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2002: Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen in der Jugendhilfe des beginnenden 20. Jahrhunderts. Eine Revision sozialpädagogischer Thesen und Begriffe

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Abstract

Materiale Basis der hier angestellten Überlegungen ist zum einen der Kinder- und Jugendhilfediskurs in der deutschsprachigen Schweiz zwischen 1900 und 1940 und zum anderen eine Auswahl von Jugendfürsorgefällen, die sich über den Zugriff der Kinder- und Jugendfürsorge in die Geschichte eingeschrieben haben. Zu Beginn meiner Nachforschungen, von denen hier Auszüge vorgestellt werden, hatte sich mein Erkenntnisinteresse ausschließlich auf die „verwahrlosten“ Kinder gerichtet. Im Verlaufe der Abschrift der Aktenstücke wurde indes deutlich, dass dieser aufwendige und im Hinblick auf das deklarierte Ziel ineffiziente administrative Apparat weitere Funktionen erfüllen musste, als nur diejenige der Kontrolle und Erziehung der „Verwahrlosten“: Diese gab lediglich die Ausgangs- und Legitimationsbasis für sehr viel umfassendere und weitreichendere Technologien der Führung der Menschen und der Regierung des Sozialen ab, die sich sowohl von der pädagogischen Führung der Seelen als auch von der sozialstaatlichen „Lösung“ der sozialen Frage unterschieden. Im Verlaufe der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts weitete sich der Fokus der Kinder- und Jugendfürsorge von den verwahrlosten Individuen auf die gesamte Bevölkerung aus und das Phänomen der „Verwahrlosung“ bildete ein wichtiges Scharnier zwischen zwei Regierungsformen: Die Verwahrlosung repräsentierte ein individuelles Verhalten, das disziplinierende Eingriffe erzwang und verwies zugleich auf eine Pathologie des Sozialen, die bevölkerungsregulierende Strategien erforderte, welche sich über die „Jugendwohlfahrtspflege“ ausdehnen konnten. Diese sollte sich, im Gegensatz zur Jugendfürsorge, allen annehmen und nicht mehr nur den „Verwahrlosten“, „Perversen“ und „Degenerierten“: „Bringt die Jugendfürsorge einen gewissen Ausgleich dadurch, dass für ihre Erziehungsobjekte besondere Maßnahmen der Vorbeugung oder der Heilung ergriffen werden, so weist die Jugendwohlfahrtspflege immer und immer wieder darauf hin, dass die grössern Aufwendungen für die Anormalen die Aufwendungen für die Normalen nicht beeinträchtigen dürfen.“ Zielten die Jugendfürsorgebestrebungen auf die Behandlung der „verwahrlosten“ Individuen, entwickelten sich in der anders angelegten und begründeten Jugendwohlfahrtspflege bzw. der Jugendhilfe neue Formen der Subjektivierung und Vergesellschaftung, die für das Verständnis der Sozialarbeit und Sozialpädagogik eine entscheidende Bedeutung haben. Schreibt man, wie dies die deutsche Geschichtsschreibung hauptsächlich unternahm, die Geschichte der Kinder- und Jugendhilfe nämlich als Geschichte der Fürsorgeerziehung und der Fürsorge für die „Verwahrlosten“ und „Degenerierten“ – des offensichtlich ungeliebten Kernbereichs der Sozialpädagogik – dann produziert diese Geschichtsschreibung automatisch eine Geschichte der Unterdrückung und Disziplinierung, eine Geschichte der Steigerung und Ausnutzung der Arbeitskraft und man muss folgerichtig davon ausgehen, dass die Kontrolle und Erziehung der armen Klassen am drakonischsten und gründlichsten war, und dass der arme, gefährdete, verwahrloste, männliche Unterschichtjugendliche, dessen Kräfte man steigern und für den Arbeitsmarkt bündeln wollte, die Hauptzielscheibe der Fürsorge bildete. Die Konzentration der deutschen sozialpädagogischen Forschung auf die Bearbeitung der „Verwahrlosten“, verpasst die im Feld der Kinder- und Jugendhilfe sich entwickelnde Rationalität und bestätigt folgerichtig immer wieder die oben erwähnte Hypothese der Repression. Es werden zunächst die rekonstruierten Differenzen zu den Ergebnissen der auf Deutschland fokussierten Forschung dargelegt (Kapitel 2). Anschließend mache ich am Phänomen der „Verwahrlosung“ deutlich, dass sich zu Beginn des 20. Jahr-hunderts neue Formen der Regulierung des Sozialen herausgebildet haben und markiere die Anschlussstellen für eine sozialpädagogische/sozialarbeiterische Theoriebildung (Kapitel 3). Dabei wird zugleich verdeutlicht, dass das Verständnis der Sozialen Arbeit m. E. nur über die für die Rationalisierungsbestrebungen konstitutive Verschränkung sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Traditionslinien erlangt werden kann.
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Die Herousbildung neuer Steuerungsformen des
Soziolen
in der Jugendhilfe des beginnenden 20' Jahrhunderts' Eine Revision
sozialpädagogischer Thesen und Begriffe
Elena Wilhelm
Vgl.Wilhelm200l.DieFällewurdenzwischenlg08undlg23angelegtundreichenbisins
Jahr 1934.
l.t*"i=iir.t" Gesellschaft für schulgesundheitspflege 1914, 5. 231f.
l. Einleitung
Materiale Basis der hier angestellten Überlegungen ist zum einen der Kinder-
und Jugendhilfediskurs in der deutschsprachigen Schweiz zwischen 1900 und
1g40 und zum anderen eine Auswahl von Jugendfürsorgefällen, die sich über
den Zugriff der Kinder- und Jugendfürsorge in die Geschichte eingeschrieben
haben.i Zu Beginn meiner Nachforschungen, von denen hier Auszüge vorge-
stellt werden, hatte sich mein Erkenntnisinteresse ausschliesslich auf die «ver-
wahrlosten»Kindergerichtet'lmVerlaufederAbschriftderAktenstückewur-
deindesdeutlich,dassdieseraufwändigeundimHinblickaufdasdeklarierte
ZielineffizienteadministrativeApparatweitereFunktionenerfüllenmussteals
nurdiejenigederKontrolleundErziehungder«Verwahrlosten»:Diesegable-
diglich die Ausgangs- und Legitimationsbasis für sehr viel umfassendere und
weitreichendere Technologien der Führung der Menschen und der Regierung
des soziaren ab, die sich sowohr von der pädagogischen Führung der seelen als
auch von der sozialstaatlichen «Lösung» der sozialen Frage unterschieden. rm
VerlaufedererstendreiJahrzehntedes20.JahrhundertsWeitetesichderFokus
derKinder-undJugendfürsorgevondenverwahrlostenlndividuenaufdiege-
samte BevÖlkerung aus und das Phänomen der «Verwahrlosung» bildete ein
wichtiges Scharnier zwischen zwei Regierungsformen: Die Verwahrlosung re-
präsentierte ein individuelles Verhalten, das disziplinierende Eingriffe erzwang
undverwieszugleichaufeinePathologiedesSozialen,diebevölkerungsregu-
lierende strategien erforderte, welche sich über die «Jugendwohlfahrtspflege»
ausdehnen konnten. Diese sollte sich, im Gegensatz zur Jugendfürsorge' allen
annehmenundnichtmehrnurden«Verwahrlosten»,<<Perversen>rund«Dege.
nerierten»:«BringtdieJugendfürsorgeeinengewissenAusgleichdadurch'dass
für ihre Erziehungsobiekte besondere Massnahmen der Vorbeugung oder der
Heilung ergriffen werden, so weist die Jugendwohlfahrtspflege immer und im-
mer wieder darauf hin, dass die grössern Aufwendungen für die An-ormalen die
Aufwendungen für die Normalen nicht beeinträchtigen dürfen.»2 Zielten die
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J ugendf ürsorgebestrebungen auf die Behand lung der «verwahrlosten » lndivi-
duen, entwickelten sich in der anders angelegten und begründeten Jugend-
wohlfahrtspflege bzw. der Jugendhilfe3 neue Formen der subjektivierung und
Vergesellschaftung, die für das verständnis der sozialarbeit und sozialpädago-
gik eine entscheidende Bedeutung haben. schreibt man, wie dies die deutsche
Geschichtsschreibung hauptsächlich unternahm, die Geschichte der Kinder-
und Jugendhilfe nämlich als Geschichte der Fürsorgeerziehung und der Für-
sorge für die «Verwahrlosten» und «Degenerierten» - des offensichtlich unge-
liebten Kernbereichs der sozialpädagogika -, dann produziert diese Geschichts-
schreibung automatisch eine Geschichte der unterdrückung und Disziplinie-
rung, eine Geschichte der Steigerung und Ausnutzung der Arbeitskraft und
man muss folgerichtig davon ausgehen, dass die Kontrolle und Erziehung der
armen Klassen am drakonischsten und gründlichsten waren, und dass der arme,
gefährdete. verwahrloste, männliche unterschichtjugendliche, dessen Kräfte
man steigern und für den Arbeitsmarkt bündeln wollte, die Hauptzielscheibe
der Fürsorge bildete.s Die Konzentration der deutschen sozialpädagogischen
Forschung auf die Bearbeitung der «Verwahrlosten» verpasst die im Feld der
Kinder- und Jugendhilfe sich entwickelnde Rationalität und bestätigt folgerich-
tig immer wieder die oben erwähnte Hypothese der Repression.
Es werden zunächst die rekonstruierten Differenzen zu den Ergebnissen der
auf Deutschland fokussierten Forschung dargelegt (Kapitel 2). Anschliessend
mache ich am Phänomen der «Verwahrlosung» deutlich, dass sich zu Beginn
des 20. Jahrhunderts neue Formen der Regulierung des sozialen herausgebil-
det haben und markiere die Anschlussstellen für eine sozialpädagogische/sozi-
alarbeiterische Theoriebildung (Kapitel 3). Dabei wird zugleich verdeutlicht,
dass das Verständnis der Sozialen Arbeit m. E. nur über die für die Rationalisie-
rungsbestrebungen konstitutive Verschränkung sozialpädagogischer und so-
zialarbeiterischer Traditionslinien erlangt werden kann.
Der Begriff der Jugendwohlfahrtspflege war den schweizern zu kompliziert, weshalb man
sich auf denjenigen der Jugendhilfe einigte (vgl. Briner 1923, S. 131).
Vgl. Peukert 1986, S.28; vgl. Gräser 1995, S. l2 und 14.
Vgl. z. B. Gräser 1995.
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Elena Wilhelm
2. Die Geschichte der Kinder- und Jugendhilfe in der schweiz in ihren
Differenzen zu der deutschen wqhrnehmung und wirklichkeit. oder:
Zur Notwendigkeit einer sfqots- und erziehungstheoretischen Begrün'
dung der Soziolen Arbeit
2.lDieDistanzderPädagogikzurKinder.undJugendhilfeundder
fehlende sozialpädagogische Theoriezusammenhang in der Schweiz
Das Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe umfasste in der schweiz des beginnen-
den 20. Jahrhunderts eine diskursive und nicht-diskursive Praxis, an der sich
Psychiater,sozial.undRassenhygieniker,Gerichtsmediziner,Kinderärzte,
Zahnärzte, Schulärzte, orthopäden, Richter, Jugend- und Staatsanwälte, straf-
und Zivilrechtsprofessoren, Kriminalisten, Ökonomen, Politiker, ffarrer, Psy-
chologen,Pädagogen,Lehrer,Erzieher,Kindergärtnerinnen'Krankenschwes-
tern, polizeiassistentinnen und - wie wilhelm Feld sie nannte - «wohlfahrts-
sporttreibende Damenrs beteiligten. Dies war auch in Deutschland der Fall. Ei-
ne Auszählung der gesamtschweizerischen und zürcherischen Kurse und Kon-
gresse auf dem Gebiete der Kinder- und Jugendhilfe zwischen 1908 und 1937
verdeutlicht aber exemplarisch, dass die Pädagogen und Pädagoginnen (wor-
unter ich die Pädagogen und Philosophen im universitären umfeld sowie die
Lehrer-/innen, Erzieher und Kindergärtnerinnen fasse), im Vergleich zu den
Männern und Frauen aus den anderen beteiligten Bereichen aus Wissenschaft,
politik und beruflicher Praxis, mit 18.2% deutlich untervertreten waren, wobei
die Erzieher unter den Pädagogen durch ihre geringe Präsenz mit2-4o/o auffal-
len.7
Feld 1922.
Vgl. Tabelle l.
6
7
E
Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen 41
Tabelle 1: Verteilung der Referentinnen und Referenten nach Disziplinen und
Arbeitsbereichen
1 = Stadträte, Grossräte, Regierungsräte, Nationalräte, Bundesräte; 2 = I Redaktor, 1 Ge-
werbesekretär, 2 Adjunkte; 3 = vorwiegend Vorsitzende von privaten Vereinen sowie ln-
spektoren/lnspektorinnen ohne Ausbildung oder ohne eruierbare Ausbildung (1 5 Frauen
und 7 Männer). Bei den Zahlen handelt es sich nicht um personen, sondern um Referate.
Personen, die im Rahmen eines Kurses zwei Referate hielten, sind demnach doppelt ge-
zählt.
Die geringe Bedeutung der Pädagogik in der Ausgestaltung der Kinder- und
Jugendfürsorge in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zeigt sich
nicht nur auf der Ebene des Diskurses, sondern beispielsweise auch in den Ge-
suchen um die Aufnahme von Vorlesungen in Fürsorge und wohlfahrtspflege
an den Universitäten, die jeweils an die staatswissenschaftliche und nicht an die
philosophische Fakultät eingereicht wurden.8 ln expliziter Abgrenzung zu den
Ansichten und Forderungen Herman Nohls und Eduard sprangers - die die Für-
sorge an die Pädagogik gekoppelt haben wollten, an die «neue pädagogik, die
begriffen hat, dass sie mehr ist als Schulpädagogik, und die ganze Ausdehnung
ihres Arbeitsfeldes vor sich sieht»e - wurde in der Schweiz für eine Für-
sorgewissenschaft als «selbständige Disziplin der Gesellschaftswissenschaften»
plädiert, da die «sozialwissenschaftliche Erkenntnis der funktionellen Bedeu-
tung der Fürsorge» die wichtigste voraussetzung fürsorgerischen Handelns
sei.10 Es erstaunt deshalb auch nicht, dass der Begrlff «Sozialpädagogik» im
deutschschweizerischen Diskurs bis 1930 kaum vorkommt 11 und er nur zweimal
über die Verwendung reiner Begrifflichkeit auch dem Versuch einer «Begriffs-
bestimmung» zugeführt wurde: Zum einen von Heinrich Hiestand, einem eh-
maligen Lehrer und vorsteher des Kinderfürsorgeamtes der stadt Zürich, der
Das erste Gesuch wurde 1908, das zweite Gesuche 1922 eingereicht (vgl. wild 1924, s.2ozft.).
Nohl 1924, S.6; zitiert in: Feld 1925, S.494.
Vgl. Feld 1925. S.493ff.
Vgl. Schmid 1908, S.47; Hiestand 1908, S.648; Zollinger 1908, S. 687; Mühtethaler 1918, S. tS;
Knabenhans 1908, 5. 559; Tschudi 1907.
8
9
10
11
Medizin Recht Pädagogik Politikl I heo-
logie andere2 unbe-
kannt3 Total
Lehrer/-
innen,
Kinderg
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innen,
Semi-
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Privatdo-
zenten
Dr. phil.l.
Frau-
en Män-
ner
6't0 M203
9.3o/o 2.4o/o 2.40/o 4.1 0/o 17.8o/o 82.2o/o
73 68 45 19 16 422 247
29.6o/o 27.5o/o 18.2o/o 6.5o/o 1 .60/o 8.9o/o 100%
23
Elena Wilhelm
Sozialpädagogik mit Rücksicht auf das Ziel der Erziehung in einen bewussten
Gegensatz zur lndividualpädagogik stellte. 12 Die Sozialpädagogik habe die ln-
teressen der Gemeinschaft gegenüber den individuellen lnteressen in den Vor-
dergrund zu rücken. Das individuelle Glück könne nur solange gefördert wer-
den, als dieses dem Wohl der Gesamtheit nicht zuwiderlaufe. Die Erziehung ha-
be deshalb zwei Aufgaben: sie müsse individualisieren aber sozial erziehen, sie
müsse tüchtige Menschen und gute Bürger heranziehen. Das Recht der Einzel-
nen bleibe dabei den Bedürfnissen des Ganzen untergeordnet. l3 Die zentrale
Frage war, wie sich die Sorge für den Einzelnen mit der Sorge für die Gesamt-
heit vereinigen liesse, wobei der Sorge für die Gesamtheit Priorität zukommen
sollte. Genau diese Begriffsauslegung bot bereits im ersten zürcherischen Ju-
gendfürsorgekurs von 1908 die Plattform für eine Diskussion über die Versor-
gung und Vernichtung der Unerziehbaren und des «staatsbelastenden Men-
schenmaterials», die deshalb übrigens auch kaum als Strategie der Lösung der
Krise der Jugendfürsorge Ende der 2Oer-Jahre gelesen werden kann, wie dies
vergleichsweise Detlev Peukert und Marcus Gräser tun.14 Ebenso fragwürdig
scheint die diesbezügliche Deutung von Hans Thiersch und Thomas Rauschen-
bach, die Faschisten hätten der Fürsorge die Aufgabe der Rassenhygiene zuge-
wiesen.l5 Der rassenhygienische Diskurs hat sich im Kontext der Kinder- und Ju-
gendhilfe schon sehr viel früher manifestiert und ausgebreitet.
Zum anderen lag ein Diskussionsbeitrag von Robert Tschudi, einem Lehrer
aus Basel vor, der unter Sozialpädagogik jene Schulpädagogik verstanden ha-
ben wollte, die sich in ihrer Ausgestaltung von den sozialen Erkenntnissen be-
einflussen lässt, wobei er unter den sozialen Erkenntnissen das Wissen über die
Familienverhältnisse der Schülerinnen und Schüler verstand.
Damit lagen zwei unterschiedliche und auch nur sehr vage angedeutete
ldeen von Sozialpädagogik vor, die sich beide am Ansatz von Paul Natorp ori-
entierten: Bei Heinrich Hiestand handelte sich um eine «Sozialpädagogik
schlechtester Noterl6, wie Natorp selbst wohl gesagt hätte, die sich über die
ldee der Erziehung zur Gemeinschaft in die Gefahr begibt, die Erziehung zur
Sicherung der Machtstellung der Gewalthabenden zu missbrauchen. 17 Robert
Tschudi hingegen konzipierte eine Sozialpädagogik als Reflexion und Gestal-
tung der sozialen Bedingungen von Bildung, die jedoch voreilig von der Refle-
xion der Bildungsvoraussetzungen in die Frage nach der institutionellen Ausge-
staltung abgedriftet war. Das Konzept einer hermeneutisch-pragmatischen 5o-
zialpädagogik indes blieb in der Schweiz gänzlich unbekannt bzw. undisku-
l2 Vgl. Hiestand 1908, S.648.
13 Vgl. Op. cit., 5. ilg.
14 Vgl. Peukert 1986; Gräser 1995, S. 14f.
15 Vgl. Thiersch/Rauschenbach 1987, S.998.
16 Natorp 1925, S. 529.
17 Ebd..
I
Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen
tiert.
Hornsteins Diagnose, dass sich in der Kinder- und Jugendhirfe ars einem so-
zialpädagogischen Bereich auch noch andere Disziplinen «tummeln», t8 muss _
zumindest für die Verhältnisse in der schweiz und in historischer Betrachtung
- radikal umgedacht werden: schon eher tummerte sich hier die pädagogik in
einem Bereich, der überwiegend von anderen Disziprinen bzw. Berufen gestar-
tet wurde. was heute im Kontext der soziarpädagogik refrektiert wird, ist da-
mals also weniger aus der Erziehung bzw. der pädagogik hervorgegangen ars
aus vielfältigen disziprinären und berufrichen Zusammenhängen, in denen so-
wohl der Pädagogik ars Refrexion der Erziehungstatsache bzw. der Erziehungs-
wirklichkeit als auch der pädagogischen Handrungspraxis eine untergeordnete
Bedeutung zukam. rn der Mischzone des soziaren haben sich zahilose Linien
politischer organisation und rntervention überschnitten und verflochten. 19
Von einer sozialpädagogischen Tradition in der schweiz bzw. von einer ent_
scheidenden Rolle der pädagogik in der Ausgestartung der Kinder- und Ju-
gendhilfe kann also kaum gesprochen werden.
Der schweizerische Diskurs über die Kinder- und Jugendhilfe in den ersten
drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zeichnet sich im Allgemeinen durch eine
fehlende pädagogische Refrexion, durch eine geringe Beteirigung auf seiten
der Lehrer und Lehrerinnen sowie durch Desinteresse und orientierungsrosig-
keit auf seiten der Erzieher aus, die sich auch anhand der Verhandrungen des
Schweizerischen Armenerziehervereins aufzeigen lässt, in denen die Armener-
zieher ihre öffentliche Geringschätzung beklagten und ihre bis dahin verläss-
lichen Erziehungsprinzipien radikar in Frage gesteilt sahen: «Von den stiilen
und bescheidenen Anstaltserziehern, die seit alter zeit Jahrein und -aus in der
Kinderstube stehen und hinter dem ffruge gehen, redet kein Mensch.r20
Anders verhält sich der Gegenstand im Hinbrick auf das Konzept der sozia-
len Arbeit oder Sozialarbeit.
2.2 Zur überhöhten Bedeutung der beiden Deutungsmuster «<soziale
Mütterlichkeit» uncl ««soziale Hilfe»
«Soziale Hilfsarbeit» bezeichnete in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahr-
hunderts in der schweiz zunächst nichts anderes, als die unterstützung der Arz-
te, Psychiater, Hygieniker und Juristen in ihrer Arbeit auf dem Gebiete der Kin_
der- und Jugendhilfe durch freiwillig oder bezahlt sich betätigende bürgerriche
Frauen. Es sind die Jurisprudenz und die Medizin, die sich zu Beginn des
20. Jahrhunderts über die Kinder- und Jugendhilfe ausdehnen und sich ihren
Gehilfeapparat aufbauen konnten. Soziale Hilfsarbeit setzt eine soziale Arbeit
Hornstein 1998, S.49.
Vgl. dazu auch Deleuze/parnet 1980, S. 133-158
Fichter 1909, S. 22.
t8
19
20
43
Elena Wilhelm
voraus und als solche wurde die gesamte Tätigkeit auf dem Gebiete der Kinder-
und Jugendhilfe aufgefasst. Die Frauen konnten sich, wenn überhaupt, nur in
jenen Bereichen sozialer Arbeit eine nicht-zudienende Stellung verschaffen,
die im Vergleich mit den administrativen und medizinischen Apparaten der
Kinder- und Jugendhilfe eine untergeordnete Bedeutung einnahmen. Ein Bei-
spiel hierfür ist die Entstehung der Bezirksjugendsekretariate im Kanton Zürich
zu Beginn der 30er-Jahre. Parallel zu deren Bedeutungszuwachs bzw. deren
Definition als zentrale lnstitutionen der Jugendhilfe nimmt die Anzahl der in
ihnen tätigen Frauen (und Lehrer) ab, deren Rolle wieder auf eine zudienende
reduziert wird. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der dort beschäftigten Juristen,
Mediziner und Beamten wieder zu: «Je nach den Aufgaben, die im Bezirk im
Vordergrund standen, wurden Lehrer, z.T. vorerst im Nebenamt, oder Juristen
an diese Posten berufen. Später traten auch Gemeinde- und Bezirksbeamte in
die Reihe, und fürsorgerisch ausgebildete Frauen. In der letzten Zeit wurde die
Zahl der Juristen grösser, hauptsächlich im Hinblick auf die immer zahlreicher
werdenden amtsvormundschaftlichen Geschäfte. Tüchtige, meist in der Sozia-
len Frauenschule Zürich ausgebildete Fürsorgerinnen ergänzen die Arbeit der
Sekretäre und Sekretärinnen aufs Wertvol lste. » 2l
Die Aussage von Rüdeger Baron und Rolf Landwehr, dass 1925 nur noch we-
nige Männer im Berufsfeld tätig gewesen seien - die zudem in der Regel ohne
Ausbildung und vorwiegend im lnnendienst zu finden waren 22 - erscheint nur
dann überhaupt sinnhaft und empirisch nicht völlig unhaltbar, wenn das so ge-
nannte «Berufsfeld», das von Landwehr/Baron nicht spezifiziert wird, auf die
soziale Hilfsarbeit eingeschränkt wird. Diese Einschränkung stellt aber ein
ebenso folgenreiches historisches Missverständnis für das Verständnis der Kin-
der- und Jugendhilfe dar, wie die darauf beruhende Diagnose, die deutsche 5o-
zialarbeit habe ihre Wurzeln in der bürgerlichen Frauenbewegung,23 Sozialar-
beit sei untrennbar mit einer spezifischen Vorstellung weiblicher Emanzipation
verknüpft und «soziale Mütterlichkeit» sei das dominante Handlungsmuster
der Frühphase sozialer Arbeit, weshalb wissenschaftlichkeit, Fachkompetenz
und Methodenbasis der «sozialen Mütterlichkeit» stets untergeordnet gewe-
sen seien.24 Das Konzept der «sozialen Mütterlichkeit» oder der «geistigen
Mütterlichkeit»2s wird damit als Erklärungsfigur misslungener Professionalisie-
rung missbraucht.
Dass die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als die grosse Zeit der
Selbstverwirklichung der Frau gedeutet werden,26 mag auch in Anbetracht der
Kantonales Jugendamt und Bezirksjugendkommissionen 1938, S. 7f'
Vgl. Baron/Landwehr 1989, S. 145'
Vgl. Sachsse 1993, S.40.
Vgl. Op. cit., S. 35f.
Sachsse I 986.
Vgl. Baron/Landwehr 1989,5. 149.
21
22
23
24
25
26
-
Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen
geringen Beteiligung der Frauen am Diskurs über die Kinder- und Jugendhilfe
erstaunen2T und ist wohl nur unter Berücksichtigung der Art der Evokation sol-
cher Deutungsmuster mit Hilfe der oral history verstehbar, da lnterviews mit
Pionierinnen meist eine verklärte und beschönigende Deutung der Vergangen-
heit aufweisen. Problematisch an diesem Vorgehen ist, dass Rüdeger Baron und
Rolf Landwehr die erzählten Lebensgeschichten der ehemaligen sozialarbeite-
rinnen mit den damaligen Deutungs- und Handlungsmustern in eins setzen. Ih-
re Stilisierung der selbstbewussten weiblichen Hilfstätigkeit, gedeutet als Ab-
wehr und Kritik männlich geprägter bürokratischer und repressiver Eingriffe,
stellt eine ldealisierung der weiblichen Rolle in der sozialen Arbeit dar. Die von
mir vorgelegte Anthologie zumindest verweist auf einen anderen bürgerlich-
weiblichen Habitus, der sich hinsichtlich der beruflichen Deutungs-, orientie-
rungs- und Handlungsmuster nicht entscheidend vom bürgerlich-männlichen
Habitus unterscheidet.2s Das Konzept «soziale Hilfe», das bereitwillig als para-
digma der sozialarbeit akzeptiert wird, bezeichnete also zunächst einmal nicht
das Verhältnis zwischen Fürsorgerinnen und ihren «objekten», sondern dasje-
nige zwischen Gehülfinnen und den in diesem Bereich tätigen Arzten und Juris-
ten. Der Begriff der «sozialen Hilfe» ist nicht geeignet, die Rationalisierungsbe-
strebungen auf dem Gebiete der Kinder- und Jugendhilfe und damit die Hand-
lungslogik der sozialen Arbeit zu Beginn des Jahrhunderts einzufangen. Auch
auf der Ebene der von mir untersuchten Handlungspraxis ist «soziale Hilfe»
nicht das relevante Orientierungs- und Handlungsmuster.
ln diesem Zusammenhang steht auch die Tatsache, dass die Entwicklung der
Kinder- und Jugendhilfe in der schweiz deutlicher von der <<inneren Mission»
bzw. von religiös-karitativen Bestrebungen abzugrenzen ist. Zwar gab es nach
wie vor unzählbare karitative Vereine. Diese dienten als «breit im sonnen-
schein der öffentlichen Meinung ausgelegtes Netz einer Kreuzspinne, in dessen
Maschen die Fliegen hängen bleiben. nämlich die Fälle, in welchen die Tätig-
keit der Spinne, nämlich der Aufsichtsbehörde, erforderlich wird. Diese ist mit
den Werkzeugen, nämlich den Kompetenzen, versehen, die erforderlich sind,
um das Entweichen der in die Maschen des Gewebes geratenen Fliege zu ver-
hindern. Die Stützpunkte, an welchen das Spinnengewebe aufgehängt ist, sind
die hier eingeschlagene Artikel des Z.G.B.»29 Kirche und caritas wurden instru-
mentalisiert und hatten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts keine
eigene steuerungsfunktion. Auf der diskursiven Ebene zeigt sich ihre geringfü-
gig Bedeutung beispielsweise an der unbedeutenden Beteiligung der Theolo-
gen und Pfarrer im Kontext der Kurse und Tagungen (G.5%).30 Erst Ende der
lm Rahmen der schweizerischen und zürcherischen Tagungen und Kongresse von 19og-1937
waren es 17.8o/o Frcuen (vgl" Tabelle 1).
Vgl. dazu Wilhelm 2002.
Beck 1912, S. 435.
Vgl. Tabelle 1.
27
28
29
30
Elena Wilhelm
Dreissigerjahre erhob sich an der Schweizerischen Landesausstellung erneut
das Bild einer karitativen und weiblichen Fürsorge.3l Die beratende Tätigkeit
im Kontext der rationalisierten, verstaatlichten Fürsorge hingegen wurde über
eine Photographie mit einem männlichen Fürsorger dargestellt. Über das Zu-
rückdrängen der Frau aus den zentralen und verstaatlichten Bereichen der Kin-
der- und Jugendhilfe wurde die verberuflichte soziale Arbeit in die Kirche und
in religiös-karitative Bestrebungen hineingetragen.
Diese, im Vergleich zu Deutschland, geringere Bedeutung von Religion und
Caritas für die Herausbildung der Kinder- und Jugendhilfe in den ersten drei
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts steht im Zusammenhang mit einer weiteren
wesentlichen Differenz zur Entwicklungsgeschichte in Deutschland, die sich
auch auf der Ebene der Handlungspraxis manifestiert:
2.3 Die folgenreiche Konzentration der deutschen Forschung auf die
Fürsorgeerziehung des männlichen Jugendlichen im Zeichen der
Sozialdisziplinierung
Während sich in Preussen der Anteil an Anstaltsversorgungen im Vergleich zum
Anteil an Familienplatzierungen zwischen 1901 und 1924 zwischen 50% und
50% bewegte,32 lag der Anteil an Anstaltsversorgungen in der Schweiz in die-
ser Zeit bei durchschnittlich knapp 2Oo/o.33 Diese Differenz spiegelt sich im im-
mer wieder und beinahe einheitlich von allen Beteiligten geäusserten Postulat,
die Familien- auf jeden Fall der Anstaltsversorgung vorzuziehen.3a Die Konzen-
tration der sozialpädagogischen Forschung auf die «Fürsorgeerziehungr 3s, der
in der deutschen Forschung eine paradigmatische Funktion für die Herausbil-
dung der gesamten modernen Jugendhilfe und Sozialpolitik zugeschrieben
wird,36 führte zu der starken Orientierung der Jugendhilfeforschung an Michel
Foucaults Konzept der «Disziplinargesellschaftenr3T oder an Gerhard Oest-
reichs Ansatz der «Sozialdisziplinierungr3s. Die These der Sozialdisziplinierung
dient nach wie vor nicht nur als Schlüsselkategorie der modernen Gesellschaft,
sondern auch als sozialpädagogische Leitkategorie, als disziplinäre Matrix und
als Zugangscode zur scientific und professional community. Dennoch wurde
das Konzept kaum näher spezifiziert, sondern, ganz im Gegenteil, mit anderen
Konzepten, wie denjenigen des «doppelten Mandates», der «sozialen Kontrol-
31 Vgl. Schweizerische Landesausstellung 1939, Band 1, S. 149.
32 Vgl.Peukertl936,S.S4l,Tabelle29.ErstinderWirtschaftskrisesinktderAnteil derAnstalts-
versorgungen unter 50, nie jedoch unter 40% (vgl. Op. cit., S. 340, Tabelle 28). Vgl. auch
Gräser 1995, S. 108. Bei ihm liegen die Zahlen von 1913-1932 zwischen M und 5oo/o.
Vgl. Wilhelm 2002.
Vgl. z. B. Zollinger 1906, S. 156; SchmidA/Vild 1900, S.5, 124.
Ein weiterer, im schweizerischen Diskurs der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts
nicht existierender Begriff .
36 Vgl. Peukert 1991, S.325.
37 Foucault 1991.
38 Oestreich 1969.
33
34
35
46
Elena Wilhelm
schichten, wobei auch Peukerts Relativierungsversuch der letztlich unverstan-
denen Thesea3 keinen neuen Verstehenshorizont eröffnet. Meine Befunde
stützen durchaus Peukerts Schlussfolgerung, dass die sozialdisziplinierungsthe-
se für die Erklärung der strukturlogik der Kinder- und Jugendhilfe der ersten
drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts unzureichend ist. Die Disziplinierungsthe-
se erfährt ihre Relativierung jedoch weder über die Handlungsspielräume der
Betroffenen, noch über die wirtschaftskrise, als vielmehr über sich neu entwi-
ckelnde Technologien der Führung der Menschen und der Regierung des sozia-
len. ob und hinsichtlich welcher Aspekte es sich bei dieser Differenz um eine
tatsächliche Differenz in der Entwicklung der Kinder- und Jugendfürsorge oder
um eine wahrnehmungsdifferenz aufgrund der Fokussierung der deutschen
Forschung auf die Fürsorgeerziehung des männlichen Jugendlichen handelt,
bleibt noch spezifischer zu überprüfen.
3. Neue Steuerungsformen des Soziolen im beginnenden
20. Johrhundert und Anknüpfungspunkfe für eine Theoretisierung
der Soziolen Arbeit
Über die Rationalisierung der Kinder- und Jugendfürsorge wurde in und aus-
gehend von der Kinder- und Jugendfürsorge nebst individualisierenden strate-
gien ein Arsenal von Verfahren zur Regulierung der gesamten Bevölkerung
entwickelt. Die Frage der Führung des Menschen und der Regulierung der Be-
völkerung wurde dabei in der schweiz nicht nur unter pädagogischen, sondern
sehr viel stärker unter gesellschaftlichen bzw. staatlichen prämissen aufgewor-
fen und problematisiert. Die sich in den ersten Jahrzehnten herausbildende Lo-
gik der Kinder- und Jugendfürsorge markiert demzufolge einen schritt von dis-
ziplinierenden und individualisierenden hin zu regulierenden und kollektivie-
renden Strategien, die auf die Lebensäusserungen einer gesamten Bevölke-
rung zielten. Dieser Prozess kann weder mit den sozialpädagogischen
Begriffen «Erziehung» und «Bildung» noch mit dem sozialarbeiterischen Be-
griff «soziale Hilfe» hinlänglich rekonstruiert und mit der These der päd-
agogisierung nicht zutreffend beschrieben werden. Das phänomen der «Ver-
wahrlosung» stellte ein wichtiges scharnier zwischen diesen beiden Regie-
rungs- und Menschenführungsformen dar, denn die Verwahrlosung bildete
zum einen ein individuelles Verhalten ab, das erzieherische und disziplinieren-
de Massnahmen erzwang und verwies zum anderen auf eine pathologie und
Degenerationserscheinung des sozialen, die bevölkerungsregulierende strate-
gien erforderlich machte. Die Verwahrlosung wurde sowohl zum lnterpreta-
tionsschema der Persönlichkeit als auch zum Dynamometer der Gesellschaft.
Über den venivahrlosungsdiskurs konnte die Frage des individuellen Zustandes
43 Vgl. ausführlicher dazu Wilhelm 2002.
Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen
mit der Frage nach dem Leben der Bevörkerung verbunden werden und damit
wurde das Wissen, das sich in der «Mischzone des Sozialen» um die Verwahrlo_
sung gebildet hatte, auch zu einem Einsatz für poritische rnterventionen.
Die strukturlogik dieses Feldes kann mit einer weiterentwicklung Michel Fou_
caults Begriff der Gouvernementalit6 beschrieben werden: Foucault versteht un-
ter Regierung die Gesamtheit der rnstitutionen und praktiken, mittels deren man
die Menschen lenkt, von der Verwartung bis zur Erziehung.4 Es handert sich da-
bei um verwickelte Kombinationen von rndividualisierungstechniken und Totali-
sierungsverfahren, wobei subjektivierungsprozesse und staatsbirdungsprozesse
immer unter einer einheitlichen perspektive untersucht werden. Regierung be-
inhaltet die unterschiedlichsten Formen der Führung von Menschen. Jenseits ei-
ner exklusiven politischen Bedeutung verweist der Begriff auf zahlreiche und
sehr unterschiedliche Handlungsformen und praxisfelder, die in vielfältiger wei-
se auf die Lenkung und Leitung von rndividuen und Kollektiven zielen. aJ Die se-
mantische Verbindung von Regieren/Führen (gouverner) und Denkweise (men-
talit6) erlaubt es, die sozialen Beziehungen unter dem Blickwinkel der Führung
des Menschen zu analysieren. Dadurch müssen positive (Hirfe, unterstützung, Bir-
dung) und negative Konnotationen (Kontrolle, Disziplinierung) nicht vorab ein-
geführt, sondern jeweirs empirisch, und d.h. ferdbezogen neu erschrossen wer-
den. Die aktuellen sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Theoriebil-
dungsversuche erweisen sich auf der Grundlage der historischen selbstvergewis-
serung m.E. als allzu idealistische Konzipierungsversuche. Die schilderung der
sozialpädagogik als Vermittrung von Mündigkeit und Zurechnungsfähigkeit, die
Definition der sozialarbeit als wahrung der Menschenrechte oder als Hilfe zur
Lebensbewältigung beschreiben den soziarpädagogischen Traum und die soziar-
arbeiterische utopie. wir brauchen eine Theoretisierung des Ferdes und das
heisst wir brauchen Begriffe, mit denen die Komplexität und vieldeutigkeit der
Bearbeitung der «Mischzone des soziaren» erfasst werden kann. Die aktueilen
Abgrenzungsbemühungen zwischen sozia rarbeit und soziarpädagogik erschwe-
ren dabei die Rekonstruktion der Logik des Feldes. wenn Martin Graf die nicht
begründete und utopische vorsteilung hegt, die soziarpädagogik könne sich
über eine Loslösung von der soziararbeit gegenüber soziarstaatrichen vereinnah-
mungen abgrenzen,46 wenn sozialarbeitswissenschaftler/innen ihrerseits glau-
ben, sich über eine Loslösung von der sozialpädagogik von disziplinierenden und
individualisierenden strategien befreien zu können,47 dann werden damit die
Probleme der sozialen Arbeit zugespitzt und unrösbar gemacht. Die Abgren-
zungsbemühungen verhindern die Rekonstruktion der für die soziale Arbeit
Vgl. Foucault 1996, s. 1r8ff.; vgr. auch Lemke r997 und Bröckring/Krasmann/Lemke 2000.
Vgl. Foucault 1994, S.255.
Vgl. Graf 1995, S. 20t.
Vgl. dazu z. B. wagner .l995; Engelke 1995; Mühlum 1996; Müller/Gehrmann 1996; Erath/
Göppner 1996.
44
45
46
47
50 Elena Wilhelm
konstitutiven Verschränkung von sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen
Traditionslinien.
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... Jüngst erweiterten insbesondere an Michel Foucault ausgerichtete Arbeiten (z. B. Horlacher 2007;Kessl 2005;Wilhelm 2002) das breite Spektrum an Optionen, "Kritisches Forschen in der Sozialen Arbeit" (Schimpf und Stehr 2012) zu realisieren. Mit Foucault (2004) wurden außerdem Sicherheits-Themen wie Formen subtiler Überwachung, Steuerungen qua Eigenverantwortung, Regulationen von Bevölkerungsbewegungen usw. ...
Article
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Die Ergebnisse der historischen Jugendfürsorgeforschung scheinen sich zu widersprechen: Ist die Jugendfürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts angetreten, um die Unterschichten im Hinblick auf bürgerliche Verhaltensweisen zu disziplinieren? Waren ihre Adressaten und Adressatinnen passiv leidende Opfer? Oder waren ihre Objekte kämpferische Subjekte, die ihrerseits die Fürsorgeeinrichtungen kolonialisierten und disziplinierten und die Jugendfürsorge zum Umdenken zwangen? War es dieses Widerstandspotenzial der Betroffenen, das die Jugendfürsorge Ende der 20er Jahre in eine Krise trieb? Oder steuerte sie sich selbst mit ihrem konservativen, antimodernen Charakter in den Untergang? Oder war es die in ihr von Beginn an angelegte Ambivalenz, die in ihr angelegte Janusköpfigkeit der Moderne, die sie scheitern liess? Wie sinnvoll ist es überhaupt, die Geschichtsschreibung der Jugendfürsorge auf die Krise der Weimarer Republik anzulegen? Die folgenden Ausführungen resümieren und diskutieren den Forschungsstand auf der Grundlage einer eigenen Untersuchung zur Geschichte der Jugendfürsorge in der Schweiz. Dabei erweist sich die Frontstellung der Thesen als unfruchtbar, da sie eine differenzierte Analytik der Transformationen der Jugendfürsorge in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts behindert.
Article
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Kernstück der vorliegenden Arbeit bilden sieben Jugendfürsorgefälle aus dem Archivbestand der Amtsvormundschaft der Stadt Zürich, die sich über den Zugriff der "rationellen Jugendfürsorge" in die Geschichte eingeschrieben haben. Die fürsorgerischen Tätigkeiten haben sich in einer unüberschaubaren Masse von Dokumenten niedergeschlagen, die das Gedächtnis des gewöhnlichen Lebens bilden, für das im ausgehenden 19. Jahrhundert eine neue Regie entstand, die den Menschen das Gesicht der "Verwahrlosung" zuteilte. Von diesem Zeitpunkt an bezog sich soziale Ungleichheit nicht mehr auf den unterschiedlichen Gebrauch der Freiheit und Verantwortlichkeit, sondern markierte eine Differenz im Grad der Gesellschaftlichkeit, wobei der sozialen Arbeit die Aufgabe zukam, die Ursachen und Bedingungenn der Minderwertigkeit der Individuen erkennbar zu machen und die Rassenhygiene die Auswahl derjenigen treffen konnte, deren Förderung für das Gedeihen der Gesellschaft erwünscht war. Die Verwaltung und Frührung der "Verwahrlosung" bildete die Legitimationsbasis für umfassende Strategien und Technologien der Führung der Menschen und der Regierung des Sozialen. Über das Verwahrlosungsdispositiv konnte die Frage des individuellen Zustandes mit der Frage nach dem Leben der Bevölkerung verbunden werden und damit wurde das Wissen, das sich in der Mischzone des Sozialen um die "Verwahrlosung" gebildet hatte, zu einem Einsatz für politische Interventionen. In den neuen Fürsorgepraktiken zeigt sich nicht einfach das Verschwinden einer Machtform, wie Uwe Uhlendorff und Nadja Ramsauer unterstellen, sondern deren Transformation in eine andere. Was heute rückbildend als sozialpädagogische Praxis gefasst wird, ist in der Schweiz weniger aus der Pädagogik hervorgegangen, als aus einem Konglomerat disziplinärer und beruflicher Zusammenhänge, in denen der Pädagogik zunächst eine untergeordnete Rolle zukam. Die akademische Fundierung der sozialen Arbeit, ihre Konzeption als sekundäre Profession scheiterte und führte zur Verengung der sozialen Arbeit auf die soziale Hilfsarbeit und damit auch zu einer Überbewertung der Rolle der bürgerlichen Frau für die Herausbidlung der sozialen Arbeit.
Article
Layoutgetreuer Scan der 2., verb. und erw. Aufl. 1998
ii)nrnrch der schweizerischen Gesertschaft für _ . Sc h u I g es.u nd he i tspf te g i, p ü. q t g_tiEi
  • G Beck
  • Jugendgeriüt Zur Frage Der
Beck, G. «Zur Frage der Jugendgeriüt"'.ii)nrnrch der schweizerischen Gesertschaft für _. Sc h u I g es.u nd he i tspf te g i, p ü. q t g_tiEi.-"' -"' urrnel R. «Uber den Zweck des Kurses.r, Schweizerische Gesellschaft für Schulgesund-..h.e.i.tspflege: t. Zürcher tugendhilfekuri, Z._i.än.O er 1922, 126_131.
Anmerkungen zum streit über eine soziararbeitswissenschaft .r, s*iiiiii"it lwissenschaft
  • E Engelke
  • Soziare
Engelke, E. «soziare Arbeit ars *ir;";;;h-uftri;trä oisziprin. Anmerkungen zum streit über eine soziararbeitswissenschaft.r, s*iiiiii"it lwissenschaft. Neue chancen für theorie_ gereitete S0ziare Arbe-it' eunL. n. (äsöJ. ilrärni"i,,rrvr.nchen: Juventa, r 996. 63-82.
Hrsq.). weinheimlrvr t n.-fr"niilr"nr
  • Arbeit Puh T
Arbeit. puh t, R. (Hrsq.). weinheimlrvr t n.-fr"niilr"nr", 1 996. 1 87 _204.
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  • H I-Rchtei
  • Anstaltseiziehung Kinderschutz Und
I-rchtei H. «Kinderschutz und Anstaltseiziehung.» Verhandlungen des Schweizerischen _ Armenerzi.ehervereins, 1g}g. 224g. "';:ilitii*Jierwachen und strafe,i.' oie Geburt des Gefänsnisse-s. Frankfurt am Main:
Mündigreiiinä-säziare Anerkenn.ung. Geseilschafts_ und bitdungsi §?j:r,ä?: Besründunsen soziatpadi,iog'iliien uanäern-w;i
  • Martin Graf
  • Arbert
Graf, Martin Arbert. Mündigreiiinä-säziare Anerkenn.ung. Geseilschafts_ und bitdungsi §?j:r,ä?: Besründunsen soziatpadi,iog'iliien uanäern-w;i;Ä;;;,i,,,rinchen: ru-
rJnterschich-tsjugend und Jugendfürsorge in d e r we i m a re r Reoublk
  • M Gräser
  • Der Brockierte
  • Wohtfahrtsstaat
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Dle Jugendhirfe im Kanton zü_ zth' Bericht des kantonare" Jü;;;J;il;r"r"äa
  • Kantonales Jugendamt Und Bezirksjugendkommissionen
Kantonales Jugendamt und Bezirksjugendkommissionen. Dle Jugendhirfe im Kanton zü_ zth' Bericht des kantonare" Jü;;;J;il;r"r"äa", Bezirksjugendkommission über ._ das Jahr 1938. Weiss. Zürich, 193ä.
Eine Kritik der poritischen vernunft. Foucaurts Anaryse der modernen
  • Thomas Lemke
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