzkeit (CID Consul-
ting GmbH bzw. SUCCON) beschäftigen sich mit der Frage, wie man die Wis-
sensproduktivität durch Semantik und Textanalyse in der Suche steigern
kann. Ein praktisches Beispiel für die intelligente Suche in der Produktentwick-
lung erläutert anschaulich die dabei zum Einsatz kommenden Verfahren und
Methoden.
Doris Weßels von der Fachhochschule Kiel stellt die Potenziale und Risiken von
Wissensnetzwerken für Projekte und Organisationen dar und arbeitet die
wichtigsten Erfolgsfaktoren für deren Gestaltung heraus. Ein Praxisbericht (die
Evaluation des Kieler Prozessmanagementforums) zeigt die Wichtigkeit und
Nützlichkeit derartiger Wissensnetzwerke auf mit ihrer Bedeutung auch für die
regonale Wirtschaftspolitik.
Allen Autorinnen und Autoren nochmals herzlichen Dank für ihr Engagement
und ihre Beiträge! Besten Dank auch für Ihre Bereitschaft, dass dieses Buch
mit einer Creative Commons-Lizenz frei im Internet verfügbar sein kann (und
zwar unter den folgenden Bedingungen: Namensnennung des Autors ver-
pflichtend – keine kommerzielle Nutzung erlaubt – keine Bearbeitung und
Veränderung des Werks erlaubt). Details finden Sie im Internet unter
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/at/
8 Benedikt Lutz
Vielen Dank auch an unseren Kooperationspartner Oliver Lehnert, an Wolf-
gang Scharf und die Sponsoren für die gute Zusammenarbeit sowie an Gab-
riele Vollmar für die Moderation der Tagung.
Abschließend möchte ich mich besonders bedanken beim Organisationsteam
der Donau-Universität Krems unter der Leitung von Christine Perkonigg. Fol-
gende wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Organisationsassistentinnen
halfen mit, die Tagung zu einem Erfolg werden zu lassen: Judith Bauer, Cor-
nelia Koppensteiner, Michaela Kreissl, Magdalena Moser, Andrea Schütz, Karin
Siebenhandl, Manuela Wieländer, Petra Wimmer und Lukas Zenk. Cornelia
Koppensteiner besorgte das Zusammenführen der Artikel im Sammelband und
das Einarbeiten von Änderungen, und Hubert Kirchberger las zum Abschluss
noch mal Korrektur.
Benedikt Lutz Krems, im Februar 2013
Vorwort des Mitveranstalters
Die Wissensmanagement-Tage, initiiert von der Zeitschrift "wissensmanage-
ment – Das Magazin für Führungskräfte – gibt es bereits seit 2005. Seither
fand der Kongress achtmal erfolgreich in Stuttgart statt. Höchste Zeit also zu
expandieren und die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Doch wohin gehen?
Nach Norden, nach Süden, nach Osten oder nach Westen? Und – eine der
wichtigsten Fragen – mit welchem Partner? Mit Krems und der Donau-
Universität sind diese Komponenten gefunden. Entstanden ist damit eine sehr
gute Mischung aus Wissenschaft und Praxis. Das Ergebnis ist – in Anlehnung
an die erfolgreiche Veranstaltung in Stuttgart – ein Kongress für angewand-
tes Wissensmanagement. Ein Kongress von Wissensmanagern für Wissens-
manager. Ein Kongress, der sich zum Treffpunkt der Wissensmanagement-
Szene entwickeln soll. Ein Kongress, auf dem man Kontakte knüpft und Erfah-
rungen austauscht. Genau aus diesem Grund sind es vor allem Best Practices
erfolgreicher Wissensmanagement-Vorhaben, die im Mittelpunkt der Vorträge
stehen. Welche Wissensmanagement-Projekte haben andere Unternehmen in
Angriff genommen? Wie haben sie ihr Ziel erreicht? Wo liegen die Stolperstei-
ne? Und – die entscheidende Frage – welche Erfolgskomponenten lassen
sich auf Projekte in anderen Organisationen übertragen?
Dabei wird immer wieder deutlich, dass es die gleichen oder zumindest sehr
ähnliche Fragen sind, die die Verantwortlichen bei der Planung und Durchfüh-
rung von Wissensmanagement-Vorhaben beschäftigen. Dazu gehören unter
anderem: Wie kann ich die Mitarbeiter für das Projekt begeistern? Wie über-
zeuge ich Skeptiker? Wie halte ich Wissensmanagement-Tools am Leben? Wie
integriere ich die Anwendung als festen Bestandteil in den Arbeitsalltag aller
Beteiligten? Dazu gehört auch: Wie etabliere ich eine Wissenskultur? Denn
nach wie vor ist es der Mensch, der im Mittelpunkt aller Wissensmanagement-
Bestrebungen steht. Denn selbst die ausgefeilteste Technik und das höchste
Budget reichen nicht aus, um eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Über das
Gelingen oder Scheitern entscheiden ausschließlich die Mitarbeiter. Schließlich
sind sie es, die die Tools mit Leben füllen und die Investitionen zu Gewinnen
machen.
Vor diesem Hintergrund sind es natürlich die Top-Themen des Wissensmana-
gements, die bei den 1. Wissensmanagement-Tagen Krems diskutiert wurden.
Es ging vor allem um die Einführung von und die Arbeit mit Social Media. Wie
10 Oliver Lehnert
kann man das Miteinander – auch und gerade in verteilten Teams – noch
besser verzahnen? Mit welchen Tools lässt sich die Interaktion von Projektbe-
teiligten optimieren? Wie bleiben alle Mitarbeiter aktuell informiert? Wie wer-
den Redundanzen vermieden? Und welche rechtlichen Hürden bringen Colla-
borations-Tools mit sich? Im Fokus der Praxisvorträge standen aber auch die
Herausforderungen virtueller Umgebungen, Cloud Computing und die Bewälti-
gung der stetig steigenden Datenmengen.
Auch auf der begleitenden Fachmesse waren es die Wissensmanagement-
Trends der nächsten Jahre, die die Aussteller und Sponsoren im Gepäck hat-
ten, darunter Lösungen für effizienteres Geschäftsprozessmanagment, Enter-
prise Search, Visualisierung, Kollaboration, Enterprise 2.0, Competitive Intelli-
gence, technische Dokumentation und SharePoint
®
. Unser besonderer Dank
gilt daher den beteiligten Unternehmen CID, Fabasoft/Mindbreeze, Kalei-
doscope, Skillsoft, SDL, Grobman & Schwarz, Lintra, Raiffeisen Informatik und
der Semantic Web Company.
Als hervorragende Weingegend – Krems gilt sogar als Weißweinhauptstadt
Österreichs – dürfen neben den Wissensmanagement-Themen auch die kuli-
narischen Besonderheiten der Region nicht unerwähnt bleiben. Für die Unter-
stützung danken wir der Weinkellerei Lenz Moser, der St. Leonhardsquelle und
dem Weingut Aigner Krems.
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle noch dem Wirtschaftskabarettisten Ot-
mar Kastner, der die Abendveranstaltung zu einem besonderen Highlight ge-
macht hat.
Und schlussendlich möchte ich mich bei unserem Kooperationspartner – der
Donau-Universität Krems – für die gute Zusammenarbeit bedanken, nament-
lich besonders Karin Siebenhandl, Christine Perkonigg, Petra Wimmer und Be-
nedikt Lutz. Ich freue mich schon auf die 2. Wissensmanagement-Tage
Krems, die am 23. und 24. April 2013 stattfinden.
Oliver Lehnert Augsburg, im Februar 2013
Wissensmanagement wird erwachsen
Klaus North
Wiesbaden Business School, Hochschule RheinMain
Klaus.North@hs-rm.de
1. Wissensmanagement - eine emergente Dis-
ziplin
Seit Mitte der 90er Jahre Wissensmanagement als vielfältige Antwort auf die
Fragen der sich entwickelnden Informations- und Wissensgesellschaft geboren
wurde, haben Wissenschaft und Praxis mit der Erziehung experimentiert, die
Pubertät der Disziplin überlebt und stellen nun eine gewisse Reife im Umgang
mit der Ressource Wissen fest. Mit dem Erwachsenwerden entfällt der „Kin-
derschutz“: Wissensmanagement muss seine Daseinsberechtigung in Organi-
sationen erarbeiten und sich professionell behaupten. Dies wird nur möglich
sein, wenn ein nachhaltiger Nutzen wahrgenommen wird.
Es wird die Frage zu stellen sein, was Organisationen in den letzten 15-20
Jahren im Umgang mit der Ressource Wissen gelernt bzw. nicht gelernt ha-
ben, was professionelles Wissensmanagement heute bedeutet und welchen
Herausforderungen sich die Disziplin in der Zukunft zu stellen hat.
Zack et al. (2009) konstatieren: „Over the past 15 years, knowledge man-
agement has progressed from an emerging concept to an increasing common
function in business organisations.“ Als Evidenz für das Reifen von Wissens-
management als akademische Disziplin führen sie die zunehmende Anzahl von
Zeitschriften zur Thematik des Knowledge und Intellectual Capital Manage-
ment an. Ende der 80er Jahre erscheinen die ersten Aufsätze und Veröffentli-
chungen zum Wissensmanagement. Spätestens mit Nonaka und Takeuchi´s
(1995) „The knowledge creating company“, Sveiby´s (1997) „The new org-
nizational wealth“ und Stewarts´ (1997) „Intellectual Capital“ wird die Thema-
tik der Bewertung und des Managens der Ressource Wissen einer breiteren
Öffentlichkeit bekannt. Die Süddeutsche Zeitung benutzte den Begriff Wis-
sensmanagement am 5. August 1995 zum ersten Mal. Unter dem Titel „Alter
12 Klaus North
Wein in neuen Schläuchen - die Managementgurus wollen dem Wissen wieder
einmal auf die Sprünge helfen“ berichtete die Zeitung über die erste europäi-
sche Fachtagung unter dem Titel „Know-how flott machen“ des Schweizer
Gottlieb Duttweiler Instituts. Man sah die Chance: „Wissensmanagement rich-
tet aber den Blick nunmehr sehr radikal auf die tatsächliche zentrale Größe im
Unternehmerischen Prozess“
1
. Im deutschen Sprachraum erscheinen die ers-
ten Monographien zum Thema von Probst/Raub/Romhardt (1997) „Wissen
managen“, von North (1998) „Wissensorientierte Unternehmensführung“ und
von Willke (1998) „ Systemisches Wissensmanagement“.
Wenn Wissensmanagement zu Beginn den Fokus auf Organisations- und Un-
ternehmensebene legte, so sind im Laufe seiner Entwicklung eine Erweiterung
der Perspektiven auf Netzwerke (Sydow und van Well 1996), Regionen oder
Nationen (Bounfour und Edvinsson 2005 sowie „New Club of Paris“) zu ver-
zeichnen. Neben der Betrachtungsebene sind es eine Reihe von Disziplinen,
die sich der „Erziehung“ des Kindes Wissensmanagement angenommen ha-
ben: Psychologie, Betriebswirtschafts- und Managementlehre, Soziologie, Pä-
dagogik, Informationswissensschaft, (Wirtschafts-) Informatik, Wirtschaftsge-
ografie, Anthropologie, Ethnologie und Rechtswissenschaften, um nur einige
zu nennen. Auch wenn allseits die Integration von Mensch, Organisation und
Technik als „ganzheitliches Wissensmanagement“ postuliert wird, sind wir
noch weit von einer integrierten Betrachtungsweise der unterschiedlichen Dis-
ziplinen auf die Ressource Wissen entfernt. Die emergente Disziplin Wissens-
management kämpft noch heute damit, sich von ihren Eltern, Paten und
wohlmeinenden wissenschaftlichen Freunden zu emanzipieren.
2. Was haben Organisationen im Umgang mit der
Ressource Wissen (nicht) gelernt?
2.1. Wissen ist mehr als Information und individuelle Ex-
pertise
In der Praxis hat sich im letzten Jahrzehnt das Verständnis dessen, was Wis-
sen ist und wie mit Wissen umgegangen werden sollte weiterentwickelt und
differenziert.
Von einer eher technokratisch geprägten Sichtweise Informationen=Wissen
und deren Fortschreibung als expertenbezogenes Wissensmanagement (Wis-
1
http://www.springer-vs.de/freebook/978-3-531-14879-3_v.pdf
Wissensmanagement wird erwachsen 13
sen = individuelles Expertenwissen) finden wir zunehmend ein Verständnis,
dass Wissen ein lebender Prozess der Interaktion von Personen ist. Auch dass
Führung wissensorientierter Organisationen u.a. bedeutet, Rahmenbedingun-
gen zu schaffen in denen Wissen wächst und lebt, ist weitgehend Konsens. Mit
dem Schaffen dieser Rahmenbedingungen tun sich Organisationen jedoch
noch schwer.
Der Begriff des „Wissensmanagements“ ist insofern irreführend, als dass er
suggeriert, Wissen könne als Objekt (wie „Tiefkühlkost“) bewirtschaftet wer-
den. Im Gegensatz dazu hebt der Begriff der „wissensorientierten Unterneh-
mensführung“ die Bedeutung der Ressource im Kontext der Führung von Or-
ganisationen (die nicht Unternehmen im engeren Sinne sein müssen) hervor.
Wissensorientierte Unternehmensführung stellt sicher, dass das für die Errei-
chung der strategischen und operativen Ziele notwendige Wissen und die
Kompetenz zur Verfügung stehen, genutzt, entwickelt und abgesichert wer-
den. Wissensorientierte Unternehmensführung bedeutet, die Ressource Wis-
sen einzusetzen, um einerseits die Effizienz zu steigern, andererseits die Qua-
lität des Wettbewerbs zu verändern. Ziel wissensorientierter Unternehmens-
führung ist es, Wissen in nachhaltige Wettbewerbsvorteile umzusetzen, die als
Geschäftserfolge messbar werden (North 2011).
Abbildung 1: Drei Stufen des Wissensverständnisses
2.2. Wissen und Intellektuelles Kapital sind wettbe-
werbsrelevant
Die Bedeutung des Wissens für den Organisationserfolg wird von kaum je-
mandem bestritten. Dies gilt ebenso für die Notwendigkeit, die Ressource
14 Klaus North
Wissen bewusst zu managen. Von dieser Erkenntnis zur Umsetzung eines sys-
tematischen Wissensmanagements ist es jedoch in der Praxis noch ein weiter
Weg. Es besteht eine Lücke zwischen Wissen und Handeln (Mandel und Gers-
tenmaier 2000).
Wenn Wissensmanagement den Experimentierstatus verlässt und erwachsen
wird, dann muss es auch „sein Geld verdienen“. Für eine emergente Disziplin
wie sie das Wissensmanagement darstellt ist es jedoch nicht verwunderlich,
dass bisher nur wenige umfassende repräsentative oder gar Langzeitstudien
über die Wirkungen des Wissensmanagements auf die Performanz von Orga-
nisationen vorliegen. In ihrer Überblicksstudie zu „Knowledge Management
and Organisational Performance“ zeigen Zack et al. (2009), dass es durchaus
nachweisbare Zusammenhänge zwischen Aktivitäten des Wissensmanage-
ments und Kennzahlen der Organisation gibt. Während Zusammenhänge zwi-
schen finanziellen Größen und Wissensmanagement-Aktivitäten eher schwach
nachweisbar sind, gibt es eine Reihe von Untersuchungen (vgl. u.a. North und
Hornung 2003), die zeigen, dass Wissensmanagement Zwischengrößen beein-
flusst, z.B. Produktivität, Qualität und Mitarbeitermotivation, die dann zu-
sammen mit anderen Faktoren Auswirkungen auf finanzielle Indikatoren ha-
ben.
In ihrer repräsentativen Studie „Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement
2010“ konnten Pawlowsky et al. zeigen, dass Wissensmanagement besonders
in den Unternehmen stark ausgeprägt ist, die vorwiegend eine Kunden-, In-
novations- und Human Ressource Management-Strategie verfolgen. Im Ge-
gensatz dazu sind Wissensmanagementaktivitäten in Unternehmen, bei denen
eine kostenorientierte Wettbewerbsstrategie vorherrscht, in einem geringen
Umfang anzutreffen. Weiterhin geht aus der Studie hervor, dass sich insbe-
sondere Unternehmen mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Marktdynamik
und Personal durch ein umfangreiches Wissensmanagement auszeichnen. Wie
Abb. 2 zeigt, ist ein positiver Zusammenhang zwischen dem Ausbaustand von
Wissensmanagement (WM) bzw. Intellectual Capital Management (ICM) und
der Wettbewerbsfähigkeit festzustellen. Ein einfacher Ursache-Wirkungs-
Zusammenhang kann aber nicht hergestellt werden: Sind wettbewerbsstarke
Unternehmen eher geneigt, in das Wissensmanagement zu investieren oder
führen Wissensmanagement-Initiativen zur Verbesserung der Wettbewerbsfä-
higkeit? Diese Frage kann nur durch eine Langzeitstudie beantwortet werden.
In ihrer repräsentativen Studie 2011 konnten Pawlowsky at al. weiterhin zei-
gen, dass ausgeprägtes Wissensmanagement und ICM Mitarbeitermotivation
und Wettbewerbsfähigkeit in KMU‘s fördert.
Wissensmanagement wird erwachsen 15
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen WM/ICM-Ausbaustand und Wettbewerbs-
fähigkeit (Quelle: Pawlowsky et al. 2011, Abb. 18 )
2.3. Organisationen haben Erfahrungen mit Wissens-
management-Praktiken und Werkzeugen gesammelt
In den letzten 20 Jahren haben Organisationen mit einer Vielfalt von Wis-
sensmanagementinstrumenten und -praktiken experimentiert und Erfahrun-
gen gesammelt. In Abb. 3 sind häufig genutzte Instrumente nach den zu be-
wältigenden Aufgaben „Transparenz schaffen“, „Verfügbar machen“ und „Aus-
tauschen und Lernen“ jeweils für die Ebenen Information, Wissen und Kompe-
tenz dargestellt. So sind z.B. „Lessons learned“-Sitzungen fester Bestandteil
des Projektmanagements geworden (auch wenn die Ergebnisse oft nicht über
das Projekt hinaus genutzt werden). Qualifikations- oder Kompetenzmatrizen
sind sehr verbreitet. Sie machen transparent „wer was kann“ und dienen der
Steuerung von Lernprozessen. Insgesamt hat sich das Lernverhalten in Orga-
nisationen verändert. Arbeitsplatznahes und informelles Lernen wird verstärkt
praktiziert (Gnahs et al. 2008). Waren Ansätze wie das „Coaching“ vor 15
Jahren noch exotische Konzepte, so herrscht derzeit ein regelrechter
Coachingboom in Organisationen. „Communites of Practice“(CoP) sind in un-
terschiedlichen Formen und mit unterschiedlicher Intensität weit verbreitet.
Probst und Borzillo (2008) untersuchten 57 CoPs in europäischen und US-
Großunternehmen
2
. 45 der CoPs wurden als erfolgreich beurteilt.
Auch wenn umfangreiche empirische Untersuchungen über die Veränderung
von organisationalen Routinen, Artefakten und Praktiken bisher fehlen, lässt
sich mit einer Vielfalt von Studien, Unternehmensfällen und Beratungsprojek-
2
Zur Verbreitung und Formen von Wissensgemeinschaften siehe North et al. 2004
16 Klaus North
ten zeigen, dass sich Organisationen – oft eher unbemerkt und nicht bewusst
reflektiert - durch die Auseinandersetzung mit neuen Instrumenten zur Förde-
rung des Wissensaustauschs und des Lernens verändert haben.
Abbildung 3: Verbreitete Instrumente des Wissensmanagements
2.4. Instrumente verändern Verhalten
Verhaltensänderungen in Organisationen werden nicht durch Appelle sondern
durch das (Vor)leben der gewünschten Praxis und entsprechende Feedback-
systeme gefördert. Hier lässt sich feststellen, dass Instrumente durchaus ge-
eignet sind, ein verändertes Verhalten zu fördern und zu verankern. In die-
sem Zusammenhang sind die Ansätze des Enterprise 2.0 zu erwähnen, die In-
formations-, Kommunikations- und Zusammenarbeitsverhalten in einer Reihe
von Organisationen zu verändern beginnen. Die Nutzung von Instrumenten
der Social Software außerhalb von Organisationen führt insbesondere bei der
jüngeren Generation von Mitarbeitern zum Einfordern ähnlicher Kommunikati-
ons- und Kollaborations-Instrumente am Arbeitsplatz. Viele der veralteten In-
tranetlösungen sind jedoch diesen Anforderungen nicht gewachsen, so dass
derzeit eine Welle von „Intranet Relaunches“ über die Unternehmen rollt mit
dem Ziel, Instrumente der Social Software auch in der Systemlandschaft von
Wissensmanagement wird erwachsen 17
Unternehmen nutzbar zu machen. Diese ermöglichen Wissensweitergabe, Ver-
linkung, Bewertung, Kommentieren in einer interaktiven Art und Weise. Die
Art und Weise wie zusammengearbeitet wird, verändert sich und daraus fol-
gend auch die Anforderungen an den Umgang mit Information und Wissen.
In den meisten Organisationen ist jedoch Wissensmanagement bisher nicht
über den Experimentierstatus hinausgekommen. Mit dem Erwachsenwerden
stellt sich die Frage, wie Wissensmanagement produktiv werden kann, indem
es in die Gesamtstrategie und das Handeln der Organisationen integriert wird.
Solange die Funktionen des Wissensmanagements jedoch nicht in verbindliche
Routinen in der Organisation umgesetzt werden, wird der potenzielle Mehr-
wert in der Organisation nicht in der Breite wahrgenommen. Ähnlich wie beim
Qualitätsmanagement ist Wissensmanagement dann erfolgreich, wenn es als
Routine so internalisiert ist, dass es nicht mehr als getrennte Leistung, als ge-
trennte Aufgabe oder getrennter Aufwand wahrgenommen wird. Das bedeutet
zum Beispiel für Mitarbeiter ist es „normal“ eine After Action Review durchzu-
führen, ihre Arbeitsergebnisse zu dokumentieren, aktiv ihr Wissen in Netzwer-
ke einzubringen usw.
3. Welche Herausforderungen hat Wissensma-
nagement in der Zukunft zu bewältigen?
In einem immer turbulenter und komplexer werdenden Umfeld muss es Wis-
sensmanagement gelingen, die Entwicklung von „dynamischen Fähigkeiten“
von Organisationen zur Rekonfiguration, Neuausrichtung und Integration von
Kernkompetenzen mit externen Ressourcen zu unterstützen: „Dynamic capab-
ilities are the ability to reconfigure, redirect, transform, and appropriately
shape and integrate existing core competences with external resources and
strategic and complementary assets to meet the challenges of a time-
pressured, rapidly changing Schumpeterian world of competition and imitati-
on” (Teece et al. 2000, S. 339).
Dies lässt sich gut an einer Entwicklungsabteilung deutlich machen: Hoch-
schulabsolventen (Produktionsfaktor) werden auf dem Arbeitsmarkt rekrutiert
und in ein Team mit erfahrenen Entwicklern integriert, um eine innovative,
spezialisierte Entwicklergruppe zu schaffen (Ressource), die durch Prozesse
des Technologie- und Projektmanagements schwer imitierbare Entwicklungs-
leistungen erbringt (Routinen/Kompetenzen). Inhalt und Art der Entwick-
lungsarbeit werden in Reflexionen, strategischem Dialog mit führenden For-
schungsinstitionen und Kunden kontiniuerlich hinterfragt, neue Wissensgebie-
te und Vorgehensweisen integriert (dynamische Fähigkeiten) und somit die
Wettbewerbsfähigkeit gesichert.
18 Klaus North
Dieser Prozess der „Dynamisierung“ ist zugleich der Kernprozess des Wis-
sensmanagements der Zukunft. In einem Umfeld, das durch Unvorhersehbar-
keit und unterschiedliche, bisher nicht „vorgedachte“ Krisensituationen ge-
kennzeichnet ist, muss Wissensmanagement rasche Problemlösung, perma-
nentes Experimentieren, rasches gemeinsames Lernen sowie mit Fehlern zu
leben unterstützen. Dies bedeutet auch eine Reihe von Veränderungen, wie
wir Wissensmanagement in Zukunft in Organisationen gestalten sollten.
Organisationen werden sich von einem „exzessiven Wissensmanagement“
(Howald und Kopp 2004) verabschieden müssen, das versucht, Wissen in eine
geordnete verwalt- und archivierbare Form zu zwingen. In Zukunft werden
sich Organisationen genau überlegen müssen, wann der Aufwand in die Expli-
zierung und Dokumentation von Wissen lohnt oder ob es in Situationen
schneller Veränderungen nicht wirkungsvoller ist, auf das Schaffen gemein-
samen impliziten Wissens (Prozess der Sozialisierung) zu setzen.
Die Wissensorganisation der Zukunft wird weiterhin ihre Lernfähigkeit steigern
und Verfahren schneller Problemlösung über Organisationsgrenzen hinweg
entwickeln müssen. Wieviel Energie sollte in die Identifikation und den Trans-
fer von „Best Practices“ investiert werden, wenn rasche Veränderungen doch
eher eine Entwicklung von „Next Practices“ erfordern?
Abbildung 4: Veränderungen des Wissensmanagements, um dynami-
schen und turbulenten Umfeldbedingungen gerecht zu werden
Das Wissensmanagement der Zukunft wird daher eng gekoppelt mit Strate-
gie, Innovationsmanagement und Personalentwicklung die Dynamisierung von
Organisationen unterstützen, indem es
Wissensmanagement wird erwachsen 19
1. die Fokussierung auf wettbewerbsrelevantes Wissen und Kompetenz
unterstützt („selektives Wissensmanagement“, Howald und Kopp
2004);
2. normativ Standards und Routinen der Dokumentation, des Wis-
sensaustauschs und Lernens sowie der Wissenssicherung verbindlich
festlegt und nachhält (z.B. wann sind After Action Reviews durchzufüh-
ren und wie deren Ergebnisse in den zukünftigen Wertschöpfungspro-
zess zu integrieren?);
3. professionelle Dienstleistungen zur “Dynamisierung von Wissen“ anbie-
tet (Turbo-Problemlösung, Innovations-Werkstätten, Wissensstaffette,
Organisation von Austauschforen wie Wissensmärkten, Support von
CoP etc).
4. Literatur
Bounfour, A./Edvinsson, L. (2005): Intellectual capital for communities, Am-
sterdam etc.: Elsevier.
Gnahs, D./Kuwan, H./Seidel, S. (Hrsg.) (2008): Weiterbildungsverhalten in
Deutschland. http://d-nb.info/1025556089/34#page=79
Howald, J./Klatt, R./Kopp, R. (Hrsg.) (2004): Neuorientierung des Wissens-
managements – Paradoxien und Dysfunktionalitäten im Umgang mit der Res-
source Wissen, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden.
Nonaka, I./Takeuchi, H. (1995). The Knowledge creating company; Oxford:
Oxford University Press.
North, K. (1998): Wissensorientierte Unternehmensführung; Wiesbaden: Gab-
ler (5. Auflage 2011).
North, K./Franz, M./Lembke, G. (2004): Wissenserzeugung und -austausch in
Wissensgemeinschaften, Berlin, in: QUEM-Report Heft 85.
North, K./Hornung, T. (2003): The benefits of Knowledge Management – Re-
sults of the German Award „Knowledge Manager 2002, Journal of Universal
Computer Science, vol 9, no 6, S. 463-471
Mandel, H./Gerstenmaier, J. (2000): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln;
Göttingen: Hogrefe.
Pawlowsky, P./Gözalan, A./Schmid, S. (2011): Wettbewerbsfaktor Wissen:
Managementpraxis von Wissen und Intellectual Capital in Deutschland; in:
FOCUS Prints 08/11
20 Klaus North
Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (1997): Wissen managen; Wiesbaden: Gab-
ler. (5. Auflage 2010).
Probst, G./ Borzillo, S. (2008): Why communities of practice succeed and why
they fail. European Management Journal, 26, S. 335-347
Stewart, T. A. (1997): Intellectual Capital; London: Nicholas Brealey. (deut-
sche Version: Der vierte Produktionsfaktor; München: Hanser 1998).
Sveiby, K. E. (1997): The new organizational wealth; San Francisco: Berret-
Koehler.
Sydow, J./van Well, B. (1996): Wissensintensiv durch Netzwerkorganisation.
Strukturationstheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerks; in:
Schreyögg und Conrad 1996 a.a.O., S. 191-234.
Teece, D. J./Pisano, G./Shuen, A. (2000): Dynamic Capabilities and strategic
management; in: Dosi, G./Nelson, R. R./Winter, S. G. (Hrsg.): The nature and
dynamics of organizational capabilities. Oxford, Oxford University Press, S.
334-362.
Willke, H. (1998): Systemisches Wissensmanagement; Stuttgart: Lucius &
Lucius (UTB), 2. Auflage 2001.
Zack, M./McKeen, J./ Singh S. (2009): Knowledge management and organiza-
tional performance. J. of Knowledge Management, 13, S. 392-409.
Die Systematik hinter „Bauchentscheidungen“
Warum vor allem Glaubensprozesse unsere Wirtschaft steuern
Hans-Ferdinand Angel, Reinhard Willfort
Karl-Franzens-Universität Graz, ISN-Innovation Service Network GmbH
ferdinand.angel@uni-graz.at
reinhard.willfort@innovation.at
1. Creditionen-Theorie: Basis für ein innovatives
Analyseinstrument
Unternehmen, seien sie etabliert, seien sie Startups, treffen Entscheidungen,
von denen sie glauben, sie seien rational. Je rationaler, desto besser ist die
wohl verbreiteteste Grundannahme. Allerdings hat in den letzten Jahren das
Rationalitätsparadigma, das auf den französischen Philosophen René Descar-
tes (1596 – 1650) zurückgeht und die europäische Philosophie seit der Aufklä-
rung maßgeblich bestimmte, erheblich gelitten.
1.1. Das Ende überzogener Rationalitätskonzepte
Die klassische Vorstellung des rational handelnden homo oeconomicus hat ih-
ren Glanz verloren, wenn sie nicht überhaupt in sich zusammengebrochen ist.
Neuere Forschungen, etwa im Bereich der Vertrauensforschung, können
gleichfalls zeigen, dass Vertrauen nur bedingt eine rein rationale Angelegen-
heit ist. Neben Descartes Äußerung „Cogito ergo sum – ich denke, also bin
ich“ steht heute „Ich fühle – also bin ich“. So lautet der ins Deutsche über-
setzte Titel eines Werkes von Antonio Damasio [Damasio 2000], einem füh-
renden Kognitionswissenschaftler der Gegenwart (Original: The Feeling of
What Happens).
Er spricht geradezu von einem Irrtum des großen französichen Philosophen
[Damasio 2004]. Kognitionen und Emotionen sind maßgebliche Größen, die
heutige Diskussion um Bewusstsein und menschliche Bestimmung beeinflus-
sen.
22 Hans-Ferdinand Angel, Reinhard Willfort
Im Bereich des Wissensmanagements spüren wir seit langem, dass die In-
tegration emotionaler Aspekte zwar eine hilfreiche Erweiterung allzu rationa-
listisch konzipierter Ansätze ist, doch haben wir es noch immer, und in Zeiten
der Globalisierung vielleicht sogar verstärkt, mit einer unbefriedigenden Situa-
tion zu tun. Kreatives Handeln hat mit Persönlichkeit zu tun und kann aus
psychologischer wie neurowissenschaftlicher Sicht näher beleuchtet werden
[Fink u.a. 2007]. Zudem ist die Frage, welchen Werten eine innovationsorien-
tierte Entscheidung folgt, in diesem Zusammenhang von nachhaltiger, häufig
geradezu erfolgsentscheidender Bedeutung. Dabei geht es sowohl um die
emotionale Bedeutung moralischen Handelns [Ochmann 2008], als auch da-
rum, wie Entscheidungsträger moralisches Handeln und die Übernahme von
Verantwortung für sich definieren [Hemel 2005, bes. 182ff.].
Ob sich in einem Unternehmen die Bereitschaft entwickelt, Innovation und
Kreativität zuzulassen, hängt nicht in erster Linie von den Ergebnissen ratio-
naler Analyse ab. Diese bleiben häufig mit Unsicherheit behaftet und können
keinesfalls garantieren, dass Innovationen auch erfolgreich umgesetzt werden
und dem Unternehmen den erhofften Mehrwert bringen. Warum also sich auf
kritische Neuerungs- und Umstrukturierungsprozesse einlassen? Hier können
auch Emotionen wie Angst, Freude oder Verzweiflung ins Spiel kommen. Doch
auch diese sind nicht ausreichend und bisweilen nur bedingt hilfreich, die Ent-
scheidung einer Klärung zuzuführen. Ob es zu solchen Prozessen tatsächlich
kommt, hängt maßgeblich davon ab, dass die Unternehmensleitung ebenso
wie die Belegschaft an Sinnhaftigkeit und Erfolg daraus abgeleiteter Umstruk-
turierungsprozesse glaubt.
1.2. Die Neubewertung der bislang unterbelichteten Rolle
von Glaubensprozessen
Doch was läuft bei denjenigen ab, die an den Erfolg von Innovationen glau-
ben? Wie können die mentalen Prozesse näher beschrieben und erfasst wer-
den, die so maßgeblich an der Etablierung innovativer Zugänge in einem Un-
ternehmen beteiligt sind? Wer die Frage so stellt, interessiert sich für die Psy-
chodynamik von Glaubensprozessen.
Solche waren bis vor kurzem ein wissenschaftlich kaum beachtetes Gebiet.
Das hat sich in den letzten Jahren geändert [Angel 2009]. Mittlerweile sind
Glaubensprozesse, mit einem neu etablierten Fachterminus als Creditionen
(lat.: credere = glauben) bezeichnet, zu einem Forschungsgegenstand gewor-
den. Im Jahre 2011 kam es an der Karl-Franzens Universität Graz zum Auf-
takt einer Serie von international und interdisziplinär ausgerichteten Kongres-
sen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Struktur von Glaubensprozessen zu
durchleuchten. Dabei werden Creditionen nicht primär oder gar ausschließlich
Die Systematik hinter „Bauchentscheidungen“ 23
„religiös“ verstanden. Sie werden vielmehr als wesentliches menschliches Po-
tential gesehen, das genauso wie Emotionen oder Kognitionen permanent im
Einsatz ist.
Der erste Kongress thematisierte gerade diese Beziehung von Glaubenspro-
zessen zu Emotionen und Kognitionen. „The Structure of Creditions. The Role
of Cognition, Emotion and Appraisal”. Es trafen sich erstmals Forscherinnen
und Forscher, um Ansätze miteinander in Beziehung setzen, die bislang sepa-
rat und an verschiedenen Orten verfolgt wurden. Interessanterweise rückte
dabei vor allem aus neurowissenschaftlicher Sicht gerade die Bedeutung von
Bewertungsprozessen ins Licht. Auch wurde erkennbar, wie sehr Emotionen
Einfluss auf creditive Prozesse haben und auch Auswirkung auf Entstehung
oder Vermeidung von aggressivem Verhalten oder Fundamentalismus haben
können.
Der zweite Kongress versammelte im Jahr 2012 erstmals Referentinnen aus
Europa, Israel, Amerika und Asien. Unter der Überschrift „The Structure of
Creditions. Memory, Space of Action, and Social Binding“ beschäftigte er sich
mit der Frage, welche Rolle Glaubensprozesse an der Schnittstelle zwischen
Gedächtnis, Handlungsvorbereitung und sozialer Bindung spielen. Schon 1999
hatten Eric R. Kandel, der zu den weltweit führenden Gedächtnisforschern ge-
hört, und Larry R. Squire den oben zitierten Satz von Descartes („Cogito ergo
sum – ich denke, also bin ich“) kritisch kommentiert. Sie meinen, die Äuße-
rung sei in einem umfassenden Sinn falsch: „Wir sind nicht, wer wir sind, ein-
fach deshalb, weil wir denken können. Wir sind, wer wir sind, weil wir uns an
das erinnern können, was wir gedacht haben“ [Kandel/Squire 1999, IX].
Der dritte Kongress, der für das Jahr 2013 geplant ist, wird sich mit der „Wir-
kung“ von Glaubensprozessen befassen. Was immer man glaubt – es hat
Auswirkungen. Für viele von uns eine alltägliche Erfahrung, manchmal bis hin
zu den negativen Ergebnissen, die man auch als Ergebnis einer Self-fulfilling-
prophecy bezeichnen könnte. Der Gedanke wurde schon vor über einem hal-
ben Jahrhundert vom amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (1910 –
2003) formuliert. Er wollte dabei soziale Mechanismen zur Erklärung der Aus-
wirkungen bestimmter Einstellungen und Handlungsweisen herausstellen
[Merton 1948]. Mit diesem Ansatz lassen sich auch Beziehungen zu jenem
breit gefächerten Forschungsbereich herstellen, die man mit dem Stichwort
„Placebo“ umschreiben kann. Die meist abschätzig gemeinte Aussage, der
Placebo-Effekt beruhe „nur“ auf Glauben ist irreführend. Die Bedeutung von
Glauben wird in unserer sich rationalistisch gebenden Gesellschaft hochgradig
unterschätzt.
24 Hans-Ferdinand Angel, Reinhard Willfort
Themen bzw. Referentinnen und Referenten der Kongress-Serie, Hinweise zu
weiterführenden Publikationen und Originaltexte finden sich unter dem Link:
http://www.kfunigraz.ac.at/credition.
2. Grundvorstellungen der Creditionen-Theorie
Der wissenschaftliche Fachausdruck Credition oder im Plural Creditionen
(engl.: credition/creditions) wurde ursprünglich im Zusammenhang mit der
Erforschung menschlicher Religiosität ins Spiel gebracht [Angel 2006, Angel
2013b]. Auslöser waren unterschiedliche Ergebnisse neurowissenschaftlicher
Forschung zur Lokalisierung religiöser Erfahrung [Angel/Krauss 2004].
Seit seiner erstmaligen Publikation im Jahre 2006 fand der Neologismus „Cre-
dition“ allmählich Eingang in die wissenschaftliche Diskussion [Angel 2013a]
und wird mittlerweile sowohl in der Kognitions- und Neurowissenschaft
[Seitz/Angel 2012] wie auch in der Philosophie [Runehov/Angel 2013] disku-
tiert. Creditionen werden dabei als Größen gesehen, die wie Kognitionen (lat.:
cogitare = denken) und Emotionen (emovere = nach außen in Bewegung
bringen) zur Grundstruktur des Menschen gehören.
Unter Creditionen versteht man Glaubensprozesse aller Art - seien sie religiös,
seien sie profan. Dass sie in einer interdependenten Wechselwirkung mit Kog-
nitionen und Emotionen stehen, wurde schon gesagt. Doch sie haben auch ei-
ne Beziehung zum inneren Balancesystem des Menschen.
Kognitionen
Emotionen
„Creditionen“
B
Abbildung 1: Die Balance zwischen Kognitionen, Emotionen und Creditionen
Die Wissenschaft ist gegenwärtig bestrebt, die Komplexität von Creditionen zu
erfassen. Nach gegenwärtigem Diskussionsstand vereinigen Glaubensprozesse
Die Systematik hinter „Bauchentscheidungen“ 25
vier unterschiedliche Funktionen, die als Enclosure-, Converter-, Stabilizer-
und Modulator-Function bezeichnet werden.
Manche dieser Funktionen, wie etwa die Stabilizer Function oder die Modulator
Function, werden eher für Medizin und Therapie relevant sein. Doch lässt sich
schon jetzt erkennen, dass einige Aspekte, die bei der Erforschung von Glau-
bensprozessen zutage treten, auch von hoher praktischer Relevanz für ein
besseres Verständnis von innovationsbasierten unternehmerischen Entschei-
dungen sind. In derartigen Prozessen gilt es ja meist, kurzfristige (eher von
Emotionen stimulierte) Ziele mit langfristig zu planenden Zielen zu verbinden.
Neuere neurowissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass menschli-
ches Verhalten von unterschiedlichen Gehirnregionen beeinflusst wird, je
nachdem, ob die betreffende Person mit der emotionsbasierten Suche nach
kurzfristigen Zielen oder einer reflektierten Entwicklung eher rational reflek-
tierter langfristiger Ziele beschäftigt ist. Die Entscheidung, welches Ziel tat-
sächlich angestrebt wird, ist eine Folge von subjektiven Bewertungsprozessen,
die eng mit „Glauben“ zusammenhängen.
Creditionen werden nach aktueller Auffassung als „Operator“ (Operator) an-
gesehen, also als eine Art „Umwandler“, die Wahrnehmung und Handlung mit
einander in Beziehung setzen und an der Regulierung innerer Konflikte betei-
ligt sind. Es hängt in hohem Maße von den bei einem Entscheidungsträger ge-
gebenen mentalen Konstellationen (Bab Configurations) ab, welche Aspekte
(Babs) er überhaupt als für eine Entscheidung als relevant erachtet. Das ist
eine „Glaubensfrage“. Eine Funktion von Creditionen ist es, den betreffenden
Aspekt zu integrieren oder auszuschließen (Enclosure-Function). Die (Nicht-)
Integration eines Aspekts wird zwar nicht direkt schon zu einer konkreten
Entscheidung führen, sie beeinflusst aber die Bandbreite möglicher Hand-
lungsoptionen (Space of Action). Im Falle einer Integration des fraglichen As-
pekts wird eine andere Teilmenge von Handlungen zugelassen oder ausge-
schlossen, als im Falle einer Nicht-Integration (Converter Function).
3. Anwendung von Creditionen im Innovations-
management
Die Idee, neurophysiologische Perspektiven mit dem Thema von Innovation zu
verbinden, steht schon länger im Raum [Willfort/Köck/Hartlieb 2007]. Aus
diesem Grund ist die erweiterte Verbindung von Kognitionen, Emotionen und
Creditionen naheliegend. Die vielfach geforderte „Innovationsfähigkeit“ von
Unternehmen wird vor allem durch die Veränderungsbereitschaft ihrer Mitar-
beiter bestimmt [Fink/Benedek/Neubauer 2007]. Erfolgreiche Innovationen zu
produzieren bedeutet in diesem Zusammenhang, sich auf einem Balanceakt
26 Hans-Ferdinand Angel, Reinhard Willfort
zwischen kreativem Chaos und systematisch-methodischem Innovationsma-
nagement zu bewegen, aber vor allem die psychologischen Aspekte von Ver-
änderungsprozessen zu berücksichtigen.
Eine fundierte Betrachtung von Innovationsprozessen kann Ängste und Barrie-
ren von Mitarbeitern reduzieren und das Risiko des Scheiterns von Innovati-
onsprojekten senken. Aus der Sicht des Wissensmanagements ist vor allem
die Frage zu klären, was Innovation kurzfristig, d.h. in den frühen Phasen ei-
nes Innovationsprozesses, für ein Unternehmen bringen kann. Damit könnte
die Akzeptanz und Motivation bei Entscheidungsträgern für die Freigabe von
Ressourcen für Innovationen deutlich verbessert werden. Die Entscheidungs-
prozesse für Innovationsprozesse sind hoch komplex, vernetzt und daher im-
mer mit einem gewissen „Glaubensanteil“ behaftet.
Die ISN – Innovation Service Network GmbH ist in Verbindung mit dem Credi-
tion Research Network gegenwärtig daran beiteiligt, ein auf interne Unter-
nehmenskommunikation ausgerichtetes Credition-Tool fertig zu stellen. Das
Werkzeug ermöglicht, die in einem Unternehmen gegebene (emotionale und
kognitive) Basis für innovative Entscheidungen zu analysieren und die dabei
ablaufenden Glaubensprozesse zu veranschaulichen. Durch Visualisierung in-
nerhalb einer prototypischen Versuchsanordnung kann vor allem das Vorhan-
densein von Glaubensanteilen in Entscheidungssituationen sichtbar gemacht
werden.
Wir gehen davon aus, dass mit einem solchen Tool in vielen Unternehmen in-
novationsorientierte Entscheidungen transparenter gemacht und in kleineren
und größeren Gruppen anschaulicher kommuniziert werden können. Gleichzei-
tig erlaubt es allen Beteiligten, ihre eigenen „Bab Configurations“ ins Spiel zu
bringen und die dabei zutage tretende Einschätzung für den „Space of Action“
einer Unternehmensstrategie zu artikulieren.
Innovationsentscheidungen sind immer Entscheidungen zu komplexen Vorha-
ben, wo das Risiko zu scheitern groß ist. Bei Innovationen wird Bestehendes
in Frage gestellt, um einen neuen, besseren Zustand zu erreichen. Derart
komplexe Vorhaben lassen sich mit der Creditionstheorie nicht nur erklären
sondern auch gestalten.
4. Literatur
Angel, Hans-Ferdinand: Religiosität als menschliches Potential. Ein anthropo-
logisches Modell der Religiosität im neurowissenschaftlichen Horizont, in: An-
gel, Hans-Ferdinand u.a.: Religiosität, Stuttgart 2006, 62-89
Angel, Hans-Ferdinand: Verstehen wir Glaubensprozesse?, in: Religionsunter-
richt an höheren Schulen (rhs) 2009,16–29
Die Systematik hinter „Bauchentscheidungen“ 27
Angel, Hans-Ferdinand: Credition, in: Azari, Nina P./Runehov, Anne/Olviedo,
Lluis (Eds): Encyclopedia of Sciences and Religions, Heidelberg - New York
2013 [= Angel 2013a; in press]
Angel, Hans-Ferdinand: Religiosity, in: Azari, Nina P./Runehov, Anne/Olviedo,
Lluis (Eds): Encyclopedia of Sciences and Religions, Heidelberg - New York
2013 [= Angel 2013b; in press]
Angel, Hans-Ferdinand/Krauss, Andreas: Der interdisziplinäre Gott, in: Geist &
Gehirn 4 (2004), 68-72
Angel, Hans-Ferdinand/Runehov, Anne: Credition: The Process of Believing:
Revisiting the Problem of Justifying Beliefs, in: Evers, Dirk (Ed.): Studies in
science and theology, Lund, [in press]
Damasio, Antonio R.: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Be-
wusstseins, Berlin 2000
Damasio, Antonio: Descartes' Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche
Gehirn, Berlin 2004
Fink, Andreas/Benedek, Matthias/Neubauer, Aljoscha: Möglichkeiten zur Stei-
gerung der kreativen Produktivität aus Sicht der Psychologie und der Neuro-
wissenschaften, in: Willfort/Tochermann/Neubauer 2007, 27-38
Hemel, Ulrich: Wert und Werte, München-Wien 2005
Kandel, Eric/Squire, Larry R.: Das Gedächtnis, Heidelberg 1999
Merton, Robert K.: The self-fulfilling prophecy, in: The Antioch Review (8),
1948, 193-210
Ochmann, Frank: Gefühle Moral. Warum wir gut und böse unterscheiden kön-
nen, Berlin 2008
Seitz, Rüdiger/Angel, Hans-Ferdinand: Processes of believing - a review and
conceptual account, in: Reviews in Neuroscience, Vol. 23(3): 303–309, 2012
Willfort, Reinhard/Köck, Anna Maria/Hartlieb Erich: Neurovation. Die Idee der
Verbindung von Neurophysiologie und Innovation, in: Will-
fort/Tochermann/Neubauer 2007, 53-56
Willfort, Reinhard/Tochtermann, Klaus/Neubauer Aljoscha (Hg): Creativi-
ty@Work für Wissensarbeit, Aachen 2007
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht
Julia Dönch
CMS Hasche Sigle, Stuttgart
Julia.Doench@cms-hs.com
Bei jedem Mitarbeiterwechsel verlässt ein Wissensträger das Unternehmen:
Wissen um Unternehmensabläufe, Problemlösungen und Innovationsansätze
geht dadurch häufig verloren.
Im Zuge des demografischen Wandels werden Mitarbeiterwechsel in vielen
Unternehmen zukünftig an der Tagesordnung sein. Eine wichtige Aufgabe für
Unternehmen – und auch eine Herausforderung – ist es daher, das Mitarbei-
terwissen langfristig zu sichern. Hierfür haben bereits viele Unternehmen Wi-
kis als Werkzeug entdeckt. Neben technischen und organisatorischen Frage-
stellungen spielen bei der Einführung von Wikis auch rechtliche Aspekte eine
wichtige Rolle. Urheberrecht, Arbeitsrecht, Datenschutzrecht und Know-how-
Schutz: Aus rechtlicher Perspektive sind Unternehmens-Wikis nicht immer
unproblematisch.
1. Arbeitsrechtlicher Hintergrund
Dem Arbeitgeber steht gegenüber seinen Arbeitnehmern nach den allgemei-
nen arbeitsrechtlichen Grundsätzen
1
eine umfassende Weisungs- und Direkti-
onsbefugnis zu. Diese Befugnis ermöglicht es dem Arbeitgeber, die Leistun-
gen, die der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag zu erbringen hat, zu kon-
kretisieren. Die Weisungs- und Direktionsbefugnis kommt auch im Hinblick auf
Unternehmens-Wikis zum Tragen: Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die
„Spielregeln“ für das Wiki in seinem Unternehmen festzulegen. Die Weisungs-
und Direktionsbefugnis gibt dem Arbeitgeber das Recht, über
• die Einführung und Abschaffung eines Unternehmens-Wikis,
• die Inhalte eines Unternehmens-Wikis
1
Der gesamte Beitrag stellt die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland dar.
30 Julia Dönch
• die Struktur eines Unternehmens-Wikis (Welche Mitarbeiter haben Zu-
gang zu dem Unternehmens-Wiki? Gibt es Zugangshierarchien?) sowie
• die Art der Nutzung eines Unternehmens-Wikis (z.B. als freiwilliges o-
der – zumindest teilweise – verpflichtendes Dokumentations-Tool)
zu entscheiden. Diese „Spielregeln“ sind dann von dem Arbeitnehmer im
Rahmen seiner täglichen Arbeit zu beachten.
Grundsätzlich ist es also Sache des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen den
Umgang mit dem Unternehmens-Wiki zu regeln und somit für Klarheit hin-
sichtlich der Anwendung des Wikis zu sorgen. Besteht in einem Unternehmen
ein Betriebsrat, kann diesem allerdings im Hinblick auf Unternehmens-Wikis
ein Mitbestimmungsrecht zukommen. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sieht vor, dass
der Betriebsrat u.a. bei der Einführung und Anwendung von technischen Ein-
richtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Ar-
beitnehmer zu überwachen, ein Mitbestimmungsrecht hat.
Ob ein Unternehmens-Wiki eine solche technische Einrichtung ist, hängt von
der konkreten Ausgestaltung des Unternehmens-Wikis ab. Denn eine Überwa-
chung des Verhaltens und der Leistung der Mitarbeiter ist mit Unternehmens-
Wikis durchaus möglich. Dies dürfte insbesondere dann zutreffen, wenn das
Unternehmens-Wiki zur umfassenden Dokumentation der täglichen Arbeit der
Mitarbeiter eingesetzt wird.
Vor diesem Hintergrund bietet es sich aus juristischer Sicht häufig an, den Be-
triebsrat vor Einführung des Unternehmens-Wikis darüber zu informieren und
(unabhängig von einer sich möglicherweise aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG er-
gebenden Verpflichtung) anzuhören. Denn in vielen Fällen wird der Betriebsrat
gegen die Einführung eines Unternehmens-Wikis an sich keine durchgreifen-
den Bedenken haben. Vielmehr kann der Betriebsrat durch eine frühzeitige In-
formation vor Einführung des Unternehmens-Wikis auch als Multiplikator für
die Wiki-Idee in dem Unternehmen dienen. Insofern birgt die Information des
Betriebsrats vor Einführung des Unternehmens-Wikis auch die Chance, die
Akzeptanz des Unternehmens-Wikis frühzeitig im Unternehmen zu verstärken.
Umgekehrt besteht bei einer fehlenden Information des Betriebsrats das Risi-
ko, dass erst im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung geklärt wird,
ob der Betriebsrat vor der Einführung des Unternehmens-Wikis anzuhören
gewesen wäre. Dies kann sich – ggf. auch bei einem Ausgang des Rechts-
streits zugunsten des Arbeitgebers – nachteilhaft auf die Implementierung des
Unternehmens-Wikis auswirken.
Zudem kommt dem Betriebsrat das sog. Wächteramt zu (§§ 80 Abs. 1
Nr. 1, 75 Abs. 2 BetrVG). Danach hat der Betriebsrat die allgemeine Aufgabe,
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze,
Verordnungen, Betriebsvereinbarungen etc. durchgeführt werden (§ 80 Abs. 1
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht 31
Nr. 1 BetrVG). Zudem hat der Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlich-
keit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern
(§ 75 Abs. 2 BetrVG).
Bei Unternehmens-Wikis können die soeben genannten Regelungen insbeson-
dere im Zusammenhang mit Datenschutzbestimmungen relevant werden. In-
soweit muss darauf geachtet werden, dass das Unternehmens-Wiki den An-
forderungen des Datenschutzrechts genügt (s. dazu 3).
2. Urheberrechtlicher Hintergrund
2.1. Rechte an Beiträgen für Unternehmens-Wikis
Das deutsche Urheberrecht basiert auf dem Schöpferprinzip (§ 7 UrhG).
Schöpfer (und damit Urheber) eines Wiki-Beitrages ist also stets der Mitarbei-
ter, der den Beitrag verfasst hat (Autor). Verfassen mehrere Mitarbeiter zu-
sammen einen Wiki-Beitrag, sind diese nach § 8 UrhG Miturheber. Keinesfalls
Urheber ist jedoch der Arbeitgeber. Dieser muss vielmehr seine Rechte von
dem jeweiligen Urheber ableiten, möchte er von seinen Mitarbeitern verfasste
Werke nutzen.
Das deutsche Urheberrecht sieht daher vor, dass der Urheber Dritten an sei-
nem Werk urheberrechtliche Nutzungs- und Vermögensrechte (Vervielfälti-
gungs-, Verbreitungs- und Ausstellungsrecht sowie das Recht zur öffentlichen
Wiedergabe) einräumen kann, damit diese die Werke des Urhebers rechtmä-
ßig nutzen können. Eine solche Rechteeinräumung wird auch Lizenz genannt.
Solche Nutzungsrechtseinräumungen können entweder ausdrücklich oder
konkludent (also aus dem Verhalten der beteiligten Personen heraus) verein-
bart werden.
Für die Regelung urheberrechtlicher Sachverhalte in Arbeitsverhältnissen
ergibt sich daraus Folgendes: Der Arbeitgeber kann sich von vornherein alle
Nutzungsrechte an im Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern erstellten urhe-
berrechtlichen Werken (z.B. Wiki-Beiträgen) im Arbeitsvertrag einräumen las-
sen. Dabei muss dies nicht einmal schriftlich geschehen.
Daneben kann allerdings anstelle einer ausdrücklichen Vereinbarung über die
Einräumung von Nutzungsrechten im Arbeitsvertrag auch eine konkludente
Übertragung von Nutzungsrechten vorliegen. Rechtsgrundlage dafür ist im
deutschen Urheberrecht § 43 UrhG: Nach dieser Vorschrift erhält der Arbeit-
geber die Rechte an Werken, die der Arbeitnehmer in Erfüllung seiner Ver-
pflichtungen aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen hat, soweit
sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses
32 Julia Dönch
nichts Anderes ergibt. Eine Sonderzahlung kann hierfür von dem Arbeitneh-
mer regelmäßig nicht verlangt werden: Der Arbeitnehmer hat ja bereits sei-
nen Arbeitslohn erhalten.
Aus § 43 UrhG folgt somit, dass der Arbeitgeber automatisch die Nutzungs-
rechte an den Werken erhält, die der Arbeitnehmer bestimmungsgemäß im
Rahmen seines Arbeitsverhältnisses geschaffen hat. Diese Regelung kann
selbstverständlich auch für Wiki-Beiträge gelten. Die Frage, was zu den ar-
beitsvertraglichen Tätigkeiten des Arbeitnehmers gehört, ist anhand des je-
weiligen Arbeitsvertrages zu bestimmen. Rechte an urheberrechtlich ge-
schützten Werken, die nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Arbeit-
nehmers stehen, erhält der Arbeitgeber jedoch auch nach § 43 UrhG nicht.
Über diese "überschießenden" Werke muss eine gesonderte Nutzungsrechts-
vereinbarung getroffen werden, will der Arbeitgeber sich auch die Nutzungs-
rechte an solchen Werken sichern.
Wenn also der Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung einen Auf-
satz über Möglichkeiten zur Optimierung der Kreditbeschaffung des Unter-
nehmens verfasst, dürften die Rechte an diesem Aufsatz dem Arbeitgeber
nicht zustehen, wenn der Arbeitgeber den Leiter der Forschungs- und Ent-
wicklungsabteilung nicht ausdrücklich mit dem Verfassen des Aufsatzes beauf-
tragt hatte. Denn üblicherweise gehört die Erstellung von Texten dieses Inhal-
tes nicht zu den Aufgaben eines Leiters der Forschungs- und Entwicklungsab-
teilung. Konsequent wäre dann, dass der Arbeitgeber den entsprechenden
Beitrag in dem Unternehmens-Wiki nicht nutzen (also z.B. in das Unterneh-
mens-Wiki einstellen) dürfte. Würde der Leiter der Forschungs- und Entwick-
lungsabteilung hingegen den Beitrag zur Optimierung der Kreditbeschaffung
des Unternehmens selbst in das Unternehmens-Wiki einstellen, dürfte davon
auszugehen sein, dass er mit der urheberrechtlichen Nutzung und Verwertung
des Artikels durch seinen Arbeitgeber einverstanden ist. Dies könnte im Rah-
men der juristischen Auslegung aus dem Verhalten des Leiters der For-
schungs- und Entwicklungsabteilung als Autor geschlossen werden.
Unabhängig davon, ob die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Werken
ausdrücklich oder im Arbeitsvertrag oder konkludent auf Basis der gesetzli-
chen Bestimmungen auf den Arbeitgeber übertragen wurden, stellt sich aber
ergänzend die Frage, in welchem Umfang diese Nutzungsrechtsübertragung
erfolgte. Nach der sog. Zweckübertragungstheorie (§ 31 Abs. 5 UrhG) erhält
der Arbeitgeber die urheberrechtlichen Nutzungsrechte nur so weit, wie er sie
zur Erfüllung seiner betrieblichen Zwecke benötigt. Dabei meint "Betrieb" nur
die organisatorische Einheit, in der der Arbeitnehmer tätig ist. Hat der Arbeit-
geber z.B. mehrere Betriebe innerhalb einer Konzernstruktur, richtet sich der
Umfang der Rechteeinräumung nur nach den Bedürfnissen desjenigen Betrie-
bes, für den der Arbeitnehmer tätig ist. Die Rechte für die Nutzung des Wer-
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht 33
kes auch in den anderen Betrieben müsste sich der Arbeitgeber hingegen in
aller Regel zusätzlich einräumen lassen.
Soweit an einem Wiki-Beitrag die Rechte weder nach den Bestimmungen des
Arbeitsvertrages noch nach den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes
auf den Arbeitgeber übergehen, kann der Arbeitnehmer unter Umständen
dennoch verpflichtet sein, die entsprechenden Nutzungsrechte dem Arbeitge-
ber einzuräumen oder dies zumindest anzubieten (Andienungspflicht). Eine
Pflicht des Arbeitnehmers zum Anbieten der Einräumung der urheberrechtli-
chen Nutzungsrechte kann nämlich aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen
Treuepflicht und dem sich daraus ergebenden Wettbewerbsverbot resultieren.
Dies gilt insbesondere, wenn die Wiki-Beiträge in den Arbeitsbereich des Un-
ternehmens fallen und mit der geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers in
einem Sachzusammenhang stehen. Eine solche Andienungspflicht kann sich
aber auch daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer für die Erstellung des Wiki-
Beitrages Arbeitsmittel des Arbeitgebers genutzt hat.
Soweit es allerdings um Erkenntnisse und Erfindungen geht, die in einzelnen
Wiki-Beiträgen verkörpert sein können, greift das Urheberrecht nicht ein.
Denn in aller Regel sind diese Erkenntnisse und Erfindungen nicht nach dem
Urhebergesetz als Werke schützbar. Vielmehr muss der Arbeitgeber sich die
entsprechenden Rechte an diesem Know-how einräumen lassen. Auch hierfür
besteht zwar grundsätzlich kein Schriftformerfordernis, so dass auch entspre-
chende mündliche Vereinbarungen geschlossen werden können. Um allerdings
im Streitfall einen Nachweis über die Rechteeinräumung führen zu können,
bietet es sich stets an, die entsprechenden Vereinbarungen schriftlich (z.B. im
Rahmen des Arbeitsvertrages oder im Rahmen einer Ergänzungsvereinbarung
zu dem Arbeitsvertrag) zu treffen. Damit kann auch gewährleistet werden,
dass den Anforderungen des Arbeitnehmererfindergesetzes hinsichtlich der
Inanspruchnahme von Erfindungen von Mitarbeitern nachgekommen wird.
2.2. Urheberrechtverletzungen in Unternehmenswikis
Doch nicht nur der Arbeitgeber muss im Zusammenhang mit der Nutzung der
Wiki-Beiträge seiner Arbeitnehmer urheberrechtliche Bestimmungen beach-
ten. Auch der Arbeitnehmer selbst muss als Autor gewisse urheberrechtliche
Anforderungen beachten. In erster Linie ist in diesem Zusammenhang der
Schutz des geistigen Eigentums Dritter zu nennen: Copy & paste mag zwar
die leichteste Möglichkeit sein, einen Beitrag für ein Unternehmens-Wiki zu
erstellen. Das Kopieren fremder Texte stellt allerdings eine Vervielfältigung
und somit eine Urheberrechtsverletzung dar. Etwas anderes ergibt sich auch
nicht daraus, dass das Unternehmens-Wiki regelmäßig nur für bestimmte Per-
sonen (= Mitarbeiter des Unternehmens) zugänglich ist. Dies mag zwar das
34 Julia Dönch
Risiko, dass Plagiate bekannt werden, auf einer tatsächlichen Ebene reduzie-
ren. An der juristischen Beurteilung des Sachverhalts ändert dies jedoch
nichts.
Darüber hinaus ist auch bei Zitaten in Beiträgen zu Unternehmens-Wikis Vor-
sicht geboten: Zitate sind zwar nach den Regelungen des Urheberrechts
grundsätzlich zulässig. Texte oder Bilder Dritter, die als Zitat verwendet wer-
den, können daher in den eigenen Wiki-Beiträgen grundsätzlich verwendet (=
vervielfältigt) werden, ohne dass darin eine Urheberrechtsverletzung zu sehen
wäre. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen des urheber-
rechtlich zulässigen Zitierens vorliegen. Wesentliche Voraussetzung ist dabei,
dass das Zitat (also der Teil, der aus dem Werk eines Dritten übernommen
wird) dem eigenen, neu geschaffenen Werk dient und sich das neu geschaffe-
ne Werk mit dem übernommenen Zitat auch auseinandersetzt. Das heißt also,
dass ein Zitat nicht eigene Ausführungen und Gedanken ersetzen darf, son-
dern sich die eigenen Gedanken und Ausführungen gerade mit dem Zitat aus-
einandersetzen müssen.
Der Arbeitgeber ist somit gut beraten, seine Mitarbeiter bei Start des Unter-
nehmens-Wikis auf die Anforderungen, die sich aus den urheberrechtlichen
Bestimmungen für das Verfassen von Wiki-Beiträgen ergeben, hinzuweisen.
Unterbleibt ein solcher Hinweis, besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber auf-
grund Organisationsverschuldens auch für Urheberrechtsverletzungen seiner
Mitarbeiter in Wiki-Beiträgen haftet. Daher ist es aus juristischer Sicht auch
erforderlich, dass der Arbeitgeber in regelmäßig wiederkehrenden Schulungen
auf diese urheberrechtlichen Bestimmungen hinweist. Werden diese Maßnah-
men des Arbeitgebers zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen durch
das Unternehmens-Wiki dokumentiert, bestehen gute Aussichten, dass der
Arbeitgeber bei Urheberrechtsverletzungen durch einzelne Autoren des Unter-
nehmens-Wikis nicht für diese auf Schadensersatzzahlungen in Anspruch ge-
nommen werden kann, sondern lediglich für die zukünftige Unterlassung der
Urheberrechtsverletzung Sorge tragen muss.
3. Datenschutzrechtlicher Hintergrund
Ein Unternehmens-Wiki soll auch dazu dienen, dass sich die Mitarbeiter eines
Unternehmens untereinander vernetzen. Gerade in großen Unternehmen kön-
nen Wikis hierfür eine gute Plattform bieten. Doch welche Angaben dürfen aus
datenschutzrechtlicher Sicht über die einzelnen Wiki-Autoren in dem Unter-
nehmens-Wiki hinterlegt sein?
Unternehmens-Wikis sind in aller Regel Intranet-Anwendungen. In Intranets
von Unternehmen ist es nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen re-
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht 35
gelmäßig zulässig, Vor- und Nachnamen, akademische Titel, Berufsbezeich-
nungen, Aufgabenbereiche/Funktion im Unternehmen und die dienstlichen
Kontaktdaten auch ohne Einwilligung des jeweiligen Mitarbeiters zu veröffent-
lichen.
Sollen in dem Intranet darüber hinaus weitere Informationen zu den jeweili-
gen Arbeitnehmern veröffentlicht werden (z.B. Geburtsdatum, private Kon-
taktdaten oder Angaben zu persönlichen Eigenschaften), ist hierzu die Einwil-
ligung des jeweiligen Mitarbeiters erforderlich. Anderenfalls droht die Verlet-
zung datenschutzrechtlicher Bestimmungen.
4. Know-how-Schutz
Ein Unternehmens-Wiki als Plattform für einen Austausch von Wissen und für
das strukturierte Vorhalten des Know-how eines Unternehmens bietet eine
Vielzahl an Möglichkeiten für die Verletzung von Geschäfts- und Betriebsge-
heimnissen. Ist dies in Zeiten zunehmender Industriespionage das entschei-
dende Argument gegen Unternehmens-Wikis?
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse stellen solche das Unternehmen betref-
fende Tatsachen dar, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind
und deren Geheimhaltung von dem Unternehmensinhaber berechtigterweise
bezweckt wird. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse wird insbesondere
dann anzunehmen sein, wenn die Tatsache für die Wettbewerbsfähigkeit des
Unternehmens von Bedeutung ist. Denn dann wird man davon ausgehen kön-
nen, dass der Unternehmer die Tatsachen tatsächlich geheim halten möchte.
Kundenadressen, Marktstrategien, Musterbücher, Rezepturen u.ä. sind solche
typischen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Alleine durch die Speicherung
in einem Unternehmens-Wiki verlieren diese Tatsachen auch nicht ihre Eigen-
schaft als Geschäfts- und Betriebsgeheinisse. Denn in einem Unternehmens-
Wiki sind diese Tatsachen noch nicht allgemein zugänglich, sondern nach wie
vor nur einem begrenzten Personenkreis bekannt.
Sind Geschäfts- und Betriebsgeheinisse in einem Unternehmens-Wiki zentral
gespeichert, besteht das Risiko, dass diese mit geringem technischen Auf-
wand kopiert und an Dritte weitergegeben werden können. Kommt es zu ei-
nem Diebstahl von Know-how durch (ehemalige) Mitarbeiter des Unterneh-
mens, kann darin und in der Verwendung der Daten eine Straftat liegen (§§
17, 18 UWG). Zudem können sich diejenigen, die Geschäfts- und Betriebsge-
heimnisse verletzt haben, für daraus entstandene Schäden gegenüber dem
Unternehmen schadensersatzpflichtig machen.
Um solche Situationen nach Möglichkeit zu vermeiden, sollte ein Unterneh-
mens-Wiki, das Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthält, nicht nur mit
36 Julia Dönch
technischen Schutzmaßnahmen gegen den Abzug von Know-how ausgestattet
sein. Juristischer Schutz kann insbesondere durch den Abschluss von Geheim-
haltungsvereinbarungen erreicht werden. Solche Geheimhaltungsvereinbarun-
gen verpflichten den Mitarbeiter, vertrauliche Informationen, zu denen auch
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gehören, während der Dauer seines Ar-
beitsverhältnisses nicht an Dritte weiterzugeben. Für den Fall des Verstoßes
gegen die sich aus der Geheimhaltungsvereinbarung ergebenden Geheimhal-
tungspflichten kann ggf. auch die Zahlung einer Vertragsstrafe vereinbart
werden.
Für Arbeitgeber häufig interessanter ist jedoch die Frage, ob auch Geheimhal-
tungsvereinbarungen mit nachvertraglichen Geheimhaltungsabreden wirksam
vereinbart werden können. Nachvertragliche Geheimhaltungsabreden ohne
eine finanzielle Kompensation sind nach der arbeitsrechtlichen Rechtspre-
chung in Deutschland im Wesentlichen nur zulässig, wenn sie sich auf einzel-
ne, konkret umschriebene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beziehen, und
wenn das berufliche Fortkommen des ehemaligen Arbeitnehmers nicht davon
abhängt, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verraten zu müssen. Ob inso-
weit zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch nachvertrag-
liche Geheimhaltungsabreden abgeschlossen werden sollen, ist eine Frage des
Einzelfalles.
5. Typische Konfliktsituationen
Im Zusammenhang mit Wiki-Beiträgen ergeben sich einige typische Konfliktsi-
tuationen. Diese werden vor dem Hintergrund der einschlägigen juristischen
Regelungen im Folgenden beschrieben.
5.1. Mangelnde Nutzung des Unternehmens-Wikis
Nicht selten macht sich nach der ersten Euphorie der Einführung von Unter-
nehmens-Wikis Ernüchterung breit: Das Unternehmens-Wiki wird nicht in dem
erhofften Umfang genutzt. Neben einer stetigen Motivation der Mitarbeiter zur
Nutzung des Unternehmens-Wikis können in dieser Situation auch juristische
Ansätze gewählt werden, um eine umfangreichere Nutzung des Unterneh-
mens-Wikis zu erzielen zu versuchen. Denn auch in diesem Zusammenhang
lässt sich die Weisungs- und Direktionsbefugnis des Arbeitgebers ins Feld füh-
ren.
Gibt der Arbeitgeber im Rahmen seiner Weisungs- und Direktionsbefugnis bei-
spielsweise vor, dass bestimmte Arbeitsschritte zwingend mit Hilfe des Unter-
nehmens-Wikis zu dokumentieren sind, kann dadurch eine stärkere Nutzung
des Unternehmens-Wikis erreicht werden. Möglicherweise entdecken die Ar-
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht 37
beitnehmer, die so in engeren Kontakt mit dem Wiki kommen, das Wiki für
sich und nutzen das Wiki auch über die verbindlich festgelegten Dokumentati-
onsaufgaben hinaus. Aber auch in diesem Zusammenhang sollte nicht aus
dem Auge verloren werden, dass ein Unternehmens-Wiki auch in großem Ma-
ße auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basiert.
Daneben ist es juristisch auch möglich, die Nutzung des Unternehmens-Wikis
zum Gegenstand von Zielvereinbarungen zu machen. Werden dann die in der
Zielvereinbarung enthaltenen Ziele im Hinblick auf die Nutzung des Unter-
nehmens-Wikis nicht erreicht, kann dies beispielsweise negative Auswirkun-
gen auf die Zahlung von variablen Vergütungsbestandteilen haben. Die Ent-
scheidung, ob Zielvereinbarungen die Nutzung von Unternehmens-Wikis zum
Gegenstand haben sollten, dürfte im Wesentlichen eine unternehmenspoliti-
sche sein.
5.2. Löschung und Veränderung von Wiki-Beiträgen
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber berechtigt, auch gegen den Willen des Au-
tors Beiträge aus dem Unternehmens-Wiki zu löschen. Das Urheberrecht steht
einer solchen Löschung nicht entgegen: Eine Löschung eines Beitrags stellt –
in urheberrechtlichen Termini – eine Werkzerstörung dar. Das Urheberrecht
gibt dem Urheber aber keine Handhabe gegen die vollständige Zerstörung
seiner Werke. Vielmehr hat der Urheber dies hinzunehmen. Denn durch die
Einräumung der Nutzungsrechte an den Arbeitgeber wird regelmäßig keine
Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, die Wiki-Beiträge auch zu nutzen.
Das Recht zur Löschung von Wiki-Beiträgen ergibt sich auch aus der umfas-
senden Weisungs- und Direktionsbefugnis des Arbeitgebers: Er legt die "Spiel-
regeln" fest, welche Beiträge in das Unternehmens-Wiki eingestellt werden
sollen. Sachfremde Beiträge können somit ohne weiteres gelöscht werden. Ei-
ne solche "Redaktionsbefugnis" kann der Arbeitgeber auch auf Wiki-
Chefredakteure und somit auf Dritte übertragen.
Trotz dieser eher eindeutigen Rechtslage können sich im Zusammenhang mit
der Löschung von Wiki-Beiträgen praktische Schwierigkeiten ergeben. Löscht
ein Arbeitgeber z.B. Wiki-Beiträge, die das Unternehmen des Arbeitgebers kri-
tisieren, besteht das Risiko, dass das Löschen als Zensur verstanden wird. Ei-
ne solche Zensur wäre aber mit der eher freiheitlich ausgerichteten Wiki-
Kultur nicht vereinbar. In solchen Situationen ist daher unabhängig von der
Rechtslage eine unternehmenspolitische Entscheidung zu treffen, die nach
Möglichkeit einerseits den Interessen des Arbeitgebers an seinem Ruf, ande-
rerseits aber auch der Wiki-Kultur als solcher gerecht wird.
38 Julia Dönch
Hinsichtlich der Veränderung von Wiki-Beiträgen verhält es sich anders als bei
der Löschung solcher Beiträge. Veränderungen können dazu führen, dass der
Wiki-Beitrag im urheberrechtlichen Sinne "entstellt" wird. Liegt eine solche
objektive Entstellung vor, kann der Autor des jeweiligen Beitrags auch nach
Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Wiki-Beitrag
hiergegen vorgehen. Eine Werkentstellung wird bei Wiki-Beiträgen allerdings
nur in seltenen Fällen (z.B. Veränderung der Kernaussage des Wiki-Beitrags)
vorliegen. Kürzungen, inhaltlich passende Ergänzungen und Aktualisierungen
werden von dem Autor daher grundsätzlich hinzunehmen sein.
5.3. Qualität der Wiki-Beiträge
Nach der Pilot-Phase eines Unternehmens-Wikis wird häufig eine erste Zwi-
schenbilanz gezogen. Bei dieser Gelegenheit kann sich herausstellen, dass die
Qualität einiger oder sogar der weit überwiegenden Anzahl der Wiki-Beiträge
zu wünschen übrig lässt. Lässt sich daran etwas mit Hilfe juristischer Mittel
ändern?
Das Arbeitsrecht sieht hierzu folgendes vor: Nach den arbeitsrechtlichen
Grundsätzen muss ein Arbeitnehmer das, wozu er angewiesen ist, so gut tun,
wie er kann. Somit kann der Arbeitgeber nicht verlangen, dass in jedem Wiki-
Beitrag eine Nobelpreis-würdige Erfindung beschrieben wird. Denn der Arbeit-
nehmer muss Wiki-Beiträge nur im Rahmen seiner Fähigkeiten gestalten.
Zur Qualitätssicherung dürfte es sich daher eher weniger anbieten, auf juristi-
sche Instrumente zurückzugreifen. Entscheidend dürfte hierbei neben dem
Einstellen gut ausgebildeter und motivierter Mitarbeiter vor allem sein, Quali-
tätssicherungsmaßnahmen in Form eines Vier-Augen-Prinzips (Freischaltung
von Wiki-Beiträgen erst nach Freigabe durch eine Wiki-Redaktion) durchzu-
führen. Allerdings ist auch bei solchen Maßnahmen zu beachten, dass diese
mit der freiheitlich orientierten Wiki-Kultur eher nicht in Einklang stehen.
5.4. Haftung für fehlerhafte Wiki-Beiträge
Bei dem Erstellen eines Wiki-Beitrages kann es vorkommen, dass ein Arbeit-
nehmer falsche Informationen in dem Wiki-Beitrag verarbeitet. Doch wer haf-
tet, wenn z.B. eine fehlerhafte Versuchsbeschreibung in dem Unternehmens-
Wiki hinterlegt wurde, ein anderer Mitarbeiter sich bei der Durchführung des
Versuchs auf die Versuchsbeschreibung verlässt und es dann zu Schäden
kommt?
Soweit es um die Haftung im Innenverhältnis (also im Verhältnis des Wiki-
Autors zu dem Arbeitgeber) geht, richtet sich die Beantwortung der Frage
nach den sog. Regeln zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Danach haf-
Unternehmens-Wikis aus rechtlicher Sicht 39
tet ein Arbeitnehmer bei leichter Fahrlässigkeit nicht, bei mittlerer und norma-
ler Fahrlässigkeit anteilig und bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz voll. Dar-
über hinaus sind bei der Beantwortung der Frage, ob der Arbeitnehmer nach
diesen Regeln (anteilig) haftet auch Billigkeits- und Zumutbarkeitskriterien zu
berücksichtigen (z. B. Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, Schadenshöhe, versi-
cherungsmäßig abgedeckte Risiken, Höhe des Arbeitsentgelts und berufliche
Stellung des Arbeitnehmers).
Alleine die Angst, möglicherweise einen fehlerhaften Wiki-Beitrag zu verfas-
sen, sollte einen Arbeitnehmer somit davon nicht abhalten. Denn im Wesentli-
chen wird es zu einer Haftung aufgrund eines fehlerhaften Wiki-Beitrages nur
bei Vorsatz kommen.
6. Schlussbemerkungen
Unternehmens-Wikis bieten viele Möglichkeiten. Dass Möglichkeiten in aller
Regel auch mit Risiken einhergehen, ist keine neue Erkenntnis. Soweit juristi-
sche Themen im Zusammenhang mit Unternehmens-Wikis eine Rolle spielen,
stellen diese Unternehmen nicht vor unüberwindbare Hindernisse. Wichtig ist
in diesem Zusammenhang vielmehr, juristische Themen frühzeitig anzugehen
und somit von Anfang an ein rechtssicheres Unternehmens-Wiki zu entwi-
ckeln.
Datenberge erfolgreich bezwingen
Daniel Fallmann, Gerald Martinetz
Mindbreeze Software GmbH, Fabasoft Austria GmbH
daniel.fallmann@mindbreeze.com
gerald.martinetz@fabasoft.com
1. Wissensmanagement im Wandel
Wissensmanagement − braucht man das wirklich? Eine Frage, die Organisati-
onen aus allen Bereichen und Branchen heute mit einem klaren „Ja“ beant-
worten würden.
Historisch betrachtet werden die Ursprünge des heutigen Wissensmanage-
ments in der angloamerikanischen Literatur gesehen. Bereits in den sechziger
Jahren wurde in wissenschaftlichen Veröffentlichungen die Bedeutung und
Notwendigkeit eines Managements des Wissens hervorgehoben. Dies blieb
aber vorerst resonanzlos. Erst Ende der achtziger Jahre starteten in den USA
erste Initiativen zum Thema Wissensmanagement. In Europa wurde das The-
ma Mitte der neunziger Jahre aufgegriffen und heute stehen fast alle Unter-
nehmen vor der Herausforderung ihr „Big Data“ Problem zu lösen. Das unge-
hemmte Datenwachstum besonders von unstrukturierten Daten führt dazu,
dass Unternehmen sich zunehmend mit den vier Vs von Big Data beschäfti-
gen. Es gilt die Unmengen (Volume) an Daten, die Geschwindigkeit (Velocity),
mit der diese verarbeitet werden müssen sowie die unterschiedlichen Formate
(Variety) in eine Form zu transferieren (Variability) damit diese für Unterneh-
men einen Mehrwert darstellen.
1.1. Status quo
Der Satz eines populären Lieds: „Ich muss noch 148 Mails checken, wer weiß
was dann noch passiert – denn es passiert so viel“ (Tim Bendzko) spricht eine
deutliche Sprache. Es ist aber nicht nur die Anzahl der E-Mails, sondern das
gesamte Datenaufkommen, welches ständig und rasant steigt. Der cloud-
basierte Datenverkehr wird sich in den fünf Jahren zwischen 2011 und 2016
42 Daniel Fallmann, Gerald Martinetz
von 1,8 auf 6,6 Zettabyte (6.600 Mrd. Gigabyte) weltweit vervielfachen,
prognostiziert der Cisco Global Cloud Index (Cisco). Der Marktforschungsspe-
zialist Gartner prognostiziert in den nächsten fünf Jahren einen Anstieg der
Unternehmensdaten um 650 Prozent (Arnold IT). In diesem Zusammenhang
tauchen immer häufiger Begriffe wie „Big Data“ oder „Business Discovery“ als
neue Schlagwörter auf. Mitarbeiter speichern Daten an unterschiedlichen Or-
ten (Fileshares, Dokumentenmanagement-Systemen, Cloud-Speicher-Lösun-
gen), in E-Mail-Archiven oder manchmal sogar lokal auf Notebooks, Tablets
oder Smartphones. Können in diesem Datenvolumen alle relevanten Informa-
tionen zu einem Thema überhaupt noch punktgenau gefunden werden?
In mittelständischen Unternehmen erhält ein Mitarbeiter pro Tag rund 42 E-
Mails (Salesforce), dazu kommen Telefonate, Informationsmaterial oder Be-
sprechungsunterlagen in digitaler Form und/oder als Papier. Nur ein kleiner
Teil dieser Daten wird in strukturierten Ablagesystemen gespeichert. Der
Großteil verschwindet unstrukturiert irgendwo in der Unternehmens-IT. Text-
Dokumente und Videos sind sicherlich die bekanntesten Beispiele für die ra-
sant wachsende unstrukturierte Datenmenge. Bekanntlich ist davon nur ein
Bruchteil wirklich unternehmensrelevant und diese „wertvollen Schätze“ gilt
es zu finden und im richtigen Kontext zur Verfügung zu stellen. Dabei spielt es
keine Rolle, ob die Information in einem Management-Meeting oder im Call-
Center für einen professionellen Kundenservice benötigt wird. Außerdem müs-
sen die Rechte der Nutzer stets gewahrt bleiben.
1.2. Wissen greifbar machen
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass „DIE global relevanten Unterneh-
mensdaten“ nicht existieren. Mitarbeiter definieren je nach Aufgabengebiet
und aktueller Situation „IHRE relevanten Daten“. Offene Kundenaufträge,
Kundenanfragen, Reklamationen, Auftragsvolumen, Umsätze pro Quartal −
die Liste könnte beliebig lange fortgesetzt werden. Personen mit vergleichba-
ren Aufgabengebieten definieren meist ähnliche relevante Daten, um die tägli-
chen Arbeiten rasch und effizient abwickeln zu können. Man kann hier von
Clustern sprechen, von sogenannten „Informationsclustern“. Die benötigten
Informationen müssen bei Bedarf für die Anwender übersichtlich aufbereitet
zur Verfügung gestellt werden. Statische Trefferlisten sind dabei wenig hilf-
reich. Zielführender ist es, Suchergebnisse mittels festgelegter Suchalgorith-
men in Registerkarten aufzugliedern und innerhalb der Registerkarte nach
entsprechender Relevanz zu ordnen, um dabei eine persönliche Sicht auf die
Informationen zu erhalten.
Datenberge erfolgreich bezwingen 43
1.3. Finden statt suchen
Die Heterogenität der Datenquellen zwingt zur permanenten Suche nach In-
formationen. Viele Suchabfragen basieren auf Kundenkontakten: Je kompe-
tenter ein Mitarbeiter dem Kunden gegenüber auftritt, umso professioneller
erscheint das Unternehmen in der Außenwirkung. Dieser wichtige Aspekt soll-
te bei Mitarbeiterschulungen nicht vernachlässigt werden. Die steigende Mobi-
lität der Mitarbeiter fordert darüber hinaus einen permanenten und dynami-
schen Zugang zu punktgenauen Informationen. Die typischen sogenannten „9
to 5“-Jobs gehören in erfolgreichen Unternehmen längst der Vergangenheit
an. Arbeiten werden verstärkt außerhalb der Unternehmen, oft auch unab-
hängig von Zeit und Ort, erledigt. Hier gilt es, geeignete Lösungen zu instal-
lieren, die einen Zugriff auf die Unternehmensdaten unter Berücksichtigung
der herrschenden Compliance-Richtlinien ermöglichen. Der Zugriff alleine
reicht jedoch nicht aus. Denn sich auf einem Smartphone durch unzählige Do-
kumente zu klicken, ist kaum machbar und schon gar nicht effizient oder ziel-
führend. Intelligente mobile Enterprise-Search-Lösungen tragen wesentlich zu
einer professionellen und effizienteren Arbeitsweise bei. Sie ermöglichen eine
konsolidierte Darstellung der benötigten Informationen, egal ob im Unter-
nehmen oder in der Cloud, egal ob strukturiert in Fachanwendungen oder un-
strukturiert in Dokumenten-Ablagen oder Videos. Professionelle Suchlösungen
liefern auch unter Zeitdruck präzise die gewünschten Ergebnisse für einen
perfekten Unternehmensauftritt.
2. Best Practice
Die Wirtschaftskammern in Österreich sind Interessenvertretungen der Wirt-
schaftstreibenden mit mehr als 400.000 Mitgliedsbetrieben. Als moderne
Dienstleister bieten sie eine schnelle und kompetente Beratung, vom Arbeits-
recht bis zur Zollauskunft (Wirtschaftskammer Portal). Die Wirtschaftskammer
Oberösterreich (WKOÖ) gilt unter den österreichischen Kammern als Vorrei-
ter, wenn es um den Einsatz von innovativen Softwareentwicklungen geht. Sie
zählt mit rund 82.000 (Wirtschaftskammer Statistik) Mitgliedern neben Wien
und Niederösterreich zu den größten Kammern in Österreich. Die Informati-
onsvermittlung durch das hauseigene Call-Center (TeleInfoCenter) ist ein we-
sentlicher Bestandteil der täglichen Arbeit der WKOÖ. Sämtliche Anfragen aus
dem juristischen, technischen und betriebswirtschaftlichen Bereich werden
hier auf Basis eines vordefinierten Serviceanfragen-Katalogs von den Mitarbei-
tern eigenständig beantwortet. Darüber hinaus erfolgt die vollständige Doku-
mentation der Geschäftsvorgänge und Leistungserfassung unmittelbar nach
der Leistungserbringung unter Verwendung der entsprechenden Service-
Center-Software-Applikationen sowie ein qualifiziertes Vermittlungsmanage-
44 Daniel Fallmann, Gerald Martinetz
ment (Entgegennahme und Weiterleitung eingehender Anrufe) zu anderen
Organisationseinheiten der WKOÖ bzw. zu externen Stellen. Damit die Mitar-
beiter im TeleInfoCenter die Anfragen sofort erledigen können, müssen benö-
tigte Informationen rasch und übersichtlich zur Verfügung stehen und bei Be-
darf auch bearbeitet oder weitergeleitet werden können.
Neben dem Fokus einen hervorragenden Kundenservice zu bieten, ist es der
WKOÖ auch ein Anliegen, den Mitarbeitern die tägliche Arbeit zu erleichtern.
Besonders Anfragen zu komplexen Themen konnten oft erst nach aufwendi-
gen Recherchetätigkeiten beantwortet werden. Um ihre Ansprüche erfüllen zu
können, begab sich die WKOÖ auf die Suche nach einer geeigneten Software-
lösung. Die Wahl fiel auf eine Enterprise-Search-Lösung eines österreichischen
Anbieters, dessen Softwareprodukte in anderen Bereichen der Wirtschafts-
kammer bereits im Einsatz sind. Nach einer Abstimmungsphase erfolgte die
Umsetzung von der hauseigenen IT-Abteilung in Zusammenarbeit mit dem
Hersteller-Team. Dazu wurden rund 25 Millionen Objekte aus unterschiedli-
chen Datenquellen z.B. Microsoft Exchange Server, Dateifreigaben oder DMS-
Systeme indexiert. Nach umfangreichen Tests der unterschiedlichen Anwen-
dergruppen erfolgte die Produktivsetzung für die rund 630 Mitarbeiter im Te-
leInfoCenter. Die neue Suche basiert auf dynamischen Suchabfragen sowie
semantischen Analysen und Methoden, die über alle eingebundenen Quellen
durchgeführt werden. Der Anwender erhält mit nur einer Abfrage einen kon-
solidierten Blick auf existierende Informationen und deren bestehende Zu-
sammenhänge. Große Erleichterung bei der Bearbeitung von Daten bringt
auch die Funktionalität der sogenannten „Actionable Information“. Die Treffer-
liste ist lebendig, und jeder Treffer mit Aktionen hinterlegt. Die Mitarbeiter des
TeleInfoCenter können jeden Treffer sofort weiterverwenden, z.B. Dokumente
als E-Mail-Anhang versenden, Inhalte zu einem PDF konvertieren, Dokumente
öffnen und bearbeiten, ohne dafür in die benötigten Programme wechseln zu
müssen. Mit Einführung der Anwendung hat die WKOÖ gezeigt, wie professio-
nelles Kundenservice auf Basis moderner Wissensmanagement-Werkzeuge er-
folgreich funktioniert.
3. Fazit
Wissensmanagement in der ursprünglichen Form, also die strukturierte Ablage
von Daten, ist heute nicht mehr zeitgemäß. In Zeiten von „Information Over-
load“ und „Big Data“ werden etwa 80 Prozent der Informationen unstruktu-
riert in heterogenen Datenquellen abgelegt: Das ist ein Szenario, welches
beim traditionellen Wissensmanagement-Ansatz zu wenig beachtet wurde.
Damit Unternehmen dennoch effizient bleiben, lohnt sich der Einsatz von in-
telligenten Suchlösungen. Diese strukturieren Daten und stellen Informatio-
Datenberge erfolgreich bezwingen 45
nen im gewünschten Zusammenhang für Entscheidungen zur Verfügung. Se-
mantische Suchabfragen und Taxonomien bilden dabei die Basis. Damit kön-
nen Unternehmen vorhandene Datenberge bezwingen und auf einer fundier-
ten Informationsbasis rasch und effizient Entscheidungen treffen.
4. Literatur
Tim Bendzko: Album: Wenn Worte meine Sprache wären, 2011.
Cisco: Website Cisco. In:
http://www.cisco.com/en/US/netsol/ns1175/networking_solutions_sub_soluti
on.html (1.10.2012) Ein Zettabyte sind 10
21
Bytes (1 Trilliarde Bytes).
Arnold IT: Arnoldit-Blog. In: http://arnoldit.com/wordpress/2012/03/13/the-
risks-of-an-e-hoarder/ (12.10.2012).
Salesforce: Website Salesforce.com. In:
http://www.salesforce.com/de/company/news-press/press-
releases/2010/11/101101.jsp (12.10.2012).
Wirtschaftskammer Portal: Website Wirtschaftskammer. In:
http://portal.wko.at/wk/wirueberuns.wk?ftyp=4 (12.10.2012).
Wirtschaftskammer Statisktik: Website Wirtschaftskammer. In:
http://wko.at/statistik/jahrbuch/mg-km.pdf (12.10.2012).
Gelebte Wissenskommunikation
Michael Fegerl, Wilfried Wieden
The Knowledge Company, Universität Salzburg
studio.salzburg@fegerl.info
wilfried.wieden@sbg.ac.at
1. Einleitung
In diesem Artikel soll ein Thema angesprochen werden, das innerhalb der
Wissensmanagement Community einen festen Stellenwert hat: Wissenskom-
munikation. Aus dem betrieblichen Umfeld, aber z.B. auch aus dem Bildungs-
bereich, ist bekannt, dass Wissenskommunikation oftmals nicht wunschgemäß
funktioniert und u.U. gravierende negative Konsequenzen mit sich bringen
kann. Forschungs- und Entwicklungsbedarf ist somit hinreichend gegeben.
Die Autoren wollen mit diesem Beitrag versuchen, explizit zu machen, wieso
im Speziellen betriebliche Wissenskommunikation keine einfache Aufgabe ist
und wieso dazu besondere Kompetenzen, unterstützende Verfahren und
Werkzeuge notwendig sind. Anhand konkreter Erfahrungen bei der voestalpi-
ne Stahl Donawitz GmbH & Co KG soll schließlich demonstriert werden, dass
bei entsprechendem Einsatz der angeführten Ressourcen eine wesentliche
Verbesserung der Ergebnisse erzielt werden kann.
2. Versuch einer Problemanalyse
Es gibt verschiedene Gründe, wieso die Kommunikation von Fachwissen nicht
wunschgemäß funktioniert. Die Ergebnisse bleiben oftmals hinter den Erwar-
tungen zurück,
a) weil angenommen wird, dass die Aufgabe alleine mit technischen
Hilfsmitteln bewältigt werden kann, z.B. wenn die erfolgreiche Über-
sendung eines Dokuments als erfolgte Wissenskommunikation gesehen
wird, und außer Acht gelassen wird, dass der Empfänger die Inhalte
u.U. nicht ausreichend versteht.
48 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
b) weil erst gar nicht erkannt wird, dass ein Wissenskommunikationsprob-
lem vorliegt, z.B. weil Kommunikationspartner aus anderen Bereichen
die gleichen, vertrauten Bezeichnungen verwenden – und nicht nach-
gefragt wird.
c) weil Fachwissen genau genommen gar nicht von einer Person zu einer
anderen transferiert, sondern bestensfalls nur aus kodierten Zeichen
rekonstruiert werden kann (der Rezipient muss sich ein bestimmtes
Wissen erst aus einem Dokument, aus einer mündlichen Interaktion,...
erschließen).
d) weil das verfügbare Wissen nicht die für einen Transfer ausreichende
Qualität aufweist (z.B. haben Personen mit umfassendem Erfahrungs-
wissen auch trotz guter Absicht oftmals notorische Probleme, dieses
Wissen anderen Personen zugänglich zu machen).
e) weil der produzierende Kommunikationspartner mit den Kriterien für
eine erfolgreiche Wissenskommunikation nicht vertraut ist (z.B. das
Vorwissen, die Vertrautheit mit sprachlichen Registern, die Interes-
sen,... des Rezipienten nicht ausreichend in der Kodierung berücksich-
tigt).
Die Probleme sind demnach vielschichtig und werden offensichtlich durch De-
fizite in Kompetenzen der Sprachverwendung ebenso wie der Wissensaufbe-
reitung oder der Kommunikation verursacht.
3. Methodischer Zugang
Anders als in der Grundlagenforschung, wo typischerweise einer einzigen, klar
definierten Forschungsfrage nachgegangen wird, verlangen die im Rahmen
von praktischen Anwendungen festgestellten und meist komplexen Probleme
differenziertere methodische Lösungsansätze. Diese Komplexität ist bei den
angesprochenen Aufgabenstellungen der Wissenskommunikation ohne Zweifel
gegeben.
Um die anstehenden Probleme, wie sie im Bereich der Wissenskommunikation
beobachtet wurden, zu entschärfen, haben die Autoren im Verbund mit ande-
ren Partnern einen Weg gewählt, dessen Kernstück eine Methode der Wis-
sensaufbereitung darstellt. Diese Methode kann mit maschineller Unterstüt-
zung, d.i. mit einem Software Werkzeug, unterstützt und konsequent umge-
setzt werden. Für die Entwicklung von Methode und Werkzeug wurden Anlei-
hen aus verschiedenen Grundlagendisziplinen getätigt, im engeren Sinn
a) aus dem Bereich der Informatik Grundlagen der Wissensrepräsentation
(insbesondere das Modell der conceptual graphs von Sowa 2000),
Gelebte Wissenskommunikation 49
b) aus dem Bereich der Semantik der kognitive Zweig (insbesondere der
onomasiologische Zugang, z.B. Schwarz & Chur 2007),
c) aus dem Bereich der Linguistik vor allem die Zweige Psycho-, Sozio-
und Diskurslinguistik (inbesondere speech act theory, z.B. Searle 1969,
woraus sich Dokumentsorten gut ableiten lassen).
Bei Bedarf wurden zusätzlich Erkenntnisse aus ebenfalls anwendungsorientier-
ten Quellen, die sich mit Wissenskommunikation beschäftigen, herangezogen
(s. Literaturliste). Allen gemeinsam ist das Anliegen, explizit zu machen,
wieso Fachwissen nicht einfach zu transferieren ist, und für Anwender oftmals
anhand von bereits gemachten Erfahrungen Möglichkeiten darzustellen, wie
anfallende Probleme der Wissenskommunikation bestmöglich bewältigt wer-
den können.
4. Modell
Die Verfasser sind bei der Entwicklung geeigneter Verfahren von folgenden
Annahmen ausgegangen: Die Erfolgsaussichten für die Kommunikation von
Fachwissen können verbessert werden,
a) wenn das zu kommunizierende Wissen konzeptualisiert wird (weil kon-
textuelle Details aus episodischem Wissen für den Rezipienten schwer
rekonstruierbar sind).
b) wenn einzelne Konzepte in eine Konzeptstruktur eingebettet werden
(weil strukturelle Einbettung definitorische Funktion hat und weil der
Rezipient damit auch Andockmöglichkeiten für sein bestehendes Wis-
sen erhält).
c) wenn die über Strukturgrenzen hinweg bestehenden Beziehungen auch
explizit in Form von assoziativen Relationen ausgewiesen werden (weil
damit ein semantisches Netz entsteht, in dem Kommunikationspartner
aus ihrer bevorzugten Perspektive heraus Wissenszusammenhänge er-
kennen können).
d) wenn Konzeptbezeichnungen auch ohne Vorliegen eines Terms vorge-
nommen werden (weil erst dadurch jedes Konzept eine Zugriffsadresse
bekommt, und weil dadurch auch eine Adressierung in verschiedenen
Sprachen möglich wird).
e) wenn Kommentare, Erläuterungen,... nicht nur zu einzelnen Konzep-
ten, sondern auch zu Beziehungen zwischen Konzepten angefügt wer-
den (weil dadurch auch die sonst schwer fassbaren Wissenstypen, wie
z.B. implizites Erfahrungswissen, explizit gemacht werden können).
50 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
f) wenn angefügte Dokumente nach funktionellen Kriterien in Doku-
mentsorten untergliedert werden (weil sich damit viele Möglichkeiten
der maschinellen Unterstützung eröffnen bzw. die Nutzerfreundlichkeit
von Dokumenten wesentlich erhöht werden kann).
5. Produktentwicklung
Auf der Basis dieser Annahmen wurde in einem Entwicklerteam, dem auch die
beiden Autoren angehörten, ein prototypisches Verfahren und dazu ein unter-
stützendes Werkzeug hergestellt, die nach einer Testphase Produktstatus und
breite Anwendung erlangt haben.
5.1. Das Verfahren Knowledge Refinement
Das Verfahrensprodukt besteht in seiner einfachsten Variante aus 4 Arbeits-
schritten:
1. Herstellung von generellen Konzeptkategorien (Hierarchieköpfen).
2. Untergliederung der Hierarchieköpfe (u.U. nach verschiedenen Krite-
rien wie Größe, Funktion, Anwendung, Bestandteile, ...).
3. Assoziative Vernetzung untergliederter Konzepte über die Hierarchie-
grenzen hinweg.
4. Systematische Bezeichnung aller Konzepte in systematischer Form,
u.U. in verschiedenen Sprachen, Anbindung von Dokumenten, Erläute-
rungen,... zu einzelnen Konzepten bzw. Zusammenhängen zwischen
Konzepten.
5.2. Das Werkzeug syneris designer
Zu den wesentlichen Anliegen bei der Werkzeugentwicklung gehörte u.a.,
• den Wissensmanager durch ein eigenes Softwaremodul (Syneris De-
signer
1
) bei der Erfassung von organisationalem Wissen so zu leiten,
dass das Produkt (Wissenslandkarte) in sich konsistent ist und alle
Wissenselemente explizit ausgewiesen und systemisch eingebettet sind
(semantisches Netz).
• Andockmöglichkeiten für Bezeichnungen (auch mehrsprachige Termi-
nologie), ergänzende Erläuterungen, multimediale Dokumente,... an-
zubieten, damit auch fachspezifisches Wissen für verschiedene Ziel-
1
Sh. http://www.technodat.at/loesungen_wissensmanagement_synerisWIKI.html
Gelebte Wissenskommunikation 51
gruppen zugänglich gemacht und für verschiedene Intentionen, wie
z.B. Innovationsmanagement, Dokumentenmanagement, Projektma-
nagement,... herangezogen werden kann.
• dem Nutzer durch ein passendes, interaktives und internetfähiges
Softwaremodul die Suche nach Inhalten sowohl stichwortbasiert als
auch durch Navigation in einer Wissenslandkarte zu ermöglichen, aber
auch durch eigene Beiträge zur Anreicherung des organisationalen
Wissens beitragen zu können.
• verschiedene Visualisierungshilfen anzubieten, die die Orientierung in
einem mehrdimensionalen Wissensraum erleichtern bzw. auch spezielle
Suchergebnisse auszugeben, wie z.B. ein mehrsprachiges Glossar zu
einem beliebigen Themenbereich.
6. Anwendung
Methoden und Werkzeugentwicklung erfolgten in enger Zusammenarbeit mit
der voestalpine Stahl Donawitz, natürlich mit der Zielsetzung, die in der Ana-
lyse erkannten Schwachstellen in der betrieblichen Wissenskommunikation zu
beseitigen, und die vorhandenen Stärken bestmöglich weiterhin zu nutzen.
Die Aufgabenstellung in der voestalpine Stahl Donawitz läßt sich beschreiben
mit:
• Das Erfahrungswissen und relevante Informationen sollen den Mitar-
beitern im Unternehmen in aktueller Form zur Verfügung stehen.
• Mitarbeiter sollen bei Bedarf raschen Zugriff auf dieses gesicherte Un-
ternehmenswissen erhalten.
Da Wissen nicht einfach da ist, wenn es digitalisiert wird, ist auch klar, dass
das Hauptaugenmerk einer Lösung sich der Wissenskommunikation widmen
muss. Pragmatisch gesehen geht es ganz einfach um Antworten auf die W-
Fragen: Was? Für wen? Mit wem? Womit? Wofür?, durch die die Wissensver-
mittlung zwischen Menschen verbessert wird. Dafür wäre die Bezeichnung
„Verstehensmanagement“ wohl besser geeignet als „Wissensmanagement“.
Daher ist insbesonders Augenmerk zu legen auf die ziel- und zweckadäquate
Aufbereitung der Wissensinhalte, wie z.B. unter Berücksichtigung des Vorwis-
sens der Adressaten, das man voraussetzen kann, oder der Entscheidung des
zweckmäßigen Grades an Strukturierung oder Erläuterungsumfang. Ebenso
bedeutsam ist es, Klarheit zu haben über die Absicht der Kommunikation von
Wissen – soll ein Auftrag erteilt, der Adressat überzeugt oder geschult wer-
den? All diese Faktoren beeinflussen die Entscheidung über Struktur, Layout
und inhaltliche Gestaltung eines ziel- und zweckadequaten Dokumentes.
52 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
In der Anwendung im Industriebetrieb wurden die Methoden vor allem auf 2
Ebenenen zum Einsatz gebracht:
• Um abstraktes Wissen aufzubereiten und sichtbar zu machen.
• Um aufbereitetes Wissen zur Verfügung zu stellen.
6.1. Abstraktes Wissen aufbereiten
Eine wirkungsvolle Maßnahme zielt auf die Sicherung und den Transfer von
Erfahrungswissen. Die Methodik findet vor allem mit den Elementen Experten-
runden (vertikal) und Erfahrungsaustausch (horizontal) ihren Einsatz und
wurde im Pilotbereich Hochofenbetrieb mit den operativen Führungskräften
gemeinsam entwickelt. Außerdem wurde eine Wissensweitergabe vom Senior
an den Junior (drittes Element) etabliert.
Seit 2002 werden Expertenrunden (ER) durchgeführt. ER sind besondere Be-
sprechungen mit einer Dauer von 1–3 Stunden, bei denen Mitarbeiter
(=Experten) aus allen vier Schichten, unterschiedlichen Führungsebenen und
Fachbereichen zusammenkommen, um konkrete Probleme zu analysieren so-
wie den gemeinsamen Stand der Erfahrungen zu definieren – mit dem Ziel,
den besten Lösungsweg miteinander zu entwickeln und umzusetzen. Bis zur
Problemlösung sind normalerweise nicht mehr als drei Folgetermine nötig. Aus
einem „Ideenpool", in den sich alle im Betrieb einbringen können, werden im
Führungsteam, bestehend aus Betriebsleiter, operativen Führungskräften und
Fachexperten, Prioritäten gesetzt und danach die ER definiert. Die Ergebnisse
der Expertenrunden werden dokumentiert und stehen anderen Mitarbeitern
wieder zur Verfügung. Die Einführung der Maßnahme haben die Führungskräf-
te selber übernommen und wenden diese aufgrund des Erfolgs regelmäßig an.
Darauf aufbauend wurde 2004 das Prinzip des Erfahrungsaustausches von
Facharbeitern – als horizontaler Wissensaustausch – eingeführt: Ein Mitarbei-
ter des Betriebes darf mit einem Mitarbeiter eines anderen Betriebes des Kon-
zerns mit ähnlicher Aufgabenstellung für eine Woche gemeinsam an einer
Aufgabenstellung arbeiten; danach kommt es zum Wechsel des Arbeitsplat-
zes. Abschließend erarbeiten beide gemeinsam ein Wissensdokument der gu-
ten Praxis und stellen ihre Ergebnisse den eigenen Arbeitskollegen und Füh-
rungskräften vor.
Der Nutzen der Expertenrunden und des Erfahrungsaustausches ist für die Be-
teiligten unmittelbar sichtbar - durch die umgesetzten Lösungen für die alltäg-
lichen Probleme und durch eine offenere Kommunikation. Zum Teil werden
identifizierte oder erarbeitete Themen zusätzlich im betrieblichen Verbesse-
rungswesen bewertet und honoriert.
Gelebte Wissenskommunikation 53
Die Wissensweitergabe von Experten an Nachfolger oder Stellvertreter – als
drittes Element – ist eine äußerst sensible und komplexe Aufgabe, da es dem
Experten nur selten möglich ist, seine langjährigen Erfahrungen und sog. „Ez-
zes“ (Ratschläge, Tipps) strukturiert und gut verständlich wiederzugeben und
persönliche Sympathie eine große Rolle für die Lernbereitschaft spielt.
So ist die fallweise Begleitung der Personen durch interne Mitarbeiter, z.B. ei-
ne Führungskraft, auf der Basis strukturierter Fragen darauf bedacht, einer-
seits langjährige Erfahrung wertzuschätzen und andererseits neue Impulse im
Gespräch miteinander zuzulassen, um ein vertrauensvolles Miteinander zu
entwickeln und einen für beide Seiten erkenntnisbringenden Übergabeprozess
zu führen. Ein Leitfaden liefert bei dieser Aufgabe für beide Wissensträger Un-
terstützung. Eine bedeutende Rolle spielt hier die Wissenslandkarte als Orien-
tierungssystem, um zu erkennen, wo, wann und wofür dieses Wissen im Un-
ternehmen bedeutsam ist. Erfahrungen aufzubereiten, Wissen zu entwickeln
und zu dokumentieren, ist gleichzeitig ein wichtiges Ergebnis des Lernprozes-
ses für den „Senior“ wie auch für den „Junior“.
6.2. Aufbereitetes Wissen zu Verfügung stellen
Wissensdokumentation
Dokumentation ist ein bedeutsamer Schritt, um Wissen in modernen Organi-
sationen zu verteilen, während gleichzeitig die Anzahl der miteinander arbei-
tenden Menschen schrumpft. Asynchronität sowohl in zeitlicher als auch örtli-
cher Hinsicht (Schichtarbeit, globale Organisationen) erfordert klare Regeln,
wie Wissen, nicht bloß Information, ausgetauscht und zu Verfügung stehen
soll – auch wenn die Experten gerade nicht zu Verfügung stehen.
Wissensdokumente sind daher besondere Dokumente, in denen nicht nur er-
gonomische Kriterien für die Schreiber als auch für die Leser enthalten sind.
Mit den Wissensdokumenten wird auch der methodische Ansatz Knowledge
Refinement (KR) eingefordert, der es dem Unternehmen ermöglicht, die Kom-
petenz der Problemerkennung und -lösung als organisationale Lernform zu
entwickeln und in erforderlichem Umfang zu standardisieren. In der Folge wird
durch eine gute Dokumentation von Erfahrungswissen eine merklich bessere
Qualität in der Weitergabe von Wissen erreicht, als in der sonst üblichen meist
technisch dominierten Informationsvermittlung.
Wissenslandkarte
Um nun Unternehmenswissen auch einfach zugänglich zu machen, führt der
Weg konsequenterweise zu einer Wissenslandkarte, in der methodisch sauber
die relevanten Wissensthemen des Unternehmens zu einem Kategoriensystem
54 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
geordnet und miteinander in Beziehung gebracht werden. Wesentliche Schrit-
te zur Wissenslandkarte sind durch die Methode KR standardisiert und in dem
Modellierungswerkzeug syneris integriert:
• Die wichtigsten Wissensthemen des Unternehmens werden konzeptua-
lisiert, kategorisiert, eindeutig benannt und in der WLK dargestellt –
die Wissensstrukturen werden für alle Mitarbeiter sichtbar!
• Nebenprodukt davon ist ein Unternehmensglossar, das die unzähligen
gleichen und ähnlichen Fachworte oder Abkürzungen und deren mögli-
che Bedeutungen darstellt.
• Durch das Kategoriensystem sind die vielfältigen Vernetzungen von
Wissensthemen, wie sie für technologieintensive Unternehmen typisch
sind, klar und verständlich darstellbar.
• Die WLK dient für die Dokumentation mittlerweile als Ankersystem, das
die Bestichwortung ersetzt, sowie für die Suche als strukturierte Mög-
lichkeit zur Einschränkung von Ergebnissen.
• Die WLK fungiert als zentrales Orientierungssystem im Unternehmen,
indem zum einen die Struktur für verschiedenste Applikationen bereit-
gestellt wird, und zum anderen damit auch die semantisch geprüfte
Verknüpfung zu anderen Datenhaltungsystemen erleichtert wird.
Die organisatorische Umsetzung erfolgt durch die „Themenverantwortlichen“
in den Unternehmensbereichen, wobei sich die Themenbereiche üblicherweise
den bekannten Strukturen der Organisation oder Prozesstrukturen anlehnen
und mithin ausreichend bekannt sind. Der besondere Vorteil bei der Verwen-
dung des semantischen Netzes als WLK ist sicherlich, dass die definierten
Verbindungen deutlich mehr Klarheit über den Sinn und Zweck eines Zusam-
menhanges bringen, als die üblichen Baum- und mindmap-Strukturen:
Schnittstellen werden damit eindeutiger und klarer.
Im Zusammenspiel der Themenbereiche, unter Verwendung der gemeinsa-
men WLK entsteht die Grundlage für das Unternehmenslexikon, die Wissens-
basis. Somit wird die Kommunikation zwischen den Abteilungen erleichtert
(man kann ja die wesentlichen Wissensthemen nachschlagen) und der Zugang
zum Expertenwissen abteilungsübergreifend wesentlich vereinfacht. Diese
Vorgehensweise wird natürlich durch ein klares Berechtigungskonzept so un-
terstützt, dass die Datensicherheit gegeben ist, Mitarbeiter kontrolliert Wissen
weitergeben und nachschlagen können – und nicht in der Informationsflut un-
tergehen.
Gelebte Wissenskommunikation 55
Suchportal
Die Aufgabenstellung zur Gestaltung des Suchportals war es, die Vielfalt der
Suchmöglichkeiten zu reduzieren, um mit 3 Schritten zum richtigen Ergebnis
zu kommen, egal wo im Unternehmensnetz die Information abgespeichert
wurde und egal von wo aus der Mitarbeiter die Suche startet.
Auch hier dient die WLK der Orientierung und zum Einschränken der Treffer-
menge. Doch anders als bei der gewohnten Internetsuche ist es im Unter-
nehmen möglich, die Suchkategorien – unsere WLK – selbst zu definieren,
sowie nicht nur eine punktuelle Suche, sondern auch die Suche nach Wissens-
zusammenhängen zu nutzen. Und gerade die Nutzung des Beziehungswissens
ist es, die dem Unternehmen Vorteile verschafft.
In der aktuellsten Umsetzungsphase wird die WLK auch als web-basiertes in-
teraktives Wissensportal genutzt, in dem die Mitarbeiter von jedem PC im Un-
ternehmen aus Wissen abfragen können, aber auch angebotene Informatio-
nen kommentieren und ergänzen können, ähnlich einer community, die wie-
derum durch die Struktur der Wissenslandkarte geführt ist. Das Ziel, das da-
mit verfolgt wird, ist es, eine einfache aber einheitliche Plattform zu nutzen,
um die zeitlich asynchrone Wissensweitergabe zu fördern, sei es durch neue
Erfahrungen zu aufbereitetem Wissen, sei es für Ideen, Vorschläge oder auch
um sich Impulse für innovative Ansätze zu holen. Natürlich dienen diese
Werkzeuge der technischen Wissenskommunikation der Unterstützung für die
eigentliche, noch immer direkt zwischen Menschen laufenden Expertengesprä-
che, Dialoge oder andere Diskussionsformen.
7. Ergebnisse (Erfahrungen)
Ausgehend von einem Pilotbereich, in dem Methoden und Werkzeuge entwi-
ckelt wurden, sind mittlerweile die beiden Ebenen der Wissenskommunikation
im Unternehmen verbreitet. Die Aufbereitung von Erfahrungswissen gehört
mittlerweile zum Selbstverständnis der Mitarbeiter, die die Zusammenarbeit
über Abteilungsgrenzen deutlich verbessern konnte, wie z.B. durch abge-
stimmte Erfahrungsberichte zwischen Betrieb und Instandhaltung oder die
Zusammenarbeit zwischen Betrieben und produktionsnaher Forschung & Ent-
wicklung, die für das gemeinsam aufgebaute Unternehmenslexikon wertvolles
Wissen in hoher Qualität liefert.
Die Verwendung der Wissensdokumente war zu Beginn etwas schwierig, zu-
mal es die Mitarbeiter nicht gewohnt waren, mit einem Dokumentenmanage-
mentsystem statt lediglich mit den Standardprogrammen wie Word, Excel,
Powerpoint zu arbeiten. Inzwischen schätzen sie es sehr, dass ihnen Eingabe-
hilfen und vorbereitete Strukturen den Schritt der Aufbereitung ihrer Erfah-
56 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
rungen erleichtern. Besonders wertvoll erscheint den Mitarbeitern, dass sie
nun Dokumente wiederfinden und dass es klare Regeln für die Dokumentation
gibt. Die anfängliche Skepsis betreffend möglichen Missbrauchs in einem zent-
ralen Ablagesystem für unternehmensrelevantes Wissen ist dem Vertrauen in
das durchgängige Berechtigungskonzept mit definierten Rollen gewichen. Es
hat sich bewährt.
Der schwierigste Teil bei der Umsetzung liegt wohl in der Gratwanderung der
Führung, dass zwar Wissen zu teilen nicht befehlsartig vorgeschrieben werden
kann, allerdings verständliche Standardvorgehensweisen von allen verbindlich
eingefordert werden müssen, um eine gut funktionerende Wissenskommuni-
kation im Unternehmen zu sichern. Schwierig ist auch die kontrollierte Ver-
knüpfung oder Integration mit anderen existierenden Insel- wie Systemlösun-
gen, wobei auch hier die semantische Struktur der Wissenslandkarte gute
Dienste leisten kann, um die richtigen Daten richtig zu verknüpfen – oder
auch nicht.
In der Folge empfiehlt es sich, die Methoden des knowledge refinement in das
betriebliche Weiterbildungssystem einzuflechten, um in Zukunft die gemein-
samen Denkstrukturen möglichst von Beginn der Zugehörigkeit im Unterneh-
men an als gemeinsamen Standard zur Steigerung der Problemlösungskom-
petenz der Mitarbeiter voll nutzen zu können.
8. Schlussfolgerungen
Aus den gemachten Erfahrungen ist zu schließen, dass die o.a. Verfahren der
Wissensaufbereitung und des Dokumentenmanagements zwar wichtige Vo-
raussetzungen für eine funktionierende Wissenskommunikation sind, dass sie
aber nicht als einfaches Rezept ohne Berücksichtung des Anwendungskon-
texts umgesetzt werden sollten.
Auf der „HABEN-Seite“ steht zweifellos das hohe Wertschöpfungspotenzial,
das über die Kommunikation von verständlichem Wissen erzielt werden kann.
Dem steht auf der „SOLL-Seite“ ein Problem- bzw. Aufgabenpotenzial gegen-
über, das nicht unbeachtet bleiben sollte, z.B.
• dass technikverliebtes DMS zu Ablehnung bei den Anwendern führen
kann.
• dass technische Lösungen nicht immer persönliche Kommunikation er-
setzen können.
• dass Teambildung und organisationales Denken/Handeln schwierig
werden können, wenn IT-Werkzeuge zum Statussymbol für bestimmte
Personen/Verantwortungsbereiche werden.
Gelebte Wissenskommunikation 57
• dass hohe Motivation auch zu Ablehnung kippen kann, wenn die Füh-
rung nicht von allen entsprechende Standards einfordert.
• dass es auch für die IT-Verantwortlichen klare, organisationsdienliche
Vorgaben geben soll.
• dass für eine dezentrale Koordination der Wissensarbeit gesorgt wird,
z.B. in Form von office managers oder Themenverantwortlichen, damit
durch Wissenskommunikation auch organisationales Wissen entsteht.
• dass kompetente Coaches/Betreuer zur Verfügung stehen, weil es Mit-
arbeiter gibt, die nicht schreiben wollen oder können.
9. Literatur
Apeltauer, E. (2002): Interkulturelle Kommunikation. Tübingen: Narr.
Auinger, A. & Stary, C. (2005): Didaktikgeleiteter Wissenstransfer: Interakti-
ve Informationsräume für Lern-Gemeinschaften im Web. Wiesbaden: Deut-
scher Universitätsverlag.
Bauer, T. (2011): Wissenskommunikation braucht Kommunikationswissen. In:
http://www.km-
a.net/forschung/Documents/Wissenskommunikation%20Agenda%202011.pdf
(2012-08-08)
Göpferich, S. (2002): Textproduktion im Zeitalter der Globalisierung: Entwick-
lung einer Didaktik des Wissenstransfers. Tübingen: Stauffenburg.
Howlett, R. (Hrsg. 2011): Innovation through knowledge transfer 2010:
Smart Innovation, Systems and Technologies 9. Berlin: Springer.
Katenkamp, O. (2011): Implizites Wissen in Organisationen: Konzepte, Me-
thoden und Ansätze im Wissensmanagement. Wiesbaden: VS Verlag für Sozi-
alwissenschaften.
Lenzner, A. (2009): Visuelle Wissenskommunikation: Effekte von Bildern beim
Lernen. Hamburg: Kovac.
North, K. (2002): Wissensorientierte Unternehmensführung. Wiesbaden: Gab-
ler.
Reinhardt, R./Eppler, M. (Hrsg. 2004): Wissenskommunikation in Organisatio-
nen: Methoden – Instrumente – Theorien. Heidelberg: Springer.
Schoeneborn, D. (2006): Wissenskommunikations-Management: Eine Studie
zur Neugestaltung des Wissensmanagements aus medien- und kommunikati-
onswissenschaftlicher Perspektive. Stuttgart: ibidem-Verlag.
Schwarz, M. & Chur, J. (2007): Semantik. Tübingen:G. Narr.
58 Michael Fegerl, Wilfried Wieden
Searle, J. (1969): Speech acts: An essay in the philosophy of language. Cam-
bridge: Cambridge University Press.
Sowa, J.(2000): Knowledge representation. Pacific Grove: Brooks/Cole.
Steinhauser, B. (2007): Communicating knowledge within a learning service
organisation. Masterarbeit, Universität Salzburg.
The HP way of implementing
Knowledge Management
Birgit Gobi
Hewlett-Packard
birgit.gobi@hp.com
1. Introduction
This article describes how HP defines knowledge management and started up
a knowledge management initiative in the consulting business. It goes back to
the HP cultural values (the so-called HP way), and describes the first steps,
components and success factors of a knowledge management program,
accompanied with tips for other organizations. This article is a compositon of
extracts of Birgit Gobis chapter written for the book “Cultures of knowledge”
authored by Dr. Madanmohan Rao.
2. The HP way – HP’s organizational culture
HP is the world’s largest provider of information technology infrastructure,
software, services, and solutions to individuals and organizations of all sizes.
HP is unmatched in the breadth of its portfolio and scale. The portfolio spans
servers, storage, networking, personal computing, imaging and printing,
software, services and solutions. HP is a $127 billion company with five major
lines of business in 170 countries. (www.hp.com 2012)
Right from the start, “The HP Way” has been HP’s corporate organizational
culture which represents the way of doing business. It is built on a strong
foundation of corporate objectives, enduring values and practices that
stretches back to HP’s roots - and reflects the basic, fundamental ideas about
how things are getting done. Every employee is supposed to represent “the
HP Way”. At its core, HP is a company that is guided by enduring values.
These shared values are a set of deeply held beliefs that govern and guide the
behavior in meeting the objectives and in dealing between employees, to cus-
tomers, shareholders and others. These are the HP shared values: “Passion
60 Birgit Gobi
for customer, Trust and respect for individuals, Achievement and contribution,
Results through teamwork, Speed and agility, Meaningful innovation, Uncom-
promising integrity” (www.hp.com 2012).
Some practical examples on how our HP culture is implemented locally are:
• Coffee corners for employees (in some countries, like Austria, even
breakfast for all employees in order to start the day with communicati-
on)
• Regular speeches, web casts or video casts of the HP Management (a
good example to support openness and transparency of “one HP”)
• Flexible working times
• A global Wellness Program (benefits and motivation for employees to
engage in sports courses and stress reduction programs).
• Open communication between managers and employees, which is defi-
ned in the HP’s Open Door Policy and supports an atmosphere of trust
and mutual respect.
The HP culture seems to represent a good foundation to implement collabora-
tion and knowledge management. “Trust and respect” and “openness” –
aren’t these one of the main drivers of knowledge management? Knowledge
management has the potential to also improve the cross-cultural interaction,
to encourage the spirit of cooperation and can empower the field by enabling
re-use, contribution and learning. External evaluations have confirmed this.
Several times throughout the past decade, HP has been listed among the
winners of the Global MAKE Study performed by Teleos (MAKE = Most
Admired Knowledge Enterprise). Also, HP was chosen as one of five best-
practice partners for the APQC study The Role of Evolving Technologies:
Accelerating Collaboration and Knowledge Transfer. In 2009, HP’s Business
Management System (BMS) for knowledge management (in the Technolgy
Consulting business, region Europe, Middle East & Africa) has been ISO
certified.
3. Information Management, Knowledge Manage-
ment and Collaboration at HP
In the late 90’s HP has started to strive after implementing worldwide tools to
support virtual collaboration between employees (and partners) in order to fa-
cilitate the work of virtual and international teams. Information Management
and Collaboration were the first steps into this direction. Information Man-
agement is characterized by highly structured information on the HP Intranet
and the HP employee portal, just like the HP phone book, organization charts
The HP way of implementing Knowledge Management 61
and internal online processes. This is a “one way” communication, as employ-
ees can pick up the content they need. Collaboration offers tools like the HP
Virtual Room for application sharing and learning, team sites, forums and
tools for chatting and desktop sharing. The environment for Information Man-
agement and Collaboration has always been offered to all employees globally
in the same way. A user centric design on the employee portal has provided
information in the way the user would be looking for it, rather than showing
an author centric/departmental view. The collaboration tools have helped em-
ployees to act more effectively in their daily work. A comprehensive
knowledge management approach enabling dynamic knowledge sharing be-
tween employees was seen as a higher discipline that needs strong alignment
with business needs. “People” and “Processes” have soon been defined as the
two main components of a knowledge management initiative, beside “Tools
and Technology”.
Where to start to implement knowledge management? The Services business
lines turned out to have the highest demand for a comprehensive knowledge
management approach – in Services, people are the main assets and HP sells
the people’s expertise to its external customers. This requires a systematic
management of skills, organizational learning and resource management. To
be more accurate: the consulting business of HP was defined as the line of
business with the highest need for a comprehensive and systematic
knowledge management approach (later followed by the IT Outsourcing and
Support business).
So, while Information Management and Collaboration has been provided to all
worldwide employees throughout all business units, knowledge management
programs have been developed for specific business units and tailored to their
needs. The overview of the HP 3-tier architecture shows the three layers In-
formation Management, Knowledge Management (here exemplified by the HP
Technology Consulting program) and Collaboration:
62 Birgit Gobi
Figure 1: 3-tier architecture of HP (source: HP and Microsoft)
While the content in the Information Management tier is very structured and
more static, the content in knowledge management is semi-structured (only
structured by pre-defined metadata) to allow dynamic knowledge sharing.
Collaboration has little pre-defined structure – it is quite “unstructured”, and
the application of specific tools and metadata is selected by the employees
themselves (no pre-defined metadata). Collaboration is more seen as service
offered to HP employees. Remote teams might need different tools - like vid-
eo conferencing, HP Virtual Rooms - than local teams do. Local teams might
just stay with team sites and chat functions for most of the time, and need an
HP Virtual room only from time to time for training purpose. Still, an “unstruc-
tured” Collaboration environment is not equal to an “uncontrolled” environ-
ment. An overall governance concept and an excellent communication and
training plan have to be available. Roll-out of all services required a lot of
training. At HP, the IT service catalog provide clear guideline and policy for
proper application of the collaboration services, including storage quota, types
and size of files, archiving policy, tips, training in wiki and video format,
community discussions, frequently asked questions, and more. HP wide global
Communities of Practice help people to network beyond geographical and or-
ganizational boundaries. The figure below shows the Collaboration services of-
fered to all HP employees globally:
The HP way of implementing Knowledge Management 63
Figure 2: HP Corporate Collaboration Infrastructure (source: HP)
On top of this Corporate Collaboration Infrastructure offered by IT, HP is
providing social media, like HP wide Wikipedia, blogging and social networking
capabilities to connect experts to experts and experts to content. A Social
Networking pilot has been rolled out globally for years. A recent development,
called “OneHP” provides pan-HP internal social collaboration (similar to an in-
ternal Facebook) and was co-developed by Marketing, Human Resources, IT
and Internal Communications. It re-uses experiences made with our pilot
software and easily integrates with HP’s existing platforms and applications.
OneHP is built to scale using the Microsoft 2010 suite, including SharePoint
functionality. It features a fully customized frontend.
3.1. Implementing Knowledge Management at HP
Let us now focus on the second layer architecture: Knowledge Management.
Knowledge management (how we understand it at HP) is tailored to the
business unit needs and requires attention to the organizational culture. At
HP, knowledge management has been understood as a “systematic approach
to help information and knowledge flow to the right people at the right time
so they can act more efficiently and effectively in their daily job.” As a
practitioner, I don’t want to focus too much on theoretical terms and
definitions, but I think what’s important is the “systematic” approach in the
definition. Many organizations I have worked with already have had some
existing examples and tools of knowledge management in place – team sites,
team breakfast or web casts for experience sharing, capturing of lessons
learned in projects, know-how transfer during hand-over conversations due to
job changes, etc. I think the difference between some examples of knowledge
64 Birgit Gobi
management and a comprehensive knowledge management program is the
systematic connection of the existing pieces, embedding it into the
organizational culture and processes, as well as involving all relevant
stakeholders. At HP stakeholders included leaders or representatives of the
business teams and key functions, like Marketing, IT, Internal
Communications, Human Resources, Quality Management, Project
Management Office. It is important to manage stakeholders and to
incorporate knowledge management into existing, proven and well accepted
business communication channels and business processes. This systematic
approach helps to foster the knowledge culture in the company by
encouraging, reinforcing and demonstrating the core knowledge management
values and objectives to the field and therefore to the customers, as well as to
the business management.
The structure of knowledge
Well, what did we implement at HP Technology Consulting? The knowledge
management layer of the triangle shows portfolio knowledge, project
knowledge and expert knowledge. At the start (in 2000), we focused on pro-
ject knowledge only. So called “Project Profiles” that represent the key infor-
mation of our projects, have been contributed and re-used by all consulting
employees (mainly project managers). Later on (and as result of end user
feedback), we also started capturing re-usable project documents, like pro-
posal documents (offers), project plans, risk management calculation plans,
etc. project managers are submitting Project Profiles based on a selection the
business teams did (to define core project know how, based on pre-defined
criteria); the knowledge management team reminds the project managers to
submit a Project Profile for every single eligible project. This was the time
were the integration of knowledge management into business processes
started. Knowledge management activities have been embedded into the
project lifecycle and later on into the project managers job profile and goals.
Since 2005, knowledge management policy and processes have been fully
embedded into process framework, including the project management hand-
book.
The project knowledge is still one of our most important items of our
knowledge management initiative for the consulting related business. It cap-
tures project know-how from the field, allows to find similar projects as well
as lessons learned and re-usable project documents. Regular statistics
demonstrate that around thirty percent of our know-how in our HP Technolo-
gy Consulting projects has been re-used.
As another step in our KM program, in 2001, we created a place where the HP
technical community could exchange expert knowledge. We called it
The HP way of implementing Knowledge Management 65
“Knowledge Briefs”. Knowledge Briefs (KB’s) are focused on technology and
technical information and can be seen as a commentary on developments in a
relevant technology space. They can be used to disseminate valuable
'knowledge snippets' that help to win new business or make projects more ef-
ficient. Knowledge Briefs should provide high-value knowledge transfer to the
HP technical community (of the enterprise and services business) – they can
describe new technology, workarounds or fixes, lessons learned, best practic-
es, examples of customer 'best-in-class' solutions or information on strategic
and technical directions taken by the Industry. The content of the Knowledge
Briefs portal (also based on SharePoint) is basically articles written by HP em-
ployees in a structured word template, including information about the author
and a picture. These articles are reviewed by other peers and for the new ver-
sion on SharePoint 2010, application of user rating and other social media
features are planned. As social media came up, it was considered to transform
Knowledge Briefs into a wiki based system. But the feedback from the user
was straight forward: they wanted to keep the structured word template, but
wanted us to simplify the process for peer reviews and overall submission
(what we finally all did).
After a while, we got user feedback that we need to provide more pre-
packaged know-how for our consultants. Sales, Pursuit (Bid Management) and
Delivery Kits were built on our core competences of the consulting and infra-
structure solutions we were (and still are) selling to our customers. Marketing
and Portfolio Managers (who would maybe be called product managers in oth-
er type of business) were collaborating to provide standardized content, such
as customer presentations and flyers, sales training, generic offers, delivery
methodology, in a consolidated and structured way and easy to re-use. The
portals serve a single point of access to all portfolio related material (by
browsing and searching). The owners who are supposed to provide the mate-
rial (like Marketing and Portfolio Managers) have this task defined as part of
their job role and also included in their annual goals. This is what we call
“portfolio knowledge” in our 3-layer architecture.
The knowledge management organization
At the start, a full time worldwide knowledge management team (consisting of
1-3 people at the beginning) was assigned, followed by Regional full time and
Country part time knowledge managemenet Leads (later called “Champions”).
On a regional level, a mixed model of a full time Knowledge Management
Lead and part time Country Knowledge Management Champions supporting
the roll-out on country level made sense for the below described reasons.
Other key stakeholders, like IT, Project Management Office, Quality
66 Birgit Gobi
Management, were involved. And last but not least: the workers council was
involved from beginning!
Figure 3: Example of a regional Knowledge Management team set-up (source: KMA
(Andreas Brandner), 2009)
Overall, a knowledge Management initiative needs defined roles and
responsibilites, involving business managers, a Knowledge Managemenet Lead
and possible local contact (Knowledge Management Champions at HP) and
individual contributors (all employees). Below you will find an example of
roles and responsibilites at HP:
Figure 4: Knowledge Management roles at HP Technology Consulting
Europe, Middle East & Africa (source: HP (Lorenzo Gonzales), 2012)
The HP way of implementing Knowledge Management 67
People, processes and tools
To avoid focussing on the technology part first, it helps to work on the three
main components of knowledge management:
- people who are the producers and consumers of knowledge,
- processes that guide the management of the knowledge and
- tools (technology) to facilitate access to knowledge assets.
At HP, we once even had one Project Lead for the component “People”, one
for “Process” and one for “Technology” in the worldwide Knowledge
management team. This helped to continuously keep the focus on all three of
the components:
Figure 5: Components of a Knowledge Management program (source: HP)
You can see some examples for each of the three components. Some of them
have really turned out as key success factors at HP, after now more than ten
years of program implementation, re-organization (and some mergers, like
Compaq and EDS) followed by refinement and re-implementation of the pro-
gram. Some significant success factors (under the “People” aspect) were the
assignment of knowledge managers, a strong communication and training
program, goals for employees (as part of the yearly employee goals) and an
award scheme.
The “Process” aspect means embedding knowledge management capture and
re-use processes into existing business processes, like project management.
Knowledge management is integrated into the online project management
handbook for templates and guidelines, as well as into time reporting pro-
cesses of our consultants. Knowledge management activities as part of project
68 Birgit Gobi
work are reported on these projects (this was an important step to increase
the awareness for the business). Key performance indicators (KPI’s) are im-
portant for knowledge management. Metrics and reports for the knowledge
management team, e.g. numbers of download rates and content contribution,
but also real business benefit especially for the management, e.g. an in-
creased bid win rate, revenues, references, saved time and costs in bids, even
if only measured in case studies. The process aspect also points out that the
whole Knowledge management initiative needs management of change.
Throughout all years, clear and consistent communication, management sup-
port, involvement of all stakeholders as well as the end users were the key to
success. Open space events are a good way to involve end users. In 2004, I
have organized a “knowledge market” at HP Vienna. Participants all over the
organization competed in a quiz that was tailored to the business unit of the
participant. Answering the questions required using the knowledge manage-
ment tool and finding experts. This large scale event increased the awareness
for knowledge management. Top management supported this and opened and
closed the event.
The “Technology” aspect is of course needed to make content available to a
large audience. At this point, it is important that there is a single point of ac-
cess to all available tools (portals, experts and knowledge management con-
tacts) and the selected technology fits to the overall IT landscape. At HP, we
come along with Microsoft SharePoint (since version 1). As a Microsoft Front-
line partner for more than two decades, HP is the largest implementer of
SharePoint worldwide. SharePoint is an overall platform that offers many
functions, like sites (team sites, community sites, web sites), discussion fo-
rums, wikis, blogs, social media components, document management and
search. I see technology as a great enabler, but People and Process as the re-
quirements in parallel. This is why IT and all business stakeholders need to
work together to design a successful knowledge management initiative.
3.2. Lessons Learned
As an overall summary and let me share my ten key questions to implement a
knowledge management culture. They represent my lessons learned through-
out many years:
Wissensverteilung im Human Resources
Management der Stadt Zürich
Corinne Höfliger
Stadt Zürich
Human Resources Management
corinne.hoefliger@zuerich.ch
1. Wissensverteilung - Wissen, jederzeit abruf-
und auffindbar
In diesem Artikel soll aufgezeigt werden, was gegen die Problematik der schi-
er unendlichen Mengen von informationsspeichernden Dokumenten in unter-
schiedlichen Ablagequellen unternommen werden kann.
Nach der Situationsanalyse und der konkreten Problembeschreibung folgt ein
Praxismodell zur Optimierung der Wissensverteilung. Bei der Implementierung
gilt es diverse Rahmenbedingungen zu beachten und gegebenenfalls entspre-
chend darauf zu reagieren. Konkrete Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und
„Lessons Learned“ sollen dies im letzten Kapitel verdeutlichen.
1.1. Situationsanalyse
Die Anzahl der Speichersysteme ist im Laufe der letzten Jahre stetig gestie-
gen. Neue Ablageorte wurden geschaffen und mit ihnen entstanden Redun-
danzen. Oft existieren Dokumente in mehrfacher Ausführung in diversen Ab-
lagesystemen. Die einzelnen Systeme werden mehrheitlich isoliert betrachtet
und bilden keine Einheit. Abbildung 1 zeigt diese Abkapselung.
72 Corinne Höfliger
In deren Mitte steht das Wissen aller Mitarbeitenden des Human Resources
Managements der Stadt Zürich. Deren Wissen ist zum grössten Teil implizit
und in keinem Dokument gespeichert. Die Überschneidung zu den äusseren
Kreisen symbolisiert den Teil des Mitarbeitendenwissens, der in schriftlicher
Form dokumentiert ist. Die äusseren Kreise stellen die diversen Arten von
Systemen dar, über die auf das gespeicherte Wissen zugegriffen wird.
Neben der intern genutzten Microsoft Windows-Explorer Ablage, ist jeder Mit-
arbeitende berechtigt, eine persönliche Ablage zu führen. Schon diese Aus-
gangslage führt zu doppelten Dokumenten, die meist getrennt voneinander
weiterbearbeitet werden. Die Erkennung des Originals und der aktuellen Ver-
sion wird ohne entsprechende Versionierung oder andere Kennzeichnung un-
möglich. Zumal man meist nicht beide Dokumente zu Handen hat und verglei-
chen könnte.
ELO dient zum Dokumentenmanagement und zur Archivierung. Wobei dies
auch auf die zuvor genannten Systeme zutrifft und die Problematik verdeut-
licht. Diverse Access-, Excel- und andere Datenbanken beherbergen für HRZ
Fachwissen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Intranet und Sharepoint
dagegen werden zur Verbreitung von aktuellem Wissen eingesetzt. Wobei die
Abgrenzung nicht auf dem Zeitaspekt beruht, sondern auf dem Willen zur
Verbreitung.
Den Überblick über die vielen unterschiedlichen Speicherorte zu behalten wird
zunehmend schwieriger. Wird eine Datei nicht täglich benutzt und der Pfad zu
ihrem Ablageort prägt sich ein, muss ein manueller individueller Suchprozess
gestartet werden. Eine alle Systeme umfassende Suchmaske existiert nicht.
Die Problemstellung lässt sich anhand der folgenden Abbildung gut verdeutli-
chen. Der Suchende hat eine Vermutung, in welchem Speicher sich die Datei
Abbildung 1: Situationsanalyse Abgekapselte Systeme
Wissensverteilung im Human Resources Management der Stadt Zürich 73
befinden könnte und startet den Suchvorgang. In den häufigsten Fällen wird
er aber nicht fündig und durchsucht ein anderes System. Er geht so lange
nach diesem Muster vor, bis er die Datei gefunden hat oder aufgibt. Als letzte
Möglichkeit bleibt ihm noch, einen Kollegen zu fragen. Allerdings könnte ihm
seine Unwissenheit peinlich sein und er möchte nicht als unfähig gelten. Denn
nicht nur Wissen ist Macht, sondern auch das Wissen über die Wissensspei-
cherorte zu haben bedeutet Macht. So können Mitarbeiter, die auch wenig
Fachkenntnisse haben, zu wichtigen Schlüsselpersonen eines Unternehmens
werden.
Hat der Suchende die Datei schlussendlich selbst oder mit Hilfe gefunden,
wird er in aller Voraussicht einen Link auf die Datei erstellen oder die Datei
kopieren und in seiner Ablage speichern. Dies führt zu einem Teufelskreis, er-
weitert er doch damit die möglichen Speicherorte für zukünftige Suchen. Die
Motivation des Mitarbeitenden unterscheidet sich von jener der gesamten Or-
ganisation. Er möchte einerseits schnell auf die benötigten Datein zugreifen
und somit effizient arbeiten können und andererseits kann er so zu einer an-
gesehenen Schlüsselperson des Wissens werden. Das Hauptaugenmerk der
Organisation liegt auf der effizienteren Suche aller Mitarbeitenden des Unter-
nehmens. Wichtige Dokumente sollen für alle zugänglich sein und nicht aus
eigennützigen Gründen absichtlich zurückgehalten werden.
1.2. Lösungsansatz Navigationsplattform
Der folgende beschriebene Lösungsansatz kann zwar das Problem des Stre-
bens zur Schlüsselperson des Wissens nicht gänzlich lösen, aber entschärfen
und jeden Mitarbeitenden zu einer schnellen, erfolgreichen und effizienten Su-
che befähigen. Die offiziellen Geschäfts- sowie bedeutsame Dokumente, die
sich noch in der privaten Ablage befinden, sollten bestenfalls über eine zent-
rale Plattform aufrufbar sein.
Abbildung 2: Problemstellung Suchprozess
74 Corinne Höfliger
Hauptsächlich geht es darum, die Anzahl der durchsuchten Speicher zu mini-
mieren. Der Suchende soll dabei nur auf eine Plattform zugreifen, die ihn di-
rekt mit wenigen Klicks zu seiner gewünschten Datei führt. Die Plattform
selbst stellt keinen zusätzlichen Speicherort dar, sondern ist die zentrale Platt-
form mit Links auf die wichtigsten und am häufigsten gesuchten Dateien. Sie
ist folglich die erste Anlaufstelle zur Suche wichtiger Dateien.
Abbildung 3 verdeutlicht diesen Ansatz. Die bestehenden Speicher bleiben be-
stehen und werden verbunden mit einer systemübergreifenden Plattform. Das
Resultat ist ein deutlich kürzerer und erfolgsversprechenderer Suchprozess.
Für die Umsetzung dieses Lösungsansatzes wurde ein Modell entwickelt, das
den Einstieg erleichtern und den Suchenden rasch zu der gesuchten Datei lei-
ten soll. Dies wird mittels eines Aufbaus des Modells anhand der HR-Prozesse
erreicht.
In der Mitte befindet sich der Mitarbeitende mit seinem Wissen, seinen Erfah-
rungen und Skills. Das dokumentierte Unternehmenswissen ist über die um-
liegenden vier Stücke schnell zu erreichen. Diese minimale Anzahl an HR-
Prozessen (Gewinnen, Einsetzen, Entwickeln und Binden) erleichtert den ers-
ten Einstieg enorm. Im äusseren Rand befinden sich die Querschnittsthemen,
die jeden HR-Prozess beeinflussen oder unterstützen. Beispielsweise Recht,
Kommunikation oder Informatik.
Abbildung 3: Lösungsansatz Suchprozess
Wissensverteilung im Human Resources Management der Stadt Zürich 75
Bei allen HR-Prozessen und Querschnittsthemen ist ein Hyperlink hinterlegt,
um auf die entsprechenden Dokumente zu gelangen. Folgt man dem Hyper-
link, befindet man sich entweder auf einer Zwischenebene oder man wird di-
rekt auf einen schon vorhandenen Speicherort geführt. Die Zwischenebenen
können beispielsweise als Inhalts- oder generell als Verzeichnisse in Word o-
der auch PowerPoint geführt werden. Eine gute Idee ist es, die Anzahl der Do-
kumente auf der zweiten Ebene zu begrenzen. Denn das oberste Ziel ist ein
effizienter Suchprozess. Je weniger Klicks und je einfacher die Navigation,
umso schneller kann jeder Mitarbeitende auf das Unternehmenswissen zugrei-
fen und weiss schliesslich was das Unternehmen weiss.
Die zentralisierte Pflege dieses Instrumentes entbindet die Mitarbeitenden
nicht von ihrer Aktualisierungspflicht. Jeder ist angehalten, nicht-
funktionierende Links sofort zu melden, für die Organisation bedeutsame Do-
kumente aus der privaten Ablage freizugeben und verlinkte Dokumente aktu-
ell zu halten. Dank der bewussten Reduktion und Fokussierung auf die we-
sentlichen Dokumente benötigt die Navigationsplattform nur wenig Zeit- und
Pflegeaufwand. Die Pflege von persönlichen Verknüfungen und Favoriten ent-
fällt weitgehendst. Die Mitarbeitenden gewinnen an Effizienz, was die Suchen
betrifft und einen Überblick über Themen, die sie nur indirekt betreffen.
Das Tor zum Wissen kann aber auch für andere Zwecke eingesetzt werden.
Beispielsweise als Orientierungshilfe bei Präsentationen. Besonders nützlich
kann dies sein, wenn Fachspezialisten aus unterschiedlichen Bereichen disku-
tieren. So kann zu Beginn eine Themeneingrenzung das gemeinsame Ver-
Abbildung 4: Ganzheitliches HR Modell
76 Corinne Höfliger
ständnis des Themas beschleunigen. Eine andere Möglichkeit ist die Verwen-
dung des ganzheitlichen HR-Modells zur Abgrenzung von zu behandelnden
Themen und Themen, die zur Zeit nicht im Fokus stehen. Beispielsweise ist
die Informatik stark mit diversen Fachthemen verwurzelt. Anhand des Modells
lässt sich die Ausklammerung von Informatik und Konzentration auf ein HR-
Fachthema ideal visualisieren.
2. Implementierung des Praxismodells
Die erfolgreiche Änderung an der Arbeitsweise der Organisation kann erheb-
lich durch die richtigen Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Die wichtigs-
ten werden in den folgenden Unterkapiteln erläutert.
2.1. Erfolgsfaktoren
Die untenstehenden Erfolgsfaktoren sind ein Auszug von Gerhards und Trau-
ner, sowie Thommen und zeigen die für HRZ wichtigsten Faktoren, die die
Implementierung der Navigationspattform positiv beeinflusst haben.
• Einbindung der Mitarbeitenden
• Internes Marketing
• Einfache technische Lösungen
• Abgegrenzte überschaubare Massnahmen umsetzen
(Gerhards und Trauner, 2010 und Thommen, 2004)
Die Akzeptanz der Navigationsplattform durch die Mitarbeitenden war dadurch
so hoch, alsdass die Idee eines Mitarbeitenden zur Vereinfachung der The-
menein- und -abgrenzung ernst genommen und weiterverfolgt wurde. Zu-
sammen mit dem Wunsch nach einem Suchpunkt und dementsprechend ei-
nem effizienten Suchprozess resultierte eine Navigationsplattform, die zu
überzeugen vermochte und sich hoher Beliebtheit erfreut. Zur Motivation und
Würdigung der Ideeneinbringung des Mitarbeitenden, wurde der entsprechen-
de Mitarbeitende gebeten seine Idee zu präsentieren und somit auch zu ver-
kaufen. Da dieser von seiner Idee überzeugt war, übertrug sich dies auf die
Zuhörer. Das Modell wurde folglich durch internes Marketing den Entschei-
dungsträgern und auch den späteren Anwendern erfolgreich verkauft.
Die hohe Anwenderakzeptanz lässt sich auch durch die einfache technische
Lösung erklären. Die Umsetzung in PowerPoint erlaubt Veränderungen an der
Plattform ohne spezifische Spezialistenkenntnisse vorzunehmen.
Wissensverteilung im Human Resources Management der Stadt Zürich 77
Die Navigationsplattform bewirkt nicht viele Veränderungen, sondern kon-
zentriert sich auf die Verbesserung des Suchprozesses. Dies klingt trivial,
doch genau solch kleine abgregrenzte und überschaubare Verbesserungs-
massnahmen führen erfolgsversprechend zu der gewünschten Optimierung.
2.2. Herausforderungen
Folgende Fehlannahmen betreffend Wissensverteilung und -management
mussten für eine erfolgreiche Implementierung der Navigationsplattform ent-
kräftigt werden:
• Wissensmanagement ist delegierbar
• Quantität ist besser als Qualität
• Planung am Reissbrett ohne Praxisbezug
(Schneider, 2001 und Wiater, 2007)
Wissensmanagement betrifft und fordert alle Mitarbeitenden jeglicher Funkti-
onsstufen des Unternehmens. Nur wenn ein gemeinsames Verständnis ge-
schaffen und die Optimierungsanpassungen akzeptiert werden, können die
Anstrengungen eine Verbesserung der Wissensverteilung bewirken. Zudem
sind Richtlinien zur Umsetzung und die generelle Unterstützung des Manage-
mentes für jede Veränderung innerhalb der Organisation unabdingbar.
Die Navigationsplattform beschränkt sich bewusst auf eine minimale Anzahl
an wesentlichen und qualitativ-wertvollen Dokumenten. Zuviele Informationen
oder auch zuviele Informationssysteme belasten die Anwender.
Werden die Eigenheiten der Praxis, beispielsweise die Unternehmenskultur, in
die Planung nur ungenügend miteinbezogen, kann dies die Akzeptanz der Na-
vigationsplattform negativ beeinflussen. Dies lässt sich beispielsweise durch
gezieltes internes Marketing und einen möglichst frühzeitigen Einbezug der
späteren Anwender verhindern.
2.3. Lessons Learned
Üblicherweise werden nach der Implementierung die folgenden vier Fragen
diskutiert und für die Zukunft Lehren gezogen.
• Was haben wir gut gemacht, was wir vergessen würden, wenn wir es
nicht diskutieren?
• Was haben wir gelernt?
• Was sollten wir das nächste Mal anders machen?
• Was gibt uns immer noch Rätsel auf?
78 Corinne Höfliger
Im Falle der Navigationsplattform lauten die Antworten darauf wie folgt: Gut
gemacht wurde, dass ein Verbesserungsvorschlag von einem Mitarbeitenden,
egal welcher Hierarchiestufe, ernst genommen und regelmässig internes Mar-
keting betrieben wurde, um die Navigationsplattform zu stützen. Der Lernef-
fekt war, dass auch einfache technische Lösungen zum Ziel führen können
und dass abgegrenzte überschaubare Massnahmen die Erfolgsaussichten stär-
ken können. Eine Herausforderung bleiben die notwendigen begleitenden
Kommunikationsmassnahmen. Die Unsicherheiten im Umgang mit Kommuni-
kationsmassnahmen betreffen die notwendige Menge und die Art. Was soll
wann kommuniziert werden? In welchen Abständen? Und über welchen Kanal?
Dies alles sind Fragen, die nicht allgemeingültig beantwortet werden können,
da jeweils andere Voraussetzungen bestehen.
3. Fazit
Die Navigationsplattform bietet HRZ Zugriff auf die zahlreichen Speicherorte
und verkürzt so den Suchprozess enorm. Die Wartung ist aufgrund der einfa-
chen technischen Lösung simpel und benötigt nicht viel Zeit. Auf das Unter-
nehmenswissen kann nun innert kürzester Zeit zugegriffen werden. Jeder Mit-
arbeitende weiss, wo er wichtiges Unternehmenswissen finden kann.
4. Literatur
Gerhards, S. und Trauner, B. (2010). Wissensmanagement - 7 Bausteine für
die Umsetzung in der Praxis. [4. Auflage]. München: Carl Hanser Verlag
Schneider, U. (2001). Die 7 Todsünden im Wissensmanagement - Kardinaltu-
genden für die Wissensökonomie. Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine
Buch
Thommen, J-P. (2004). Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre. [7.
Auflage]. Zürich: Versus Verlag
Wiater, W. (2007). Wissensmanagement - Eine Einführung für Pädagogen. [1.
Auflage]. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Erkenntnisse aus dem Web 2.0 im
angewandten Wissensmanagement
Christian Koudela
Frequentis entwickelt und vertreibt hochzuverlässige Kommunikations- und
Informationssysteme für sicherheitskritische Lösungen in den Bereichen Air
Traffic Management und Public Safety & Transport
christian.koudela@frequentis.com
1. Entwicklung der Medien
Seit jeher kommunizieren Menschen miteinander und benutzen Kanäle und
Medien (im Sinne der Medientechnik und der Art der Übertragung) entspre-
chend dem technologischen Stand:
Je nach Gesellschaft kommen unterschiedliche Medien und Interaktionsformen
zum Einsatz, die auch einen wesentlichen Beitrag zur Wissensvermittlung lie-
fern. Der Grad an Interaktion bis hin zur Immersion hat sich in den letzten
Jahren immer stärker ausgeprägt.
Bereits Mitte der 80er hat Alvin Toffler (1984) den „Prosumenten“ beschrieben
– die Vereinigung von Produzenten und Konsumenten. „Prosumenten“ gehen
über die herkömmliche Aktivität der Medien- bzw. Internet-Nutzung hinaus,
Abbildung 1: Evolution der Medien (TrendOne 2010)
80 Christian Koudela
sie generieren Inhalte selbst, die von anderen genutzt werden können. Dabei
lässt sich das Interaktionsverhalten in drei Kategorien einteilen:
• Konsum (Lean-Back): passive und selektive Konsumation, zeitlich
und inhaltlich eingeengte Angebote
• Interaktion (Lean-Forward): aktive Konsumation und hoher Grad
an Aufmerksamkeit, Interaktion mit Inhalten und anderen Konsumen-
ten
• Prosum (Jump-In): Konsumenten produzieren selber Inhalte, Ein-
tauchen in virtuelle Erlebniswelten
In Hinblick auf eines der wesentlichen Ziele im Wissensmanagement, dem
Teilen und Weitergeben von Informationen und Erfahrungen, gilt es, unter
den Beteiligten in einer Organisation das dritte Interaktionsverhalten anzu-
streben: Die Mischung aus Produktion und Konsum.
Wie aber lassen sich Menschen dazu bewegen, Inhalte zu erstellen, bzw. Wis-
sen weiterzugeben? Angelehnt an das Bild des „Homo oeconomicus“ dürften
Open-Source
-Projekte oder offene Wissensplattformen, z.B. Wikipedia, nicht
existieren. Dennoch werden ohne finanziellen Anreiz viel Zeit und Ressourcen
in solche Projekte investiert – aber aus welchen Beweggründen?
Wir alle teilen gerne Wissen. Motivation der Partizipation in den Medien, ins-
besondere im Internet, sind an vorderster Stelle „Freude am Austausch“ und
das „Erlangen von positiven Bewertungen von anderen Usern“ (Scherf et al.
2008: 10).
Wichtig sind demnach positive Bewertungen anderer Benutzer und Kollegen,
denn diese fördern den Status der Autoren als Experten.
2. Wissensmanagement 1.0 und Social Media
Im Zuge des „alten“, herkömmlichen Wissensmanagements gab es kein Publi-
kum, keinen Austausch bzw. keine Rückmeldung anderer – die Motivation,
das eigene Wissen zu teilen, fehlte. Das Wissensmanagement war zudem
auch vorwiegend auf Daten und Werkzeuge fokussiert. Die ersten Ansätze in
diesem Bereich verliefen in etwa entlang des folgenden Schemas:
• Externalisiere dein Wissen (vgl. Nonaka und Takeuchi 1997: 77)
• Bringe dieses in eine Datenbank
• Katalogisiere und kategorisiere den Eintrag
Ob dann jemals auf dieses externalisierte Wissen zugegriffen wurde, blieb den
meisten Autoren unbekannt. Der Beitrag kann vielen Kollegen geholfen ha-
Erkenntnisse aus dem Web 2.0 im angewandten Wissensmanagement 81
ben, aber eben auch nicht. Darüber hinaus gilt beim konventionellen Wis-
sensmanagement unter Umständen noch der Ansatz, möglichst wenig Zeit da-
für aufzuwenden, zuerst die eigentliche Arbeit bzw. Aufgabe zu erledigen und
wenn dann noch Zeit übrig bleibt, das Wissen zu „konservieren“.
Kurzum ist das herkömmliche Wissensmanagement zum Scheitern verurteilt,
da es Wissen als transportierbares Gut definiert, das zentralisiert bereitge-
stellt wird.
Bietet Social Media die Lösung?
In Hinblick auf den Erfolg einer Wikipedia oder anderer Open Source Projekte
müsste die Antwort „Ja“ lauten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich die Auftei-
lung des Interaktionsverhaltens im World Wide Web wie folgt:
• 90% passive Konsumenten
• 9% schwache, unregelmäßige Beteiligung
• 1% hochaktive, regelmäßige Beteiligung
Im Umkehrschluss auf die „Produktivität“ (gemessen an Beiträgen) der Benut-
zer bedeutet dies, dass 90% der Beiträge von 1% aller Benutzer erstellt wer-
den. 10% der Einträge werden von 9% geschrieben und ca. 90% der Benut-
zer erstellen keine Beiträge (vgl. Nielsen 2006). Umgelegt auf die Größe eines
Unternehmens bedeutet dies, dass vermutlich nur ein kleiner Teil der Beleg-
schaft aktiv die Wissensbasis befüllen würde.
„Knowledge Management and Social Media look very similar on the surface,
but are actually radically different at multiple levels, both cultural and tech-
nical, and are locked in an undeclared cultural war for the soul of Enterprise
2.0.” (Rao 2008).
Wissen zu teilen ist freiwillig; niemand kann dazu gezwungen werden. Wie im
ersten Teil vorgestellt, wird Wissen gerne geteilt, wenn das richtige Publikum
vorhanden ist. Das schafft den passenden Kontext und motiviert. Social Media
alleine stellt dabei keine Lösung für die bestehenden Probleme des Wissens-
managements dar. Die sozialen Medien vermögen die Mitarbeiter zu vernet-
zen, aber der Wissensaustausch ist aufgrund der niedrigen Autorenquote nur
bedingt erfolgreich.
Was also ist die Lösung für dieses Dilemma?
82 Christian Koudela
3. Wissensmanagement 2.0
Am Beispiel von zwei erfolgreichen Unternehmen – Google und Amazon – sei
vorgestellt, wie der Ansatz zum Wissensmanagement 2.0 verstanden werden
kann:
Beide Unternehmen sind zu einem großen Teil so erfolgreich, weil sie viel über
ihre Nutzer wissen. An dieser Stelle soll ein moralischer Diskurs über das
Ausmaß der Datensammlung, -speicherung und -nutzung außen vor gelassen
werden. Es geht lediglich darum, an diesen Unternehmen zu diskutieren, wie
Wissensmanagement umgesetzt werden kann.
Google und Amazon haben ihr jeweiliges Geschäftsmodell dahingehend erwei-
tert, dass sie aus den anfallenden Daten Wissen über ihre Kunden generieren.
Diese Daten (z.B. was wurde gesucht, gesehen und gekauft) werden dabei
nicht separat gesammelt und verwaltet. Sie sind sinngemäß ein „Abfallpro-
dukt“ der tagtäglichen Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden. Im
Gegensatz zum herkömmlichen Wissensmanagement (bei dem Wissen als ei-
genständiges Etwas verstanden wird, das separat produziert werden muss)
nutzen Google und Amazon eben jenes „Abfallprodukt“, um ihr Wissen über
die Kunden weiterzuentwickeln. Dieses Wissen über die Kunden wird nicht ex-
plizit produziert, verarbeitet und vernetzt, vielmehr entsteht es durch die Wis-
senden (die Kunden, die wissen was sie suchen) im Tun. Wissen entsteht auf
diesem Weg als eine Art „Nebenprodukt“ bei der täglichen Arbeit, der tägli-
chen Interaktion.
Und genau dieser Ansatz, diese grundsätzliche Überlegung, Wissen nicht mehr
als etwas Eigenständiges zu verstehen, sondern es als Ergebnis der Arbeit
bzw. der Interaktion zu betrachten, eröffnet neue Möglichkeiten. Es wird nicht
mehr „das Wissen“ im Sinne eines transportierbaren Gutes vernetzt. Es wer-
den Wissende während des Tuns vernetzt und deren Aktivitäten in den Vor-
dergrund gerückt und genutzt.
Um Wissen – sinngemäß als Nebenprodukt der Arbeitsleistung – externalisie-
ren zu können, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
Durch das gemeinsame Erstellen von Dokumenten, z.B. in einem Wiki oder
mit Hilfe anderer Werkzeuge, steht allen beteiligten Personen der aktuelle
Status zur Verfügung. Ausschlaggebend ist dabei das kollaborative Element
und die Chance, dass unter Umständen auch nicht an der Erstellung beteiligte
das Dokument verfolgen können.
In machen Organisationen gibt es Blogs oder Micro-Blogging Dienste, um kur-
ze Statusmeldungen zu veröffentlichen. So bietet sich die Möglichkeit, z.B.
Aktivitäten zu verfolgen oder auch dazu beitragen und kommentieren zu kön-
Erkenntnisse aus dem Web 2.0 im angewandten Wissensmanagement 83
nen. Arbeiten unterschiedliche Abteilungen an ähnlichen Herausforderungen,
können so Synergien genutzt werden.
Auch die klassische 1:1 Kommunikation, z.B. via Telefon oder E-Mail, kann öf-
fentlich zugänglich gemacht werden. So können zum Beispiel bei einem Sup-
portbereich (z.B. Helpdesk o.ä.) Anfragen schriftlich und vor allem öffentlich
zugänglich beantwortet werden. Anstelle eines kleinen „How to“ oder eine An-
leitung per Mail an die betroffene Person zu verschicken, kann die Info auf ei-
ner frei zugänglichen Plattform abgelegt werden.
In vielen Systemen gibt es auch die Möglichkeit, automatisch Hinweise zu be-
kommen, wenn ein Beitrag zu einem Thema erstellt oder bearbeitet wurde. So
wird ein Benutzer ohne großes Zutun über seine Interessen und Themen am
Laufenden gehalten.
Galt früher die Prämisse „Welche Daten / Informationen wollen wir freige-
ben?“, stellt sich diese Frage heute in anderer Form: „Welche Informationen
müssen wir schützen?“
Je mehr öffentlich verfügbare „Nebenprodukte“ wir durch unser Tun hinterlas-
sen, desto eher können diese aufgegriffen und in Wissen umgewandelt wer-
den. Während der alltäglichen Arbeit werden durch unterschiedliche Aktivitä-
ten wissenstaugliche Spuren hinterlassen, z.B.:
• beim Erstellen von Dokumenten
• durch das Zurverfügungstellen von Internetlinks (Social Bookmarking)
• beim Schreiben von Blogs
• durch das Beteiligen an Forumsdiskussionen
• beim Tagging (dem Beschlagworten) von Beiträgen
• uvm.
Social Media / Social Software macht diese Spuren transparent, vernetzt die
geschaffenen Inhalte mit den Menschen und verbindet die Beteiligten und de-
ren Aktivitäten untereinander. Dabei sollte Social Software als übergreifende
Kommunkations- und Wissensplattform verstanden werden und in der tägli-
chen Arbeit zum Einsatz kommen. So entsteht gegenüber einem klassisch hie-
rarchischen Zugang Transparenz über Experten, Themen und Netzwerke. Es
gilt nicht mehr das beste Dokument zu finden und zu lesen. Das Ziel sollte
lauten, den geeignetsten Ansprechpartner zu finden.
Wissen wird nicht mehr als Medium in einem Speicher verstanden, sondern
als etwas Bewegtes. Ähnlich wie bei einem Fluss lässt sich der einzelne Was-
84 Christian Koudela
sertropfen nur schwer greifen, die Kraft kommt aus der Bewegung der Sum-
me der einzelnen Elemente.
Eine ähnliche Veränderung lässt sich auch in anderen wissenschaftlichen Be-
reichen erkennen: „Know where and know who are more important today
than knowing what and how“ (Siemens 2006: 32). Diese zentrale Aussage des
Konnektivismus, einer neuen Lerntheorie, basiert auf der Überlegung, dass
Wissen als solches nicht im Vorfeld erlernbar ist, sondern im Tun und im Aus-
tausch miteinander entsteht. Das rein vorgelernte Fachwissen verliert so zu-
nehmend an Bedeutung. Viel wichtiger wird demnach die Fähigkeit, auf exter-
nalisiertes Wissen gezielt zurückgreifen zu können, um es für sich selber
nutzbar zu machen.
4. Die Kultur des Teilens
Welche Informationen wollen wir freigeben vs. welche Informationen müssen
wir schützen? Dieser Paradigmenwechsel lässt sich nur in Verbindung mit ei-
nem Wandel in der Unternehmenskultur einleiten bzw. umsetzen. Sind die Da-
ten und Ergebnisse – vor allem auch im Stadium der Entstehung – anderen
Kollegen zugänglich, können folgende Fragen und Befürchtungen auftauchen:
• Was ist, wenn ich etwas falsch schreibe?
• Dann können ja alle mitverfolgen, was ich tue.
• Das kommt doch einer laufenden Kontrolle gleich.
• Ich will mich nicht blamieren!
• Braucht das jetzt mehr Zeit?
• Wenn das alle sehen, dann könnte ja jeder meinen Job machen…
Um diese Befürchtungen zu entkräften, braucht es bei der Einführung bzw.
Veränderung umfangreiche Kommunikation und Begleitung. Neue Tools und
neue Software sind schnell installiert. Die Technik hat uns in den letzten Jah-
ren einen enormen Fortschritt gebracht. Um von diesem Fortschritt profitieren
zu können, braucht es Menschen, die diese Instrumente nutzen. Wenn sich
Mitarbeiter trauen, Informationen zu teilen, Fragen zu stellen und „öffentlich“
zu arbeiten, dann steigert das nicht nur die Effizienz im Unternehmen. Durch
Rückmeldung und Interaktion mit Kollegen steigert es auch die Motivation der
Mitarbeiter. Social Software, richtig eingesetzt und gut in die Organisation in-
tegriert, stößt bei den Mitarbeitern auf Zuspruch und wird so zu einem we-
sentlichen Kernelement der Wissensinfrastruktur im Unternehmen.
Erkenntnisse aus dem Web 2.0 im angewandten Wissensmanagement 85
Um die Arbeitsweise dahingehend zu verändern, braucht es Unterstützung –
sowohl vertikal aus der Linie, aber auch lateral durch Kollegen. Es hat sich ge-
zeigt, dass in der Übergangsphase ebenfalls der nötige Raum zum Ausprobie-
ren zur Verfügung stehen sollte. Durch das gemeinsame Entdecken der neuen
Herangehensweisen wird die Veränderung eher angenommen, als bei einer
„Anweisung von oben“.
An dieser Stelle sei noch auf die Begriffe Fehlerkultur und Vertrauen hinge-
wiesen: Es geht nicht darum, wie diese Begriffe im Unternehmen definiert
werden; vielmehr ist es wichtig, wie diese (vor)gelebt werden. Besonders
wenn Informationen geteilt werden und geteilt werden sollen, braucht es ei-
nen Rahmen, der dies ermöglicht. Vertrauen baut sich mit der Zeit auf – und
daran beteiligt zu sein, motiviert.
Diese „neue“ Kultur des Teilens und der Zusammenarbeit ist keine Vorausset-
zung, um Wissensmanagement einzuführen oder zu verändern; vielmehr wird
mit der Implementierung von Wissensmanagement 2.0 eine neue Kultur im
Unternehmen hervorgebracht.
5. Literatur
Nielsen, J. (2006): Participation Inequality: Encouraging More Users to Con-
tribute. In: http://www.useit.com/alertbox/participation_inequality.html
(20.10.2012)
Nonaka, I., Takeuchi, H. (1997): Die Organisation des Wissens. Frankfurt /
New York: Campus Verlag.
Rao, V. (2008): Social Media vs. Knowledge Management: A Generational
War. In: http://enterprise2blog.com/2008/09/social-media-vs-knowledge-
management-a-generational-war/ (20.10.2012)
Scherf, P. et al. (2008): IBM Global Business Services: Innovation der Medien.
In: http://www-05.ibm.com/de/media/downloads/medienstudie-2008.pdf
(14.10.2012)
Siemens, G. (2006). Knowing Knowledge. Lulu.com
Toffler, A. (1984): The Third Wave: The Classic Study of Tomorrow. Bantam
Edition London.
TrendOne (2010): Media Evolution. In:
http://blog.trendone.com/2010/02/10/die-neue-trendone-media-evolution/
(20.10.2012)
Wissensmanagement mit Wikis
Bernhard Krabina
KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung
krabina@kdz.or.at
1. Was macht Wikis für das Wissensmanagement
so interessant?
Wikis lösen spezielle Anwendungsfälle: den Umgang mit Inhalten (vorwiegend
Text), die nicht zwangsläufig zu Dokumenten werden müssen. Sie bringen
darüber hinaus einige Besonderheiten mit, die sehr gut zur Arbeit in wissens-
intensiven Organisationen passen. Vor allem die erweiterten Möglichkeiten
von semantischen Wikis bieten das Potenzial, sich zu einer organisationswei-
ten Plattform für Wissensdatenbanken zu entwickeln.
Wikis sind durch die Online-Enzyklopädie Wikipedia bekannt geworden und
zählen zu den sozialen Medien. Sie werden auch innerhalb von Organisationen
sehr häufig für verschiedenste Anwendungsfälle eingesetzt. Obwohl Wikis ja
gerade auch organisationsübergreifend eingesetzt werden können, soll in die-
sem Artikel der Fokus auf die organisationsinterne Verwendung gelegt wer-
den.
1.1. Wikis und andere IT-Systeme
Herkömmliche Intranets (interne, web-basierte Informationssysteme) sind
durch Einweginformationen gekennzeichnet. Führungskräfte entscheiden, was
wichtig für alle ist und beauftragen den Webmaster, die Informationen im In-
tranet verfügbar zu machen. Häufig werden dafür die gleichen Content-
Management-Systeme verwendet, die auch für den externen Internet-Auftritt
zum Einsatz kommen. Es wird lediglich ein geschützter Bereich eingerichtet,
zu dem nur die MitarbeiterInnen Zugriff haben. Solche Szenarien führen häu-
fig dazu, dass das Intranet kaum benutzt wird. Die aktuellen Herausforderun-
gen der WissensarbeiterInnen werden durch sie nur punktuell gelöst.
88 Bernhard Krabina
In einem Wiki stehen die Inhalte im Vordergrund (siehe Abbildung 1): alle
WissensarbeiterInnen können im Wiki Inhalte einpflegen. Die Beziehungen der
WissensarbeiterInnen untereinander können zwar auch ein Thema sein, im
Vordergrund stehen aber immer die Inhalte. Im Gegensatz dazu sind bei ei-
nem sozialen Netzwerk die WissensarbeiterInnen mit ihren Beziehungen im
Vordergrund. In einem sozialen Netzwerk können nebenbei auch Inhalte erar-
beitet werden, aber im Vordergrund stehen die Vernetzung und die Interakti-
on der BenutzerInnen.
Wikis haben daher dort ihre Stärke, wo die Inhalte im Vordergrund stehen
sollen. WissensarbeiterInnen greifen zu den Tools, die ihnen bisher bereits zur
Verfügung gestanden sind und die sie bedienen können. Häufig werden daher
Inhalte zu Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsdokumenten. Diese
werden auf internen Dateisystemen abgespeichert. Die Übersichtlichkeit und
Auffindbarkeit stößt so schnell an ihre Grenzen und entweder müssen diese
Dokumente mit Suchmaschinen indiziert werden oder es werden Dokumen-
tenmanagementsysteme eingeführt, um die Dokumentenbestände strukturier-
ter zu verwalten.
Der Einsatz eines Wikis zum Zwecke des Dokumentenmanagements wäre
falsch, hierzu gibt es spezialisierte Systeme. Wenn aber die Artefakte wie z.B.
Office-Dokumente nur bestehen, weil es bisher keine andere Möglichkeit gab
und die Inhalte grundsätzlich auch in einer anderen Form aufbereitet werden
können, dann kann ein Wiki eine geeignete Lösung darstellen. Ein Qualitäts-
management-Handbuch beispielsweise muss nicht zwingend als PDF-
Dokument vorliegen, es kann genauso gut aus Wiki-Seiten bestehen (die bei
Abbildung 1: Intranet, Wikis und soziales Netzwerk
Wissensmanagement mit Wikis 89
Bedarf auch zu einem PDF-Dokument zusammengefasst werden können). Do-
kumente können zwar auch in ein Wiki hochgeladen werden, doch das sollte
eher die Ausnahme als die Regel sein. Wichtiger ist es, die Inhalte originär im
Wiki zu erzeugen und vorzuhalten und Dokumente eher anlassbezogen aus
dem Wiki zu generieren.
2. Schwächen von Wikis
Wikis haben selbstverständlich auch Schwächen. Da es sich um Web-
Anwendungen handelt, weisen sie zunächst dieselben Nachteile auf, wie ande-
re Web-Anwendungen. Beispielswiese eine geringere Möglichkeit der nahtlo-
sen Integration in die bestehende Desktop-Umgebung. Ebenso wie gängige
Office-Anwendungen verstehen Wikis auch nichts vom Kontext, in dem die In-
halte eingegeben werden. Sie können also nur Textinformationen mit gewis-
sen Strukturen (Überschriften, Aufzählungen, etc.) erfassen und über Katego-
rien gliedern. Die Bedeutung einer Zahl im Text oder eines Links von einer
Seite zu einer anderen erkennt allerdings nur derjenige, der die Inhalte liest
und versteht, das IT-System kann keine weitere Auskunft dazu geben.
Es können daher in einem herkömmlichen Wiki auch keine Abfragen von Da-
ten durchgeführt werden. Es steht lediglich eine Volltextsuche sowie eine
Gliederung über Kategorien bzw. Seitennamen zur Verfügung. Wenn Wissens-
arbeiterInnen weiterführende Funktionalität geboten werden soll, so müssen
Wikis hin zu Web-Datenbanken weiterentwickelt werden.
3. Semantische Wikis als Wissensmangement-
Systeme
Um in Wikis die Semantik (die Bedeutung) von Zahlen, Begriffen oder Links
explizit und somit nutzbar zu machen, wurden semantische Wikis entwickelt.
Eines der bekanntesten semantischen Wikis ist Semantic MediaWiki
1
. Es nutzt
die sich herausbildenden Technologien des Semantic Web
2
und bietet somit
insbesondere folgende Vorteile:
• Erstellung von Web-Datenbanken, die zusätzlich zu Textinformationen
wichtige Fakten oder Metadaten (bzw. im Text enthaltene Daten) expli-
zit und somit für das Wiki und deren BenutzerInnen zugänglich macht.
1
Vgl. dazu: http://www.semantic-mediawiki.org (20.11.2012)
2
Vgl. dazu: Blumauer/Krabina, 2009
90 Bernhard Krabina
• Abfrage von Daten aus dem Wiki.
• Anzeige von Daten in verschiedensten Ausgabeformaten.
• Semantische Suche und facettierte Suche (Suche durch Filter über Me-
tadaten).
• Eingabeformulare zur Befüllung der Datenbankinhalte.
• Nebeneinander von Textinhalten und Metadaten, somit Verknüpfung
der Stärke von Wikis mit den Möglichkeiten einer Web-Datenbank.
• Import- und Exportmöglichkeiten.
• Automatisches Erstellen von Inhalten basierend auf Vorlagen oder Ab-
fragen, z.B. automatische Listen oder Seiten.
Vereinfacht gesagt kann mit einem semantischen Wiki für die BenutzerInnen
nicht nur das Textverarbeitungsprogramm (z.B. Microsoft Word) ersetzt wer-
den (herkömmliches Wiki), sondern auch das Tabellenkalkulationsprogramm
(z. B. Microsoft Excel). Aus Sicht der IT können damit auch Funktionalitäten
geboten werden, die nur durch Datenbankanwendungen (z.B. Microsoft Ac-
cess) geboten werden können. Mit Semantic MediaWiki wird es daher möglich,
eine Plattform für die Erstellung von Wissensdatenbanken in der Organisation
zur Verfügung zu haben, in der verschiedenste Inhalte in kurzer Konfigurati-
onszeit umgesetzt und miteinander verknüpft werden können.
4. Erfolgsfaktoren bei der Einführung von Wikis
Die Einführung von Wikis in Organisationen muss – genauso wie die Einfüh-
rung von anderen IT-Systemen – sogfältig vorbereitet und durchgeführt wer-
den. Sehr oft trägt die Qualität des Einführungsprozesses mehr zum Gesamt-
erfolg des IT-Projekts bei als die Funktionalitäten der einzuführenden Soft-
ware. Über die allgemein anwendbaren Grundsätze hinaus, haben sich aus der
Praxis folgende zentralen Erfolgsfaktoren herauskristallisiert (siehe Abbildung
2):
Wissensmanagement mit Wikis 91
4.1. Von MitarbeiterInnen benötigte Inhalte
In der Regel existiert bereits eine Vielzahl anderer IT-Systeme in der Organi-
sation. Um der Gefahr entgegenzuwirken, dass das Wiki für die BenutzerInnen
eine weitere Belastung wird, müssen in einem Bottom-Up-Ansatz Inhalte
identifiziert werden, die von den MitarbeiterInnen in keinem anderen System
besser verwaltet werden können. Diese Inhalte können sich von denjenigen
unterscheiden, die von der Organisation ursprünglich gewünscht worden sind.
Ein Beispiel dafür: aus Organisationssicht ist es wünschenswert, dass aktuelle
Verfahrensbeschreibungen für wichtige Prozesse in der Organisation vorlie-
gen. Die MitarbeiterInnen, die täglich in diesen Prozessen arbeiten, benötigen
diese Verfahrens- oder Prozessbeschreibungen aber nur in speziellen Aus-
nahmefällen oder bei der Einschulung neuer MitarbeiterInnen. Im Regelbe-
trieb haben die MitarbeiterInnen ihre Arbeit aber im Griff und empfinden die
Anforderung, eine aktuelle Beschreibung ihrer Tätigkeiten in einem Wiki zu
dokumentieren, als zusätzliche Belastung.
Bei der Einführung von Wikis ist es daher nötig, Inhalte zu identifizieren, die
bisher gar nicht oder nur mit ungeeigneten Tools erfasst werden. Beispiele da-
für können Inhalte von Post-Its oder Notizzetteln sein, die auf oder neben den
Bildschirmen an den Arbeitsplätzen angebracht sind, oder Word- und Excel-
Dokumente die ein Sammelsurium an Informationen enthalten, für die bisher
eben noch kein spezielles System existiert hat. Diese von den MitarbeiterIn-
nen im Idealfall täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich benötigten In-
halte sind die, die in das Wiki zu übertragen sind.
Abbildung 2: Erfolgsfaktoren bei der Wiki-Einführung
92 Bernhard Krabina
Von der Organisation gewünschte Inhalte können selbstverständlich zusätzlich
im Wiki angelegt werden, aber es ist jedenfalls erforderlich, Inhalte zu identi-
fizieren, die von den MitarbeiterInnen regelmäßig benötigt werden.
4.2. Vertrauens- und Wertschätzungskultur
BenutzerInnen von IT-Systemen sind an organisatorisch strenge und tech-
nisch sichergestellte Zugriffsberechtigungen gewöhnt. In einem Dokumen-
tenmanagementsystem oder dem Filesystem einer Organisation gibt es meist
Bereiche, in die nur bestimmte BenutzerInnen Zugang haben. In Content-
Management-Systemen zur Wartung der Internet- oder Intranetseiten wurden
diese Mechanismen übertragen. Wikis verfolgen hier einen grundsätzlich an-
deren Ansatz: jeder darf alles sehen und verändern! Natürlich gibt es auch die
Möglichkeit, von diesem Grundsatz abzuweichen, aber dieser prinzipielle Zu-
gang ist einer der wesentlichen Faktoren, die Wikis so erfolgreich gemacht
haben. In der organisationsinternen Anwendung eignen sich Wikis auch genau
aus diesem Grund so gut für das Wissensmanagement: jede Mitarbeiterin und
jeder Mitarbeiter darf und soll Inhalte in das Wiki eintragen, unabhängig von
der Zuständigkeit oder Hierarchieebene. Dieses Empowerment der Wissensar-
beiterInnen in einer Organisation sollte bestmöglich genutzt und so wenig wie
möglich eingeschränkt werden. Organisatorische Regeln, wie die Vereinbarung
einer Zuständigkeit für gewisse inhaltliche Bereiche, reichen aus, es ist nicht
erforderlich, diese Zuständigkeiten technisch abzusichern.
Der häufigen Skepsis, im Sinne von „Was, da darf jetzt jeder alles sehen und
verändern?“ begegnen Wikis mit größtmöglicher Transparenz: jedes Byte an
verändertem Inhalt ist im Wiki nachvollziehbar und mit wenigen Klicks können
Änderungen sichtbar und auch wieder rückgängig gemacht werden. Es gilt
daher die Maxime: man kann nichts falsch machen und wir vertrauen unseren
MitarbeiterInnen, dass sie nicht absichtlich unsinnige Inhalte in das Wiki ein-
tragen.
4.3. Motivation und Zwang
Wie bei allen IT-Systemen so müssen auch für die Nutzung von Wikis die Füh-
rungskräfte eine Vorbildfunktion ausüben. Wenn die Protokolle der letzten Sit-
zung nach wie vor per E-Mail an alle verteilt werden oder die interne Telefon-
liste immer noch ausgedruckt wird, wozu sollten dann die MitarbeiterInnen im
Wiki nachsehen? Führungskräften, die in ihrem Verantwortungsbereich das
Wiki aktiv und passiv nutzen und bisher angewandte Praktiken überdenken
und verändern, wird es auch leichter gelingen, ihre MitarbeiterInnen zur Nut-
zung zu motivieren.
Wissensmanagement mit Wikis 93
Ganz wesentlich dabei ist es, dass die bisher genutzten Alternativquellen
möglichst vollständig abgedreht werden. Die Inhalte, die aus den bisherigen
Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsdokumenten in das Wiki übertra-
gen worden sind, sollten dann den MitarbeiterInnen ausschließlich im Wiki zur
Verfügung stehen. Denn wenn die Original-Dokumente weiterhin genutzt wer-
den können, wird ein großer Teil der MitarbeiterInnen zu den bisherigen Quel-
len greifen.
WissensarbeiterInnen haben nicht viel Zeit. Es genügt daher nicht, ihnen ein
Wiki als rein freiwilliges Instrument anzubieten und darauf zu hoffen, dass
„von selbst“ relevante Inhalte dort entstehen. Wichtig ist es, zumindest für
gewisse Bereiche organisatorische Regelungen zu treffen. Wenn ein Wiki für
die Projektdokumentation genutzt werden soll, so sind die Projekte ab dem
Echtbetrieb im Wiki und nur mehr im Wiki zu dokumentieren und die Füh-
rungskräfte müssen von den ProjektleiterInnen auch immer wieder einfor-
dern, diese Verantwortung wahrzunehmen.
4.4. Quantität und Qualität der Inhalte
Um eine optimale Nutzung des Wikis sicherzustellen, genügt es nicht, ein lee-
res Wiki zur Verfügung zu stellen. Auch wenn viele Inhalte erst später erarbei-
tet werden sollen, so muss zumindest eine quantitativ und qualitativ ausrei-
chende Erstbefüllung gewährleistet werden, damit die MitarbeiterInnen von
Anfang an einen Nutzen des Wiki-Einsatzes erkennen können.
4.5. Usability und Spaß
Obwohl Wikis ihren Erfolg der einfachen Bedienbarkeit (vor allem im Vergleich
zu herkömmlichen Content-Management-Systemen) verdanken, so darf nicht
unterschätzt werden, dass bei den BenutzerInnen zu Beginn trotzdem eine
Lernkurve zu bewältigen ist. Es sollte daher viel Wert darauf gelegt werden,
es den BenutzerInnen so einfach wie möglich zu machen, z.B. durch Schulun-
gen, Bedienungsanleitungen, Single-Sign-On zu bisherigen Systemen oder der
Bereitstellung von Eingabeformularen, um im Wiki strukturierte Inhalte mög-
lichst leicht erfassen zu können.
Auch der Spaßfaktor darf in einem Wiki Platz finden: es darf Bereiche geben,
in denen sich die MitarbeiterInnen über Privates austauschen. Auch eine an-
sprechendere Gestaltung von Inhalten unter Verwendung von Grafiken oder
z.B. unterschiedlichsten Darstellungsformen, wie der Anzeige von Inhalten auf
einer Landkarte, sind nicht nur nützlich, sie machen bei der Bedienung auch
mehr Spaß als viele andere IT-Anwendungen.
94 Bernhard Krabina
4.6. Weitere Erfolgsfaktoren
Stocker/Tochtermann (2012) haben folgende Erfolgsfaktoren für Wikis in Un-
ternehmen identifiziert, die gut zu den in diesem Artikel skizzierten passen
bzw. sogar deckungsgleich sind: Engagement des Managements, rasche Ak-
quise erster überzeugter NutzerInnen, persönliche Ansprache von AutorInnen,
Erstbestückung von Inhalten, zahlreiche Akzeptanzmaßnahmen und ein frust-
rationsresistentes Kernteam.
Ausführlich beschäftigen sich auch Seibert/Preuss/Rauer (2011) mit der er-
folgreichen Einführung von Wikis in Unternehmen.
5. Anwendungsfelder für Wikis
Wikis eigenen sich für zahlreiche Anwendungsfelder innerhalb von Organisati-
onen und für das gemeinschaftliche Erstellen von Inhalten mit anderen Orga-
nisationen, KooperationspartnerInnen bzw. der Öffentlichkeit.
Durch die erweiterten Möglichkeiten von semantischen Wikis wird auch das
potenzielle Anwendungsfeld deutlich erweitert: es lassen sich damit Web-
Datenbanken umsetzen, die sich bis hin zu kompletten Intranet-Lösungen
ausbauen lassen. Weitere Anwendungsfälle sind unter anderem in Projektma-
nagement und Dokumentation, Prozessmanagement, Qualitätsmanagement,
Wissensmanagement denkbar.
Durch ihre einfache Bedienbarkeit und die Eigenschaft, das Wissen jeder Mit-
arbeiterin und jeden Mitarbeiters transparent für alle zugänglich machen zu
können, wirken sie sich positiv auf die Organisationskultur aus. Aus Sicht der
IT steht eine universelle Plattform für die Entwicklung von web-basierten Da-
tenbanken für die Organisation zur Verfügung.
6. Literatur
Blumauer, A.; Krabina, B. (2009): Nutzenpotenziale des „Social Semantic
Web“ im öffentlichen Sektor am Beispiel semantischer Wikis. HMD - Praxis
Wirtschaftsinformatik 265
Stocker, A.; Tochtermann, K. (2012): Wissenstransfer mit Wikis und Weblogs.
Fallstudien zum erfolgreichen Einsatz von Web 2.0 in Unternehmen. Gabler.
Wiesbaden 2012
Seibert, M.; Preuss, S.; Rauer, M. (2011): Enterprise Wikis. Die erfolgreiche
Einführung von Wikis in Unternehmen. Gabler. Wiesbaden 2011
Wissenskommunikation
Zur verständlichen Gestaltung von Formularen, Pflichtenheften,
Protokollen und anderer ungeliebter Texte
Benedikt Lutz
Donau-Universität Krems
benedikt.lutz@donau-uni.ac.at
1. Ein Beispiel zur Einleitung
Waren Sie schon einmal in den USA und können Sie sich an das Ausfüllen des
„Visa-Waivers“ bei der Einreise erinnern? – Wenn Sie das nicht auf ersten An-
hieb geschafft haben, dann sind Sie in bester Gesellschaft. Der australische
Formular-Forscher Robert Barnett hat das genauer untersucht (Barnett 2007).
Auf jeden Flug der Air Qantas mit den 747er-Jets in die USA nimmt die Crew
200 Ersatzformulare mit, weil die Hälfte der Passagiere beim Ausfüllen schei-
tert. Und das trotz Instruktions-Videos und intensiver Unterstützung durch die
Flugbegleiter. Der Grund für das fehlerhafte Ausfüllen ist relativ simpel: Spä-
testens in der vierten Zeile wird man durch die graphische Gestaltung des
Formulars dazu verleitet zu glauben, dass die Feldbezeichner sich auf die Zeile
oberhalb des aktuellen Feldes beziehen und nicht auf die Zeile darunter. Bei
der Gestaltung des Formulars wurden einfache Prinzipien der Gestaltpsycholo-
gie missachtet. Das sogenannte Gesetz der Nähe ist hier so dominant, dass
man systematisch in die Irre geführt wird. Eine kleine Änderung des Formu-
lars (z.B. Umrahmung der einzelnen Felder) würde zu einer wesentlich besse-
ren Ausfüllrate führen, da bei der Wahrnehmung das Gesetz der Geschlossen-
heit wirksam wird. Die beiden folgenden Abbildungen sollen illustrieren, mit
welch einfachen Mitteln man hier erhebliche Verbesserungen durchführen
könnte (siehe Barnett 2007: 18).
96 Benedikt Lutz
Zunächst das Original:
Und hier ein geändertes Formular mit geschlossenen Feldern:
Abbildung 2: Ausnützen des Gesetzes der Geschlossenheit
Dieses kleine Beipiel zeigt anschaulich, wie wichtig die textuelle und visuelle
Gestaltung von Dokumenten ist, um einen erfolgreichen Wissenstransfer zu
ermöglichen. Gerade das Potenzial der Textsorte „Formular“ im beruflichen
Alltag wird häufig stark unterschätzt, etwa bei Bestellvorgängen und der Be-
Abbildung 1: Missachtung des Gesetzes der Nähe
Wissenskommunikation 97
hörden-Bürger-Kommunikation. Formulare unterstützen ja bei stark struktu-
rierter Kommunikation die Senderseite enorm (was zu hoher Datenqualität
und rascher Datenerfassung führt), bei gleichzeitiger Verschiebung der
„Kommunikationslast“ auf die Ausfüllenden. Wenn die Anwender allerdings
beim Ausfüllen eines Formulars kognitiv oder emotional überfordert werden,
dann kommt es zu sachlichen Fehlern und Missverständnissen bis hin zur
„non-compliance“ (dem gänzlichen Verweigern des Ausfüllens). Aufwändige
Nachfragen und Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität sind die Fol-
ge – so wird auch rasch die ökonomische Relevanz des „Funktionierens“ von
Formularen deutlich.
2. Wissenskommunikation – ein Stiefkind des
Wissensmanagements?
Es ist eigentlich überraschend, dass man sich im Wissensmanagement relativ
wenig konkret mit der detaillierten Analyse und Optimierung von Kommunika-
tionsprozessen bei wertschöpfenden Tätigkeiten unter ökonomischer Perspek-
tive beschäftigt. Das Ziel derartiger Analysen ist die gelingende Kommunikati-
on unter Berücksichtigung von Zielerreichung (Effektivität) und Mitteleinsatz
(Effizienz), beispielsweise in der Kooperation zwischen Auftraggeber und Auf-
tragnehmer, Verkäufer und Kunde, Behörde und Bürger, Arzt und Patient,
oder auch die Unterstützung bei der Anwendung technischer Geräte in Form
von Gebrauchsanweisungen und Hilfesystemen. Wenn man die historischen
Wurzeln des Wissensmanagements und die seit den 1960-er Jahren bedeut-
samer werdenden Konzepte der Wissensgesellschaft betrachtet, so sollte dies
eigentlich ein zentrales Thema darstellen (siehe z.B. Drucker 1969; einen gu-
ten historischen Überblick bietet der Sammelband von Engelhardt/Kajetzke
2010):
• Es geht um Wissen als „Ressource“, die unter Effizienzkriterien „be-
wirtschaftet“ wird.
• Arbeitsabläufe werden laufend komplexer, Prozesse werden verschrift-
licht und/oder „informatisiert“.
• Die Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zu einer „self service
society“, vom Supermarkt bis hin zu Fahrkartenautomaten und Aus-
kunftssystemen im Internet.
Auch das im Wissensmanagement weit verbreitete und viel diskutierte Modell
der Wissensspirale (Nonaka/Takeuchi 1997) mit den zentralen Konzepten Ex-
ternalisierung vs. Internalisierung von Wissen deutet auf die Notwendigkeit
einer intensiven Beschäftigung mit Verstehens- und Gestaltungsprozessen bei
98 Benedikt Lutz
arbeitsbezogener Kommunikation hin. Im ständigen Kreislauf von Sozialisation
– Externalisieren – Kombination – Internalisieren auf personaler Ebene, auf
der Ebene der Teams und der gesamten Organisation geht es im Kern der Sa-
che um Wissenskommunikation. In der konkreten Umsetzung bedeutet Exter-
nalisierung von Wissen ja im wesentlichen Sprechen, Schreiben oder Visuali-
sieren (graphische Gestaltung); und Internalisierung bedeutet das Wahrneh-
men, Lesen, Verstehen und Lernen von Inhalten. Im Kommunikationsprozess
spielt die Qualität der externalisierten bzw. zu internalisierenden Inhalte eine
entscheidende Rolle (denn nur dann kann ein effizienter Wissenstransfer
überhaupt stattfinden).
Erstaunlicherweise gibt es (noch) keine eigene Disziplin, die sich systematisch
mit Wissenskommunikation beschäftigt, sondern viele Einzelwissenschaften,
die sich mit spezifischen Aspekten dieser Phänomene beschäftigen, doch die
Erkenntnisse der anderen Disziplinen nur zum Teil wahrnehmen. Im Besonde-
ren seien hier die Kommunikationswissenschaft, die Psychologie und die Lin-
guistik genannt, sowie die in den letzten Jahren aufstrebenden Disziplinen In-
formation Design und Usability Engineering. Auch das inzwischen sehr um-
fangreiche Forschungsfeld von „Computer Supported Cooperative Work“
(CSCW) sei hier erwähnt, das in der Forschungstradition der Wirtschaftsinfor-
matik entwickelt wurde. Das weitgehende Fehlen einer interdisziplinären Zu-
sammenarbeit ist schade, da eine effiziente und effektive Wissenskommunika-
tion sowohl volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich von großer Be-
deutung ist.
Eine erste Zusammenschau und programmatische Annäherung zu einer sys-
tematischen Entwicklung eines solchen transdisziplinären Forschungsfelds bie-
ten Eppler und Reinhardt in einem 2004 herausgegebenen Sammelband mit
dem Titel „Wissenskommunikation“. Sie verstehen unter diesem Begriff die „…
absichtsvolle, interaktive Konstruktion und Vermittlung von Erkenntnis und
Fertigkeiten auf der verbalen und nonverbalen Ebene“ (Eppler/Reinhardt
2004: 2). Damit ist deutlich mehr als die übliche (und platte) Vorstellung von
„Informationstransfer“ gemeint, mit weitgehenden Konsequenzen hinsichtlich
eines notwendigerweise konstruktivistischen Kommunikationsmodells als auch
des theoretischen und methodischen Zugangs (problemorientiert und trans-
disziplinär, wie im abschließenden Kapitel von Reinhardt ausgeführt wird). Die
nun folgenden Ausführungen verstehen sich als in dieser Tradition angesie-
delt, wobei ich den Schwerpunkt auf linguistische Aspekte legen möchte (mei-
ne Stammdisziplin) sowie auf Erkenntnisse im Information Design.
In der linguistischen Verständlichkeitsforschung beschäftigt man sich schon
seit langem mit der Optimierung von Gebrauchstexten mit unterschiedlichsten
Funktionen (z.B. Gesetzestexte, Bescheide, Formulare, Gebrauchsanweisung-
en, Help-Texte, Prozessbeschreibungen, Pflichtenhefte, Schulbücher, etc.).
Wissenskommunikation 99
Hier geht es um Eigenschaften von Texten auf Wort-, Satz und Textebene, um
Gliederungsaspekte, um Fachsprache und Terminologie, um Adressatenorien-
tierung und die Optimierung unterschiedlicher Textsorten. Besonders im Be-
reich der Technischen Kommunikation werden diese Erkenntnisse erfolgreich
umgesetzt und weiter differenziert, siehe z.B. der einführende Sammelband
von Krings 1996 zu Wissenschaftlichen Grundlagen der Technischen Kommu-
nikation, die umfangreiche Arbeit von Göpferich 2002 zur Textproduktion im
Zeitalter der Globalisierung oder die Website und die Publikationen der TE-
KOM, des deutschen Fachverbands für Technische Kommunikation. Einen ähn-
lichen Ansatz wie Eppler/Reinhardt (2004) verfolgen einige Autoren aus der
Angewandten Linguistik unter dem Begriff „Transferwissenschaften“, doch
stärker fokussiert auf linguistische Fragestellungen und die Experten/Laien-
Kommunikation. Unter diesem Leitbegriff wurden einige Sammelbände her-
ausgegeben (z.B. Wichter/Antos 2001, Antos/Wichter 2005).
Mit Faktoren wie graphischer Gestaltung und Visualisierungen beschäftigt sich
das Information Design, das sich als Bindeglied zwischen klassischer graphi-
scher Gestaltung, Kognitionspsychologie und informationswissenschaftlichen
Ansätzen zur Visualisierung versteht. Robert E. Horn definiert diese Disziplin
folgendermaßen: „Information design is defined as the art and science of pre-
paring information so that it can be used by human beings with efficiency and
effectiveness“ (Horn 2000: 15). Besonders anzumerken ist bei dieser Definiti-
on, dass sowohl „art“ (kreative Gestaltung) als auch „science“ (naturwissen-
schaftliche Methoden) konstitutiv sind, anders als beim Herangehen vieler an-
derer Disziplinen an das Phänomen „Wissenskommunikation“. Im Zusammen-
spiel mit verschiedenen partizipativ orientierten Methoden des Usability Engi-
neering wie heuristische Analysen, Inspektionen oder Tests (siehe z.B. Nielsen
1999) können für unterschiedlichste Dokumente und Informationsmedien ers-
te Entwürfe hinsichtlich der Verständlichkeit getestet und die Verbesserung
optimierter Versionen abgesichert werden. Auf diese Weise kann man die Effi-
zienz von Wissenskommunikation empirisch überprüfen und kann Bewertun-
gen und Einschätzungen des „Funktionierens“ von Dokumenten auf mehr als
Vermutungen aufbauen.
Im Zusammenwirken von linguistischer Analyse und Information Design wird
es auch möglich, einen reichhaltigeren Zugang zu Phänomenen zu erzielen als
es nur aus der Tradition einer Diziplin möglich wäre. So wird etwa das für die
Wissenskommunikation wichtige Konzept der „Vereinfachung“/“simplification“
differenziert bearbeitbar, wie Waller (2011: 10) zeigt:
100 Benedikt Lutz
Waller führt dabei anschaulich aus, dass mit dem Ausdruck „Simplification“
unterschiedlichste Strategien der Veränderung von Texten gemeint sein kön-
nen, je nachdem ob es die Ausdrucksseite des Dokuments (Sprache und De-
sign), den Inhalt des Dokuments oder das Leserlebnis betrifft. Er unterschei-
det insgesamt 15 Strategien, die einander überschneiden und ergänzen kön-
nen. Die optimization strategies bezeichnet er als relativ leicht einsetzbare
hygiene factors, da sie keinen schwer wiegenden Einfluss auf den Inhalt ha-
ben (Vereinfachung der Satzstrukturen, bessere typographische Gestaltung,
informative Überschriften und Orientierungshilfen). Die transformation strate-
gies gehen deutlich weiter und benötigen eine intensivere und inhaltsorien-
tierte Diskussion hinsichtlich der Ziele der Vereinfachung für das jeweilige
Zielpublikum, da es hier häufig um Gewinn-Verlust-Relationen geht, wie z.B.:
• Deutlicher, aber länger: Texte werden deutlicher durch Beispiele oder
spezifische Darstellungsformen für unterschiedliche Leser, oder auch
durch zusätzliche Visualisierungen neben der textuellen Darstellung.
Diese Verbesserungen bewirken aber eine Erhöhung des Textumfangs.
• Kürzer, aber abstrakter: Durch die häufige Verwendung von Nominali-
sierungen oder das Weglassen von anschaulichen Details wie etwa Bei-
spielen werden Texte kürzer, allerdings auch abstrakter und dadurch
zumeist schwerer verständlich.
• Leicht verständlich, doch zu stark inhaltlich vereinfachend: Darf man
die inhaltliche Komplexität eines Sachverhalts in der Darstellung belie-
big vereinfachen (man denke etwa an komplexe Regelungen in Geset-
zen)? – Inhaltliche Komplexität sollte man optimieren (hinsichtlich des
Kommunikationsziels), und (äußere) Kompliziertheit auf der Darstel-
lungsebene sollte man minimieren.
Abbildung 3: Vereinfachungsstrategien nach Waller (2011)
Wissenskommunikation 101
Wie das Zusammenspiel verständlichkeitsfördernder Faktoren in der Praxis zu
einem verbesserten Wissenstransfer führen kann, soll nun anhand zweier
wichtiger Dokumententypen skizziert werden.
3. Pflichtenhefte sind Brückendokumente
Pflichtenhefte sind üblicherweise die Vertragsgrundlage zwischen Auftragge-
ber und Auftragnehmer und dadurch besonders wichtige Dokumente in einem
Projekt. Sie sind in ihrer Brückenfunktion zwischen Auftraggeber und Auftrag-
nehmer auch sprachlich hochinteressant, da sie eindeutig formuliert und von
allen Vertragspartnern verstanden werden müssen. Meist treffen hier mehrere
Fachsprachen aufeinander: die Sprache der fachlichen Anwendungsdomäne,
die Sprache der technischen Umsetzung, und für die rechtlich bindenden Be-
standteile die juristische Fachsprache. So sind z.B. bei einem Pflichtenheft für
eine Software-Lösung für ein Krankenhaus-Verwaltungssystem folgende Fach-
sprachen relevant: die Fachsprache der Krankenhaus-Verwaltung (mit medizi-
nischen und betriebswirtschaftlichen Anteilen), die Fachsprache der Software-
Entwicklung (Informatik, technische Umsetzung) und die juristische Fachspra-
che (Bindefristen, Pönale, Gewährleistung,…).
Ein Pflichtenheft darf weder zu detailliert noch zu oberflächlich sein: Umfang-
reiche Pflichtenhefte verschlingen sehr viel Aufwand bei der Erstellung, und
sie verringern den Interpretationsspielraum (was von den Vertragspartnern
positiv und negativ bewertet werden kann). Sie werden allerdings aufgrund
ihrer Komplexität selten im vollen Umfang gelesen und verstanden, und sind
bei Projektbeginn inhaltlich meist schon überholt (ein klassisches Phänomen
in der Softwarebranche). Kurze und oberflächliche Pflichtenhefte hingegen er-
lauben große Interpretationsspielräume und eröffnen (gewollt oder ungewollt)
viele Möglichkeiten für Claim Management. Sie sind daher nur bei großem
Vertrauen zwischen den Vertragspartnern oder bewusstem Offenlassen für
Nachverhandlungen empfehlenswert (in der Baubranche scheint das Offenlas-
sen eine weit verbreitete Strategie zu sein, bei größeren Bauprojekten wird
dem Vernehmen nach in den letzten Jahren der Einsatz hauptberuflicher Claim
Manager üblich, die nach Vertragsabschluss die Lücken im Vertrag zum Nut-
zen ihres Klienten ausreizen).
Für die Optimierung von Pflichtenheften empfehlen sich u.a. folgende Strate-
gien:
• Entwickeln und Verwenden einer gemeinsamen Terminologie, die von
Auftraggeber und Auftragnehmer sowie auch den Umsetzern möglichst
unmissverständlich interpretiert werden kann (Berücksichtigung von
internationalen Normen, Erstellen projektspezifischer Glossare,…).
102 Benedikt Lutz
• Verwenden von Beschreibungssprachen die beide Seiten verstehen, je
nach Anwendungsdomäne und Beschreibungstiefe z.B. Pläne, Dia-
gramme, Visualisierungen, Szenarien, Use Cases, Personas oder UML
(Unified Modeling Language). In diesem Zusammenhang ist erwäh-
nenswert, dass die Verwendung natürlicher Sprache aufgrund ihrer
Missverständlichkeit in den letzten Jahren zurückgeht zugunsten for-
maler und visueller Beschreibungssprachen (formale Beschreibungen
sind exakter, und visuelle Beschreibungen sind leichter nachvollziehbar
als natürliche Sprache).
• Standardisierung von Dokumentenstrukturen: einheitliche Gliederun-
gen mit Vorgaben hinsichtlich der Inhalte. Dadurch werden wichtige
Themen weniger leicht vergessen, und bei umfangreichen Dokumenten
sind spezifische Inhalte leichter auffindbar.
• Partizipatives Erarbeiten der Anforderungen: Auftraggeber und Auf-
tragnehmer verfassen gemeinsam das Pflichtenheft, ggf. mit Einbezie-
hung von Endkunden bzw. Anwendern. Dadurch ergibt sich allein schon
durch die Zusammenarbeit ein höherer Grad an gemeinsamem Ver-
ständnis.
• Zyklische Verfeinerung der Anforderungen: mehrstufiges Pflichtenheft,
beginnend mit einem relativ schmalen Rahmendokument, das zu ei-
nem Rahmenvertrag führt; in der Folge detaillierte und umsetzungsre-
levante Teil-Pflichtenhefte.
• Systematische Reviewverfahren mit unterschiedlichen Rollen: formal,
fachlich, juristisch, kaufmännisch,…
4. Besprechungsprotokolle – viel Aufwand, wenig
Wirkung?
Zu Protokollen gibt es eine reichhaltige Ratgeberliteratur, doch nur wenige
Detailuntersuchungen zur Effizienz. Auch hier ist komplexes Austarieren ge-
fragt, gute Besprechungsprotokolle sind zwar aufwändig in der Produktion,
sparen aber für die Leser viel Zeit. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass
dies oft verlorene Liebesmüh ist, denn viele Protokolle werden kaum gelesen,
bestenfalls überflogen. Diese Technik des überfliegenden Scanning haben wir
durch das Lesen im Internet perfektioniert, und auch gedruckte Protokolle
werden heute meist so gelesen. Daraus können wir für die Gestaltung von
Protokollen ableiten, dass eine übersichtliche Gliederung, Kürze, Prägnanz und
das Hervorheben der wichtigsten Ergebnisse entscheidend sind: Innerhalb
Wissenskommunikation 103
weniger Sekunden muss das Wesentliche erkennbar sein, der Rest ist Luxus
für Spezialisten.
In der Praxis scheinen sich neben den klassischen Themen, wie professionelle
Moderation und Verwendung von gut designten Vorlagen, einige neue Techni-
ken sehr zu bewähren, wie z.B. visuelles Protokollieren mit Beamer (für alle
sichtbar schon während der Besprechung die Ergebnisse mitschreiben), Ein-
bindung in Workflow-Systeme (mit automatischen todos) und automatische
Controllingschleifen (todos und Status aus der letzten Besprechung vorab kurz
abfragen).
Doch auch solche Techniken sind kein Garant für effiziente Besprechungen
und Protokolle. Jede Firma tickt anders (in Organisation, Führungsstil, hidden
agenda, Technikaffinität,…), und gut gemeint ist nicht immer gut gelöst. Da-
her sollte man durchaus auch daran denken, die Effizienz von Besprechungen
und Protokollen systematisch zu evaluieren (mittels Feedback-Runden, Usabi-
lity-Verfahren etc.), denn wir alle verbringen viel Zeit damit, und wir empfin-
den diese Zeit meist als nicht sonderlich befriedigend.
5. Fazit
Die kommunikative Effizienz vieler Abläufe und Dokumente im betrieblichen
Alltag ist uns häufig gar nicht bewusst, und dabei handelt es sich doch um
Kernprozesse in der Wissensarbeit. Daher verdient sprachliche und visuelle
Verständlichkeit auch im Wissensmanagement eine größere Beachtung als
bisher, denn hier – gewissermaßen an der Basis – kann die Effizienz und Ef-
fektivität von Wissenskommunikation untersucht und verbessert werden.
6. Literatur
Antos, G./Wichter, S. (Hrsg. 2005): Wissenstransfer durch Sprache als gesell-
schaftliches Problem. Frankfurt/M.: Peter Lang.
Barnett, R. (2007): Designing Useable Forms: Success Guaranteed. In:
http://www.bfma.org/resource/resmgr/Articles/07_46.pdf (14.6.2012)
Drucker, P. (1969): The Age of Discontinuity: Guidelines to Our Changing So-
ciety. New York: Transaction Publishing.
Engelhardt, A./Kajetzke, L. (Hrsg. 2010): Handbuch Wissensgesellschaft:
Theorien, Themen und Probleme. Bielefeld: Transcript.
Göpferich, S. (2002): Textproduktion im Zeitalter der Globalisierung. Entwick-
lung einer Didaktik des Wissenstransfers. Tübingen: Stauffenburg.
104 Benedikt Lutz
Horn, R.E. (2000): Information Design: Emergence of a New Profession. In:
Jacobson, R. (ed.): 15-33.
Jacobson, R. (Hrsg. 2000): Information Design. Cambridge, MA.: MIT Press.
Krings, H.P (Hrsg. 1996): Wissenschaftliche Grundlagen der Technischen
Kommunikation. Tübingen: Narr.
Nielsen, J. (1999): Designing Web Usability: The Practice of Simplicity. Indi-
anapolis: New Riders.
Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997): Die Organisation des Wissens. Frankfurt/M.:
Campus.
Reinhardt, R./Eppler, M. (Hrsg. 2004): Wissenskommunikation in Organisatio-
nen. Methoden – Instrumente – Theorien. Heidelberg: Springer.
Waller, R. (2011): Simplification: what is gained and what is lost. Technical
paper 1, Simplification Centre. Download unter:
http://www.simplificationcentre.org.uk/downloads/papers/SC1SimplificationG
ainedLost-v2.pdf (14.6.2012)
Wichter, S./Antos, G. (Hrsg. 2001): Wissenstransfer zwischen Experten und
Laien. Umriss einer Transferwissenschaft. Frankfurt/M.: Peter Lang.
From Ideas to Mature Knowledge
Knowledge Management Post User-Generated Content, Collaboration
and Social Media
Ronald Maier
University of Innsbruck, Dept. of Information Systems,
Production and Logistics Management
ronald.maier@uibk.ac.at
1. Connecting Social Media with Enterprise Sys-
tems to Improve Knowledge Work
More than 50 years have passed since Peter Drucker (1957) coined the term
knowledge worker and Edith Penrose (1959) presented her theory of the
growth of the firm based on organization-specific combinations of resources
which together laid the foundation for what has come to be called knowledge
management. It took another 25 years until this term and with it a noticeable
change in perspective on management became widely recognized, boosted by
prominent scholars such as Sveiby (1986), Wiig (1986) and later Nonaka
(1991), Davenport (1996), von Krogh (1998), as well as Alavi and Leidner
(2001). Since then, organisations have become knowledge-intensive to signif-
icantly accelerate innovation and improve productivity of their increasing
share of knowledge work (Drucker 1994, Wolff 2005). Knowledge intensity re-
fers to a high share of highly skilled, experienced and creative employees,
flexible operations that aim at smart products and services, a high degree of
innovations, in some industry sectors a high number of patents, central im-
portance of customer knowledge and a considerable demand for information
and communication. Compared to traditional, predominantly manual, data- or
service-oriented work, the unstructured, creative and expertise-driven
knowledge work can hardly be handled with standard management approach-
es.
Hence, numerous KM instruments have been proposed claiming to solve par-
ticular knowledge-related problems, but are not connected or integrated. A
106 Ronald Maier
wide variety of manifestations of knowledge are handled in organisations and
barriers exist in transforming knowledge of one type into knowledge of anoth-
er type handled by heterogeneous and often incompatible tools and systems.
Examples for knowledge include sketches of ideas in a personal file, pictures
and video clips including audio and textual annotations of issues and their so-
lutions, experts’ emails answering specific questions, living protocols co-
authored by several members of a project team, Wiki articles retaining les-
sons learned, ad-hoc seminars with questions and assessments of answers,
patterns recording reusable steps to fulfill services that customers repeatedly
ask for or modelled processes institutionalising legitimated organisational rou-
tines.
User-generated content, collaboration technologies and social media induce
tremendous change concerning knowledge handling at individual work places
that are connected in and beyond organisations. Driven by the stunning de-
velopments in consumer information and communication technologies (ICT),
these technologies are taken to organizations and meet with traditional enter-
prise systems. While the former seem to fit with creative tasks such as idea
generation and their further exploration in teams and communities, the latter
are at their best when it comes to institutionalizing innovations and rolling
them out while ensuring, e.g., efficiency, traceability and security. Bridging
consumer ICT with traditional enterprise systems challenges knowledge man-
agement. People performing knowledge work are often highly competent,
committed and self-organised and yet they require guidance to efficiently
align their activities for jointly exploring and exploiting knowledge.
2. Knowledge Maturing Model
Addressing this pressing need, we developed the knowledge maturing model
(Maier & Schmidt 2007) as a conceptual anchor intended to help align effi-
ciency of institutionalization and standardization with effectiveness of individ-
ual engagement and community-driven knowledge integration. Knowledge
maturing is understood as goal-oriented learning on a collective level. Goal-
oriented describes knowledge maturing as a process with a direction compris-
ing less explicit interests as well as explicitly stated objectives. Collective re-
fers to different levels of granularity including formal work groups or project
teams, informal networks, communities, organisations and the society.
Knowledge is understood as both cognitive structures bound to individuals’
minds (manifest in their behaviour) and as an abstraction of the knowledge of
individuals in a collective (manifest among others in shared artefacts). An in-
dividual learning process can contribute to advancing collective knowledge
which is what we call knowledge maturing. We use this term deliberately to
From Ideas to Mature Knowledge 107
stress the process of knowledge transiting through a number of phases rather
than the goal of maturation. We also intend to avoid confusion with organisa-
tional or process maturity frameworks because the object of maturing is not
an organisational unit or a set of processes, but the knowledge developed in
processes and organisational units.
The knowledge maturing model described here is a revision of an initial model
(Maier & Schmidt 2007) based on interpreting the findings of a series of em-
pirical, design, experimental and evaluation studies (Figure 1, see also ma-
ture-ip.eu). Maturing is seen as the developmental activities moving
knowledge of increasing maturity through the phases and the four levels of
interaction individuals, communities, organizations and societies from left to
right in Figure 1. Five phases were identified inductively and discussed with
the help of related literature (e.g., Argyris and Schön 1978, Levitan 1982,
Lave and Wenger 1991, Wegner 1986, Nonaka 1991, Wenger 1998, Crossan
et al. 1999).
Figure 1: The Knowledge Maturing Phase Model
(source:
http://knowledge-maturing.com/)
I. Emergence. Individuals create personal knowledge by pursuing their in-
terests in browsing abundant knowledge spaces inside and beyond the organi-
sation, opening up for new knowledge and the changes it might bring about.
108 Ronald Maier
Knowledge is subjective, deeply embedded in the originator’s context and the
vocabulary used for communication might be vague and restricted to the orig-
inator. The phase includes two sub-phases:
• Ia. Exploration: New knowledge is developed by individuals in highly
informal discussions or by browsing knowledge spaces inside and be-
yond the organisation. Extensive search and retrieval often result in
loads of material influencing creative processes of idea generation.
• Ib. Appropriation: New knowledge or results found in the exploration
subphase that have been enriched, refined or otherwise contextualised
with respect to their use are now appropriated by the individual, i.e.
personalised and contributions are marked so that an individual can
benefit from its future (re-)use. While many initiatives for knowledge
management have focused on sharing knowledge or even detaching
knowledge from humans as “media”, at least in a more individualistic
culture, individuals also require support for appropriation.
II. Distribution in communities. The first phase on the level of communi-
ties describes interactions between individuals driven by social motives and
the benefits that individuals typically attribute to sharing knowledge. These
are, among others, belonging to a preferred social group, thus increasing the
probability of getting knowledge back from the community when one needs it.
Distribution is not meant in the sense of a one way street of individuals con-
tributing new knowledge that they have committed to. The phase includes
discussing the new knowledge, negotiating its meaning and impact, co-
developing knowledge and a common terminology, convincing others and
agreeing plus committing to the knowledge as collective.
III. Transformation. Artefacts created in the preceding phases are often in-
herently unstructured and still highly subjective and embedded in the com-
munity context which means they are only comprehensible for people in this
community due to shared knowledge needed to interpret them. Transfor-
mation means that knowledge is restructured and put into a form appropriate
for moving it across the community’s boundaries. Structured documents are
created in which knowledge is de-subjectified, sometimes formalised using es-
tablished containers and context is made explicit to ease the transfer to col-
lectives other than the originating community.
IV. Introduction. Knowledge is prepared with a specific focus on enhancing
understandability, handed on and applied in an ad-hoc manner in training in
which selected users are instructed using didactically prepared material. We
found two primary interpretations of introduction, i.e. (1) an instructional set-
ting called ad-hoc training and (2) an experimental setting called piloting.
From Ideas to Mature Knowledge 109
• IV1. Ad-hoc training: Documents produced in the preceding phases are
typically not well suited as learning materials because no didactical
considerations were taken into account. Now the topic is refined to im-
prove comprehensibility in order to ease its consumption or re-use. In-
dividual learning objects are arranged to cover a broader subject area.
Tests allow to determine the knowledge level and to select learning ob-
jects or learning paths.
• IV2. Piloting: Knowledge is arranged in a way so that it can be applied
in a dedicated, specific experiment involving not only its creators, but
also other stakeholders. A test case helps collect experiences before a
roll-out of a product or service to an external target community, e.g.,
customers, or new organisational rules, procedures or processes to an
organisation-internal target community such as project teams, work
groups or other organisational units.
V. Standardisation. The knowledge is further solidified and formally estab-
lished in the organisation to be used in repeatable formal trainings, work
practices, processes, products or services. As in phase IV, we distinguish an
instructional setting with standardised training activities, called formal train-
ing, and an experimental setting turning pilots into standard organisational in-
frastructure, processes and practices, called institutionalisation. The term
standard, finally, can also refer to external standardisation initiatives which
are similar for both settings, transcend the organisational boundaries and
move knowledge maturing to the level of societies.
• V1a. Formal training: The subject area becomes teachable to novices.
A curriculum sequences learning content using sophisticated didactical
concepts to guide learners in their learning journeys thus increasing
the probability of successful knowledge transfer. Courses and programs
arrange learning objects covering broader subject areas, e.g., for tak-
ing on a new role or career development.
• V2a. Institutionalisation: Formalised documents learned by knowledge
workers are solidified and implemented into the organisational infra-
structure in the form of processes, business rules or standard operat-
ing procedures. In the organisation-external case, products or services
are institutionalised into the portfolio of products and services offered
by the organisation and launched on the market.
• Vb. External standardisation: The ultimate maturity sub-phase com-
prises some form of standardisation or certification. On an individual
level, qualifications and certificates confirm that participants of formal
trainings achieved a certain degree of proficiency which are compara-
ble across institutions. On an organisational level, certificates allow or-
110 Ronald Maier
ganisations to prove compliance with a set of rules that they have
agreed to fulfil. Concerning products and services, certificates show
compliance to laws, regulations or recommendations that can, should
or must be fulfilled before a product or service can be offered in a cer-
tain market.
3. Activities for Knowledge Maturing
We found 12 activities that are pursued for knowledge maturing in an ethno-
graphically informed study of seven organisations (1 small, 1 medium-sized, 5
large; all representing the service sector; 4 medium, 3 highly IT intensive)
from four European countries (Barnes et al. 2009). We subjected these to a
study involving telephone interviews with professionals representing a sample
of 126 organisations stratified according to size (42 medium-sized, 84 large),
sector (76 services, 42 industry, 8 not assignable), and knowledge intensity
(79 high, 39 low and 8 not assignable) across Europe (Kaschig et al. 2010).
Figure 2 contrasts relative importance and success of activities for knowledge
maturing (KM). The higher is perceived importance and the lower is perceived
success, the higher is the potential of supporting this activity. The shaded
background of the portfolio shows the higher potential of activities in the low-
er right corner.
Figure 2: Importance vs success of knowledge maturing activities (Kaschig et al. 2010)
From Ideas to Mature Knowledge 111
Figure 2 – legend:
1- Find resources: Find relevant digital resources
2- Embed: Embed information at individual or organisational level
3- Monitor: Keep up-to-date with organisation-related knowledge
4- Familiarise: Familiarise oneself with new information
5- Reorganise: Reorganise information at individual or organisational level
6- Reflect: Reflect on and refine work practices or processes
7- Create resources: Create and co-develop digital resources
8- Share resources: Share and release digital resources
9- Restrict: Restrict access and protect digital resources
10- Find people: Find people with particular knowledge/expertise
11- Communicate: Communicate with people
12- Evaluate: Assess, verify and rate information
4-familiarise, 11-communicate and 10-find people are deemed most im-
portant relatively to the other activities. 2-embed, 3-monitor and 6-reflect are
also above average with respect to perceived importance. All, but one activi-
ties were perceived as carrying considerable potential. 9-restrict was contro-
versial. Some consider it important not to limit knowledge sharing within the
organisational boundaries whilst protecting valuable knowledge from diluting
to competitors. Others found it generally detrimental to knowledge maturing.
10-find people and 6-reflect are most interesting, because they not only are
deemed relatively important, but also relatively unsuccessful. 6-reflect com-
prises exploring past experiences gained in semi- or unstructured work prac-
tices and structured processes. This includes contemporaneous reflection-in-
action and retrospective reflection-on-action. While organisations supporting
this activity focus on team reflection, there was no evidence for support on
the individual level. Major barriers hampered institutionalising outcomes of re-
flection into changed processes. 10-find people relates to identifying people
who can provide support for daily work-related activities. Although there are a
host of initiatives, measures and software applications established by the or-
ganisations, they are not widely diffused practices.
4. Levers and Effects of Knowledge Maturing
Although many concepts, methods and tools have been suggested for enhanc-
ing knowledge handling in organizations, there is only scarce information on
their effects on knowledge work. We analyzed technological and organization-
al arrangements deemed successful as levers and the positive effects they
evoke on knowledge maturing (Kaschig et al. 2012). In pursuing this aim, we
relied on a single, coordinated framework of study topics and a common de-
sign employing qualitative and interpretive methods, based particularly on ob-
112 Ronald Maier
servation and face-to-face interviews at the work places of 56 participants
representing seven organisations from four European countries perceiving
themselves as successful in sparking positive effects on knowledge maturing.
An aggregated view of levers and sparked effects is provided in Figure 3. The
left column depicts the levers, grouped according to five dimensions. The right
column presents the seven effects, mapped to individual, community and or-
ganizational level. The arrows represent selected relationships between levers
and effects which reflect the stories we collected in the interviews, however,
they must not be misunderstood as general cause and effect relationships.
Levers seem to form a network of cause and effect relationships, each of
which depends on other measures that have been taken. In this sense, all
measures need to be carefully designed in cooperation with other levers.
organization
community
individual
transferring
converging soliciting
levers
effects
fostering competition-based idea management
maintaining a best practice database
acting as ‘claimant‘
openness to change
strengthened informal
relationships
positive attitude towards
knowledge maturing itself
improved quality of workflows,
tasks or processes
improved accessibility of
knowledge
availability of different channels
for sharing knowledge
increased willingness to share
knowledge
guiding
providing organisational guidelines
enabling awareness and orientation
offering by supervisors and management
performing benchmarks
allocating competence in projects
enabling collaborative learning
conducting workshops on specific topics
reg. sharing
providing a flexible working space
offering formal trainings at regular intervals
conducting regular (team) meetings
fostering conducting community of practice
fostering reflection by enabling purpose-oriented task groups
employing technology-enhanced boundary objects
improving access to documented knowledge
installing one supervisor for teams in different subsidiaries
Figure 3: Levers and effects on knowledge maturing (Kaschig et al. 2012)
5. Conclusion
Knowledge maturing is a novel perspective on knowledge development in and
across organisations that helps making sense of social media and the para-
digm shift in the individual’s role in knowledge management. This paper re-
flects on results of a series of empirical studies that we use to refine and fur-
ther develop theories explaining organisational knowledge creation. Our re-
sults support the importance of all levels of interaction from idea to mature
knowledge, spanning from the individual over communities and social constel-
lations in varying forms, the formal organisational level within its institutional
From Ideas to Mature Knowledge 113
boundaries to the final, cross-organisational level of societies on which stand-
ardisation beyond single organisations takes place.
The knowledge maturing model is inclusive reflecting that every employee can
contribute ideas and play a decisive role in sparking new waves of knowledge
maturation in a self-directed way as well as guiding others. They can de-
scribe, explain and promote promising new task patterns, processes and prac-
tices and look for fellows committed to propel these initiatives and to claim
change. The knowledge maturing model and these recommendations address
Drucker’s challenge of improving productivity of knowledge work. Pursuing
this approach aids resolving conflicts between limited enterprise systems and
shifting expectations of self-confident 21st century knowledge workers driven
by the pace of innovation in consumer ICT in general and user-generated con-
tent, collaboration technologies and social media in particular.
Acknowledgement
This work was co-funded by the European Commission under the Information
and Communication Technologies theme of the 7th Framework Programme,
Integrating Project MATURE (Contract No. 216356, http://mature-ip.eu).
6. References
Alavi, M., Leidner, D. E. (2001): Review: Knowledge Management and Knowl-
edgeManagement Systems: Conceptual Foundations and Research Issues, in:
Management Information Systems Quarterly - MISQ, Vol. 25, No. 1, 107-136
Argyris, C., Schön, D. (1978): Organisational Learning: A Theory of Action
Perspective, Reading (MA)
Barnes, S.-A., Bimrose, J., Brown, A., Feldkamp, D., Franzolini, P., Kaschig,
A., Kunzmann, C., Maier, R., Nelkner, T., Sandow, A., Thalmann, S. (2009):
Knowledge Maturing at Workplaces of Knowledge Workers: Results of an Eth-
nographically Informed Study, in: Proceedings of the I-KNOW 09 9th Interna-
tional Conference on Knowledge Management and Knowledge Technologies,
2.-4. September 2009, Graz
Crossan, M.M., Lane, H.W., and White, R.E. (1999): An Organisational Learn-
ing Framework: From Intuition to Institution. Academy of Management Re-
view. Vol. 24, No. 3, 522-537
Davenport, T.H.; Jarvenpaa, S.L.; Beers, M.C. (1996): Improving Knowledge
Work Processes, in Sloan Management Review, Vol. 37, No. 4, Summer 1996,
53-65
114 Ronald Maier
Drucker, P. F. (1957): Landmarks of tomorrow. New York
Drucker, P. F. (1994): The age of social transformation. The Atlantic Monthly,
Vol. 274, No. 5, 53-80
Kaschig, A.; Maier, R.; Sandow, A.; Lazoi, M.; Barnes, S.-A.; Bimrose, J.;
Bradley, C.; Brown, A.; Kunzmann, C.; Mazarakis, A. and Schmidt, A. (2010).
Knowledge Maturing Activities and Practices Fostering Organisational Learn-
ing: Results of an Empirical Study, in: Wolpers, M., et al. (eds.), Proceedings
of ECTEL 2010, Berlin, 151-166
Kaschig, A.; Maier, R.; Sandow, A.; Brown, A.; Ley, T.; Magenheim, J.;
Mazarakis, A.; Seitlinger, P. (2012): Technological and Organizational Ar-
rangements Sparking Effects on Individual, Community and Organizational
Learning. In: Ravenscroft, A.; Lindstaedt, S.; Delgado Kloos, C.; Hernández-
Leo, D.: 21st Century Learning for 21st Century Skills. Proceedings of EC-TEL
2012, Heidelberg, 180-193
Lave, J., Wenger, E. C. (1991): Situated Learning: Legitimate Peripheral Par-
ticipation, Cambridge
Levitan, K. B. (1982): Information Resources as „Goods” in the Life Cycle of
Information Production, in: Journal of the American Society for Information
Science, Vol. 33, January 1982, 44-54
Maier, R. (2007): Knowledge Management Systems. Information and Com-
munication Technologies. 3rd ed., Berlin
Maier, R., Hädrich, T., Peinl, R. (2009): Enterprise Knowledge Infrastructures,
2nd ed., Berlin
Maier, R., Schmidt, A. (2007): Characterizing Knowledge Maturing. A Concep-
tual Process Model for Integrating E-Learning and Knowledge Management,
in: Proceedings of the 4th Conference on Professional Knowledge Manage-
ment, Potsdam
Nonaka, I. (1991): The Knowledge-Creating Company, in: Harvard Business
Review, Vol. 69, No. 11-12, 96-104
Penrose, E. (1959) The Theory of the Growth of the Firm, New York
Sveiby, K.-E., Risling, A. (1986): Kunskapsföretaget (in Swedish; the
knowledge company), Malmö 1986; English edition: Sveiby, K.-E., Lloyd, T.:
Managing Knowhow, London 1987
von Krogh, G. F. (1998): Care in Knowledge Creation, in: California Manage-
ment Review, Vol. 40, No. 3, 133-153
From Ideas to Mature Knowledge 115
Wegner, D. M. (1986): Transactive Memory: A Contemporary Analysis of the
Group Mind, in: Mullen, B., Goethals, G. R. (eds.): Theories of Group Behav-
iour, New York, 185-208
Wenger, E. (1998) Communities of Practice. Learning, Meaning, and Identity.
Cambridge
Wiig, K.M. (1986): Management of Knowledge: Perspectives of a New Oppor-
tunity, in: Bernold, T. (ed.): User Interfaces: Gateway or Bottleneck?, Pro-
ceedings of the Technology Assessment and Management Conference of the
Gottlieb Duttweiler Institute Rüschlikon/Zurich (CH), 20 - 21 October, 1986,
Amsterdam 1988, 101-116
Wolff, E. N. (2005): The growth of information workers, in: Communications
of the ACM, Vol. 48, No. 10, 37-42
Veränderung aus Sicht von Neuroleadership
Was muss man als Führungskraft über das menschliche Gehirn
wissen, um erfolgreich Veränderung zu managen?
Manuel Nagl
Donau-Universität Krems, GPM Management Consulting GmbH
manuel.nagl@donau-uni.ac.at
1. Hintergrund
So wie die Anzahl organisationaler Veränderungsprozesse rasant zunimmt,
nimmt auch die Anzahl gescheiterter Veränderungsprojekte stetig zu. Im Sog
der obersten Devise schnell, flexibel und effizient auf Wandel reagieren zu
können, vernachlässigen Unternehmen die mentalen Kapazitäten und Limits
ihrer Mitarbeiter. Das kann zu Veränderungsunwilligkeit, chronischer Überlas-
tung und, im schlimmsten Fall, zu Burnout führen. Kompetent mit Verände-
rung umzugehen ist eine der wichtigsten Kompetenzen in der immer schnell-
lebigeren (Wirtschafts-)Welt. Aus Sicht von Neuroleadership geht der Artikel
deshalb der Frage nach, wie viel Veränderung denn eigentlich das menschli-
che Gehirn verträgt, welche Folgen der ständige Veränderungsdruck auf unse-
ren Denkapparat hat und wie man gehirngerecht Veränderungen managen
kann.
2. Gewohnheiten gehören zu unserem Alltag
Unser Alltag besteht zu großen Teilen aus Gewohnheiten. Beginnend mit dem
allmorgendlichen Waschritual, über den ersten Kaffee in der Arbeit bis hin
zum Einschalten des Computers inklusive dem Checken der Emails. Darüber
hinaus ist auch vieles von dem was man allgemeinhin als Expertise oder
Kompetenz bezeichnet nichts anderes als zur Gewohnheit gewordenes Wis-
sen. Dem bewussten Denken nicht zugänglich, hat sich dabei über die Zeit,
oftmals über viele Jahre hinweg, Wissen so automatisiert, dass man darauf
zurückgreifen kann, ohne bewusst nachdenken zu müssen. Ein Großmeister
118 Manuel Nagl
im Schach erkennt auf dem Brett vor sich Muster und führt unbewusst den
richtigen Zug aus, ohne bewusst alle Varianten durchspielen zu müssen. Ein
Profigolfer muss nicht bewusst darüber nachdenken, wie er optimal seinen
Schlag ausführen sollte (siehe z.B. Beilock et al. 2002). Der Autopilot des Ge-
hirns erledigt das für ihn. Gewohnheiten sind für das menschliche Gehirn ele-
mentar. Sie sind sowohl die Grundlage und das Resultat von Veränderung.
Ohne sie wäre unser Gehirn denk- und handlungsunfähig und könnte Verän-
derungen nicht erfolgreich bewältigen.
3. Neues Führungsselbstverständnis durch Neuro-
leadership
Rasante technische und methodische Entwicklungen auf dem Gebiet der Hirn-
forschung haben dazu geführt, dass wir heute dazu in der Lage sind, dem
menschlichen Gehirn unmittelbar beim Denken und Fühlen zuzusehen. Ganz
neue Einblicke in mentale Prozesse wie die des Entscheidens, des Planens, des
Problemlösens aber auch der Vertrauensbildung, der Kooperation oder der
Empathie werden dadurch möglich.
Neuroleadership trägt diese Erkenntnisse in die Führungspraxis, um damit das
Verhalten von Führungskräften und Mitarbeiter besser zu verstehen (Rock
2011). Es zeigt sich, dass viele Elemente der gängigen Führungspraxis an den
Erfordernissen und Bedürfnissen des menschlichen Gehirns vorbeigehen und
somit erfolgreichem Führen im Weg stehen. Ziel von Neuroleadership ist es
daher, Führungskräfte dafür zu sensibilisieren, was dem menschlichen Gehirn
wichtig ist und wie es in kritischen Situationen reagiert. Dadurch werden sie
unterstützt ihr eigenes Denken und Handeln sowie das ihrer MitarbeiterInnen
in einem anderen Licht zu sehen, mit dem Ziel einen gehirngerechteren Füh-
rungsstil zu entwickeln.
Gerade was Veränderungsprozesse in Unternehmen betrifft, kann uns die
Hirnforschung wesentliche Inputs zum besseren Verständnis individueller Ver-
änderung geben. Sie kann uns dafür sensibilisieren, was im Gehirn während
Veränderungsprozessen abläuft bzw. wie es auf Veränderung reagiert.
Dadurch gewinnen Führungskräfte eine neue Sichtweise auf Change im All-
gemeinen und Gewohnheiten im Besonderen, wodurch sie Veränderungen ef-
fizienter und vor allen Dingen gehirngerechter steuern und begleiten können.
Veränderung aus Sicht von Neuroleadership 119
4. Das Gehirn hat sein eigenes Veränderungs-
tempo
Wer kennt sie nicht: Die Parole, wonach Unternehmen nur dann überleben
können, wenn sie schnell und flexibel auf Marktdynamiken und technologi-
schen bzw. sozioökonomischen Wandel reagieren und sich permanent
(mit)verändern. Was wäre aber, wenn das menschliche Gehirn nur dann über-
leben könnte, wenn es genügend Zeit für Veränderung hat bzw. auf eine Pha-
se der intensiven Veränderung eine Phase der Konsolidierung folgt? Gerade
wenn schnelle Anpassung und Veränderung zu den wichtigsten Faktoren wirt-
schaftlichen Erfolgs gehören, muss der Veränderungsprozess gehirngerecht
gestaltet werden.
Ein fataler Fehler, den viele Führungskräfte zum Leidwesen der Mitarbeiter
häufig begehen, ist die Vernachlässigung der menschlichen Veränderungsre-
sistenz bzw. der von Mensch zu Mensch höchst individuellen Veränderungsge-
schwindigkeit. Das Hauptproblem hierbei ist, dass die unternehmensstrate-
gisch vorgegebenen Veränderungsgeschwindigkeiten in der Regel so gar nicht
mit den Veränderungstempi des menschlichen Gehirns übereinstimmen.
So wird für Change Management Prozesse wie der strategischen Entwicklung
einer transparenten Wissenskultur gerne einmal eine Projektdauer von 4-6
Monaten oder noch kürzer veranschlagt. Die Implementierung eines neuen
Wissensmanagementsystems müsste eigentlich in 2-3 Monaten möglich sein.
Und die Einführung einer neuen, unternehmensweiten Qualitätsmanagement-
prozesslogik sollte eigentlich in unter einem Monat machbar sein. Optimaler-
weise sollte jeder einzelne Mitarbeiter noch so viel Flexibilität aufbringen, dass
alle drei Veränderungsprojekte gleichzeitig über die Bühne gehen können.
Wundert es da einen noch, dass Mitarbeiter veränderungsresistent werden.
Kann man das einem Mitarbeiter zumuten? Aus Sicht der Hirnforschung ein-
deutig „Nein“.
5. Veränderung ist für das Gehirn anstrengend
Veränderung erfordert das Erlernen neuer Verhaltensweisen bzw. das Adap-
tieren alter Verhaltensweisen an neue Gegebenheiten. Für das menschliche
Gehirn ist das ein ressourcenintensiver Prozess, der für den Menschen auch
spürbar anstrengend ist. Permanenter Veränderungsdruck führt relativ schnell
zu einer Überlastung des Gehirns (in der Forschung auch als cognitive load
bekannt, siehe z.B. Sweller 1988). Es hat nicht mehr genügend Zeit Gewohn-
heiten zu entwickeln und muss daher alles bewusst verarbeiten. Bewusste
Verarbeitung kostet mehr Energie als unbewusste und hat klar begrenzte Ka-
120 Manuel Nagl
pazitäten, wodurch das Gehirn früher oder später unter dem Informationsver-
arbeitungsdruck zusammenbricht. Die Folgen sind Überlastung, Stress am Ar-
beitsplatz bzw., in schlimmen Fällen, Burnout und andere psychisch bedingte,
gesundheitliche Probleme.
6. Veränderungsresistenz als Energiesparmodus
des Gehirns
Gerne interpretiert man die fehlende Veränderungsbereitschaft des Mitarbei-
ters, die sich z.B. in Form mangelnden Commitments bei der Einführung eines
neuen Wissensmanagementsystems äußert, als Faulheit, Bequemlichkeit oder
Unmotiviertheit. In manchen Fällen mag man damit richtig legen, in den
meisten Fällen steckt allerdings eine ganz andere Ursache dahinter: das Ge-
hirn will Energie bzw. Ressourcen sparen. Gewohnheiten bzw. Automatismen
sind eine überlebensnotwendige Strategie des Gehirns, trotz immer neu ein-
strömender Informationen, denk- und handlungsfähig zu bleiben. Kurzum:
Gewohnheiten entlasten das Gehirn. Man muss sich nicht mehr ständig fra-
gen, was, warum und wie man etwas tut. Der Autopilot des Gehirns erledigt
es automatisch. Bewusste und deshalb anstrengende und energieraubende
Denkprozesse können sich eine Auszeit nehmen. Kein Wunder also, dass es
uns Menschen so schwer fällt, uns zu verändern.
7. Bei Veränderungen finden im Gehirn Umbau-
prozesse statt
Bis Wissen bzw. Verhaltensweisen so automatisiert sind, dass man während
des Tuns nicht mehr bewusst darüber nachdenken bzw. deren Ausführung
bewusst kontrollieren muss, dauert das, laut neuesten Studien, viele Monate,
wenn nicht gar Jahre (Lally et al. 2009). Im Gehirn finden dabei Umbaupro-
zesse statt, die ganz einfach ihre Zeit brauchen. Unbewusstes Wissen wird an
anderen Orten gespeichert, als bewusstes. So müssen bereits „einfache“ Tä-
tigkeiten wie Spazierengehen über viele Monate regelmäßig wiederholt wer-
den, damit daraus eine Gewohnheit werden kann, die regelmäßig praktiziert
wird. Was komplexere mentale Prozess angeht, sprechen wir von noch ganz
anderen Dimensionen. Auch der talentierteste Schachspieler benötigt viele
Jahre harten Trainings, will er irgendwann einmal das Level eines Schach-
großmeisters erreichen. Auf Basis solcher Zeitdimensionen kann man als Füh-
rungskraft ungefähr einschätzen, wie lange Veränderungsprozesse dauern
müssen, damit die Mitarbeiter hirneffiziente Automatismen entwickeln kön-
nen.
Veränderung aus Sicht von Neuroleadership 121
Das bedeutet für die unternehmensweite Einführung und Implementierung ei-
nes neuen Wissensmanagementsystems, um zum obigen Beispiel zurückzu-
kehren, dass 2-3 Monate eine viel zu kurze Zeitspanne darstellen. Nicht nur
müssen die Mitarbeiter neue Verhaltensweisen in Bezug auf den Umgang mit
einer neuen Technologie erlernen, sondern ebenso Gewohnheiten was das
(Selbst-)Verständnis einer neuen Kultur des Wissenstransfers angeht.
Besonders gefordert sind Mitarbeiter bei der Einführung von Enterprise 2.0,
was, zumindest teilweise, einen komplett neuen Zugang zu Themen der Wis-
sensspeicherung oder auch der Wissensvermittlung erfordert. Der Grad der
Belastung des Mitarbeitergehirns hängt dabei davon ab, inwieweit neue Ge-
wohnheiten „from scratch“, also von null, erlernt bzw., im Extremfall, alte
Gewohnheiten komplett durch neue ersetzt werden müssen. Beispiel für ers-
teres wäre ein Wiki, das neben den herkömmlichen Informations- und Kom-
munikationskanälen (Email, Telefon, face-to-face) nebenher läuft. Beispiel für
letzteres wäre die Substituierung eines Großteils des unternehmensinternen
Email-Verkehrs durch Chat- bzw. Messenger-Systeme.
8. Ohne ausreichend Zeit und regelmäßige Wie-
derholung keine Gewohnheiten
Das menschliche Gehirn stößt insbesondere dann an seine Grenzen, wenn in-
nerhalb kürzester Zeit alte Gewohnheiten von neuen abgelöst werden müs-
sen. Denn der Sinn von Gewohnheiten ist ja, dass sie stabil sind, um nicht in
Gefahr zu laufen, ständig neu erlernt werden zu müssen bzw. vergessen zu
werden. Deshalb speichert sie das Gehirn auch an einem anderen, vor äuße-
ren oder inneren Einflüssen bestmöglich geschützten Ort ab.
Damit die Substituierung des unternehmensinternen Email-Verkehrs durch
Chat- bzw. Messenger-Systeme daher erfolgreich verlaufen kann, muss man
dem Gehirn Zeit und regelmäßige, kontinuierliche Praxis geben. Sobald der
Schlendrian einkehrt, haben Gewohnheiten keine Chance sich zu entwickeln.
Ein- oder zweimaliges wöchentliches Aussetzen reicht dabei meistens schon
aus, um gerade sich entwickelnde Gewohnheiten auf Eis zu legen.
Die große Kunst der Steuerung und Begleitung von Veränderungsprozessen
liegt darin, die individuellen Veränderungstempi der Mitarbeiter auf Basis ihrer
bereits erworbenen Gewohnheiten zu berücksichtigen. Ein Mitarbeiter, der
sich in seinem Privatleben regelmäßig auf Social Media Plattformen herum-
treibt bzw. seinen eigenen Blog unterhält, wird sich schneller an die Verwen-
dung von Enterprise 2.0 gewöhnen als jemand, der sich bereits seit Jahren
dagegen verwehrt einen Facebook-Account zu eröffnen bzw. der Blog noch
mit „ck“ schreiben würde.
122 Manuel Nagl
Um die maximal zumutbare Veränderungsgeschwindigkeit eines Mitarbeiters
ungefähr vorhersagen zu können und damit planbar zu machen, wäre der Ein-
satz von Gewohnheitsprofilen sicher eine sinnvolle Option. Die Forschung
kann uns hier mit Skalen versorgen, die den Grad des bereits entwickelten
Automatismus während des Lernens einer neuen Verhaltensweise messbar
machen (siehe z.B. Verplanken & Orbell 2003). Kriterien für die Beurteilung
des jeweiligen Grades an Automatisierung wären z.B. die Häufigkeit mit der
die zu erlernende Verhaltensweise bereits in der Vergangenheit ausgeübt
worden ist (je häufiger desto stärker ist die Gewohnheit ausgeprägt) oder der
Grad der mentalen Anstrengung während deren Ausübung (je weniger mental
anstrengend desto stärker ist die Gewohnheit ausgeprägt).
9. Automatisierung von Verhalten setzt mentale
Ressourcen frei
Die Vorteile von Gewohnheiten bzw. automatisierten Verhaltensweisen liegen
nicht nur in der mentalen Ressourcenschonung sondern auch in der unbe-
grenzten Kapazität, was deren parallele Ausführbarkeit anbelangt. Wie wir
später noch genauer erfahren werden, gelangt das menschliche Gehirn bereits
an seine Grenzen, wenn es zwei bewusste Tätigkeiten, wie z.B. Rechnen und
Schreiben gleichzeitig ausführt. Gewohnheiten sind von dieser Einschränkung
nicht betroffen. Sobald Verhaltensweisen zur Gewohnheit geworden sind,
kann eine große Anzahl von mentalen Prozessen bzw. Verhaltensweisen, bei-
nahe unbeschränkt, parallel ausgeführt werden. Das erhöht sowohl die Ar-
beitseffizienz des Mitarbeiters und schützt ihn gleichzeitig vor mentaler Über-
lastung.
Ein automatisierter bzw. zur Gewohnheit gewordener Umgang mit Enterprise
2.0 Technologien setzt somit mentale Ressourcen frei. Das Gehirn kann seine
Kapazitäten wieder voll denjenigen mentalen Prozessen, die für die bewusste
Steuerung von organisationalen Veränderungsprozessen notwendig sind,
widmen. Und diese verlangen die volle Aufmerksamkeit unseres Denkappara-
tes.
10. Ohne Gewohnheiten kein Multitasking
Können Sie sich noch an Ihre ersten Radfahrversuche erinnern oder Ihre ers-
ten Fahrstunden mit dem Auto? Können Sie sich noch daran erinnern, wie an-
strengend, nervenaufreibend und gefährlich es war, nur eine Stunde Rad oder
Auto zu fahren, ohne die hierfür notwendigen Automatismen entwickelt zu
haben? Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie müssten während Ihrer ersten Rad-
Veränderung aus Sicht von Neuroleadership 123
fahrversuche telefonieren und während Ihrer ersten Autofahrversuche das
neue Navigationsgerät bedienen. Glauben Sie, Sie können dabei noch die Ba-
lance halten bzw. eine gerade Streckenführung bewahren?
Die Forschung spricht hier von der sog. dual task interference (Pashler 1994),
was nichts anderes bedeutet, als dass die Fehleranfälligkeit bei einer Tätigkeit
zunimmt (also in unserem Fall beim Rad- oder Autofahren), wenn man eine
zweite Tätigkeit parallel dazu ausführt (in unserem Fall das Telefonieren bzw.
die Bedienung des Navigationsgerätes). Das Gehirn verhält sich hier in etwa
so wie ein untrainierter Muskel - bei zu starker Belastung „übersäuert“ es.
Wenn eine der beiden Tätigkeiten allerdings zur Gewohnheit geworden ist,
sollte die Fehleranfälligkeit trotz der zweiten Tätigkeit kaum bis gar nicht zu-
nehmen. D.h. wenn das Autofahren zur Gewohnheit geworden ist, können wir
trotz Bedienung des Navigationsgerätes relativ konstant geradeaus fahren. In
diesem Fall verhält sich unser Gehirn ebenfalls wie ein Muskel, allerdings wie
ein trainierter.
Gewohnheiten schützen uns also einerseits vor Überlastung unseres Gehirns,
andererseits ermöglichen sie uns aber auch das zeitgleiche Erlernen neuer
Verhaltensweisen bzw. das zeitgleiche Ausführen anderer Tätigkeiten. Oder
anders formuliert: Gewohnheiten schaufeln uns Speicherplatz frei, den wir für
ressourcenintensivere, mentale Prozesse wie die des Problemlösens oder des
Planens unbedingt benötigen. Und gerade letztere sind in organisationalen
Veränderungsprozessen, wenn es z.B. um effizientes Umsetzungscontrolling
oder Feinanpassungen in der strategischen Stoßrichtung geht, von enormer
Bedeutung.
11. Fazit
Die Kompetenz einer gehirngerechten Gestaltung von Veränderung muss in-
tegraler Bestandteil eines zeitgemäßen Führungsstils sein. Da der vielbe-
schworene „Change“ seinen Ursprung im menschlichen Gehirn hat, dürfen
Veränderungsprozesse nicht daran vorbei gestaltet werden. Die Hirnfor-
schung, im speziellen Neuroleadership, kann dabei helfen, die Qualität von
Veränderung auf ein neues Niveau zu heben. Davon profitieren nicht nur die
Führungskraft oder das Unternehmen als Ganzes, sondern insbesondere der
Mitarbeiter als Hauptträger von Veränderung.
12. Literatur
Beilock, S. L./Carr, T. H./MacMahon, C./Starkes, J. L. (2002): When paying
attention becomes counterproductive: Impact of divided versus skill-focused
124 Manuel Nagl
attention on novice and experienced performance of sensorimotor skills. Jour-
nal of Experimental Psychology: Applied 8 (1): 6-16.
Lally, P./van Jaarsveld, C./Potts, H.W.W, Wardle, J. (2009): How are Habits
Formed: Modelling Habit Formation in the Real World. European Journal of
Social Psychology 40 (6): 998-1009.
Pashler, H. (1994): Dual-Task Interference in Simple Tasks: Data and Theory.
Psychological Bulletin 116 (2): 220-244.
Rock, D. (2011): Brain at Work: Intelligenter arbeiten, mehr erreichen. Cam-
pus Verlag: Frankfurt am Main.
Sweller, J. (1988): Cognitive Load during Problem Solving: Effects on Learn-
ing. Cognitive Science 12 (2): 257-285.
Verplanken, B./Orbell, S. (2003): Reflections on past behavior: A self-report
index of habit strength. Journal of Applied Social Psychology 33 (6): 1313-
1330.
Blinde Flecken des Wissensmanagements
Richard Pircher
Fachhochschule des bfi Wien
richard.pircher@fh-vie.ac.at, http://richard-pircher.net
1. Zielsetzung
Ziel dieses Beitrages ist es, Thesen darüber aufzustellen, welche relevanten
Themen und Inhalte in der Praxis des Wissensmanagements im Jahr 2013
nicht oder nicht ausreichend wahrgenommen werden. Der „blinde Fleck“ wird
hier als Metapher verwendet für etwas, das zwar da ist, aber von einem Be-
obachter oder beobachtenden System nicht wahrgenommen wird. Wir alle be-
sitzen (zumindest) einen physischen blinden Fleck, nämlich dort, wo in unse-
ren Augen der Sehnerv das Auge verläßt. Der wohl interessanteste Aspekt an
diesem und anderen blinden Flecken ist, dass wir sie nicht sehen: „Wir sehen
nicht, dass wir nicht sehen.“ (Foerster 1993). Da der Weg zum Erkennen des
Unerkannten ein uneindeutiger, rückbezüglicher und teilweise widersprüchli-
cher Prozess ist, sind die hier aufgestellten Thesen als explorative, nicht empi-
rische fundierte und deshalb auch subjektive Diskussionsanregungen zu ver-
stehen. Sie werden hier etwas zugespitzt dargestellt, um unter Umständen ei-
nen Teilschritt in einem Prozess zu bilden, in dem wir Neues entdecken könn-
ten – sei es innerhalb des Wissensmanagementdiskurses oder außerhalb.
2. Einige Ausgangspunkte
2.1. Der Wissensbegriff
Der Begriff „Wissen“ wurde im (Wissens)managementkontext epistemologisch
umfangreich erörtert und differenziert (z.B. Blackler 1995). Dass es innerhalb
dieses vielgestaltigen „Wissens“ eindeutig differenzierbare Unterarten gäbe,
scheint eine allgemein akzeptierte Tatsache im Wissensmanagement zu sein,
zumindest die Kategorien des expliziten und des impliziten Wissens. Dass es
126 Richard Pircher
sich dabei aber vielmehr um ein Kontinuum als um diskrete Kategorien han-
deln dürfte, scheint einen wesentlichen Unterschied für die praktische Umset-
zung zu machen (vgl. Schütt 2003). Die Vielschichtigkeit von Wissen soll hier
in diesem Sinne durch eine bildhafte Metapher beschrieben werden: Wasser,
das so wie Wissen fast allgegenwärtig und lebensnotwendig ist, kommt in den
drei Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig vor (vgl. Reinmann-
Rothmeier 2001). Wissen kann ebenso wie Eis in gut greifbarer Form verpackt
sein, beispielsweise in Protokollen, Dokumentationen, dem Intranet, etc. In
dieser Form ist es überwiegend sprachlich expliziert, häufig auch dokumen-
tiert, idealerweise leicht auffindbar, kann aber in der Regel nicht direkt ange-
wandt werden. Vor der Anwendung ist meist zu erfassen, wie konkret die Si-
tuation bzw. der Kontext für die Anwendung beschaffen ist. Es kann häufig
vom jeweiligen Rezipienten nicht sofort verstanden werden. In dieser Form
stellt es nur potentielles Wissen dar, weil es erst bewertet und vernetzt wer-
den muss, um sinnvoll angewandt werden zu können.
Wissen kann auch in flüssiger bzw. anwendungsorientierter Form vorliegen.
Dieses Wissen wird häufig verwendet, entsteht aus der Erfahrung, in Semina-
ren, etc., ist überwiegend gut kommunizierbar (z. B. wenn jemand einge-
schult werden soll) und und liegt teilweise in dokumentierter Form vor. Wie
Wasser ist es zwar greifbar, rinnt aber schnell zwischen den Fingern davon.
Wieviel haben Sie beispielsweise genau im letzten Seminar gelernt und wie
lässt sich dieser Nutzen in Relation zu den Kosten setzen? Obwohl dieses Wis-
sen nicht oder nur ansatzweise quantifizierbar ist, stellt es das Rückgrat der
organisatorischen Abläufe dar, weil ohne dieses Wissen keine Handlungen
möglich wären.
Dampfförmiges Wissen ist überwiegend unbewusst und kaum zu kommunizie-
ren bzw. stillschweigend (vgl. auch Roehl 1998, Roehl 2002, Güldenberg /
Helting 2004). Diese Form von Wissen macht meist den Status von Schlüssel-
personen aus und ermöglicht Höchstleistungen auf individueller und organisa-
torischer Ebene.
Abbildung 1: Verschiedene „Aggregatszustände“ von Wissen
(vgl. Reinmann-Rothmeier 2001)
Blinde Flecken des Wissensmanagements 127
Wissen kann man als Input in einen Prozess betrachten, was als Paketmodell
bezeichnet wurde, weil es wie eine materielle Ressource betrachtet wird. Im
Gegensatz dazu betont das Interaktionsmodell, dass Wissen eine Konstruktion
über Realität ist und im Prozess entsteht (Schneider 1996). Wohl-
and/Wiemeyer betonen mit systemtheoretischem Hintergrund den Unter-
schied zwischen Wissen im Sinne von unwidersprochenen Aussagen und Kön-
nen als „Fähigkeit problemlösend zu handeln“ (2012, S. 161 f.).
2.2. Wissensmanagement
Bereits 2005 sammelten Heisig / Orth 160 Wissensmanagementmodelle und
Frameworks aus Theorie und Praxis. Da es nicht das Wissensmanagementmo-
dell gibt, möchte ich hier ein aus meiner Sicht für die praxisorientierte Orien-
tierung sehr anschauliches Basismodell des Wissensmanagements (Abbildung
2) erwähnen. Es unterscheidet zwei Teilsysteme in Organisationen, nämlich
das soziale und das dokumentarisch-technische. Die Menschen im sozialen
Teilsystem besitzen Wissen in Wissensgebieten, die sich teilweise überlappen.
Dieses Wissen ist die Grundlage für Handlungen, Abläufe und Prozesse in der
Organisation, die Mehrwert und Produktivität schaffen. Durch die wissensba-
sierten Aktivitäten werden Erfahrungen mit Lernpotential gesammelt. Die
Menschen können durch das „learning-by-doing“ bewusst oder unbewusst ler-
nen und neue oder veränderte Erwartungshaltungen, neues Wissen aufbauen.
Die Interaktion miteinander bietetet ebenfalls ein wichtiges Lernpotential. Sie
schließt auch das Beobachten ohne verbale Reflexion ein.
Im Ablaufprozess werden Protokolle, Beschlüsse, Erkenntnisse, etc. dokumen-
tiert und gehen in dieser Form in das dokumentarische und technische Teil-
system ein. Um Nutzen zu stiften, müssen diese Dokumentationen von Men-
schen abgerufen und zu Wissen verarbeitet werden. Dann können sie wiede-
rum die Grundlage von (veränderten) Handlungen darstellen.
Relevanz besitzen die Dokumentation (Kodifizierung, Hansen et. al. 1999) und
das Wissen nur dann für die Organisation, wenn sie etwas zur Zielerreichung
beitragen. Die Daten an sich bilden keinen Mehrwert. Gelernt kann auch ohne
Dokumentation (Personalisierung) werden, aber auch das geschieht nicht im-
mer von selbst. Die jeweils einzigartige Organisationskultur beeinflusst sowohl
die Art und Weise der Zielvorgabe und Erreichungskontrolle als auch die Ab-
läufe im sozialen und im dokumentarisch-technischen Teilsystem.
128 Richard Pircher
Abbildung 2: Adaptiert aus Basismodell Wissensmanagement
(vgl. Wissensmanagement Forum 2007)
Aus diesem Basismodell läßt sich noch nicht ableiten, welche Instrumente
eingesetzt werden können und was konkret in einer bestimmten Ausgangssi-
tuation zu tun wäre. Eine Vielzahl an Instrumenten wird in der Literatur für
den Einsatz im Wissensmanagement vorgeschlagen, die überwiegend nicht
vom oder für das Wissensmanagement entwickelt wurden, sondern aus ande-
ren Entwicklungssträngen stammen, aber entsprechende Zielsetzungen unter-
stützen (vgl. Mittelmann 2011, Pircher 2010, Killian et al. 2007, Mittelmann
2005, Stary et al. 2013). Was für den jeweiligen organisatorischen Kontext
passt, kann durch Analysemethodiken ermittelt werden (z.B. Sammer 2009,
siehe für einen Überblick auch Pircher 2010, S. 33 ff.).
Welche Themen im Wissensmanagement für EinsteigerInnen von Bedeutung
sind kann aufgrund folgender, nicht repräsentativer Zahlen zumindest erahnt
werden. Es handelt sich dabei um Ergebnisse aus von mir durchgeführten
Wissensmanagementtrainings mit insgesamt 92 TeilnehmerInnen aus unter-
schiedlichen Organisationen und Organisationsbereichen in Unternehmen und
der öffentlichen Verwaltung (zu je rund 50%). Die zehn am häufigsten ge-
nannten Fragestellungen und Zielsetzungen für Wissensmanagement waren
(Summe: 88,29%):
Blinde Flecken des Wissensmanagements 129
• Organisationskultur verändern (11,17%)
• Sicherung des vorhandenen Wissens verbessern (Fluktuation, Pensio-
nierungen, etc.) (10,81%)
• Transparenz und Zugänglichkeit von vorhandenem Wissen (dokumen-
tiert oder personengebunden) verbessern (10,63%)
• Dokumentation von bestehendem Wissen verbessern (10,27%)
• Bestehendes Wissen identifizieren (9,91%)
• Entwicklung von neuem Wissen und von Innovationen (Produkt oder
Prozess) verbessern (8,83%)
• Verteilung des Wissens verbessern (8,29%)
• stillschweigendes Wissen kommunizierbar machen (Externalisierung)
(7,75%)
• Kommunikation und Kooperation verbessern (5,77%)
• Weiterbildung, Training und Networking verbessern (4,86%)
2.3. Ein Nebeneinander von Managementansätzen
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Informations- (IM),
Wissens- (WM), Qualitäts- (QM), Prozess- (PZM), Projekt- (PM) und Ideen-
und Innovationsmanagement (IIM) sind funktionale Bereiche, die häufig in
unterschiedlicher Kombination nebeneinander umgesetzt werden. Sie stellen
legitime Perspektiven bzw. „Brillen“ auf die Organisation dar, weil sie für die
Wertschöpfung bedeutsame Aufgaben erfüllen. Idealerweise behindern sich
die Interventionen dieser Bereiche nicht, sondern unterstützen sich gegensei-
tig. In Tabelle 1 wird exemplarisch angedeutet, welche Synergiepotentiale
sichtbar werden, wenn diese verschiedenen Funktionsbereiche durch die „Wis-
sensbrille“ betrachtet werden (vertiefend zu IM, QM und WM siehe Mittelmann
2004, zu WM und PM siehe Tochtermann / Schachner 2008).
Management-
ansatz
Schwerpunkt aus
Wissensperspektive
Synergiepotentiale mit
Wissensmanagement (WM)
IKT-
Management
Daten- und Netzinfrastruk-
tur: Welche Dateninfrastruk-
turen werden für die Ent-
wicklung und Kommunikati-
on von Wissen benötigt und
bereitgestellt? Stehen adä-
quate Kommunikationsinfra-
strukturen zur Verfügung,
damit Wissen kollaborativ
konstruiert werden kann?
Die Dateninfrastruktur bildet
die Grundlage für den Aufbau
von Wissen. Aus den Wissens-
zielen können Ziele für das Ma-
nagement der Dateninfrastruk-
tur abgeleitet werden, indem
bspw. die benötigten Daten
und Verarbeitungsprozesse für
das strategisch notwendige
Wissen definiert werden.
130 Richard Pircher
IM inkl. Biblio-
theks- und Do-
kumentenma-
nagement
Versorgung mit gefrorenem
Wissen: Wer benötigt wel-
che Informationen wann, in
welcher Form und Qualität?
Wie sollen sie strukturiert
und zugänglich gemacht
werden?
Das Informationsmanagement
stellt Informationen bereit, die
eine Grundlage für Lernprozes-
se und damit für Wissen dar-
stellen.
QM Produkt- bzw. Leistungsqua-
lität: Welches Wissen kann
wo zur Qualitätssteigerung
beitragen und wie kann des-
sen Zusammenspiel trans-
parent gemacht werden?
WM kann Transfer und Ent-
wicklung von gefrorenem, flüs-
sigem und dampfförmigem
Wissen mit Konnex zur Qualität
der Leistungsprozesse unter-
stützen.
PZM Effizienz der Abläufe: Wie
kann Effizienzsteigerung
durch Zentralisierung und
Standardisierung von Hand-
lungswissen erreicht wer-
den?
WM bildet die Grundlage für die
Berücksichtigung nicht nur von
gefrorenem, sondern auch von
flüssigem und dampfförmigem
Wissen und von Wissenspro-
zessen (Welches Wissen wird
wo benötigt? Welches Wissen
entsteht wo?).
PM Die temporäre Organisati-
onseinheit Projekt: Welches
Wissen wird im Projekt
wann und von wem benö-
tigt? Welches Wissen ist im
Projekt entstanden?
Im Projekt einmalig eingesetz-
tes und im Projekt entstande-
nes Wissen sollen in der Zu-
kunft für andere Projekte und
organisatorische Bereiche
nutzbar gemacht werden. Die
Vermeidung und Bewältigung
von Projektkrisen erfordert
häufig dezentral vorhandenes,
flüssiges oder dampfförmiges
Wissen.
Ideen- und In-
novations-
management
Neue mentale Modelle: Wie
kann die Entstehung neuer
Ideen, neuen Wissens und
neuer Produkte und Prozes-
se gefördert und strukturiert
werden?
IIM und WM besitzen – mit un-
terschiedlichen Schwerpunkten
– die gemeinsame Zielsetzung,
die Ideen- und Wissensent-
wicklung zu fördern.
Tabelle 1: Exemplarische Synergiepotentiale verschiedener Management-Perspektiven
durch die „Wissensbrille“ betrachtet (Pircher 2010; vgl. Mittelmann 2004,
Hasler Roumois 2007, S. 157 ff., Tochtermann / Schachner 2008)
Blinde Flecken des Wissensmanagements 131
3. Einige blinde Flecken?
3.1. Das Individuum als Basis jedes organisatorischen
und sozialen Wissens
In der Praxis werden persönliches bzw. individuelles Wissensmanagement und
individuelles Lernen kaum als Themen des Wissensmanagements wahrge-
nommen. Personal- und Wissensmanagement existieren meist nebeneinander,
obwohl die Synergiepotentiale evident wären, denn individuelles Wissen ist die
Basis für organisatorisches Wissen. Zentrale Wissensmanagement-
Instrumente setzen hier an und könnten das Personalmanagement sinnvoll
ergänzen und Synergien realisieren. Die zunehmende Wettbewerbesrelevanz
von Wissensarbeit verdeutlicht die brennende Aktualität dieses Ansatzes. In
der Theorie bestehen dazu auch überzeugende Konzepte (z. B. Rein-
mann/Eppler 2008, Romhardt 2001, North / Güldenberg 2008, della Schiava
2012, für Studierende: Bastian / Groß 2010), doch diese werden in der Praxis
noch selten wahrgenommen und umgesetzt.
3.2. Das Gehirn als Organ des Wissens
Die Epistemologie als Teil der Philosophie und angrenzende Bereiche haben
zweifelsohne viel geleistet, um den Begriff „Wissen“ besser zu verstehen. Das
Wissensmanagement hat diese Erkenntnisse zumindest theoretisch über-
nommen, dies aber in der Praxis nur teilweise umgesetzt. Seit mehr als zehn
Jahren erlebt nun allerdings der Forschungszweig enorme Wissenszuwächse,
der das für das Thema Wissen grundlegende Organ untersucht, das Gehirn.
Das Gehirn ist ein physisches Organ des Körpers und „Produzent“ des Geistes
und damit auch allen Wissens, es verbindet in sich Körper und Geist. Daraus
ergeben sich umfangreiche und sehr gut fundierte Grundlagen und Anregun-
gen, um die Frage der Vielschichtigkeit von Wissen neu zu diskutieren. So er-
reichte man beispielsweise ein neurobiologisch fundiertes und differenziertes
Verständnis vom menschlichen Wissen, in der Form, dass wir über vier histo-
risch-evolutiv gewachsene Systeme verfügen, die alle gleichzeitig in uns vor-
handen sind (Dal-Bianco / Walla 2010):
1. Priming / Bahnungssystem: ein Reiz wird schneller verarbeitet, wenn
er vorher schon einmal da war
2. Prozedurales System: Informationen aus der Umwelt werden mit je-
weiligen Verhaltensweisen für die Zukunft gespeichert
3. Semantisches Gedächtnis: erst hier verstehen wir Bedeutung von In-
formationen und können wir deshalb von Wissen sprechen
132 Richard Pircher
4. Episodisches Gedächtnis: durch diese jüngste evolutionäre Errungen-
schaft können wir zeitliche nacheinander stattfindende Ereignisse erin-
nern
Die Erforschung dieser vier unterschiedlichen Systeme soll nur als ein Beispiel
für viele Erkenntnisse (z.B. in Bezug auf Lernen und Wissenstransfer) andeu-
ten, dass es zahlreiche neurobiologische Erkenntnisse gibt, die es wert wären,
berücksichtigt zu werden, was bis dato jedoch noch kaum geschieht. Ansatz-
weise kann die Anwendung der Methode Story Telling bezüglich des episodi-
schen Gedächtnisses von Bedeutung sein (siehe dazu das Fallbeispiel in Mit-
telmann/Schatzl 2010 und die Kapitel 2-5 in Stary et al. 2013).
3.3. Die Rolle des Lernprozesses
Organisationales Lernen kann als zumindest ein Vorläufer von mehreren von
Wissensmanagment bezeichnet werden (Maier 2007, S. 24 f.). Der individuel-
le und soziale Lernprozess an sich nimmt jedoch im aktuellen Diskurs wenig
Platz ein. Neue Ansätze zu dessen Förderung werden kaum in das Wissens-
management integriert. „Lernen“ und „Wissen“ scheinen immer noch getrenn-
ten Welten anzugehören. Diese Beobachtung könnte so interpretiert werden,
dass der „mainstream“ sich eher dem Paket- als dem Interaktionsmodell des
Wissens und eher dem tayloristischen Wissensmanagement als dem organisa-
tionalen Lernen verschreiben würde (Schneider 1996, 2003).
3.4. Der Raum, das Feld des Wissens
Wissen und Können sind (bewusst oder unbewusst) auf einen bestimmten
Kontext, einen Raum bezogen, in dem es gültig ist. Andererseits beeinflusst
das Umfeld, der physische, soziale, semantische Kontext auch ganz wesent-
lich, welches Wissen und welche Kompetenz darin entstehen kann. Nonaka
und Co-Autoren verwenden den japanischen Begriff „Ba“ dafür: „ba is here
defined as a shared context in which knowledge is shared, created and uti-
lised. In knowledge creation, generation and regeneration of ba is the key, as
ba provides the energy, quality and place to perform the individual conver-
sions and to move along the knowledge spiral” (Nonaka/Toyama/Konno
2000). Mehrere Ansätze widmen sich der Gestaltung des “Raumes“ in einer
integrativen Sichtweise, um den Transfer und die Entwicklung von Wissen zu
fördern (siehe z.B. Scharmer 2000, Peschl 2007). Konkrete Methoden werden
in unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt, um die Rahmenbedingungen für
sozialen Austausch und Kreativität zu fördern. Dazu zählen beispielsweise
auch Großgruppenmethoden und Social Software. Die Bereitschaft, diese An-
sätze als für die Praxis des Wissensmanagements relevant anzusehen, scheint
jedoch noch beschränkt zu sein.
Blinde Flecken des Wissensmanagements 133
3.5. Synergien von Wissensmanagement mit anderen
Managementansätzen
Die oben angedeuteten Synergien zwischen Wissensmanagement und ande-
ren Managementmethoden scheinen noch selten genutzt zu werden. Als Indiz
dafür können die Ergebnisse einer Studie zu Wissensmanagement im Pro-
jektmanagement gewertet werden. Es wurden die speziellen Anforderungen
von und Erfolgsfaktoren für Wissensmanagement aus Sicht des Managements
bzw. Projektmanagements erhoben (Tochtermann / Schachner 2008). Die Er-
gebnisse zeigten, dass die Bedeutung von Wissen zwar erkannt wird, aber vor
allem nur in Bezug auf das jeweilige Projekt, an dem gerade gearbeitet wird.
Die übergreifende Wissensmanagementperspektive wird selten gesehen. Das
kann wohl mit dem Charakter der zeitlich befristeten Organisationsform Pro-
jekt in Zusammenhang gebracht werden, deutet aber darauf hin, dass eine
zentrale Zielsetzung von Wissensmanagement in diesem Kontext nur selten
ankommt, nämlich Wissen, das in Projekten entstanden ist auch für andere
Projekte und die Organisation gesamt verfügbar zu machen.
4. Zusammenfassung
Im Laufe des letzten Jahrzehntes hat sich sowohl innerhalb als auch außer-
halb eines weiter gefassten Wissensmanagementdiskurses viel getan. Es wur-
de klarer gefasst, welche Rolle das Individuum dabei hat und wie es das eige-
ne Wissen managen kann. Die neurobiologische Forschung, neue Manage-
ment-, Leadership- und Organisationsentwicklungskonzepte brachten ganz
überraschende Perspektiven bezüglich Lernen und Wissen ein. Es gab somit
Erweiterungen und neue Stimmen, die für die Wissensmanagementzielsetzun-
gen Relevanz haben sollten, die aber – sofern die hier geäußerten Einschät-
zungen zutreffen – nur selten in der Praxis wahrgenommen werden. Wir wer-
den sehen, ob sich dies in der nächsten Zukunft ändern wird. In der Meinung
des Verfassers ist es sehr wahrscheinlich, dass die Wissensmanagementagen-
da einerseits und die oben genannten „blind spots“ andererseits in Zukunft
von sogar noch zunehmender Bedeutung sein werden. Es wird sich zeigen,
welche Rolle der Begriff „Wissensmanagement“ dabei noch spielen wird.
5. Literatur
Bastian / Groß 2010: Lerntechniken und Wissensmanagement, UVK / UTB
Blackler 1995: Knowledge, Knowledge Work and Organizations: An Overview
and Interpretation. Organization Studies, 16 (6), pp. 1021-1046
134 Richard Pircher
Dal-Bianco / Walla 2010: Verrückt was unser Gehirn alles kann selbst wenn es
versagt, Galila
della Schiava 2012: Social Business – Ein Meilenstein auf dem Weg in die Zu-
kunft der Wissens-Arbeit, KnowTech 2012
Foerster, Heinz von, 1993: Wissen und Gewissen, Frankfurt: Suhrkamp
Güldenberg / Helting 2004: Wissensmanagement falsch verstanden?, DBW 64
(2004), S. 523-537
Hansen / Nohria / Tierney 1999: What´s Your Strategy For Managing
Knowledge?, Harvard Business Review, March-April, pp. 106 - 115
Hasler Roumois 2007: Studienbuch Wissensmanagement, orell füssli UTB
Heisig / Orth 2005: Wissensmanagement Frameworks aus Forschung und
Praxis - eine inhaltliche Analyse, eureki / Fraunhofer IPK
Kilian / Krismer / Loreck / Sagmeister 2007: Wissensmanagement. Werkzeu-
ge für Praktiker, 3. Auflage, Linde
Maier 2007: Knowledge Management Systems – Information and Communica-
tion Technologies for Knowledge Management, Third Edition, Springer
Mittelmann 2004: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Informations-,
Qualitäts- und Wissensmanagement. In: Riedl, R.; Auinger Th. (Hrsg.): Her-
ausforderungen der Wirtschaftsinformatik. Deutscher Universitäts-Verlag,
Wiesbaden 2004, S. 119 – 138, http://artm-
friends.at/am/publications/Mittelmann-paper-heinrich.pdf, Zugriff am
15.1.2013
Mittelmann 2005: Wissensmanagement, http://www.artm-
friends.at/am/km/km-d/km-index-d.html, Zugriff am 15.1.2013
Mittelmann 2011: Werkzeugkasten Wissensmanagement, Books on Demand,
2011
Mittelmann/Schatzl 2010: Durch Story Telling implizites Projektwissen heben
und gewinnen und weitergeben, in Pircher 2010, S. 139 ff.
Nonaka/Toyama/Konno 2000: SECI, Ba and Leadership: a Unified Model of
Dynamic Knowledge Creation, Long Range Planning 33 (2000), 5-34
North / Güldenberg 2008: Produktive Wissensarbeit(er): Antworten auf die
Management-Herausforderung des 21. Jahrhunderts, Gabler
Peschl 2007: Enabling Spaces - epistemologische Grundlagen der Ermögli-
chung von Innovation und knowledge creation. In N. Gronau (Ed.), Professio-
nelles Wissensmanagement. Erfahrungen und Visionen, S. 362–372. Berlin:
GITO
Blinde Flecken des Wissensmanagements 135
Pircher 2010: Wissensmanagement Wissenstransfer Wissensnetzwerke - Kon-
zepte, Methoden, Erfahrungen, Publicis
Reinmann / Eppler 2008: Wissenswege - Methoden für das persönliche Wis-
sensmanagement, Huber
Reinmann-Rothmeier 2001: Wissen managen: Das Münchener Modell,
http://epub.ub.uni-muenchen.de/239/, Zugriff am 12. 2. 2013
Roehl 1998: Die zweite Organisation,
http://www.enbiz.de/wmk/papers/public/ZweiteOrganisation/DieZweiteOrgani
sation.pdf, Zugriff am 12. 2. 2013
Roehl 2002: Organisationen des Wissens: Anleitung zur Gestaltung, Schäffer-
Poeschel
Romhardt 2001: Wissen ist machbar, Econ
Sammer 2009: Knowledgecheck, www.knowledgecheck.net, Zugriff am
15.1.2013
Scharmer 2000: Presencing: Learning From the Future As It Emerges - On the
Tacit Dimension of Leading Revolutionary Change
http://www.ottoscharmer.com/docs/articles/2000_Presencing.pdf, Zugriff am
15.1.2013
Schneider 1996: Wissensmanagement. Die Aktivierung des intellektuellen Ka-
pitals. Frankfurt am Main.
Schneider 2001: Die 7 Todsünden im Wissensmanagement. Frankfurt: FAZ
Verlag
Schneider 2003: Skriptum Wissensmanagement, zweite, erweiterte Auflage,
http://pwm.at/wp-content/uploads/2010/11/7_tmpphpfZ5nH1.pdf, Zugriff am
15.1.2013
Schütt 2003: Die Dritte Generation des Wissensmanagements
http://www.km-a.net/kmjournal/Pages/Schuett_3Generation.aspx, Zugriff am
15.1.2013
Stary / Maroscher / Stary 2013: Wissensmanagement in der Praxis, Methoden
Werkzeuge Beispiele, Hanser
Tochtermann / Schachner 2008: Knowledge Report - Wissensmanagement im
Projektmanagement, Know-Center, www.know-center.at, Kurzfassung:
http://www.know-center.tugraz.at/studien/wm-pm-kurzfassung/, Zugriff am
15.1.2013
Wohland / Wiemeyer 2012: Denkwerkzeuge der Höchstleister: Warum dyna-
mikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen, 3., akualis. und erweiterte
Auflage, Unibuch Verlag
Wissensmanagement in interdisziplinären
Forschungsprojekten
Eine Fallstudie
Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg
OFFIS – Institut für Informatik
{lars.roelker-denker|eichelberg}@offis.de
1. Abstract
Interdisziplinäre und organisationsübergreifende Forschungsprojekte stellen
besondere Herausforderungen an Wissensmanagement-Infrastrukturen dar.
Im Umfeld akademischer Forschungsprojekte kommt erschwerend hinzu, dass
die finanziellen Rahmenbedingungen die Anschaffung anspruchsvoller und
damit häufig auch kostenintensiver Wissensmanagement-Lösungen nicht zu-
lassen. Dieser Beitrag zeigt auf, wie auch in einem solchen Umfeld Wissens-
management gelingen kann. Daher wird auch nicht primär auf innovative IT-
Produkte abgezielt, sondern auf die Beschreibung von Best-Practice durch die
vorteilhafte Verknüpfung vorhandener Systeme und organisationaler bzw.
Projektmanagementstrukturen. Zunächst wird der Niedersächsische For-
schungsverbund Gestaltung altersgerechter Lebenswelten (GAL) und dessen
interdisziplinärer Charakter vorgestellt. Aufbauend auf dem Wissensmanage-
mentansatz von Probst et. al. werden dann die Wissensmanagementstruktu-
ren in GAL beschrieben. Eine Einordnung von Forschungsprojekten in das Wis-
sensmanagement von forschenden Organisationen bildet den Abschluss dieses
Beitrages.
2. Einführung
Der Begriff „Ambient Assisted Living“ (AAL) umschreibt den Einsatz von al-
tersgerechten Assistenzsystemen – insbesondere auf der Basis von Informa-
tions- und Kommunikationstechnik – für ein gesundes und unabhängiges Le-
ben (Albayrak et al. 2008). Dieses Thema ist vor dem Hintergrund der demo-
138 Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg
grafischen Entwicklung von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Ein erfolgrei-
cher Einsatz solcher Assistenzsysteme erfordert allerdings neben der Lösung
einer Vielzahl technischer Herausforderungen auch eine konsequente Berück-
sichtigung von Fragen der Nutzerbedarfe, der Nutzerakzeptanz, der Einbet-
tung in medizinische und pflegerische Versorgungsstrukturen sowie der Be-
rücksichtigung ökonomischer Fragestellungen. Mit dem Niedersächsischen
Forschungsverbund „Gestaltung altersgerechter Lebenswelten“ (GAL) hat sich
2008 eine interdisziplinär aufgestellte Forschergruppe mit Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftlern aus Geriatrie, Gerontologie, Informatik, Ingenieur-
wissenschaften, Medizin, Pflegewissenschaft und Rehabilitationspädagogik
konstituiert, um neue Verfahren der IuK-Technik für altersgerechte Lebens-
welten zu identifizieren, weiterzuentwickeln und zu evaluieren. Die den For-
schungsverbund GAL tragenden Einrichtungen – OFFIS, TU Braunschweig,
Medizinische Hochschule Hannover, Universität Oldenburg, Kompetenzzent-
rum HörTech, die Oldenburger Fraunhofer-Abteilung für Hör-, Sprach- und
Audiotechnologie, das Zentrum Altern und Gesellschaft der Universität Vechta,
Universität Osnabrück, Charité, die Universität Jena, das Geriatrische Zentrum
Oldenburg sowie das St. Bonifatius Hospital Lingen – arbeiten seit mehreren
Jahren mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung auf den Gebieten Alter und
Technik. Ziel des Forschungsverbunds ist es, diese Kompetenz gemeinsam
auszubauen und insbesondere in Bezug auf die interdisziplinären Anforderun-
gen des Themas „AAL“ zu bündeln (Rölker-Denker et al., 2010).
Konsortialprojekte, insbesondere in der akademischen Forschung und mit ei-
nem interdisziplinären Ansatz wie soeben beschrieben, stellen eine besondere
Herausforderung für das Projekt- und Wissensmanagement dar. Die Möglich-
keiten der Einflussnahme eines Projektmanagers auf die einzelnen Partner
jenseits der vertraglichen Regelungen sind nur sehr begrenzt (Rölker-
Denker/Eichelberg 2011). Daraus ergibt sich, dass für die Projektmitarbeiter
der Nutzen einer Wissensmanagementinfrastruktur klar erkennbar sein muss,
da diese Strukturen ansonsten nicht genutzt würden. Diese Strukturen wer-
den im Folgenden dargestellt.
3. Wissensmanagement und Forschungsprojekte
Die Wissensmanagementstrukturen in GAL orientieren sich am Ansatz von
Probst/Raub/Romhardt (2006), welcher im Folgenden anlehnend an Probst et
al. skizziert wird.
Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungsprojekten 139
3.1. Wissensmanagement nach Probst et al.
Das Modell beschreibt einen inneren, operativen Kern und einen äußeren,
strategischen Ring. Der innere Kern besteht aus sechs Bausteinen:
Wissensidentifikation: Organisationen haben oft keinen genauen und
vollständigen Überblick über ihre eigenen Fähigkeiten, ihre Wissens-
träger und deren Fähigkeiten sowie das Wissen, das in Netzwerken
(persönlicher, organisationaler und interorganisationaler Natur) steckt.
Dies erschwert den gezielten Auf- und Ausbau organisationaler Fähig-
keiten und Wissens. Dies wird durch weitere Einflussfaktoren wie De-
zentralisierung, Globalisierung, Lean Management, Restrukturierungen
und zunehmende Fluktuation der Mitarbeiter verstärkt. Ein Ausweg ist
die Nutzung bestehender interner und externer Netzwerke zur raschen
und qualitativ hochwertigen Identifikation von Informationen und Wis-
sensträgern. Allerdings verfügen Organisationen heute in der Regel
nicht über Verantwortliche und Institutionen, welche die Aufgabe ha-
ben, die unternehmensweite Wissenstransparenz zu verbessern.
Wissenserwerb: Zum Erwerb von Wissen stehen verschiedene externe
Wissensmärkte zur Verfügung. Hierbei muss zwischen direkt verwend-
barem Wissen und der Akquisition von Wissenspotenzialen unterschie-
den werden. Allerdings gilt es zu beachten, dass der Erwerb fremder
Fähigkeiten häufig zu Abwehrreaktionen führt. Erworbenes Wissen
muss daher möglichst gut zur erwerbenden Organisation passen. Dies
ist ggf. durch geeignete Begleitmaßnahmen zu unterstützen.
Wissensentwicklung: Hierunter wird die bewusste Produktion bisher in-
tern noch nicht vorhandener Fähigkeiten verstanden. In diesem Kon-
text ist zu beachten, dass hierunter nicht nur die klassische Forschung
und Entwicklung in entsprechend spezialisierten Abteilungen verstan-
den wird, sondern alle Bereiche einer Organisation, in denen kritisches
Wissen erstellt wird (bspw. Controlling, Produktion). Weiterhin gilt,
dass Wissen nicht nur bewusst entwickelt wird, sondern beständig ent-
lang der täglichen Organisationsprozesse entsteht. Hier können auf un-
terschiedlichen organisationalen Ebenen (Organisationsmitglied, Grup-
pe, gesamte Organisation, interorganisationales Netzwerk) verschiede-
ne Schlüsselfaktoren identifiziert werden. Das Organisationsmitglied
bringt sein individuelles Kompetenzsetting (Delamare-Le Deist/Winter-
ton 2005) in die Organisation ein. Kreativität, individuelle Problemlö-
sungskompetenz und Kommunikationskompetenz, insbesondere für die
Wissensentwicklung auf höher gelagerten Organisationsebenen, sind
hier die Schlüsselkompetenzen. Auf den höher gelagerten Organisati-
140 Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg
onsebenen spielen dann Prozesse wie die Externalisierung und Kombi-
nation (Nonaka/Takeuchi 1995) eine zentrale Rolle.
Wissensverteilung: Der Trend zur Teamarbeit, interorganisationalen
Kooperationen sowie der Virtualisierung von Organisationen lässt Wis-
sensverteilung zu einer vorrangigen Aufgabe werden. Hier gilt es zwi-
schen technischen und organisationalen Lösungen zu unterscheiden.
Technische Lösungen sind u.a. Groupware, Dokumentenserver und Wi-
kis, während Best Practice und Communities of Practice organisationale
Ansätze darstellen.
Wissensnutzung: Der Baustein der Wissensnutzung konsolidiert das in
den Bausteinen Wissensidentifikation, Wissenserwerb und Wissensent-
wicklung gewonnene und verteilte Wissen. Wissensnutzung kann durch
die nutzungsorientierte Gestaltung kollektiver und individueller Ar-
beitssituationen verbessert werden. Die Wissensnutzung ist gewisser-
maßen die Implementationsphase des Wissensmanagements, hier wird
Wissen in konkrete Resultate umgewandelt.
Wissensbewahrung: Der Wissensbewahrungsprozess kann in die Pha-
sen Selektion, Speicherung und Aktualisierung unterschieden werden.
Hierzu gehören die Dokumentation zentraler Erfolge, aber auch der
Gründe für Misserfolg in Lessons Learned. Weiterhin ist die Identifizie-
rung von Schlüsselmitarbeitern eine zentrale Aufgabe der Wissensse-
lektion. Die Bedeutung der Erfahrung von altgedienten Personen und
eingespielten Prozessen wird insbesondere bei Reorganisationsvorha-
ben häufig unterschätzt, was zu unwiederbringlichen Know-how-
Verlusten führen kann. Zur organisationalen Speicherung von Wissen
gehören die bewusste Protokollierung, gemeinsame Auseinanderset-
zung und kollektive Sprachentwicklung. Technische Speicherung ist
charakterisiert durch Digitalisierung und quasi unbegrenzte Speicher-
kapazitäten, der Grad der Strukturierung eines Dokumentes entschei-
det über seine Erinnerungsfähigkeit. Der Baustein Wissensbewahrung
ist eng verknüpft mit dem Gebiet organisationaler Gedächtnisse
(Walsh/ Ungson 1991, Hackbarth/ Grover 1999).
Der äußere Ring ergänzt diesen Kern um zwei weitere Komponenten:
Wissensziele: Der vorgeschaltete Baustein Wissensziele sorgt dafür,
dass (organisationale) Lernprozesse eine Richtung erhalten und der Er-
folg sowie Misserfolg von Wissensmanagement überprüfbar gemacht
werden kann. Wissensziele sollen für alle Bereiche einer Organisation
(normativ, strategisch, operativ) formuliert werden. Eine Implementie-
rung von Messmöglichkeiten muss dabei von Beginn an und mit Blick
Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungsprojekten 141
auf den nachgelagerten Baustein Wissensbewertung mitgedacht wer-
den (North 2011).
Wissensbewertung: Der nachgelagerte Baustein Wissensbewertung ist
eine essentielle Voraussetzung zur Einschätzung der Effizienz von Wis-
sensmanagement und gibt Auskunft darüber, ob Wissensziele ange-
messen formuliert und Wissensmanagementmaßnahmen erfolgreich
durchgeführt werden. Eine rein auf quantitative Messgrößen ausgerich-
tete Bewertungsphilosophie ist im Bereich organisationalen Wissens
unrealistisch und kontraproduktiv. Erfolgsversprechender sind das Ver-
ständnis von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen und die indirekte
Bewertung durch Wissensidentifikatoren. Die Wissensbewertung sollte
als Grundlage eines Wissenscontrolling dienen, mit dessen Hilfe sich
die vielfältigen Aktivitäten einer Organisation auf seine wissensbezoge-
ne Vision und Strategie ausrichten lassen.
3.2. Wissensmanagement in GAL
Im Folgenden werden nun die in GAL vorhandenen und umgesetzten Wis-
sensmanagementstrukturen beschrieben.
Wissensziele: Die Wissensziele wurden im Vorfeld des Forschungsver-
bundes diskutiert und im Forschungsantrag fixiert. Auf Grund der zwei-
stufigen Projektstruktur wurde der Erreichungsgrad der Wissensziele
zur Mitte des Projektes ermittelt. Weiterhin sind Wissensziele für die
einzelnen Teilprojekte formuliert, diese werden durch einen kontinuier-
lichen Reviewprozess der Projektberichte („Deliverables“) ebenfalls ei-
ner Bewertung unterzogen.
Wissensidentifikation: Die Wissensidentifikation geschah im Vorfeld des
Projektes. Zunächst wurden die Partner ausgewählt, die die entspre-
chenden Disziplinen abdecken, dann wurden in den beteiligten Institu-
ten die Mitarbeiter identifiziert, die einen Beitrag zur Erreichung der
Wissensziele leisten können. Nach Ablauf der ersten Phase wurden die
Wissensziele erweitert. Dies machte eine Suche nach weiteren Part-
nern notwendig, womit ein erneuter Durchlauf der Wissensidentifikati-
on initiiert wurde.
Wissenserwerb: Externes Wissen gelangt auf zwei verschiedenen We-
gen in den Forschungsverbund. Im Rahmen von sog. Forschungstagen
werden neben projektinternen Referenten auch externe Referenten
eingeladen, die zum Einen wertvolle Rückmeldung über die bisher ge-
leistete Arbeit machen, aber zum Anderen auch neue Ideen und Lö-
sungsansätze in den Verbund hineintragen. Der zweite Weg sind asso-
142 Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg
ziierte Projektpartner, die nicht direkt in die Projektarbeit eingebunden
sind, aber dennoch ein Interesse an der Forschungsarbeit haben. Diese
Projektpartner erhalten keine projektbezogene Förderung, werden aber
zu Veranstaltungen wie den Forschungstagen eingeladen und liefern
ebenfalls wertvolle Hinweise zur Projektarbeit. Darüber hinaus wird
von jedem am Projekt beteiligten Wissenschaftler erwartet, die zur
Bewältigung seiner Aufgaben im Projekt erforderlichen Recherchen
selbstständig durchzuführen.
Wissensentwicklung: Dies ist eine der Hauptaufgaben eines For-
schungsprojektes. Im Forschungsverbund GAL stellt dies den Anteil der
Grundlagenforschung dar.
Wissensverteilung: Diese geschieht sowohl über technische Lösungen
als auch durch die Nutzung organisationaler Strukturen. Technisch be-
trachtet verfügt der Forschungsverbund über ein Wiki-System, einen
Dokumentenserver sowie verschiedene Mailinglisten. Im Wiki-System
existieren neben allgemeinen Bereichen, die zentral durch die Projekt-
koordination gepflegt werden, arbeitspaketspezifische Bereiche, deren
Pflege in der Hand der jeweiligen Akteure liegt. Hier wird wichtiges
Wissen gesammelt, bspw. Protokolle von Arbeitspaketsitzungen, Hin-
weise zur Implementierung von selbstentwickelten Softwarekompo-
nenten und interne Arbeitsplanungen. Der allgemeine Bereich enthält
alle Protokolle der Vorstandssitzungen, der Lenkungsgremien und eine
detaillierte Arbeits- und Meilensteinplanung. Auf dem Dokumentenser-
ver liegen interne Projektergebnisse (aktuell 126 Projektberichte) und
Publikationen bereit. Aus dem Forschungsverbund heraus sind aktuell
102 wissenschaftliche Publikationen und 84 Vorträge entstanden. Die
Vorträge der Forschungstage werden hier ebenfalls gesammelt, zusätz-
lich hat wieder jedes Arbeitspaket einen separaten Bereich. Neue Do-
kumente werden über die Mailinglisten und auch in den Vorstandspro-
tokollen angekündigt, so dass jeder Projektmitarbeiter zeitnah infor-
miert wird. Die organisationale Komponente der Wissensverteilung
stellen die Forschungstage dar. Dies sind interdisziplinäre, arbeitspa-
ketübergreifende, aber jeweils von einer Disziplin ausgerichtete eintä-
gige Workshops. In den ersten drei Jahren wurden diese 9-mal durch-
geführt und dienten als Kommunikationsraum für alle Projektmitarbei-
ter. Neben dem offiziellen Programm besteht hier auch die Möglichkeit
des informellen Austausches zwischen Projektmitarbeitern, die nicht
jeden Tag zusammenarbeiten.
Wissensnutzung: Dies ist der zweite Teil der originären Forschungsar-
beit, insbesondere in anwendungsnaher Forschungsarbeit. Das identifi-
Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungsprojekten 143
zierte, erworbene und entwickelte Wissen wird, wie im Falle von GAL,
zu Prototypen und Demonstratoren kondensiert und somit genutzt.
Wissensbewahrung: Diese wird durch die technischen Systeme (Wiki
und Dokumentenserver) gewährleistet. Dies ist vor allem nützlich,
wenn neue Mitarbeiter in das Projekt integriert werden und sich einen
Überblick über den aktuellen Stand verschaffen müssen. Der Doku-
mentenserver verfügt zudem über eine Archivfunktion, mit der zu je-
dem Zeitpunkt ein aktuelles Archiv erstellt werden kann.
Wissensbewertung: Die Wissensbewertung kann in eine externe und
eine interne Dimension aufgegliedert werden. In der externen Dimen-
sion sind dies die Reviews der unabhängigen Gutachtergruppe, welche
zu Beginn die Wissensziele beurteilt haben. Zur Mitte des Projektes
wurden dann der Zielerreichungsgrad und die neuen Wissensziele der
zweiten Projektphase bewertet. Weiterhin wurden die durch den For-
schungsverbund erstellten Publikationen vor der Veröffentlichung
mehrheitlich einem Review unterzogen. Somit steht neben der Gutach-
tergruppe eine zweite externe und unabhängige Kontrollinstanz zur
Verfügung. In der internen Dimension findet durch Peer-Reviews der
Projektberichte eine Wissensbewertung statt. Hier bewerten Projekt-
mitarbeiter, die nicht in die Erstellung eines Dokuments involviert wa-
ren, den Inhalt und geben an die Autoren Rückmeldung. Durch die ex-
terne und interne Dimension ist eine kontinuierliche Wissensbewertung
gewährleistet.
3.3. Forschungsprojekte als Bestandteil von Wissensma-
nagement
Forschungsprojekte verfügen nicht nur (zumeist) über Wissensmanagement-
strukturen. Häufig sind sie auch Bestandteil des Wissensmanagements der
tragenden Organisationen. Daher soll im Folgenden beschrieben werden, wel-
chen Beitrag Forschungsprojekte zu den einzelnen Bausteinen des Wissens-
managements einer solchen Organisation leisten.
Die durchgeführten Forschungsprojekte bilden idealerweise ein Spektrum der
Wissensziele ab. Eine Wissensidentifikation findet bei der Antragsstellung der
Forschungsprojekte statt, indem die für das Forschungsprojekt geeigneten
Mitarbeiter an der Antragserstellung mitwirken. Forschungsprojekte insbeson-
dere im technischen Bereich sind in der Regel organisationsübergreifend.
Durch die Einbindung externer Projektmitarbeiter gelangt neues Wissen auch
in die Organisation. Wissensentwicklung findet dann durch die eigentliche Pro-
jektarbeit statt, indem Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu einem Zu-
gewinn an Wissen führen. Organisationsinterne Communities of Practice und
144 Lars Rölker-Denker, Marco Eichelberg
Jours Fixes tragen zur Wissensweitergabe bei. Idealerweise wird aus früheren
Projekten erworbenes Wissen (interner und externer Natur) in der aktuellen
Projektarbeit genutzt. Die Wissensbewahrung innerhalb der Projektorganisati-
on geschieht durch Projekt-Repositories, Literatursammlungen, Publizieren
von Projektergebnissen, Sammlung dieser Publikationen, organisationsinter-
nen Schulungen von anderen Mitarbeitern über Projektergebnisse sowie das
Schreiben von neuen Projektanträgen, welche die Ergebnisse vorangegange-
ner Projekte nutzen. Eine Wissensbewertung kann dann durch die Begutach-
tung von Folgeprojekten und von Publikationen erreicht werden. Auch verfü-
gen forschende Organisationen oftmals über einen externen wissenschaftli-
chen Beirat, welcher die Forschungsarbeit bewertet.
4. Fazit
Räume für Kommunikation und zum Kennenlernen haben sich für das Funkti-
onieren von Wissensmanagement als essentiell wichtig herausgestellt. Dies
wird gerade in der Projektinitiierungsphase sehr deutlich: Kennenlernen der
anderen Projektmitarbeiter und das Kennenlernen der anderen Disziplinen
sowie das Finden einer „gemeinsamen Sprache“ tragen zu einem gemeinsa-
men Verständnis der Gesamtziele des Projektes bei und legen den Grundstein
für erfolgreiches Wissensmanagement.
In der Projektphase selber fördern transparente Informationswege den Wis-
senstransfer. Hierzu gehören strukturierte Informationsflüsse, gute Dokumen-
tation, Protokollierung von Sitzungen (Vorstand, Ausschüsse, Arbeitssitzun-
gen) und die Bereitstellung aller internen und externen Projektergebnisse.
Die beschriebenen Wissens- und Projektmanagementinfrastrukturen finden
nunmehr seit drei Jahren Anwendung im Forschungsprojekt GAL. Die erfolg-
reiche Beantragung der zweiten Projektphase (Jahre 4 und 5), der eine aus-
führliche externe Begutachtung des Projekts durch eine externe Gutachter-
gruppe zugrunde lag, kann als Indiz für die Wirksamkeit der Strukturen be-
trachtet werden. Zudem werden die beschriebenen Infrastrukturen zuneh-
mend auch in anderen Projekten verwendet.
5. Literatur
Albayrak, S./ Dietrich, S./ Frerichs, F./ Hackler, E./ Jähnichen, S./ Krieg-
Brückner, B., et al. (2008): Intelligente Assistenz-Systeme im Dienst für eine
reife Gesellschaft. VDE.
Delamare-Le Deist, F./ Winterton, J. (2005). What is Competence? In: Human
Resource Development Journal, 8(1):27–46.
Wissensmanagement in interdisziplinären Forschungsprojekten 145
Hackbarth, G./ Grover, V. (1999). The Knowledge Repository: Organizational
Memory Information Systems. In: Information Systems Management,
16(3):21-30.
Nonaka, I./ Takeuchi, H. (1995). The Knowledge-Creating Company: How
Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation. Oxford University
Press.
North, K. (2011). Wissen messen und absichern. In: North, K (Hrsg.). Wis-
sensorientierte Unternehmensführung. Gabler: 225-264.
Probst, G./ Raub, St./ Romhardt, K. (2006): Wissen managen - Wie Unter-
nehmen ihre wertvollste Ressource nutzen. Gabler.
Rölker-Denker, L./ Haux, R./ Hein, L./ Eichelberg, M./ Appell, J.-E./ Appelrath,
H.-J., et al. (2010): Der Niedersächsische Forschungsverbund Gestaltung al-
tersgerechter Lebenswelten: Informations- und Kommunikationstechnik zur
Gewinnung und Aufrechterhaltung von Lebensqualität, Gesundheit und
Selbstbestimmung in der zweiten Lebenshälfte. In: APS+PC-Nachrichten
19(1):33-39.
Rölker-Denker, L./ Eichelberg, M. (2011): The GAL Project – an Interdiscipli-
nary PM Challenge. In: Proceedings of Profes ‘11, June 20 – June 22 2011,
Torre Canne, Italy, 86-88.
Walsh, J.P./ Ungson, G.R. (1991). Organizational Memory. In: The Academy
of Management Re-view, 16(1):57–91.
Danksagung
Der Forschungsverbund Gestaltung altersgerechter Lebenswelten dankt dem
Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die Förderung
im Rahmen des Niedersächsischen Vorab (ZN 2701).
Enterprise 2.0 in der Praxis
Siemens BT vs Capgemini
Alexander Stocker
Area A - Information & Prozessmanagement
Kompetenzzentrum - Das Virtuelle Fahrzeug
alexander.stocker@v2c2.at
Als konsequente Fortsetzung der Forschung im technologiebasierten Wis-
sensmanagement möchte Enterprise 2.0 dazu beitragen, dass Organisationen
durch den verbesserten Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern, Kunden und
Lieferanten agiler und damit wettbewerbsfähiger werden. Im Enterprise 2.0
spielt der Einsatz von Web-2.0-Anwendungen und Prinzipien eine tragende
Rolle. Auf Plattformen wie e20cases.org sind heute schon viele Fallstudien do-
kumentiert, doch ihr Inhalt läßt sich nicht immer leicht erschließen. Dieser
Beitrag beschreibt die im Enterprise 2.0 relevanten Aspekte Einführung, Nut-
zung und Mehrwert anhand einer Analyse von zwei prominenten auf
e20cases.org publizierten Fallstudien: Siemens BT und Capgemini. Mit Hilfe
dieses Fallstudienvergleichs sollen vor allem Praktiker in die Lage versetzt
werden, die wesentlichen Eckpfeiler in der Einführung von Enterprise 2.0 bes-
ser zu verstehen.
1. Einleitung und Motivation
1.1. Enterprise 2.0 und Wissensmanagement
Hohe Komplexität und wachsende Dynamik sind die Kennzeichen globalen
Wirtschaftens und fordern von Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität.
Doch starre Informationshierarchien, der Glaube an feste und unveränderbare
Prozesse sowie ungeeignete bzw. nicht vorhandene oder nicht genutzte Kolla-
borationssysteme verhindern, dass zeitnah auf Einflüsse von außen reagiert
werden kann. Solche und ähnliche Herausforderungen wurden seit jeher im
Informations- und später im Wissensmanagement diskutiert (Stocker und
Tochtermann 2011).
148 Alexander Stocker
Im Bereich des technologiegestützten Wissensmanagements wird seit einigen
Jahren verstärkt über ein Thema reflektiert: Enterprise 2.0. Enterprise 2.0
wird als die Nutzung von Web-2.0-Anwendungen und Prinzipien im Unter-
nehmenskontext verstanden (McAfee 2006). Bestrebungen wie Enterprise 2.0
wollen aus Sicht von Wissensmanagement dazu beitragen, dass Organisatio-
nen durch einen verbesserten Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern, Kun-
den und Lieferanten agiler und damit wettbewerbsfähiger werden. Standard-
werke zu Enterprise 2.0 (Back u.a. 2008, Koch und Richter 2007) vermitteln
mittlerweile einen guten Überblick über die Grundlagen des Einsatzes von
Web-2.0-Anwendungen in Unternehmen – und auf Enterprise 2.0 Fallstudien-
plattformen wie beispielsweise e20cases.org finden sich mittlerweile auch vie-
le Lessons Learned.
Enterprise 2.0 wird gerne aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet,
aus der Sicht der Technologie und aus Sicht der Unternehmenskultur. Vor al-
lem Praktiker wollen bei Enterprise 2.0 nicht nur den Einsatz von Web-2.0-
Anwendungen, sondern vielmehr noch die Transformation von Unternehmen
zu mehr Offenheit in der Kommunikation, Transparenz über Wissen und Wis-
sensträger sowie zur stärkeren Vernetzung erkennen. Es scheint fast, als solle
Enterprise 2.0 aus Sicht der Praxis den gesamten Leidensdruck von Organisa-
tionen lösen. Die folgenden beiden Definitionen stecken den Umfang von
Enterprise 2.0 für diesen Beitrag ab (Denger u.a. 2011):
• Enterprise 2.0 ist der an den Unternehmenszielen ausgerichtete Ein-
satz von Social Software innerhalb von Unternehmensgrenzen sowie
zwischen Unternehmen und ihren Kunden, Partnern und Lieferanten
(Enterprise 2.0 aus Sicht der Technologie)
• Enterprise 2.0 ist die an den Unternehmenszielen ausgerichtete Trans-
formation von Unternehmen zu mehr Offenheit in Kommunikation und
Zusammenarbeit sowie zu einer stärkeren Vernetzung zwischen Mitar-
beitern, Kunden, Partnern und Lieferanten, welche durch Social Soft-
ware ausgelöst bzw. unterstützt werden kann. (Enterprise 2.0 aus
Sicht der Organisationskultur)
1.2. Fallstudien zu Enterprise 2.0
Für all jene, die Enterprise 2.0 in ihrer Organisation „einführen“ möchten, sind
Fallstudien, wie jene auf e20cases.org, ein geeignetes Mittel, um sich im Vor-
feld erstmalig bzw. intensiv mit den Zielen, der Umsetzung und der Erfolgs-
messung auseinanderzusetzen. Wissenschaftliche Fallstudien verfügen über
eine ähnliche Grundstruktur und sind darüber hinaus durch den wissenschaft-
lichen Begutachtungsprozess qualitätsgesichert. Die nachfolgende typische
Enterprise 2.0 in der Praxis 149
Struktur einer Fallstudie kann jeder Enterprise-2.0-Projektleiter auch als
Checkliste für die Dokumentation in einer eigenen Fallstudie verwenden:
• Wer ist das Unternehmen, in welchen Märkten ist es tätig und zu wel-
cher Branche gehört es?
• Was ist die Ausgangssituation für die Einführung von Enterprise 2.0?
Wie wurde das Projekt intern „verkauft“?
• Was ist die genaue Zielsetzung des Projekts? In welchen Bereichen
wird Enterprise 2.0 eingesetzt und wo soll es einen Mehrwert stiften?
• Wie ist die Einführung von Enterprise 2.0 ausgestaltet? Welche Maß-
nahmen wurden ergriffen, um die Mitarbeiter vom Nutzen der neuen
Anwendungen zu überzeugen?
• Wie ist der Betrieb der technologischen Lösung ausgestaltet? Welche
Schnittstellen gibt es zu anderen Systemen und warum? Wie wird die
Lösung von den Mitarbeitern genutzt?
• Wie wird die Lösung evaluiert und insbesondere – wie wird der Nutzen
gemessen? Was waren die maßgeblichen Erfolgsfaktoren im Projekt?
Doch die Erschließung der in den Fallstudien dokumentierten Einführungsme-
thodik zeigt sich nicht immer einfach. Vor allem die für Praktiker relevanten
Konzepte quantitative Nutzung und qualitative Erfolgsfaktoren werden oft
überstrapaziert. Aufgrund der hohen Komplexität von Fallstudien, sind diese
zudem oft schwieriger zu interpretieren, als auf den ersten Blick zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund wurde der vorliegende Beitrag verfasst: Er schildert
Einführung, Nutzung und Mehrwert von Enterprise 2.0 anhand von zwei in der
Community sehr bekannten auf e20cases.org veröffentlichten Fallstudien
Siemens BT (Mueller und Stocker 2012) und Capgemini (Richter u.a. 2011).
Dieser Beitrag zeigt insbesonders, wie sich zwei in der Forschung zu Enterpri-
se 2.0 identifizierte Einführungsstrategien, Exploration und Promotion, auf die
Praxis übertragen lassen. Die Gegenüberstellung der beiden Fallstudien Sie-
mens BT und Capgemini soll dem Praktiker zu mehr Verständnis für und im
Enterprise 2.0 verhelfen.
2. Einführung von Enterprise 2.0
In der Praxis werden bei der Frage nach der „richtigen“ Einführungsstrategie
von Enterprise 2.0 (respektive Web-2.0-Anwendungen) meist die beiden Pa-
radigmen top-down (d.h. vom Management getrieben) und bottom-up (d.h.
von den Mitarbeitern getrieben) gegenüber gestellt. In wissenschaftlichen Ar-
beiten (Richter und Stocker 2011; Richter u.a. 2012) wurde jedoch anhand
150 Alexander Stocker
einer vergleichenden Analyse von 21 Fallstudien zur Einführung von Social
Software festgestellt, dass diese Dichotomie nicht zielführend ist. Denn die
Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung von Richter und Stocker (2011)
lassen vielmehr erkennen, dass betrachtete Unternehmen zwei durchaus mit-
einander vereinbare Strategien angewendet haben:
• Die Art der Nutzung blieb im Rahmen eines partizipativen Vorgehens
zunächst den Nutzern überlassen, und die Anwendungsszenarien wur-
den nach und nach identifiziert („Exploration“) oder/und
• die Plattformen wurden im Unternehmen mit Unterstützung des Mana-
gements koordiniert vermarktet und deren gezielte Nutzung geschult
(„Promotion“).
Für die Gesamtheit aller 21 untersuchten Fälle ergibt sich damit das folgende
Bild: Während in fünf Fällen „Exploration“ als dominierende Einführungsstra-
tegie identifiziert werden konnte, findet sich ebenfalls in fünf Fällen „Promoti-
on“ vor. In elf Fällen wurden beide Einführungsstrategien kombiniert ange-
wandt.
Im Laufe der Untersuchung kristallisierten sich folgende Merkmale als charak-
teristisch für die Vorgehensweise Exploration heraus: Das Potential von Social
Software war nicht (oder zumindest nicht vollständig) klar und sollte während
der Nutzung erstmals oder noch weitergehend erschlossen werden. Die Art
der Nutzung von Social Software wurde nicht, oder nur zu einem kleinen Teil,
vorgegeben. Die Treiber von Social Software waren von dessen Nutzen über-
zeugt, aber es fehlte ein klarer „Business-Case“ mit definierter Zielsetzung
und festgelegten Einsatzszenarien.
Die Vorgehensweise der Promotion ist in den Fallstudien insbesondere durch
folgende Merkmale charakterisiert: Das Potential von Social Software war den
Treibern größtenteils bereits vor der Einführung dieses Dienstes bekannt. Die
möglichen Arten der Nutzung von Social Software wurden im Rahmen der Ein-
führung (mit Unterstützung des Managements) koordiniert und kommuniziert.
Die Treiber der Einführung von Social Software hegten bereits eine klare Er-
wartung an den neuen Dienst und erkannten eine klare Zielsetzung sowie ei-
nen bestimmten Nutzen.
Um diese beiden theoretischen Konzepte für Praktiker begreifbarer und damit
nachvollziehbarer erscheinen zu lassen, wird im folgenden Abschnitt anhand
der Fallstudien Siemens BT (Mueller und Stocker 2012) und Capgemini (Rich-
ter u.a. 2011) exemplarisch gezeigt, welche Aspekte Einführung und Nutzung
bestimmen. Gerade die Einführungsphase von Enterprise 2.0 ist wesentlich
komplexer, als von der Praxis oft eingeschätzt und soll daher im Fallstudien-
vergleich besondere Betrachtung finden. Denn sie bestimmt wesentliche Ele-
mente der späteren Aneignung durch Mitarbeiter (Stocker et al. 2012).
Enterprise 2.0 in der Praxis 151
3. Fallstudienvergleich: Siemens BT vs. Capgemini
Der Fallstudienvergleich entspricht der Sicht des Autors dieses Beitrags, hält
sich aber so weit als möglich an die in Müller und Stocker (2012) sowie Rich-
ter et al. (2011) auf e20cases.org veröffentlichten Inhalte.
3.1. Kurzbeschreibung der Lösungen
References+ (vormals References@BT) ist eine Web-2.0-Anwendung zum
weltweiten Austausch von Wissen, Erfahrungen und Best-Practices innerhalb
des Intranets von Siemens. Doch nicht die IT-Anwendung als solche, sondern
die derzeit ca. 8.000 Mitglieder umfassende Nutzer-Community bildet dort
den Hauptfokus zum effizienten Wissensaustausch. Im Sinne von ‚Social Net-
working’ möchte References+ Siemens-Mitarbeitende über organisatorische,
hierarchische und geographische Grenzen hinweg vernetzen und diese zur di-
rekten Kommunikation animieren. Mitarbeiter können über Wissensreferen-
zen, Diskussionsbeiträge und Microblogging ins konstruktive Gespräch kom-
men. Es kann beobachtet werden, dass der Wissenstransfer nicht nur über die
Anwendung, sondern auch parallel dazu über rein bilaterale Kommunikation
stattfindet (Mueller und Stocker 2012).
Abbildung 1: References+ bei Siemens BT (Mueller und Stocker 2012)
Mitarbeiter des Beratungsunternehmens Capgemini nutzen seit September
2008 bottom-up die am Web gehostete Microblogging Plattform Yammer
(www.yammer.com). Dabei wurde die Lösung nicht aufgrund einer bestimm-
ten und real existierenden Problemstellung „eingeführt“, sondern es ging pro-
152 Alexander Stocker
aktiv darum, das Potenzial von Microblogging erst einmal zu evaluieren. Der
Beitritt zu Yammer ist freiwillig und in keiner Weise unmittelbar mit der ei-
gentlichen Projektarbeit verbunden. Das Netzwerk wurde durch einige Mitar-
beiter in Eigeninitiative ohne offizielle Genehmigung der Geschäftsleitung ge-
startet und wird bis auf weiteres vom Management toleriert. Es dürfen aller-
dings keine vertraulichen Inhalte, wie beispielsweise Kundennamen und
-daten veröffentlicht werden. Mit Ende 2010 bloggen bei Capgemini bereits
mehr als 18.000 Mitarbeiter. Diese organisieren sich auf Yammer in über 100
Themengruppen und tauschen sich dort aus (Richter et al. 2011).
Abbildung 2: Yammer bei Capgemini (Richter et al. 2011)
3.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
In den folgenden Absätzen werden zuerst die Gemeinsamkeiten der beiden
Fallstudien reflektiert. Sowohl References+ als auch Yammer stellen in den
jeweiligen Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen etablierte Plattformen
dar. In beiden Fällen handelt es sich um den Einsatz von Web-2.0-
Anwendungen: Soziale Netzwerke bei Siemens BT bzw. Microblogging bei
Capgemini. In beiden Fällen ist die Nutzung freiwillig – und findet durch die
Mitarbeiter selbständig und selbstorganisiert statt. Das entspricht auch den
beiden fundamentalen Prinzipien von Web 2.0, Selbstorganisation und Freiwil-
ligkeit (Stocker und Tochtermann 2011).
Die ersten Unterschiede zeigen sich bei der Einführung der beiden Lösungen:
In punkto „gewählte“ Einführungsstrategie läßt sich References+ eher Promo-
tion zuordnen, während Yammer bei Capgemini stark explorativ eingeführt
wurde. Während bei Siemens BT ein organisationaler Leidensdruck (mangeln-
Enterprise 2.0 in der Praxis 153
de Informationsaufbereitung für den Vertrieb und Druck bei der Angebotser-
stellung) identifiziert wurde, infolgedessen References+ (vormals Refe-
rences@BT) entwickelt und eingeführt wurde, wurde die Lösung bei Capgemi-
ni überhaupt nicht aufgrund einer existierenden Problemstellung eingeführt.
Bei References+ existiert von Beginn an eine klare Zuweisung von Verant-
wortlichkeiten, wie beispielsweise die Einrichtung eines Community-Managers
als Vollzeitstelle – und es wurde ein stärker gesteuerter Roll-Out auf weitere
Units/Unternehmensbereiche durchgeführt. Bei Capgemini existiert kein in der
Organisationsstruktur verankerter Community-Manager, sondern den Mitar-
beitern bleibt es selbst überlassen, ob und wie sie die Plattform nutzen möch-
ten, und welche Inhalte sie dort erstellen.
Bei Capgemini stand am Anfang die proaktive Evaluierung des Potenzials von
Microblogging im Unternehmen durch engagierte Berater im Vordergrund. Die
Plattform ist aufgrund von Eigeninitiative der Mitarbeiter viral im Unterneh-
men verbreitet worden. Mit wachsender Verbreitung der Plattform im Unter-
nehmen stieg auch das Interesse des Managements, insbesondere der CIO
kann heute als Poweruser bezeichnet werden. Bei Siemens BT wurde viel Ak-
tivität auf der Plattform durch den Community Manager über persönliche Akti-
vitäten (auch über Telefon, Meetings und Vorträge), Wettbewerbe und andere
Akzeptanzmaßnahmen getriggert.
Bei Siemens BT passierte von Anfang an eine etwas klarere Festlegung der
Inhalte der Plattform (z.B. Projektreferenzen für die Vertriebesunterstützung),
was die Erkennung des Plattform-Ziels und Mehrwerts durch die Mitarbeiter
erleichtert. Bei Capgemini ist Yammer völlig der Dynamik der Nutzer überlas-
sen und alle Inhalte werden wie die Stukturen (z.B. die bisher rund 100 The-
mengruppen) durch die Nutzer festgelegt.
Siemens BT führt über den Community-Manager systematisch Nutzen und Er-
folgsmessungen durch, welche sich als Methode neben der Erherbung von
Nutzerstatistiken auch der Durchführung von Online-Befragungen bedient.
Dabei werden auch ROI-Messungen vorgenommen, wie beispielsweise einge-
sparte Arbeitstage und auf interne Kosten umgelegt. Bei Capgemini wurden –
nach bestem Wissen und Gewissen des Autors – bisher keine systematischen
Erfolgsmessungen und ROI- Bewertungen durchgeführt (respektive sind publi-
ziert), die Fallstudie wurde jedoch in zahlreichen Forschungsarbeiten detail-
liert untersucht, beispielsweise von Riemer & Richter (2010).
Die beiden Fallstudien unterscheiden sich auch im Hinblick auf die gewählte
Technologie. Während Siemens BT auf eine im Haus entwickelte Lösung auf
der Basis von ASP.net setzt, nutzt Capgemini die Plattform Yammer (yam-
mer.com) als Cloud-Service. Die selbstentwickelte Lösung steigert die Flexibi-
lität, denn sie ermöglicht es, weitere Funktionalitäten, für welche Mitarbeiter
154 Alexander Stocker
einen Bedarf erkennen, schnell und einfach zu implementieren. So wurde bei-
spielsweise in den frühen Phasen der Siemens-Plattform ein Google-Mashup
implementiert, um durch die Mitarbeiter eingepflegte Projektreferenzen auf
Karten anzuzeigen. Die Cloud-Lösung wiederum ist günstiger, insbesondere,
weil Capgemini nicht die kostenpflichtige Version von Yammer nutzt.
Bei Capgemini zeigt sich sehr schön, wie virales Wachstum einer Plattform
auch bei einer „unternehmensinternen“ Lösung stattfinden kann. Von 300
Yammer-Konten im Februar 2009 wuchs die Plattform auf rund 6.400 Konten
Ende März 2010 und weiters auf 18.000 Konten Ende 2010. Zur Entwicklung
des Wachstums von References+ wurden bisher noch keine vollständigen
Zahlen publiziert.
Während Siemens BT den Mitarbeitern unterschiedliche Arten von Inhaltsty-
pen wie Wissensreferenzen, Diskussionsbeiträge und Microblogs mit einer et-
was klareren Vorstellung der Inhalte „vorgibt“ und zum Teil durch strukturelle
Elemente ergänzt, ist Yammer bei Capgemini noch weitaus nutzungsoffener.
Aus diesem Grund wurden bei Capgemini durch die Forschung mit Hilfe von
Genre-Analyse Nutzungsmuster und Inhaltstypen identifiziert, um festzustel-
len, wie die Plattform eingesetzt wird. Im Wesentlichen unterstützt Yammer
derzeit vier verschiedene Arten der Kommunikation: Problemlösung und Un-
terstützung, Diskussionen, Updates und Benachrichtigungen und Austausch
von arbeitsrelevanten Informationen.
Die Plattform References@BT ist bei Siemens BT selbstverständlicher Be-
standteil der Unternehmens-IT, während Yammer bei Capgemi eine „Grauzo-
ne“ darstellt, jedoch durch die IT bis auf weiteres toleriert wird. Im Juni 2009
wurde bei Capgemini durch den Group CIO deshalb die folgende Leitlinie er-
lassen (Richter u.a. 2011): „Yammer is NOT a corporate tool. It is not admin-
istered, and so the access is not controlled. We have then to consider this
space as some kind of grey zone, between public internet and intranet. But
from a security point of view, if it is grey, I am afraid it is black. So we cannot
consider Yammer is a safe place to store, exchange any confidential infor-
mation. Confidential meaning either information that Capgemini might wish to
keep internal such as client names, opportunity names, intellectual property,
or information which is confidential because belonging to the client.“
Bei References+ findet sich auf dem Startportal ein durch den CEO der Buil-
ding Technologies Division erlassenes Statement, welches aus Sicht des Ma-
nagements zur Nutzung der Plattform aufruft und die Mitarbeiter entspre-
chend motiviert (Mueller und Stocker 2012). „References+ provides a plat-
form for sharing and leveraging our knowledge and experience across geo-
graphic and organizational borders. By learning from each other, we can save
valuable time, react faster to our customers’ demands, provide better solution
Enterprise 2.0 in der Praxis 155
and service quality, and thus obtain a higher customer satisfaction. This will
only work, if you make your local knowledge globally available by personally
contributing your experiences and best-practices into References+. Please
take this opportunity and participate!“
4. Zusammenfassung
Dieser Beitrag hat ausgehend von einer Einführung in das Thema Enterprise
2.0 als konsequente Weiterentwicklung im technologiebasierten Wissensma-
nagement einen Vergleich von zwei in der Community sehr bekannten Fallstu-
dien, Siemens BT und Capgemini, durchgeführt. Mit Hilfe dieses Vergleiches
sollen Praktiker in die Lage versetzt werden, die Eckpfeiler der Einführung von
Web-2.0-Anwendungen und Prinzipien im Unternehmen besser zu verstehen.
Beide Fälle sind gegensätzlich genug, um die wesentlichen Aspekte transpa-
rent zu machen und bieten der Praxis viele Möglichkeiten, um zu lernen.
Doch nicht bei allen Entscheidern stoßen die Begriffe Web 2.0, Soziale Medien
und Enterprise 2.0 auf offene Ohren. Denn sehr oft assozieren Entscheider
negative Effekte von Web 2.0 aus dem privaten Bereich oder verbinden damit
nur Phänomene wie etwa die Verschwendung von Arbeitszeit durch offene
Dienste ohne Bezug zum Kerngeschäft (z.B. die Nutzung von Facebook am
Arbeitsplatz). Sie bleiben dann reserviert, wenn es darum geht, Enterprise 2.0
im Intranet einzuführen (Stocker und Mayer 2012). Etwas vielversprechender
ist die Nutzung des Konzepts „Arbeitsplatz der Zukunft“ im Dialog mit Ent-
scheidern, welches aus einer ganzheitlichen Sicht beschreibt, welche Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien am Arbeitsplatz der Zukunft einge-
setzt werden – und welche neuen Arbeitsformen damit verbunden sind (Den-
ger u.a. 2012).
5. Literatur
Back A., Gronau N. und Tochtermann, K. (2008): Web 2.0 in der Unterneh-
menspraxis. Grundlagen, Fallstudien und Trends zum Einsatz von Social Soft-
ware. Oldenburg Wissenschaftsverlag.
Denger, A.; Stocker, A.; Maletz, M. (2011): Zur Relevanz von Enterprise 2.0
und Product Lifecyle Management in der Automobilindustrie. In: Tagungsband
zum Workshop Motivation und kulturelle Barrieren bei der Wissensteilung im
Enterprise 2.0 (MKBE 2011) im Rahmen der Konferenz Mensch und Computer.
Denger, A.; Stocker, A.; Schmeja, M.(2012): Future Workplace. Eine Untersu-
chung sozio-technischer Einflüsse auf den Arbeitsplatz der Zukunft. Shaker
Verlag, Aachen.
156 Alexander Stocker
Koch, M. und Richter, A. (2007): Enterprise 2.0: Planung, Einführung und er-
folgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen, Oldenburg Verlag.
McAfee, A. (2006): Enterprise 2.0: The Dawn of Emergent Collaboration. MIT
Sloan Management Review.
Müller, J.; Stocker, A. (2012): Siemens Building Technologies Divisi-on: Glo-
baler Wissens- und Erfahrungsaustausch mit References+, Schriftenreihe zu
Enterprise 2.0-Fallstudien Nr. 13, Enterprise 2.0 Fallstudien-Netzwerk, April
2012.
Richter, A.; Schäfer, S.; Riemer, K.; Diederich, S. (2011): Capgemini:
Microblogging als Konversationsmedium, Schriftenreihe zu Enterprise 2.0-
Fallstudien Nr. 10, Enterprise 2.0 Fallstudien-Netzwerk, 02/2011.
Richter, A.; Stocker, A.; Koch, M. (2012): Einführungsstrategien von Corpora-
te Social Software. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 284, April
2012.
Riemer, K.; Richter, A. (2010): ‘Tweet Inside: Microblogging in a Corporate
Context (Winner of The Bled Outstanding Paper Award)’, Proceedings of the
23rd Bled eConference 2010.
Stocker, A.; Mayer, H. (2012): Unternehmen und soziale Medien - wie passt
das zusammen? In: Elektrotechnik und Informationstechnik, Springer Verlag,
Volume 129, Number 2, 72-75.
Stocker, A., Richter, A., Hoefler P., Tochtermann, K. (2012). Exploring Appro-
priation of Enterprise Wikis: A Multiple-Case Study. Computer Supported
Cooperative Work, 21(2-3), 317-356.
Stocker, A.; Tochtermann, K. (2011): Wissenstransfer mit Wikis und Weblogs.
Fallstudien zum erfolgreichen Einsatz von Web 2.0 im Unternehmen, 2. Aufla-
ge, Gabler-Verlag.
Wissen intelligent suchen und
schneller nutzen
Mit Semantik und Textanalyse in der Suche Wissensproduktivität
steigern
Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit
CID Consulting GmbH, SUCCON Schachner & Partner KG, CID GmbH
a.stumpfegger@cid.de
schachner@succon.at
b.matzkeit@cid.de
1. Hintergrund und Herausforderungen
Erfolg im Unternehmensgeschehen setzt richtige und wirkungsvolle Handlun-
gen und Entscheidungen voraus. Nur wenn die jeweils involvierten Personen
auch über die dafür nötigen Fertigkeiten und Informationen verfügen, ist
„richtiges“ Handeln und Entscheiden möglich. Wissen kann vor diesem Hinter-
grund als Summe jener handlungs- und entscheidungsrelevanten Informatio-
nen und Fertigkeiten definiert werden, welche Personen zur Lösung von Auf-
gaben und Problemen zur Anwendung bringen (vgl. Schachner 2012). Ziel im
operativen Wissensmanagement ist es folglich, jedem Mitarbeiter jene Infor-
mationen bestmöglich zur Verfügung zu stellen, die er für seine Handlungen
und Entscheidungen sowie für den Aufbau, Erhalt und Ausbau der für ihn nö-
tigen Fertigkeiten braucht – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
158 Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit
Informationen sind heute in unterschiedlichsten Kommunikationskanälen und
in unterschiedlichster Form digital verfügbar. Damit geht der Zustand des „In-
formation Overload“ einher. Zu viele Informationen strömen auf den Einzel-
nen ein. Moderne Kommunikationstechnologien wie beispielsweise Internet
oder Mobile Devices verstärken diesen Effekt noch, weil Daten durch sie je-
derzeit und allerorts problemlos erzeugt und in immer kürzer werdenden Ab-
ständen verändert werden können. Jedoch bedeutet ein quantitativer Anstieg
von Informationen nicht zwangsläufig auch einen gleichermaßen qualitativen
Anstieg. Aus der Überfülle an Informationen müssen diejenigen sorgsam her-
auskristallisiert werden, die inhaltlich relevant und in Bezug auf den aktuellen
Anwendungskontext wichtig sind, um sowohl nützliche Erkenntnisse aus ihnen
gewinnen, als auch effizient handlungs- und entscheidungsfähig bleiben zu
können.
Ein Zitat von John Naisbitt unterstreicht diese Problematik bildhaft: „We are
drowning in information but starved for knowledge” (Naisbitt 1984: 17). Nicht
die Verfügbarkeit von Informationen ist demnach zur Herausforderung gewor-
den, sondern vielmehr die Gewinnung neuer Erkenntnisse und damit die Kon-
struktion von neuem Wissen auf Grundlage verfügbarer Informationen.
Diese Forderung wird auch von Aussagen Norths gestützt, der das Ziel wis-
sensorientierter Unternehmensführung darin sieht, „aus Informationen Wissen
zu generieren und dieses Wissen in nachhaltige Wettbewerbsvorteile umzu-
setzen, die als Geschäftserfolge messbar werden“ (North 2011: 11). Um die-
ses Ziel zu erreichen, müssen in unterschiedlichsten Phasen jeweils passende
Maßnahmen gefunden und ergriffen werden. Diese Phasen illustriert North am
Abbildung 1: Information Worker im Kontext wissensbasierter
Handlungen und Entscheidungen
Wissen intelligent suchen und schneller nutzen 159
Beispiel einer Wissenstreppe und fasst sie in den fünf Komponenten Informa-
tionsverfügbarkeit, Wissensidentifikation, wissensorientierte Kultur und Füh-
rung, Lernen und Kompetenzentwicklung sowie Wissensstrategie als höchstem
Reifegrad operativen Wissensmanagements zusammen (vgl. ebd: 332).
Semantische Technologien können als Maßnahme bei den erst genannten
Komponenten Informationsverfügbarkeit und Wissensidentifikation ansetzen.
In jenem Bereich des Wissensmanagements, der sich mit explizitem, digital
vorhandenem Wissen beschäftigt, erlangt das Thema Suchen und Finden un-
ter Einsatz softwaregestützter Lösungen zunehmend zentrale Bedeutung. Die
Anforderungen an Suchlösungen haben sich dabei im Laufe der Zeit gänzlich
gewandelt: Früher bestand die große Herausforderung darin, passende Infor-
mationsquellen ausfindig zu machen und Zugang zu wesentlichen Informatio-
nen zu erlangen. Heutzutage allerdings müssen jene Informationen schnell
und einfach aus einer gigantischen, stetig größer werdenden Menge aufge-
spürt werden, die im jeweiligen Arbeitskontext auch Handlungs- und Ent-
scheidungsrelevanz besitzen.
Suchlösungen, die lediglich Texte identifizieren, in denen bestimmte Schlüs-
selbegriffe enthalten sind und die diese Texte in einer Trefferliste aufführen,
sind der obig skizzierten Herausforderung meist nicht mehr gewachsen. Der
professionell Suchende verlangt intelligente und interaktive Filter-, Sortier-
und Analysemöglichkeiten sowie verschiedene Varianten einer übersichtlichen
und aussagekräftigen Ergebnispräsentation. Wesentlich dabei ist es, dass
nicht nur jenes „Wissen“ gefunden wird, das auch explizit gesucht wurde. In-
telligente Suchlösungen müssen in der Lage sein, neue Einblicke in themen-
bezogene Suchergebnisse zu gewähren, um so neue Aspekte und Erkenntnis-
se zutage zu fördern, die weiterführendes, neues Wissen entstehen lassen.
Daher werden funktionierende intelligente Suchlösungen mehr und mehr zu
einem echten Wettbewerbsvorteil im Unternehmensgeschehen. Insbesondere
dann, wenn mit besonders großen Informationsmengen in besonders unter-
schiedlichen Formaten gearbeitet wird (strukturierte und unstrukturierte Da-
ten in Form von Dateien, Datenbankeinträgen, Blogeinträgen im Web etc.)
und wenn sich diese Informationen in immer kürzer werdenden Abständen
verändern.
160 Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit
2. Der Ansatz der intelligenten Suche
Wie obig bereits erwähnt, reicht es aktuell nicht mehr, Daten- bzw. Informati-
onsquellen lediglich nach Schlüsselbegriffen zu durchsuchen. Aufgrund der
heutzutage enormen Menge an digital zugänglichen, potenziell relevanten In-
formationen wären in diesem Falle die Ergebnislisten endlos lang und ein ma-
nuelles Ausfiltern der tatsächlich relevanten Suchergebnisse zeitlich und aus
Ressourcensicht unmöglich. Aus diesem Grunde sind neue, intelligente Such-
und Analyseverfahren notwendig, die einerseits bessere Suchergebnisse lie-
fern und andererseits Vorabanalysen und -interpretationen des Inhalts von
Suchergebnissen erlauben, ohne einzelne in den Suchergebnissen enthaltene
Informationen oder Dateien lesen zu müssen (vgl. Lörch/Stumpfegger 2012).
Intelligente Suchen zeichnen sich insbesondere durch folgende Eigenschaften
aus:
• Sie liefern aktuelles Wissen.
• Sie liefern qualifiziertes Wissen.
• Sie geben einen schnellen Überblick über Suchergebnisse.
• Sie erkennen Konzepte in Suchergebnissen.
• Sie liefern neue Einblicke und neues, weiterführendes (nicht explizit
gesuchtes) Wissen (neue Aspekte, neue Themen).
• Sie liefern Wissen rasch und proaktiv.
Neue Technologien zur semantischen Textanalyse, zur inhaltlichen Zusam-
menfassung von Suchergebnissen und zur Erzeugung dynamischer Filteran-
Abbildung 2: Information Management im Kontext
wissensbasierter Handlungen und Entscheidungen
Wissen intelligent suchen und schneller nutzen 161
gebote werden diesen Ansprüchen gerecht. Durch einen effizienteren Rückgriff
auf bestehendes Wissen und die Vernetzung thematischer Aspekte über ver-
schiedene Datenquellen und Informationselemente hinweg können mit ihrer
Hilfe die Wissensproduktivität gesteigert und neue Informationswerte geschaf-
fen werden.
Je mächtiger (bezogen auf die gebotenen Such-, Verarbeitungs- und Analyse-
funktionalitäten) und intelligenter die im Wissensmanagement zum Einsatz
kommenden Suchlösungen sind, umso wichtiger wird es, das Einsatzgebiet
dieser Lösungen im Detail zu planen sowie die damit verbundenen Erfolgsindi-
katoren eindeutig zu definieren: einerseits aus Sicht des Wissensmanage-
ments, um so jederzeit prüfen zu können, ob Wissensmanagement „nach
Plan“ funktioniert; andererseits aus Business-Sicht, um jederzeit feststellen zu
können, ob Wissensmanagement im Unternehmenskontext entsprechend
wirkt und auch den erwarteten Nutzen stiftet.
3. Beispiel: Intelligente Suche in der Produktent-
wicklung
Der Prozess der Produktinnovation und Produktentwicklung gilt als Paradebei-
spiel eines wissensintensiven Prozesses. Dementsprechend ist die Produkt-
entwicklung auch ein prädestiniertes Einsatzgebiet für intelligente Suchlösun-
gen. In der Produktentwicklung sind umfassende Informationen notwendig,
um die Gestaltung eines Produktes unter Einbezug des gesamten unterneh-
menseigenen Wissens und der eigenen Erfahrungen, in guter Abgrenzung zu
Wettbewerbern, und unter Einhaltung aller rechtlichen, marken- und patent-
rechtlichen Aspekte sowie der Vorstellungen und Wünsche der Kunden vorzu-
nehmen. So vielzählig wie die hier zu berücksichtigenden Informationen sind,
so vielzählig sind i.d.R. auch die jeweils zugehörigen Informationsquellen.
Die für die Produktentwicklung relevanten Informationsquellen finden sich in
jedem Fall sowohl intern (Produktdatenbanken, QM-Datenbanken, CRM-
Lösungen, Customer-Support-Aufzeichnungen, Verkaufszahlen, Intranet
uvm.) als auch extern (Patentdatenbanken, Presseberichte, Websites, Foren-
und Blogeinträge insbesondere von Kunden, Newseinträge uvm.). Nur bei Be-
rücksichtigung aller relevanten Quellen ist es möglich, ein klares Bild über in-
tern vorhandenes Know-how, Kundenwissen und -wünsche, Wettbewerbs-
Know-how, Markttrends etc. zu erhalten.
Intelligente, softwaregestützte Suchlösungen ermöglichen es im Rahmen der
Produktentwicklung, eine Vielzahl an Informationsquellen permanent im Auge
zu behalten, Neuheiten und Auffälligkeiten in den Informationsquellen nahezu
in Echtzeit zu erkennen und gezielt auf einzelne, relevante Informationsele-
162 Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit
mente hin zu filtern. Einer der wesentlichen Vorteile intelligenter Suchlösun-
gen ist darin zu sehen, dass diese Lösungen die Beobachtung ausgewählter
Informationsquellen ebenso wie die Vorabanalyse der Suchergebnisse zum
Teil automatisch und ohne manuellen Eingriff durchführen. Den Mitarbeitern in
der Produktentwicklung bleibt somit (aufgrund wegfallender Recherchetätig-
keit) wesentlich mehr Zeit, um sich der Interpretation und Aufbereitung der
Suchergebnisse im Kontext der jeweiligen Produktentwicklung sowie den ei-
gentlichen Tätigkeiten zur Produktentwicklung zu widmen.
Die „Beherrschung“ und gezielte Nutzung externer Informationen, welche
heutzutage in nahezu unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung stehen – Stich-
wort „Big Data“ (Merkmale: große Datenmenge, große Datenvielfalt und hohe
Dynamik in den Daten) – spielt in der Produktentwicklung eine ganz beson-
ders zentrale Rolle. Je zeitnaher Entwicklungen und Trends am Markt (Wett-
bewerbs- oder auch kundengetriebene Entwicklungen und Trends) erkannt
werden, umso besser lassen sich mit entsprechenden Produktvarianten und
Neuentwicklungen Markt- und Wettbewerbspositionen halten und ausbauen.
Die Rolle intelligenter, softwaregestützter Such- und Analyselösungen wird in
Verbindung mit Big Data im Kontext der Produktentwicklung (und auch gene-
rell im Unternehmenskontext) immer wichtiger. Die Kosten, Big Data manuell
über Mitarbeiter recherchieren zu lassen, sind schlecht skalierbar. Eine tech-
nologische Lösung, in die einmal investiert wird und die dann ein beliebiges
Skalieren der Datenmenge erlaubt, ist aus wirtschaftlicher Sicht – will man
sich gezielt den Herausforderungen von Big Data stellen und von dem damit
Abbildung 3: Big Data - Datenvielfalt & -menge
als Herausforderung
Wissen intelligent suchen und schneller nutzen 163
verbundenen, möglichen Informationsvorsprung profitieren – die einzig mögli-
che Alternative.
3.1. Intelligente, technologische Suchansätze
Wesentlich für die Produktinnovation und Produktentwicklung ist es, aus (wie
oben skizziert) einer enorm großen Menge an Daten in kürzester Zeit jene In-
formationen herauszufiltern, die jeweils höchste Handlungs- und Entschei-
dungsrelevanz besitzen. Dabei muss es sich keinesfalls um Informationen
handeln, die 1:1 in den durchsuchten Datenquellen enthalten sind – gerade
im Innovationsbereich ist es wesentlich, relevante Informationen unterschied-
licher Quellen zusammenzuführen und zu kombinieren, um so neue, relevante
Informationen (neues, weiterführendes „Wissen“) zu generieren.
Die einfache Suche nach Schlagwörtern ist vor diesem Hintergrund kein adä-
quater Suchansatz. Klassische Suchsysteme mit Keywordsuche präsentieren
Ergebnisse meist lediglich in Listenformat. In der Regel werden dabei zu einer
kleinen Zahl an Suchbegriffen die am meisten „relevanten“ Ergebnisse über
statistische Verfahren (Zählen von Begriffen in Texten) ermittelt und diese an
erster Stelle der Suchergebnisliste angezeigt. Für den Betrachter des Sucher-
gebnisses scheint es, als würden jeweils die ersten 10 – 20 Ergebnisse (wel-
che er maximal manuell screent) „wirklich relevant“ sein – unabhängig davon,
ob die jeweilige Ergebnisliste 10, 100 oder 3.000.000 Einträge enthält. Ob
aber vielleicht 100 oder 200 Dokumente – oder alle – letztlich relevant sind
(schließlich sind sie alle Teil des Suchergebnisses) und in ihrer Gesamtheit in-
teressante Einblicke gewähren und zu neuen Erkenntnissen führen, wird dabei
ausgeblendet.
Intelligente Suchlösungsansätze (als Kombination aus Technologien zur Su-
che, Semantik, automatisierter Sprachverarbeitung und Machine Learning)
gewinnen hier – insbesondere vor dem geforderten Aspekt des „Überblickge-
bens“ – zunehmend an Gewicht. Sie bieten in den für die Produktentwicklung
relevanten Phasen der Datensammlung, der Datenauswertung sowie der Da-
tenanalyse und Ergebnisinterpretation vielzählige, nutzenstiftende Möglichkei-
ten:
• Daten sammeln: Die Realisierung von Schnittstellen zu internen Sys-
temen gilt in Verbindung mit Suchen im Kontext der Produktentwick-
lung als state-of-the-art. Eigenständige Crawling-Technologien, welche
es ermöglichen, im Internet Webseiten und andere Quellen potenziell
relevanter Informationen kontinuierlich und automatisiert abzugreifen,
werden in vielen Fällen hingegen noch nicht zum Einsatz gebracht.
(Dies steigert zwar die Informationsmenge erheblich, stellt aber sicher,
164 Alexander Stumpfegger, Werner Schachner, Bianca Matzkeit
dass im jeweils relevanten „Informationsuniversum“ nichts Entschei-
dendes verpasst wird.)
• Datenmengen auswerten: Um die Grundlage für einen echten Überblick
sowie eine effiziente Suche in dieser großen Datenmenge zu schaffen,
ist eine detaillierte Verarbeitung der Informationen notwendig. Aktuelle
Technologien für die automatisierte Verarbeitung von Sprache in Tex-
ten erlauben es, Inhalte zu erfassen, Namen von Produkten, Firmen,
Personen etc. – auch in unterschiedlichen Schreibweisen – eindeutig zu
erkennen und die Essenz eines Dokuments zusammenzufassen. Durch
Semantik können sinnvolle Zusammenhänge zwischen Begriffen er-
kannt werden.
• Datenmengen durchsuchen und analysieren: Die eindeutige Erkennung
von Namen erlaubt eine Suche über alle Schreibweisen in nur einem
Schritt. Durch semantische Thesauri ist eine Suche nach Begriffen mit
all ihren Synonymen möglich. Und semantische Beziehungsnetze ge-
statten überdies die Erweiterung des Suchwortes auf Ober- und Unter-
begriffe (Stichwort „Konzepte“).
Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt intelligenter Such- und Analyselö-
sungen liegt in der Zusammenfassung von Informationsmengen: Auf
Basis analysierter Daten können Verfahren zur Mustererkennung und
Signifikanzmessung angewendet werden, um auch große Ergebnis-
mengen z.B. in Form von Wortwolken zusammenzufassen und ganze
Themenblöcke darin zu erkennen. In Folge können einzelne Aspekte
besser erkannt und näher im Detail betrachtet werden.
Die eindeutige Erkennung von Entitäten, wie etwa Produkten, erlaubt
zudem die Vernetzung der textbasierten Informationen mit strukturier-
ten Daten wie Verkaufszahlen.
4. Fazit
Mit dem rasanten Anstieg der Menge an zugänglichen, digitalen Informationen
gewinnt das Thema „Suchen und Finden von handlungs- und entscheidungs-
relevanter Information“ im Unternehmenskontext immer mehr an Bedeutung.
Eine entsprechende Qualität der Suche zählt in Verbindung mit explizitem, di-
gital vorhandenem „Wissen“ bereits heute zu den zentralen und erfolgsent-
scheidenden Faktoren im operativen Wissensmanagement. Semantic Enterpri-
se Search stellt in diesem Zusammenhang einen wirkungsvollen Ansatz dar:
Mithilfe von Semantik, Textanalyse und interaktiven Suchwerkzeugen lassen
sich handlungs- und entscheidungsrelevante Informationen von innerhalb und
außerhalb des Unternehmens rasch aufspüren, zusammenführen, auswerten
Wissen intelligent suchen und schneller nutzen 165
und interpretieren sowie für Handlungen und Entscheidungen unmittelbar
nutzbar machen. Der effizientere Rückgriff auf vorhandenes Wissen, die ge-
zielte Vernetzung von Informationen aus unterschiedlichen Quellen sowie die
Generierung neuer, weiterführender thematischer Aspekte führen nachweis-
lich zu einem Anstieg der Wissensproduktivität.
Der erfolgreiche Einsatz intelligenter, semantischer Suchlösungen setzt den
zeit- und ressourcenintensiven Aufbau einer kundenspezifischen Semantik vo-
raus. Gelingt es jedoch, die kundenindividuelle Semantik auf den jeweiligen,
konkreten Anwendungsfall hin optimal auszurichten, so spiegelt sich dies in
einer signifikant höheren Qualität von Suchvorgängen und Suchergebnissen
wieder.
5. Literatur
Lörch, A./Stumpfegger, A. (2012): Semantic Enterprise Search. In:
www.cidblog.com (11.1.2013)
Naisbitt, J. (1984): Megatrends. Ten New Directions Transforming Our Lives.
New York: Warner Books.
North, K. (2011): Wissensorientierte Unternehmensführung. Wertschöpfung
durch Wissen. Wiesbaden: Gabler Verlag.
Schachner, W. (2012): Zentrale Begriffe und Abkürzungen: Wissen. In:
www.succon.at/deutsch/service/glossar.php (11.1.2013)
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und
Potenziale von Wissensnetzwerken
Doris Weßels
Fachhochschule Kiel
doris.wessels@fh-kiel.de
1. (Projekt-)Organisationsformen der Zukunft
Die Entwicklung neuer Arbeits- und Organisationsformen muss in Bezug zu
veränderten Gesellschaftsformationen gesetzt werden. Während nach Peter F.
Drucker unsere Gesellschaft in den 60er-Jahren davon geprägt war, dass Wis-
sen neben Kapital, Arbeitskraft und Rohstoffen als zentrale Ressource identifi-
ziert wurde und der Terminus „Wissensgesellschaft“ seinen Einzug hielt, wur-
den die 70er-Jahre durch den Einzug vielfältiger IT-gestützter Techniken als
„Informationsgesellschaft“ attributiert. Unser 21. Jahrhundert ist nach Mei-
nung des spanischen Soziologen Manuel Castells durch die „Verdichtung von
Zeit und Raum“ als Netzwerkgesellschaft neuen Herausforderungen ausge-
setzt (Castells). Ob sich als Folge eine schicksalshafte „informierte Verwirrt-
heit“ ausprägt, wird die weitere gesellschaftliche Entwicklung zeigen
(Heidbrink, 2003). Erstmalig steht aber unser Wissen über das Wissen selbst -
somit die Metaebene des Wissens - als „Hebel“ der Produktivität im Vorder-
grund der Betrachtung.
Die wachsende gesellschaftliche Bedeutung des Themenfeldes „Wissen und
Wissensmanagement“ als „Hebelwirkung“ spiegelte sich bereits im Jahr 2000
in der Lissabon-Agenda wider: „The original Lisbon Strategy was launched in
2000 as a response to the challenges of globalisation and ageing. The Euro-
pean Council defined the objective of the strategy for the EU to become the
most dynamic and competitive knowledge-based economy in the world by
2010 capable of sustainable economic growth with more and better jobs and
greater social cohesion and respect for the environment (European
Commission, 2010).
Bei der zentralen Frage nach der Entstehung von Wissen sind drei Merkmale
von besonderer Relevanz, die in ihrem Zusammentreffen, d.h. in der Kombi-
nation von Individuen und deren Interaktionen, einen besonderen Bezug zur
168 Doris Weßels
Bedeutung der „Vernetzung“ aufweisen (siehe hierzu die Darstellung in Abbil-
dung 1):
• Kombination
• Individuen
• Interaktion
Diese Bedeutung für den Strukturwandel und für neue Wertschöpfungs-
muster, die flexible Kooperationen (im Sinne von Kombinationen und Interak-
tionen) von Spezialisten (im Sinne von Individuen als Experten) in einer Pro-
jektwirtschaft erfordern, belegt die Studie „Deutschland im Jahr 2020“, die
von dem Think Tank der Deutsche Bank Research im Jahr 2007 veröffentlicht
wurde (vgl. Deutsche Bank Research, 2007). Auch unter Berücksichtigung der
dort skizzierten weiteren Zunahme der Digitalisierung (siehe auch vernetzte
Güter) und der besonderen Bedeutung des intellektuellen Kapitels wird fol-
gende These formuliert:
Kooperative Netzwerkstrukturen (in und zwischen Organisationen) führen zu
neuen organisatorischen Ausprägungen, den sogenannten Wissensnetz-
werken, die innovative Formen des Wissens- und Projektmanagements erfor-
dern.
Zur Illustration siehe Abbildung 2.
Abbildung 1: Prozess der Wissensentstehung durch
Wissensvernetzung
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken 169
Abbildung 2: Entstehung kooperativer Netzwerkstrukturen
(basierend auf Deutsche Bank Research, 2007)
2. Charakteristika von projektbasierten und inter-
organisatorischen Wissensnetzwerken
Die Zielsetzung von Wissensnetzwerken besteht in der Generierung, der Nut-
zung und Verteilung von Wissen im Kreise der beteiligten Akteure, zu denen
sowohl Experten wie auch „nur“ Interessierte zählen (siehe weiterführend
auch Lehner, 2009).
Die spezifischen Merkmale lauten:
1. Kommunikation/Lernen durch Vernetzung über den gesamten Lebens-
zyklus von Wissen
2. unabhängig von Organisationsgrenzen
3. hohe Dynamik
4. komplexe und teilweise intransparente Kommunikations- und Ent-
scheidungsprozesse
Der Bezug zu den übergreifenden, d.h. auf Kooperation abzielenden Unter-
nehmensnetzwerken ist offensichtlich, da diese aus struktureller Sicht interor-
ganisatorische Wissensnetzwerke darstellen:
170 Doris Weßels
Zielsetzung: Ausrichtung auf die Generierung von Wettbewerbsvorteilen
Entstehung: Komplexität der Anforderungen überfordert das einzelne Unter-
nehmen, daher wird im Netzwerk mit Partnern an einer Lösung gleichartiger
oder ähnlicher Problemstellungen gearbeitet
Struktur: relativ stabil im Vergleich zu privaten Wissensnetzwerken oder
Communities
Beteiligte: Unternehmen, Forschungseinrichtungen, öffentliche Einrichtungen,
Hochschulen
Eine Gegenüberstellung der Vorteile als Potenziale und der Risiken auf der an-
deren Seite ist der nachfolgenden Tabelle 1 zu entnehmen.
Potenziale Risiken
Zielerreichung im Verbund mit stra-
tegischen Allianzen wird ermöglicht
oder erleichtert
Abhängigkeit von Partnern schränkt
Autonomie ein
Erfahrung
von Partnern für eigene
Innovationsprozesse nutzen
Abstimmungsprozesse sind zeit-
und kostenintensiv
Synergien durch Know-how-
Bündelung schaffen
Wissensverlust bei Trennun
g von
Partnern oder Auflösung des Netzwer-
kes droht
neue Perspektiven durch unter-
nehmensexterne Kontakte gewinnen
Unternehmenseinblicke der exter-
nen Partner können rechtswidrig ge-
nutzt werden und die eigene Wettbe-
werbsposition gefährden
Tabelle 1: Potenziale und Risiken von Unternehmensnetzwerken
(in Anlehnung an Howaldt)
3. Erfolgsfaktoren der Gestaltung von Wissens-
netzwerken
Die Suche nach den Erfolgsfaktoren, die als Schlüsselgrößen für die Zielerrei-
chung von Unternehmensnetzwerken von zentraler Bedeutung sind, deutet
auf folgende Faktoren hin (vgl. Enkel, 2005 und Howaldt):
1. Promotoren mit einer eigenen Idee, einer hohen Motivation und Be-
lastbarkeit sowie ausreichenden Ressourcen
2. gemeinsame Vision
3. Durchführung identitätsbildender Maßnahmen
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken 171
4. relevante Partner, Organisationen und Multiplikatoren mit Kompetenz
und Engagement
5. vertrauensvolle Kooperation und persönliche Beziehungen, Kontakte
und Kontinuität
6. effektive Organisationsprozesse der internen Abstimmung und Ent-
scheidungsfindung
7. Entwicklungsspielraum für Innovationen
8. Persönlichkeit des „Community-Leaders“
9. kompetente Netzwerkmanager/-innen
Basierend auf einer aktuellen Untersuchung im Rahmen einer Masterthesis an
der FH Kiel (Peters, 2012) konnten die Erfolgsfaktoren in Tabelle 2 von wis-
sensorientierten Projektnetzwerken
1
identifiziert werden.
1. Ressourcen ausreichende zeitliche und finanzielle Res-
sourcen (bedeutsam ist die öffentliche Förde-
rung bzw. Anschubfinanzierung)
2. Netzwerkpool d
ie Basis sind kompetente und engagierte
Mitglieder bzw. Akteure
3. Netzwerkrelevante
Themen
inhaltliche „Lebendigkeit“ erzielen
4. Impulse auch Erlebniswerte schaffen
5. Kommunikative
Freiräume
Dialoge in neuen Formen ermöglichen
6. Standards für eine effiziente Kommunikation und Pro-
jektdurchführung
7. Sichtbarer Mehrwert kontinuierlich generieren und kommunizieren
1
Quelle: Ergebnisse aus Experteninterviews im Rahmen der Masterthesis (Peters, 2012): „Wis-
sensorientierte Projektnetzwerke: Eine neue Herausforderung für Projektmanager? - Eine Be-
trachtung am Beispiel innovationsorientierter Netzwerke im Bereich der Erneuerbaren Energien“ –
in Kooperation mit dem Interreg IVa-Projekt RENREN (RENREN - The Renewable Energy Regions
Network, Leitung: Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-
Holstein.
172 Doris Weßels
8. Anerkennung des
Netzwerkes in Fach-
kreisen
Reputation zählt
9. Gemeinsame Identität Grundlage des Vertrauens im Netzwerk
10. Vorausschauendes
Agieren
Weitblick (des Netzwerkmanagers) ist gefor-
dert
Tabelle 2: Erfolgsfaktoren wissensorientierter Projektnetzwerke (Peters, 2012)
Diese grobe Darstellung der Erfolgsfaktoren von Wissensnetzwerken führt zu
der Frage des heutigen Ausbildungsstands von Managern oder Managerinnen
in inter- oder intraorganisatorischen Netzwerken, die in der Regel in der Or-
ganisationsform „Projekt“ durchgeführt werden. Die Antwort hierzu ist eindeu-
tig: Die Qualifizierung im Bereich Projektmanagement hinkt leider dem Bedarf
der Wirtschaft immer weiter hinterher. Viele Universitäten und Hochschulen
sind nach wie vor zögerlich bei der Integration der Grundlagendisziplin “Pro-
jektmanagement” in ihr Curriculum. Dabei liegt es im privaten wie im berufli-
chen Umfeld klar auf der Hand: Die Handlungskompetenz in projektorientier-
ten Netzwerken wird zu einer entscheidenden Erfolgskomponente in unserem
(Projekt-)Leben. Netzwerke sind der folgerichtige nächste Schritt vom Einzel-
projekt über das Projektportfolio- oder Programmmanagement hin zu einer
Projektstruktur in offenen (Wissens-)Netzwerken (siehe hierzu Weßels, 2010).
4. Praxisbericht: Evaluationsergebnisse eines
themenspezifischen Wissensnetzwerkes
Das Kieler Prozessmanagementforum ist seit der ersten Ausrichtung im Jahre
2008 unter dem damaligen Namen „Prozessmanagement-Workshop“ als Ver-
anstaltungskonzept kontinuierlich weiterentwickelt worden und konstant ge-
wachsen. Das Netzwerk der Kooperationspartner konnte jährlich gesteigert
werden. Bei diesem Veranstaltungsformat handelt es sich um ein regional
verankertes themenspezifisches Wissensnetzwerk mit folgenden Charakteris-
tika:
• organisationsübergreifender Aufbau
• gezielter Austausch von Wissen im Dialog von Wissenschaft und Wirt-
schaft - generationenübergreifend
• (pro)aktiver Beitrag zur Wissensvernetzung- und mehrung
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken 173
Im Jahr 2011 wurde erstmalig diese Veranstaltungsreihe in Bezug auf ihre
Netzwerkwirkung durch Befragung der Teilnehmer analysiert. Die Ergebnisse
werden nachfolgend vorgestellt.
4.1. Das Kieler Prozessmanagementforum 2011 im Über-
blick
Das Kieler Prozessmanagementforum 2011 wurde als Kooperations-
veranstaltung des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Kiel (FH Kiel),
der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM e.V.), des Cluster-
managements Digitale Wirtschaft Schleswig-Holstein (DiWiSH), der Gesell-
schaft für Informatik (GI e.V.) in Schleswig-Holstein, der Deutschen Gesell-
schaft für Qualität (DGQ e.V.), der beiden Vereine VDI (Verein Deutscher In-
genieure e.V.) und VDE Schleswig-Holstein (VDE Region Nord e.V.) und des
REFA-Verbandes Nordwest an der Fachhochschule Kiel mit knapp 200 Teil-
nehmern durchgeführt.
4.2. Spektrum der Teilnehmer
Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 41 Jahren, bei einer durch-
schnittlichen Berufserfahrung von 16 Jahren. 79 % der Teilnehmer waren
männlichen Geschlechts (Durchschnittsalter 42 Jahre), 21 % weiblichen Ge-
schlechts (Durchschnittsalter 38 Jahre).
Bei rund 34 % der befragten Teilnehmer
2
der letzten Veranstaltung handelte
es sich um wiederkehrende Besucher, die bereits in der Vergangenheit an ei-
ner oder mehreren Veranstaltungen teilgenommen haben. Bei den restlichen
rund 66 % der befragten Teilnehmer handelte es sich um erstmalige Besucher
des Kieler Prozessmanagementforums.
72 % der Teilnehmer (Durchschnittsalter: 43 Jahre, Berufserfahrung: 18 Jah-
re) an der Umfrage gaben an, derzeit in einem angestellten Verhältnis be-
schäftigt zu sein, 13 % der Teilnehmer (Durchschnittsalter: 47 Jahre, Berufs-
erfahrung: 21 Jahre) gaben an derzeit selbstständige Arbeitnehmer zu sein.
4.3. Zentrale Ergebnisse der Umfrage
Die Befragungsergebnisse in Abbildung 3 zeigen, dass die „Ideenwirkung“ sig-
nifikant ist.
2
Insgesamt wurden 100 Fragebögen am späten Nachmittag der Veranstaltung an die Teilnehmer
verteilt, ausgefüllt und ausgewertet wurden davon 68 Fragebögen, was einer Rücklaufquote von
68% entspricht.
174 Doris Weßels
Abbildung 3: Innovationsförderung durch das Prozessmanagementforum
(n=68, Kiel 2011)
Bei der Frage nach der Entstehung der Ideen bzw. neuer Ansätze zeigte sich
deutlich, dass die Vorträge gleichgewichtig zu den sonstigen Formen des Aus-
tausches im Rahmen der Veranstaltung zu bewerten sind und Raum für Aus-
tausch und Networking von großer Erfolgsrelevanz für die Durchführung der-
artiger Veranstaltungen ist:
• Vorträge der Referenten (51%)
• Gespräche/Vorträge anderer Teilnehmer und Experten (31%)
• Gespräche/Vorträge mit Young-Research Teams (18%)
Nach der Bedeutung der Beziehungen befragt, zeigte sich deutlich, dass nicht
die Suche nach Kunden bzw. neuen Geschäftspartnern und somit nicht die
unmittelbar auf den Unternehmensnutzen ausgerichtete „Business“-Sichtweise
im Vordergrund stand, sondern vielmehr das (persönliche) Bestreben, mit Ex-
perten für Projekt- und Prozessmanagement in einen Wissensaustausch zu
kommen.
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken 175
Abbildung 4: Beziehungen und Bewertungen beim Kieler Prozessmanagementforum
In diesem Zusammenhang verwundert es auch nicht, dass die Bedeutung
derartiger Veranstaltungsformate für den Wirtschaftsstandort Schleswig-
Holstein sehr positiv bewertet wurde (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Bedeutung des Kieler Prozessmanagementforums für den
Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein (n=68)
Als Fazit gilt, dass die Zielsetzung des Veranstaltungskonzeptes in allen zent-
ralen Punkten erfüllt wird:
176 Doris Weßels
• Entwicklung eines stärkeren Bewusstseins für die regionalen Stärken in
Bezug auf Know-how-Träger, Organisationen, Institutionen und Hidden
Champions
• gezielte Vernetzungsaktivitäten zur Begegnung der strukturellen Be-
sonderheiten
• Förderung und Entwicklung eines themenspezifischen „Frameworks“
zur Partizipation (siehe auch die Bedeutung des Clustermanagements
im Land Schleswig-Holstein, hier insbesondere die Digitale Wirtschaft
Schleswig-Holstein DiWiSH).
5. Regional- und wirtschaftspolitische Handlungs-
empfehlungen zur Förderung von Wissensnetz-
werken
Zusammenfassend lassen sich drei Tätigkeitsfelder nennen, die eine (positive)
Hebelwirkung zur Förderung von Wissensnetzwerken vermuten lassen:
• Forschung: Forcierung der Forschung und Entwicklung von Steue-
rungsprinzipien für eine verbesserte „governance through networks“
und Förderung der Qualifizierung im Bereich Netzwerkmanagement
(kollaboratives Projektmanagement, laterale Führung)
• Infrastruktur: Förderung der Clusterpolitik und Clusterangebote, die
regionalspezifische Leistungsmerkmale widerspiegeln
• Tools: Intensiver Aufbau und umfassende Nutzung von „business
communities“ und modernen Kommunikationstechnologien (social me-
dia) – siehe auch Generation Y (und zukünftig Generation I).
6. Literatur
Castells, M.: http://www.manuelcastells.info/en/ (Aufruf: 18.11.2012).
Deutsche Bank Research (2007): Deutschland im Jahr 2020. In:
http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-
PROD/PROD0000000000209842.pdf (Aufruf: 18.11.2012).
Enkel, E. (2005): Management von Wissensnetzwerken: Erfolgsfaktoren und
Beispiele. Gabler.
European Commission. Europäische Kommission. European Commission.
(2010):
http://ec.europa.eu/archives/growthandjobs_2009/pdf/lisbon_strategy_evalu
ation_en.pdf (02. 02 2010). (Aufruf: 18.11.2012).
Die Zukunft zählt - Herausforderungen und Potenziale von Wissensnetzwerken 177
Heidbrink, L. (2003.): Wie die Information uns verwirrt. [Hrsg.] DIE ZEIT
30.04.2003 Nr.19. In: http://www.zeit.de/2003/19/ST-Castells (Aufruf:
18.11.2012).
Howaldt, J. Unternehmensnetzwerke – Organisationsform der Zukunft. In:
http://www.kompetenzzentrumnetzwerkmanagement.de/pdf/fachartikel/Orga
nisationsform_der_Zukunft.pdf (Aufruf: 18.11.2012).
Lehner, F. (2009): Wissensmanagement: Grundlagen, Methoden und
technische Unterstützung. München.
Peters, J. (2012): Wissensorientierte Projektnetzwerke: Eine neue
Herausforderung für Projektmanager? Eine Betrachtung am Beispiel
innovationsorientierter Netzwerke im Bereich der Erneuerbaren Energien
(Masterthesis im Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Fachhochschule
Kiel). Kiel.
Weßels, D. (2010): Die Zukunft ruft – Network Project Management “ante
portas”. In: http://gpm-blog.de/die-zukunft-ruft-network-project-
management-ante-portas/ (2010). (Aufruf: 18.11.2012).
Über die Autoren 179
Über die Autoren
Hans-Ferdinand Angel
Studium Latein, Theologie, Geschichte in Regensburg und Paris. Assistent und
Privatdozent an den Universitäten Würzburg und Regensburg. Von 1988 bis
1997 Gesellschafter der EcclesiaData GmbH. Zusammen mit dem Institut FU-
TUR der Universität Regensburg Beteiligung an einem Forschungsprojekt
„Theologie und Wirtschaft im Dialog“. Professur an der TU Dresden
(1996/1997), seit 1997 Inhaber des Lehrstuhls für Katechetik und Religions-
pädagogik/Karl-Franzens Universität Graz. Promotion: Naturwissenschaft und
Technik im Religionsunterricht (1988), Habilitation: Der religiöse Mensch in
Katastrophenzeiten (1994). Aktueller Forschungsschwerpunkt im Schnittfeld
von Naturwissenschaft, Kognitionswissenschaft, Theologie, Aufbau von CRE-
DITION RESEARCH, einem internationalen Netzwerk zur Erforschung von
Glaubensprozessen (http://uni-graz.at/credition/).
Julia Dönch
Julia Dönch, M.A. (Jahrgang 1980) studierte Rechtswissenschaften in Regens-
burg. Seit 2008 ist sie als Rechtsanwältin bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart
im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz/Wettbewerbsrecht tätig. Dabei beschäf-
tigt sie sich insbesondere mit marken- und urheberrechtlichen Fragestellun-
gen sowie mit Know-how-Schutz.
Marco Eichelberg
Dr. Marco Eichelberg (Jahrgang 1968) studierte Informatik in Oldenburg. Sein
Spezialgebiet sind Fragestellungen der Interoperabilität von IuK-Systemen im
Gesundheitswesen sowie im persönlichen Lebensumfeld, insbesondere Nor-
men/Standards für Kommunikationsprotokolle, anwendungsfallbasierte Integ-
rationsprofile sowie Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Konformität
und Interoperabilität. Er ist seit 1995 beim OFFIS-Institut für Informatik in
Oldenburg im FuE-Bereich Gesundheit beschäftigt, seit 2008 als Gruppenleiter
für den Bereich „Integrationstechnik“. In dieser Rolle koordiniert er gemein-
sam mit Lars Rölker-Denker den Niedersächsischen Forschungsverbund Ge-
staltung altersgerechter Lebenswelten (GAL).
180 Über die Autoren
Daniel Fallmann
Dipl.-Ing. Daniel Fallmann (Jahrgang 1982) studierte Informatik an der Jo-
hannes Kepler Universität in Linz. Fallmann ist Gründer und Geschäftsführer
der Mindbreeze Software GmbH, einem international führenden Anbieter von
Softwareprodukten im Bereich Enterprise Search, Digital Cognition und such-
basierter Cloud-Services. Fallmann verfügt über langjährige Erfahrung im Be-
reich der Computer- und Informationstechnologie.
Michael Fegerl
Dipl.-Ing. Michael Fegerl (Jahrgang 1958) studierte Verfahrenstechnik in Graz.
Nach ersten Berufserfahrungen in der chemischen Industrie gründete er 1992
ein Beratungsbüro für nachhaltigen Umweltschutz in Salzburg, spezialisiert
auf cleaner production und Umweltrechtskonformität vor allem in metallverar-
beitenden Produktionsbetrieben. Seit 1998 entwickelte er zusammen mit
Univ.-Prof. Dr. Wilfried Wieden Methoden und Werkzeuge zur Wissenskom-
munikation und Kompetenzentwicklung und setzt diese in Industrie und inter-
nationalen, mehrsprachigen Projekten ein. In Zusammenarbeit mit der Fa.
Technodat GmbH entstand daraus das Softwarepaket syneris
®
Designer und
syneris
®
wiki. An der TU Graz unterrichtet er in einem Seminar „knowledge
refinement“.
Birgit Gobi
Birgit Gobi ist seit mehr als 10 Jahren erfolgreiche Praktikerin und Expertin im
Bereich Wissensmanagement. Sie leitet derzeit bei HP (Hewlett-Packard) das
interne Wissensmanagement-Programm im Technology Consulting Bereich für
die gesamte Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Birgit Gobi besitzt
langjährige Erfahrung in der Förderung des Informationsflusses und Wis-
sensaustausches von internationalen Consulting- und Projektteams, vor allem
durch den Aufbau und die Pflege von „Communities of Practice”, Collaborati-
on, Wissensmanagement-Prozessen und -Portalen, als auch in der externen
Beratung von Kunden. Sie ist Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissen-
schaften, zertifizierter „Knowledge Management Master” sowie zertifizierte
systemische Organisationsberaterin und ehrenamtliches Präsidiumsmitglied
des Vereins KM Austria.
Corinne Höfliger
Corinne Höfliger, heute Assistentin der Bereichsleitung im Human Resources
Management der Stadt Zürich, studierte berufsbegleitend an der Zürcher
Über die Autoren 181
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Betriebsökonomie mit Vertiefung
Wirtschaftsinformatik. Im Jahr 2011 schloss sie ihr Studium mit einer Ba-
chelorarbeit zum Thema Wissensmanagement (Titel: „Wissensverteilung im
Human Resources Management der Stadt Zürich – Konzept und Umsetzungs-
vorschlag“) erfolgreich ab.
Christian Koudela
Ing. Christian Koudela, MA, MSc (Jahrgang 1978) war 10 Jahre bei Frequentis
AG technischer Projektleiter im Bereich Air Traffic Management. Seine neben-
beruflichen Tätigkeiten als Trainer und Lektor waren der Auslöser an der Do-
nau-Universität Krems „Professional Teaching and Training“ zu studieren.
Nach Abschluss der Ausbildung erfolgte eine berufliche Neuausrichtung und
seit 2011 betreut er den Bereich „Global Learning & Knowledgemanagement“
für die Frequentis AG. Die Schwerpunkte sind integrierte bzw. internationale
Aus- und Weiterbildung sowie Wissensmanagement. Ein weiteres Masterstudi-
um „Management and Communication“ rundet seine Ausbildung ab.
Bernhard Krabina
Mag. Bernhard Krabina arbeitet seit 2003 im KDZ – Zentrum für Verwaltungs-
forschung als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Berater und Trainer im Bereich
Public Management und Governance. Er studierte an der Wirtschaftsuniversi-
tät Wien Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik und
Informationswirtschaft und hat den Zertifikatslehrgang Wissensmanagement
der KMA und WU Executive Academy absolviert. Seine Themenschwerpunkte
sind Wissensmanagement, E-Government, Informations- und Kommunikati-
onstechnologie sowie Open Government/Government 2.0.
Benedikt Lutz
Dr. Benedikt Lutz (Jahrgang 1959) studierte Allgemeine und Angewandte
Sprachwissenschaft in Wien. Sein Spezialgebiet ist die Verständlichkeitsfor-
schung, insbesondere im Bereich der Technischen Kommunikation und juristi-
scher Fachtexte. Er war lange in einem Software-Entwicklungsbereich von
Siemens tätig (Technische Dokumentation, Qualitätsmanagement, SW Engi-
neering, Usability Engineering; zuletzt Leiter der internen Ausbildung) und ist
seit drei Jahren auf der Donau-Universität Krems für die 4-semestrigen MSc-
Studiengänge Change Management und Innovationsmanagement zuständig.
182 Über die Autoren
Ronald Maier
Ronald Maier studierte Wirtschaftsinformatik an der Johannes-Kepler-
Universität Linz, promovierte an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unter-
nehmensführung (WHU) in Koblenz und wurde an der Universität Regensburg
habilitiert. Nach Positionen als Visiting Assistant Professor am Terry College of
Business an der University of Georgia in Athens, GA (USA) sowie als Inhaber
des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, Betriebliches Informationsmanage-
ment, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg leitet er seit Februar
2007 als Universitätsprofessor den Bereich Wirtschaftsinformatik an der Leo-
pold-Franzens-Universität Innsbruck. Ronald Maier ist Gutachter und Heraus-
geber wissenschaftlicher Fachzeitschriften und internationaler Fachkonferen-
zen, Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Artikel in Fachzeitschriften sowie
von Beiträgen in Büchern und Konferenz-Proceedings. Seine Forschungsinte-
ressen konzentrieren sich auf Wissensmanagement, Informationssicherheit
und technologieunterstütztes Lernen.
Gerald Martinetz
Gerald Martinetz (Jahrgang 1972) absolvierte die Höhere technische Bundes-
lehranstalt für Elektrotechnik in Wien und zahlreiche Ausbildungen im Bereich
Kommunikation sowie die Ausbildung zum zertifizierten Projektmanager ge-
mäß IPMA. Er hat langjährige Erfahrung bei der Einführung von elektronischen
Aktenmanagement- und Dokumentenmanagementsystemen und ist Leiter des
Programms suchbasierte Lösungen. Martinetz ist seit 1998 für Fabasoft tätig
und betreut als Key Account Manager Großkunden aus dem öffentlichen Be-
reich in Österreich sowie internationale Partner.
Bianca Matzkeit
Bianca Matzkeit ist Technische Redakteurin bei der CID GmbH. Im Rahmen ih-
rer Tätigkeit setzt sie sich intensiv mit Knowledge Management und Competi-
tive Intelligence auseinander.
Manuel Nagl
MMag. Manuel Nagl studierte Neurowissenschaften und Kommunikationsfor-
schung und forschte danach mehrere Jahre an der Universität Wien sowie an
der Medizinischen Universität Wien. Aktuell ist er wissenschaftlicher Mitarbei-
ter und Vortragender am Department für Wissens- und Kommunikationsma-
nagement der Donau-Universität Krems sowie Senior Consultant bei GPM Ma-
Über die Autoren 183
nagement Consulting. Arbeitsschwerpunkte sind Neuroleadership, Storytelling
und Unternehmenskommunikation.
Klaus North
Prof. Dr. Klaus North lehrt Internationale Unternehmensführung an der Wies-
baden Business School, Hochschule RheinMain. Er entwickelt zusammen mit
Organisationen anwendungsorientierte Konzepte zur wissensorientierten Un-
ternehmensführung. Prof. North hat eine Vielzahl von Publikationen u.a. fol-
gende Bücher zum Thema veröffentlicht, die in mehrere Sprachen übersetzt
wurden: „Wissensorientierte Unternehmensführung“ (5. Auflage Gabler 2011),
„Produktive Wissensarbeit(er)“ (mit Stefan Güldenberg, Gabler 2008), Effecti-
ve Knowledge Work“ (mit Stefan Güldenberg, Emerald 2011) und „Kompe-
tenzmanagement in der Praxis“ (mit Kai Reinhardt und Barbara Sieber-Suter,
Gabler 2005, 2. Auflage 2012).
Richard Pircher
Richard Pircher (*1971) ist seit 2008 Leiter der Bachelor- und Masterstudien-
gänge Bank- und Finanzwirtschaft an der Fachhochschule des bfi Wien. Neben
der Studiengangsleitung führt er Trainings vor allem in den Bereichen Persön-
lichkeitsentwicklung und Wissensmanagement durch und wirkt in Umset-
zungs- und Forschungsprojekten mit. Seit 2012 leitet er die aha-Konferenz
Lernen und Bildung. Zuvor war er Leiter des Zentrums für Wissens- und In-
formationsmanagement an der Donau-Universität Krems. Davor war Richard
Pircher u. a. als Geschäftsführer im Non-Profit-Bereich und im Projektma-
nagement tätig. Er absolvierte das Studium der Betriebswirtschaftslehre und
promovierte im Bereich Organisations- und Personalmanagement.
Kontakt:
http://richard-pircher.net http://www.ahakonferenz.at/
Lars Rölker-Denker
Dipl.-Oec. Lars Rölker-Denker (Jahrgang 1978) studierte Wirtschaftswissen-
schaften mit Schwerpunkt Informatik und fokussierte sich auf Fragen der Ler-
nenden Organisation mit besonderem Schwerpunkt auf Lernende Organisatio-
nen im Gesundheitswesen. Nach einer Tätigkeit in einer internationalen Un-
ternehmensberatung wechselte er 2008 an das OFFIS-Institut für Informatik
in den FuE-Bereich Gesundheit. Dort arbeitet er in der Gruppe Integrations-
technik gemeinsam mit Dr. Eichelberg auf einer Koordinationsstelle für den
Niedersächsischen Forschungsverbund Gestaltung altersgerechter Lebenswel-
ten (GAL). Den inhaltlichen Fokus seiner Promotionsarbeit auf Lernende Orga-
184 Über die Autoren
nisation im Gesundheitswesen erweitert er um technische und versorgungs-
forscherische Fragestellungen.
Werner Schachner
Dr. Werner Schachner, Ansprechpartner von CID in Österreich, ist seit 15 Jah-
ren im Wissensmanagement, im Qualitätsmanagement und in der Unterneh-
mensführung tätig. Vor 2005 war er Projekt-/Wissensmanager in der Regio-
nalentwicklung, Senior Consultant im E-Business Kompetenzzentrum evolaris,
Lehrbeauftragter an der Karl-Franzens-Universität in Graz sowie Bereichsleiter
im Know-Center, Österreichs Kompetenzzentrum für Wissensmanagement an
der TU-Graz. Seit 2005 ist der Begründer der Erfolgsdiagnostik
®
und des
Knowledge Excellence Approach
TM
Geschäftsführer, Management Consultant
und Erfolgsdiagnostiker der SUCCON. Auch ist er Assessor zum Österreichi-
schen Staatspreis Unternehmensqualität, Mitorganisator der I-KNOW und Mit-
glied im Programmkomitee der Know-Tech.
Alexander Stocker
Dr. Alexander Stocker beschäftigt sich seit über 10 Jahren in Wissenschaft
und Praxis mit dem Einsatz computergestützter Informationssysteme in Un-
ternehmen. Derzeit arbeitet er als Senior Researcher für Information & Pro-
cess Management am Kompetenzzentrum ‑ Das Virtuelle Fahrzeug in Graz.
Zuvor war er Key Researcher und Projektmanager am Institut DIGITAL bei
Joanneum Research, Executive Assistant to the CEO am Know-Center, Öster-
reichs Kompetenzzentrum für Wissensmanagement, und Berater für Informa-
tionsmanagement und Informationstechnologie bei Datev. Weiters ist er Lek-
tor an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen wie der Donau
Universität Krems, der FH Joanneum, der FH Burgenland und der FH Oberös-
terreich. Alexander Stocker ist außerdem assoziierter Herausgeber der Enter-
prise 2.0 Fallstudienplattform e20cases.org.
Alexander Stumpfegger
Alexander Stumpfegger, Geschäftsführer der CID Consulting GmbH, unter-
stützt mit seinem Team Kunden bei der Einführung von Informations- bzw.
Wissensmanagementlösungen und Etablierung von Echtzeitwerkzeugen für
das Monitoring und die Analyse großer Informationsmengen. Dabei kombiniert
er den software-technologischen Hintergrund mit konzeptionellen Herange-
hensweisen zu effizienter Informationsbeschaffung, Analyse sowie Ergebnis-
gewinnung, um CI und KM durch den gezielten Einsatz von Softwarelösungen
wesentlich zu unterstützen.
Über die Autoren 185
Doris Weßels
Prof. Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fach-
hochschule Kiel. Sie studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in
Münster Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik und promovier-
te am Institut für Finanzwirtschaft und Investition der Universität Oldenburg.
In den nachfolgenden 12 Berufsjahren war sie in diversen Fach- und Füh-
rungspositionen in den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Telekommuni-
kation und Banken tätig.
Ihre Schwerpunkte in der Lehre und Forschung sind die Themenfelder
Projekt- ,Wissens-, Informations- und Innovationsmanagement. Darüber hin-
aus ist sie in verschiedenen Leitungsfunktionen der Deutschen Gesellschaft für
Projektmanagement (GPM) und der Gesellschaft für Informatik (GI) tätig.
Wilfried Wieden
Dr. Wilfried Wieden ist Professor für Anglistische Linguistik an der Universität
Salzburg. Schwerpunkte seiner Forschung liegen im Bereich Sprachen- und
Wissenserwerb, Wissensrepräsentation, und sprachen- bzw. kulturübergrei-
fende Kommunikation. Auf der Basis dieser Forschungstätigkeit hat er in en-
ger Zusammenarbeit mit DI Michael Fegerl im Rahmen verschiedener Auf-
trags- und Förderprojekte Verfahren der Wissensaufbereitung entwickelt, die
sich mit Anwendungen wie Dokumentenmanagement, Wissenskommunikati-
on, oder Innovationsmanagement, aber auch Entwicklung semantischer Tech-
nologien gut verknüpfen lassen.
Reinhard Willfort
Reinhard Willfort begann seine Karriere als Lehrling. Als Entwickler studierte
er nebenbei Telematik und Wirtschaft. 2000 promovierte er als Innovations-
forscher an der TU-Graz im Innovations- und Wissensmanagement. Er ist
Fachbuchautor und Verfasser von mehr als 50 Publikationen.
2001 gründete er auf Basis der Ergebnisse seiner Dissertation federführend
die Innovationsschmiede ISN und leitet diese bis heute. Willfort begründete
vier weitere Unternehmen und betreut selbst viele Top-Unternehmen im In-
novationsmanagement. Er ist auch Geschäftsführer der Neurovation GmbH,
die Tools für Crowdsourcing und Open Innovation entwickelt. 2012 initiierte er
die erste Österreichische Crowdfunding Plattform www.1000x1000.at.
»Wissensmanagement wird erwachsen« - so lautete der Titel des Keynote-
Vortrags von Klaus North für die Kremser Wissensmanagement-Tage 2012.
In der Tat kann diese Disziplin schon auf fast 20 Jahre Entwicklung zurück-
blicken, und sie ist nach einigen Adoleszenzkrisen gut gerüstet für die Heraus-
forderungen der Zukunft, so der Tenor der Beiträge dieser Tagung. Im Zentrum
der Konferenz stand angewandtes Wissensmanagement, wobei der Dialog
zwischen Wissenschaft und Praxis nicht zu kurz kam.
Der Schwerpunkt der Beiträge dieses Bandes betrit die Konzeption und
den Einsatz von Social Software-Lösungen, Wissenskommunikation und
Wissensnetzwerke. Doch auch blinde Flecken und interdisziplinäre Themen
werden aufgespürt, wie die Bedeutung von Creditionen und Neuroleadership
für das Wissensmanagement.
Die 1. Wissensmanagement-Tage Krems fanden vom 8. bis 9. Mai 2012 an
der Donau-Universität Krems in Kooperation mit dem Magazin wissensman-
agement statt.
Donau-Universität Krems
Department für Wissens- und
Kommunikationsmanagement
Dr. Karl-Dorrek-Straße 30
3500 Krems/Österreich
www.donau-uni.ac.at/wuk
wuk@donau-uni.ac.at
ISBN 978-3-902505-28-6
978-3-902505-28-6