I. Multi-und Plurilingualität der Sprachensituation Luxemburgs aus dem Blickwinkel der formalen Bildung Robi Brachmond Jeder ausländische Besucher, der nach Luxemburg kommt, wundert sich über das alltägliche nebenein-ander und Miteinander verschiedener Sprachen: Spricht man in Luxemburg einen Luxemburger auf Fran-zösisch an, so antwortet dieser auf Französisch, wendet man sich an ihn in deutscher
... [Show full abstract] Sprache, so antwortet er auf Deutsch. Besucht man ein Lokal in Luxemburg, muss man Französisch verstehen, um die Speisekarte lesen zu können, auch in der Kommunikation mit dem Kellner kommt man oft weder mit Lëtzebuergesch noch mit Deutsch weiter, hier wird Französisch gesprochen. Hört man zu, wenn sich Luxemburger unterein-ander unterhalten, so sprechen sie ausschließlich Lëtzebuergesch. Ein Luxemburger, der es fertigbringt, einen ganzen Tag einsprachig zu verbringen, findet man eher selten: mehr als eine Sprache sprechen 17% mit ihren Kindern zu Hause, 53% mit ihren Freunden und 56% an ihrem Arbeitsplatz. 1 » Diese kleine Beobachtung des Sprachalltags zeigt die enorme Komplexität der in der tat erstaunlichen luxemburgischen Sprachensituation, die viele ausländische Besucher bewundern und um die wir nicht selten von europäischen Sprachenexperten beneidet werden. Dabei bezieht sich die eingangs zitierte Be-obachtung nur auf den gebrauch der drei offiziellen Schulsprachen Luxemburgisch, Deutsch und Fran-zösisch, wobei es in Luxemburg noch zahlreiche andere gesprochene Sprachen gibt, wie zum Beispiel Portugiesisch, italienisch und Englisch, um nur die prozentual am stärksten vertretenen ausländischen Sprachen zu nennen. im Folgenden wird die komplexe Sprachensituation in Luxemburg zunächst etwas genauer untersucht. Hierzu werden die Begriffe " Multilingualität " und " Plurilingualität " herangezogen, so wie sie im gemein-samen Europäischen referenzrahmen für Sprachen definiert werden. 2 Anschließend wird die spezifische Multi-und Plurilingualität der Sprachensituation in Luxemburg hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Schulsituation beleuchtet. Dabei zeigt sich, dass das herkömmliche Konzept der Mehrsprachigkeit in der Luxemburger Schule durch neue Ansätze der Plurilingualitätsforschung bereichert werden könnte. Multilingualität (Vielsprachigkeit) unter Multilingualität (Vielsprachigkeit) wird die Koexistenz verschiedener Sprachen innerhalb einer grup-pe oder gesellschaft, bezeichnet. Besonders in Europa, wo die kulturelle Vielfalt aufgrund der geschichtli-chen Ereignisse der letzten Jahrhunderte die regel ist, sind vielsprachige gesellschaften eher die regel als die Ausnahme. im gegensatz zu Belgien oder der Schweiz sind die einzelnen Landessprachen in Luxemburg jedoch nicht auf einzelne territorien begrenzt sondern werden auf kleinstem raum in jeweils unterschiedli-chen Situationen genutzt. Durch den relativ hohen Anteil an ausländischen Mitbürgern kommen noch zahl-reiche andere Sprachen hinzu, denen man im Alltag begegnen kann. in multilingualen gesellschaften kann es auch vorkommen, dass Personen, die unterschiedlichen Sprachgruppen angehören, nur ihre Sprache be-herrschen und sich nicht mit Mitbürgern, die nicht ihre Sprache sprechen, verständigen können.