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Instrumente der Arbeits- und
Organisationspsychologie
Irritation ± ein Instrument zur Erfassung
psychischer Beanspruchung im Arbeitskontext.
Skalen- und Itemparameter aus 15 Studien
Gisela Mohr, Thomas Rigotti und Andreas Müller
Zusammenfassung. Irritation beschreibt subjektiv wahrgenommene emotionale und kognitive Beanspruchungen im Kontext der Er-
werbsarbeit. Anhand von 15 Studien (N = 4030) werden Skalen- und Itemparameter der Irritations-Skala berichtet. Die Ergebnisse
untermauern die branchenübergreifende Validität und Reliabilität der Skala. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Irritation schwer-
wiegenderen Befindensbeeinträchtigungen, wie depressiven Symptomen, vorgelagert ist. Neben einer Anwendung in der arbeitspsy-
chologischen Stressforschung, kann das Instrument zur Beanspruchungsdiagnostik sowie zur Planung und Evaluation von Präventiv-
maûnahmen innerhalb der betrieblichen Gesundheitsförderung empfohlen werden.
Schlüsselwörter: Befindensbeeinträchtigung, Beanspruchung, Stress, Irritation, Familie-Beruf-Koordinierung, Gesundheitsförderung
Irritation ± an instrument assessing mental strain in working contexts. Scale and item parameters from 15 studies
Abstract. The Irritation Scale describes subjectivly perceived emotional and cognitive strain in context of the working environment.
Scale and item characteristics of the Irritation Scale are presented on the basis of 15 studies (N = 4030).The results confirm the validity
and reliability of the scale in different industries. Initial evidence suggests that irritation is a precursor of further mental impairments
such as symptoms of depression. In addition to research on stress at work, the instrument can be recommended as an integral part of
strain-assessment as well as for planning and evaluating preventive interventions in the field of occupational health.
Key words: mental impairment, strain, irritation, family-work relationship, stress, occupational health
Zielstellung und theoretischer Hintergrund
Irritation (früher Gereiztheit/Belastetheit, vgl. Mohr,
1986)
1
erfasst subjektiv wahrgenommene emotionale
und kognitive Beanspruchungen im Kontext der Er-
werbsarbeit, hervorgerufen durch ein erlebtes Ungleich-
gewicht zwischen persönlichen Ressourcen und alltägli-
chen Belastungen. Ein Entwicklungsmodell psychischer
Befindensbeeinträchtigungen (Mohr, 1991) konstatiert,
dass Irritation als Mediator zwischen akutem Stress und
psychischer Störung zu betrachten ist (vgl. hierzu auch
Dormann & Zapf, 2002). Irritation kann somit nicht mit
einer psychischen Störung gleichgesetzt werden, sondern
ist in ihrem Schweregrad als psychische Befindensbeein-
trächtigung (vgl. Mohr, 1991) anzusehen. Die Skala wird
empfohlen als Bestandteil einer organisationalen Bean-
spruchungsdiagnostik sowie zur Planung und Evaluation
präventiver Interventionen. Sie berücksichtigt auch Aus-
wirkungen arbeitsbedingter Beanspruchungen auf den
Freizeitbereich (vgl. Tabelle 1: Item 1, 2, 4 und 8): Se-
Zeitschrift für Arbeits- u. Organisationspsychologie (2005) 49 (N.F. 23) 1, 44± 48 Hogrefe Verlag, Göttingen 2005
DOI: 10.1026/0932-4089.49.1.44
Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen (vgl. Tabelle 2) für die
Bereitstellung zusätzlicher Daten. Das Projekt wurde gefördert von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (MO 440/5-1).
1
Die Umbenennung der Skala in Irritation erfolgte aus mehreren
Überlegungen heraus: Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass das Instru-
ment, trotz der Erfassung mehrerer Aspekte psychischer Beanspru-
chung, einen einheitlichen Erlebensbereich abbildet. Darüber hinaus
führte die ursprüngliche Verwendung des Begriffes Belastetheit in Be-
zug auf das in der DIN EN ISO 10075 verwendete Belastungs-Bean-
spruchungs-Konzept zu begrifflichen Verwirrungen, da Irritation ja ei-
nen Aspekt psychischer Beanspruchung darstellt. Auûerdem erwies
sich die neue Bezeichnung hinsichtlich der Erstellung verschiedener in-
ternationaler Versionen als praktikabler.
kundärfolgen, wie nachlassende Unterstützung durch So-
zialpartner, bedeuten für die betroffene Person zusätzli-
che Regulationsanforderungen, für die jedoch nicht mehr
hinreichend psychische Ressourcen vorhanden sind. Im
Sinne des transaktionalen Stresskonzeptes (Lazarus,
1966) kann so ein gefährlicher Circulus vitiosus entste-
hen.
Operationalisierung
Die Items basieren auf der nahezu wörtlichen Übernah-
me der Aussagen von Industriearbeitern (vgl. Mohr,
1986). Spontane Nennungen, wie mürrisch und gereizt
zu reagieren, lassen vermuten, dass die Beantwortung
der Skala nur wenig durch Verleugnungstendenzen be-
einflusst wird. Gleichzeitig ist eine gute Verständlichkeit
der Items gesichert. Die Skala umfasst 8 Items (vgl. Ta-
belle 1). Kritisch ist anzumerken, dass aufgrund der ein-
heitlichen Polung der Items eine Verzerrung der Skalen-
werte durch Zustimmungstendenzen nicht gänzlich aus-
zuschlieûen ist.
Die Skala besitzt eine hierarchische Struktur mit den
zwei Primärfaktoren kognitive Irritation im Sinne eines
Nicht-Abschalten-Könnens (indiziert durch Item 1, 2, 4)
und emotionale Irritation im Sinne einer agitierten Ge-
reiztheit (Item 3, 5, 6, 7, 8) sowie einem gemeinsamen
Faktor zweiter Ordnung Irritation. Die Auswertung kann
sowohl über die Berechnung eines Durchschnittswertes
der Gesamtskala als auch separat für beide der Primär-
faktoren erfolgen (vgl. Müller, Mohr & Rigotti, in
Druck). Aufgrund der expliziten Erwähnung des Arbeits-
kontextes sollte die Skala ausschlieûlich für erwachsene
Personen mit beruflichem Erfahrungshintergrund ange-
wendet werden.
Es liegt eine Parallelform der Skala vor (vgl. Mohr,
1986). Darüber hinaus existieren Adaptationen der Skala
in 14 Sprachen (Arabisch, Englisch, Französisch, Hebrä-
isch, Holländisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch,
Russisch, Schwedisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch
und Vietnamesisch). Bisher vorliegende statistische
Kennwerte weisen auf eine interkulturell zufrieden stel-
lende konfigurale und metrische ¾quivalenz zwischen
den arabischen, französischen, polnischen und russi-
schen Skalen hin (Mohr, Müller, Rigotti & Aycan,
2003).
2
Zudem wurde eine schüler-adaptierte Version
des Instruments entwickelt (Rigotti & Jacobshagen,
2003).
Methode
Stichprobe
Im Sommer 2001wurden Forschergruppen in Deutsch-
land, der Schweiz und Österreich kontaktiert. Diese wur-
den gebeten, Rohdaten der Irritations-Skala zur Verfü-
gung zu stellen. Die im Folgenden berichteten Skalen-
und Itemparameter beruhen, soweit nicht anders ver-
Tabelle 1. Itemparameter der Irritations-Skala
Item M SD Schiefe h
2
F1* F2* r
it
(Range)
1. Es fällt mir schwer, nach der Arbeit
abzuschalten. (KI)
3.77 1.78 .05 .81 .43 .90 .62 (.46 ±.85)
2. Ich muss auch zu Hause an Schwierigkeiten
bei der Arbeit denken. (KI)
3.93 1.74 ±.04 .85 .46 .92 .67 (.54 ±.87)
3. Wenn andere mich ansprechen, kommt es vor,
dass ich mürrisch reagiere. (EI)
2.95 1.43 .56 .79 .79 .46 .66 (.47± .91)
4. Selbst im Urlaub muss ich manchmal an Probleme
bei der Arbeit denken. (KI)
2.73 1.69 .76 .74 .50 .85 .65 (.49± .86)
5. Ich fühle mich ab und zu wie jemand,
den man als Nervenbündel bezeichnet. (EI)
2.49 1.58 .97 .72 .79 .52 .69 (.55±.91)
6. Ich bin schnell verärgert. (EI) 2.89 1.47 .64 .78 .87 .38 .66 (.57± .89)
7. Ich reagiere gereizt, obwohl ich es gar
nicht will. (EI)
2.95 1.54 .60 .83 .90 .38 .69 (.60±. 92)
8. Wenn ich müde von der Arbeit nach Hause
komme, bin ich ziemlich nervös. (EI)
3.08 1.68 .56 .84 .76 .51 .66 (.53±.89)
Anmerkungen. N = 4030; 7-stufige Likert-Skalierung von 1 = trifft überhaupt nicht zu bis 7 = trifft fast völlig zu; KI = Primärfaktor kognitive Irritation,
EI= Primärfaktor emotionale Irritation; *Faktorladungen der exploratorischen Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse, Rotation Promax).
2
Sämtliche in diesem Beitrag dargestellten Item- und Skalenpara-
meter beziehen sich auf die deutsche Fassung der Irritations-Skala.
Psychische Beanspruchung ± Irritation
45
merkt, auf Datenanalysen von insgesamt 15 Studien mit
N = 4 030 Personen (weiblich = 1621, männlich = 2409;
vgl.Tabelle2)
3
.22.3%derPersonenwarenzumjeweiligen
Untersuchungszeitpunkt jüngerals 29Jahre alt;34.5% wa-
ren 30±39 Jahre alt; 23.1% waren 40±49 Jahre alt und
19.7% waren über 50 Jahre alt. Die Zugehörigkeit zu ver-
schiedenen Berufsgruppen ist Tabelle 2 zu entnehmen.
Faktorstruktur
4
Exploratorische Faktorenanalysen (Hauptkomponenten-
analysen) und eine Parallelanalyse ermittelten überein-
stimmend eine zweifaktorielle Struktur des Instruments.
Die Faktoren besitzen eine Varianzaufklärung von 58%
bzw. 16%. Beide Faktoren korrelieren mit r = .61. Die
Faktorladungen der Items (vgl. Tabelle 1) zeigen, dass
die Items dem jeweiligen Faktor eindeutig zugeordnet
werden können. Innerhalb konfirmatorischer Faktoren-
analysen (N = 4030) erhobene Fit-Indices weisen auf
eine genügende (RMSEA = .09) bis gute (GFI = .95, AG-
FI = .90, CFI = .87) Modellanpassung der oben beschrie-
benen Skalenstruktur an die empirischen Daten hin. Der
c
2
-Wert wurde aufgrund seines stark positiven Zusam-
menhangs mit der Stichprobengröûe bei der Beurteilung
der Modellgüte nicht berücksichtigt (vgl. Hu & Bentler,
1998).
Deskriptive Item- und Skalenparameter
Tabelle 1 gibt Auskunft über die deskriptiven Maûe der
Irritations-Skala. Bis auf die Items 1 und 2 weist die Ver-
teilung der Items eine substanzielle positive Schiefe auf.
Die Trennschärfen der Items sind insgesamt als gut bis
sehr gut zu bezeichnen. Der Range der Trennschärfen
für sämtliche Items ist in allen 15 Studien mindestens zu-
frieden stellend.
Tabelle 2. Übersicht über die in die Datenanalyse aufgenommenen Studien mit Skalenparametern
Studie Stichprobe N
Frauen Männer a r
it
MSD
1* Büro 45 35 .85 .49± .70 3.08 1.13
2 DiplompsychologInnen 138 23 .97 .85± .92 2.89 0.99
3* Feuerwehr ± 657 .91 .62± .75 3.18 1.29
4* Feuerwehr ± 215 .90 .58 ±.72 2.83 1.16
5* Industrie 131 91 .90 .59± .74 2.89 1.21
6 Krankenhaus, Verkauf, Zeitarbeiter 146 54 .90 .60± .75 2.63 1.01
7* metallverarbeitende Industrie 11 89 .84 .46± .70 2.85 1.21
8 öffentlicher Dienst 136 181 .86 .55 ±.68 3.17 1.25
9* öffentlicher Dienst (Bildschirmarbeit) 226 199 .93 .71±.80 3.30 1.43
10* Pfarrer 6 14 ± ± 3.30 0.87
11* Polizei 36 189 .91 .65±.76 2.80 1.24
12* repräsentative Bevölkerungsstichprobe 314 379 .85 .57 ±.68 3.37 1.06
13* soziale Berufe (Heimerziehung) 79 59 .90 .64±.78 3.43 1.19
14* Versicherung, öffentlicher Dienst, Beratung, Sonstige 278 188 .88 .60± .68 3.03 1.13
15* Versicherung 75 36 .86 .52± .74 2.66 1.09
Gesamt 1 621 2 409 .89 .62±.69 3.10 1.21
Anmerkungen. * Wir danken folgenden Kolleginnen und Kollegen für die Bereitstellung zusätzlicher Daten; Studie 1: Andrea Lohmann, Jochen Prüm-
per; Studie 3: Bettina Goriûen; Studie 4: Bettina Goriûen, Dieter Zapf; Studie 5: Konrad Leitner; Studie 7: Marketa Hanetslegrova; Studie 9: Jörn Hur-
tienne, Jochen Prümper; Studie 10: Carsten Gennerich; Studie 11: Christine Busch, Markus Felder, Markus Wirtenberger; Studie 12: Michael Frese,
Harry Garst, Peter C.M. Molenaar, Doris Fay, Tanja Hilburger, Karena Leng, Almut Tag; Studie 13: Lothar Bildat, Jeannette Zempel, Klaus Moser;
Studie 14: Jörn Hurtienne, Jochen Prümper; Studie 15: Christine Busch.
3
Insgesamt wurden 20 Datensätze mit einem Gesamtumfang von
N = 5 456 (weiblich = 1931, männlich = 3 465) Personen zur Verfügung
gestellt. In fünf der Studien wurde jedoch mit einer fünfstufigen Skalie-
rung gearbeitet. Eine Analyse dieser Daten wird in diesem Beitrag nicht
berichtet.
4
Eine ausführliche Darstellung der Skalenstruktur und ihrer Ana-
lyse erfolgt in Müller et al. (in Druck).
Gisela Mohr, Thomas Rigotti und Andreas Müller
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Gütekriterien
Reliabilität
Cronbachs a streut in den 15 Stichproben zwischen .85
und .93, für die gesamte Stichprobe beträgt a .89 (Ta-
belle 2).
Die Retest-Reliabilität ist erwartungsgemäû geringer.
Sie beträgt nach sechs Monaten r = .69 und sinkt nach
zweieinhalb Jahren auf r =.61 sowie nach dreieinhalb
Jahren auf r = .57 ab (Produkt-Moment-Korrelation; Stu-
die 12: N = 301± 322, vgl. Tabelle 2). Eine Untersuchung
von Mohr (1997) zeigte, dass die Retest-Reliabilität nach
sieben Jahren mit r =.28 erwartungsgemäû deutlich ge-
ringer als bei Instrumenten zur Erfassung von Angst
(r = .47) oder Depressivität (r = .68, N = 110) ist. Die
Skala scheint also sensibel genug, um nichtklinische Be-
findensschwankungen abbilden zu können, ohne wieder-
um zu stark von aktuellen Stimmungsveränderungen be-
einflusst zu werden.
Validität
Konvergente und diskriminante Validität
Es existieren positive Zusammenhänge zu Arbeits-
stressoren, definiert über den Regulationsaufwand zur
Bewältigung von Arbeitsanforderungen (r = .29 bzw.
r = .34, p < .05, N = 218; Leitner, 1993), zu weiteren Be-
findensbeeinträchtigungen, wie emotionaler Erschöp-
fung (r = .52) und Depersonalisierung (r = .47; jeweils
p < .01, N = 130; Enzmann, 1986), sowie zu fehlenden
Ressourcen, wie mangelnder sozialer Unterstützung
(r =.39, p < .01, N = 153 ±203; Mohr, 1986). Erste Er-
gebnisse deuten auf positive Korrelationen mit physiolo-
gischen Belastungsindikatoren, wie systolischem Blut-
druck, hin (r = .54, p < .001, N = 39 ±41; Grebner, 2001).
Negative Korrelationen bestehen beispielsweise zu ergo-
nomischer Qualität von Computersoftware (r = ±.34,
p < .05, N = 387 ±443; Hurtienne & Prümper, 2003) und
beruflicher Selbstwirksamkeitserwartung (r = ±.28,
p < .01, N = 184; Mohr & Krüger, 2002). Geringe positi-
ve Zusammenhänge von r = .10 (p > .05, N = 196 ±201;
Mohr, 1986) zu Arbeitsunfähigkeit sind erwartungsge-
mäû im Sinne der diskriminanten Validität, da Irritation
ein Stadium prä-klinischer Beanspruchung beschreibt.
Die Subskalen zeigen vor allem zu arbeitsbezogenen
Konstrukten gegenläufige Zusammenhänge (vgl. Müller
et al., in Druck): So korreliert Kognitive Irritation (KI)
positiv mit Leistungsmotivation (r = .16, p < .05,
N = 198) während Emotionale Irritation (EI) hierzu
einen negativen Zusammenhang aufweist (r = ±.26,
p < .01, N = 198). Gleichzeitig geht KI im Gegensatz zu
EI jedoch auch mit dem Erleben von Arbeitsbelastung
einher (KI: r = .17, p < .05; EI: r = .03, N = 196). Beide
Subskalen stehen in negativem Zusammenhang zu beruf-
licher Selbstwirksamkeit (KI: r = ±.19, p < .01; EI:
r = ±.26, p < .01, N = 196), jedoch nur EI weist substan-
ziell negative Zusammenhänge zu genereller Selbstwirk-
samkeit auf (KI: r = ±.04; EI: r = ±.44, p < .01, N = 304).
Für EI wurden im Vergleich zu KI tendenziell höhere Zu-
sammenhänge zu weiteren Konstrukten psychischer Be-
findensbeeinträchtigung beobachtet (z.B. Depressivität:
KI: r =.24,p < .01, EI: r = .45, p < .01, N = 304).
Prädiktive Validität
In einer Längsschnittstudie konnten Dormann und Zapf
(2002) zeigen, dass Zusammenhänge zwischen sozialen
Stressoren und depressiven Symptomen nur über die Me-
diatorwirkung von Irritation erklärbar sind. Kausale Ef-
fekte von Irritation auf depressive Symptome waren
nachweisbar, wenn zwischen der Erfassung der jeweili-
gen Variablen ein Zeitintervall von mindestens zwei Jah-
ren lag. Es ist jedoch zu beachten, dass in dieser Studie
lediglich die Items 3, 6 und 7 verwendet wurden, die al-
lesamt der Subskala Emotionale Irritation zuzuordnen
sind. Inwieweit eine prädiktive Validität der Gesamtskala
vorliegt, ist noch zu prüfen.
Stichprobenparameter
Geschlecht: Es konnten keine Geschlechtsunterschiede
bezüglich Irritation ermittelt werden (t-Test, p > .10). Al-
ter: ¾ltere Arbeitnehmer (über 50 Jahre; N = 794, M =
3.23) weisen signifikant höhere Skalenwerte auf als jün-
gere Arbeitnehmer(unter 29 Jahre; N = 897, M = 2.98; ein-
faktorielle ANOVA mit Post-Hoc Tamhane-Test, p < .01).
Beruf: Eine Analyse berufsgruppenhomogener Stichpro-
ben (Polizei, Versicherung [Studien 14 und 15: N = 251,
M = 2.88], Diplompsychologie, Feuerwehr [Studie 4], öf-
fentlicher Dienst [Studien 8 und 9], Heimerziehung; vgl.
Tabelle 2) ergab signifikant höhere Irritations-Werte der
Beschäftigten in Heimerziehung und im öffentlichen
Dienst (Studie 9) im Vergleich zu allen anderen analysier-
ten Berufsgruppen (einfaktorielle ANOVA mit Post-Hoc
Tamhane-Test, p < .01). Hierarchie: Ein Absinken von Ir-
ritation mit steigender Hierarchieebene (Arbeiter:
N = 199, M = .45; untere Angestellte: N =138, M = 3.43;
obere Angestellte:N = 284, M = 3.26) kann auf keinem üb-
lichen Signifikanzniveau interpretiert werden (Studie 12,
vgl. Tabelle 2; einfaktorielle ANOVA, p > .10).
Normierung
Mohr, Müller und Rigotti (in Druck) präsentieren Nor-
men sowohl über die beiden Primärfaktoren als auch über
den Gesamtindex.
Psychische Beanspruchung ± Irritation
47
Schlussbemerkungen
Mit der Skala Irritation wird ein Instrument vorgelegt,
das sich in einer Vielzahl von Untersuchungen als relia-
bel und valide erwiesen hat und somit branchenübergrei-
fend einsetzbar ist. Bisher wurde die Skala vorwiegend
zur Bestimmung gruppenstatistischer Kennwerte ge-
nutzt. Nunmehr vorliegende Normwerte (Mohr, Müller
& Rigotti, in Druck) verbessern die Einsatzmöglichkei-
ten des Instrumentes im individuellen Beratungskontext.
Die Skala ist in der Lage, auf ökonomische Weise die
potenziell schädigende Wirkung kritischer Arbeitsbedin-
gungen zu indizieren (vgl. z.B. Leitner, 1993). Bisherige
Erkenntnisse lassen vermuten, dass Kognitive Irritation
insbesondere eine punktuelle arbeitsbezogene Beanspru-
chung erfasst, während Emotionale Irritation eine über
den Arbeitskontext hinaus generalisierte Beanspruchung
indiziert (ausführlich in Müller et al., in Druck). Erste
Hinweise, dass Irritation (resp. der Primärfaktor Emotio-
nale Irritation) eine Entwicklung psychischer Beein-
trächtigungen prädiziert (vgl. Dormann & Zapf, 2002),
bedürfen einer Absicherung durch weitere Längsschnitt-
studien. Eine Untersuchung der Wirksamkeit eines
Stressbewältigungstrainings bei Lehrern (Stück, Rigotti
& Mohr, 2004) zeigte darüber hinaus, dass Irritation als
sinnvolles Kriterium zur Maûnahmenevaluation einge-
setzt werden kann.
Beobachtete berufs- bzw. hierarchiespezifische Irri-
tationsunterschiede müssen einer weiteren systematisier-
ten Analyse unterzogen werden. Hier ist der theoriegelei-
tete Vergleich tätigkeitspezifischer Dimensionen einem
reinen Berufsgruppenvergleich vorzuziehen. Dies kann
jedoch anhand der vorliegenden Daten nicht geleistet
werden. Gemäû der Spezifik des Konstruktes sind da-
rüber hinaus auch Studien notwendig, welche den kurz-
zeitigen Verlauf (weniger als sechs Monate) von Irrita-
tion beschreiben.
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Prof. Dr. Gisela Mohr
Dipl.-Psych. Thomas Rigotti
Dipl.-Psych. Andreas Müller
Universität Leipzig
Institut für Psychologie II
Arbeits- und Organisationspsychologie
Seeburgstraûe 14 ± 20
04103 Leipzig
E-Mail: rsplitt@uni-leipzig.de
Gisela Mohr, Thomas Rigotti und Andreas Müller
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