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ISSN 0344-9629
Heimat, Umwelt und Risiko
an der deutschen Nordseeküste
Die Küstenregion aus Sicht der Bevölkerung
GKSS 2009/10
Autoren:
B. Ratter
M. Lange
C. Sobiech
I
Autoren
B. Ratter
M. Lange
C. Sobiech
GKSS 2009/10
Heimat, Umwelt und Risiko
an der deutschen Nordseeküste
Die Küstenregion aus Sicht der Bevölkerung
GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH · Geesthacht · 2009
II
2. überarbeitete Fassung
Die Berichte der GKSS werden kostenlos abgegeben.
The delivery of the GKSS reports is free of charge.
Anforderungen/Requests:
GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH
Bibliothek/Library
Postfach 11 60
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Germany
Fax.: (49) 04152/871717
Als Manuskript vervielfältigt.
Für diesen Bericht behalten wir uns alle Rechte vor.
An den Befragungen waren beteiligt:
Martin Blochel, Kristina Däwes, Arne Ehler, Steffi Ehlert, Lukas Gerigk,
Roman Korbut, Martin Lange, Annette Merkel, Daniel Müller, Gesche Picker,
Katharina Poser sowie Matthias Scheffold (Umweltkapitel) und Cilli Sobiech
Lay-out: Nicole Kruse
Redaktion: Anja K. Possekel
Fotos: Nicole Kruse
Karten: Dipl. Ing. Claus Carstens; Jost von Brandis Service Agentur GmbH
GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH ·Telefon (04152) 87-0
Max-Planck-Straße 1·D-21502 Geesthacht / Postfach 11 60
D-21494 Geesthacht
III
V ORWORT
Am 26. Juni 2009 wurde das Wattenmeer als erste deutsche Naturlandschaft
zum Welterbe der Menschheit erklärt. Das zuständige Komitee der UNESCO
stimmte im spanischen Sevilla dem deutsch-niederländischen Gemein-
schaftsantrag zu und nahm die Fläche zwischen der niederländischen Insel Texel
und der Nordspitze Sylts in die Liste des Weltnaturerbes auf. Das Komitee
würdigte das Wattenmeer "als eines der größten küstennahen und
gezeitenabhängigen Feuchtgebiete der Erde". Das Gebiet ist ein einzigartiges Ö-
kosystem mit einer besonderen Artenvielfalt. Dieses Votum für das Wattenmeer
verleiht "den Bemühungen um die weltweite Vernetzung von Kultur- und
Naturerbe neuen Auftrieb", sagte Walter Hirche, der Präsident der Deutschen
UNESCO-Kommission. Der Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Peter
Harry Carstensen bezeichnete den Titel als "große Ehre für die Länder an der
deutschen Nordseeküste" und einen "Meilenstein und Ansporn für die
gemeinsamen internationalen Bemühungen für den Schutz des Wattenmeeres."
Für die deutsche Küstenregion bedeutet die Auszeichnung eine Aufforderung:
dieses Erbe der Menschheit soll für zukünftige Generationen bewahrt bleiben.
Bewahren muss und kann aber nicht bedeuten, dass der Status quo eingefroren,
ja konserviert wird. Beständig ist allein der Wandel – die Entwicklung wird
voranschreiten, mit oder ohne sorgfältige Planung. Aber die Zielrichtung ist klar:
Das Wattenmeer als Ökosystem und der Lebensraum der Menschen an der
Küste soll für die jetzige und auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben.
Dies nennt man neudeutsch eine nachhaltige Entwicklung planen und umsetzen.
Nachhaltige Entwicklung fängt bei den Menschen an, die in der Region leben und
die sie beleben. Auch wirtschaftliche Entwicklung kann nur dann langfristig
nachhaltig sein, wenn sie in einer lebenswerten Umwelt und gemeinsam mit den
an ihrer Zukunft interessierten Menschen gestaltet wird. Gerade in Zeiten der
Globalisierung ist Heimat etwas Wichtiges für die persönliche Verankerung der
Menschen in ihrer Lebenswelt. Heimat bezeichnet für die meisten Menschen den
Ort, an dem sie sich wohl fühlen, ein Ort der Besinnung und der
Selbstversicherung. Aber Heimat ist widerständig, sie ist auch nicht planbar. Sie
konstruiert sich aus inneren Bildern, die aus der Kindheit stammen und die im
Laufe des Lebens immer wieder durch neue ersetzt oder ergänzt werden.
Strategien für eine zukünftige Entwicklung müssen sich an dem vorhandenen
Heimatverständnis orientieren, müssen es rezipieren und in die Vorhaben
integrieren, so gut es geht. Dies ist eine zentrale Grundlage unserer
Untersuchung.
Entlang der Wattenmeerküste leben Menschen, die hier seit Jahrhunderten
Heimat gefunden haben. Im Kampf gegen die eindringende Nordsee haben sie
dem Meer Lebensraum abgetrotzt. In Abwandlung des niederländischen
Sprichworts „Gott hat das Meer geschaffen, aber der Niederländer das Ufer“
heißt es auch hier: „Gott erschuf das Meer, die Friesen die Küste“. Dieser
Gestaltungsprozess wirkt fort, insbesondere in Zeiten des prognostizierten
Klimawandels. Neben den üblichen Sturmfluten bedrohen neue Gefahren die
Menschen. Der schon jetzt beobachtete Klimawandel wird auch für den
IV
norddeutschen Raum Auswirkungen zeigen, auch wenn die von den
Klimamodellen errechneten Beschreibungen für die Zukunft keine Vorhersagen
sind, sondern alternative Zukünfte deren Wahrscheinlichkeit nicht angegeben
werden kann. Die Entwicklung hängt davon ab, wie sich der Ausstoß von
Treibhausgasen in Zukunft entwickeln wird und wie die natürlichen
Schwankungen des Klimas verlaufen (vgl. von Storch, Doerffer & Meinke 2009).
Die vorliegenden regionalen Klimamodelle zeigen jedoch die Dringlichkeit von
Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen an der Nordseeküste (vgl.
www.norddeutscher-klimaatlas.de). Denn bei einem durchschnittlichen
Temperaturanstieg in Norddeutschland bis zum Endes des Jahrhunderts
zwischen 2 bis 4,7°C werden Starkregen und Orkane in den Wintermonaten
zunehmen, während die Hitzewellen in den Sommermonaten zu großen
Problemen führen können. Steigt die durchschnittliche Temperatur weiter an, ist
auch mit einem weiteren Abschmelzen der großen Festlands-Eismassen zu
rechnen und damit auch mit einer weiteren Meeresspiegelerhöhung, die über die
bislang errechneten 20 bis 80 Zentimeter hinausgehen. Durch das veränderte
Klima werden die natürlichen Lebensräume an der Nordseeküste einen großen
Wandel erfahren. Tier- und Pflanzenarten werden aussterben und von anderen,
anpassungsfähigeren Arten verdrängt. Und auch der Mensch wird neben den
bislang getroffenen kurzfristigen, technologischen Maßnahmen – wie die
Erhöhung der Deiche oder bauliche Sanierungen – eine integrative
Anpassungsstrategie an den Klimawandel entwickeln müssen. Gerade im
Bereich der Anpassung an Gefahren spielen Fragen der Verwundbarkeit, der
Wahrnehmung und der Bewältigungspotentiale der betroffenen Bevölkerung
eine ganz entscheidende Rolle. Das ist eine weitere wichtige Grundlage unserer
Studie.
Die vorliegende Studie „Heimat, Umwelt und Risiko an der deutschen
Nordseeküste“ geht mithilfe einer umfassenden Bevölkerungsbefragung der
Frage nach, ob die Küste Heimat für die dort lebenden Menschen ist, welche
Faktoren diese Heimat bestimmen und welche Identifikation mit diesem Raum
besteht. Sie untersucht das Naturbild und das geistige Bild der Umwelt, die die
Menschen in ihren Köpfen haben, genauso wie die möglichen Gefahren oder
Risiken, die die Bewohner als Bedrohung für ihre Heimat vor sich sehen. Und
zum Schluss fragen wir noch nach den möglichen und gewünschten Zukünften
für diesen Lebensraum der Menschen.
Wir bedanken uns bei allen Bürgerinnen und Bürgern von Greetsiel bis Niebüll,
die sich an der Befragung beteiligt haben und uns für die Interviews zur
Verfügung standen. Wir danken für ihre Bereitschaft und Offenheit, sich den
Fragen zu stellen und Auskunft über ihre Heimat, ihre Lebenswelt, ihre Ängste
und ihre Zukunftswünsche zu geben. Ohne sie hätten wir diese Studie nicht
vorlegen können. Wir hoffen, dass wir mit dieser Untersuchung zur Diskussion
über die zukünftige Entwicklung der deutschen Nordseeküstenregion beitragen
können.
Beate M.W. Ratter
Hamburg, Geesthacht im Oktober 2009
V
VI
VII
GKSS 2009/10
Heimat, Umwelt und Risiko an der deutschen Nordseeküste
Die Küstenregion aus Sicht der Bevölkerung
Prof. Dr. Beate M.W. Ratter, Martin Lange und Cilli Sobiech
110 Seiten mit 38 Abbildungen, 3 Karten und 5 Tabellen
Z USAMMENFASSUNG
Der Bericht „Heimat, Umwelt und Risiko an der deutschen Nordseeküste – Die Küstenregi-
on aus Sicht der Bevölkerung“ stellt die Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung in 18
Gemeinden entlang der gesamten Nordseeküste und in 4 ost- bzw. nordfriesischen Insel-
gemeinden dar. Ziel war es, die Mensch/Umwelt-Beziehungen, die Risikowahrnehmung
sowie die Potenziale einer zukünftigen Entwicklung der Region zu untersuchen. Gefragt
wurde nach den Vorstellungen zu Heimat, Natur und Umwelt, den derzeitigen bzw. zukünf-
tigen Gefahren und zu den notwendigen Maßnahmen sowie den Entwicklungsvorstellungen.
Die Untersuchung ergab, dass die befragten Küstenbewohner eine enge Bindung zu ihrer
Region haben, die sich emotional und räumlich ausdrückt. Die Ergebnisse zeigen auch:
Natur ist Heimat. Natur stellen für den Bewohner der Küstenregion vor allem das Meer, das
Watt und das Wasser dar. Dementsprechend stehen Heimat und Natur als herausragend
wichtige Bestandteile der Region für eine starke Mensch/Umwelt-Beziehung. Gefragt nach
den Gefahren für die Region, ergeben sich vielfältige Antworten, die von Sturmfluten über
Meeresspiegelanstieg bis hin zu wirtschaftlichen Bedrohungen wie dem Anstieg der Arbeits-
losigkeit oder der Übernutzung der Ressourcen reichen. Die Studie kann helfen, die Bevöl-
kerung besser zu verstehen und die vorhandenen Potenziale zur Gestaltung von
Beteiligungsprozessen in einer zukünftigen nachhaltigen Entwicklung zu nutzen.
S UMMARY
The GKSS Report “Regional Identity, Environment and Risk on the German North Sea
Coast – People’s Perception of the Coastal Region” presents the findings of a population
survey carried out in 2008 in 18 communities along the German North Sea coast as well as
4 East and North Frisian Island communities. The investigation focused on the hu-
man/environment relationships, risk perception, and potentials for future developments in
the region. Participants were asked to describe their understanding of regional identity
(Heimat), nature, and environment, and to name current and future hazards, necessary
measures to be taken to counter these as well as development prospects for the region.
Results showed, that people living on the North Sea coast have close emotional and spatial
ties to their respective region and that nature in fact constitutes Heimat. In people’s per-
ception nature is represented by the sea, the tidal areas of the Wadden Sea, and the wa-
ters of the ocean, rendering Heimat and nature very important components of the coastal
zone. Both components stand for a strong human/environment relationship. Views on
potential hazards to the region were very varied and ranged from storm surges, sea level
rise, and economic threats such as increasing unemployment or the depletion of resources.
The study helps to better understand the public and to better use the existing local poten-
tials within participatory processes in order to achieve a sustainable future development.
VIII
IX
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort.....................................................................................................................III
Verzeichnis der Abbildungen ..............................................................................X
Verzeichnis der Tabellen ....................................................................................XI
Verzeichnis der Karten........................................................................................ XI
1.
EINLEITUNG ............................................................. 1
1.1 Methodik ......................................................................................... 5
2. HEIMAT................................................................... 9
2.1 Heimat und Regionale Identität ................................................ 9
2.2 Die Nordseeküste als Heimat ...................................................12
2.3 Symbolisches und Typisches an der Nordseeküste.............23
3. UMWELT ................................................................ 37
3.1 Das Naturverständnis der Küstenbewohner.........................39
3.2 Umweltprobleme an der Küste ................................................45
3.3 Ressourcen und Ressourcenschutz ........................................50
4. RISIKO ................................................................. 55
4.1 Gefahren und Gefahrenwahrnehmung an der Küste ..........57
4.2 Umgang der Bevölkerung mit Gefahren ................................64
4.3 Unterschiede in der Wahrnehmung von Gefahren ..............72
4.4 Risiko Nordseeküste ..................................................................81
5. ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN .................................... 85
5.1 Beteiligung in Entscheidungs- und
Managementprozessen
.............................................................85
5.2 Nachhaltige Entwicklung...........................................................91
5.3 Zukunftsvisionen ........................................................................94
6. FAZIT ................................................................... 99
Literatur....................................................................................................... 107
X
V
ERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Abb. 1: Seit wie vielen Generationen lebt Ihre Familie in der Region? ................. 14
Abb. 2: Welchem Verein gehören Sie an? ....................................................... 15
Abb. 3: Was ist für Sie Heimat?..................................................................... 16
Abb. 4: Prozentuale Verteilung der Antworten nach Altersgruppen zu der Frage „Was
ist für Sie Heimat“............................................................................ 18
Abb. 5: Wo ist Ihre Heimat? ......................................................................... 19
Abb. 6: Prozentuale Verteilung der Antworten zu der Frage „Wo ist Ihre Heimat“
nach Alter....................................................................................... 20
Abb. 7: Was tun Sie für die Erhaltung Ihrer Heimat? ........................................ 22
Abb. 8: Wie können Sie die Region, in der Sie leben, einem Freund oder Besucher
beschreiben?................................................................................... 24
Abb. 9: Was ist für Sie einzigartig oder symbolisch für die Region, in der Sie leben? .. 26
Abb. 10: Gibt es ein/e typische/s Speise/Gericht in ihrer Region?....................... 27
Abb. 11: Welche Sage oder Geschichte verbinden Sie mit Ihrer Region?.............. 28
Abb. 12: Welchen Maler oder Schriftsteller verbinden Sie mit Ihrer Region? ........ 31
Abb. 13: Welches historische Ereignis verbinden Sie mit Ihrer Region?................ 33
Abb. 14: Was ist für Sie Natur? ..................................................................... 39
Abb. 15: Prozentuale Verteilung der Antworten nach Altersgruppen zu der Frage
„Was ist für Sie Natur“..................................................................... 43
Abb. 16: Unterstützen Sie den Gedanken, dass bestimmte Gebiete vor menschlicher
Nutzung geschützt/abgeschlossen werden?........................................ 44
Abb. 17: Bewerten Sie bitte folgende Aussage: Die natürliche Umwelt ist: … ....... 45
Abb. 18: Gibt es Umweltprobleme, die einen direkten Einfluss auf Ihr tägliches
Leben haben?................................................................................ 46
Abb. 19: Wie werden Sie von diesen Umweltproblemen beeinflusst?................... 48
Abb. 20: Was sind Ihrer Meinung nach die natürlichen Ressourcen dieser Region? 51
Abb. 21: Haben Sie Beispiele, wie Ressourcen gleichzeitig geschützt und genutzt .....
werden können? ............................................................................ 52
Abb. 22: Was sind für Sie mögliche Gefahren für diese Region? ......................... 58
Abb. 23: Stellt der Klimawandel Ihrer Meinung nach eine Bedrohung für Ihre Region
dar? Schätzen Sie diese bitte ein: … ................................................. 62
Abb. 24: Welche möglichen negativen Folgen des Klimawandels hätten Ihrer
Meinung nach die schwersten Folgen für diese Region? ....................... 62
Abb. 25: Wie sind Sie von diesen Gefahren persönlich betroffen? ....................... 65
Abb. 26: Wo sehen Sie Maßnahmenbedarf in der Region? ................................. 69
Abb. 27: Wie schützen Sie sich persönlich vor diesen Gefahren? ........................ 71
Abb. 28: Unterschiede in der Gefahrenwahrnehmung mit >5% - Differenz ;
Vergleich Niedersachsen und Schleswig-Holstein ................................ 73
Abb. 29: Unterschiede in der Gefahrenwahrnehmung mit >5% - Differenz; Vergleich
der Altersgruppen .......................................................................... 74
Abb. 30: Einschätzung der Bedrohung durch den Klimawandel; Vergleich
Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Küstenregion) sowie Stadtstaat
Hamburg ...................................................................................... 76
Abb. 31: Vergleich der Einschätzung der möglichen Folgen des Klimawandels in
Hamburg und in der Küstenregion .................................................... 79
Abb. 32: „Ja, ich finde, dass die Bewohner der Region mehr an den Entscheidungs-
prozessen beteiligt werden sollen.“ ................................................... 86
Abb. 33: „Nein, ich finde nicht, dass die Bewohner der Region mehr an den
Entscheidungsprozessen beteiligt werden sollen.“ ............................... 88
Abb. 34: „Ja, ich bin für mehr Beteiligung am Management des Gebietes“ ........... 89
Abb. 35: Nein, ich bin nicht für mehr Beteiligung am Management des Gebietes... 90
Abb. 36: Was möchten Sie für künftige Generationen bewahren? ....................... 92
Abb. 37: Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, was Ihre Eltern hätten bewahren oder
tun sollen? .................................................................................... 93
Abb. 38: Wie soll Ihrer Meinung nach die Region in 20 Jahren aussehen? ............ 95
XI
V
ERZEICHNIS DER TABELLEN
Tab. 1: Persönliche Betroffenheit der befragten Küstenbewohner ....................... 64
Tab. 2: Einschätzung der Bedrohung durch den Klimawandel; Vergleich Hamburg
und Küstenregion nach Geschlecht ..................................................... 77
Tab. 3: Einschätzung der Bedrohung durch den Klimawandel; Vergleich Hamburg
und Küstenregion nach Altersgruppen................................................. 78
Tab. 4: Bewertung von Sturmfluten/Klimawandel als Gefahr im Vergleich mit der
eingeschätzten Bedrohung durch den Klimawandel ............................... 80
Tab. 5: Nennungen innerhalb der Kategorie „Konkrete Probleme“....................... 87
V
ERZEICHNIS DER KARTEN
Karte 1: Befragungsorte entlang der deutschen Nordseeküste .............................6
Karte 2: Die geographische Verbreitung der Nennungen von „Störtebeker“ und
„Schimmelreiter“ zu der Frage: Welche Sage/Geschichte verbinden Sie mit
Ihrer Region? ................................................................................. 30
Karte 3: Nordsee ist symbolisch, Nordsee ist Natur ........................................ 101
XII
1
Flache grüne Marschlandschaften, die sich bis zum Horizont erstre-
cken, einzelne Friesenhäuser im Licht verschiedener Jahreszeiten, gra-
sende Kühe auf den Kögen von Wolkentürmen überhangen, die Weite,
Ruhe und Dynamik des Meeres. In den Werken Emil Noldes spiegelt
sich, ungebrochen trotz zahlreicher Reisen in andere Länder dieser
Welt, eine starke norddeutsche Identifikation und Heimatbindung. Mit
der verehrenden Naturbetrachtung wollte Nolde die Leidenschaften der
menschlichen Seele aufrufen, um einen Zusammenhang mit der Emp-
findungswelt der Menschen herzustellen. Seine inhaltliche Absicht zielte
auf die Beziehung des Menschen zum Leben und zur Umwelt.
In ganz anderer Art und Weise erhoben, verfolgt diese Studie über die
Nordseeküste Deutschlands ein ähnliches Ziel:
Sie möchte das Verhältnis der Küstenbewohner zu ihrer Region unter-
suchen.
Zu diesem Zweck wurden im
Sommer 2008 insgesamt
862 Menschen in der Küs-
tenregion von Niedersachsen
und Schleswig-Holstein, in
18 Städten und auf jeweils
zwei ost- und nordfriesi-
schen Inseln befragt. Die
Fragen hatten zum Ziel, die
Auffassungen der Bevölkerung zu den Themen Heimat und regionale
Identität, zu Umwelt und Natur, zu den derzeitigen bzw. zukünftigen
Gefahren sowie den sich daraus ergebenden Maßnahmen- und Entwick-
lungsbedarf an der norddeutschen Küste zu erheben und auszuwerten.
D
IE DEUTSCHE NORDSEEKÜSTE
Die Küstenlinie der deutschen Nordsee erstreckt sich zusammen mit
den Inseln über eine Gesamtlänge von 1.760km und liegt im Bereich
größerer Gezeitenschwankungen mit Sedimentablagerungen, wodurch
sich an der Flachküste ein bedeutendes Wattgebiet ausbilden konnte.
Durchzogen von Prielen, aufgewachsenen Sandbänken, Platen und
1. EINLEITUNG
2
Inseln gehen die Schlick- und Sandwattbereiche über in die Marschen
und Geestgebiete des Norddeutschen Tieflandes, das bis 200m über
Meereshöhe hinausreicht. Ästuare mit Brackwasserbedingungen haben
sich in den Bereichen ausgebildet, wo die größeren Flüsse Ems, Weser,
Elbe und Eider in das Watt münden. Bis zu 5m ü. NN erheben sich die
nord- und ostfriesischen Inseln und Halligen aus dem Wattenmeer und
bilden einen Brandungs- und Strömungsschatten für das Festland und
die Watten. Die Flut- und Ebbströme, die durch die Seegatten,
offeneren Meeresbuchten und Ästuare hinein und hinaus fließen,
prägen diesen einzigartigen amphibischen Lebensraum mit seinen an
den stetigen Wechsel angepassten Pflanzen und Tieren.
Entscheidenden Einfluss auf den Formenschatz des Tieflandes und in-
direkt auf die Küstenbildung hatte das skandinavische Inlandeis, das
sich während des Eiszeitalters in das Nordseebecken bis zum
Mittelgebirgsrand Nordwesteuropas ausdehnen konnte und die
Moränenlandschaften zurückließ. Die Küstenlinie verschob sich
mehrfach land- sowie seewärts durch die Meeresspiegelschwankungen
der abwechselnden Kalt- und Warmperioden des Eiszeitalters. Dieser
glazial-eustatische Vorgang endete mit der letzten Eiszeit vor ca.
10.000 Jahren, bei dem der Meeresspiegel in Folge des
Schmelzprozesses schließlich soweit anstieg, dass im heutigen
Küstenbereich die eiszeitlichen Formen vom Meer überprägt wurden.
Gleichzeitig kam es zu einer Ausgleichsbewegung der Erdkruste im
Bereich der Kontinentalböden, die sich aufgrund der Entlastung zu
heben begannen. Dieser Vorgang der glazialen Isostasie hält bis heute
an. Die erdgeschichtlich sehr jungen, holozänen Watt- und
Marschgebiete entstanden unter stetigem Einfluss von Gezeiten und
Sedimentationsprozessen.
Durch Verlandung von ehemaligen Meeresbuchten oder erhebliche
Landverluste nach Sturmfluten, wie beispielsweise bei der Entstehung
des Dollart und Jadebusen im Mittelalter, unterlag die Küstenlinie aber-
mals starken Veränderungen. Auch heute ist die Küstenform einer
natürlichen dynamischen Entwicklung durch Tidenhub, Brandung,
Strömungsenergie und Sturmfluten unterworfen.
Seit etwa 1.000 Jahren ist der Mensch entscheidender Gestalter der
Landschaft an der Küste geworden. Insbesondere die Friesen, die nicht
nur Seefahrer, Handwerker und Händler waren, siedelten in den
Marschengebieten, um auf den fruchtbaren Böden Ackerbau zu
betreiben. Die Nutzung der tief liegenden und sturmflutgefährdeten
Marschen erforderte den Bau von Warften und entwickelte sich ab dem
11. Jahrhundert hin zum Deichbau. Die Eindeichung von Siedlungs- und
Wirtschaftsflächen weitete sich später auf die Errichtung einer
3
durchgehenden küstenparallelen Deichlinie aus. Anfangs schützten die
Menschen damit sich selbst und ihr Ackerland. Ab dem späten
Mittelalter begannen sie, in den großen Buchten dem Meer aktiv Land
abzuringen.
Künstliche Neulandgewinnung und Entwässerungsmaßnahmen sowie
damit einhergehende Sackungen auf ein Niveau z.T. unter dem
mittleren Meeresspiegel veränderten die Landschaft an der Küste. Der
Ausspruch: „Gott schuf das Meer, der Friese die Küste“ lässt
anthropogene Einflüsse auf die Gestaltung der Jungen Marschen
deutlich werden.
Auch wenn die Bedeutung der Küstenregion für die landwirtschaftliche
Produktion insgesamt abgenommen hat und Vorlandmanagement heute
unter küsten- und naturschutzfachlichen Gründen betrieben wird, sind
die Nutzungsansprüche an den Raum nicht geringer geworden. Die Akti-
vitäten im Küstenraum reichen von Schifffahrt und Hafenwirtschaft,
Industrie, Nutzung konventioneller und erneuerbarer Energien, über
Siedlungs- und Tourismusentwicklung bis hin zum Küsten- und Natur-
schutz. Dadurch sind nicht nur die küstennahen Landflächen, sondern
auch die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) im Meer betroffen und
verlangen eine Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit und des Integ-
rierten Küstenzonenmanagements (IKZM).
Um den Naturraum zu erhalten, wurden bereits vor über 20 Jahren die
zwei größten deutschen Nationalparke eingerichtet: die Nationalparke
Niedersächsisches und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Zusammen mit dem Hamburger Teil des Wattenmeeres erstreckt sich
der deutsche Schutzgebietsgürtel auf einer Fläche von insgesamt
7.187km
2
. Seit 1978 besteht darüber hinaus eine enge Zusammen-
arbeit zwischen Deutschland und den beiden weiteren europäischen
Wattenmeerstaaten, Dänemark und den Niederlanden, die im Rahmen
der trilateralen Wattenmeerkonferenzen einen grenzüberschreitenden
Wattenmeerschutz anstreben. Neben diesen bereits bestehenden
Herausforderungen zum Schutz der Region müssen in Zukunft auch
4
mögliche Folgen des Klimawandels in der Küstenzone bedacht und
geeignete Anpassungs- und Schutzstrategien vorgenommen werden.
Der Siedlungsraum der Küstenbewohner befindet sich im
Übergangsbereich zwischen Wasser und Land. Dass Menschen hier ihre
H
EIMAT fanden, Siedlungen gründeten und den Naturraum Küste und
seine Ressourcen wirtschaftlich nutzen konnten, hing und hängt auch in
Zukunft stark von dem mit dem Meer zusammenhängenden R
ISIKO ab.
Obwohl das Wattenmeer mit den vorgelagerten Inseln eine natürliche
Schutzfunktion einnimmt, konnten nur aufgrund der Investitionen in
Küstenschutzmaßnahmen auch die potenziell überflutungsgefährdete
Bereiche unter 5m ü. NN als Siedlungs- und Wirtschaftsraum
erschlossen werden. Diese Erschließung führt ihrerseits zu weiterer
intensiver Nutzung des Raumes durch verschiedenste
Wirtschaftszweige und zu weiteren Eingriffen in den Naturhaushalt.
Sowohl die zunehmende Bedeutung der Küstenzone als Erholungs- und
Tourismusraum, als auch das gestiegene Bewusstsein für U
MWELT- und
Wattenmeerschutz, spielen für die zukünftige Entwicklung der Region –
auch vor einem sich verstärkt abzeichnenden Klimawandel – eine
wichtige Rolle. RIEKEN (2005) beschreibt das Verhältnis zwischen
Natur und Kultur deshalb in der Küstenregion als besonders brisant,
„...weil diese einerseits Natureinflüssen im besonderen Maß ausgesetzt
ist und gleichzeitig anthropogenen Änderungen unterliegt wie kaum
eine andere Landschaft“ (RIEKEN 2005:16). Wie wird die Verbindung
von Heimat, Umwelt und Risiko von der Küstenbevölkerung gesehen –
oder anders ausgedrückt – wie ist ihre Wahrnehmung der
Mensch/Umwelt-Beziehung in der Küstenzone?
Rund 1,2 Millionen Menschen leben in der Küstenregion Niedersachsens
und Schleswig-Holsteins, die mit Ausnahme der größeren Städte
Bremerhaven, Emden und Wilhelmshaven eher peripher-ländlich
geprägt ist. Bei allen Unterschieden im Einzelnen, gibt es aufgrund der
sozial- und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge Überlegungen von
einem einheitlichen Kulturraum Nordsee zu sprechen (vgl. Fischer
1997, 2004). Diese Studie möchte helfen, folgende Fragen zu klären:
Gibt es eine Identität der Region? Wie beschreiben die Menschen in der
Küstenzone ihre Heimat?
Neben diesen kulturräumlichen Fragestellungen, geht die Studie auch
auf naturräumliche Aspekte ein. Das Wattenmeer an der norddeutschen
Küste ist ein einzigartiger Naturraum, aber was versteht die hier
lebende Bevölkerung unter Natur? Wie bewertet sie den Zustand der
Umwelt sowie die Nutzung der natürlichen Ressourcen? Dabei
interessieren nicht die naturwissenschaftlichen Fakten, sondern das Bild
von Natur, das in den Köpfen der Bevölkerung vorherrscht. Was ist
5
Natur für die Menschen an der Küste? Sehen die Menschen u.a.
aufgrund dieser naturräumlichen Aspekte in der Küstenzone besondere
Gefahren? Fühlen sie sich persönlich betroffen durch Sturmfluten oder
andere Umweltprobleme, Ölkatastrophen und dem Klimawandel? Die
Fragen zielen auf die Wahrnehmung, auf das subjektive Empfinden der
Menschen. Die Wahrnehmung beeinflusst nicht nur das Verhalten der
Bevölkerung im Umgang mit Natur und Risiken, sie wirkt auch auf die
Bereitschaft ein, Schutzmaßnahmen und Managementkonzepte
umzusetzen.
Das Konzept des Integrierten Küstenzonenmanagements und auch die
Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) betonen die
Notwendigkeit von ausgeglichener und nachhaltiger Entwicklung in der
Küstenzone. Aber welchen Maßnahmen- und Entwicklungsbedarf sehen
die Menschen selber an der Küste – gibt es einen gesellschaftlichen
Diskurs über diese Themen? Haben sie das Gefühl, genügend in die
derzeitige und zukünftige Gestaltung der Küstenzone einbezogen zu
werden? Denn ob diese wissenschaftlichen und politischen Ansätze
greifen werden, hängt auch entscheidend davon ab, wie diese Themen
in die Gesellschaft eingebracht und hier verankert bzw. von ihr mitges-
taltet werden. Diese Studie soll helfen, die Bevölkerung besser zu ver-
stehen.
1.1 Methodik
D
ie Grundlage für die vorliegende Studie „Heimat, Umwelt und Risiko
an der deutschen Nordseeküste – Die Küstenregion aus Sicht der Be-
völkerung“ bildet eine umfassende Bevölkerungsbefragung in 22 Ge-
meinden entlang der deutschen Nordseeküste. Ausgewählt wurden Orte
in Küstennähe, die – mit Ausnahme von Husum und Norddeich-Norden
– nicht mehr als 10.000 Einwohner haben. Zwischen den Orten liegen
mindestens 20km Entfernung, so dass der gesamte deutsche Nordsee-
raum von der niederländischen bis zur dänischen Grenze abgedeckt
werden konnte. In Niedersachsen waren dies Burhave-Butjadingen,
Dangast, Dornum, Dorum, Greetsiel, Horumersiel, Neuharlingersiel,
Norddeich-Norden und Otterndorf sowie die Inseln Norderney und
Spiekeroog. In Schleswig-Holstein befragten wir in Bredstedt, Büsum,
Friedrichstadt, Marne, Meldorf, Niebüll, St. Peter-Ording, Tönning und
Husum sowie auf den Inseln Föhr und Pellworm (vgl. Karte 1).
6
Karte 1: Befragungsorte entlang der deutschen Nordseeküste
Befragt wurden ausschließlich Einwohner, die seit mindestens fünf Jah-
ren in den entsprechenden Orten leben. Die Befragung war konzipiert
als zufällige Passantenbefragung an öffentlichen Plätzen, Einkaufspas-
sagen und -zentren, Marktplätzen, Grünanlagen und Bahnhöfen. Von
Haustürbefragungen wurde abgesehen, um die Freiwilligkeit bei der
Teilnahme zu gewähren und die Privatsphäre der Menschen zu respek-
tieren.
Die Befragung fand von Juni bis September 2008 statt und wurde von
elf Studierenden der Universität Hamburg und zwei Doktoranden des
GKSS-Forschungszentrums Geesthacht GmbH durchgeführt. Die Offen-
heit und Freundlichkeit der Einwohner machte es leicht, zu sehr guten
Ergebnissen zu kommen. Am Ende der Befragung lagen insgesamt 862
auswertbare Fragebögen vor. Somit wurde das ursprünglich ange-
strebte Ziel, pro Ort 30 Fragebögen und somit insgesamt 660 Fragebö-
gen zu erzielen, bei weitem überschritten. Zusammenfassend lässt sich
sagen, dass die Mehrzahl der Befragten den Fragen gegenüber sehr
aufgeschlossen war und ihr Wissen gerne mit den Befragern teilte. Nur
sehr selten kam es zu ablehnenden Reaktionen.
Insgesamt nahmen 422 Männer und 440 Frauen an der Befragung teil.
Das Alter der Befragten lag zwischen 15 und 88 Jahren, das
Durchschnittsalter betrug 46 Jahre. Im Durchschnitt gingen die
7
Befragten 10 Jahre lang in die Schule. Ihren Lebensunterhalt
verdienten die Befragten in kaufmännischen (18%), handwerklichen
(16%) und sonstigen Dienstleistungsberufen (13%) sowie in
Gastronomie und Tourismus (10%) und medizinisch-pädagogischen
Berufen (8%). Der Anteil der Befragten im öffentlichen Dienst betrug
8%, in Selbständigkeit 4% und in der Ausbildung 9%. Nicht-
sozialversicherungspflichtig waren 10% der Befragten.
Der Fragebogen enthielt 39 Fragen, die je zur Hälfte offen und ge-
schlossen gestaltet waren. Bei den offenen Fragen war keine Antwort
vorgegeben. Der Befragte konnte antworten, was ihm spontan in den
Sinn kam und auch mehrere Antworten geben. Für die vergleichende
Analyse wurden im Anschluss die gesammelten Antworten in Katego-
rien zusammengefasst und bewertet. Die geschlossenen Fragen um-
fassten entweder Ja/Nein-Einschätzungen oder Beurteilungen der
Bedeutung eines Sachverhalts mittels einer Skala von 1 (= sehr groß)
bis 6 (= keine).
Thematisch gliederte sich der Fragebogen in mehrere verschiedene Blöcke.
Am Anfang standen die Fragen nach dem Geburtsort bzw. der Wohndauer
sowie der sozialen Einbindung in die Region. Diese ergab sich aus Fragen
nach dem Vorhandensein weiterer Familienmitglieder in der Region oder der
Mitgliedschaft in einem ortsansässigen Verein. Darauf folgten Fragen zum
Heimatverständnis: Was bedeutet für den oder die Befragte(n) Heimat und
Wo befindet sie sich. Nach Möglichkeiten der Erhaltung der Heimat wurde
ebenso gefragt, wie nach friesischen und plattdeutschen Sprachkenntnissen.
Die typischen Charakteristika wie Speisen, Sagen oder Erzählungen, Musiker
oder Maler sowie historische Ereignisse, die vom Befragten mit der Region
verbunden werden, sollten einen Eindruck über die regionale Identität der
Befragten geben. Der daran anschließende Fragenblock zielte auf das Natur-
und Ressourcenverständnis der Bewohner sowie von ihnen wahrgenommene
Umweltprobleme. Einschätzungen zu den bestehenden Risiken an der deut-
schen Küste und den Bedrohungen durch den Klimawandel folgten. Am Ende
stand ein Block aus Fragen über die Zukunft der Region und die Möglichkei-
ten, diese mitzugestalten. Den Abschluss bildete die Frage: Wie soll Ihrer
Meinung nach die Region in 20 Jahren aussehen?
Zur Analyse wurden weitere Studien zu ähnlich gelagerten Themen her-
angezogen. Dies sind Untersuchungen zu Heimat und Naturschutz im
Mittelrheintal (Ratter 2005), Heimat und Naturschutz im Nahetal
(Ratter & Treiling 2008) sowie Heimat und Regionalentwicklung an der
Mosel (Franke, Ratter & Treiling 2009). Sie bilden die Grundlage für
diese Untersuchung.
Darüber hinaus wurden insbesondere im Kapitel zur Risikowahrnehmung
Vergleiche zu der Wattenmeerbefragung im trilateralen Wattenmeer von
8
2001 gezogen, die unter dem Titel „Was denkt der Bürger vom
Wattenmeer? – Bilanz einer Befragung der Bevölkerung in der
Wattenmeerregion von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden“
veröffentlicht wurde (WWF 2001). Weitere Vergleichszahlen aus zwei
Telefonumfragen zur Risikowahrnehmung von Hamburger Bürgern aus
den Jahren 2008 und 2009, die im Auftrag der GKSS durchgeführt
wurden, werden mit berücksichtigt.
Den Themenblöcken der Befragung entsprechend, werden in den
folgenden Kapiteln die Ergebnisse der Erhebung vorgestellt. Im zweiten
Kapitel präsentieren wir die Antworten zu Heimatbewusstsein und -
vorstellungen. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Umwelt und der
Einschätzung ihres Zustandes durch die Befragten. Das darauf folgende
Kapitel untersucht die Wahrnehmung von (Natur-) Risiken. Im
abschließenden fünften Kapitel werden die Zukunftsvorstellungen der
befragten Bürgerinnen und Bürger entlang der deutschen Nordseeküste
behandelt.
Die Studie soll Auskunft darüber geben, ob sich ein Heimatgefühl bei
den Bewohnern der Küstenregion auf die Region als Ganzes oder eher
auf einzelne Ortschaften bezieht; ob Unterschiede zwischen Nieder-
sachsen und Schleswig-Holstein festgestellt werden können und in wie
weit die Wahrnehmung des Einzelnen zu einem Gesamtbild der Küsten-
region führt. Das abschließende Fazit fasst die Ergebnisse unserer Un-
tersuchung zusammen und prüft die These, ob ein Heimatgefühl
gefördert werden kann, um die zukünftige Entwicklung der Küsten-
region gemeinsam zu gestalten und sich den künftigen Herausforde-
rungen des Klimawandels und der Umweltbeeinträchtigungen gemein-
sam zu stellen. Eine nachhaltige Entwicklung basiert nicht zuletzt auf
der ernst gemeinten Einbindung und Beteiligung der betroffenen Bevöl-
kerung einer Region. Diese Einbindung hängt von der Wahrnehmung
und dem Bewusstsein der Menschen in der Region ab.
9
Wor de Nordseewellen trecken an de Strand,
Wor de geelen Blöme bleuhn int gröne Land,
Wor de Möwen schrieen grell int Stormgebrus,
Dor is mine Heimat, dor bün ick to Hus.
Well'n un Wogenruschen weern min Weegenleed.
Un de hohen Dieken seh'n min Kinnertied.
- Friesenlied -
Das Friesenlied gibt Auskunft darüber, woraus sich das Heimatbild der
Küstenbevölkerung zusammensetzt. Es sind das Meer, die grüne Land-
schaft und die Tiere, kurz: es ist die natürliche Umwelt, die ihre Heimat
ausmacht. Bei genauerem Hinsehen ist da aber noch mehr: der Schrei
der Möwe und das Wellenrauschen, das in der Kindheit als Wiegenlied
wirkte. Hier wird deutlich, dass Heimat mehr als nur ein Ort ist: sie ist
ein mit allen Sinnen aufgenommenes Gefühl und vermittelt Geborgen-
heit, die aus der frühesten Kindheit stammt. Eine Interpretation, ob die
erwähnten hohen Deiche sinnbildlich für die Landschaft oder als Garant
für Sicherheit stehen, bleibt hier dahin gestellt. Mit Sicherheit lässt sich
aber sagen, dass auch vom Menschen gemachte Symbole zur Pro-
duktion von Heimatgefühlen von großer Bedeutung sind. Es wird
schnell klar, dass Heimat ein vielschichtiges Phänomen mit einer sehr
persönlichen Ebene ist. Ebenso deutlich lässt sich erkennen, dass das
Heimatgefühl gesellschaftlich konstruiert und somit ein Spiegel der
Kultur eines bestimmten Gebietes ist.
2.1 Heimat und Regionale Identität
W
as genau ist Heimat? Im Mittelalter meinte das mittelhochdeutsche
Wort „heimōt“ schlicht den Grundbesitz. Das Gegenteil davon ist
„ellende“, mit dem Fremdheit beschrieben wird und aus dem sich das
heutige Wort Elend ableitet. Bei Betrachtung der gegensätzlichen
Bedeutung offenbart sich eine bis heute zugrunde liegende emotionale
Bedeutung von Heimat: Geborgenheit. Diese wird über eine soziale
Ebene weiter verstärkt: Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sich
2. HEIMAT
10
zum einen aus Familie, Freunden und Nachbarschaft ergibt und zum
anderen über eine gemeinsame Sprache verfügt (vgl. Heller 2006:
261).
Mit Beginn der Romantik erhielt der Heimatbegriff zum ersten Mal einen
auf die Vergangenheit ausgerichteten Inhalt. Es war eine Periode star-
ken (politischen) Umbruchs, die viele Zeitgenossen dazu veranlasste,
die Vergangenheit – die
„gute, alte Zeit“ – zu verklä-
ren. Dieses Denken setzte
sich in der darauf folgenden
Industrialisierung fort. Mit
dem Wegzug der Land-
bevölkerung in die Städte,
den umfassenden Änderun-
gen der Arbeits- und Le-
bensweisen und der ver-
größerten sozialen und geo-
graphischen Mobilität wur-
den das Landleben und die natürliche Landschaft zur Heimat per se
gemacht. Heimat – einst besessen und nun verloren – wurde zum
Sehnsuchtsort.
Daran konnte der Nationalsozialismus mit seiner „Blut und Boden“-
Ideologie sowie seiner moralischen Erhöhung der deutschen Landbevöl-
kerung anknüpfen, für die die während dieser Zeit jährlich inszenierten
Erntedankfeste mit Manöverübungen beispielhaft stehen. Heimat ver-
knüpfte man damals mit Rassenlehre: nordische Menschen arbeiteten
seit Jahrhunderten ehrlich auf ihrer Scholle – und der per definitionem
„heimatlose Jude“ könne nicht zu dieser auf Heimat basierenden Volks-
gemeinschaft gehören. Heimat erhielt während des Nationalsozialismus
nicht nur diese rassistische Aggressivität, sondern auch eine größere
räumliche Entsprechung. Heimat war nun nicht mehr auf kleinräumige
Besonderheiten begrenzt – fortan war das Großdeutsche Reich die
Heimat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff Heimat weiter genutzt,
stand jedoch zusehends für Rückwärtsgewandtheit und Revanchismus,
dies besonders durch die Politisierung des Begriffs durch die
Heimatvertriebenenverbände. Im deutschen Heimatfilm zur Zeit des
Wirtschaftswunders werden klare, konservative Bilder vermittelt:
Malerische Landschaften, vor deren Kulisse sich gesellschaftliche
Dramen abspielen, die zumeist in der Geborgenheit der Ehe ihr
glückliches Ende finden. Ab den 1970er Jahren distanzierte man sich
11
vom Heimatbegriff. Der Begriff „Region“ trat in den Vordergrund –
später folgte der Begriff der „Regionalen Identität“.
Franke et al. (2009) weisen darauf hin, dass die Unterschiede zwischen
Regionaler Identität und Heimat historisch herleitbar, aber konstruiert
sind. Heimat wird als lokal verankert definiert, regionale Identität
besitzt einen räumlich weiteren, regionalen Charakter. Aber beide
beziehen sich auf Charakteristika wie Dialekte, traditionelle
Kulturtechnik, Landschaft etc. und beschreiben damit das gleiche
Phänomen. Heimat hat Vergangenheits- und Gegenwartsbezug; dabei
werden innere Bilder ausgewählt, die symbolisch die Vergangenheit
oder Zukunft darstellen. Des Weiteren ist Heimat in eine räumliche
(Erfahrungsraum) und emotionale Ebene (Gefühle, Einstellungen) zu
unterteilen. Untersuchungsgegenstand sind neben den lokalen
Charakteristika u.a. nachbarliche Beziehungen, regionale Traditionen
und räumliche Bindungen. Die Unterschiede, die es zu untersuchen gilt,
liegen in der jeweiligen kulturellen Ausprägung. Ob Heimat an der
Nordseeküste emotional, regional oder ortsgebunden definiert wird, ist
das erkenntnisleitende Interesse dieser Untersuchung.
Der Heimatbegriff hat bis heute seinen Platz in der Bevölkerung. Zeuge
dafür sind nicht nur die vorliegenden Aussagen der Befragung: Heimat
ist ein Ort, an dem man gern ist; Heimat ist ein Gefühl, das an das
Innerste rührt; Heimat sind die Menschen, die einem wichtig sind. Oder
wie es ein Befragter ausdrückte: „Heimat ist das Wichtigste, was es für
mich gibt.“ In dieses Bild passt, dass von 862 Befragten nur zwei
aussagten, so etwas wie Heimat gebe es nicht. Doch nicht nur die
Menschen stehen zu ihrer Heimat. Heimatbegriff und Heimatemotion
treten in vielerlei Formen auf: sei es in der sehr populären Volksmusik,
einer „neuen regionalen Küche“, auf „authentischen“ Heimat- und
Volksfesten oder als Name für diverse Modelabels: Heimat hat
Konjunktur.
Zusammenfassend handelt es sich bei Heimat um die persönliche und
emotionsbezogene Bindung von Menschen an bestimmte Orte oder
Gebiete. Diese Bindung und die dazu gehörigen Gefühle werden im
Bewusstsein der Menschen hergestellt. Diese Konstruktion erfolgt durch
soziale Vermittlung und ist somit Teil der Sozialisation (Weichhart et al.
2006: 21ff). Schwineköper (2005) identifiziert drei Komponenten, aus
denen sich das subjektive Heimatempfinden zusammensetzt. Die
emotionale Komponente vermittelt Gefühle von Geborgenheit, Ruhe,
Sicherheit und Verwurzelung. Sinneswahrnehmungen wie Gerüche und
Geschmack können diese Gefühle auslösen und verstärken. Ein
Befragter in Ostfriesland bekannte, dass Heimat für ihn „eine Tasse Tee
trinken und aufs Meer sehen“ sei. Die soziale Komponente besteht aus
12
den menschlichen Beziehungen, die von einem Individuum aufgebaut
werden. Dabei kann es sich z.B. um die Familie, Freunde, Nachbarn
und Menschen in der Gemeinde handeln, die man in Vereinen, dem
Arbeitsplatz, der Schule etc. trifft. Der Ortsbezug stellt die dritte
Komponente dar. Sie bezieht sich
entweder kleinräumig auf die Wohnung,
das Haus, das Dorf, die Stadt oder
großräumiger auf eine Landschaft, Region
oder einen Staat.
Heimat verfügt also über eine Vielzahl von
Eigenschaften und spiegelt ein subjek-
tives, persönliches Empfinden wider. Die
Bindung eines Menschen an einen be-
stimmten Ort dient seiner Identitäts-
sicherung. Über das Zugehörigkeitsgefühl
zu einem Ort kann auch die Bindung an
eine Gruppe erfolgen: Beides dient der Bildung der persönlichen Identi-
tät – ein Prozess, der das ganze Leben anhält.
2.2 Die Nordseeküste als Heimat
F
ür diese Studie ist die Untersuchung des Heimatkonzeptes der
Menschen an der deutschen Nordseeküste der Ausgangspunkt. Wo ich
mich wohl und wo ich mich zuhause fühle, dort bin ich bereit, auch
Engagement für eine nachhaltige Entwicklung aufzubringen. Wo ich
mich geborgen fühle, möchte ich mithelfen, dass diese Heimat auch für
zukünftige Generationen erhalten bleibt. Das Heimatgefühl ist demnach
die Basis für Entwicklungsstrategien, die nur unter der Beteiligung der
betroffenen Bevölkerung entwickelt und umgesetzt werden können.
Nachhaltige Entwicklung in einer Region betrifft heute sowohl die
Beteiligung an Natur- und Umweltschutz-Strategien als auch die
Anpassung an den Klimawandel, der eine Bedrohung für die Menschen
darstellt, nicht nur an der Küste.
Aufgrund dieser Annahmen ergeben sich für die Analyse von Heimat
zahlreiche Fragen, die mit dieser Studie geklärt werden sollen. Zu-
nächst geht es um die Frage, in welcher Weise die Befragten mit ihrer
Region sozial verbunden sind. Die Anwesenheit von weiteren Familien-
mitgliedern in der Region und seit wie vielen Generationen die Familie
in der Region ansässig ist, sind dafür Indikatoren. Hinzu kommen die
Sozialkontakte über Vereinsmitgliedschaften, die im Rahmen dieser
13
Studie einen Doppelcharakter haben können: Wenn ein Befragter an-
gibt, Mitglied in einem Heimatverein zu sein, so drückt dies sowohl
seinen Wunsch nach Nähe zu anderen Menschen als auch zur aktiven
Bewahrung seiner Heimat aus.
Da Heimat eine äußerst persönliche Vorstellung vom eigenen Leben
beinhaltet, wurden die Menschen gefragt, was sie unter Heimat verste-
hen. Das grundlegende Ziel der Frage war es herauszufinden, ob für die
Befragten Heimat eher etwas Emotionales, Soziales, Räumliches oder
Symbolisches ist. Die Frage nach dem Wo der Heimat sollte Auskunft
geben, ob die Heimat eher lokal oder eher regional verstanden wird.
Die offene Frageform ließ dabei auch Platz für unerwartete Antworten:
„Heimat ist da, wo das Herz ist“ belegt klar, dass für einige Menschen
Heimat ortsungebunden ist und eher mit Gefühlen in Zusammenhang
gebracht wird.
Unterschiedliche Maßnahmen zur Erhaltung der Heimat zeugen nicht
nur von Kreativität und hohem Problembewusstsein der Bevölkerung,
sondern in ganz besonderem Maße auch von der Stärke der Beziehung
zu ihrem Raum. Von Interesse war, ob sich die Menschen in der Heimat
Nordseeküste auch selbst engagieren. Die Antworten auf diese Frage
würden also zeigen, inwieweit die Menschen glauben, durch ihr Handeln
die Heimat erhalten zu können und was ihnen für die Erhaltung wichtig
erscheint.
Sprache dient dem Menschen nicht nur zur Kommunikation, sondern
sie verschafft ihm Ausdrucksmöglichkeiten und somit eigene Identität.
Findet sich jemand mit gleicher Sprache, so dient sie darüber hinaus
der Vergewisserung, Teil einer größeren Gruppe zu sein. Sprache ist
folglich auch ein Spiegel von Kultur und Tradition von Gesellschaften.
Im deutschen Nordseeküstenraum stehen dafür neben Hochdeutsch
zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Plattdeutsch und Friesisch. Die Be-
deutung der Sprache oder des Dialektes wird sich darin zeigen, wie oft
sie im Zusammenhang mit den offenen Fragen erwähnt werden.
Grundsätzlich ist es aber wichtig zu erfahren, wie viele der Befragten
überhaupt diese Sprachen sprechen: daher wird in Form einer Ja-Nein-
Frage direkt nach den Sprachkenntnissen gefragt.
Indem die Befragten ihre Region beschreiben und eine Frage nach
einzigartigen Merkmalen beantworten, werden Besonderheiten
ausgemacht, die bereits zum kulturellen Allgemeingut gezählt werden
können. Die gezielte Frage nach regionalen Speisen, Künstlern,
Kunstwerken, Sagen und geschichtlichen Ereignissen konkretisiert
dieses Bild. Des Weiteren sind diese Fragen von Bedeutung, da
gemeinsame Symbole einen besonders stark identitätsstiftenden
Charakter haben (Graumann 1983: 309f).
14
Mehrere
Generationen
45%
Eine Generation
33%
Zwei Generationen
14%
k.A.
8%
STÄRKE DER LOKALEN UND SOZIALEN EINGEBUNDENHEIT
Die Befragung im Wattenmeergebiet wurde ausschließlich unter Einwohnern
durchgeführt, die seit mindestens 5 Jahren in der Region leben. Von den 862
Befragten wurden 56% (489) im Untersuchungsgebiet oder den angrenzen-
den Landkreisen Leer, Emden und Wilhelmshaven geboren. 41% (350) der
Befragten kamen gebürtig aus anderen Orten und Regionen. Diese Hinzuge-
zogenen leben durchschnittlich seit 22 Jahren in der Region: Bei einem
Durchschnittsalter von 48 Jahren macht dies also einen erheblichen Anteil
ihres Lebens aus.
45% (399) der Befragten gaben an, dass ihre Familien seit mehreren Gene-
rationen in der Region leben. 14% (117) der Familien leben seit zwei und
33% (281) seit einer Generation in der Region. 8% (65) der Befragten
machten keine Angabe (vgl. Abb.1). 72% (616) der Befragten haben noch
weitere Verwandte in der Gegend, 25% (215) haben keinerlei familiäre Bin-
dung und 3% (23) machten keine Angabe.
Abb. 1: Seit wie vielen Generationen lebt Ihre Familie in der Region? (N = 862)
Neben der sozialen Anbindung über die Familie bieten sich über Vereine
vielfältige Möglichkeiten zur Teilhabe am sozialen Leben. Über die Hälfte der
Befragten – 56% (486) – gab an, Mitglied von mindestens einem Verein zu
sein. 43% (373) gehören keinem Verein an. Fast die Hälfte der
Vereinsmitglieder verbringt ihre Freizeit in S
PORT- UND SPIELVEREINEN (48%,
360). H
EIMAT- UND KULTURVEREINE waren mit 27% (199) der Nennungen
ebenfalls sehr populär. Schützenvereine, Musikvereine, Boßelclubs und
verschiedenste Arten von Heimatvereinen geben den Menschen die
Möglichkeit, aktiv Brauchtum zu pflegen, die lokale Gemeinschaft zu erleben
15
Heimat- und Kulturvereine
27%
Sport und Spiel
48%
Soziales
3%
Rettungsdienste
6%
Fördervereine
8%
Natur- und Tierschutz
3%
Politik
2%
Sonstiges
3%
und ihre Heimat besser kennen zu lernen. 8% (56) der Vereinsmitglieder
beteiligen sich an der Arbeit von F
ÖRDERVEREINEN. In dieser Gruppe fanden
sich unterschiedlichste Organisationen, die jedoch alle das gleiche Ziel
haben: lokale Projekte und somit die Region zu unterstützen. Dabei wird auf
verschiedenen Ebenen gearbeitet: Der Förderverein zur Erhaltung des
örtlichen Museums verfolgt ein konkretes Ziel für die Gemeinschaft, während
sich der Gewerbeverein für die Stärkung der lokalen Wirtschaft organisiert.
Mitarbeit in R
ETTUNGSDIENSTEN (6%), SOZIALEN EINRICHTUNGEN (3%) sowie
N
ATURSCHUTZVEREINEN (3%) und die Mitgliedschaft in POLITISCHEN GRUPPEN und
Parteien (2%) vervollständigen dieses vielfältige Bild der aktiven Teilhabe
(vgl. Abb.2).
Abb. 2: Welchem Verein gehören Sie an? (n = 743; Mfm)
W
AS IST FÜR SIE HEIMAT?
Fast ein Drittel aller von den Befragten gegebenen Antworten beschrieb
Heimat als Gefühl der sozialen Zugehörigkeit und Geborgenheit. Besonders
häufig erfolgte die Äußerung: „Heimat ist da,
WO ICH MICH WOHL FÜHLE“. Die
Nennungen dieser Kategorie stehen in Verbindung zu den Antworten in der
Kategorie F
AMILIE UND FREUNDE (18%): hier wird die besondere Bedeutung
von sozialen und familiären Kontakten hervorgehoben, die gleichermaßen
das Gefühl der Geborgenheit sichern. Eine Befragte brachte diese
Geborgenheit in einen weiter gefassten Zusammenhang: Heimat ist, „wo
man alle kennt wenn man über die Straße läuft und Moin sagt.“
16
Sonstiges
9%
Wo man lebt /
arbeitet
6%
Wo ich geboren
wurde
10%
Familie und
Freunde
18%
Landschaft und
Küste
19%
Wo ich mich wohl
und zugehörig fühle
32%
k.A.
1%
Konkrete Orte /
Regionen im
Untersuchungs-
gebiet
5%
Die Antworten aus der Kategorie LANDSCHAFT UND KÜSTE (19%) können
in zweierlei Weise gedeutet werden. Über die Hälfte dieser Nennungen
bezog sich auf die Nordsee: damit bekommt sie einen hohen
Symbolcharakter und deutet auf eine starke Regionsverbundenheit hin.
Zahlreiche Nennungen verwiesen auf die unberührte Natur und
drückten den Wunsch nach Geborgenheit oder der Wiederherstellung
von Vergangenem aus. Nur 10% der Nennungen erwähnten den
eigenen G
EBURTSORT als Heimat. Im Vergleich zu ähnlichen Studien ist
dies ein geringer Wert, denn im Mittelrheintal wurde der Geburtsort als
Heimat von 19%, im Nahetal von 23% und im Moseltal von 20% der
Befragten als Heimat wahrgenommen (vgl. Ratter 2005, Ratter &
Treiling 2008, Franke et al. 2009).
Ein eher lockeres Verständnis von dem, was Heimat ist, ergibt sich aus
den Antworten der Kategorie
WO MAN LEBT/ARBEITET (6%). Heimat ist
schlicht der Ort, an dem man wohnen und sich ernähren kann.
Auf die Kategorie K
ONKRETE ORTE IM UNTERSUCHUNGSGEBIET entfielen nur
5% der Nennungen (im Mittelrheintal waren es 12%, im Nahetal 8%
und an der Mosel 6%). Die Befragten antworteten also eher selten mit
einem konkreten Ortsnamen auf die Frage, Was für sie Heimat ist.
Dabei scheint unbedeutend, ob es sich um den Herkunftsort oder die
Wahlheimat handelt: man hat hier in einem konkreten Ort in der Regi-
on seine Heimat gefunden (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Was ist für Sie Heimat? (n = 1.468; Mfm)
17
Eine Korrelation zwischen Antworten und Alter der Befragten zeigt,
dass alle Altersstufen mehr oder weniger die gleiche Vorstellung von
Heimat haben. Den größten Unterschied macht die Gruppe der unter
20jährigen, die zu 27% F
AMILIE UND FREUNDE als Heimat angab und sich
damit deutlich von den anderen Altersgruppen abhebt. Die starke so-
ziale und emotionale Bindung dieser Gruppe wird darüber hinaus durch
den höchsten Nennungsanteil in der Kategorie
WO ICH MICH WOHL FÜHLE
deutlich: 35% der Nennungen wurden dieser Kategorie zugewiesen.
Dieselbe Gruppe sah auch am wenigsten L
ANDSCHAFT UND KÜSTE als Teil
ihrer Heimat an. Von allen Nennungen der unter 20jährigen erhielt
diese Kategorie nur 9%.
Eine weitere Abweichung ergab sich bei der Gruppe der über
66jährigen: nur 7% ihrer Antworten stellten F
REUNDE UND FAMILIE als
einen Teil der Heimat dar. Dafür hatte der G
EBURTSORT hohe Bedeu-
tung: fast ein Viertel dieser Altersgruppe bezeichnete diesen als Hei-
mat. Insgesamt lässt sich erkennen, dass mit zunehmendem Alter der
Geburtsort bzw. der Ort der Jugendzeit häufiger als Heimat bezeichnet
wurde.
Die Antworten der 20-35jährigen wiesen keine starken Abweichungen
zu den anderen Altersgruppen auf. Einzig bei den Nennungen zu
L
ANDSCHAFT UND KÜSTE wich sie mit einem hohen Anteil von 28% von
allen anderen Altersstufen ab und erreichte beim G
EBURTSORT den
Tiefstwert. Denkbar ist, dass diese Gruppe ganz bewusst den ländli-
chen, naturnahen Raum als Heimatort angibt, da in diesem Alter die
Entscheidung von Berufs- und Wohnortwahl und somit auch die klare
Abgrenzung zum Stadtleben fällt (vgl. Abb. 4).
18
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Wo ich mich wohl und
zugehörig fühle
Wo ich geboren wurde
Familie und Freunde
Wo man lebt / arbeitet
Konkrete Orte / Regionen im
Untersuchungsgebiet
Landschaft und Küste
Sonstiges
k.A.
%
unter 20 Jahre alt
20-35 Jahre alt
36-50 Jahre alt
51-65 Jahre alt
ab 66 Jahre alt
Abb. 4: Prozentuale Verteilung der Antworten nach Altersgruppen zu der Frage „Was ist
für Sie Heimat“ (n = 1.468)
Wo ist Ihre Heimat?
Die gezielte Frage nach dem Wo der Heimat sollte Klarheit darüber
schaffen, welche Orte die Befragten als Heimat ansehen oder ob ein
(über-) regionaler, auf die Nordseeküste oder das Bundesland
zielender, Bezug hergestellt wird.
19
Konkrete Orte im
Untersuchungsgebiet
50%
Nordseeküste
5%
Orte außerhalb des
Untersuchungsgebietes
11%
Regionen im
Untersuchungsgebiet
20%
Norddeutsche
Bundesländer
(Nds, SH)
5%
k.A.
1%
Sonstiges
8%
Die Hälfte aller Nennungen erhielten KONKRETE ORTE IM
UNTERSUCHUNGSGEBIET (50%, 537). 20% (209) der Nennungen ergaben
großräumigere R
EGIONEN IM UNTERSUCHUNGSGEBIET. Dieser Kategorie
wurden z.B. 48-mal Nordfriesland, 47-mal Ostfriesland und 46-mal
Dithmarschen zugeordnet. 5% (55) erhielt eine Kategorie mit
Antworten, die sich auf die N
ORDSEEKÜSTE bezogen, z.B. „Nordsee“, „das
Watt“ und „die Deiche“.
Die N
ORDDEUTSCHEN BUNDESLÄNDER Niedersachsen und Schleswig-
Holstein wurden von 5% der Nennungen als Heimat bezeichnet. Von
den 50 Antworten dieser Kategorie entfielen 30 auf das Land
Schleswig-Holstein, 18 auf den Norden bzw. Norddeutschland, während
Niedersachsen nur zweimal als Heimat genannt wurde (vgl. Abb.5).
Fasst man diese Kategorien zusammen, so entfallen 80% der
Nennungen auf Orte in der Nordseeküstenregion.
Nur 11% der Antworten erklärten O
RTE AUßERHALB DES
UNTERSUCHUNGSGEBIETES zur Heimat. Sie bezogen sich sowohl auf
Geburtsorte als auch auf „Wunschheimaten“, die auch im Ausland
liegen können. Vor dem Hintergrund, dass rund 25% der Befragten
nicht im Untersuchungsgebiet geboren wurden, kann man also generell
eine hohe Identifizierung der Befragten mit ihrem aktuellen Wohnort
erkennen: Auch die Hinzugezogenen haben die Nordseeküste als ihre
Heimat angenommen.
Abb. 5: Wo ist Ihre Heimat? (n = 1.058; Mfm)
20
Vergleicht man die Antworten auf diese Frage mit den verschiedenen
Altersgruppen, so fällt eine deutlich höhere Gleichverteilung der
Antworthäufigkeit auf, als dies noch in der Frage nach dem „Was ist Heimat“
der Fall gewesen ist. Interessant sind jedoch die Angaben, die von den unter
20jährigen gemacht wurden. Fast 70% ihrer Nennungen bezogen sich auf
einen KONKRETEN ORTE IM UNTERSUCHUNGSGEBIET als Heimat, REGIONEN IM
UNTERSUCHUNGSGEBIET erhielten immerhin noch 15%. Nur ganz wenige der
Antworten konnten anderen Kategorien zugeordnet werden: die
N
ORDSEEKÜSTE spielte sogar gar keine Rolle. Zu den landschaftlichen Reizen
und Besonderheiten haben die jungen Befragten offenbar noch keine
Beziehung entwickelt. Abweichend hohe Werte (57%) erhielten die
K
ONKRETEN ORTE auch von der Gruppe der über 65jährigen. Eine weitere
Gemeinsamkeit besteht zwischen der Gruppe der ältesten und der jüngsten
Befragten: beide Gruppen bezeichneten die R
EGIONEN IM
UNTERSUCHUNGSGEBIET am seltensten als ihre Heimat und auch die
N
ORDSEEKÜSTE kam in ihren Nennungen sehr selten vor (vgl. Abb.6).
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Konkrete Orte im
Untersuchungsgebiet
Regionen im
Untersuchungsgebiet
Orte / Regionen außerhalb
des
Untersuchungsgebietes
Norddeutsche
Bundesländer
Nordseeküste
Sonstiges
k.A.
%
unter 20 Jahre alt
20-35 Jahre alt
36-50 Jahre alt
51-65 Jahre alt
ab 66 Jahre alt
Abb. 6: Prozentuale Verteilung der Antworten zu der Frage „Wo ist Ihre Heimat“ nach
Alter (n = 1.058; Mfm)
21
WAS TUN SIE FÜR DIE ERHALTUNG IHRER HEIMAT?
Um Heimat zu bewahren, bedarf es dem aktiven Tun. Deshalb ergibt
sich als nächstes die Frage, ob und in welcher Art und Weise die Be-
fragten zur Bewahrung ihrer Heimat beitragen.
Fast die Hälfte aller Befragten (47%, 405) erklärte, über
unterschiedliche Tätigkeiten aktiv an der Erhaltung der Heimat beteiligt
zu sein. 39% (337) der Befragten konnten zu dieser Frage keine
Angabe machen; 14% (120) gaben direkt an, „nichts“ für die Erhaltung
der Heimat zu tun. Die Anzahl der Befragten, die sich nicht für die
Erhaltung ihrer Heimat einsetzen, mag hoch erscheinen, entspricht
jedoch den Werten aus anderen Studien. Für das Mittelrheintal
ermittelte Ratter (2005) 52% aktive Befragte; für das Nahetal
engagierten sich 47% der befragten Einwohner (Ratter & Treiling
2008).
Insgesamt wurden 769 Angaben zu unterschiedlichen Aktivitäten ge-
macht. 23% der Nennungen sahen
UMWELTBEWUSSTES VERHALTEN als
Möglichkeit an, zur Erhaltung der Heimat beizutragen. Müll trennen,
Fahrrad fahren oder generell darauf zu achten, die Umwelt nicht zu
verschmutzen: so können die Menschen im Alltag ganz praktisch ihre
Umwelt und somit ihre Heimat schützen.
VEREINSAKTIVITÄTEN (17%) gelten ebenfalls als Maßnahme zur Bewah-
rung der Heimat, gleichgültig, ob es sich dabei um Traditions- und
Heimatvereine oder nur Sportvereine handelt. Über gemeinsame Aktivi-
täten sowie den Austausch mit den Mitbürgern wird ein soziales Umfeld
geschaffen, in dem man sich wohl fühlt. Einen Sonderfall mögen hier
die Heimatvereine darstellen, da sie neben der Gesellschafts- eine wei-
tere Funktion erfüllen: sie verfolgen ganz konkret das Ziel, orts- oder
regionstypische Merkmale zu erhalten, seien dies Bauwerke, Museen
oder Traditionen.
Die Nennungen aus der Kategorie
FÜR SAUBERKEIT UND ORDNUNG SORGEN
(15%) entsprechen dem Wunsch nach Geborgenheit. Die Befragten
kümmern sich um zwei Bereiche: im öffentlichen Raum sammeln sie
z.B. Müll auf der Straße, weisen andere Menschen auf Fehlverhalten hin
und verhalten sich selbst so, „wie es sich gehört“ (70). Es gibt aber
auch den privaten Bereich, in dem das Haus erhalten und der Garten
gepflegt wird (46). Diese Unterteilung von Öffentlichkeit und Privatheit
fand sich auch in den Antworten, die das
SOZIALE UMFELD STÄRKEN (13%)
wollen, um die Heimat zu erhalten. Die Antworten „Nachbarschaftshilfe
geben“ und – wenn nötig – „Zivilcourage zeigen“ stehen exemplarisch
für Einstellungen, die das soziale Leben der Gemeinschaft stärken
22
Soziales Umfeld
stärken
13%
Arbeiten und Steuern
zahlen
11%
für Sauberkeit und
Ordnung sorgen
15%
Unterstützung der
Region
11%
Umweltbewusst
verhal t en
23%
Brauchtum und
Sprache pflegen
10%
Vereinsaktivitäten
17%
sollen. Auf privater Ebene standen beispielhaft die Kindererziehung und
Aufrechterhaltung des familiären Zusammenhalts.
Über A
RBEITEN UND STEUERN ZAHLEN (11%, 86) die Heimat zu erhalten,
erscheint als einfache Antwort, die gewissermaßen eine arbeitsteilige
Gesellschaft darstellt und als Rückzug des Einzelnen ins Private gedeutet
werden kann: Der Bürger zahlt seine Steuern, der Staat kümmert sich um
alles Nötige. Diese Einschätzung mag für die „Steuerzahler“ (20) zutreffen;
bei den genannten Arbeiten kann man aber durchaus von Tätigkeiten
sprechen, die einen heimaterhaltenden Charakter besitzen. Ob man beruflich
Küstenschutz betreibt, Wohnungen und Campingplätze an Touristen
vermietet, „Fahrräder verleiht (damit weniger Autos fahren)“ oder im
Heimatmuseum gearbeitet wird: man versteht seine Arbeit als aktives
Bewahren der Heimat.
Doch auch andere Formen dienen der U
NTERSTÜTZUNG DER REGION (11%, 83).
Geldspenden (36) an Vereine oder Organisationen unterstützen jene finan-
ziell, die aktiv die Heimaterhaltung betreiben bzw. von den Spendern als Teil
der Heimat angesehen werden. Der Kauf von regionalen Produkten und
Einkaufsgänge im Heimatort (27) zeugen von einem klaren regionalen Be-
wusstsein der Konsumenten darüber, dass man seine Heimat auch über
alltägliches Handeln zu bewahren vermag. Ein anderes Verhalten kann man
mit „aktivem Werben für die Region“ (20) umschreiben: Die Menschen er-
zählen gerne über ihre Heimat, helfen den Touristen und legen sogar – wie
ein Befragter angab – bei Verkäufen über eBay den Paketen Werbeprospekte
über ihre Heimat bei (vgl. Abb. 7).
Abb. 7: Was tun Sie für die Erhaltung Ihrer Heimat? (n = 769; Mfm)
23
10% (76) der Nennungen bezogen sich auf die PFLEGE DES LOKALEN
BRAUCHTUMS UND DER SPRACHE. Besonders die „Traditionspflege“ und das
„Kochen typischer Gerichte“ scheinen beliebt. Interessanterweise wurde das
Sprechen von Plattdeutsch nur 16-mal, das des Friesischen nur 3-mal
genannt. Dieses Ergebnis überrascht im Hinblick auf die Bedeutung, die
Sprachen allgemein zugebilligt wird. Dies umso mehr, da sowohl
Plattdeutsch als auch Friesisch von einer Vielzahl der Befragten gesprochen
wird. Auf die Frage, ob die Menschen diese Sprachen beherrschen, gaben
506 Befragte – und somit 59% – an, platt sprechen zu können; beim
Friesischen waren es immerhin noch 14% (120) der Befragten.
2.3 Symbolisches und Typisches an der Nordseeküste
D
ie Frage „Wie können Sie die Region, in der Sie leben, einem Freund
oder Besucher beschreiben?“ war bewusst offen formuliert – sich vor-
zustellen, einem Freund oder Besucher von der Region zu erzählen,
sollte zu möglichst persönlichen Beschreibungen führen und keine in-
haltlichen Vorgaben machen. Dementsprechend vielfältig waren die
2.378 Antworten, so dass mehr Kategorien als bei anderen Fragen
erstellt werden mussten. Am häufigsten wurden die Regionen durch
Landschaftsbeschreibungen dargestellt. An erster Stelle kommen 381
Antworten, die einen klaren Bezug zur N
ORDSEE haben: Meer, Wasser,
Strand, die Gezeiten sind nur einige der gegebenen Antworten, die in
diese Kategorie einflossen. Das Watt wurde von 35 Menschen zur Be-
schreibung ihrer Region erwähnt. An zweiter Stelle kommen 313 Nen-
nungen, die die Landschaft als
FLACH UND WEIT beschreiben: „Wir
können heute schon sehen, wer morgen zu Besuch kommt“ wurde
häufig als Synonym für die Flachheit und Weite genutzt; der „hohe
Himmel“ war ebenfalls ein gern genutztes Motiv. R
UHIG UND ERHOLSAM:
so stellt sich das Leben in der Region entsprechend 256 Angaben dar.
Die Bevölkerung scheint in zufriedener Geborgenheit zu leben. Dies
spricht auch aus den Antworten, die sich auf S
CHÖNHEIT DER UMGEBUNG
UND HOHE
LEBENSQUALITÄT (253) beziehen. Von der Region als „Wohlfühl-
oase“, dem „Paradies“ oder einem „Gefühl von Freiheit“ ist hier die
Rede. Ein eher kulinarisches Bild bringt die Einstellung der Befragten
auf den Punkt: die Region ist „wie ein Pfannkuchen – am schönsten ist
der Rand“.
Die GRÜNE LANDSCHAFT (222) ist für die Küstenbewohner ein fester
Bestandteil ihrer Region. Sowohl „die Natur“ als auch „das Grün“ sind
fest in den Köpfen der Menschen verankert und werden fast synonym
24
52
12
63
66
77
82
119
125
155
202
222
253
256
313
381
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450
Sonstiges
k.A.
Ferienregion
"norddeutsche" Attribute
Langweilig und strukturschwach
Mit direktem Ortsbezug
Frische Luft
Ländlich & Landwirtschaftlich geprägt
Die besonderen Menschen
Wind & Wetter
Grüne Landschaft
Schön & hohe Lebensqualität
Ruhig & Erholsam
Flach & Weit
Nordsee
Anzahl der Nennungen
gebraucht. Von den 202 Nennungen, die in die Kategorie WIND UND
WETTER eingingen, bezogen sich 86 auf den Wind: die Antwort der
„schöne Wind“ gibt gut die emotionale Verbundenheit der Menschen mit
ihrer Region und deren Naturphänomenen wieder (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: Wie können Sie die Region, in der Sie leben, einem Freund oder Besucher
beschreiben? (n = 2.378; Mfm)
Bei den BESONDEREN MENSCHEN (155) handelt es sich um „Menschen, die
mit Wind und Watt groß geworden sind“ und einem „Menschentyp, der
geradlinig, ehrlich, offen und naturverbunden ist“. Die Region wird
durch sie einmalig, da es „sehr unterschiedliche Menschen [sind], die
es auf so engem Raum sonst nirgendwo gibt.“
Die Kühe und Schafe auf den Weiden, „kein Rummel wie in der Groß-
stadt“ und „ländliche Sitten“:
LÄNDLICHE UND LANDWIRTSCHAFTLICHE
PRÄGUNG fand sich in 125 Nennungen. Als Ausdruck dieser Ländlichkeit
kann auch der starke Bezug auf die
FRISCHE LUFT (119) verstanden wer-
den. Kaum ein Merkmal wurde einzeln so stark genannt, weshalb es
eine eigene Kategorie erhielt. Gleichzeitig sind diese Antworten sowohl
Ausdruck von hoher Lebensqualität als bewusster Gegensatz zum städ-
tischen Leben.
In der Kategorie DIREKTER ORTSBEZUG (82) finden sich überwiegend Ant-
worten, die sich auf regionaltypische Bauwerke beziehen, z.B. der Ha-
fen oder die Leuchttürme. Negative Kommentare zur Beschreibung der
Region blieben in der Minderzahl und wurden in der Kategorie
25
LANGWEILIG UND STRUKTURSCHWACH (77) zusammengefasst. Sie bezogen
sich meist darauf, dass es – besonders im Winter – „langweilig“ sei.
Des Weiteren gehen in diese Kategorie vor allem Nennungen ein, die
sich mit der wirtschaftlichen Lage unzufrieden erklären. In der Katego-
rie „N
ORDDEUTSCHE“ ATTRIBUTE (66) finden sich Antworten, die ein
durchaus romantisches Bild der Nordseeküstenregion zeichnen. Hier ist
es „rau“, „herb“ und „nordisch-authentisch“. 63 Nennungen erkannten
die Nordseeküste als F
ERIENREGION: in dieser Kategorie wird klar Bezug
auf Tourismus und Freizeitmöglichkeiten genommen. Wie man die Re-
gion beschreiben soll? „Das muss der Besucher selbst sehen. Das ist
eine Reise wert.“
Zählt man die Kategorien N
ORDSEE, FLACH UND WEIT, GRÜNE LANDSCHAFT
sowie LÄNDLICH UND LANDWIRTSCHAFTLICH GEPRÄGT zusammen, so kommt
man auf 1.041 Einzelnennungen und somit auf fast die Hälfte aller
Angaben insgesamt. Es werden also insbesondere Landschaftselemente
zur Beschreibung der Region herangezogen. Doch auch die Kategorien,
die Emotionen wie z.B. Geborgenheit, Gesundheit und hohe Lebens-
qualität ausdrücken, sind stark vertreten. Die Nennungen, die in den
Kategorien
RUHIG UND ERHOLSAM, SCHÖN UND HOHE LEBENSQUALITÄT sowie
die
BESONDEREN MENSCHEN Eingang fanden, ergeben mit insgesamt 664
fast ein Drittel der Antworten.
S
YMBOLISCHES AN DER NORDSEEKÜSTE
Symbole sind identitätsstiftend und verfügen über gemeinschafts-
bildende Eigenschaften. Für das Untersuchungsgebiet entfielen 28%
(392) der Antworten auf die N
ORDSEE und ihre Bestandteile: „Deiche“,
„Wasser“, „Ebbe und Flut“ oder „das Meer“ waren unter den häufigsten
Nennungen, die in dieser Kategorie untergebracht wurden. Das W
ATT,
das von den Befragten u.a. als „einzigartig“ und auch „genial“ be-
schrieben wurde, erhielt 160 Einzelnennungen (11%): so viele, wie
keine anderen Angaben auf diese Frage. Mit 154 Antworten (11%)
bezogen sich ähnlich viele Nennungen auf
SPEZIELLE ORTE UND GEBÄUDE
in der Untersuchungsregion. Leuchttürme, Windräder, aber auch der
Jadebusen zeigen, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Dingen
Symbolgehalt haben kann. Luft, Wind und „das Wetter: mal schön, mal
schlecht - norddeutsch“ sind einige der Antworten, die in K
LIMA, WETTER
UND
LUFT zusammengefasst wurden. Diese 126 Nennungen (9%) bezo-
gen sich zum einen auf die Natur, zum anderen sind sich die Menschen
voll bewusst, dass ihr Wetter maßgeblich von der Lage an der Küste
beeinflusst ist (vgl. Abb. 9).
26
Nordsee
28%
Watt
11%
Spezielle Orte und
Gebäude
11%
Klima, Wetter und
Luft
9%
das weite, flache
Land
7%
Menschen
7%
Fischerei und
Landwirtschaft
6%
Natur
5%
Landschaft
4%
Ruhe
3%
Sonstiges
5%
k.A.
4%
Abb. 9: Was ist für Sie einzigartig oder symbolisch für die Region, in der Sie leben?
(n = 1.417; Mfm)
Zu der Küstenlandschaft gehört auch das WEITE UND FLACHE LAND (7%,
99). Der Reiz dieser Landschaft ist „weit gucken zu können, sich nicht
beengt zu fühlen und frei zu sein“.
Die M
ENSCHEN stehen für viele Befragte ebenfalls symbolisch für ihre
Region. Von den 93 Nennungen (7%) bezogen sich zahlreiche auf die
„Offenheit der Menschen“ und das starke Gemeinschaftsgefühl: „wenn’s
kritisch wird, sind die Leute sehr hilfsbereit“.
Weitere Nennungen wurden in die Kategorien F
ISCHEREI UND
LANDWIRTSCHAFT (6%), Natur (5%), LANDSCHAFT (4%), RUHE (3%) und
S
ONSTIGES (5%) eingeordnet.
Das wohl stärkste Symbol ist die N
ORDSEE – inklusive der Nennungen
„Ebbe und Flut“ oder „Wasser“ und gemeinsam mit der Kategorie W
ATT.
Insgesamt ergibt sich aber ein Bild, das etwas zwiespältig wirkt: Einer-
seits gibt es den klaren Bezug zum Meer, andererseits gibt es neun
Kategorien, die sich auf andere Dinge beziehen und deren Anteile in der
Addition 57% der Antworten ergeben. Bei den speziellen Orten und
Gebäuden kommt hinzu, dass sich der Großteil der Nennungen auf
kleinräumige Symbole bezieht und somit den größeren regionalen
Rahmen außer Acht lässt.
27
75
59
18
41
58
67
80
83
83
155
226
281
97
46
0 50 100 150 200 250 300
k.A.
Sonstiges
Kartoffelspeisen
Fleisch- u. Wurstspezialitäten
Alkoholische (Heiß-)Getränke
Sonstige Süßspeisen
Sonstige Kohlgerichte
Suppen/Eintöpfe
Labskaus
Mehlbüddel
Bohnengerichte
Krabben/Muscheln
Grünkohl
Fisch
Anzahl der Nennungen
TYPISCHE SPEISEN IN DER REGION
Typische Speisen sind besonderer Ausdruck der Regionalkultur, da sie
auf die traditionellen Produktionskulturen der Lebensmittel verweisen.
In dieser Hinsicht überrascht die Dominanz der Angaben, die sich auf
F
ISCH (281) bezogen, nicht. Besonders hervorzuheben ist jedoch
Matjes, der über die Hälfte (147) der Nennungen innerhalb dieser
Kategorie ausmachte. Als weitere typische Küstengerichte wurden
K
RABBEN UND MUSCHELN (155) aufgezählt (vgl. Abb. 10).
Abb. 10: Gibt es ein/e typische/s Speise/Gericht in ihrer Region? (n=1.369; Mfm)
Als eher deftige Winterspeise ist GRÜNKOHL beliebt (226), hinzukommen
B
OHNENGERICHTE (97), LABSKAUS (83), SUPPEN UND EINTÖPFE (80) sowie
SONSTIGE KOHLGERICHTE (67). Unter den Süßspeisen stachen die
M
EHLBÜDDEL (Mehlbeutel) mit 83 Nennungen hervor; SONSTIGE
SÜßSPEISEN erhielten 58 Nennungen. Weitere Nennungen waren
F
LEISCH- UND WURSTSPEZIALITÄTEN (41), KARTOFFELSPEISEN (18) und
SONSTIGES (59). Unter den ALKOHOLISCHEN (HEIß-)GETRÄNKEN (46) war
besonders der „Pharisäer“ stark vertreten, der als Nationalgetränk der
Nordfriesen gilt.
28
331
56
18
27
47
54
85
162
146
44
0 50 100 150 200 250 300 350
k.A.
Sonstiges
Seefahrtsgeschichten
Erdgeister
Blanker Hans
Dänenkriege
Ostfriesische Häuptlingsgeschichten
Ortsgebundene Sagen
Schimmelreiter
Störtebeker und andere Piraten
Anzahl der Nennungen
SAGEN UND GESCHICHTEN DER NORDSEEKÜSTE
Sagen und Geschichten sind Bestandteil jeder Regionalkultur. Sie
geben tatsächlich Geschehenes – wie z.B. Naturkatastrophen – in
(ausgeschmückter) Form wieder, vermitteln moralische Werte, erklären
Merkmale einer Region oder dienen schlicht der Unterhaltung. Fast zwei
Drittel der Befragten konnten Sagen oder Geschichten nennen;
insgesamt ergaben sich 639 Antworten. Die meisten Antworten (162)
erzielten Geschichten von Piraten, bei denen die Erzählung vom P
IRATEN
KLAUS STÖRTEBEKER mit 157 Nennungen klar im Vordergrund stand (vgl.
Abb. 11).
Abb. 11: Welche Sage oder Geschichte verbinden Sie mit Ihrer Region?
(n = 964; Mfm)
Die fiktive Figur des S
CHIMMELREITERS wurde 146-mal genannt. Die von
Theodor Storm verfasste Novelle vom Deichbauer Hauke Haien gibt
durch seine Realitätsnähe das Leben der Küstenbewohner sehr gut
wieder; Hauke Haien bleibt aber eine fiktive Gestalt.
Auf diese zwei überregional bekannten Sagen und Geschichten folgen
ORTSGEBUNDENE SAGEN (85), die in ihrer Vielzahl eine reiche Erzählkultur
widerspiegeln. Diese Sagen geben – wie der Name der Kategorie schon
andeutet – eine konkrete Ortsbezogenheit wieder. Die Geschichte vom
Roten Haubarg wird dementsprechend nur in der Nähe der Halbinsel
Eiderstedt genannt, die Fischerfrau Tine nur in Husum und die Ge-
schichte vom Minser Seewiefken nur beim Jadebusen. Die beiden dar-
auf folgenden Kategorien beziehen sich ebenfalls auf geschichtliche
Begebenheiten. Die 54 Nennungen innerhalb der Kategorie
29
OSTFRIESISCHE HÄUPTLINGSGESCHICHTEN entstammen allesamt von Befrag-
ten aus dem heutigen Ostfriesland. Sie stehen für eine einstmals eigen-
ständige Verwaltung der ostfriesischen Landschaften, obgleich sie auch
eine Zeit innerfriesischer Fehden widerspiegeln. Die 47 Nennungen der
Kategorie D
ÄNENKRIEGE beziehen sich auf diverse Kriege oder Personen,
die an den Auseinandersetzungen mit den Dänen auf dem Gebiet des
heutigen Schleswig-Holsteins teilgenommen haben. Wenn der Sylter
Fischersmann Pidder Lüng in der Ballade von Detlev von Liliencron den
dänischen Steuereintreiber in einem Grütztopf erstickt und seinen Hen-
kern vor seiner Hinrichtung ein „Lever duad as slav“ (lieber tot als
Sklave) entgegen ruft oder die kleine Martje Flohrs den marodierenden
Besatzern den Trinkspruch „Et gah uns wohl op unse olen Dage“ auf-
sagt: Hier werden in den geschichtlichen Zusammenhang Personen
eingeführt, die als Vorbilder dienen können und die Zuhörer darin be-
stätigen, dass die Nordfriesen ein unbeugsames Volk sind. Hier wird
Gruppenidentität durch Heldenfiguren aus dem einfachen Volk geschaf-
fen. Dabei macht es keinen Unterschied, dass Pidder Lüng nur eine
literarische Gestalt ist und Martje Flohrs tatsächlich lebte: Ihre Ge-
schichten werden ausgeschmückt und haben Einzug in das Regional-
bewusstsein gehalten.
Nennungen zu Naturgewalten wurden in der Kategorie B
LANKER HANS
(44) zusammengefasst. An häufigsten wurde auf die Insel Rungholt
Bezug genommen, die während der Groten Mandränke im 14. Jahrhun-
dert unterging. Zu dieser realen Begebenheit gehört auch die Er-
zählung, dass der Pfarrer von betrunkenen Insulanern genötigt wurde,
ein Schwein zu segnen. Die Flut war somit das Gottesgericht, das über
die ungläubigen Menschen kam. Detlev von Liliencron verarbeitete den
Untergang Rungholts in seinem Gedicht „Trutz, blanke Hans“ und gibt
darin seine eigene Vorstellung des Unterganges wieder.
Nis Puk, Ekke Nekkepenn oder Odderbantjes sind E
RDGEISTER (27), die
es reichlich gibt an der deutschen Nordseeküste. Sie beschützen den
Hof, treiben Schabernack und retten Menschen auch manchmal das
Leben. Dass dennoch die helfenden Taten des warnenden Klabauter-
manns fehlen, bestätigt sich in den S
EEFAHRTSGESCHICHTEN (18): Fast
die Hälfte der Nennungen dieser recht kleinen Kategorie handelt von
Schiffsunglücken.
Die Ergebnisse spiegeln verschiedene Sagen und Geschichten wider,
die einen mal größeren und mal kleineren geschichtlichen Kern haben.
Auffallend ist jedoch die räumliche Zersplitterung der Sagen: Hier gibt
es einen starken kleinräumigen Bezug. Diesen erkennt man selbst bei
den häufigsten Einzelnennungen. Obwohl der Pirat Klaus Störtebeker
und der Schimmelreiter im gesamten deutschen Nordseeküstenraum
30
bekannt sind, so haben die Nennungen doch klare regionale Schwer-
punkte. Störtebeker wird besonders häufig in Ostfriesland genannt, das
er eine zeitlang als Rückzugsraum nutzte. Die Küste Schleswig-
Holsteins ist hingegen der Ort des Deichbauers Hauke Haien, der
Hauptfigur des Schimmelreiters. Da Husum obendrein der Geburtsort
Theodor Storms ist, überrascht die dortige Häufung der Antworten
nicht. Eine so starke Trennung, wie sie in Karte 2 zu erkennen ist, war
aufgrund des recht hohen Bekanntheitsgrades beider Charaktere
dennoch nicht zu erwarten.
Karte 2: Die geographische Verbreitung der Nennungen von „Störtebeker“ (n = 157)
und „Schimmelreiter“ (n = 146) zu der Frage: Welche Sage/Geschichte
verbinden Sie mit Ihrer Region?
M
ALER UND SCHRIFTSTELLER DER KÜSTE
Zum einen bilden regionale Maler und Schriftsteller in ihren Werken
häufig die Region ab, in der sie leben. Zum anderen spiegeln die
Antworten auf die Frage, welcher Maler oder Schriftsteller mit einer
Region in Verbindung gebracht wird, seine Bindung zur Region wider:
31
308
93
15
19
28
34
141
144
168
183
0 50 100 150 200 250 300 350
k.A.
Sonstiges
Poppe Folkerts
Klaus Groth
Franz Radziwill
Ole West
Regional bekannte Schriftsteller
Emil Nolde
Regional bekannte Maler
Theodor Storm
Anzahl der Nennungen
Die Befragten werden – so die Erwartung – Künstler benennen, deren
Werke am ehesten dem Regionsbild der Bevölkerung entspricht.
Auf T
HEODOR STORM (183) entfielen die meisten Nennungen, der in
Husum geborene Dichter erhielt den größten Teil von Befragten aus
Schleswig-Holstein. Auf weitere
REGIONAL BEKANNTE SCHRIFTSTELLER
kamen 141 Nennungen – keiner von ihnen konnte jedoch mehr als 15
Nennungen auf sich vereinen, so dass sie in dieser Kategorie
zusammengefasst wurden (vgl. Abb. 12).
Der niederdeutsche Dichter K
LAUS GROTH (19) wurde insbesondere
durch seine plattdeutsche Gedichtsammlung Quickborn berühmt. Sie
wurde 1852 herausgegeben und erhob das erste Mal seit dem 17.
Jahrhundert das mittlerweile vom Hochdeutschen zusehends verdräng-
te Plattdeutsch zur Literatursprache.
Abb. 12: Welchen Maler oder Schriftsteller verbinden Sie mit Ihrer Region?
(n = 1.133; Mfm)
In der Kategorie REGIONAL BEKANNTE MALER (168) finden sich ebenfalls
keine Namen, die häufiger als fünfzehn Mal genannt wurden. Offen-
kundig ist eine große Verteilung von regional bekannten Malern über
das gesamte Untersuchungsgebiet. E
MIL NOLDE (144) hingegen konnte
Nennungen aus der ganzen Nordseeküstenregion auf sich ziehen. Ver-
mutlich sind es neben seiner nordfriesischen Herkunft auch seine bun-
ten Aquarelle, die die norddeutschen Landschaften einfangen, die ihn
so viele Menschen mit der Region verbinden lassen. Insbesondere ma-
ritime Motive kommen in den Arbeiten von OLE WEST (34) vor. Da er
32
lange Zeit auf Norderney lebte und wirkte, erhielt er dort auch 32 der
34 Nennungen. Gleiches gilt für den Marinemaler P
OPPE FOLKERTS (15),
der auf Norderney gar alle Antworten erhielt. Für F
RANZ RADZIWILL (28)
ergibt sich ähnliches für Dangast, wo er die meiste Zeit seines Lebens
verbrachte.
Bei den Malern und Schriftstellern ist es einzig Emil Nolde, der über-
regional benannt wird. Sein Werk wird nicht nur in der Nähe seines
Schaffens- oder Wohnortes mit der Nordseeregion verbunden. Kein
anderer der benannten Maler und Schriftsteller hat eine ähnliche
Verbreitung erfahren. Selbst Theodor Storm, der am meisten Einzel-
nennungen auf sich beziehen kann, bleibt – insbesondere über seinen
„Schimmelreiter“ – eng verbunden mit der Küste Schleswig-Holsteins.
W
ICHTIGE HISTORISCHE EREIGNISSE
Die Geschichte einer Region stellt eine wichtige Verbindung zwischen
den Menschen dar, wenn sie als gemeinsame Geschichte wahrgenom-
men werden kann: sie dient der Entstehung von Gruppenidentität. Die
Rückbesinnung auf die Vorfahren bestärkt das Gefühl der Verwurzelung
des Einzelnen; „Große Erzählungen“ dienen nicht nur der Selbstversi-
cherung der Gesellschaft sondern auch der Rolle des Einzelnen, die er
in ihr spielen will.
Auf die Frage „Welches historische Ereignis verbinden Sie mit Ihrer
Region?“ konnten die Antworten in sechs Kategorien zusammengefasst
werden (vgl. Abb. 13). Die Kategorie S
TURMFLUTEN UND DEICHBAU verein-
te 39% der Nennungen. Die Sturmflut des Jahres 1962 (79) erhielt die
meisten Nennungen innerhalb dieser Kategorie, gefolgt von anderen
Sturmfluten oder Sturmflutnennungen ohne konkrete Angaben (58).
Die Grote Mandränke, die für den Untergang von Rungholt verantwort-
lich war, erhielt 36 Nennungen, Deichbau (11) und Deichbrüche (9)
geben das Bewusstsein wieder, dass die Küste vom Menschen gestaltet
und verteidigt wird.
Ein Ergebnis dieser Frage ist, dass die kriegerischen Auseinanderset-
zungen mit Dänemark einen festen Bestandteil der Schleswig-
Holsteinischen Regionalidentität ausmachen. 20% der Nennungen be-
zogen sich auf diese über Jahrhunderte währenden D
ÄNENKRIEGE.
S
TADTGRÜNDUNG UND ANDERE LOKALE EREIGNISSE (15%) kennzeichnen die
hohe Identifizierung mit der Lokalgeschichte. Ob Stadtgründung, Kri-
minalfall oder „die Erklärung des Ortes zum Staatsbad“: im eigenen Ort
kam es zu Begebenheiten, die zum Verständnis der gesamten Region
beitrugen. Unter
SONSTIGE KRIEGE (9%) fielen der Zweite Weltkrieg
33
Sturmfluten und
Deichbau
39%
Dänenkriege
20%
Stadtgründung und
andere lokale
Ereignisse
15%
Sonstige Kriege
9%
Seefahrtsgeschichten
7%
Schneekatastrophe
4%
Sonstiges
6%
(11), die Napoleonische Besatzung (11), Kriege in Ostfriesland (9) und
Kriege und Fehden, die anderen Auseinandersetzungen nicht zuge-
ordnet werden konnten (19).
Abb. 13: Welches historische Ereignis verbinden Sie mit Ihrer Region?
(n = 556; Mehrfachantworten möglich)
In der Kategorie S
EEFAHRTSGESCHICHTEN (7%) werden vor allem Schiffs-
unglücke und Störtebeker genannt. Die wenigen Antworten können als
Spiegel der abnehmenden Bedeutung der Seefahrt in der Nordsee-
küstenregion verstanden werden: die Befragten selbst sind mittlerweile
nur noch in der Beobachterperspektive.
An die SCHNEEKATASTROPHE (4%) von 1978 wird sich weiterhin erinnert.
Ähnlich den Sturmfluten steht sie für eine unerwartete Natur-
katastrophe, die die Menschen überraschte. Immerhin, so ein Befrag-
ter, habe sie „die Leute zusammengeschweißt“.
H
EIMAT NORDSEEKÜSTE
Heimat ist – wie Eingangs dargestellt – ein vielschichtiges Phänomen.
Dies wird auch durch die Antworten der Bevölkerung der deutschen Nord-
seeküste deutlich, deren Heimatverständnis und Heimatverbundenheit
34
sich über unterschiedlichste Merkmale und Symbole äußert. Die soziale
Komponente des Heimatgefühls der 862 Befragten ist durch ihre starke
Einbindung sehr ausgeprägt. Die Mehrheit lebt mit weiteren
Familienmitgliedern in der Region, die zugleich für viele von ihnen seit
mehreren Generationen die Heimat ist. Auch die emotionale
Komponente spielt eine große Rolle bei der Wahrnehmung von Heimat.
Heimat ist für die befragten Personen ein Wohlfühl-Ort, der durch die
typische Landschaft und die Küste geprägt ist und in der man mit der
Familie und Freunden lebt. Deutlich wird diese emotionale Bindung an
den Raum, wenn ein Drittel der Befragten äußert, dass Heimat dort ist,
„wo ich mich wohl fühle“.
Die Natur beeinflusst die emotionale Komponente des norddeutschen
Heimatgefühls dabei maßgeb-
lich. So wird zur Beschreibung
der Region in großem Maße
(41%) auf die Natur Bezug
genommen. Die Nordsee, die
Weite, die grüne Landschaft
das Wetter und die frische
Luft: Während der Befragung
selbst merkte man, dass die
Menschen stolz darauf sind, in
einer so naturnahen Umgebung zu leben.
Nach dem Wo der Heimat befragt, stellt sich heraus, dass die Hälfte der
Nennungen einen konkreten Ort beinhaltet: hier erkennt man den
kleinräumigen Charakter des Heimatempfindens. Dennoch beziehen
sich 20% auf eine großräumigere Region im Untersuchungsgebiet, die
als Heimat verortet wird. Dabei handelt es sich meist um historisch
gewachsene Einheiten, wie die Antworten „Nordfriesland“, „Dithmar-
schen“, „Ostfriesland“ und „Eiderstedt“ verdeutlichen. Hier geht der
Blick über den eigenen Wohnort weiter hinaus, er ist regional. Auffällig
ist, dass insbesondere Regionen in Schleswig-Holstein zahlenmäßig
häufig genannt werden. Dieses Bundesland wird auch selbst 30-mal
angegeben, während Niedersachsen nur zwei Nennungen erhält.
Das Wissen um die kulturellen Eigenheiten der Region wurde über die
Fragen nach Speisen, Sagen, Malern oder Schriftstellern sowie histori-
schen Ereignissen abgefragt. Dabei ergibt sich, dass es nur wenige
Dinge gibt, die einen für die gesamte Küstenregion stellvertretenden
Charakter haben. Die Sagen und Geschichten sind klar räumlich ver-
teilt; hier tun sich die Befragten aus Schleswig-Holstein durch den
Schimmelreiter und die Erzählungen vom Dänenkrieg hervor. Die Nie-
dersachsen zählen Störtebeker und die ostfriesischen Häuptlinge zu
35
ihren regionalen Sagen. Mit Ausnahme von dem im gesamten Küsten-
raum bekannten Theodor Storm und Emil Nolde gilt eine ähnlich klein-
räumige Orientierung auch für Maler und Schriftsteller.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heimat für die Mehrheit der
Befragten ein konkreter Ort ist, an dem man sich wohl fühlt: Heimat ist
kleinräumig. Dort lebt die Familie und man tauscht sich mit Freunden
und Nachbarn in Vereinen und Organisationen aus. Kulturelle Aspekte
werden überregional kaum ausgetauscht. Aber der Heimatort ist einge-
bettet in die Heimatlandschaft, die
einen größeren Bezugsraum hat: Die
Nordsee. Über die landschaftlichen
Nennungen erhält Heimat eine groß-
räumigere, regionale Bedeutung. In
diesem Zusammenhang steht auch die
Erinnerung an die Sturmfluten und
den Deichbau. Die Nordsee und das
Wattenmeer sind für die Bevölkerung
das verbindende Element. Die Küsten-
zone steht für einen mensch-
gemachten Siedlungsraum, der sich in
verschiedene Regionen mit unter-
schiedlichen lokalen Charakteristika
aufteilt. Weiter geklärt werden kann
dieses Bild über Fragen nach Natur
und Naturgefahren. Von Interesse wird sein, ob diese gleichermaßen in
der Küstenregion wahrgenommen werden, oder ob es Regionen gibt, in
denen sie stärker als Problem in Erscheinung treten.
36
37
Die Nordsee, das Watt und die Natur machen die Nordseeregion nach
Meinung der Befragten zu etwas Einzigartigem. Natur und Umwelt be-
sitzen für das Heimatempfinden der Bevölkerung einen hohen Stellen-
wert. Daher lag es in unserem Interesse zu erfahren, was die Bewohner
der Nordseeküstenregion als ihre Natur und Umwelt wahrnehmen und
auch, wie sie deren Zustand beurteilen. Ausgehend von einer Abgren-
zung und Definition der beiden Begriffe Natur und Umwelt werden in
diesem Kapitel die Ergebnisse von insgesamt sechs Fragen dargestellt.
Diese beziehen sich sowohl auf Vorstellungen der Befragten über Natur
und Umwelt sowie Natur- und Umweltschutz, als auch auf ihre Wahr-
nehmung der natürlichen Ressourcen der Region sowie deren Schutz-
würdigkeit.
Die Begriffe Natur und Umwelt werden häufig synonym verwendet, da
sie vermeintlich das Gleiche bezeichnen. Doch beide Begriffe sind
unterschiedlich und beleuchten verschiedene Aspekte. Natur ist der
weitaus ältere der beiden Begriffe: erstmals wurde er vermutlich im 9.
Jahrhundert verwendet. Das Wort Natur leitet sich vom lateinischen
„natura“ ab, was mit Geburt übersetzt werden kann. Der feststehende
Ausdruck „in natura“ steht folgerichtig für etwas Wirkliches oder
Leibhaftiges. Die meisten wissenschaftlichen Definitionen verstehen
unter Natur all das auf der Erde, was nicht von Menschenhand, sondern
durch die Evolution oder physikalische Vorgänge geschaffen wurde.
Dementsprechend lässt sich die Natur in unterschiedliche Sphären
unterteilen. Zum einen spricht man von der Biosphäre, wenn die
belebte Natur gemeint ist, was sowohl Pflanzen als auch Tiere mit
einschließt, und zum anderen von der Abiosphäre, wenn von der
unbelebten Natur die Rede ist (vgl. Ratter 2005). Der Natur gegenüber
steht die Kultur, die das vom Menschen Geschaffene umschreibt. Aber
es ist schwer die beiden Begriffe voneinander zu trennen, da sie sowohl
kulturellen, als auch historischen Veränderungen unterworfen sind. Der
Mensch ist einerseits in die Natur eingebettet, gleichzeitig aber lebt er
in absoluter Abhängigkeit von ihr. Diesen Mensch/Umwelt-
Zusammenhang beschrieb bereits Johann Wolfgang von Goethe (1749-
1832) in seinem Werk „Die Natur“ sehr treffend: „Natur! Wir sind von
ihr umgeben und umschlungen – unvermögend aus ihr herauszutreten,
und unvermögend tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und
ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt
3. UMWELT
38
sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihren Armen entfallen.“
(Goethe 1783) Diese Beschreibung trifft auch heute noch zu. Wie die
Natur aber erfahren und betrachtet wird, hängt sehr stark vom
beobachtenden Mensch selbst und von den Umständen ab, unter denen
er seine Erfahrungen mit der Natur macht. Für einen Stadtmenschen
kann bereits ein Park innerhalb des Stadtgebiets Natur sein, dem
ländlichen Dorfbewohner kann diese Natur dagegen künstlich und sogar
unnatürlich vorkommen. Es existieren also sehr unterschiedliche
Auffassungen von Natur. Jeder Mensch hat seinen eigenen persönlichen
Naturbegriff und dieser wiederum ist kulturell geprägt.
Der Begriff Umwelt geht vermutlich auf den Philosophen und Biologen
Jakob Johann von Uexküll (1864-1944) zurück und wurde von ihm
erstmals 1909 folgendermaßen definiert: „Umwelt ist der Ausschnitt
aus der Umgebung eines Lebewesens, der zu diesem Organismus in
Beziehung steht.“ (von Uexküll 1909) Diese sehr allgemeine Definition
gilt selbstverständlich auch für den Menschen. Die Natur ist dabei
neben der Ökonomie, der Politik, der Gesellschaft und der Kultur
lediglich ein Teilsystem der menschlichen Umwelt. Um-Welt ist die Welt
um einen herum, also das Ganze, das Milieu in dem sich der Mensch
aufhält. Aus diesem Grund spricht man auch gelegentlich von der
natürlichen Umwelt, wenn die Natur gemeint ist. Umwelt schließt Natur
mit ein und weist eine größere Dimension auf. Die einzelnen
Teilsysteme der Umwelt sind ständiger Veränderung unterworfen.
Deshalb, und weil die einzelnen Teilsysteme von jedem Menschen
unterschiedlich stark betont werden, ist die Umwelt des einzelnen
Menschen etwas Individuelles. Neben der persönlichen Wahrnehmung
spielt aber auch das emotionale Empfinden jedes Einzelnen eine
wichtige Rolle zur Bestimmung der individuellen Umwelt.
Fälschlicherweise wird oft, entsprechend den Begriffen Natur und Um-
welt, auch Natur- und Umweltschutz gleichgesetzt. Aber auch hier gibt
es Unterschiede. Unter Naturschutz werden diejenigen Maßnahmen
verstanden, die zur Erhaltung und Wiederherstellung des Naturhaus-
halts dienen. Das Ziel des Naturschutzes ist es daher, die Natur zu
schützen. Beim Umweltschutz hingegen soll der Mensch vor schädlichen
und störenden Einflüssen, wie zum Beispiel Lärm, Luftverschmutzung
oder Schadstoffen, geschützt werden. Das Ziel des Umweltschutzes ist
es, das Lebensumfeld der Menschen zu verbessern und zu schützen.
39
Meer, Küste, Wasser
und Watt
20%
Tiere und Pflanzen
15%
Unberührt, Unbebaut
und Sauber
11%
Landschaft(en)
8%
Ruhe und
Erholungsraum
8%
Wiesen und Felder
8%
Gute Luft und Wetter
8%
Meine Um-Welt
5%
Grün
5%
Deiche
3%
Sonstiges
5%
(Natur)Schutzgebiete
1%
Plattes Land und Weite
3%
3.1 Das Naturverständnis der Küstenbewohner
D
a Natur und Umwelt über die Zeit und je nach Kultur und Region
unterschiedlich verstanden werden, sind beide Begriffe abhängig von
persönlicher Wahrnehmung, dem zeitlichen Kontext und den räum-
lichen Gegebenheiten. Aus den Aussagen der Küstenbewohner ließen
sich Kategorien zum Verständnis von Natur und zur Umweltwahr-
nehmung erstellen. Zunächst wollten wir wissen, wie die befragte
Bevölkerung ihre Natur wahrnimmt. Dazu stellten wir eine offene Frage
ohne vorgegebene Antworten: „Was ist für Sie Natur?“. Die 2.070
Antworten umfassten ein breites Spektrum an Auffassungen über die
Natur. Auffallend und wenig überraschend ist, dass die häufigsten
Nennungen einen deutlichen Bezug zur Nordseeküste aufweisen. Alle
anderen Antworten waren relativ gleichmäßig vertreten (vgl. Abb. 14).
Abb. 14: Was ist für Sie Natur? (n = 2.070; Mehrfachnennungen möglich)
40
DIE KÜSTE UND DAS MEER
Natur wurde mit 20% (405) der Nennungen durch die Begriffe KÜSTE,
MEER, WATT UND WASSER (nach Häufigkeit in dieser Reihenfolge) um-
schrieben. Diese Antworten wurden in einer Kategorie zusammenge-
fasst, die auch Begriffe wie „Strand“, „Dünen“, „Marsch“ sowie „Ebbe
und Flut“ umfassten. Mit 15%
(303) stellen P
FLANZEN UND
TIERE die zweitgrößte Kategorie
dar, wobei das am häufigsten
genannte Tier der Vogel, sowie
verwandte Antworten wie „Vo-
gelgezwitscher“, „Vogelnester“
sowie „Möwen (-schreie)“ wa-
ren. Überraschenderweise er-
wähnten nur wenige Befragte
andere für die Region typische
Lebewesen wie beispielsweise
„Krebse, Fische und Muscheln“, obwohl gerade das Wattenmeer als
sehr artenreicher Lebensraum gilt.
UNBERÜHRT, UNBEBAUT UND SAUBER ist die Naturvorstellung von 11%
(223). Diese Begriffe wurden in der drittgrößten Kategorie zusammen-
gefasst. Die Antworten reichten von „wo die Leute keinen Müll hin-
schmeißen“ über „von Menschen unbesiedeltes Gebiet“ bis hin zu „weg
von der Zivilisation“.
Natur ist für die befragten Küstenbewohner aber auch die
L
ANDSCHAFT(EN) (8%). Hier wurde nicht nur allgemein die „Schönheit
der Landschaft“ gepriesen, sondern auch Landschaftselemente wie
Moore oder Seen genannt. Konkrete Landschaften fanden eher selten
Erwähnung. In diese Kategorie hätten auch Nennungen zur Flachheit
und Weite des Landes gezählt werden können, die zur Beschreibung
der Region immerhin als Zweithäufigstes genannt wurden. Nach der
Natur gefragt, fand das
PLATTE LAND UND DIE WEITE (3%) aber kaum
Erwähnung. Letztlich scheinen Flachheit sowie Weite nur Formen und
keine greifbaren Dinge zu sein, die man als Natur bezeichnen kann. In
dieser Kategorie drückt eher der Himmel Naturnähe aus; über die „freie
Landschaft, wo man sich frei bewegen kann, ohne Grenzen“ erhält
Natur eine weitere emotionale Zuschreibung.
Die
GUTE LUFT UND DAS WETTER (8%) sind nicht nur symbolisch für die
Region (vgl. Kapitel 2). Sie werden auch als fester Bestandteil der Na-
tur gesehen, die Nordsee ist gewissermaßen ihr Produzent: „die frische
Luft hier, die immer von der See weht“. In dieser Kategorie wurde
41
besonders häufig der Wind genannt, der auch für Bedrohliches verant-
wortlich ist: Natur sind die „Sturmfluten: wenn die geballte Kraft der
Natur auf uns zukommt“.
Der Kategorie R
UHE UND ERHOLUNGSRAUM (8%) wurden häufig Nennun-
gen zugewiesen, in denen Natur eine Kombination verschiedener Dinge
ist. So spricht die Antwort „mit dem Fahrrad durch die Felder zu fahren
und das Grüne und die Gerüche zu genießen“ von Landwirtschaft (Fel-
der), Freizeit (Fahrrad), der Natur (das Grüne) und Gefühlen (Gerü-
che). Weitere Antworten wie „sich setzen können, um alles auf sich
einwirken zu lassen“ und „beim Joggen durch die Dünen laufen und die
Natur genießen“ zeugen von zwei Möglichkeiten des Naturumgangs:
dem aktiven Erleben der Natur und deren Genuss.
Die Kategorie W
IESEN UND FELDER (8%) fasste alle Antworten zusam-
men, die landwirtschaftlich geprägte Landschaften mit Schafen, Kühen
und Feldern als Natur bezeichneten. Diese Landschaften sind jedoch
ein-deutig vom Menschen geschaffen. Gleiches trifft auf die Kategorie
DEICHE zu, auf die immerhin 3% (72) der Nennungen fielen. Beide Ka-
tegorien beinhalten Dinge, die der Umwelt oder der Kultur zuzurechnen
sind, nicht der Natur. Möglicherweise kann die folgende Kategorie er-
klären, warum die Wiesen und Felder sowie Deiche in den Rang von
Natur erhoben werden: sie sind grün. Und
GRÜN war die Nennung, die
immerhin 5% (108) der Antworten auf die Frage erhielt.
MEINE UM-WELT (5%, 109) ist eine weit gefasste Kategorie, deren
Nennungen sich auf das nähere Lebensumfeld der Befragten beziehen.
Hierunter fielen Antworten, die zum Teil ungenau sind, wie „alles ist
Natur“, „der Raum, in dem ich lebe“ oder „alles außerhalb des Hauses“.
Oft wurde auch der eigene Garten zur Beschreibung genannt: „Meine
Natur: gepflegte Wildnis, der Garten als Oase.“ Viele Befragten
antworteten bei dieser Kategorie auch schlicht mit den Worten „meine
Umwelt“. Doch ist nicht klar, wie der Begriff von den Befragten
verstanden wird: Ist er gleichbedeutend mit Natur oder steht er, wie
die anderen Antworten in dieser Kategorie, für die Um-Welt, also alles
den Menschen Umgebende? Dieses Verschwimmen der Grenzen
zwischen Natur und Umwelt wurde deutlich bei den folgenden
Antworten: „alles, was mich umgibt: Tiere, Pflanzen, Luft“, „das ganze
Land drum herum mit den Tieren“ oder sogar die Hervorhebung „die
gesamte natürliche Umwelt“.
Besonders interessant ist, dass die beiden Nationalparke und die vielen
Schutzgebiete der Wattenmeerregion selbst über 20 Jahre nach ihrem
Bestehen kaum in dem Kontext Natur genannt werden. So wurde nur
durch 1% (30) der Nennungen die Natur mit den N
ATURSCHUTZGEBIETEN
der Küste in Zusammenhang gebracht.
42
Unter der Kategorie SONSTIGES wurden Antworten zusammengefasst,
die die Natur in einen größeren Rahmen setzen. Ob Natur „Allgemein-
gut“ ist, „Harmonie“ darstellt, der „Amazonas abgeholzt“ oder die „Bibel
als Buch der Natur“ angesehen wird: Es gibt vielfältige Blicke auf das,
was Natur ist. Gerade in dieser Kategorie gab es viele Antworten, die
von einem Naturverständnis zeugen, das von der eingangs gemachten
Definition abweicht. „Der Leuchtturm“, „der Hafen“, „Windkraftanlagen“
oder „der Golfplatz“ zeigen ebenso ein anderes Naturverständnis wie
die Nennungen, dass Natur das ist, „was gepflegt wird“ oder „was na-
türlich gewachsenes, oder durch Menschenhand aufgebautes, das sich
so entwickelt hat, dass sich Lebewesen und Pflanzen wohl fühlen“. Die
Antwort „von Wasser bis Garten“ setzt allerdings sehr schön die Weite
des Meeres mit dem eigenen Wohnumfeld in Beziehung: Das Typische
der Region, in der ich wohne, mit dem, was ich persönlich schaffe. So
unterschiedlich all diese Antworten sind, eines ist ihnen gemeinsam -
die Natur wird immer positiv dargestellt.
Die nach der reinen Inhaltsanalyse durchgeführte statistische Korrelati-
onsanalyse nach Altersgruppen zeigt bei vielen Kategorien keine signi-
fikanten Unterschiede. In der untenstehenden Abbildung werden daher
nur die Ergebnisse der vier größten Kategorien (>50% der Nennungen)
sowie Nennungen mit großen Unterschieden aufgeführt (vgl. Abb. 15).
Am auffälligsten sind die unterschiedlichen Häufigkeiten der Gruppe der
unter 20jährigen. Die Kategorie K
ÜSTE, MEER, WATT, WASSER, die in allen
anderen Altersgruppen die meisten Nennungen erhielt, kam bei den
unter 20jährigen nur auf den dritten Platz: 13% der unter 20jährigen
nannten einen der in dieser Kategorie zusammengefassten Begriffe.
Natur zeichnet sich für diese Gruppe besonders (21%) durch
UNBERÜHRTHEIT, UNBEBAUT SEIN UND SAUBERKEIT aus. PFLANZEN UND TIERE
wurden ebenfalls überdurchschnittlich häufig von ihnen als Natur be-
zeichnet (20%). Geringe Werte erzielten hingegen
GUTE LUFT UND
WETTER sowie NATURSCHUTZGEBIETE; allerdings bewegten sich diese Ka-
tegorien ohnehin auf einem zahlenmäßig niedrigen Niveau.
43
0
5
10
15
20
25
Küste, Meer, Watt und
Wasser
Pflanzen und Tiere
Unberührt, Unbebaut und
Sauber
Landschaft(en)
Ruhe und Erholungsraum
Gute Luft und Wetter
Meine Um-Welt
(Natur)Schutzgebiete
%
unter 20 Jahre alt
20-35 Jahre alt
36-50 Jahre alt
51-65 Jahre alt
ab 66 Jahre alt
Abb. 15: Prozentuale Verteilung der Antworten nach Altersgruppen zu der Frage „Was
ist für Sie Natur“; ausgewählte Kategorien
Auffällig ist auch die Gruppe der 36-50jährigen, die meist die K
ÜSTE,
MEER, WATT UND WASSER als Natur bezeichneten (21%). Die beiden an-
deren großen Kategorien P
FLANZEN UND TIERE (14%) sowie UNBERÜHRT,
UNBEBAUT UND SAUBER
(8%) waren unterdurchschnittlich vertreten. Für
diese Altersgruppe zeichnet sich Natur durch die R
UHE UND ERHOLUNG
aus. Dies weist wohl weniger auf eine strenge Definition von Natur als
auf die Nutzung der Natur hin: als Ort, an dem die Werktätigen sich
erholen können.
Zwei weitere Auffälligkeiten seien angemerkt: Die 51-65jährigen be-
zeichneten überdurchschnittlich häufig die GUTE LUFT UND DAS WETTER als
Natur. Für diese Gruppe stellt die Natur mit der „frischen, gesunden
44
Ja
79%
Nein
18%
k.A.
3%
Luft“ eine Lebensqualität dar, die sich deutlich von der Stadt abhebt
und gleichzeitig der Gesundheit zuträglich ist: Die drastische Aussage
„nicht von Stadtluft verseucht“ zeugt ebenso davon, wie die Antwort,
dass die Natur „gute Luft“ ist und – obwohl in dieser Frage nicht nach
einem Ortsbezug gefragt wurde – der Zusatz geliefert wird: „Dies hier
ist ja fast ein Luftkurort!“
Die zweite Auffälligkeit stellen die über 66jährigen in der Kategorie
MEINE UM-WELT dar. Zwar erhielt diese Kategorie insgesamt nur 5%
(109) der Nennungen. In der Gruppe der über 66jährigen liegt sie aber
bei 8% - mehr als bei den anderen Altersstufen. Hier drückt sich even-
tuell ein stärkerer Bezug auf die kleinräumige, nähere Umgebung aus,
die sich schon in der Frage nach dem „Wo“ der Heimat andeutete.
U
MWELTZERSTÖRUNG UND UMWELTSCHUTZ
Zum Schutz der natürlichen Umwelt trägt der Bürger nach eigenem
Bekunden im privaten Bereich bei (vgl. Kapitel 2). Auf politischer Ebene
stellt die Errichtung von Schutzgebieten eine weitere Möglichkeit dar.
Die deutsche Nordseeküstenregion verfügt über drei Wattenmeernatio-
nalparke (Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein) und zahlreiche
Schutzgebiete. Nachdem also die Natur beschrieben wurde, wollten wir
von den Befragten wissen, ob sie „…den Gedanken unterstützen, dass
bestimmte Gebiete vor menschlicher Nutzung geschützt/geschlossen
werden.“ Darüber herrscht große Einigkeit: 79% (685) antworteten mit
„
JA“, lediglich 18% (152) mit „NEIN“ und 3% (25) konnten oder wollten
keine Angabe zu dieser Frage machen (vgl. Abb. 16).
Abb. 16: Unterstützen Sie den Gedanken, dass bestimmte Gebiete vor menschlicher
Nutzung geschützt/abgeschlossen werden? (N = 862)
45
Zerstört
10%
Teilweise zerstört
69%
Nicht zerstört
18%
k.A.
3%
Unterschiede zwischen den Bundesländern konnten nicht festgestellt
werden: In Niedersachsen unterstützten 82% (362 von 441) und in
Schleswig-Holstein 77% (323 von 421) der Befragten den Schutz von
Gebieten. Obwohl Naturschutzgebiete in der Befragung bisher kaum
Erwähnung fanden, scheinen sie als Mittel zur Bewahrung der Natur
akzeptiert zu sein.
Wichtig für die vorliegende Studie war es zu erfahren, wie die Befrag-
ten den Zustand ihrer eigenen Lebensumwelt einschätzen. Denn egal,
welches Bild von Natur vorherrscht, eine ökologisch verträgliche und
nachhaltige Entwicklung mit einem integrierten Umweltschutzgedanken
wird nur dann praktisch mitgetragen, wenn ein entsprechendes Prob-
lembewusstsein in der Bevölkerung vorhanden ist. Während 10% (84)
der Befragten ihre natürliche Umwelt als
ZERSTÖRT ansahen, gaben 18%
(153) der Befragten an, dass ihre Umwelt
NICHT ZERSTÖRT sei. Mit 69%
(600) ging der prozentual größte Anteil aber davon aus, dass ihre Um-
welt zumindest
TEILWEISE ZERSTÖRT ist. 3% (25) konnten dazu keine
Angabe machen (vgl. Abb. 17).
Abb. 17: Bewerten Sie bitte folgende Aussage: Die natürliche Umwelt ist: … (N = 862)
3.2 Umweltprobleme an der Küste
Umweltprobleme sind für den Menschen oft nicht direkt erkennbar,
obwohl sie meist von ihm selbst verursacht werden. Sie sind besonders
schwerwiegend, wenn sie unumkehrbare Umweltschäden zur Folge
haben. Sie werden für den Menschen häufig erst dann relevant, wenn
46
Müll, Abwasser und
Luftverschmutzung
21%
Veränderungen im
Klimasystem
17%
Belastung durch Verkehr
16%
Extremereignisse und
Umweltkatastrophen
9%
Nutzung konventioneller
Energien
7%
Belastung durch Land- und
Fischwirtschaft
7%
Nutzung regenerativer
Energien
5%
Veränderungen von
Naturraum und
Wattenmeer
3%
Ressourcenverknappung
3%
Sonstiges
11%
k.A.
1%
sie für ihn im Alltag als Umweltschäden spürbar sind und sein Leben
beeinflussen.
Auf die Frage „Gibt es Umweltprobleme, die einen direkten Einfluss auf
Ihr tägliches Leben haben?“ antworteten 33% (280) mit „
JA“ und 66%
(570) mit „
NEIN“. Dies ist ein interessantes Ergebnis: Obwohl die Mehr-
heit die natürliche Umwelt als teilweise zerstört bzw. zerstört wahr-
nimmt, ist die persönliche Betroffenheit der Befragten bei
Umweltproblemen gering. Demzufolge scheint die Zerstörung der na-
türlichen Umwelt zwar größtenteils als solche wahrgenommen zu wer-
den, sie beeinflusst aber für 2 von 3 Befragten nicht ihren Alltag. Die
Zerstörung der natürlichen Umwelt scheint keinen direkten Einfluss auf
alltägliche Umweltprobleme des Einzelnen zu haben.
Auf dieser Grundlage interessierte auch, welche Umweltprobleme einen
direkten Einfluss auf das tägliche Leben der Befragten ausüben. Die
Abbildung 18 stellt die Antworten nur für diejenigen Befragten dar, die
zu den bejahenden 33% gehören.
Abb. 18: Gibt es Umweltprobleme, die einen direkten Einfluss auf Ihr tägliches Leben
haben? (n = 377; Mehrfachnennungen möglich)
Die häufigsten Antworten auf diese Fragen konnten in den drei Katego-
rien M
ÜLL, ABWASSER UND LUFTVERSCHMUTZUNG, VERÄNDERUNGEN IM
KLIMASYSTEM und BELASTUNG DURCH VERKEHR zusammengefasst werden.
M
ÜLL, ABWASSER UND LUFTVERSCHMUTZUNG ist mit 21% (79) die größte
Kategorie. Auch bei den hier zusammengefassten Umweltproblemen
47
wird der Küstenbezug immer wieder deutlich in Anmerkungen wie „Müll
/ Teer am Strand, der angeschwemmt wird“ oder die Tatsache, dass
„viel Müll, Säure etc. in der Nordsee verklappt wird“. Einige Befragte
stellten einen Bezug zwischen der Verschmutzung und dem Tourismus
her: aufgrund der vielen Touristen sei „das Müllproblem auf der Insel
größer als auf dem Festland“.
17% (65) gaben zu verstehen, dass V
ERÄNDERUNGEN IM KLIMASYSTEM ein
für sie wichtiges Umweltproblem seien. Nennungen wie „extreme
Wetterveränderungen“, „mehr gefühlte Niederschläge“, „der Meeres-
spiegel steigt immer mehr“ und „es gibt keinen Jahreswechsel mehr“
lassen deutlich erkennen, dass einige Befragte eine Veränderung des
Klimas wahrnehmen und dies als Umweltproblem identifizieren. Auf die
Frage, wie groß die Bedrohung durch den Klimawandel eingeschätzt
wird, wird im folgenden Kapitel 4 unter dem Abschnitt Gefahren und
Gefahrenwahrnehmung noch näher eingegangen.
B
ELASTUNGEN DURCH VERKEHR werden als das drittgrößte Umweltproblem
(16%, 62) mit direktem Einfluss auf den Alltag wahrgenommen. Unter
Verkehr wurden hier sämtliche Transportmittel zusammengefasst, so
dass die Antworten von „zunehmender Straßenverkehr“ über „Flug-
zeuglärm“ bis hin zu „mehr Schiffsverkehr aufgrund der Elbvertiefung“
reichen.
Während diese drei größten Kategorien gemeinsam über die Hälfte aller
Antworten ausmachen, gibt es sieben kleine Kategorien, die zwischen
3% und 11% der Antworten repräsentieren. So fallen 9% (34) der
Nennungen, die Umweltprobleme mit Einfluss auf das tägliche Leben
angeben, in die Kategorie E
XTREMEREIGNISSE UND UMWELTKATASTROPHEN.
Die gegebenen Antworten variieren jedoch innerhalb dieser Kategorie
sehr stark: „es ist zu trocken“ findet sich hier genauso wie „lang an-
haltender Regen“. Neben Problemen, die den Menschen direkt betref-
fen, wie „Ölverschmutzung“ und „Schiffsunglücke“, finden sich darunter
auch den Menschen nur indirekt betreffende Umweltprobleme wie
„Seehundsterben“ und „Algenblüte“. Nicht zuletzt zeigt sich innerhalb
dieser Kategorie ein weiteres Mal der Bezug zum Meer und der Küsten-
zone: „Sturmfluten“, „Überschwemmungen“ und „Dünenerosion“ wur-
den ebenso häufig genannt.
Der Einfluss der N
UTZUNG KONVENTIONELLER ENERGIEN (7%, 28) auf den
Alltag wurde zum Beispiel begründet durch den „erhöhten CO
2
Ausstoß
fossiler Energieträger“ und das „geplante Kohlekraftwerk in Wilhelms-
haven“ sowie „die Kontamination durch nukleare Energiegewinnung“.
Demgegenüber steht die Kategorie N
UTZUNG REGENERATIVER ENERGIEN,
die noch von 5% (18) als Umweltproblem mit direktem Einfluss auf das
tägliche Leben gesehen wird. Dies ist insofern interessant, als dass
48
Ärgernis oder gesteigerter
Arbeitsaufwand
13%
Ängste und Unsicherheit
13%
Beeinträchtigung der
Lebensqualität
12%
Lärm- und
Geruchsbelästigung
11%
Finanzielle Auswirkungen
11%
Veränderung des
Lebensraums
11%
Gesundheitliche Folgen
10%
Anpassung der
Lebensgewohnheiten
5%
Sonstiges
13%
k.A.
1%
wahrscheinlich keiner der Befragten den Beitrag regenerativer Energie
zum Klimaschutz als einen Teil des Umweltschutzes leugnen würde. An
diesem Beispiel werden die opponierenden Interessen von Umwelt- und
Naturschutz deutlich: diese Antwortkategorie zeigt offensichtlich, dass
beim Thema regenerative Energie nicht vereinbare Interessen zwischen
Umwelt- und Naturschutz gegeben sind. Innerhalb der Kategorie wurde
fast ausschließlich die Windkraft angeführt.
B
EEINFLUSSUNG DES ALLTAGS DURCH UMWELTPROBLEME
Auf die Frage „Wie werden Sie von diesen Umweltproblemen beein-
flusst?“ wurde überaus vielfältig und differenziert geantwortet, was
eine Kategorisierung der Antworten sehr erschwerte. Insgesamt wur-
den die Antworten zu 11 Kategorien zusammengefasst, die im Hinblick
auf ihren prozentualen Anteil nur geringfügig variieren (vgl. Abb. 19).
Abb. 19: Wie werden Sie von diesen Umweltproblemen beeinflusst?
(n = 303; Mehrfachnennungen möglich)
Mit 13% (39) wurden Antworten der Kategorie Ä
RGERNIS ODER
GESTEIGERTER
ARBEITSAUFWAND an erster Stelle genannt. Angaben wie
„Die Nachbarin versprüht Gift im Garten gegen Bienen und Wespen“,
„Ärgern über Müll in der Natur“ oder „Müll auf der Strasse“ deuten auf
49
die hohe Relevanz dieser Thematik hin. Hier zeigt sich eine Überein-
stimmung zu den Antworten auf die Frage „Gibt es Umweltprobleme,
die einen direkten Einfluss auf Ihr tägliches Leben haben?“, bei der
21% auf die Kategorie M
ÜLL, ABWASSER UND LUFTVERSCHMUTZUNG entfallen
und damit ebenfalls die am häufigsten genannten Antworten sind. Die
Antworten „in Glasscherben treten“ oder „der Hund tritt in Teer“ zei-
gen, dass die Beeinflussungen durch Umweltprobleme in dieser Katego-
rie primär als menschengemacht und weniger als naturbedingt
empfunden werden. Interessanterweise findet sich unter den Antworten
auch die „Landschaftsbildbeeinträchtigung durch Windräder“, was bei
der vorhergehenden Frage nach der Art der Umweltprobleme lediglich
die siebthäufigste Antwortkategorie (N
UTZUNG REGENERATIVER ENERGIEN)
darstellt.
An zweiter Stelle stehen Antworten der Kategorie Ä
NGSTE UND
UNSICHERHEIT (13%, 38). Dabei konnten zwei Hauptströmunge