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Zeitschrift für Sozialen Fortschritt
Vol. 3, No. 1, p. 27-47
*Rainer Bartel, Institut für Volkswirtschaslehre, Johannes Kepler Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4040 Linz,
Österreich, Mail: rainer.bartel@jku.at, Web: www.econ.jku.at/Bartel
Ich danke meinen Schiedsrichter_inne_n, Herausgeber_inne_n und Lektor_inn_en!
Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden:
Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
Rainer Bartel*
Zusammenfassung
Der ökonomische Mainstream (Orthodoxie) und seine Alternativen (Heterodoxie) werden hier grob in
Neoklassik und Keynesianismus eingeteilt und kontrastiert. Ausgangspunkt ist die kognitive Dissonanz zwis-
chen Mainstream-eorie und Wirtschassystem-Realität. Es gibt aber auch breit verwendete Lehrbücher der
Makroökonomik, die sich als fortschrittlich, weil keynesianisch fundiert, verstehen. Ich untersuche ein solches
Modell: jenes von Blanchard et al. (2010), das ich das Blanchard-Modell nenne. Nach einer Charakterisierung
und einem Vergleich des neoklassischen Arbeitsmarktmodells und seiner realwirtschalichen Implikationen
mit dem Keynes’schen Modell des Gütermarktes und seinen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt wird das
Blanchard-Modell betrachtet und sein Fortschrittlichkeitsanspruch beurteilt. Es stellt sich heraus, dass das
Blanchard-Modell dem neoklassischen Gleichgewichtsmodell sehr stark verhaet ist und als kompatibel mit der
Neoklassischen Synthese angesehen werden kann. Nach einem Fazit wird ein Ausblick auf mögliche Weiterent-
wicklungen der Makroökonomik versucht.
Schlagwörter: Mainstream, Keynesianismus, Neoklassische Synthese, Gleichgewichtskonzept,
Perspektiven der Makroökonomik
How the images coincide – and the mind differs:
Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Abstract
Here, the economic mainstream (orthodoxy) and its alternatives (heterodoxy) are crudely broken down
into Neoclassics and Keynesianism and contrasted. We start from the cognitive dissonance between mainstream
theory and the economic system reality. ere are broadly used macroeconomics textbooks that are deemed to be
progressive in that they have been founded on Keynesianism. I consider such a model: the one by Blanchard et
al. (2010) which I term the Blanchard Model. Aer a characterisation, I compare the neoclassical labour market
model and its implications for the real sector with Keynes’s model of the goods market and its consequences
for the labour market. Eventually, the pretence of the Blanchard Model of being progressive is evaluated and
assessed. e Blanchard Model turns out to be formulated in a way substantially similar with the neoclassical
model of equilibrium and can be seen as compatible with the Neoclassical Synthesis. Aer drawing some conclu-
sions, an outlook is given on prospective developments of macroeconomics.
Keywords: Mainstream, Keynesianism, Neoclassical Synthesis, equilibrium concept, macroeconomics
perspectives
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Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
“Economics are the method; the object is to change
the heart and soul.” 1
1. Kognitive Dissonanz und Hegemonie des Main-
stream
Grob können wir die ökonomische Orthodoxie
(den Mainstream) als Neoklassik titulieren, die Hete-
rodoxie (alternative Ökonomik) als Keynesianismus;
die strikten Alternativen zur Orthodoxie umfassen v.
a. den Post-Keynesianismus, die Institutionelle Ökono-
mik und die Evolutorische Ökonomik. Die Bilder, die
sich die eorie von der Realität macht, unterscheiden
sich substanziell bis graduell, jeweils mehr oder weni-
ger erkenntlich.
Fragt man in der Vorlesung die größtenteils ortho-
dox programmierten Studierenden, wer denn aller an
der Finanz- und Wirtschas-, Budget- und Sozialkrise
schuld sein mag, bekommt man mehrere Antworten
– nur eine nicht: die Universitäten. Die akademischen
Ökonom_inn_en schaen, wohl auch unter dem
Einuss des Zeitgeistes, den Mainstream und prägen
Lehre und Forschung, Politik und Medien, Administ-
rationen und Berufsverbände, letztlich selbst Stamm-
tischgespräche und Wahlentscheidungen. Denken wir
an die politisch-taktische, diskursive Argumentation
mit „Sachzwängen“! Sie baut auf Denkmustern auf,
die auf Ebene eines Konsumhaushalts oder eines
Unternehmens rational sind (Mikroökonomie) und
somit auch tatsächlich – bei Studierenden bis hin zu
Stabsökonom_inn_en – den „gesunden Hausverstand“
stützen, aber darüber hinausgehende Überlegungen
ausklammern und Teile von Möglichkeitsräumen
durch Undenkbarkeiten eben in Gestalt von „Sach-
zwängen“ ausklammern. Solche mikroökonomischen,
d. h. einzelwirtschalichen Rationalitäten bilden
mithin einen oenbaren Gegensatz zur normativ-poli-
tischen, gesamtwirtschalichen Sachverstandsebene
(Makroökonomie und -politik à la Keynes und seinen
Nachfolger_inne_n).
Die vermeintlichen oder vorgeblichen Sachzwänge
beruhen auf Axiomen über Folgendes:
• die Wirtschasteilnehmer_innen als rein ökono-
misch rational agierende Wesen (homines oeconomici),
• die Natur der Realität als ein grundsätz-
lich und grundlegend von Kalkulierbarkeit und
(Margaret atcher. Online: http://listverse.
com////top--quotes-of-margaret-thatcher/
[..])
Prognostizierbarkeit gekennzeichnetes, hoch exibles
und anpassungsfähiges System und
• die Funktionsweise der Märkte als System mit
natürlich gegebenem Charakter, quasi-mechanischer
Perfektion und immanenter Tendenz zum erwün-
schten Gleichgewicht (Ergodizität; vgl. dazu Davidson
) als einem Zeichen von Interessenausgleich und
sozialer Harmonie.
Auf die so gearteten Axiome werden Modelle
solide gebaut, verfeinert, formal möglichst elegant
ausgestaltet und ob ihrer festen Fundamentierung und
methodischen Brillanz schwer angreiar gemacht.
Das mag durchaus in dem Bemühen geschehen, die
Modelle immer komplexer und dadurch realitätsnäher
zu machen, jedoch, wohlgemerkt, ohne an den axioma-
tischen Fundamenten rühren zu wollen oder zu lassen.
Sogar Keynes (/) entschied sich zwecks Revolu-
tionierung der neoklassischen Makroökonomik in der
Hauptsache für eine Strategie, welche dem Mainstream
auf dessen eigenem Terrain begegnet und ihn in diesem
ergodischen Rahmen dort kontrastiert, um so den Main-
stream besser überzeugen oder überwinden zu können.
Deshalb wird die Bedeutung von Keynes, diesbezüglich
repräsentiert durch den Neokeynesianismus, heute noch
unterschätzt und, in Form der Neoklassischen Synthese,
vom Mainstream assimiliert und in seiner praktischen
Bedeutsamkeit marginalisiert. Allein der Post-Keynesi-
anismus beachtet die wahre Radikalität des übrigen, des
viel stärker umwälzenden und weit umstürzlerischeren
Ansatzes von Keynes: die essenzielle Unsicherheit und
folglich den Verlust der Ergodizität.
Der Mainstream klassiziert jedoch heute wie
gestern die Realität als eine imperfekte Verwirklichung
einer perfekten Fiktion. Der daraus abgeleitete Anpas-
sungsbedarf liegt daher bei der Realität, der Realtypus
des Wirtschassystems müsse sich ändern (exibler,
börsenartiger werden), die Ideenwelt (in Form idealty-
pischer ökonomischer Modelle) soll im Wesentlichen
unverändert bleiben, selbst wenn die Welt als Zustand
nicht wesentlich dazu in der Lage sein sollte oder wollte,
die Welt als Vorstellung erfolgreich nachzuahmen. Im
Grunde bleibt also die eorie als Norm für die Realität
und nicht so sehr die Realität der Orientierungspunkt
für die Modellbildung und Politikanleitung. Daraus
ist schon vor gut Jahren eine kognitive Dissonanz
erwachsen.
In the Chicago economics classrooms of the 1930s,
markets always cleared. Yet some students and teachers
knew they had to reconcile theoretical dogma with the
depression misery around them (Samuelson 1985: 4).
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
Deduktion von Wissen aus einem relativ stark gene-
ralisierten, idealtypischen Modell ist für die Wirtschas-
wissenscha immerhin charakteristisch, legitim und
nicht per se abträglich. Deduktion von Konkreterem aus
dem Allgemeineren verlangt aber für eine akzeptable
Validität auch Aufgeschlossenheit für induktiv aus dem
Realtypus gewonnene, fallstudienartige Wissensinputs
in die eoriebildung. Diese sind gleichsam Indizien für
den faktischen Lauf der Welt, sollen als grundlegende
Inspirationen für die Konstruktion deduktiver Modelle
dienen und stellen somit für die Methodik einen reality
check dar. Die Ökonomik soll sich nicht nur der Formal-
wissenschaen als Hilfsdisziplinen bedienen, sondern
muss – als Sozial- und Realwissenscha – nicht zuletzt
auch empirisch orientiert und fundiert sein – etwa im
Gegensatz zu Philosophie und eologie (vgl. Russell
/). Doch selbst im Zeitalter des technisch weit
fortgeschrittenen Empirismus werden Schätzmodelle
und Testverfahren durch Axiome im Denken über die
Wirtscha inhaltlich gefärbt, ihre Ergebnisse sind des-
halb vorgefasst (vgl. Zaman ) und in ihrer Norma-
tivität – der empirischen Unparteilichkeit, ja sogar dem
Streben nach Falsizierung – beeinträchtigt. In unseren
Augen steht die Orthodoxie wesentlich für Deduktion,
die Heterodoxie relativ stark für Induktion. Erstere hat
das Problem mit der nützlichen Anwendbarkeit stark
generalisierter eorie auf den betreenden Praxisfall,
Letztere die Probleme mit Systematik und Zwingend-
heit (coerciveness), Generalisierbarkeit und formaler
Eleganz.
Die jüngst in der Weltnanz- und -wirtschaskrise
wieder besonders deutlich gewordene kognitive Disso-
nanz zwischen der Modellwelt und deren Erklärungs-
schwäche für Problembereiche der realen Welt wird
von Lehrenden und Studierenden im Wesentlichen
hingenommen, verdrängt oder verteidigt, etwa folgen-
dermaßen: Die Märkte konnten doch nicht frei wirken
und seien deshalb für die beklagten Ergebnisse nicht
verantwortlich zu machen; das System ist gut, aber
einige in ihm Handelnde sind verwerich, und solches
Fehlverhalten ist relativ zur Systemreform leicht zu
korrigieren. Doch wie lange ist diese Defensive noch
aufrechtzuerhalten?
Among the most astonishing statements to be made
by any policymaker in recent years was Alan Greenspan’s
admission this autumn that the regime of deregulation he
oversaw as chairman of the Federal Reserve was based on
a “aw”: he had overestimated the ability of a free market
to self-correct and had missed the self-destructive power
of deregulated mortgage lending. e “whole intellectual
edice,” he said, “collapsed in the summer of last year”
(Skidelsky 2008: MM21).
Kurt Rothschild () begründet die Beharr-
lichkeit des Mainstream mit versunkenen Kosten, soll
doch der hohe Aufwand des Studiums der Neoklas-
sik nicht vergebens gewesen sein, sowie insofern mit
hohen Opportunitätskosten, als man mit alternativen
Ansätzen weder berühmt noch reich werden könne.
Allerdings gibt es kommerzielle Grenzen für praxis-
resistente Axiomatik, indem Studierende fortschritt-
lichere Lehrbücher stärker nachfragen mögen, wenn
diese den Nimbus großer Praxisnähe aufwiesen.
e established theory has reserves of strength. It
sustains much minor renement which does not raise
the question of overall validity or usefulness. It survives
strongly in the textbooks although even in this stronghold
one senses anxiety among the more progressive and com-
mercially sensitive authors. Perhaps there are limits to
what the young will accept (Galbraith 1973: 1).
Andererseits setzen selbst heterodoxe Lehrende
kaum alternative, keynesianisch orientierte Lehrbücher
auf die Literaturlisten, um lästige Konikte um das axi-
omatisch abgesicherte eoriengebäude zu vermeiden
oder die Studierenden vor formeller Erfolglosigkeit im
späteren Beruf zu bewahren (vgl. Sardoni ).
Trotz der Honung auf und Chance für einen
didaktischen Auruch besteht eine latente Gefahr
für den inhaltlichen Gehalt einer solchen Reform: die
Kompromissbereitscha der Neokeynesianer_innen
(New Keynesians) gegenüber der Neoklassik und letzt-
lich die Assimilation durch diese. Die Neoklassische
Synthese ging aus beiderseitigen Annäherungsver-
suchen zwischen Neoklassik und originärem Keyne-
sianismus – trotz des Antagonismus zwischen ihnen
– hervor. Das Ergebnis ist, dass stabiles neoklassisches
Gleichgewicht den allgemeinen Fall darstellt und
keynesianische Phänomene den speziellen Ausnahme-
fall bilden, wenn Input- und Outputpreise starr wären.
Post-Keynesianer_innen lehnen mit ihrer fundamenta-
len Lesart von Keynes diesen „bastard Keynesianism“
(Robinson/Wilkinson : ) ab. Selbst der Neo-
keynesianismus erscheint assimilationsgefährdet, wie
dessen Duldung durch den Mainstream (vgl. Mankiw
) unterstreicht. Aus post-keynesianischer Sicht ist
der tiefgreifende Keynes-Fall der allgemeine Fall und
das allgemeine Gleichgewicht der Neoklassik der Spe-
zialfall, der hypothetische Extremfall, der so gut wie nie
eintreten mag.
Keynes developed a theory that is more general
than classical and mainstream economic theory because
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Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
it is based on fewer restrictive fundamental axioms. e
fewer the number of underlying axioms, the more general
[is; RB] the theory. e most important classical axiom
Keynes eliminated in his general theory is the ergodic
axiom (Davidson 2012: 59).
Die von der Neoklassik unterstellte Ergodizität
von Gleichgewicht setzt voraus, dass die „logische
Zeit“ in der eorie der „historischen, kalendarischen
Zeit“ in der Realität in vertretbarem Maß äquivalent
ist. Diese Annahme rechtfertigt, dass im theoretischen
Modell die Kausalität aus der Zukun in die Gegen-
wart zurückreicht und dass sie die Wirtschasteil-
nehmer_innen letzten Endes sicher ins neue Gleich-
gewicht führen wird. Indes müssen in der Praxis,
in der historischen Zeit, die Zukunserwartungen
und Gegenwartsentscheidungen wegen essenzieller
Unsicherheit auf der Basis bereits vergangener Daten
getroen werden: Die Kausalität verläu vom Ges-
tern über das Heute zum Morgen. Im Mainstream
ist das künige Gleichgewicht hingegen einsehbar,
sind Prognosen zwar riskant, aber kalkulierbar. Das
morgige Ergebnis der zahllosen heutigen Individual-
entscheidungen kann im Einzelnen wie im Kollektiv
mithilfe einer bestimmten, vollständig denierten
Wahrscheinlichkeitsverteilung festgestellt werden.
Der Anpassungspfad ans neue Gleichgewicht ist vor-
gezeichnet, das Ergebnis a priori festgelegt.
Die anderen Ansätze, die hingegen auf das Axiom
der Ergodizität trotz dessen formalanalytischer Vor-
züge (relativ hohe analytische Operationalität) ver-
zichten, werden vom Mainstream als marktfeindlich,
weil kontra-axiomatisch, und unzweckmäßig, weil
nicht ergodisch, angesehen und somit als destruktiv
für Wissenscha und Wirtscha rundweg abgelehnt.
Indes schließt das eine, wie wir mit Blick auf das ema
Deduktion versus Induktion meinen, das andere nicht
kategorisch aus. Es kommt auf den Verwendungszu-
sammenhang an; so ist eine Börse kein Supermarkt
(vgl. Kenyon ), der Arbeitsmarkt weder ein Fisch-
markt (vgl. Solow ) noch ein Kartoelmarkt (vgl.
Bonger ). Die Frage, wie ein Markt besser erklärt
werden könnte, scheint legitim. Doch wird unredlich
die frühere zentralplanwirtschaliche Wirtschasweise
als abschreckende Analogie strapaziert, um den neo-
liberal-marktwirtschalichen Mainstream zu stützen
(Marktwirtscha statt Kommandowirtscha), wurde
doch der vergangene Systemwettbewerb zwischen Ost
und West endgültig entschieden und ab durch den
globalen Standortwettbewerb abgelöst (vgl. Sinn ).
Alternativen zur neoliberalen Marktwirtscha sind
ausgeblendet: Alternativen im Sinn marktwirtscha-
licher second-best-Lösungen, wie erforderlichenfalls
regulierte Märkte, umfassende, aktive Beschäigungs-
politik oder stabilisiertes Wirtschaswachstum, also
Alternativen zur bestechenden, aber unrealisierbaren
rst-best-Lösung in Gestalt perfekter neoklassischer
Märkte und Gesamtwirtschaen (vgl. Rothschild ).
Die vorgebliche Alternativlosigkeit zeigt die Vormacht
des Mainstream.
Ziel dieses Beitrags ist es zu untersuchen, wie
keynesianisch, im Sinn von heterodox/alternativ, oder
wie neoklassisch, im Sinn von orthodox, das vielenorts
als modern empfundene Makroökonomik-Lehrbuch-
modell von Olivier Blanchard et al. () eigentlich
ist. Es ist aus Sicht der allermeisten US economics
departments, mit Ausnahme von Amherst, einem
kleinen Teil von NYC (New School) und einigen ganz
wenigen anderen akademischen Inseln echter Hetero-
doxie, schon links-häretisch. Worin liegen also nun die
Progressivität und/oder Traditionalität dieses Modells
(vgl. Bartel , a)?
Das neoklassische Arbeitsmarkt-Gleichgewichts-
modell als das hier verwendete Referenzmodell für
den Mainstream erklärt eigentlich das nutzenmaxi-
male Arbeitsangebotsverhalten des Haushalts und die
gewinnmaximale Arbeitsnachfrage des Unternehmens.
Es ist das Herzstück des neoklassischen eorien-
gebäudes, weil dort der Arbeitsmarkt die letztliche
Bestimmungskra für Produktion und Wohlstand
ausübt. Der Arbeitsmarkt sei die causa causans, der
Gütermarkt durch ihn bestimmt. Das Arbeitsmarkt-
modell funktioniert letztlich wie ein Auktionsmarkt
und verkörpert die Systemmethodik der Neoklassik.
Besondere, wenn auch ungünstige Bedeutung erhält
dieses vom Entstehungszusammenhang her mikroöko-
nomische Modell dadurch, dass es auf makroökonomi-
sche Beschäigungszusammenhänge angewandt wird,
ohne seine Anwendbarkeit in diesem Kontext ernstha
zu hinterfragen. Es tri nämlich nicht unbedingt zu,
dass Mechanismen, die für Teile des Systems gelten
können, auch für das Gesamtsystem Geltung besitzen
können. Denn im Aggregat sind die Entscheidungen
und Handlungskonsequenzen eines Individuums auch
durch die vermuteten oder tatsächlichen Auassun-
gen und Handlungen der jeweils anderen bestimmt
und daher nicht oder nicht so einfach vorherzusagen.
Eine mikroökonomische Betrachtungsweise ist daher
wesentlich von einer Makroperspektive verschieden,
da die Mikrobrille die wechselseitige Interdependenz
relativ unzureichend einbezieht.
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2. Der Arbeitsmarkt, auf Makroebene untersucht:
Wie sich die Bilder unterscheiden
2.1 Das Mikro-Arbeitsmarktmodell auf Makro-
ebene
Der homo oeconomicus ist der representative agent
der Neoklassik; er oder sie wird als monokratische
Entscheidungsinstanz für jeden Privathaushalt ange-
nommen. Der homo oeconomicus kennt seine oder ihre
(gegebenen) Präferenzen und hat eine unumstößliche
Präferenz fürs Nichtstun. Die Arbeit, abgekürzt A,
ist nicht mehr als ein Leid, das in jeder zusätzlichen
Arbeitsstunde größer ist als in der vorigen. Wir spre-
chen vom zunehmenden Grenzleid der Arbeit. Dieses
wird bei der individuellen Optimierung der Arbeitszeit
(Aa) berücksichtigt (Aa bedeutet Arbeitsangebot des pri-
vaten Haushalts). Der homo oeconomicus ist nur bereit,
Arbeit (wohlgemerkt im Sinn von Arbeitsleistung, nicht
Arbeitsplätzen) anzubieten und den damit verbunde-
nen Negativnutzen in Kauf zu nehmen, wenn er oder sie
dafür einen so hohen kauräigen Stundenverdienst
(Reallohnsatz) erhält, der ihm oder ihr einen Konsum
ermöglicht, der für das entstehende Arbeitsleid hinrei-
chend entschädigt. Gemessen wird der Reallohnsatz in
Einheiten des präferierten Konsumgüterbündels: Essen,
Wohnen, Urlauben etc. (am einfachsten stellen wir
uns nur die Menge eines einzigen Konsumguts vor, die
jemand für eine Stunde Arbeit kaufen kann).
Der Arbeitsmarkt gibt dem Individuum den
Lohnsatz L vor, der Gütermarkt den Preis(-level) P. So
bildet sich der Reallohnsatz L/P, ein Datum von der
Wirtscha als Ganze her und für die einzelnen Wirt-
schasteilnehmer_innen. Ist der Reallohnsatz höher
als das Grenzleid der Arbeit, das bei der aktuell geleis-
teten Arbeitsmenge Aa messbar gefühlt wird, dehnt der
homo oeconomicus sein oder ihr Arbeitsangebot Aa so
lange aus, bis das mit Aa steigende Grenzleid der Arbeit
so hoch ist wie der Reallohnsatz auf dem Markt. Denn
nur dann erfüllt er oder sie die Prämisse, seinen oder
ihren persönlichen Nutzen zu maximieren (d. h., Aa zu
optimieren). Eine weitere Ausdehnung von Aa würde
ihm oder ihr den Gesamtnutzen verringern, indem der
Nettonutzen der zusätzlichen Arbeitsstunde negativ
wäre: Der Nutzenverlust aus dem zusätzlichen Arbeits-
leid wäre größer als der Nutzengewinn aus dem Real-
lohnsatz (entspricht dem Nutzen aus dem Konsum des
Realeinkommens aus der zusätzlichen Arbeitsstunde).
Die Arbeitgeber_innen_seite fragt Arbeit An nach
(im Sinn von Nachfrage nach der Arbeitsleistung der
Haushalte). Das Unternehmen ist ebenfalls nichts ande-
res als ein monokratischer homo oeconomicus. Lohn-
satz und Preis(-level) sind für ihn oder sie ebenso vom
Markt vorgegebene Daten wie die Technologie. Diese
spielt eine entscheidende Rolle: Innerhalb der Pro-
duktionskapazität (Kapitalstockgröße und -qualität),
die in der kurzen Frist unveränderlich ist, wird durch
mehr Arbeitseinsatz mehr produziert und dadurch
der Kapitalstock stärker ausgelastet. So ergibt sich das
Phänomen der abnehmenden Grenzproduktivität: Mit
einer zusätzlich eingesetzten Arbeitsstunde kann zwar
absolut mehr produziert werden, aber im Vergleich
zum Produktionsergebnis der vorigen Arbeitsstunde
ist der Ausstoß der zusätzlichen Arbeitsstunde geringer
– und das, weil der Kapitalstock stärker beansprucht
wird (Stehzeiten, Ausschuss).
Aufgrund all dessen kann der homo oeconomicus
als Unternehmer_in dann und nur dann zu einer
Ausweitung der Beschäigung An und damit der Pro-
duktion angereizt werden, wenn der vom Markt vorge-
gebene Reallohnsatz niedriger wird als die aktuelle, von
der eingesetzten Technik bestimmte Grenzproduktivi-
tät. Denn nur dann kann er oder sie ihren oder seinen
Gewinn maximieren; allein unter dieser Bedingung
bewirkt die Ausdehnung von An einen zusätzlichen
Gewinn, der den Gesamtgewinn noch erhöht. Warum?
Die realen Grenzkosten einer Arbeitsstunde, also das,
was die zusätzliche Arbeitsstunde real kostet, steigen
– selbst bei gegebenem Reallohnsatz und gegebener
Technologie – auslastungsbedingt an und müssen
daher durch einen niedrigeren Reallohnsatz vonseiten
des Marktes kompensiert werden. Würde An über die
Optimalbedingung (Reallohnsatz = Grenzproduktivi-
tät) hinaus erweitert, entstünde dadurch ein zu vermei-
dender Verlust, der den Gesamtgewinn verringerte.
Arbeitsmarktgleichgewicht herrscht allein dann,
wenn der Reallohnsatz gerade so hoch ist, dass deshalb
die repräsentativen Haushalte so viel Arbeit anbieten,
wie die repräsentativen Unternehmen – ebenso nach
Maßgabe des Reallohnsatzes – nachfragen. Somit
ist zum gleichgewichtigen Reallohnsatz (L/P)* der
Arbeitsmarkt geräumt: Aa = An = A* (Abbildung ).
Aus dem neoklassischen Arbeitsmarktmodell
kann Folgendes geschlossen werden, dem selbst auf
makroökonomischer Ebene uneingeschränkt Geltung
zuerkannt wird:
a) Das Arbeitsmarktergebnis beruht auf den
freiwilligen Optimierungsentscheidungen beider
Arbeitsmarktparteien unter den gegebenen Bedingun-
gen (L, P, Präferenzen, Technologie, Information). Das
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begründet übrigens die mit der Planerfüllung verbun-
dene allseitige Zufriedenheit (auch der Arbeitslosen
und Unterbeschäigten) sowie soziale Harmonie.
b) Arbeitslosigkeit ist die Folge eines überhöhten
Reallohnsatzes und wird daher durch eine entsprechend
starke Senkung des Lohnsatzes L beseitigt, die auch den
Reallohnsatz hinreichend senkt (Arbeitsmarkträumung
durch den gleichgewichtigen Reallohnsatz).
c) Falls der aktuelle Reallohnsatz relativ zum
gleichgewichtigen Reallohnsatz überhöht ist und nicht
sinken will, können daran – und folgerichtig an der
Arbeitslosigkeit – unmittelbar nur die monopolartige
Lohnsetzungsmacht der Gewerkschaen und mittelbar
die unzureichende Wettbewerbspolitik des Staates in
Bezug auf den Arbeitsmarkt, aber auch den Gütermarkt
schuld sein. Denn P muss ebenfalls sinken, damit die
Menschen mehr Güter nachfragen, aber der Lohnsatz
muss stärker sinken, damit L/P auch abnimmt.
d) Die gleichgewichtige Beschäigung A* ist im
Standardfall kleiner als das Arbeitskräepotenzial Amax,
das anzeigt, wie hoch die Gesamtzahl der Beschäig-
ten und zu arbeiten wünschenden Arbeitslosen ist.
Die Dierenz Amax – A* ist übrigens jene Keynes’sche
Arbeitslosigkeit, die immerhin bei neoklassischer Voll-
beschäigung herrscht. Die deshalb im Arbeitsmarkt-
gleichgewicht festgestellte Unterbeschäigung U (U
= Amax – A*) ist wohlgemerkt freiwilliger Natur: Wäre
nämlich die Präferenz für Arbeit größer, wäre also das
Grenzleid der Arbeit geringer (was einer Verschiebung
der Aa-Kurve nach unten bedeutete), dann wäre das
Individuum bereit, zu einem niedrigeren Reallohnsatz
zu arbeiten (d. h., auch mehr zu arbeiten als jetzt).
Unter dem Wettbewerbsdruck um die Arbeitsstun-
den bzw. Arbeitsplätze würden dann der Lohnsatz L,
die Preise P und insgesamt auch der Reallohnsatz L/P
abnehmen und daher die gleichgewichtige Beschäi-
gung anwachsen lassen.
Mit diesem Mainstream-Wissen kommen die
Studierenden aus der Mikroökonomie- in die Makro-
ökonomievorlesung und wenden dort bereitwillig das
schon Bekannte makroökonomisch an. Freilich lernen
sie dann auch, dass es Kreislaufprobleme in der Wirt-
scha geben kann, weil Produktion und Beschäigung
wegen unzureichender Güternachfrage zurückgehen
und es somit „kurzfristig“ keynesianische Unterauslas-
tung der Ressourcen geben kann. Aber auch in diesem
Ungleichgewicht sei allerdings, wie gewohnt, der Real-
lohnsatz L/P zu hoch, weil nämlich infolge der schwa-
chen Konjunktur sofort die Preise P gesunken sind.
D. h., der Lohnsatz L braucht bloß zu sinken und den
Reallohnsatz wieder auf sein (unverändertes) Gleich-
gewichtsniveau zu bringen, das mit neoklassischer
„Vollbeschäigung“ A* verbunden ist. „Mittelfristig“
ist die Beschäigungsmarke A* der ergodische Flucht-
punkt einer sich selbst wieder dorthin stabilisierenden
Wirtscha; jede Krise hört einmal auf, indem neben
den Preisen auch der Lohnsatz wieder völlig angepasst
wird (die nächste Lohnrunde kommt bestimmt und der
Lohnsatz gerät unter Anpassungsdruck). Eine gesamt-
wirtschaliche Krise à la Keynes heilt sich also (früher
oder später) nach quasi einzelwirtschalichem Rezept
(das schon in der historischen Weltwirtschaskrise
fehlschlug).
A* wird gern die „natürliche Beschäigung“
genannt; dazu korrespondieren der mit A* produzier-
bare „natürliche Produktionsausstoß“, die „natürliche
Arbeitslosigkeit“ (Personenanzahl) und (in Prozent des
Arbeitskräepotenzials Amax) die „natürliche Arbeits-
losenquote“ („natural rate“; vgl. Friedman ).
Ob und wie weit allerdings diese Selbsterholung des
Arbeitsmarktes und hiermit auch die des Gütermark-
tes gelingt, hängt davon ab, ob, wie rasch und wie sehr
die Löhne und die Preise P exibel sind, so dass die
stabilisierenden Preiseekte („Substitutionseekte“)
die rationierenden, destabilisierenden Einkommens-
eekte („brick-wall“: vgl. Abbildung ) überkompen-
sieren. Kurzfristig können keynesianische Phänomene
immerhin aureten,
a) weil, wie die Neoklassik einräumt, Löhne und
Preise nicht völlig exibel seien (obwohl Rigiditäten
nicht in ihr Konzept passen) bzw.
Abbildung 1: Neoklassisches Arbeitsmarktmodell
Quelle: Eigene Darstellung
L/P
Arbeitsangebot Aa
(L/P)1
(L/P)*
ArbeitsnachfrageAn
An A* Aa Amax A
Reallohn-Arbeitslosi
g
kei
t
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
b) weil, wie der Keynesianismus meint, Einkom-
menseekte immerhin selbst dann dominierten, wenn
die Löhne und Preise und der Reallohnsatz exibel
wären (vgl. Abbildung : „brick-wall“).
Abbildung illustriert das keynesianische Phä-
nomen, dass der Arbeitsmarkt durch den (hier nicht
gezeichneten) Gütermarkt „rationiert“ wird. D. h., die
Güternachfrage und deshalb auch die Produktion sind
so schwach, dass die solcherart rationierte Beschäigung
niedriger geworden ist, und zwar ungeachtet dessen, ob
und in welche Richtung sich der Reallohn entwickelt
(„brick-wall“). Der Übergang von der keynesianischen
„brick-wall“ „Arationiert“ zum neoklassischen Gleichge-
wicht A* bleibt entweder oen oder wird per Annahme
gewährleistet (vgl. Rothschild ). Dabei bleibt im
Rahmen der Neoklassischen Synthese ungeklärt, ob und
welche Eekte sich aus der Umverteilung zugunsten der
Löhne oder der Gewinne – also durch Reallohnanstieg
oder Reallohnsenkung – auf die Güternachfrage und
Beschäigung ergeben; die dafür ausschlaggebende
Verteilung der Einkommen auf dem Markt und deren
Umverteilung durch Änderungen des Reallohnsatzes
bleiben ebenso unberücksichtigt wie die Auswirkung
der Umverteilung auf die realwirtschaliche Aktivität.
2.2 Das Makro-Güter- und Arbeitsmarktmodell
aus Keynes’scher Sicht
Das Modell, das Keynes (/) auf neoklas-
sischem Boden, in einer ergodischen Gedankenwelt
– allerdings nicht in einer des allgemeinen Gleich-
gewichts bei Vollbeschäigung – aufstellte, zeichnet
sich durch seine Einfachheit und zugleich relativ gute
Praxisanwendbarkeit aus, ist aber wegen seiner Simp-
lizität und Ergodizität immer wieder dem Vorwurf der
Naivität ausgesetzt (naive, hydraulic Keynesianism).
Im Keynes-Modell bilden die Unternehmen für die
nächste Produktionsperiode Erlöserwartungen, welche
eine Restriktion für ihre Entscheidungen und eine
Rationierung des Arbeitsmarktes seitens des Güter-
marktes bilden können: Mehr wird nicht produziert
als die Menge von Gütern, welche vermutlich – zum
erwarteten Preis – mit größtmöglichem Gewinn ver-
kau werden kann; die Erlöserwartung beschränkt
also die nach neoklassischem Kalkül gewinnmaxi-
male Produktionsmenge. So gibt es zwar bei Keynes
neoklassische Gewinnmaximierung, aber unter den
entscheidenden Vorbehalten der Erwartungen über
Absatzmenge und -preis, die sich im Optimismus/
Überschwang expansiv auswirken (Aufschwung, Über-
hitzung) und in Pessimismus/Depression kontraktiv
(Rezession, Krise). Zudem rechnete Keynes weder in
der Rezession noch in der Erholung mit erheblich sin-
kenden bzw. steigenden Preisen; auf kurze Sicht seien
eben die Nachfragemengenerwartungen so dominant
wie atterha. Konjunktur ist nach Keynes (/)
eben primär ein Mengen- und realer Einkommenszy-
klus, aber keine systemimmanente Tendenz der Rück-
kehr zu irgendeinem Konjunkturgleichgewicht A* oder
gar zur Vollbeschäigung des Arbeitskräepotenzials
Amax, also in der Hauptsache kein Reallohnzyklus mit
leistungsfähiger Selbststabilisierung der Realwirtscha
(Beschäigung, reale Produktion und Realeinkom-
men).
Das technisch-organisatorische Input-Output-
Verhältnis, die Produktionsfunktion, gibt an, wie hoch
die Beschäigungsnachfrage der Unternehmen je nach
erwarteter Güternachfrage bzw. wie groß die Arbeits-
losigkeit ist. Keynes (/; vgl. in Kurzform auch
/) geht von einer festen, nicht wesentlich ver-
zögerten Beziehung aus: Güternachfrage – Produktion
– Beschäigung – Güternachfrage ... So gesehen ist der
Gütermarkt (mit seiner „aggregierten Nachfrage“, der
Gesamtnachfrage nach inländischen Finalgütern) und
nicht der Arbeitsmarkt (mit seinem Reallohnsatz) das
Kernstück in Keynes’ Makromodell. Zwar ging Keynes
in puncto Arbeitsnachfrage mit der Neoklassik kon-
form, aber nicht im Fall der Rationierung der Arbeits-
durch die Güternachfrage. Er unterschied den doch auf
verschiedenen Märkten gebildeten Reallohnsatz L/P in
Abbildung 2: Neoklassik versus Keynesian „brick-wall“
Quelle: Eigene Darstellung
L/P
Arbeitsangebot Aa
“brick-wall“ (effektiv)
(L/P)* Arbeitsnachfrage
An (notional)
Arationiert A* Amax
Arbeitslosigkeit
der Neoklassischen
Synthese
34
Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
die Bestimmung des Lohnsatzes L und des Preisniveaus
P und unterstellte für das Arbeitsangebot dreierlei
(Appelbaum ):
a) Ein einmal erzielter Nominallohnsatz wird
möglichst gegen seine Senkung verteidigt. Lohnsen-
kungen sind daher eher selten, außer in sehr schweren
Krisen. Darum wird Keynes’sche Arbeitslosigkeit vom
Mainstream gern bloß auf Lohnstarrheit zurückgeführt.
b) Allerdings wandte Keynes gegen die Empfeh-
lung der Neoklassik, bei Arbeitslosigkeit wegen eines
überhöhten Reallohnsatzes L/P den Nominallohnsatz
L zu senken, ein, dass der Reallohnsatz etwa in gleicher
Höhe erhalten bliebe, weil die Reduktion des Nominal-
lohnsatzes eine Preiskonkurrenz auf dem Gütermarkt
auslöse und das Preisniveau P abnehme, so dass die
Rezession nicht mehr im Weg der Reallohnsatzsenkung
kompensiert werden könne (vgl. Appelbaum ).
c) Für eine Ausweitung des Arbeitsangebots
müsse (nicht zuletzt, weil Arbeit nicht nur Leid ist)
keine Erhöhung des Nominal- und somit ceteris pari-
bus auch des Reallohnsatzes vorgenommen werden
(ceteris paribus heißt allgemein: bei unveränderten
Rahmenbedingungen; hier: bei konstantem Preisni-
veau). Expansion müsse also keinen Lohndruck nach
oben erzeugen; vor allem nicht in der Erholungsphase
nach einer Krise.
d) Das Arbeitsangebot werde – unter dem
Druck der prekären Arbeitsmarktverhältnisse – nicht
reduziert, selbst wenn der xierte Lohnsatz L durch
ein steigendes Preisniveau (Ination) real geschmä-
lert wird. Sinkt der Reallohnsatz also auf diese Weise
(beachte den Unterschied zu Punkt c), so werde das
Arbeitsangebot deshalb nicht geringer (es ist ein gra-
scher Unterschied im [A, W/P]-Diagramm, aber kein
inhaltlicher Widerspruch).
Abbildung a verdeutlicht die neoklassische Argu-
mentation, dass in der Rezession das Preisniveau P
sinke, der Reallohnsatz ceteris paribus steige, aber die
Gewerkschaen eine Abnahme des Nominallohnsatzes
L und ceteris paribus des Reallohnsatzes verhindern.
Somit erzeugt der überhöhte Reallohnsatz (kollektiv-)
freiwillige Arbeitslosigkeit.
Abbildung b zeigt denselben Sachverhalt, näm-
lich Reallohnarbeitslosigkeit, in unmittelbarer Abhän-
gigkeit vom Lohnsatz L und mittelbar – bei jeweils
gegebenem Preisniveau – auch in Abhängigkeit vom
Reallohnsatz L/P. Die Preisniveausenkung in der
Rezession erhöht den Reallohnsatz und verringert die
Arbeitsnachfrage An bei jedem Lohnsatz L (d. h. unab-
hängig von L); die Arbeitnehmer_innen verteidigen
den Nominallohnsatz gegen Senkungen und halten
dadurch ihren Reallohnsatz, aber auch die Arbeitslo-
sigkeit hoch.
In den Abbildungen c und d geben wir in
Übereinstimmung mit Keynes die Voraussetzung der
Lohnsatzstarrheit auf und stellen dar, dass selbst bei
Lohnsatzsenkung der Reallohnsatz nicht reduziert und
folglich die Arbeitslosigkeit nicht nach neoklassischer
Art verringert werden kann.
Abbildung c demonstriert: Die Rezession der
Realwirtscha reduziert das Preisniveau P von P auf
P, steigert ceteris paribus den Reallohnsatz auf L/P
und bringt bei jedem Lohnsatz L (d. h. unabhängig vom
Lohnsatz L) eine geringere Arbeitsnachfrage mit sich:
Die Arbeitsnachfragefunktion verschiebt sich – bei
reduziertem, dann aber zunächst unverändert niedri-
gem Preisniveau P – von An(P) auf An(P, Krise) nach
Abbildungen Abbildungen 3a und 3b: Rezession bei starrem Nominallohnsatz
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 3b: Keynes-Interpretation
durch die Neoklassische Synthese
L
L* Aa
An(P0)
An(P1 < P0)
An
1 A*
A
Quelle: Eigene Darstellung
35
www.momentum-quarterly.org
Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
innen. Wenn nun die Arbeitnehmer_innen mit dem
Lohnsatz L nach unten nachgeben und sich dadurch,
grasch gesehen, die Arbeitsangebotsfunktion Aa(L*)
auf Aa(L < L*) nach unten verschiebt, erönet diese
Kostensenkung wettbewerbsbedingt den Druck auf das
Preisniveau nach unten, es sinkt tatsächlich von P auf
P und steigert somit den Reallohnsatz abermals. Die
Arbeitsnachfrage geht deshalb von An(P, Krise) nach
unten bzw. innen, nämlich auf An(P, Krise), und zwar
wegen P < P.
Wir stellen dies in Abbildung d mittelbar dar,
nämlich, nach neoklassischer Art, in Abhängigkeit
vom Reallohnsatz L/P statt vom Lohnsatz L: Wegen
prozentuell (in etwa) gleich stark abnehmendem L
und P bleibt der Reallohnsatz L/P (fast) unverändert,
und die Beschäigung nimmt rezessionsbedingt (d.
h. durch Rationierung seitens des Gütermarktes) von
A* auf An
ab. Von der „brick-wall“ ist eektiv nur der
Punkt [Arationiert, (L/P)*] übrig geblieben – ohne jeden
Bezug zu den bloß „notionalen“ (d. h. gedachten, bloß
ohne Rationierung gültigen, nur von L/P abhängigen)
Arbeitsmarktfunktionen Aa(L/P) und An(L/P); das
zeigt lediglich die schiere Hinfälligkeit der makroöko-
nomischen Erklärung von Arbeitslosigkeit auf Basis
der Neoklassik und Neoklassischen Synthese. Haben
wir Gleichgewicht, brauchen wir dieses Modell eigent-
lich nicht, haben wir Ungleichgewicht, können wir es
nicht gebrauchen. Wenn die Arbeitsanbieter_innen
rationiert sind, ist es völlig egal, wie die Kurve verläu,
weil sie irrelevant ist, zumal sich die Arbeitsmarktteil-
nehmer_innen ohnehin nicht auf ihr benden und
anders beeinusst sind.
Gehen wir nun im Hinblick auf die „brick-wall“
(Rationierungswirkung) ein wenig über Keynes hinaus
und blicken wir zu Michal Kalecki (vgl. Flakierski ;
Lópes/Assous ), dem „polnischen Keynes“, der
zum Teil Keynes’ Zeitgenosse und der Co-Ernder der
Keynes’schen eorie der eektiven (beschäigungs-
wirksamen) Nachfrage war. Kaleckis explizite Einbe-
ziehung der Einkommensverteilung in die Erklärung
der eektiven Nachfrage bringt uns insofern weiter,
als sie uns in die Lage versetzt, die Verschiebung der
„brick-wall“ (vgl. Abbildung ) infolge von Reallohn-
satzänderungen zu bestimmen.
Ausgangsbasis ist die Prämisse, dass die Niedrig-
einkommenshaushalte, die im Arbeitnehmer_innen_
bereich angesiedelt sind, eine höhere Konsumneigung
aufweisen als Hocheinkommenshaushalte, die dem
Unternehmer_innen_bereich zugeordnet werden. Die
Konsumneigung ist jener Bruchteil des verfügbaren
Einkommens, der automatisch zu Konsum wird. Zwar
geben die Hocheinkommenshaushalte in absoluten
Beträgen mehr für Konsum aus, doch die Niedrigein-
kommenshaushalte verausgaben eben einen höheren
Bruchteil ihres verfügbaren Einkommens für Konsum,
um über die Runden kommen zu können. Insofern
sind sie durch eine höhere Konsumneigung gekenn-
zeichnet.
Nun stellt eine Erhöhung des Reallohnsatzes L/P
bei (noch) unverändertem Niveau von Produktion und
Einkommen eine marktmäßige Einkommensumver-
teilung von Hoch- zu Niedrigeinkommenshaushalten,
von Unternehmer_innen- zu Arbeitnehmer_innen-
haushalten dar. Aufgrund der höheren Konsumneigung
der von der Umverteilung bevorteilten Niedrigein-
Abb. 3c: Keynes bei flexiblem
Lohnsatz und Preisniveau
L An(P0)
L* Aa(L*)
L1 Aa(L1)
An(P2, Krise) An(P1, Krise)
An
1 A*
A
Abb. 3d: Neoklassik mit
keynesianischer Rationierung
L/P Arbeitsangebot Aa
(L/P)*
An(notional)
An
1 = Arationiert A* A
Abbildungen 3c und 3d: Rezession bei exiblem Nominallohnsatz
Quelle: Eigene Darstellung
Quelle: Eigene Darstellung
36
Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
kommenshaushalte ergibt sich eine höhere gesamt-
wirtschaliche Konsumneigung und daher auch eine
höhere Konsumsumme bei noch unverändertem
Einkommen (vgl. Bonger : ). In der Folge
wachsen Produktion, Einkommen und Beschäigung
an: Mithin verschiebt sich die „brick-wall“ nach rechts
(in Abbildung nicht dargestellt). Aus der Modellper-
spektive der Neoklassik ist es umgekehrt; da würde
eine Steigerung des Reallohnsatzes (nach Maßgabe der
notionalen Funktionen, die dann noch weiter ausein-
anderklaen) die Krise noch verschärfen.
Kehren wir von Kalecki wieder zu Keynes zurück.
Seiner Erklärung nach ist die Beschäigung generell
von den Erlöserwartungen der Unternehmen abhän-
gig. Ändern sich die animal spirits (Bauchgefühle)
der Wirtschasteilnehmer_innen (vgl. Akerlof/Shiller
), d. h. die Emotionen der Massen, noch nicht,
schlägt also der Pessimismus noch nicht in Optimis-
mus um (oder umgekehrt), können wir die erwarteten
Erlöse durch die aktuellen Erlöse und diese durch die
Produktion (Endproduktion = Gesamteinkommen) mit
methodisch einigermaßen gutem Gewissen annähern.
Deshalb bleibt der Konjunkturzustand ceteris paribus
– will heißen, bis zur Änderung der massenpsychologi-
schen Rahmenbedingungen – unverändert. Das ergo-
dische Gleichgewicht ist ein Beharrungsgleichgewicht:
zuallermeist bei Unterauslastung der Ressourcen. Das
potenziell erreichbare Realeinkommensniveau bleibt
unerreicht, wenn dazu alle zu pessimistisch und zu
knausrig sind: wenn die Haushalte zu wenig konsu-
mieren, die Unternehmen zu wenig investieren und
der Staat spart; deshalb bleibt auch die Beschäigung
niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch (Abbildung ).
2.3 Das Keynesianische (?) am Lehrbuch-
Arbeitsmarkt: ein fooling model?
Was wird nun in dem eingangs angesprochenen,
grosso modo für US-amerikanische Verhältnisse nahezu
revolutionär anmutenden Lehrbuch kommuniziert?
2.3.1 Das makroökonomische Lehrbuchmodell
von Olivier Blanchard et al.
Das hier betrachtete makroökonomische Lehr-
buchmodell (Blanchard et al. : .) präsentiert
sich auf den ersten Blick als Alternative zur Darstellung
des Arbeitsmarktmodells der Neoklassik und grei
dabei zweifellos auch auf Keynes zurück:
a) Die aggregierte Nachfrage bestimmt die
Güterproduktion, die eektive Beschäigung bzw.
die Arbeitslosigkeit (Unterbeschäigung U) und die
Arbeitslosenquote u:
u = U/(A + U)
b) Der Arbeitsmarkt wird durch eine bilate-
rale Monopolstellung von Arbeitnehmer_innen- und
Arbeitgeber_innen-Verbänden beschrieben, wo Macht
die zentrale Rolle für die Lohn- und Preisbildung spielt.
Die relative Verhandlungsmacht zwischen den beiden
Parteien wird sowohl von strukturellen als auch von
konjunkturellen Faktoren geprägt:
Je stärker die Gewerkschasorganisation, desto
höher fallen der Lohnsatz und ceteris paribus der Real-
lohnsatz aus.
Je schwächer der Unternehmenswettbewerb,
desto höher liegt der Preis über dem Lohnsatz und
desto geringer ist ceteris paribus der Reallohnsatz. Das
Arbeitsmarktgleichgewicht ist ein Machtgleichgewicht,
in dem weder die Gewerkschaen den Lohn noch die
Unternehmen den Preis ändern können (quasi ein Patt).
Das impliziert auch, dass die Ination null ist und
somit absolute Preisniveaustabilität herrscht. (Oder aber
es bedeutet – dynamisch statt statisch betrachtet –, dass
der Lohnsatz und das Preisniveau mit derselben, einer
eben nur im Gleichgewicht konstanten Rate wachsen,
so dass wir von relativer Preisniveaustabilität sprechen;
Reallohnsatz und Inationsrate sind konstant.)
Das Arbeitsmarktgleichgewicht ist insofern ein
Erwartungsgleichgewicht, als nur hier die vergangen-
heitsorientierten Preisniveauerwartungen der Arbeit-
nehmer_innen erfüllt sind. Diese korrigieren ihre
Abbildung 4: Die Keynes’sche Beziehung zwischen Güter- und Arbeits-
markt (die technisch-organisatorisch gegebene Produktionsfunktion)
Quelle: Eigene Darstellung
Reale Produktion = Realeinkommen
= Q
Qpotenziell An = Aa
Qaktuell
1
An
1=Aa
1 Avoll
Keynes A
37
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
Erwartungsfehler stets im Nachhinein und haben nur
dann die Chance auf richtige Erwartungsbildung über
das Preisniveau, wenn dieses im Gleichgewicht cete-
ris paribus stabil ist (siehe den vorigen Punkt). Dann
haben sie keine Rechtfertigung mehr, höhere Löhne zu
verlangen, und keine Chance mehr, sie durchzusetzen.
Denn sie können nicht mehr ins Treen führen, ihre
Lohnabschlüsse auf der Basis von falschen Informati-
onsvoraussetzungen (d. h. bei zu geringen Inationser-
wartungen) ausgehandelt zu haben.
Das Arbeitsmarktgleichgewicht ist aber auch ein
Konjunkturgleichgewicht, in dem Produktion (Ein-
kommen) und Beschäigung bzw. Arbeitslosigkeit
insofern nur von strukturellen Faktoren, also relativer
Marktmacht, erzeugt werden, als keine Nachfrage-
schocks dieses allgemeine Gleichgewicht stören und
die Wirtscha vorübergehend davon abbringen.
Doch das Besondere an diesem zunächst unver-
dächtig anmutenden Konzept ist (abgeleitet aus dem
vorigen Punkt), dass im Gleichgewicht die Bedeutung
der eektiven Nachfrage für das Gleichgewicht völlig
vernachlässigt wird. Die aggregierte und eektive
Nachfrage wird einfach vorausgesetzt, indem das Kon-
junkturgleichgewicht bloß durch angebotsseitige Fak-
toren, wie die Produktivität, festgelegt wird. Dazu kann
es deshalb kommen, weil die aggregierte Nachfrage, der
Einuss des Gütermarktes auf den Arbeitsmarkt, bloß
als Störfaktor für das Gleichgewicht behandelt wird.
Zu viel Nachfrage, Produktion und Beschäigung sind
schlecht, weil sonst die Ination steigt; zu wenig davon
ist unerwünscht, weil sonst die Arbeitslosigkeit wachse
und unnatürlich hoch werde.
Abweichungen vom mittelfristigen Gleichgewicht
passieren nur kurzfristig; dann setzen die Anpassungs-
reaktionen von Lohnsatz und Preisniveau in Richtung
des Ausgangsgleichgewichts ein und sind auf mittlere
Frist wieder abgeschlossen: Die Phase der vorüberge-
henden (kurzfristigen) Gleichgewichte bei Unter- oder
Überbeschäigung ist dann vorüber; das abermals
erreichte mittelfristige Gleichgewicht ist nach wie vor
ceteris paribus stabil.
c) Die Anpassungen zwecks Selbststabilisierung
der Wirtscha hin auf die „natürlichen“ (strukturellen,
angebotsseitigen) Werte der Realwirtscha geschehen
wohlgemerkt mittels Lohn- und Preisänderungen,
ohne dass dies an dieser Stelle von Blanchard et al.
() explizit gemacht würde. Hier wurde ein keyne-
sianischer Inhalt implizit in einen Tatbestand der Neo-
klassischen Synthese umgewandelt. Warum fällt das
nicht gleich auf?
d) Das Funktionieren des Arbeitsmarktes wird
hier zwar nicht durch Arbeitsangebots- und Arbeits-
nachfragefunktion beschrieben, sondern durch eine
„Lohnsetzungsbeziehung“ (LS) und eine „Preisset-
zungsbeziehung“ (PS); vgl. Abbildung , aber in Wahr-
heit dennoch in neoklassischer Weise.
Die Lohnsetzungsbeziehung besagt, dass, neben
den strukturellen Machtfaktoren, ein Konjunkturhoch,
ebenfalls verhandlungsmachtbedingt, einen höheren,
ein Konjunkturtief nur einen niedrigeren Lohnsatz L
hergibt als im Gleichgewicht. Bei einem im Konjunk-
turverlauf unveränderten Preisniveau P (sic!), das zwar
keynesianisch ist, aber nicht zu den konjunkturell mit-
bestimmten Löhnen passt (siehe den nachfolgenden
Absatz), steigt genau deshalb der Reallohnsatz L/P mit
zunehmender Produktion und Beschäigung (abneh-
mender Arbeitslosigkeit) – und analog umgekehrt. Das
passt vom Verlauf her zur Neoklassik, aber die Kausali-
tät geht wie bei Keynes von Produktion und Beschäi-
gung zum Reallohnsatz, aber nicht umgekehrt.
Die Preissetzungsbeziehung gibt an, dass das
Preissetzungsverhalten der Unternehmen (beschrie-
ben durch den Gewinnaufschlagssatz g auf den Lohn-
satz L) nicht von der Konjunktur beeinusst wird: P
= L( + g); das ist an sich eine durchaus vertretbare
Annahme. Doch gilt auch hier etwas Unrealistisches:
Unter der Voraussetzung, dass der Lohnsatz im Kon-
junkturverlauf konstant sei (sic!), was ebenfalls keyne-
sianisch ist, bleibt der Reallohnsatz L/P unverändert
hoch, selbst wenn sich die Konjunktur (gemessen an
realem Output und Beschäigung) und der Lohnsatz
ändern.
Abbildung 5: Lohn- und Preissetzungsbeziehung (LS, PS) in Blanchard
et al. (2010) – mit Arbeitslosenquote u, natürlicher Arbeitslosenquote
un und Reallohnsatz L/P
Quelle: Eigene Darstellung
L/P
(L/P)* PS
LS
un u
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Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
Was ist nun zu kritisieren? Die vorangegangenen
Punkte passen auch nicht zusammen. Die Lohn- und
die Preissetzungsbeziehung passen im Allgemeinen
nicht zusammen. LS gilt unter der Voraussetzung eines
konstanten Preisniveaus, doch die Konjunktur ändert
hier Lohnsatz- und Preisniveau; PS tri unter der
Bedingung eines konstanten Lohnsatzes zu, doch auch
dies widerspricht der Modellierung. Aber die beiden
Beziehungen schneiden einander und legen somit
einen – ergodischen (sic!) – Gleichgewichtspunkt fest.
Eben nur im Gleichgewicht sind Lohn- und Preisbil-
dung miteinander konsistent. Und schon hat sich die
„Falle“ Gleichgewicht geschlossen; die Konjunktur
gleicht sich annahmegemäß selbst aus.
2.3.2 Déjà-vu
Enttarnt ist es für Blanchard et al. () ebenso
typisch wie in der Neoklassik und der Neoklassischen
Synthese beredt, dass ein „Andreaskreuz“ gebildet wird
(zwei Beziehungen schneiden einander grasch – und
retten die Gleichgewichtstheorie). Im gegenständlichen
Fall zielt man mit der Lohn- und der Preissetzungsbe-
ziehung, noch dazu bei nicht zueinander passenden
Annahmen über die Konstanz von Lohnsatz bzw. Preis-
niveau, lediglich darauf ab, eine konsistente Konstella-
tion, einen ceteris paribus xen Schnittpunkt (LS∩PS)
zu erhalten. Auf diese Weise wird dem Gedankengut
eines stabilen Gleichgewichts Genüge getan – und das
Prinzip der eektiven Nachfrage „ausgeschaltet“, um
so eine typisch neoklassische Norm zu verfestigen, und
zwar in einem möglicherweise keynesianisch erachte-
ten Modell (Abbildung ). Zumindest ist daran nichts
originär Keynesianisches, eigentlich nur Bastard-
Keynesianisches.
Es ist frappant, dass – unbeschadet der Tatsache,
dass die Kausalität im Modell von Blanchard et al. ()
von der eektiven Nachfrage über den Lohnsatz L und
das Preisniveau P zum Reallohnsatz L/P reicht – dieses
Modell zu einem Gleichgewicht gelangt, das durch
einen bestimmten Reallohnsatz gekennzeichnet ist.
Den Ausschlag dafür gibt letztlich die Konzipierung des
hier einschlägigen Gleichgewichts als ein Erwartungs-
und Konjunkturgleichgewicht. Eine starke Norm ist
entstanden; die „natural rate“ ist in neuen Schläuchen
eingelagert bzw. ist die Kaiserin Neoklassik in suggestiv
und imaginiert neuen Kleidern erschienen. Die Wirt-
scha landet schließlich in einem allgemeinen Gleich-
gewicht, das durch automatischen Anpassungsdruck
erreicht wird, sofern wir uns nur dem „Sachzwang“ und
dem Credo der Flexibilität auf allen Märkten beugen.
Eektive Nachfrage soll eine Schöpfung stabilisierender
Substitutionseekte, nicht Ergebnis destabilisierender
Einkommenseekte sein, denn dann können wir die
Rationierung ausschließen und die eektive Nachfrage
in ihrer Bedeutung demontieren. Das stabile Gleichge-
wicht kann als „natürliches“ Gleichgewicht angesehen
werden, wenn die Natur des Marktes tatsächlich in der
börsenartigen Preisexibilität besteht und tendenziell
(mehr oder weniger schnell) nur mehr Angebotseekte
den Ausschlag geben. Als unnatürlich wird hingegen
Güternachfrage angesehen: als möglicher Störfaktor für
das Konjunkturgleichgewicht; solche Ungleichgewichte
wären aber leicht überwindbar und bedürfen keiner
aktiven staatlichen Stabilisierungspolitik.
Die strukturellen, angebotsseitigen Faktoren legen
im Gleichgewicht oenbar die Produktion fest, die
ihrerseits für die Güternachfrage sorgt. Das entspricht
dem „Say’schen Gesetz“, nach dem sich jedes Angebot
seine Nachfrage selbst schae (Say /). Das
„Gesetz“ von Say ist immerhin, jeweils unterschiedlich
ausgelegt, eine der Grundsäulen verschiedener wirt-
schasliberaler, gleichgewichtsorientierter Schulen:
• Der Klassische ökonomische Liberalismus meint,
Sparen wäre der breiten Bevölkerung kaum möglich
und wurde leicht von den Investitionen aufgesogen,
so dass Gütermarktgleichgewicht die Regel war (vgl.
Bonger : f.).
• Die Neoklassik betont, der Zinssatz gleiche
Investition und Ersparnis, also auch Gesamtangebot
und Gesamtnachfrage auf dem Gütermarkt aus (vgl.
Bonger : f.).
• Die dem Neoliberalismus zugrunde liegende
Neue Klassische Makroökonomik vertritt, die
Menschen ließen sich im Regelfall nicht täuschen und
aus dem Gleichgewicht locken, sondern verblieben
darin (vgl. Gordon : .).
In einem Modell wie dem von Blanchard et al. ()
verwundert die Implikation von Say auf den ersten
Blick, aber bei genauerem Hinsehen eben nicht mehr.
Das LS∩PS-Diagramm hängt durchaus mit dem Aa-An-
Diagramm der Neoklassik zusammen. Unser entschei-
dendes Ergebnis ist, dass ein keynesianisch gekleidetes
Modell schließlich zu nur einem einzigen tatsächlich
relevanten, weil einzig konsistenten Punkt (LS∩PS),
dem allgemeinen Gleichgewicht, zusammenschrump.
Das „Andreaskreuz“ LS∩PS lässt daher die Vermutung
auommen, dass Lohn- und Preissetzungsfunktion
allein die Zwecke erfüllen mögen, eine ceteris paribus
stabile gleichgewichtige Arbeitslosenquote festzulegen,
39
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
dadurch eine („natürliche“) Norm zu etablieren und,
davon abhängend, ein bestimmtes Anpassungserfor-
dernis als „Sachzwang“ zu begründen. Das entspricht
Keynes sicher nicht. Doch die Kritik reicht noch weiter
und bezieht sich auch auf Grundlegenderes.
2.3 Gleichgewicht als Falle – und eine Alterna-
tive dazu
Die Problematik des Gleichgewichts ist der Tücke
seines harmoniebezogenen Begrisinhalts geschuldet.
Denitionsgemäß sind im – allerdings mikroökonomi-
schen – Gleichgewicht alle Marktteilnehmer_innen mit
der Erfüllung ihrer unter den gegebenen Umständen
doch optimalen Pläne zufrieden und haben somit kein
Motiv, ihr Verhalten zu ändern.
2.3.1 Lost in Paradise
When a market is in equilibrium, all participants are
satised that, in the circumstance in which they are placed,
they made the best possible choices, but they could not
have done so unless they knew, when choices were open,
what the outcome would be. Equilibrium is conceivable
only in a completely traditional economy, where everyone
knows what everyone else will do. But in that situation,
there are no decisions to be taken or choices to be made
(Robinson 1979: xi-xii).
Was könnte demnach den neoklassischen Arbeits-
markt überhaupt aus seinem Gleichgewicht bringen
(Abbildung )?
Erwarten die Unternehmen eine höhere Nachfrage,
müssten sie einen höheren Nominallohnsatz bieten, um
tatsächlich mehr Arbeitsangebot zu kriegen, sind doch
die Arbeitnehmer_innen in ihrem Nutzenmaximum.
Ein höherer Nominallohnsatz bedeutet aber ceteris
paribus (d. h. bei noch unverändertem Preisniveau)
auch einen höheren Reallohnsatz, und dieser reizt die
Unternehmen immerhin an, weniger statt mehr zu
produzieren. Die Unternehmen müssten also die Preise
prozentuell stärker erhöhen können als die Löhne, um
gewinnmaximierend mehr produzieren zu können.
Doch das heißt wiederum, dass der Reallohnsatz sinkt
und klar dem Anreiz zu mehr Arbeitsangebot zuwi-
derläu. Die Anreize für Unternehmen und Haushalt,
mehr zu produzieren und mehr zu verdienen, stehen
einander diametral gegenüber und fesseln die Markt-
parteien im Gleichgewicht.
Die gefärbten Linien in Abbildung kennzeichnen
die „kürzere Seite des Marktes“, die sich immer durch-
setzt; ist der Reallohnsatz zu hoch, wird nur die relativ
geringe Arbeitsnachfrage realisiert; ist er zu niedrig,
wird nur das relativ geringe Arbeitsangebot beschäf-
tigungswirksam. Um die bislang konigierenden
Anreizbedingungen beider Arbeitsmarktseiten mit-
einander zu vereinbaren, müssten die Unternehmen
die Preise prozentuell so stark erhöhen wie die Löhne.
Doch das ließe den Reallohnsatz unverändert und
führte realtypisch zur „Entdeckung“ des Arbeitsmarkt-
gleichgewichts und seiner Stabilität. Nachfrageschocks
müssten in Bezug auf Beschäigung, Reallohnsatz und
realen Output unwirksam („neutral“) sein (vgl. Gordon
: .). Die Menschen sind quasi dazu verurteilt,
in ihrem Optimum zu verharren.
Milton Friedman war hingegen ein Ökonom, der
seine ursprüngliche Position von der völligen Unwirk-
samkeit von Nachfrageschocks angesichts der Schwan-
kungen in der Wirtschasentwicklung in die Auassung
wandelte, dass Nachfrageimpulse immerhin kurzfristige
realwirtschaliche Eekte hätten (vgl. Gordon :
.). Als Argumentation dafür musste er, ausgehend
vom gleichgewichtigen Reallohnsatz (L/P)*, gerade für
einen grundsätzlich perfekten Markt (d. h. einen Markt
mit voller und kostenloser Information wie im neoklas-
sischen Grundmodell), eine temporäre Informationsa-
symmetrie unterstellen (Abbildung ):
a) Die Unternehmen können den künig in der
Hochkonjunktur höheren Preis genau vorhersagen
(Pe) und auf dieser Basis kalkulieren, wie stark sie den
Nominallohnsatz L erhöhen können (nämlich auf L),
damit insgesamt ein entsprechend niedrigerer Real-
Abbildung 6: Gefangen im neoklassischen Arbeitsmarktgleichgewicht
Quelle: Eigene Darstellung
40
Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
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lohnsatz L/P letztlich (in t = ) herauskommen wird:
L/Pe = L/P < (L/P)*.
b) Indes können die Arbeitnehmer_innen
den künigen Preis (P) eben nicht vorhersehen
und müssen mit dem aktuellen Preis P als einem
Bestandteil von (L/P)*, rechnen. So ergibt das von den
Unternehmen unterbreitete Angebot eines höheren
Nominallohnsatzes (L) aus der schlechter informier-
ten Sicht der Arbeitnehmer_innen einen höheren statt
einen tieferen Reallohnsatz: L/P > (L/P)* > L/Pe
= L/
P). Folglich wird das Arbeitsangebot ausgeweitet, aber
irrtümlich, nämlich nur vermeintlich nutzenmaximie-
rend. Man ist „genarrt“ worden („fooled“).
c) Bald stellen die Arbeitnehmer_innen fest,
dass sie das Preisniveau unterschätzt und daher den
Reallohnsatz überschätzt haben, und so reduzieren
sie ihr Arbeitsangebot auf den früheren, niedrigeren
Gleichgewichtswert, damit sie ihr wahres Nutzenma-
ximum wieder realisieren. Sie haben die Täuschung in
Friedmans fooling model überwunden.
Die Kritik, dass Friedmans Arbeitsnehmer_innen
so dumm wären, sich immer wieder in gleicher Weise
täuschen zu lassen, führte dann zur Anwendung rati-
onaler Erwartungen durch Robert Lucas auf makro-
ökonomische Fragestellungen und stellte das zentrale
Argument für richtige Prognosen der Wirtschassub-
jekte dar. Diese bleiben deshalb (wie vor Friedmans
fooling model) im Gleichgewicht, aus dem man in der
Regel (d. h. bei Nichttäuschung der rationalen Wirt-
schassubjekte) nicht entkommt: Nachfrageschocks
führen nur zu konjunkturellen Änderungen der Löhne
L und des Preisniveaus P, aber nicht des Reallohnsatzes
L/P, nicht der realen Produktion und nicht der Beschäf-
tigung. Damit wird nachfrageseitige, restriktive Politik
zur Preisniveaustabilisierung, wie sie Zentralbanken in
herkömmlicher Weise praktizieren, volkswirtschalich
insofern kostenlos, als sie keine Beschäigungs- und
Wohlstandseinbußen verursacht (sic!), sondern nur
Preissenkungen.
Die in der Wirklichkeit beobachteten Schwan-
kungen der Wirtschasaktivität und Beschäigung
seien nicht die Folge von Nachfrage-, sondern nur
von Angebotsschocks, (Änderungen in den Struk-
turbedingungen) und zeugten allein von der raschen
Anpassungsfähigkeit der Realwirtscha an die neuen
Strukturbedingungen, wie sie im nächsten mittelfris-
tigen, ergodischen Gleichgewicht vorherrschten (vgl.
Gordon : .).
Worin besteht denn nun die Nützlichkeit des neo-
klassischen Arbeitsmarktmodells, aus dessen Gleichge-
wicht man
• aus klassischer Sicht nur in Richtung einer gerin-
geren Beschäigung herauskommt (Abbildung ),
• aus Milton Friedmans Perspektive nur durch
Täuschung der Arbeitnehmer_innen geworfen werden
kann (Abbildung ) und
• aus dem neu-klassischen Blickwinkel in der
Regel nicht entkommt (Abbildung ), sondern nur in
Ausnahmefällen durch eine Fehlprognose infolge einer
noch nie dagewesenen, daher nicht prognostizierbaren
Situation herausfallen, aber rasch wieder ins Gleichge-
wicht gelangen kann (Abbildung )?
Worin besteht die Nützlichkeit des neoklassischen
Arbeitsmarktmodells, in dessen Gleichgewicht man
• selbst nach neoklassischer Lesart und Interpreta-
tion nur durch vollkommenen Lohn- und Preiswettbe-
werb gelangt (Abbildung ),
• nach neokeynesianischer Ansicht nur sehr ver-
zögert wieder zurückkehren kann, wenn die „brick-
wall“ (Rationierungswirkung) sich irgendwie (wie?)
wieder auöst (Abbildung ) und
• in das man nach post-keynesianischer Meinung
systematisch nicht wieder zurückndet?
Coddington (: ) formuliert den letzten
Punkt drastisch aus:
If the concept of equilibrium is pursued relentlessly,
then as the concept becomes all-embracing it becomes
paralyzed by its own logic: equilibrium becomes a state of
aairs that is, strictly, unapproachable: unless it already
exists, there is no way of attaining it. (...) It would follow
that the standard use of the method of comparative statics
(or, better, “comparative equilibria”) to analyze the eects
Abbildung 7: e escape from equilibrium: Milton Friedman’s
fooling model
Quelle: Eigene Darstellung
L/P
Arbeitsangebot Aa
(L/P)1
(L/P)*
(L/P)2 ArbeitsnachfrageAn
AUnglgw. A* = Amax A
41
www.momentum-quarterly.org
Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
of changes in circumstances, is strictly unwarranted and
illegitimate.
Vermutlich besteht die Nützlichkeit eben in der
Verhinderung anderer Denkweisen, Politiken und
wirtschalicher Abhängigkeiten (z. B. zwischen
Arbeitgeber_inne_n und Arbeitnehmer_inne_n). Die
Last kognitiver Dissonanz muss sich wohl auszahlen.
Versuchen wir nun, über die Argumente Rothschilds
() von der prägenden Kra der Berufsordnung
und der Erfolgsvoraussetzungen für Ökonom_inn_en
hinauszugehen.
2.3.2 Paradise lost – and regained
Nun macht uns der Realtypus nicht die Freude, sich
im Zeitverlauf stetig zu entwickeln, wie es der Idealtypus
gern hätte (paradise lost). Die Vorstellung eines mecha-
nistischen Konjunkturzyklus um einen den Ausschlag
gebenden Trend macht in der Folge Verbesserungs-
möglichkeiten für Realeinkommen und Beschäigung
wesentlich schwieriger. Denn sie werden wirtschas-
politisch nur einseitig – angebotsseitig – angegangen,
und zudem wird die nicht zuletzt der Nachfrageseite
geschuldete Dynamik der Wirtscha einer restriktiven
Nachfragepolitik in guten Konjunkturphasen geopfert.
Das Konzept einer strikt antizyklischen Nachfragepo-
litik kann aus dem Werk von Keynes herausgelesen
werden, aber es ist sicher nicht post-keynesianisch
und, wenn man unserer Sichtweise folgt, oenbar nicht
fortschrittlich: im Charakter zu wenig innovativ, in der
Wirkung zu konservativ.
Dabei erscheint die Ursache einer ebenmäßigen
mechanistischen Konjunkturauassung lächerlich
einfach. Man geht üblicherweise von einem Trend aus,
der die langfristige Entwicklung der Wirtscha dar-
stellt, die von angebotsseitigen, langfristigen Faktoren
durchaus ergodisch vorgezeichnet wird. Der Trend
zeigt die Entwicklung der „natürlichen“ Merkmalsaus-
prägungen der wichtigen ökonomischen Größen.
Dieses gedankliche Konstrukt erhält genau dadurch
auch seine Normativität. Folglich wird selbst jeder reale
Produktions- und Einkommenswert sowie jeder eek-
tive Beschäigungswert oberhalb des Trendwerts als
ungünstig, unnatürlich und unerwünscht klassiziert.
Daher heißt ein Anstieg weg von der konjunkturellen
Talsohle nur bis zum Trendwert hinauf Aufschwung
und dann Überhitzung. Von der Konjunkturspitze
bis zum Trend hinunter nennt sich das Absinken Ent-
spannung, und erst ab Unterschreiten des Trendwerts
Rezession.
Wie anders sieht es aus, wenn man die Entwick-
lung von der Talsohle bis zur Bergspitze Expansion
nennt und die Entwicklung vom Zenit zum Tiefpunkt
Rezession! Mit dieser einfachen semantischen Umfär-
bung gehen wir aber ökonomisch-inhaltlich vom Lehr-
buchmodell von Blanchard et al. und all seinen
formalen Abwandlungen ab und gewinnen dabei an
Möglichkeiten (paradise regained). Nichts spricht mehr
gegen Unterstützung der Expansion und Verhinderung
von Rezession – sofern Inationsbeschleunigung und
Handelsbilanzpassivierung mit anderen wirtschaspo-
litischen Methoden hintangehalten werden als mit res-
triktiver Geld- und Fiskalpolitik (vgl. Rothschild ),
die sich einer Stabilitätspolitik verpichtet sehen, die
Folgendes als Stabilität ansieht: eine so genannte natür-
liche Arbeitslosenquote, ein über den Konjunkturzyklus
ausgeglichenes Budget und eine niedrige Inationsrate.
Für all das wird ein entsprechend hohes Zins-
niveau in Kauf genommen – ganz und gar nicht im
Sinn von Keynes (vgl. Steindl ). Was dabei jedoch
ausgeklammert bleibt, sind die realwirtschalichen
Expansionspotenziale, welche die Budgets ausgleichen
können, nur eben nicht auf restriktive Weise, sondern
durch Maximierung der Bemessungsgrundlagen für
die Massen- und Vermögenssteuern – selbst bei niedri-
gen Steuersätzen (vgl. Pollin ). Dadurch lässt sich
auch die Staatsschuldenquote senken, selbst bei oder
vielmehr gerade wegen einer expansiven staatlichen
Wirtschaspolitik, die freilich beidseitig ansetzen soll:
auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite und die
Flankensicherung gegen Außenhandelsungleichge-
wicht und steigende Ination anderweitig unternimmt
(vgl. Kaldor ; Vickrey ). Ist also die „natürliche“
Arbeitslosigkeit nicht auch in diesem Sinn nicht natür-
lich, als es die Antiinationspolitik der Zentralbanken
(vgl. Hein ) und die ebenfalls restriktiv unternom-
menen Budgetkonsolidierungen („Sparpakete“) sind,
die diese Arbeitslosigkeit schaen und sie als allein
strukturell aussehen lassen?
Die Anwendungsproblematik der gleichgewichts-
orientierten Ökonomik (Neoklassik, Neokeynesi-
anismus, Neoklassische Synthese, Neue Klassische
Makroökonomik) resultiert nicht zuletzt auch aus der
analytischen Trennung der kurzen bis mittleren Frist
von der langen Sicht. Doch in der Realität leben wir nicht
in irgendeiner Frist, sondern in der jeweiligen Gegen-
wart. Dort gibt es stets sowohl kurzfristige und mittel-
fristige als auch langfristige Aspekte und Konsequenzen
(vgl. Robinson ). Diese Fristigkeiten unterscheiden
sich dadurch, dass – in Reaktion auf eine Änderung in
42
Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
den unterschiedlichen Rahmen- und Entscheidungsbe-
dingungen – Variable angepasst werden wollen: Einige
Variable erlauben mit sofortiger Wirkung, einige mit
etwas mehr Verzögerung und einige mit langer Verzö-
gerung, dass ihre Reaktion wirksam werden kann. Das
heißt, heutige Entscheidungen haben kurz-, mittel- und
langfristige Konsequenzen. Das widerspricht der oben
besprochenen Auassung vom starren Trend und der
Konjunktur, die nur kurzfristig (Impulseekt) bis mit-
telfristig (Selbst-/Stabilisierungseekt) wirke.
Warum sollte also die heutige Analyse der Zukun
nach Fristigkeiten ihrer jeweiligen Auswirkungen
unbedingt getrennt vorgenommen werden? Man läu
dabei nämlich v. a. Gefahr, die Wirkungsketten von der
kurzen über die mittlere bis in die lange Frist hinein
zu übersehen oder auszublenden (vgl. Steindl ).
Wenn etwa der Betrachtungshorizont nur mittelfristig
ist und daher nur ein Konjunkturzyklus beachtet wird,
setzt man damit den Trend voraus. Die Folge ist, dass
man dann davon ausgeht, dass jeder Zyklus ohnedies
bald einmal beendet sein wird und sich deshalb das
Forschungs-, Lehr- und Politikinteresse auf die lange
Frist konzentriert (vgl. Mankiw ). Damit blendet
man kurzfristige Probleme aus, obwohl sie eine Eigen-
dynamik entwickeln und zu weit instabileren Ergebnis-
sen führen können, als man vorausgesetzt hat, weil der
Trend als ergodisch angesehen wurde, und man schreibt
solche Irrtümer dann gern einem angebotsseitigen
Trendbruch zu und läu Gefahr, den etwaigen Fehler
weiterhin zu begehen. Sind nämlich die Rezessionen
länger und tiefer als angenommen, wird dadurch der
nachträglich durch den abgelaufenen Konjunkturzyklus
gelegte Trend und womöglich auch der Trend durch die
darauolgenden Zyklen hindurch acher. Die Entwick-
lung ist eben schwächer geworden, und diese Schwäche
breitet sich aus, verfestigt sich und veracht den Trend,
der ja nur eine stilisierende Charakterisierung der
Wirtschasentwicklung im Nachhinein ist. Denn die
Vergangenheit oder bestenfalls die Gegenwart machen
als Bezugspunkte für die laufenden Entscheidungen die
künige Wirtschasentwicklung wesentlich aus, näm-
lich den laufenden Zyklus, den mittelfristigen Trend
und die langfristige Tendenz. Die Zukun lebt, gemäß
historischem Zeitverständnis, aus ihrer Vergangenheit
heraus, nicht aus der ergodischen Perspektive logischer
Zeit, aus der Zukun, aus ihr selbst heraus. Wir spre-
chen dabei von der Hysteresetheorie wirtschalicher
Entwicklung (vgl. Winter-Ebmer ; Smyth ;
Stanley ).
3. Fazit
Das Modell von Blanchard et al. () ist in gewis-
ser Weise ebenfalls eine Art Täuschungsmodell, aber
unterschiedlich zu Milton Friedmans fooling model.
Blanchard et al. haben nämlich ihr Lehrbuchmodell
– wissentlich oder nicht – als keynesianisches Modell
„getarnt“ und so mit dem Nimbus des Fortschrittlichen
versehen. Es ist in der Tat ein Modell vom Typ neo-
klassischer Synthese. Es konstituiert ein Beharrungs-
gleichgewicht (ergodisches Gleichgewicht), in dem die
Wirtscha selbsttätig immer wieder unterhalb des viel
ehrgeizigeren Keynes’schen Ziels der Vollbeschäigung
und des Produktions- und Einkommenspotenzials
zu liegen kommt und zugleich dem Ziel der Preisni-
veaustabilität genügt. Zudem löst es schier unweigerlich
die Assoziation mit dem markträumenden Reallohn-
satz aus, obwohl die Kausalität erklärtermaßen in die
andere Richtung weist. Der eektiven Nachfrage (vgl.
Keynes /) wird keine entscheidende Rolle
zugewiesen, sondern der Flexibilität von Lohnsatz,
Preisniveau und Reallohnsatz. Für das damit begrün-
dete „Say’sche Gesetz“, das der makroökonomischen
Nachfrageproblematik ihre Brisanz nimmt, gibt es
verschiedene Argumentationsmöglichkeiten, die aber
für Keynes als in praxi nicht entscheidend angesehen
wurden und denen einige keynesianische Argumente
entgegenstehen (vgl. Landmann ). Nur wird das in
der Lehre und ihren Lehrbüchern kaum angesprochen.
Dieser Mangel in der Lehre mag damit begründet
werden, dass in einführenden und mittelschweren
Lehrbüchern Klarheit, Einfachheit und Augenschein-
lichkeit der Inhalte eine didaktische Notwendigkeit
seien. Doch gerade im Hinblick auf die Vermittlung
von Verständnis erfährt diese Art der Vereinfachung
aus einem anderen Aspekt heraus schwere Kritik
(„dirty pedagogy“: Collander/Sephton : ). Didak-
tische Erleichterungen seien legitim, falls zweckmäßig,
aber wenn dabei die ökonomische eorie derart ein-
seitig dargestellt wird, dass die einführende bis mitt-
lere Lehre einen unzutreenden Eindruck von deren
Funktionalität vermittelt, ist die didaktisch zu einseitig
erklärte eorie als weniger nützlich einzuschätzen
(vgl. Rothschild , ). Dann müsse das Ergebnis
der Güterabwägung zugunsten der Realität und Nütz-
lichkeit und zulasten der Übersimplizierung ausge-
hen (vgl. Collander/Sephton ), um insgesamt die
Studierenden didaktisch besser an der Hand zu führen.
Milton Friedman hat die Ära der „natural rate“
begründet und so erfolgreich auf Schiene gebracht,
43
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
dass sie längst zum „Sachzwang“-Argument geworden
ist. Gleichsam: Stehen wir doch dem vorgezeichneten
Wachstumspfad nicht im Weg!
Most [economists] accept the natural-rate hypothesis
which broadly interpreted states that classical economics is
right in the long run. Moreover, economists today are more
interested in long-run equilibrium. e long run is not so
far away that one can cavalierly claim, as Keynes did, that
“in the long run we’re all dead” (Mankiw 1992: 561).
Überdies setzt die in der Norm des „Natürlichen“
enthaltene Vorstellung von Gerechtigkeit nicht auf den
Bedarfsaspekt (etwa i. F. v. Recht auf Arbeit) und nicht
auf Solidarität (z. B. Recht auf ein kulturelles Existenzmi-
nimum), sondern auf Leistungserfordernis und Selbst-
verantwortlichkeit (vgl. Best/Widmaier ; Savani/
Rattan ); Prinzip und Prozess des Wettbewerbs
verlangten es. Mit der Natürlichkeit dieser Norm wird
diskursiv eine Harmonie und eine ihr entsprechende
Sozialromantik verknüp, welche, ganz in der Manier
der klassischen Utilitaristen, den Ergebnisaspekt der
Verteilung zugunsten des Prozessaspekts ausklammert
und Ungleichheit rechtfertigt, so eklatant und wachs-
tumsfeindlich sie auch sein möge. Etwa: Ja, du kannst
(statt yes, we can)!
Ein Gleichgewicht ist in der Regel ergodisch geprägt
(wie übrigens auch im originären hydraulischen Keyne-
sianismus und im Neokeynesianismus) und somit
ein Konstrukt, das in der formalen Darstellung und
Bearbeitung eines Problems zweifellos Vorzug und
Stärke besitzt. In diesem Sinn ist Gleichgewicht für den
Prozess der Untersuchung weit bedeutsamer denn als
ein Charakteristikum des Wirtschasprozesses in der
Praxis. Mithin stellt sich sehr wohl die Frage nach der
inhaltlichen Nützlichkeit, obwohl eine solche Wertung
die Einhaltung der traditionellen Objektivitätskriterien
für Erkenntnis in den Sozialwissenschaen relativ stark
strapaziert. Insofern greifen die längst einschlägigen
Popper’schen Wissenschalichkeitskriterien im Hin-
blick auf die eingangs festgestellte kognitive Dissonanz
zu kurz (vgl. Rothschild , ) und erlauben ein
„as-if reasoning“; man tut, als ob die Welt so zu erklären
zu wäre, wie es längst üblich geworden ist – und will es
nicht anders versuchen.
Als ich als junge Wissenschaerin begann, las ich von
den großen Entdeckungen und dachte, dass Wissenschaf-
ter wahnsinnig kreativ sein müssten und aufgeschlossen
gegenüber dem Neuen. Ich war dann sehr überrascht als
sich sah, dass die meisten Wissenschaer konservativ sind.
Ich habe das auch bei meinen eigenen jungen Forschern
beobachtet: Sie haben ein neues Ergebnis und sagen: Das
kann unmöglich so funktionieren. Und dann wollen sie
gar nicht mehr daran weiterarbeiten. Ich glaube, diese
Risikoaversion kommt auch daher, wie wir die Leute aus-
bilden (Lindquist 2011: 15).
Das mikroökonomische Denken, das den Haus-
verstand anspricht, aber den makroökonomischen
Sachverstand außer Acht lässt, hat, nicht zuletzt durch
Re-Iteration in Lehre und Politik, eine subtil verdeckte
Wirkmacht erlangt, die durchaus als „gouvernemental“
im Sinn von Foucault (/: ) zu bezeichnen
ist. So ist denn auch die Anwendung von mikroartigen
Modellen der Neoklassik und der Neoklassischen Syn-
these auf die Makroebene nicht verwunderlich. Viel
eher nimmt es wunder, dass die Gouvernementalität
so stark ist, dass sogar keynesianisch argumentierende
Ökonom_inn_en die „natural rate“, neu gewandet, als
fortschrittlich „verkaufen“ (vgl. Blanchard et al. ),
aus welchen Motiven auch immer (Didaktik, Berufsvor-
bereitung, Methodenvorteil, Karriere, politische Rezipie-
rung). Dennoch ist die Honung auf Ausgewogenheit,
pragmatische eorienauswahl und -anwendung nicht
ganz verfehlt, wenn wir bedenken, wer was schreibt:
„Daher sollten Regierungen mitten in einer tiefen
Wirtschaskrise besser nicht so wirtschaen wie die
berühmte schwäbische Hausfrau, kommentiert das
Handelsblatt. ‚Griechenland spart sich in die Depres-
sion‘, ndet auch Cash“ (Handelsblatt – Finance Today,
..).
Noch ergeben sich aber in den Akademien und
Instituten, Bürokratien und Kabinetten Verdrängungs-
eekte auf die heterodoxe Ökonomik:
Wettbewerbspolitik auf dem Arbeitsmarkt wie auf
dem Gütermarkt wird zur zentralen Arena der Wirt-
schaspolitik (Deregulierung statt Regulierung der
Märkte, z. B. Aurechen der „verkrusteten“ Arbeits-
märkte Europas).
Angebotsorientierte Wirtschaspolitik nimmt
überhand. Das bedeutet Deregulierung auf Kosten von
Umwelt und Steuerauommen, sozialen Maßnahmen
und sozialer Ausgewogenheit, Sicherheit am Arbeits-
platz und Sicherheit des Arbeitsplatzes.
Die Zielsetzung der Wirtschaspolitik wird
bescheidener, wird die „natürliche“ Beschäigung,
nicht die keynesianische Vollbeschäigung. Dabei wird
die „Freiwilligkeit“ der Arbeitslosigkeit unterstrichen,
und aktivierende Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik
bekommen mehr Gewicht. So werden etwa die Zumut-
barkeitsbedingungen für Arbeitsannahme und die
Bezugsanspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld
verschär.
44
Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
Vol. 3 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress
Die angebotsseitigen „Entlastungsmaßnahmen“
für die Unternehmen und „Leistungsträger_innen“
werden die automatischen Stabilisierungswirkungen
des Budgets auf die Konjunktur schwächen. Die auto-
matische Stabilisation durch das Budget entsteht eben
durch einkommensabhängige Steuersätze (ESt, KöSt,
KESt etc.), v. a. einen progressiven Einkommensteu-
ersatz, und durch einkommensabhängige Sozialleis-
tungsansprüche.
Angebotsorientierte Politik bedeutet auch, die
Wirtschaspolitik nach den Unternehmen, heutzutage
speziell an der Norm der Finanzmärkte und Unterneh-
mensvorstände, auszurichten, die angeben, was good or
bad governance ist (Galbraith ).
Das Budget wird in beabsichtigter Weise nicht mehr
(so sehr/so lang) zur Konjunktursteuerung (demand
management) eingesetzt. Die Korrektur wirtschalich
und sozial unerwünschter Entwicklungen wird zuneh-
mend der Selbststabilisierung der Wirtscha überlassen
und noch dazu durch konzertierte Budgetkonsolidie-
rungsprogramme erschwert.
Wettbewerbsbasierte Arbeitsmarktaktivierung
wäre in diesem Sinn die beste Sozialpolitik. Doch das
erscheint insbesondere in Zeiten der Verunsicherung
und Angst vor einer baldigen nächsten Weltnanz- und
Weltwirtschaskrise als makroökonomischer Nachteil
(vgl. Spilimbergo et al. ; Davis/Karim ; Horn et
al. ). Diese Befürchtung düre angesichts der sehr
schiefen Verteilungsverhältnisse und der weitgehend
nicht regulierten Finanzmärkte nicht unberechtigt sein.
Eine neue private Askese könnte die staatliche Aus-
teritätspolitik ergänzen und verstärken:
„Es hat sich bewährt, dass man hierzulande den
Wohlstand nach alter Väter Sitte auf Arbeit und Anstren-
gung gründet – und nicht auf Konsum und Kredit“ (www.
Handelsblatt.com – MorningBrieng [..]).
Aufgaben- und Ausgabeneinschränkungen der
öentlichen Hand erscheinen in orthodoxem Licht
erfolgversprechend für Budgetkonsolidierung, Staats-
schuldenabbau und Steuersenkungen. Diese Austerität
düre allerdings die öentlichen Finanzen nicht aus-
gleichen können, sondern nach weiteren Aufgabenein-
schränkungen und Ausgabensenkungen im Staat rufen
lassen. Dieser Regelkreis verstärkt und verlängert oder
perpetuiert sogar die volkswirtschaliche Last kontrak-
tiver Budgetkonsolidierung.
Restriktive Fiskalpolitik bewirkt im Hinblick auf
Umverteilung eine Tendenz zur verstärkten Anwen-
dung des Äquivalenzprinzips im Einsatz öentlicher
Ressourcen in der Art, dass jemand, wenn er oder sie
vom Staat eine Leistung haben will, nicht (nur) Steuern
dafür zahlt, sondern (vor allem) unmittelbar ein Entgelt
für die Leistung bezahlen soll (Gebührennanzierung).
Dadurch geht freilich die Umverteilungsintensität der
öentlichen Haushalte zurück (Schlagwort: der Staat als
Supermarkt).
Schließlich bleibt der Aspekt, dass staatliche Nach-
frage auch mittel- bis langfristige Wirkungen hat und
Vorteile bieten kann, aus dem Blickfeld verschwunden.
Damit wird die Option ausgeschlossen, die Budgets
über eine expansive, wachstumsorientierte Strategie zu
konsolidieren (vgl. Islam/Chowdhury ).
Symptomtherapien können die Krankheit verschlim-
mern: Seit sich die EU dem Sparen verschrieben hat, ist
die Staatsschuldenquote stärker gestiegen als je zuvor. Das
Gleiche gilt für das Rezept der Lohnzurückhaltung: Seit
die Reallöhne hinter der Produktivität zurückbleiben (seit
30 Jahren!), steigt die Arbeitslosigkeit immer mehr. Grund:
Die einfachen erapien können wesentliche Kettenreakti-
onen nicht berücksichtigen. (…) In den 1950er und 1960er
Jahren lenken keynesianische Rahmenbedingungen das
Gewinnstreben auf die Realwirtscha. Bei permanenter
Vollbeschäigung gehen Gewerkschaen und Sozialde-
mokratie in die Oensive, der Zeitgeist dreht nach links,
die neoliberalen Losungen werden für Vermögende wieder
attraktiv (Schulmeister 2012: 31).
Und die Akademien bieten dabei Unterstützung.
Denken Ökonom_inn_en die Wirkungen ihres Wir-
kens mit und können sie sie ermessen?
4. Ausblick
Für die Reaktion auf die angesprochene kognitive
Dissonanz können verschiedene Szenarien entworfen
werden.
Ein Abgehen von der logischen Zeit und ihrer
Ergodizität mit deren „natural rate“-Konsequenz
würde immerhin das Aus der orthodoxen Ökonomie
als makroökonomischer Mainstream bedeuten, ist
aber aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Oenbar
wird die ökonomische Brille nicht so leicht gewechselt.
Die Krise hat sich bislang wenig auf die Ökonomik
ausgewirkt; die Krise wird – gegen die Minderheit der
Fundamentalkritiker_innen (Sy ) – als ein (selte-
ner) Unglücksfall der Wirtscha infolge menschlicher
Unzulänglichkeiten angesehen, aber nicht als systemi-
sche Krise der Wirtscha, noch weniger als eine Krise
der Ökonomik.
Die scientic economics community besinnt sich
umgehend der Vorteile, die der eorie zugrunde
45
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Bartel: Wie sich die Bilder gleichen – und die Geister scheiden: Mainstream-Ergebnisse in einem keynesianischen (?) Lehrbuchmodell
liegenden Axiome und die der Empirie zugrunde
liegenden Methoden im Interesse einer nützlicheren
Anwendbarkeit ernstha zu prüfen, das Andere, das
Alternative ernst zu nehmen, die Vielfalt in der e-
orienlandscha zu nützen (vgl. Nelson ; Dobusch/
Kapeller ) und die Dogmen- und Wirtschasge-
schichte stärker heranzuziehen und besser auszunüt-
zen, statt Retrospektive pauschal als inaktuell und ihre
Ergebnisse als überholt zu bezeichnen. Ein Beispiel: Im
Oktober kürten Redaktion und Leser_innen des
Handelsblatts die wichtigsten Autor_inn_en bzw.
Werke der Ökonomik. An erste Stelle wurde Karl H.
Marx (†) gewählt. Damit wird John Kenneth Galb-
raiths Anspruch auf „Neutralität“ in der Ökonomik
wieder etwas besser erfüllt:
„If the state must be emancipated from economic
interest, a neutral economics would not deny the need“
(Galbraith : ).
Mehr Bildung im Sinn von mehr Einseitigkeit
lässt kein Mehr an Nutzen erwarten, eher das Gegen-
teil. Mit mehr Ausgewogenheit kehrte jedoch wieder
mehr Intuition und Institutionenwissen in eine ver-
antwortungsvolle ökonomische Analyse ein (vgl. Frey
; Nelson ). Dabei haben wir immerhin mit
einer großen Vielfalt zu „kämpfen“. Art and science of
economics werden deshalb wieder zunehmend in der
Erfassung des Wesentlichen gesehen, in der Bereit-
scha zu redlichem Misserfolg (als ein für die scientic
community akzeptables Ergebnis) und zu konsequenter
Revision in Forschung, Lehre und Politikberatung.
One can make some quite worthwhile progress merely
by using axioms and maxims. But one cannot get very
far except by devising new and improved models. is
requires ... vigilant observation of the actual working of
our system. Progress in economics consists almost entirely
in a progressive movement in the choice of models (Keynes
1938/1973: 26).
In wachsender Erkenntnis der ungleichgewich-
tigen, unsicheren und in ihren Anpassungen überaus
dynamischen Welt passiert eine noch viel stärker for-
male Komplizierung der ökonomischen Analyse – weg
von Gleichgewicht und Ergodizität, hin zu chaosdyna-
mischen Prozessen als anderes Extrem. Der Charakter
des Untersuchungsgegenstandes verlange danach. Die
formalmethodische Hürde, Ökonom_in zu werden,
wächst dadurch aber ebenso an wie die Klu in der
Kommunikation. Infolge eines solchen Aulaens
werden die Inhalte, Methoden und Ergebnisse immer
schwerer an Medien, Schüler_innen und Politik zu
vermitteln sein.
Vielleicht wird es, wie in der Weltwirtschaskrise
., nicht die eorie, sondern die Praxis sein, die
sich einer Politik auf Basis des wirtschaswissenscha-
lichen Mainstream widersetzt und einer methodisch
bescheideneren, aber inhaltlich stärkeren Analytik
den Weg bereitet. Die heutige Zivilgesellscha hat den
Hebel längst angesetzt. Oensichtlich erfüllt sie die
Informations-, Bildungs- und Diskussionsfunktion auf
dem Gebiet der Ökonomik und Politik am ehesten.
Nach der Repolitisierung der öentlichen Debatte wird
ihr Gehalt nicht mehr im „Gackern“ über die politi-
schen Taktiken untergehen. So läu dann der Trend
nicht mehr in Richtung von Stammtischweisheiten
sowie parteipolitischem Opportunismus und show-
mastership. Bildung ist als Gegenmacht gefragt und
provoziert eine breite sachliche und oene Debatte.
Zuvor war es noch so:
„‚Wir werden niemals dulden, dass dieser Wahl-
kampf von Fact-Checkern dominiert wird‘, sagte jüngst
ein Romney-Berater“ (www.Handelsblatt.com – Mor-
ningBrieng: ..).
Wie und wohin wird sich also die Ökonomik
entwickeln? Der Blick in die Zukun eines sozialen
Systems bleibt im Wesentlichen ungewiss. Aus diesem
Grund mache ich meinen Ausblick an einer möglichst
generellen ese fest, selbst wenn diese eine Wertung
von relativ hohem Subjektivitätsgrad darstellt: Wie
nützlich sich die Ökonomik künig erweisen wird,
hängt davon ab, ob sie ihr Hauptforschungsprogramm
der Überwindung von Ressourcenknappheit widmet
oder aber einer zweckmäßigeren Verteilung der Res-
sourcen: Verteilung der Chancen auf Bildung, Sicher-
heit und soziale Integration, Verteilung der Arbeitszeit
und -bedingungen, der Einkommen und Vermögen,
der Umweltqualität.
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Bartel: How the images coincide – and the mind diers: Mainstream results from a Keynesian (?) textbook model
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