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Kreatives Nicht-Wissen Zu Diagnose, störungsspezifischem Vorgehen und zum gesellschaftskritischen Anspruch des Personzentrierten Ansatzes

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Abstract

Rogers’ Persönlichkeits- und Beziehungstheorie und seine Gegenposition zu Experteninterventionen erweisen sich bei näherem Zusehen als herbe Gesellschaftskritik. Impliziert sein Konzept, dass „die wesentlichen Bedingungen der Psychotherapie in einer einzigen Konfiguration bestehen“, tatsächlich, wie seither oft behauptet, die Ablehnung von Störungsdifferenzierung und Psychodiagnose? Und anders gefragt: Haben wir durch die seither zahlreich entwickelten differenziellen Konzepte wirklich Neues über die Psychotherapie dazugelernt? – Aus dialogisch-personaler Sicht sind Therapeut und Klient nicht nur in Beziehung, sie sind Beziehung. Das bedeutet, dass sie in jeder therapeutischen Beziehung verschieden sind. Es ist der Klient, der den Therapeuten „in-form-iert“, d. h. in Form bringt zu verstehen, und zum Risiko herausfordert, mit ihm eine einzigartige Beziehung zu kokreieren. Fazit: Es ist immer die Orthopraxie, die die Orthodoxie herausfordert.

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... Vielmehr sollte nur eine Art Leitlinie entworfen werden, die dem therapeutischen Handeln selbst dann eine Orientierung geben kann, wenn der Therapeut im Einzelfall sich zu einem abweichenden Vorgehen entscheidet. Insofern soll der Therapeut mit seinem Wissen durchaus frei und kreativ umgehen (Schmid, 2005). Aber erst auf dem Hintergrund eines solchen Wissens und der damit verbundenen Begrifflichkeit kann der Therapeut im Nachhinein sein eigenes Vorgehen überhaupt erst beschreiben und kritisch sichten. ...
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In der vorliegenden Arbeit wird für eine Synthese von „Problemzentrierung“ und „Personzentrierung“, d. h. von funktionalanalytischer und hermeneutisch-dialogischer Betrachtungsweise plädiert. Am Beispiel der Depression wird ein personzentriertes Arbeiten gezeigt, dass sich von störungsbezogenen Konzepten leiten lässt. Dies bedeutet, jene Inhalte und Themen zu beschreiben, die für die depressive Störung charakteristisch sind. Die Bearbeitung dieser Themen erfolgt entlang jener Handlungskonzepte, die sich aus den Kernmerkmalen bzw. therapeutischen Grundhaltungen der Personzentrierten Psychotherapie ableiten.
... Dieses Verständnis der Therapie als "Kunst des Nicht-Wissens" wurde des Öfteren beschrieben(z. B. Schmid 200b;2002c;2005c). Es ist für das Verständnis der Natur der Personzentrierten Therapie wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass das auch andersherum gilt: Wie der Klient der Andere des Therapeuten und für den Therapeuten ist, ist der Therapeut der Andere für den Klienten und des Klienten. ...
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Der Aufsatz untersucht phänomenologisch die bipolare Natur der personzentrierten Beziehung in Psychotherapie und Beratung und beschreibt sie als dialektischen Prozess des Seins miteinander und einander gegenüber. Der Fokus liegt dabei auf dem bislang für die Praxis weniger untersuchten konfrontativen Aspekt der Begegnung und dem personalen Austausch des zugrunde liegenden Dialogs. Dabei werden verschiedene Arten der Resonanz untersucht, mit denen der Therapeut auf das Geschehen in der Therapie reagiert, und es werden Kriterien entwickelt, wann Konfrontation und Austausch in der Therapie personzentriert sind und wann nicht.
... gegenwärtig die Balance wiedergewinnen und das Miteinander-Sein von Klient und Therapeut ebenso hoch schätzen wie das Einander-gegenüber-Sein und so beide Einseitigkeiten aufheben durch die Wiedergewinnung des elementaren Wir, d. h. von Wechselseitigkeit und Gemeinsamkeit in der Psychotherapie.10 Die Grundlage jeder "Kunst des Nicht-Wissens" (vgl.Schmid, 2005).11 Dabei geht es darum, durch gezielte Fragen Widersprüche in Hypothesen aufzuzeigen und so zu neuen Hypothesen zu kommen, die dann ebenfalls hinterfragt werden. Die meisten dieser Dialoge enden ohne Lösung.12 "Sokratische Dialoge" werden etwa in der Rational-Emotiven-Therapie (RET) nach Ellis als Technik verwendet, irrationale Annahmen ...
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Wie kommen wir zu einem Verständnis unserer selbst und zu einem Verstehen anderer Menschen? Statt über den Anderen Erkenntnisse zu gewinnen, geht es im Personzentrierten Ansatz darum, den Anderen als einen wirklich Anderen anzu-erkennen. Dies erfordert einen Bruch mit jenen traditionellen psychotherapeutischen Erkenntnistheorien, die Gefahr laufen, in der Falle des Selben und damit des Selbst gefangen zu bleiben, indem sie von Bekanntem auf das Neue schließen. Die Alternative ist die Anerkennung und authentische Verwirklichung des grundlegenden Wir des Menschseins (d. h. eine Epistemologie der Transzendenz oder Alterität). Dies geschieht in der Realisierung der dialogischen Grundverfasstheit – auch und gerade in der Psychotherapie. Im Verständnis der Dialogischen Philosophie ist der Mensch von allem Anfang in Dialog; ja, es gilt: Die Person ist Dialog. Therapie als Dialog bedeutet daher weder Austausch noch Gleichrangigkeit noch anzustrebendes Therapieziel, sondern ist die Herausforderung zum Eintreten in eine immer schon vorgängig gegebene Du-Ich-Situation und deren Entfaltung. Die therapeutischen, ethischen und politischen Konsequenzen werden diskutiert.
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Entlang der jeweiligen Genusgruppe, der sozialen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der sexuellen Orientierung, des Alters und der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe wird die Person in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen sichtbar. Diese scheinbar natürlichen Merkmale sind gesellschaftlich mit Erwartungen, Anforderungen, Zuweisungen und Verhaltenspraktiken verknüpft, die oft verhindern, dass eigene authentische Erfahrungen adäquat zum Ausdruck kommen. Diskriminierungserfahrungen und gesellschaftliche Benachteiligungen und Ausschlüsse entlang dieser Kriterien bedingen Leidenszustände, die in unseren Praxen sichtbar werden. Psychotherapeut:innen – insbesondere im Personzentrierten Ansatz – haben daher die Verantwortung, soziale Strukturen zu reflektieren und in Theorie und Praxis ihrer Arbeit mitzudenken. Der Personzentrierte Ansatz ist eine Kulturphilosophie und als solche aufgerufen, den kulturellen Ausdruck des Menschen zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen. Eine geschlechtersensible Haltung sollte sich dabei nicht nur auf die Erlebniswelt der Klient:innen beziehen, sondern auch die therapeutische Interaktion und unseren Berufsstand selbst sowie unser Handeln als weiblich und männlich sozialisierte Therapeut:innen miteinbeziehen und stetig reflektieren.
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In personzentrierten Gruppen wurde mit Aufstellungen gearbeitet, lange bevor „Gurus“ und Trends diese einerseits populär machten, andererseits ins Gerede brachten. In personzentrierten Aufstellungen geht es um Ressourcenaktualisierung jenseits von vordergründigen Problemlösungen. Personzentrierte Aufstellungsarbeit unterscheidet sich wesentlich von leitergesteuerten und damit direktiven, häufig manipulativen Vorgehensweisen, wie sie gegenwärtig Markt bestimmend sind. Sie hat auch nichts mit regelgeleiteten oder oberflächlich zielorientierten Methoden zu tun, sondern ist schöpferisch an Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung ausgerichtet: Eigentlich geht es dabei nicht um „Stellungen“, sondern um dynamische Prozesse und Konstellationen. In der Psychotherapie können „Auf-Stellungen“ interpersonale und intrapersonale Vorgänge, Konstellationen und Konflikte sichtbar machen. Die räumliche Visualisierung von Beziehungsprozessen kann neue Sicht- und Vorgangsweisen ermöglichen und das Erarbeiten kreativer Alternativen fördern.
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Psychotherapie wirkt. Es erstaunt daher nicht, dass es in diesem Geschehen auch zu Risiken und negativen Effekten kommt. Dies ist zwar schon lange bekannt, dennoch wurden diese in der Psychotherapieforschung erst in den letzten Jahren stärker Thema. Die Donau-Universität Krems, das dortige Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, hat sich diesen potenziellen Risiken und Fehlerquellen in psychotherapeutischen Prozessen in einem mixed-method Design gewidmet. Die Ergebnisse des Projekts lassen keinen Zweifel daran, dass Psychotherapie auch mit Symptomverschlechterungen und/oder Verschlechterung der Lebensqualität einhergehen kann. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass es Wege gibt, die Risiken zu reflektieren und einzudämmen. Dieses Ergebnis verweist auch auf schulenspezifische Aspekte. Der Artikel reflektiert diese Tatsache im Hinblick auf die humanistischen Verfahren im Allgemeinen und die personzentrierte Ausrichtung im Spezifischen.
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Der vorliegende Beitrag beschreibt Psychotherapien mit Menschen, die Selbsthass (er-)leben, auf Basis persönlicher Erfahrungen der Autorin als personzentrierter Therapeutin in freier Praxis. Diese werden in Bezug gesetzt zu Personzentrierten Ansätzen wie dem Verständnis von Therapie als dialogischer personaler Begegnung, zum „fragilen Prozess“, aber auch zu experientiellen Konstrukten wie dem des „inneren Kritikers“ und darauf auf bauenden Mikrotheorien. Zunächst werden die Phänomenologie von Selbsthass und die Ätiologie des ihn bedingenden persistent negativen Selbstkonzepts erörtert. Die Reflexion der therapeutischen Beziehung mit Menschen, die Selbsthass (er-)leben, macht deutlich, dass sich Versuche, ihn über Segmentierung oder Eingrenzung „aufzulösen“, als kontraproduktiv erweisen. Eine dem Selbsthass gegenüber bedingungslos offene und akzeptierende Haltung hingegen schafft die Voraussetzung für das Sich-Einlassen auf das therapeutische Beziehungsangebot und unterstützt die personale Entwicklung.
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In this chapter, the team as social and professional enabler for any collaborative task is in the foreground. First, the characteristics of well-functioning teams are investigated. Subsequently, we share insights on the hiring process as an essential step in building “healthy,” happy, and productive teams. Another ubiquitous task in working with a team is decision-making. In order to help mastering this complex challenge, a few vignettes of decision-making situations with or in teams will be presented, observed, and reflected upon, aiming at facilitating experiential learning. Finally, we investigate how the people-oriented agenda can be put to work in teams that excel on the task- as well as people-oriented level. Besides providing theoretical information, this chapter is rich in case examples and incentives for reflection as well as for the transfer of insights into practice.
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Résumé Près de 70 ans après son apparition, l’Approche centrée sur la personne (ACP) fait preuve de sa vitalité à l’échelle planétaire, entre autres via une pratique diversifiée et créative ainsi que via divers développements théoriques – dans le droit fil de l’esprit de son fondateur, qui appelait à un développement continuel ainsi qu’à un examen critique de l’ACP. Plus il y a de nouvelles sous-orientations et de perspectives se réclamant de l’ACP et se comptant parmi « la famille », de méthodes se revendiquant de l’ACP, de diversité, plus se pose également la question des critères : quelles sont les caractéristiques déterminantes ? Qu’est-ce qui est, au sein de ces modalités multiformes, unique en son genre dans l’ACP ? Cet article cherche à répondre à ce questionnement en recourant aux notions fondamentales de personne, de processus d’actualisation, de rencontre, de groupe et de dialogue (avec des références bibliographiques permettant d’aller plus loin). La problématique de l’identité et des critères d’identification de l’approche est indissolublement liée à son rôle actuel dans le champ psychosocial, dans la société et en politique ainsi qu’à la question de savoir si nous exploitons sa richesse et son potentiel de manière suffisamment conséquente 1 .
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How can we understand an other person? If we try to understand the other person from one's own perspective we finally end up at something we know already (this is termed “epistemology of the same”). The opposite way is to be receptive to what the other shows and wants to be understood (constituting a Thou?I relationship and an “epistemology of transcendence”). This is possible only when acknowledging both the fundamental commonality (“We”) and the fundamental alterity (“Other”). For the person-centered therapist this means facing the challenge of the otherness of the Other, to be called to respond existentially to the existential disclosure of a person in the very moment of meeting. A phenomenological exploration of intersubjectivity in therapy leads to a “pro-vocative” understanding of dialogue as primary occurrence. Dialogue is not a consequence but an—essentially asymmetric—precondition of a person to person or encounter relationship. The task is to realize the dialogical quality in the relationship to each client as the constitutive basis for psychotherapy.
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This article outlines the history and development of client-centered therapy in Germany against the background of the evolving professionalization of psychotherapeutic care. Representatives of the approach had neglected to assert their interests in health policies for years. As a consequence, client-centered therapy (CCT) failed to achieve a secure position within the German medical care system, which de facto led to the exclusion of CCT until now. The resulting practical consequences for client-centered psychotherapists and training activities are exemplified. Finally a critical analysis investigates if traits inherent to the person-centered approach have provoked the described situation. Proposals for the future of CCT in Germany are discussed.
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