ChapterPDF Available

Medien in Transformation. Radikaler Wandel als schrittweise Rekonfiguration

Authors:
Ulrich Dolata
Jan-Felix Schrape (Hg.)
Internet, Mobile Devices
und die Transformation
der Medien
Radikaler Wandel
als schrittweise Rekonfiguration
Diese E-Book ist auch im Buchhandel oder beim Verlag
als gedrucktes Paperback erhältlich:
ISBN 978-3-8360-3588-0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8360-0088-8
© Copyright 2013 by edition sigma, Berlin.
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrecht-
lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts-
gesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt
insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Ein-
speicherung in elektronische Systeme.
Umschlagillustration: © THesIMPLIFY – Fotolia.com.
Inhalt
Vorwort 7
Medien in Transformation 9
Radikaler Wandel als schrittweise Rekonfiguration
Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
TEIL I: MEDIENSEKTOREN
Die Entwicklung von Macht- und Kapitalstrukturen in der 39
deutschen Medienwirtschaft
Gert Hautsch
Krise und Transformation der Musikindustrie 67
Ulrich Dolata
Nothing but the hit? 93
Pfadabhängige Kompetenzentwicklung und die Adaptions(un)fähigkeit
großer Tonträgerunternehmen
Kristian Kunow
Zwischen Kontinuität und Bruch 121
Der Wandel des deutschen Buchhandels
Jan-Felix Schrape
Der Wandel des wissenschaftlichen Publikationssystems 147
durch das Internet
Sektorale Transformation im Kontext institutioneller Rekonfiguration
Heidemarie Hanekop, Volker Wittke
TEIL II: MEDIENÖKONOMIE
Web, Wert und Arbeit 177
Sabine Pfeiffer
6
Der deutsche Mobile-Markt und die Suche nach Geschäftsmodellen 199
Thomas Döbler, Anna-Maria Wahl
Neue Architekturen der Wissenskreation? 227
Die Bedeutung räumlicher und sozialer Nähe in der Medienindustrie
Gerhard Fuchs
Zocken im Internet 251
Zur soziotechnischen Entwicklung der mediatisierten Glücksspielindustrie
am Beispiel des globalen Pokerbooms
Gerd Möll
TEIL III: MEDIENÖFFENTLICHKEIT
Komplementarität statt Konkurrenz 277
Social Media und Massenmedien in der gesellschaftlichen
Wirklichkeitskonstruktion
Jan-Felix Schrape
GuttenPlag-Wiki und Journalismus 303
Das Verhältnis eines neuen Medienakteurs im Social Web
zu den traditionellen Massenmedien
Julius Reimer, Max Ruppert
Im Netz der Selbstreferenz 331
Facebook-Kommunikation als Antwort auf die „Katastrophe“ des Internet
Sascha Dickel
Cyberscience 2.0 357
Das neue Web und die Wissenschaftskommunikation
René König
Autorinnen und Autoren 379
Vorwort
Die gesellschaftlichen Medienstrukturen werden in besonderer Weise durch die
neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im (mobilen) Web be-
rührt und verändert. Der weit überwiegende Teil der in den verschiedenen Me-
diensektoren produzierten Güter ist digitalisierbar, das Internet bzw. Mobile De-
vices sind ideale neue Träger ihrer Verbreitung und Datenkomprimierungsstan-
dards ermöglichen ihren problemlosen Up- bzw. Download. Die Online- und
Mobiltechnologien setzen klassische Mediensektoren wie die Musikindustrie,
den Buchhandel oder die Presse zum Teil massiv unter Druck. Sie stellen einge-
spielte Produktions- und Vertriebsweisen infrage, verlangen nach veränderten
Regeln und Geschäftsmodellen, fördern das Auftreten neuer Akteure und tragen
zum allgemeinen Strukturwandel der Öffentlichkeit bei.
Von daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Technologien seit den
1990er Jahren immer wieder als Projektionsfläche für weitreichende Erwartun-
gen an einen durch sie ausgelösten radikalen Umbruch der Medien dienten. All-
gegenwärtige Begriffe wie ‚Web 2.0‘, ‚Mitmachnetz‘, ‚New Economy‘, ‚Me-
dienrevolution‘ oder ‚neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ haben Vorstel-
lungen von einem ebenso einschneidenden wie schnellen Wandel der Medien
Vorschub geleistet, die als Visionen und Narrative zumeist allerdings in bemer-
kenswerter Weise empirisch unabgesichert geblieben sind.
In diesem Buch wird demgegenüber etwas unaufgeregter und empirisch ge-
erdet danach gefragt, in welchem Maße und auf welche Weise sich Mediensek-
toren, Medienökonomie und Medienöffentlichkeit durch das Internet und durch
Mobile Devices tatsächlich verändern: Wie tiefgreifend ist dieser Wandel und
welche Verlaufsformen nimmt er in verschiedenen Medienbereichen an? Wie
reagieren etablierte Akteure auf neue Herausforderungen und welche Rolle spie-
len neue Akteure in diesen Transformationsprozessen? Stehen ‚alte‘ und ‚neue‘
Öffentlichkeitsstrukturen in einem konkurrierenden oder in einem komplemen-
tären Verhältnis zueinander?
Der Band wird durch drei thematische Schwerpunkte strukturiert:
Mediensektoren: Im ersten Teil werden die durch Digitalisierung, Internet
und Mobile Devices angestoßenen Veränderungen und Transformationsdy-
namiken in ausgewählten Mediensektoren analysiert. Nach einem orientie-
renden Überblick über die deutsche Medienwirtschaft folgen Fallstudien
zum Wandel der Musikindustrie, des Buchhandels und des wissenschaftli-
chen Verlagswesens.
Medienökonomie: Der zweite Teil befasst sich mit Facetten des medieko-
nomischen Wandels. Die Beiträge dieses Schwerpunkts untersuchen Verän-
derungen in den Wertbildungs- und -realisierungsprozessen, die Strukturen
8
und Dynamiken des neuen Marktes für Mobile Devices, die Herausbildung
des Marktes für Glücksspiele im Internet sowie und den Wandel regionaler
Mediencluster.
Medienöffentlichkeit: Im Mittelpunkt des dritten Teils schließlich stehen
Verschiebungen in den medial vermittelten Öffentlichkeitsstrukturen. Dazu
werden das Verhältnis von Massenmedien und Social Media, das Zusam-
menspiel von klassischem Journalismus und investigativen Netzaktivitäten,
Kommunikationsstrukturen auf Social-Networking-Sites sowie neue For-
men der netzbasierten Wissenschaftskommunikation analysiert.
Der Grundtenor der Beiträge dieses Bandes ist, dass sich der in der Tat einschnei-
dende Wandel, der sich derzeit in den verschiedenen Mediensektoren und -be-
reichen vollzieht, nicht als radikaler Bruch in kurzer Frist fassen lässt, sondern
als schrittweiser und diversifizierter Restrukturierungsprozess begriffen werden
sollte. Weit typischer als der schnelle und fundamentale Austausch von Medien-
akteuren, -strukturen und -arenen sind Prozesse sukzessiven und kumulativen
Wandels, die sich über ein oder zwei Jahrzehnte hinziehen und sich mit der Zeit
durchaus zu radikalen Neuausrichtungen verdichten können.
Die Entstehung dieses Bandes geht auf eine Tagung der Sektion Wissen-
schafts- und Technikforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)
zurück, die unter dem Titel „Das Internet und der Wandel von Mediensektoren“
im November 2011 an der Universität Stuttgart stattgefunden hat und von der
dortigen Abteilung für Organisations- und Innovationssoziologie organisiert
wurde. An diese Tagung schloss sich im Februar 2012 ein zweitägiger Autoren-
workshop in Stuttgart an, auf dem die in diesem Band versammelten Beiträge
intensiv diskutiert und aufeinander abgestimmt wurden.
Wir haben natürlich den Autorinnen und Autoren des Bandes zu danken,
die nicht einfach nur geliefert, sondern ihre eigenen Beiträge einer intensiven
Diskussion ausgesetzt und die Beiträge der anderen kritisch kommentiert haben.
Wir möchten auch Raymund Werle danken, der wichtige Akzente nicht nur als
Discussant auf dem Autorenworkshop gesetzt hat, sondern den gesamten Ent-
stehungsprozess des Buches mit seinen Anregungen und Kommentaren begleitet
hat. Manuela Marquardt hat uns bei der inhaltlichen Durchsicht der Texte und
in der Textbearbeitung maßgeblich unterstützt. Und schließlich sind wir Rainer
Bohn für seine instruktive Begutachtung der Manuskripte und seine gewohnt
sorgfältige verlegerische Arbeit zu Dank verpflichtet.
Der von uns allen sehr geschätzte Kollege Volker Wittke, der an diesem
Buch noch mitgewirkt hat, ist im August 2012 verstorben. Ihm ist dieser Band
gewidmet.
Stuttgart, November 2012 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Medien in Transformation
Radikaler Wandel als schrittweise Rekonfiguration
Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
1 Medien: Wandel – Wirtschaft – Öffentlichkeit
Digitalisierung, internetbasierte Technologien und neue mobile Anwendungen
prägen den derzeitigen Wandel in allen relevanten Medienbereichen ob Musik
und Film, Buch, Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehen oder Spiele. Der weit
überwiegende Teil der dort produzierten Güter ist digitalisierbar, das Internet
oder Mobile Devices sind ideale neue Träger ihrer Verbreitung und Datenkom-
primierungsstandards ermöglichen ihren problemlosen Up- bzw. Download.
Von diesen substanziell neuen technologischen Möglichkeiten lässt sich al-
lerdings nicht umstandslos auf durch sie ausgelöste und sich vollziehende so-
ziale und sozioökonomische Veränderungen schließen. Das re ein technik-
deterministischer Kurzschluss, der in der Vergangenheit immer wieder zu über-
steigerten Erwartungen und Prognosen rund um das Veränderungspotenzial und
die tatsächlichen sozialen Effekte neuer Technologien geführt hat (kritisch dazu:
Sutter 2011; Schrape 2012). Das gilt auch für Einschätzungen der transformati-
ven Wirkungen der genannten Technologien auf verschiedene Medienbereiche.
Natürlich verändern sie das ist mittlerweile empirisch evident in der einen
oder anderen Weise mediale Wertschöpfungs-, Produktions- und Vertriebspro-
zesse, erweitern bestehende Konkurrenzkonstellationen, setzen die etablierten
Medienakteure unter zum Teil massiven Anpassungsdruck, unterstützen die
Herausbildung neuer Internetakteure und tragen zum Wandel medial vermittelter
Öffentlichkeitsstrukturen bei. Auf welche Weise, mit welcher Dynamik und
Konsequenz dies geschieht das konkretisiert sich allerdings erst in genuin so-
zialen Such-, Selektions- und Restrukturierungsprozessen, die Zeit beanspru-
chen, mit zum Teil stark divergierenden Interessen und Handlungsorientierun-
gen der Beteiligen durchsetzt sind, unterscheidbare Verlaufsformen annehmen
und je nach Kontext zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
Das ist es, was in diesem Aufsatz (und in den weiteren Beiträgen dieses Ban-
des) im Zentrum des Interesses steht: Wie tiefgreifend ist der seit einigen Jahren
beobachtbare und stark technologiegetriebene mediale Wandel tatsächlich und
welche konkreten sozialen Verlaufsformen nimmt er in verschiedenen Medien-
sektoren an? Wie reagieren etablierte Medienakteure auf die technologischen
und die damit verbundenen sozioökonomischen Herausforderungen? Welche
10 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Rolle spielen neue Herausforderer in diesen Transformationsprozessen? Welche
Wirkungen haben die neuen Technologien auf die Restrukturierung der ökono-
mischen Grundlagen der Medienindustrien? Und schließlich: Wie verändern sich
medial vermittelte Öffentlichkeiten durch die neuen Technologien? Stehen ‚alte‘
und ‚neue‘ Medienstrukturen in einem konkurrierenden oder eher in einem kom-
plementären Verhältnis zueinander?
Die folgenden Überlegungen, die neben eigenen Untersuchungen auf das in
den nachfolgenden Beiträgen dieses Bandes ausgebreitete Material zurückgrei-
fen, konzentrieren sich auf drei unseres Erachtens wesentliche ökonomische und
soziale Aspekte des gegenwärtigen Medienwandels: auf Transformationsmuster
und -verläufe in etablierten Mediensektoren, auf Veränderungen in den Markt-
strukturen und Akteurkonstellationen der Medienökonomie sowie auf den Struk-
turwandel der Öffentlichkeit im Kontext von Internet und Mobile Devices.
In Kapitel 2 werfen wir zunächst einen Blick auf die durch Digitalisierung,
Internet und Mobile Devices angestoßenen Veränderungen und Transforma-
tionsdynamiken in verschiedenen Mediensektoren wie Musik, Film, Buch oder
Zeitungen. Diese neuen Technologien, die das Potenzial zu substanziellen Ver-
änderungen in den technologischen und sozioökonomischen Grundlagen der
verschiedenen Mediensektoren haben, können größere institutionelle Neuaus-
richtungen anstoßen, Spielräume für neue Herausforderer eröffnen und einen
beträchtlichen Anpassungs- und Veränderungsdruck auf die dort etablierten Ak-
teure ausüben. Wie mit diesen Herausforderungen umgegangen werden kann
und welche Muster sektoralen Wandels durch Technik in den einzelnen Sekto-
ren hervortreten, ist Thema dieses Kapitels.
Daran schließt die in Kapitel 3 aufgeworfene Frage an, welche Wirkungen
die neuen Technologien auf Medienmärkte und die dortigen ökonomischen Kon-
kurrenz-, Unternehmens- und Machtkonstellationen haben. Dabei geht es weni-
ger um die Betrachtung mikroökonomischer beziehungsweise betriebswirtschaft-
licher Neuausrichtungen als um die Analyse übergreifender Veränderungen in
Wertbildungs- und -realisierungsprozessen, Geschäftsmodellen und Märkten, In-
dustriestrukturen, Konkurrenzmustern und Konzentrationsprozessen, die sich mit
der sukzessiven Migration von Medienangeboten und deren Nutzung ins Netz
herauskristallisieren.
In Kapitel 4 schließlich richten wir unser Augenmerk auf Neujustierungen
in den medial vermittelten Öffentlichkeitsstrukturen, die vor dem Internet stark
durch die Angebote der klassischen Massenmedien geprägt waren und nun durch
netzbasierte Social Media ergänzt und herausgefordert werden. Wir fragen da-
nach, ob unabhängige investigative Netzaktivitäten die meinungsbildende und
insgesamt prägende Rolle der klassischen Massenmedien in der gesellschaftli-
chen Wirklichkeitskonstruktion in größerem Umfang infrage stellen und welche
Medien in Transformation 11
Art des Zusammenspiels zwischen neuen und alten Medien sich derzeit heraus-
kristallisiert.
2 Wandel: Transformationsmuster und Adaptions(un)fähigkeit
Betrachtet und vergleicht man zunächst verschiedene Mediensektoren, dann fällt
als erstes auf, dass sich ihr allerorten stark technologiegetriebener Wandel nicht
als radikaler Bruch in kurzer Frist vollzieht, sondern sich über längere Zeiträume
erstreckt, dabei zeitlich asynchron verläuft und sich nicht auf eine alle Sektoren
gleichermaßen charakterisierende Entwicklungslogik oder einen dominanten
Verlaufstyp festlegen lässt.
Schon bevor das Internet zu einem gesellschaftsweit genutzten neuen Infor-
mations- und Kommunikationsmittel wurde, setzte in der ersten Hälfte der
1990er Jahre die Transformation des wissenschaftlichen Publikationssystems
und Verlagswesens ein. Angestoßen wurde der dortige Wandel zunächst durch
den Aufbau selbstorganisierter Peer-to-peer-Publikationsarchive in der Wissen-
schaft, schnell gefolgt von fokussierten Aktivitäten der großen Wissenschafts-
verlage, die seit Mitte der 1990er Jahre damit anfingen, neben den Printausga-
ben ihrer Journale auch elektronische Versionen bereitzustellen und sie über den
Aufbau großer Such- und Datenbanksysteme miteinander zu verknüpfen (Hane-
kop/Wittke in diesem Band). Ende der 1990er Jahre begann dann der erste Um-
bruch eines klassischen Mediensektors in Zeiten des nunmehr populären Inter-
net. Musik gab es damals in Form von CDs bereits seit längerem in all ihren
Facetten als digitales Produkt ohne Kopierschutz. Datenkomprimierungsstan-
dards, das Internet und die aufkommenden Tauschbörsen (wie Napster) ermög-
lichten schnell den problem- und kostenlosen Up- und Download vorhandener
Musik und setzten die etablierten Konzerne mit ihren auf physische Tonträger
zugeschnittenen Produktions-, Marketing- und Vertriebsstrukturen in den fol-
genden Jahren massiv unter Druck. Mit dem 2003 erfolgten Eintritt von Apple
ins Musikgeschäft und seiner Bereitstellung einer leicht handhabbaren Kombi-
nation aus digitalem Musikladen (iTunes) und Abspielgerät (iPod) begann die
sukzessive Verschiebung des kommerziellen Musikangebots von physischen
Tonträgern auf digitale Musikfiles und Streaming-Angebote (Dolata und Kunow
in diesem Band).
Während die Transformation der wissenschaftlichen Zeitschriftenverlage und
des Musiksektors also vergleichsweise früh begann und Mitte der 2000er Jahre
schon weit fortgeschritten war, setzten ähnliche Transformationsdynamiken in
anderen Medienfeldern erst in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre ein (Hautsch
in diesem Band). Im Buchsektor beispielsweise hat das Internet zwar auch
bereits seit Ende der 1990er Jahre zunächst als neuer Vertriebskanal für physi-
12 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
sche Bücher sukzessive an Bedeutung gewonnen und Amazon als first mover
auf diesem Markt zu einem der wenigen global erfolgreichen neuen Internet-
unternehmen gemacht. Allerdings hat dort erst Ende der 2000er Jahre mit der
sukzessiven Digitalisierung des Buches und mit inzwischen technisch ausgereif-
ten und marktfähigen Technologiesets aus E-Books und E-Readern, die dessen
elektronische Vermarktung, Verwendung und Verbreitung in großem Stil ermög-
lichen, die eigentliche Hauptphase des noch lange nicht abgeschlossenen sozio-
technischen Umbruchs begonnen (Schrape in diesem Band).
Ähnliches gilt für den Filmsektor, obgleich auch dort, anders als im Buch-
sektor, das Kernprodukt bereits seit der Einführung der DVD in der zweiten
Hälfte der 1990er Jahre auch in digitaler Form vorhanden war. Im Unterschied
zur Musikindustrie, deren Angebot schon vor der Etablierung des Internet in der
zweiten Hälfte der 1990er Jahre auf CDs faktisch vollständig digitalisiert vorlag
und sich – ohne Kopierschutz ausgestattet – dem freien Tausch im Netz förmlich
aufdrängte, setzte die Filmindustrie bei Videos zum einen von Beginn an auf
restriktive Digital-Rights-Management-Systeme zur Sicherung und Kontrolle
ihres neuen digitalen Produkts. Und sie hatte zum anderen das Glück, dass Filme
wesentlich datenintensiver als Musikstücke waren und sich ohne flächendecken-
des Breitbandinternet nicht so schnell, einfach und massenhaft als Dateien kos-
tenlos tauschen oder kommerziell vertreiben ließen (Currah 2006, 2007). Vor
allem diese technologischen Restriktionen und Unzulänglichkeiten haben den
Umbruch in der Film- bzw. Videobranche zeitlich verzögert und deren digitales
Kernprodukt DVDs und Blue-Rays zunächst noch schützen können. Auch
hier beginnt erst seit Ende der 2000er Jahre mit dem Aufbau von kommerziellen
Filmplattformen im Internet und dem Verkauf, Verleih und Streaming von Fil-
men als digitale files jener Umbruch, der in der Musikindustrie bereits in der
ersten Hälfte des Jahrzehnts eingesetzt hatte (Heger 2011; Turecek/Roters 2012;
ähnlich für den digitalen Spielesektor Wolters 2011; BIU 2012).
Schon hier wird deutlich: Ein übergreifendes Charakteristikum der technolo-
giegetriebenen Umbrüche in allen Mediensektoren ist es, dass sie sich grundsätz-
lich schrittweise, als Kumulation zahlreicher technologischer wie sozialer Trans-
formationsimpulse vollziehen und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken
(Ala-Fossi et al. 2008). Die Umbruchperioden in den verschiedenen Mediensek-
toren werden geprägt von der sukzessiven Diffusion neuer Technologien, deren
Eigenheiten sich noch im Laufe des Transformationsprozesses zum Teil gravie-
rend verändern können, der schrittweisen Herausbildung daran ausgerichteter
neuer Märkte, Konkurrenz- und Kooperationsmuster, der allmählichen Erneue-
rung der Strukturen und institutionellen Gefüge des beobachteten Feldes sowie
damit einhergehender Veränderungen der Strategien und Konstellationen der in-
volvierten Akteure. Wir bezeichnen diesen zeitlich gestreckten Verlauf größerer
soziotechnischer Umbrüche als graduelle Transformation, die im Ergebnis, nach
Medien in Transformation 13
zehn oder 15 Jahren, durchaus zu einer radikalen Neuausrichtung eines Sektors
(oder auch eines regionalen Medienclusters) führen kann (Dolata 2011; Streeck/
Thelen 2005; Berkers/Geels 2011; auch Fuchs in diesem Band).
Unterhalb dieser sektorübergreifenden Gemeinsamkeit gibt es allerdings signi-
fikante Unterschiede. Der Wandel verläuft in den verschiedenen Mediensekto-
ren nicht nur zeitlich asynchron. Auch die Art und Weise, wie die neuen techno-
logischen Herausforderungen und die mit ihnen möglichen sozioökonomischen
Veränderungspotenziale von den involvierten Akteuren wahrgenommen, aufge-
griffen und verarbeitet werden, variiert erheblich. Das bezeichnen wir als Adap-
tionsfähigkeit, die es in den hier untersuchten Mediensektoren in unterschiedli-
cher Ausprägung gibt und die zu unterscheidbaren Transformationsvarianten
führt (Dolata 2009, 2011a: 75–121).
Oft fällt es den etablierten Akteuren eines (Medien-)Sektors außerordentlich
schwer, sich auf für sie grundlegend Neues einzulassen insbesondere wenn es
das laufende, noch gut gehende Geschäft stört und eingespielte Geschäftsmodelle
und Märkte, organisationale Strukturen und Routinen im Grundsatz in Frage
stellt. Typisch ist in solchen Fällen, dass neue technologische Möglichkeiten und
ihre sozioökonomischen Potenziale, die zunächst nur schemenhaft erkennbar
sind, von den saturierten Akteuren ignoriert oder unterschätzt werden und der
Status Quo verteidigt wird. Die Reaktionsweisen der Musikkonzerne auf die
Herausforderung des Internet in der ersten Hälfte der 2000er Jahre sind ein
schlagendes Beispiel für die kollektive Adaptionsunfähigkeit der etablierten Ak-
teure eines Mediensektors, die durch ihre Untätigkeit und Blockadehaltung das
Feld neuen und ihrerseits ausgesprochen adaptionsfähigen Akteuren (wie nicht-
kommerziellen Musiktauschbörsen und Apple) überlassen haben, welche den
Sektor mit ihren innovativen Aktivitäten unter Druck setzen konnten. Der sekto-
rale Wandel nimmt in derartigen Fällen Formen einer krisenhaften Transforma-
tion an, die aus der Sicht der bis dahin dominanten Akteure zumindest zeitweise
außer Kontrolle gerät und mit einem zum Teil signifikanten Macht- und Ein-
flussverlust einhergeht (Dolata in diesem Band).
Derartige Adaptionsprobleme, die saturierte Akteure oft haben, wenn sie mit
grundlegend neuen und kompetenzzerstörenden technologischen Herausforderun-
gen konfrontiert werden, sind in der Literatur zur Pfadabhängigkeit, zur struktu-
rellen Trägheit und zum organisationalen Scheitern ausgiebig beschrieben und
erklärt worden (zusammenfassend: Beyer 2006; Mellahi/Wilkinson 2004; Lam
2005; Ortmann 2009: 61–86). Grundlegender Wandel kommt in dieser Lesart
nicht aus dem etablierten Kern eines Sektors, sondern eher von seinen Rändern
oder von außerhalb, und wird getragen von Quereinsteigern bzw. neuen Akteuren:
„Adaptation of organizational structures within an industry occurs principally at
the population level, with new organizations replacing the old ones that fail to
adapt.“ (Lam 2005: 134)
14 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Auf den ersten Blick scheint das Beispiel der Musikindustrie diese Sicht zu
bestätigen. Verallgemeinern lässt sie sich allerdings nicht; nicht einmal für die
Musikindustrie trifft sie in dieser Radikalität zu. Auch die etablierten Akteure
eines sich im Umbruch befindlichen Mediensektors bleiben nicht über die ge-
samte Transformationsperiode hinweg adaptionsunfähig. Sie werden mit der
Zeit, wenn sie den initialen Schock überstanden haben, und oft erst dann, wenn
sie bereits unter massivem Druck stehen, regelmäßig selbst aktiv und beginnen
ihrerseits mit eigenen Strategien und unter Einsatz aller ihnen zur Verfügung
stehenden Ressourcen im neuen Spiel mitzuspielen. Sie entwickeln nun selbst
neue Geschäftsmodelle und Konkurrenzstrategien, beginnen mit den neuen Ak-
teuren zu kooperieren und mischen aktiv bei der regulativen Neustrukturierung
ihres Feldes mit. Kurzum:
„Intensified competition encourages dominant players to adopt those practices
that are successful at the periphery and thus legitimizes these radical experi-
ments.” (Leblebici et al. 1991: 359)
In der Musik- und auch in der Filmindustrie, die zunächst ähnliche Adaptionspro-
bleme hatte, ist dies seit der zweiten Hälfte der 2000er Jahre der Fall. Insgesamt
führen derartige Dynamiken zwischen dem etablierten Kern und der herausfor-
dernden Peripherie im Laufe einer Transformationsperiode zu Ausdifferenzie-
rungen des Akteurspektrums und zu Verschiebungen der Macht- und Einfluss-
beziehungen zwischen ihnen, allerdings so gut wie nie zu einem vollständigen
Austausch der Spieler und Spielregeln.
Es gibt aber auch Fälle, die zeigen, dass auch die etablierten Akteure eines
Mediensektors schon zu Beginn einer Transformationsperiode sehr adaptionsfä-
hig sein können, die Potenziale neuer Technologien früh erkennen und sich mit
entsprechend veränderten Strategien rasch auf sie einstellen. Ein solches Bei-
spiel proaktiver Adaptionsfähigkeit ist der in diesem Buch analysierte Umgang
der großen wissenschaftlichen Zeitschriftenverlage mit den neuen Möglichkei-
ten im Netz. Die großen Verlage haben bereits sehr früh damit begonnen, mit
elektronischen Versionen der Printausgaben ihrer Zeitschriften ins Internet zu
migrieren, vernetzte Datenbanken mit umfangreichen Recherchemöglichkeiten
aufzubauen und so ihr Geschäft mit wissenschaftlichen Zeitschriften sukzessive
auf kostenpflichtige Online-Ausgaben und -Services auszubauen. Und sie haben
es über die gesamte Transformationsperiode geschafft, trotz des Drucks alterna-
tiver Open-Access-Publikations- und -Datenbankmodelle die Kontrolle über die-
sen Prozess zu behalten. Das hatte Auswirkungen auch auf den Transformations-
prozess selbst: Der Wandel in diesem Mediensektor erfolgte nicht krisenhaft,
sondern adaptiv und blieb trotz aller kontingenten Dynamik weitgehend unter
Kontrolle der etablierten Akteure (Hanekop/Wittke in diesem Band).
Medien in Transformation 15
In diesem Fall hat jene Trägheit, Pfadabhängigkeit und Veränderungsresistenz,
die etablierten Akteuren oft zugeschrieben wird, nicht gegriffen, obgleich der An-
passungs- und Veränderungsdruck durch das Internet ähnlich massiv war wie in der
Musikindustrie. Worauf ist eine derart proaktive Adaptionsfähigkeit etablierter Ak-
teure in für sie einschneidenden Umbruchsituationen zurückzuführen?
Zum einen hängt das von ihrer internen Organisation ab. Eine systematische
Integration kreativer Spielflächen und Freiräume in die Organisation, eher late-
rale als hierarchische Kommunikationsmuster sowie kognitive Offenheit inner-
halb der Organisationsführung können struktureller Trägheit entgegenwirken und
pfadabweichendes Handeln begünstigen (Burns/Stalker 1961: 119–125; Ahuja
et al. 2008: 51–59). Zum anderen wird die Fähigkeit etablierter Akteure, außer-
gewöhnliche Entwicklungen früh wahrzunehmen und aktiv aufzugreifen, auch
durch das Ausmaß und die Intensität ihrer interorganisationalen Beziehungen zu
anderen Akteuren maßgeblich mitgeprägt (Greenwood/Hinings 1996; Rothaermel
2001). Um im Beispiel zu bleiben: Die großen Wissenschaftsverlage haben bei
ihrer strategischen Neuausrichtung von ihren traditionell engen Beziehungen zu
Wissenschaftlern und Wissenschaftsorganisationen profitiert, die neuen internet-
basierten Publikationsmöglichkeiten von Anfang an sehr aufgeschlossen gegen-
überstanden. Ihre Kooperationspartner fungierten so gewissermaßen als Früh-
warnsysteme und haben die kommerziellen Verlage sehr schnell für die Heraus-
forderungen und Möglichkeiten sensibilisiert, die das Netz in ihrem Geschäfts-
feld perspektivisch mit sich bringen könnte.
Allerdings sind etablierte Akteure nicht immer dann bereits besonders adap-
tionsfähig, wenn sie neue Technologien einfach besonders früh aufgreifen, sich
schnell auf sie einlassen und ihr Handeln dann umstandslos an ihnen ausrichten.
Und sie sind auch nicht per se adaptionsunfähig, wenn sie zunächst die Finger
von ihnen und von darauf basierenden Geschäftsmodellen lassen. Traditionelle
Akteure können sich durchaus auch dann als adaptionsfähig erweisen, wenn sie
sich bewusst dafür entscheiden, zunächst nicht in neue internetbasierte Ge-
schäftsbereiche einzusteigen und deren Aufbau stattdessen Newcomern überlas-
sen etwa weil sie damit verbundene Risiken nach eingehender Prüfung als zu
hoch einschätzen.
Das ist beispielsweise in der Glücksspielindustrie der Fall. Auch das neue
Geschäftsfeld Online-Poker ist nicht von den etablierten Glücksspielkonzernen
entwickelt und vorangebracht worden, sondern von neuen Internetfirmen (Möll
in diesem Band). Anders als die Musikkonzerne haben die traditionellen landba-
sierten Glücksspielkonzerne das Online-Pokergeschäft bewusst, in Einschätzung
der damit verbundenen rechtlichen Unwägbarkeiten, Neueinsteigern überlassen.
Das Glücksspiel wird in der Regel staatlich reguliert; Online-Poker findet in
einer rechtlichen Grauzone zwischen Halb- und Illegalität statt. Trotz der neuen
kommerziellen Möglichkeiten, die eine Erweiterung ihres Geschäfts um Inter-
16 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
netaktivitäten bieten würde, haben sich die etablierten Unternehmen dieses Sek-
tors zurückgehalten, da sie die Gefahren erkannt hatten, die die unsicheren
rechtlich-regulativen Rahmenbedingungen und die Möglichkeit eines Verbots
von Glücksspielen im Internet auch r die Lizenzierung ihres angestammten
Geschäfts mit sich bringen könnte. Sie haben die sozioökonomischen Poten-
ziale, die das Internet für ihr Geschäft bietet, also nicht übersehen, ignoriert oder
abgeblockt, sondern Chancen und Risiken unter Einbeziehung des politischen
Umfelds, in dem sie sich bewegen, abgewogen und sich bewusst auf eine Sec-
ond-Mover-Strategie eingelassen mit der Folge, dass sich der internetgetrie-
bene Wandel hier als vergleichsweise autonomer Aufbau eines neuen Geschäfts-
feldes durch neue Akteure darstellt, der sich bislang weitgehend unabhängig
vom und parallel zum landbasierten Glücksspielmarkt und den ihn dominieren-
den Akteuren vollzieht.
Adaptionsunfähigkeit ist das nicht. Der Umgang der etablierten Akteure mit
der Internetherausforderung lässt sich in diesem Fall eher als kontextsensible
Adaptionsfähigkeit bezeichnen: Die Wahrnehmung neuer Technologien und ihrer
sozioökonomischen Potenziale ist immer eingebettet und wird ergänzt um die
Beurteilung der ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen, unter de-
nen ihre (kommerzielle) Nutzung sinnvoll (wie im Fall des wissenschaftlichen
Publikationswesens) oder problematisch (wie im Fall der Glücksspielindustrie)
ist (Sorge/Witteloostuijn 2004).
Eine hohe Adaptionsfähigkeit gegenüber dem technologisch Neuen und sei-
nen sozioökonomischen Potenzialen ist für die etablierten Medienakteure in
allen Sektoren eine notwendige Voraussetzung, um den internetbasierten Wan-
del aktiv mitgestalten zu können. Erfolg garantiert sie freilich nicht. Dazu sind
die beobachtbaren Transformationen in den verschiedenen Mediensektoren zu
dynamisch, zu offen und zu kontingent. Schon die allerorten betriebene und häu-
fig nur mäßig erfolgreiche Suche nach neuen und kommerziell tragfähigen Ge-
schäftsfeldern und -modellen im Internet zeigt dies.
3 Wirtschaft: Wertschöpfung, Konkurrenz und Konzentration
Denn das ist das Zweite, was auffällt: Das, was früher einmal ‚Internetökonomie‘
genannt wurde eine Wirtschaft, geprägt durch eine Vielzahl neuer digitaler
Geschäftsmöglichkeiten, vollkommene Märkte und freie Konkurrenz, dezentra-
lere Wirtschaftsstrukturen und signifikant erweiterte Spielräume für kleine und
mittlere Unternehmen funktioniert (nicht nur) in den verschiedenen Medien-
sektoren so gut wie nicht (Zerdick et al. 2001; Litan/Rivlin 2001; kritisch Dolata
2005). Ökonomisch tragfähige Geschäftsfelder im Internet haben sich in größe-
rem Umfang bislang nur in wenigen Bereichen, vor allem im Handel mit physi-
Medien in Transformation 17
schen und digitalen Medienprodukten, in der Werbung und im Verkauf neuer
Hard- und Software zur Medienvermittlung herausgebildet. Davon profitieren
nur wenige Unternehmen in größerem Stil. Entgegen aller Dezentralisierungs-
rhetorik, die die frühe Phase der ökonomischen Inbesitznahme des Netzes domi-
niert hatte, sind die neuen Geschäftsfelder hochkonzentriert und oligopolistisch
strukturiert. Die Hauptkonkurrenten lassen sich zumeist an den Fingern einer
Hand abzählen und sind zudem feldübergreifend oft dieselben.
Die Distribution von (physischen wie digitalen) Mediengütern z.B. Bü-
cher, Musik, Zeitungen, Filme verschiebt sich bereits seit geraumer Zeit vom
stationären Handel und vom klassischen Versandhandel ins Internet. Die zentra-
len Drehscheiben des Onlinehandels bilden wenige neue Unternehmen, die nicht
aus den etablierten Mediensektoren stammen. Dazu gehören vor allem Amazon
und Apple. Die sukzessive Migration des Handels mit Mediengütern ins Netz ist
zudem eher substitutiv als erweiternd: Traditionelle Handelsunternehmen verlie-
ren an Einfluss und die großen Medienkonzerne sind mit sinkenden Erlösen im
etablierten Geschäft konfrontiert, die durch die Einnahmen aus dem Vertrieb
ihrer Produkte über eigene Internetportale oder durch neue Intermediäre bislang
höchstens kompensiert werden (Hautsch, Dolata, Döbler/Wahl und Schrape
zum Buchhandel diesem Band).
Die Produktion von Medieninhalten und also die eigentlichen Akte der
Wertschöpfung finden demgegenüber nach wie vor vornehmlich außerhalb des
Netzes und in den etablierten Medienunternehmen statt. Das gilt etwa für Bü-
cher, Filme und Musik, aber auch für journalistische Angebote. In einer Zu-
sammenfassung verschiedener Studien kommen Waldman et al. (2011: 123) zu
dem Schluss: „The growing number of web outlines relies on a relatively fixed,
or declining, pool of original reporting provided by traditional media“ (ähnlich:
van der Wurff 2008). Blogs und rein internetbasierte Medienportale sind von
Ausnahmen wie der von AOL übernommenen Huffington Post abgesehen
journalistisch, vor allem aber ökonomisch bislang in aller Regel vernachlässig-
bare Größen.
Obgleich die unmittelbare Konkurrenz aus dem Internet bei der Produktion
von Medieninhalten für die etablierten Medienkonzerne bislang nicht groß ist,
sind letztere auch in ihrem Kerngeschäft mit einem zentralen und nach wie vor
ungelösten Problem konfrontiert: Inhalt und Trägermedium und damit auch
Wertschöpfung und -realisierung haben sich durch Digitalisierung und Internet
voneinander entkoppelt. Mediale Inhalte sind nicht mehr an ein Trägermedium
die CD, Papier oder Zelluloid gebunden, sondern in unterschiedlichen For-
maten abbildbar und im Internet oft frei verfügbar mit der Konsequenz, dass
produzierte mediale Inhalte sich heute nicht mehr quasi-automatisch auch öko-
nomisch verwerten und realisieren lassen. Die Inhalte produzierenden Unterneh-
18 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
men haben die Kontrolle über den hinteren Teil ihrer Wertschöpfungskette an
das Internet verloren (Pfeiffer in diesem Band; Dogruel/Katzenbach 2010).
Auch das zweite größere Geschäftsfeld im Internet, die Werbung, war von
Anfang an ein hochkonzentrierter Markt, der in den vergangenen Jahren in signi-
fikante ökonomische Größenordnungen hineingewachsen ist. Auf dem Internet-
werbemarkt spielen die großen Medienkonzerne als traditionelle Hauptanbieter
von Werbeplatz lediglich eine zweitrangige Rolle: Der neue Markt wird von
einer Handvoll international ausgerichteter Internet-Unternehmen mit Google
als unangefochtenem Spitzenreiter dominiert.
In den Vereinigten Staaten entfielen 2011 knapp 20% (oder 31,7 Mrd. US-
$) des gesamten Werbeumsatzes auf das Internet. Internetwerbung lag damit
zwar noch deutlich hinter den Ausgaben, die auf das Fernsehen entfielen (42%
oder 68,5 Mrd. US-$), allerdings bereits über denen der Tageszeitungen (13%),
der Zeitschriften (11%) und des Radios (9%) (PriceWaterhouseCoopers 2012:
19). Von allen Werbesegmenten entwickelt sich die Internetwerbung am dyna-
mischsten. Sie wirkt allerdings bislang nur selektiv substitutiv: Die Fernsehwer-
bung konnte ihre Stellung auch in den vergangenen Jahren mit kontinuierlichen
Umsatzzuwächsen gegen das Internet behaupten, während vor allem die Werbe-
einnahmen der Zeitungen in den USA seit einigen Jahren signifikant zurückge-
hen (PEW Research Center 2012).
Der Markt für Internetwerbung bietet international nur Platz für sehr wenige
große Wettbewerber (Evans 2008). Das sind vor allem die großen weltweit agie-
renden Suchmaschinen-Unternehmen, in jüngster Zeit ergänzt um das Social-
Networking-Unternehmen Facebook. Wiederum in den Vereinigten Staaten ent-
fielen 2011 allein auf Google 41% aller Einnahmen aus der Internet-Werbung,
mit großem Abstand gefolgt von Yahoo (9,5%), Microsoft (5,7%), Facebook
(5,4%) und AOL (2,8%). Zusammen kommen diese ersten fünf Unternehmen
auf 64,4% und die Top-Ten auf 71% aller Internet-Werbeeinnahmen in den Ver-
einigten Staaten (eMarketer 2012; PriceWaterhouseCoopers 2012: 11).
In Deutschland ist die Situation nicht grundlegend anders. Der Zentralver-
band der deutschen Werbewirtschaft weist für Internetwerbung in Deutschland
für 2011 Netto-Werbeeinnahmen in Höhe von 990 Mio. Euro aus. Auf die Inter-
netwerbung wären damit 2011 5,2% aller Werbeeinnahmen entfallen (ZAW
2012). Dieser im Vergleich zu den USA deutlich geringere Anteil erklärt sich
vor allem dadurch, dass Google in dieser Statistik nicht enthalten ist, da das
Unternehmen für Deutschland keine gesonderten Umsatzzahlen ausweist. Sollte
Google, das 96% seiner Einnahmen aus der Werbung erzielt und auf dessen
Suchmaschine hierzulande über 95% aller Suchanfragen entfallen, konservativ
geschätzt 2011 nur 5% seines Konzernumsatzes von ca. 29 Mrd. Euro in
Deutschland realisiert haben, dann läge der Anteil der Werbeerlöse aus dem In-
ternet auch hierzulande bereits bei ca. 13% aller Werbeeinnahmen. Und dann
Medien in Transformation 19
entfielen allein auf Google in Deutschland deutlich mehr als die Hälfte aller
Umsätze aus der Internetwerbung. Schon eine solche konservative Schätzung
zeigt, dass der Internet-Werbemarkt auch in Deutschland eindeutig von Google
dominiert wird. Mit sehr deutlichem Abstand folgen nationale Portale wie die
der Deutschen Telekom und der großen Medienkonzerne.
Verwunderlich ist diese starke Konzentration der Internetwerbung auf we-
nige Internetkonzerne nicht. Sie ist vor allem auf die für das Internet typischen
Netzwerkeffekte zurückzuführen: Das vermeintlich egalitäre und dezentrale Netz
produziert bereits im normalen Gang der Dinge durch das Schwarmverhalten der
Nutzer wenige zentrale Orte der Suche, der Kommunikation und der Vernetzung
(Barabasi 2003). Derartige Netzwerkeffekte finden auf dem Werbemarkt auf
drei sich wechselseitig verstärkenden Ebenen statt: Erstens konzentrieren die
Nutzer ihre Online-Aktivitäten in der Regel auf sehr wenige Webseiten und die
sie betreibenden Unternehmen – bei Suchanfragen etwa auf Google, beim Social
Networking derzeit auf Facebook –, die zweitens mit den darüber generierten
Daten und deren Auswertung über ausdifferenzierte und exklusiv verwendbare
Nutzerprofile verfügen und die dadurch sowie durch ihre große Reichweite drit-
tens zum bevorzugten Ort für die Schaltung von gezielter personenbezogener
Werbung werden (Dolata 2011b).
In das dritte große internetaffine Geschäftsfeld, die Entwicklung und den
Verkauf von Hard- und Software zur Medienunterstützung, sind die Inhalte pro-
duzierenden Medienunternehmen schon immer eher indirekt involviert gewesen.
Vor allem auf der Nutzung von multimedialen Smartphones, Tablets und kos-
tenpflichtigen Apps gründet sich derzeit ihre Hoffnung, in Zukunft doch in grö-
ßerem Stil ihre Inhalte über diese von anderen Akteuren bereitgestellten Me-
dienträger gewinnbringend vermarkten zu können.
Auch die Dynamiken auf dem Markt für Mobile Devices werden von weni-
gen und bereits bekannten Unternehmen geprägt. Dazu zählen zum einen Handy-
Hersteller wie Nokia, Samsung Electronics oder RIM (Blackberry), die bereits
seit längerem im Geschäft sind und versuchen, ihre Marktposition mit neuen
Angeboten wie Smartphones und Tablets zu halten. Sie sind zum anderen mit
Neueinsteigern konfrontiert, die diesen Markt in den vergangenen Jahren mit
eigenen mobilen Geräten und Betriebssystemen aufgemischt haben und auf
diesem für sie neuen Geschäftsfeld mit unterschiedlicher strategischer Ausrich-
tung konkurrieren. Apple ist mit der Einführung des iPhone 2007 als erster
Quereinsteiger erfolgreich in diesen Markt eingedrungen und ist dabei wie zuvor
schon bei seinem Engagement im Musikhandel vor allem am Verkauf seiner
Hardware interessiert. Google reüssiert mit seinem Betriebssystem Android, das
mittlerweile auf über 50% aller Smartphones weltweit installiert ist, und dem
Kauf des Handy-Herstellers Motorola in diesem neuen Geschäftsfeld, das dem
Konzern allerdings vor allem dazu dient, sein Kerngeschäft der Internetwerbung
20 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
auf die neue mobile Welt auszuweiten. Microsoft ist demgegenüber mit bislang
allerdings nur mäßigem Erfolg bemüht, sein Software-Geschäft um diesen ex-
pandierenden Bereich zu erweitern (etwa über seine Kooperation mit Nokia).
Und Amazon schließlich versucht, mit dem Kindle ein ähnlich proprietäres Sys-
tem für seinen Handel mit neuen elektronischen Medien aufzubauen, wie es
Apple mit iTunes und iPod im Musikbereich seit Mitte der 2000er Jahre gelun-
gen ist (Döbler/Wahl in diesem Band).
Ökonomisch betrachtet ergibt sich aus alldem eine bemerkenswerte Zwei-
teilung im Onlinegeschäft mit Medien, die sich als allerdings asymmetrisch ver-
fasste Komplementarität beschreibensst. Mediale Inhalte werden nach wie vor
vornehmlich von den klassischen Medienkonzernen produziert und verkauft.
Auch das, was an Inhalten im Netz entweder kostenlos zur Verfügung steht oder
kommerziell vertrieben wird, stammt größtenteils noch von ihnen. Internetaffine
Konzerne agieren demgegenüber bislang weitgehend inhaltslos und bieten statt-
dessen Komplementäres an. Sie stellen kommerziell oder frei nutzbare mediale
Infrastrukturen im Netz bereit, handeln über ihre Plattformen mit entsprechen-
den Produkten, verkaufen Soft- und Hardware zur Medienunterstützung oder
betreiben Werbung. Inhalte dienen ihnen in erster Linie als probates Mittel zum
Zweck ihres eigentlichen Geschäfts. Asymmetrisch wird dieses komplementäre
Verhältnis dadurch, dass die Medienkonzerne die Kontrolle über die Verbrei-
tung und Vermarktung ihrer Inhalte im Internet an die dort angesiedelten Unter-
nehmen verloren haben.
Die großen internetaffinen Konzerne agieren dabei mittlerweile auf Augen-
höhe auch mit den international ausgerichteten Medienkonzernen. Dies betrifft
zunächst die am Umsatz gemessene Größenordnung, in die sie hineingewachsen
sind. Apple (Konzernumsatz 2011: 77,8 Mrd. Euro), Amazon (34,5 Mrd. Euro)
und Google (27,2 Mrd. Euro) stehen mit ihrem ökonomischen Potenzial heute
gleichberechtigt neben den weltweit größten Medienkonzernen Comcast/Univer-
sal (40,1 Mrd. Euro), Walt Disney (29,4 Mrd. Euro), News Corp (24,0 Mrd.
Euro), Viacom (21,0 Mrd. Euro), Time Warner (20,9 Mrd. Euro) und dem größ-
ten deutschen Medienkonzern Bertelsmann (15,3 Mrd. Euro) (IfM 2012, 2012a).
Die prägende Bedeutung der wenigen weltweit agierenden Internetkonzerne
für den Wandel der verschiedenen Mediensektoren basiert allerdings nicht ein-
fach auf ihrer ökonomischen Größe, sondern vor allem darauf, dass sie als hoch-
gradig adaptive Akteure einen zum Teil monopolartigen Einfluss auf die Ent-
wicklung der Infrastrukturen und der Kommerzialisierungsmöglichkeiten des
Netzes erlangt haben und als Gatekeeper den Zugang sowohl der Nutzer als
auch der Medienkonzerne zum Internet recht weitgehend kontrollieren. Apple
und Google dominieren mit ihren Betriebssystemen den Markt für Mobile De-
vices, Google den Suchmaschinen- und Werbemarkt, Amazon den Online-Han-
del, Apple den Musikhandel und Facebook das Social Networking und dies
Medien in Transformation 21
nicht national oder regional begrenzt, sondern international. Die Prozesse einer
zunehmenden Unternehmenskonzentration, die Gert Hautsch in seinem Beitrag
für die klassischen Medienmärkte analysiert, setzen sich im Internet nahtlos fort
als Tendenzen zu einer allerdings volatilen Monopolbildung, also der Herausbil-
dung einzelner oder weniger marktbeherrschender Unternehmen, die zugleich
auf verschiedenen Märkten in scharfer Konkurrenz zueinander stehen und ihre
herausragende Stellung aufgrund der außerordentlichen Innovationsdynamiken
in ihren Geschäftsfeldern in schneller Folge immer wieder zu behaupten haben.
Sie müssen dabei etwa im Vertrieb von Musik, Büchern oder Filmen natür-
lich mit den klassischen Medienkonzernen als großen Inhalte-Anbietern und
Rechteinhabern kooperieren, können entsprechende Arrangements gleichwohl
aus einer Position der Stärke heraus prägen. Darüber hinaus gibt es erste, noch
vereinzelte Initiativen der Internetkonzerne, ihrerseits in die Produktion von Me-
dieninhalten zu expandieren und damit zu direkten Konkurrenten der Medien-
konzerne zu werden. Amazon beispielsweise verfolgt in jüngster Zeit die Stra-
tegie, mit eigenen verlegerischen Aktivitäten in größerem Stil auch in die Buch-
produktion einzusteigen.
Demgegenüber stehen die Internetaktivitäten vieler traditioneller Medien-
konzerne, die den überwiegenden Teil ihrer Umsätze und Erlöse noch auf ihren
klassischen Märkten erzielen, erst am Anfang. Diese Unternehmen verfolgen
– bei allen Unterschieden im Einzelnen seit einigen Jahren zwei präferierte In-
ternetstrategien.
Zum einen versuchen sie natürlich, mit ihren Inhalten auch im Netz Fuß zu
fassen, also ihr klassisches Geschäftsfeld um bezahlte Angebote im Internet zu
erweitern. Das geschieht vornehmlich über den Aufbau und Betrieb eigener On-
line-Portale mit journalistischen oder anderen Medieninhalten, die entweder di-
rekt im Browser oder über Apps im Bereich der Mobile Devices abgerufen wer-
den können. Im Printbereich zum Beispiel sind es journalistische Portale wie
Bild.de, Spiegel.de oder Sueddeutsche.de, auf denen Erlöse durch Werbung oder
durch bezahlte (Premium-)Zugänge erwirtschaftet werden sollen. Im Fernseh-
und Filmsektor zählen entgelt- bzw. werbefinanzierte Video-on-Demand-Platt-
formen wie Maxdome und MyVideo dazu, die der ProSiebenSat1 Media AG
gehören, oder Kooperationsprojekte wie die US-amerikanische Plattform Hulu,
zu der sich 2008 NBC Universal, Disney/ABC und Fox Entertainment zusam-
mengeschlossen haben und über die werbefinanziert Filme und Serien angebo-
ten werden (Heger 2011). Die Medienkonzerne versuchen damit im Grunde das,
was den Musikkonzernen in den 2000er Jahren nicht gelungen ist (Dolata in
diesem Band): Über eigene Aktivitäten und Kooperationen untereinander die
Kommerzialisierung ihrer Inhalte und Vertriebswege im Internet so weit wie
möglich unter ihrer Kontrolle zu halten. Sie stehen damit freilich oft nicht nur in
direkter Konkurrenz zu entsprechenden Angeboten internetaffiner Konzerne (wie
22 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
LoveFilm von Amazon, YouTube von Google, iTunes von Apple oder Google
News), sondern sind darüber hinaus in zunehmendem Maße auf den mobilen
Zugang ihrer Angebote über Apps angewiesen, bei dem die Anbieter von
Mobile Devices als kontrollierende und Geld abschöpfende Türöffner fungieren.
Zum anderen verfolgen viele Medienkonzerne parallel dazu eine Strategie
der Diversifizierung in medienfremde Bereiche und bauen dazu ihre Geschäfte
vor allem im E-Commerce aus. Sie steigen zumeist über Akquisitionen von In-
ternetfirmen beispielsweise in das Geschäft mit Kleinanzeigen, Reisen, Immobi-
lien, Spielen oder Rabatten im Internet ein und zielen damit vor allem darauf,
vom Werbegeschäft unabhängiger zu werden. Die zahlreichen Zukäufe von In-
ternetfirmen durch Medienkonzerne bewegen sich bislang allerdings in kleine-
rem Rahmen. Darüber hinaus hat es in den letzten Jahren vereinzelt auch wenig
erfolgreiche Versuche großer Medienkonzerne gegeben, ihrerseits in die Do-
mäne der Internetunternehmen einzudringen und über Aufkäufe große Online-
Plattformen zu erwerben. Dazu zählen vor allem die mittlerweile gescheiterten
Akquisitionen der Social-Networking-Plattformen MySpace durch die News Corp.
oder StudiVZ durch die Verlagsgruppe Holtzbrinck (Hautsch in diesem Band).
Ob und inwieweit diese Versuche der Medienkonzerne, über eigene Expan-
sions- und Diversifikationsstrategien im Internet ihre Position auszubauen, erfolg-
reich sein werden, lässt sich heute noch nicht verlässlich einschätzen und ist von
Mediensektor zu Mediensektor unterschiedlich. Bislang jedenfalls laufen in den
relevanten Marktsegmenten Handel, Werbung, Geräte, Software – neue Heraus-
forderer den etablierten Medienkonzernen im Internet den Rang ab. Sie sind, von
Ausnahmen wie den erwähnten wissenschaftlichen Verlagen abgesehen, erheblich
adaptionsfähiger als die Etablierten und prägen mittlerweile sowohl die freie als
auch die kostenpflichtige Nutzung von Medieninhalten im Netz.
Von einer kleinformatigen, plural und egalitär strukturierten Internetöko-
nomie ist all das Lichtjahre entfernt. Die wirtschaftliche Konzentration und die
Zusammenballung ökonomischer Macht in wenigen Großunternehmen sind be-
reits heute im Netz ausgeprägter als in so manchem klassischen Mediensektor.
Die wirtschaftliche Macht der großen Medienkonzerne wird, ökonomisch be-
trachtet, nicht durch dezentral verstreute Aktivitäten zahlloser neuer Akteure im
Netz herausgefordert, sondern von sehr wenigen neuen Monopolisten, die zen-
trale Schaltstellen des Netzes besetzt haben.
4 Öffentlichkeit: Koexistenz und Komplementarität
Als Drittes fällt auf, dass sich auch der Wandel medial vermittelter gesellschaft-
licher Öffentlichkeitsstrukturen durch neue Kommunikations- und Informations-
möglichkeiten nicht (wie zuletzt zur Kernzeit des ‚Web 2.0‘-Hypes vermutet) als
Medien in Transformation 23
radikaler Bruch, sondern als allmählicher und diversifizierter Transformations-
prozess vollzieht, der eher durch kontextspezifische Verschiebungen, Erweite-
rungen sowie Neuaushandlungen und weniger durch eruptive Erosionen gekenn-
zeichnet ist: Die ‚neuen‘ lösen die ‚alten‘ Medien und Öffentlichkeitsstrukturen
nicht ab, sie bestehen vielmehr gleichzeitig, nebeneinander und supplementär.
Das eigentlich „Neue neuer Medien“ (Sutter 2008: 63) tritt freilich erst hervor,
nachdem die erste Aufregung um ihr Auftreten verflogen ist. Die bislang beob-
achtbaren Veränderungen bestehen aus strukturtheoretischer Sicht vor allen Din-
gen in einer Intensivierung und Beschleunigung der Austauschprozesse zwischen
den einzelnen Öffentlichkeitssphären, einer Aufwertung der aktiven Rolle tech-
nologischer Arrangements in deren Konstitution und dem erleichterten Auftreten
sekundärer Leistungsrollen (Stichweh 2005) in funktionalen Kontexten (z.B. im
Journalismus).
Bereits Mitte der 1990er Jahre bevor sich das Web in der Mitte der Ge-
sellschaft etablieren konnte erhofften sich zahlreiche Kommentatoren einen
neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit, der in einem Ende der Massenkommu-
nikation und einer „Verwirklichung der normativen Ansprüche des liberalen Öf-
fentlichkeitsmodells“ münden sollte, wie es der frühe Jürgen Habermas skizziert
hatte (Neuberger 2004: 15). Obwohl sozialwissenschaftliche Beobachter wie
Meckel (2000) oder Wehner (1997) schon in dieser ersten Diskussionsphase um
die gesellschaftlichen Veränderungspotenziale des Netzes grundsätzliche sozio-
strukturelle Probleme der Demokratisierung, Aktivierung und Partizipation be-
nannt hatten, die einem raschen Wandel entgegenstehen, wurden ab 2005 im dis-
kursiven Fahrwasser um das zunächst rein internetökonomisch belegte Schlag-
wort „Web 2.0“ (O’Reilly 2006) vergleichbare Vorhersagen erneut formuliert
(einen Überblick bietet Schrape 2012).
Inzwischen setzt sich allerdings zunehmend die Einsicht durch, dass „wohl
doch kein so tiefgreifender Wandel von einseitigen Massenmedien zu vernetzten
Medien“ (Sutter 2011: 456) erfolgen und die moderne Gesellschaft auf massen-
mediale Strukturen bzw. funktionale Äquivalente angewiesen bleiben wird, wel-
che „die dezentralisierten Botschaften wieder auffangen, selegieren und in redi-
gierter Form synthetisieren“ (Habermas 2008: 161). Die unter anderem durch
Neidhardt (1994), Donges/Jarren (2011) und Habermas (1992) identifizierten
und nach Reichweite, Kommunikationsdichte wie Organisationskomplexität dif-
ferenzierten, realiter aber natürlich ineinander übergehenden Ebenen gesell-
schaftlicher Öffentlichkeit (episodisch/spontan – thematisch/organisiert – ab-
strakt/massenmedial) lösen sich durch die soziale Aneignung der Online- und
Mobiltechnologien nicht einfach auf, sondern treten in neue, sich derzeit erst
herausbildende Wechselbeziehungen. Dies zeigt sich insbesondere in dem viel-
diskutierten Verhältnis zwischen Social Media im Web und klassischen Massen-
medien.
24 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Zum einen deuten alle verfügbaren empirischen Daten darauf hin, dass sich
die Bevölkerung in der Rezeption von Informations- und Unterhaltungsangebo-
ten nach wie vor primär an den klassischen Massenmedien oder deren Online-
Angeboten orientiert (ARD/ZDF 2012; Neuberger 2012; Schrape 2010). Die
Gründe für diese Nutzungsmuster liegen jenseits der Dichotomie von ‚digital
natives‘ und ‚digital immigrants‘ in der prinzipiellen Knappheit zeitlicher wie
kognitiver Ressourcen: Sowohl einzelne Rezipienten als auch gesellschaftliche
Kommunikationssphären sind nach wie vor auf übergreifende Selektions- und
Synthetisierungsstellen angewiesen. Um diese Leistungen zu erbringen, bleiben
entsprechende professionelle Leistungsrollenträger bzw. Organisationsstrukturen
notwendig. Auch Social-Media-Intensivnutzer, die Plattformen wie Facebook
oder Twitter nicht nur zur Individualkommunikation oder zum semiprivaten
Austausch verwenden, sondern regelmäßig blogpublizistische Inhalte rezipieren
bzw. selbst aktiv werden, kommen nicht ohne eine erwartungssichere allgemeine
Berichterstattung aus, um einen basalen Überblick über gesamtgesellschaftlich
relevante Entwicklungen zu erhalten.
Zum anderen tragen die neuen Vernetzungs- bzw. Interaktionsmöglichkei-
ten aber zugleich erheblich zur Verdichtung der Kommunikation auf den mittle-
ren Ebenen gesellschaftlicher Öffentlichkeit bei. Mit dem (mobilen) Web erhö-
hen sich die Konstitutionschancen für themenzentrierte Teilöffentlichkeiten, wo-
durch nicht nur die nutzerzentrierte Diffusion von Inhalten bzw. Stellungnahmen
erleichtert wird, sondern auch Leerstellen und Unschärfen in der massenmedia-
len Berichterstattung schneller sichtbar werden können. Für professionelle jour-
nalistische Anbieter steigt dadurch sowohl die Zahl an potentiellen Themenquel-
len als auch der Aktualitäts- und Integrationsdruck erheblich an. Wie die Ent-
wicklungen um das GuttenPlag-Wiki zeigen, können einzelne Protagonisten
oder soziale Formationen aus dem Social Web punktuell durchaus die Reflexion
bestimmter Entwicklungen und Themen auf gesamtgesellschaftlicher Öffentlich-
keitsebene befördern und davon wiederum aufmerksamkeitsökonomisch profi-
tieren. Anders als mitunter vermutet kann der partizipative Journalismus gemes-
sen an den bisherigen empirischen Entwicklungen aber nicht in tagesaktueller
Frequenz mit professionellen massenmedialen Anbietern konkurrieren, nicht
zuletzt da die Motivation der Autoren im Social Web in der Regel weniger
durch langfristige als durch kurzfristige bzw. gegenstandsbezogene Anreize ge-
tragen wird (Reimer/Ruppert in diesem Band).
Social Media und Massenmedien stehen also weniger in einem rivalisieren-
den als in einem interagierenden bzw. sich ergänzenden Verhältnis zueinander,
was sich auch darin widerspiegelt, dass nutzergenerierte Inhalte in der journalis-
tischen Recherche eine zunehmende Rolle spielen und massenmediale Berichte
umgekehrt wiederum zu den meistempfohlenen Inhalten im Social Web gehören
(Schrape in diesem Band). Ohnehin wirkt die dichotome Gegeberstellung von
Medien in Transformation 25
‚neuen‘ und ‚alten‘ Medien in diesem Kontext bis zu einem gewissen Grad arbi-
trär, da sich im Netz alle bisherigen medialen Formen widerspiegeln und das
Web als technische Infrastruktur die Austauschprozesse auf sämtlichen Öffent-
lichkeitsebenen effektiviert und beschleunigt also sowohl die Individualkom-
munikation als auch das Agenda-Setting in Teilöffentlichkeiten und die Massen-
kommunikation. Hinzu kommt, dass viele der Veränderungsprozesse, die heute
im Allgemeinen den Online-Technologien zugerechnet werden, bereits vor ihrer
übergreifenden Etablierung angestoßen worden sind so etwa die voranschrei-
tende Diversifizierung der Kommunikations- und Informationskanäle oder die
„Entflechtung der medial erschlossenen Räume von den politischen Geltungs-
räumen“ (Imhof 2006: 200; Jarren 2001).
Vor diesem Hintergrund lässt sich das Verhältnis von neuen und einge-
spielten medialen Strukturen nicht primär als Konkurrenz, sondern eher als
komplementäre Koexistenz beschreiben: Wie schon das Radio entgegen vielen
Vorhersagen nicht die Zeitung und die Television nicht den Hörfunk obsolet
gemacht hat, konterkarieren auch die Online- und Mobiltechnologien nicht alle
bisherigen medialen Strukturen, denn unabhängig von der Entkopplung der In-
halte von spezifischen Trägermedien wirken klassische Massenmedien bzw. ihre
Online-Derivate und individualkommunikative bzw. semiprivat ausgerichtete
Vernetzungsmedien auf unterschiedlichen Öffentlichkeitsebenen. Zwischen die-
sen Ebenen entstehen durch die effizienteren und durchlässigeren Kommunika-
tionsstrukturen im Netz allerdings eine Vielzahl an neuen Austauschprozessen,
die wiederum auf die etablierten funktionalen, organisationalen und institutio-
nellen Strukturen in der Medienöffentlichkeit zurückwirken. ‚Neue’ und ‚alte‘
Medien stehen sich also nicht diametral gegenüber, sondern zeichnen sich durch
vielfältige wechselseitige Bezüge aus.
Worin aber bestehen nun die genuinen Effekte der Online- und Mobiltech-
nologien auf die gesellschaftlichen Öffentlichkeitsstrukturen? Um diese Frage
zu beantworten, ist eine prozessorientierte Analyseperspektive notwendig, die
sich nicht darin erschöpft, „das gerade Neue (oder das, was dafür gehalten wird)
[...] in den Mittelpunkt der Gesellschaftsbeschreibung“ (Luhmann 1997: 1096)
zu rücken, sondern auch die langfristigen medieninduzierten Transformations-
verläufe sowie die empirisch beobachtbaren Persistenzen reflektiert, ohne dabei
„das Neue doch nur Kategorien des Altbekannten“ zu unterwerfen (Sutter 2011:
158). Eine anfängliche Phase des unvoreingenommenen Staunens über die Mög-
lichkeiten neuer Medien kann durchaus weiterführend sein; sie sollte aber in der
möglichst differenziert zu beantwortenden Frage münden, inwieweit und auf
welchen gesellschaftlichen Feldern das vermeintlich Neue tatsächlich wirk-
mächtig wird bzw. sich zumindest in einigen Aspekten doch eher als Variation
bekannter Entwicklungen einordnen lässt. Vor diesem Hintergrund lassen sich
nach dem derzeitigen Beobachtungsstand unseres Erachtens drei wesentliche
26 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
explizit onlineinduzierte Verschiebungen in den Öffentlichkeitstrukturen identi-
fizieren: Die Entstehung algorithmisch vermittelter persönlicher Öffentlich-
keiten, das erleichterte Auftreten sekundärer Leistungsrollen in funktionalen
Kontexten und eine Intensivierung und Beschleunigung der Austauschprozesse
zwischen den verschiedenen Öffentlichkeitsebenen.
Mischformen zwischen den „korrespondieren Fluchtpunkten“ (Hauser 1987:
53) Privatheit und Öffentlichkeit sind wie individuelle ‚Filter Bubbles‘ kein
exklusives Phänomen der Internetgesellschaft. Eine neue Qualität aber birgt
dies ist unser erster Punkt die algorithmisch vermittelte Form persönlicher
Öffentlichkeit, in der sich die Nutzer von Social-Networking-Plattformen wie
Facebook bewegen (Dickel und König in diesem Band). Sie unterscheidet sich
von bisherigen Hybriden nicht nur durch die dauerhafte Auffindbarkeit, Über-
tragbarbarkeit, Skalierbarkeit und Durchsuchbarkeit der dargebotenen Inhalte
(Schmidt 2009: 107), sondern darüber hinaus durch automatisierte zeitliche, sach-
liche und soziale Strukturierungsleistungen, die sich an der Plattformidentität
des jeweiligen Nutzers bzw. an seinen Kontakten und durch Klicks explizierten
Interessen ausrichten und sie zugleich aktiv mitprägen. Diese algorithmisch un-
terfütterten selbstreferenziellen Filterstrukturen erleichtern und effektivieren das
persönliche Beziehungs-, Identitäts- und Informationsmanagement und bieten so
einen probaten Ausweg aus den zahlreichen kognitiven Überforderungslagen,
die aus dem Auftreten des Internet resultieren. Zugleich aber geben die User von
Online-Netzwerken auf diese Weise zwangsläufig einen Teil ihrer Entschei-
dungsautonomie an die Programmstrukturen der Plattform ab, wodurch Technik
explizit „zur Teilnehmerin sozialer Wirklichkeit“ wird (Braun-Thürmann 2002):
Die hinter den jeweiligen Filterleistungen liegenden Algorithmen bleiben nut-
zerseitig trotz oberflächlich bestehender Konfigurationsmöglichkeiten intranspa-
rent und dies erscheint insbesondere in einem oligopolistisch strukturierten
Markt problematisch, in dem nur wenige Unternehmen die Kontrolle über die
entsprechenden technologischen Arrangements ausüben.
Der professionelle Journalismus erfährt durch den Graswurzel- bzw. Laien-
journalismus im Netz bislang zwar keine grundsätzliche Konkurrenz. Nichtsdes-
toweniger aber wird dies ist der zweite Punkt die klassische Dichotomie
zwischen Leistungs- und Publikumsrollen durch die Online-Technologien ein
Stück weit aufgebrochen, da die neuen Kommunikationsstrukturen die punktu-
elle Ausführung journalistischer Tätigkeiten durch sekundäre Leistungsrollen-
träger (Stichweh 2005) deutlich erleichtern (Reimer/Ruppert in diesem Band).
Die aktiv partizipierenden Onliner im Social Web, die sich auf Plattformen wie
dem GuttenPlag-Wiki, in Open-Content-Projekten oder in der allgemeinen Blogo-
sphäre einbringen, unterscheiden sich vom reinen Publikumsstatus, indem sie
themenzentriert journalistische Recherche-, Selektions-, Ordnungs- und Darstel-
lungsprogramme prozessieren; sie lassen sich andererseits aber auch eindeutig
Medien in Transformation 27
von primären Leistungsrollenträgern abgrenzen, weil sie zentrale Merkmale
journalistischer Identität wie Universalität oder Periodizität (Neuberger et al.
2009: 200) nicht erfüllen. Da unbezahlte Laienjournalisten im Social Web in
kein organisationales Setting eingebunden und daher auch nicht an Mitglied-
schaftsregeln gebunden sind, ist ihre Arbeit in der Regel primär durch kurzfris-
tige Anreize wie Spaß oder Anerkennung motiviert bzw. an ihre individuellen
Interessenhorizonte gekoppelt. Gerade durch diese unkanalisierte Herangehens-
weise können Themen für die massenmediale Berichterstattung urbar gemacht
werden, die ansonsten aus dem journalistischen Aufmerksamkeitshorizont ge-
fallen wären. Somit tragen die Online- und Mobiltechnologien zur Binnendiffe-
renzierung des Feldes zwischen Publikums- und Leistungsrollen bei und beför-
dern eine neue Entwicklung, die sich derzeit im Journalismus besonders promi-
nent beobachten lässt, aber wiederum in vielen funktionalen Kontexten bereits
vor der Etablierung des Web angestoßen worden ist (z.B. Gerhards 2001).
Schließlich deuten unter anderem die Entstehung algorithmisch vermittelter
persönlicher Öffentlichkeiten und die Herausbildung relativ weniger vielrezi-
pierter Knotenpunkte in der deutschen wie internationalen Blogosphäre (Mayer-
Schonberger/Zappia 2011) darauf hin, dass trotz der neuen Infrastrukturen auch
im Netz erwartungssichere gesellschaftsübergreifende Sammel- und Filterstellen
unumgänglich bleiben, die in der individuellen Wahrnehmung zeitnah Orientie-
rung bieten und in der allgemeinen Kommunikation kontextübergreifend be-
kannte Bezugspunkte herstellen können. Auch deshalb führen die Onlinetech-
nologien nicht zu einem Zerfall der hierarchischen Ebenen gesellschaftlicher
Öffentlichkeit, die sich vor genau diesem Problemhorizont herauskristallisiert
haben. Aufgrund ihrer konvergierenden Architektur beschleunigen und intensi-
vieren sie allerdings dies ist unser dritter Punkt die Austauschprozesse zwi-
schen den einzelnen kommunikativen Arenen in signifikanter Weise: Einerseits
können sich Mediennutzer im Web rascher und unkomplizierter in Teilöffent-
lichkeiten einbringen, als dies in der Offlinewelt glich war, wodurch sich das
Potenzial für die inhaltliche bzw. politische Partizipation erhöht – falls das Inter-
esse dazu gegeben ist. Und andererseits werden durch die Online-Technologien
die Diskurse und Diffusionsprozesse auf mittlerer Öffentlichkeitsebene für pro-
fessionelle Journalisten oder auch die Leistungsrollenträger anderer Funktions-
sphären deutlicher sichtbar, woraus sich wiederum zahlreiche neue Rückkopp-
lungs- und Interaktionsmöglichkeiten ergeben, die im Journalismus teilweise
auch schon genutzt werden (Weichert 2011). Insofern lösen sich die eingespiel-
ten Ebenen gesellschaftlicher Öffentlichkeit nicht auf, sondern werden durch die
verdichteten Kommunikationsstrukturen wechselseitig durchlässiger.
Die hier reflektierten Entwicklungen zeigen, dass die Online- und Mobil-
technologien in naher Zukunft kaum zu einer radikalen Ablösung der bereits
etablierten Medien oder zu einer fundamentalen Erosion der langfristig kristalli-
28 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
sierten Öffentlichkeitsstrukturen führen werden. Durch ihre soziale Aneignung
wurden in den zurückliegenden 20 Jahren allerdings zahlreiche durchaus signifi-
kante Verschiebungen in unterschiedlichen Bereichen angestoßen. Relativ gesi-
chert erscheint mit Blick auf die bisherigen Veränderungen, dass sich der gegen-
wärtige Strukturwandel der Öffentlichkeit weniger als eruptiver oder krisenhaf-
ter Umbruch, sondern eher gradueller und vielschichtiger Transformationspro-
zess fassen lässt, der durch das facettenreiche Ineinanderwirken eingespielter
und neu entstehender medialer Architekturen geprägt ist. Diese komplementäre
Koexistenz ‚neuer‘ und ‚alter‘ Medien führt zu einer Erweiterung des Spektrums
an Kommunikationsformen auf allen Ebenen gesellschaftlicher Öffentlichkeit
und steigert die Interaktionsfrequenz zwischen diesen einzelnen Arenen, wodurch
sich auch das Diffusionspotenzial für alternative bzw. innovative Inhalte erhöht.
Kritisch zu hinterfragen bleibt dabei jedoch die zunehmende Bedeutung von
algorithmischen Filterstrukturen, die sich bislang da sich die Hoffnung auf
eine pluralistischere Internetökonomie nicht erfüllt hat in der Hand weniger
marktdominierender Unternehmen befinden.
5 Bilanz: Substanzieller Wandel als schrittweise Rekonfiguration
Der maßgeblich durch das Internet und Mobile Devices angestoßene Wandel,
der sich in den verschiedenen Medienbereichen seit einigen Jahren vollzieht,
reicht deutlich über jene inkrementellen Veränderungen hinaus, die im normalen
Gang der Dinge ohnehin stattfinden. Die organisationalen, ökonomischen und
institutionellen Architekturen der großen Mediensektoren stehen auf dem Prüf-
stand, neue Herausforderer mit Macht und Einfluss treten auf den Plan und prä-
gen die internetbasierte Medienökonomie, etablierte Geschäftsmodelle erodie-
ren, größere institutionelle Neujustierungen (wie z.B. im Urheberrecht) werden
erforderlich und die medial vermittelten gesellschaftlichen Öffentlichkeitsstruk-
turen erweitern sich signifikant. All das rechtfertigt es, von einem substanziellen
Wandel der Medien, der sie prägenden Regelungsstrukturen und Akteurfigura-
tionen zu sprechen.
Dieser Wandel setzt sich freilich nicht als radikaler Bruch in kurzer Frist in
Szene, sondern als sukzessiver und vielschrittiger Rekonfigurationsprozess, der
sich über längere Zeiträume, über eine Zeitspanne von einem oder zwei Jahr-
zehnten erstreckt und vielerorts noch am Anfang steht. Größere institutionelle
Veränderungen sind verhandlungsintensiv und brauchen Zeit, neue Märkte ent-
wickeln sich sukzessive und lösen die alten nicht einfach ab, die Suche nach
internetbasierten neuen Geschäftsfeldern ist vielerorts schwierig, Newcomer for-
dern die Etablierten heraus und tragen zur Ausdifferenzierung der Akteure bei
und neue Formen internetbasierter Öffentlichkeit treten zu den vorhandenen hin-
Medien in Transformation 29
zu. All das rechtfertigt es, den substanziellen Wandel der Medien zugleich als
Prozess gradueller Transformation zu begreifen.
Typisch für diesen Transformationsprozess ist neben der offenkundigen Tat-
sache, dass er zeitlich gestreckt, asynchron und von Sektor zu Sektor verschieden
verläuft, die Beobachtung, dass er eher von Ausdifferenzierung, Komplementarität
und Koexistenz als von Auflösung und Austausch geprägt wird. Das betrifft das
Verhältnis von ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medien, das geprägt wird durch die Erweite-
rung um vielfältige neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, und
gilt auch für die Herausbildung neuer Märkte, die zumindest für eine längere Über-
gangsphase zu den klassischen Medienmärkten hinzutreten und erst mit der Zeit an
transformativer Bedeutung gewinnen. Das trifft ebenso für die Medienakteure und
ihre Beziehungen zueinander zu. Neue Spieler kommen hinzu, einige wenige von
ihnen wachsen in dominante Positionen hinein, es gibt Gewinner und Verlierer,
aber in aller Regel keinen vollständigen Austausch der Akteure nicht einmal als
Ergebnis eines krisenhaften Umbruchs wie etwa den in der Musikindustrie.
Koexistenz und Komplementarität bedeuten freilich nicht das friedliche und
kooperative Zusammenwirken aller Beteiligten. ‚Alte‘ und ‚neue‘ Medien ko-
existieren zwar und interagieren miteinander, befinden sich allerdings zugleich
in Auseinandersetzung um Einfluss und Deutungshoheit in einer medial vermit-
telten gesellschaftlichen Öffentlichkeit, die trotz Social Media auch heute noch
wesentlich durch die klassischen Massenmedien geprägt wird. ‚Alte‘ und ‚neue‘
Medienakteure zeichnen sich mit Blick auf das Internet zwar durch komplemen-
täre Leistungen aus die einen produzieren Inhalte, die anderen tragen zu ihrer
Verbreitung bei – und kooperieren auch miteinander, sind aber zugleich in
scharfe Konkurrenz- und Positionskämpfe rund um die sich herausbildenden
neuen Geschäftsfelder im Internet verwickelt. Dass das ökonomische Geschäft
im Internet Vertrieb, Werbung, Geräte mittlerweile stark von wenigen inter-
netaffinen Konzernen geprägt wird, ist nicht zuletzt der in der Regel geringeren
Adaptionsfähigkeit der etablierten Unternehmen geschuldet, die auf die ökono-
mischen Herausforderungen des Netzes – von Ausnahmen abgesehen – ver-
gleichsweise spät reagiert und dadurch weite Teile des neuen Feldes in seiner
formativen Phase den Internetkonzernen überlassen haben.
Daraus ergibt sich schließlich ein grundlegendes und bislang nicht aufge-
löstes Dilemma, das für den Transformationsprozess der Medien insgesamt ty-
pisch ist und als Entkopplung von Inhalt und Trägermedium beschrieben worden
ist. Während die Produktion von übergreifend relevanten Medieninhalten nach
wie vor vornehmlich in den klassischen Medienbereichen stattfindet, haben
deren Akteure die Kontrolle über die Migration und Verbreitung der Inhalte im
Internet recht weitgehend verloren – an die zentralen Gatekeeper des Netzes, die
den Zugang zu den Angeboten bereitstellen, und an die Nutzer, die die Ange-
bote, die das Netz zu bieten hat, wann immer möglich kostenlos nutzen.
30 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Literatur
Ahuja, G./Lampert, C./Tandon, V. 2008: Moving Beyond Schumpeter: Management Re-
search on the Determinants of Technological Innovation. In: The Academy of Manage-
ment Annals, Vol. 2/No. 1, S. 1–98
Ala-Fossi, M./Bakker, P./Ellonen, H.-K./Küng, L./Lax, S./Sadaba, C./Wurff, R. 2008: The
impact of the Internet on business models in the media industries a sector-by-sector
analysis. In: Küng, L./Picard, R./Towse, R. (eds.): The Internet and the Mass Media. Los
Angeles, London: Sage, S. 149–169
ARD/ZDF Medienkommission 2012: ARD/ZDF-Onlinestudie 2012 (Internet: http://www.
ard-zdf-onlinestudie.de; zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Barabasi, A.-L. 2003: Linked. London: Plume
Berkers, E./Geels, F. 2011: System innovation through stepwise reconfiguration: the case of
technological transitions in Dutch greenhouse horticure (1930–1980). In: Technology
Analysis & Strategic Managemen, Vol. 23/No. 3, S. 227–247
Beyer, J. 2006: Pfadabhängigkeit. Über institutionelle Kontinuität, anfällige Stabilität und
fundamentalen Wandel. Frankfurt/M., New York: Campus
BIU Bundesverband interaktive Unterhaltungssoftware (Hg.) 2012: Games-Report 2012.
Zahlen und Fakten zur deutschen Games-Industrie. Berlin: BIU
Braun-Thurmann, H. 2002: Kunstliche Interaktion. Wie Technik zur Teilnehmerin sozialer
Wirklichkeit wird. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Burns, T./Stalker, G. 1961: The Management of Innovation. Oxford: Oxford University Press
Currah, A. 2006: Hollywood versus the Internet: the media and entertainment industries in a
digital and networked economy. In: Journal of Economic Geography, Vol. 6, S. 439–468
Currah, A. 2007: Hollywood, the Internet and the World: A Geography of Disruptive Innova-
tion. In: Industry & Innovation, Vol. 14/No. 4, S. 359–384
Dogruel, L./Katzenbach, C. 2010: Internet-Ökonomie Grundlagen und Strategien aus kom-
munikationswissenschaftlicher Sicht. In: Schweiger, W./Beck, K. (Hg.): Handbuch On-
line-Kommunikation. Wiesbaden: VS, S. 105–129
Dolata, U. 2005: Eine Internetökonomie? In: WSI-Mitteilungen, Jg. 58/Heft 1, S. 11–17
Dolata, U. 2009: Technological Innovations and Sectoral Change. Transformative Capacity,
Adaptability, Patterns of Change: An Analytical Framework. In: Research Policy, Vol.
38/No. 6, S. 1066–1076
Dolata, U. 2011: Soziotechnischer Wandel als graduelle Transformation. In: Berliner Journal
für Soziologie, Jg. 21/Heft 2, S. 265–294
Dolata, Ulrich, 2011a: Wandel durch Technik. Eine Theorie soziotechnischer Transformation.
Frankfurt/M., New York: Campus
Dolata, Ulrich, 2011b: Google vs. Facebook: Der Kampf um das Internet. In: Blätter für deut-
sche und internationale Politik, 56 (9), S. 26–29
Donges, P./Jarren, O. 2011: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Wiesba-
den: VS
eMarketer 2012: Net US Online Ad Revenues at Top 5 Ad-Selling Companies as a Percent of
Total Online Ad Revenues, 2011–2014. New York: eMarketer
Medien in Transformation 31
Evans, D. 2008: The Economics of the Online Advertising Industry. In: Review of Network
Economics, Vol. 7/No. 3, S. 359–391
Gerhards, J. 2001: Der Aufstand des Publikums. Eine systemtheoretische Interpretation des
Kulturwandels in Deutschland zwischen 1960 und 1989. In: Zeitschrift für Soziologie,
Jg. 30/Heft 3, S. 163–184
Greenwood, R./Hinings, C. 1996: Understanding Radical Organizational Change: Bringing
together the Old and the New Institutionalism. In: The Academy of Management Re-
view, Vol. 21/No. 4, S. 1022–1054
Habermas, J. 1992: Faktizität und Geltung. Frankfurt/M.: Suhrkamp
Habermas, J. 2008: Ach Europa. Frankfurt/M.: Suhrkamp
Hauser, K. 1987: Strukturwandel des Privaten? Berlin, Hamburg: Argument-Verlag
Heger, C. 2011: Ausblicke auf das Kino von morgen. In: Media Perspektiven, Jg. 42/Heft 12,
S. 608–616
IfM Institut für Medien- und Kommunikationspolitik 2012: Datenbank Onlinekonzerne.
Berlin: IfM (Internet: http://www mediadb.eu/; zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Imhof, K. 2006: Mediengesellschaft und Medialisierung. In: Medien & Kommunikation, Jg.
2/Heft 2, S. 191–215
Jarren, O. 2001: Mediengesellschaft Risiken für die politische Kommunikation. In: Politik
und Zeitgeschichte, B 41/42, S. 10–19
Lam, A. 2005: Organizational Innovation. In: Fagerberg, J./Mowery, D./Nelson, R. (eds.):
The Oxford Handbook of Innovation. Oxford: Oxford University Press, S. 115–147
Leblebici, H./Salancik, G. /Copay, A./King, T. 1991: Institutional Change and the Transfor-
mation of Interorganizational Fields: An Organizational History of the U.S. Radio Broad-
casting Industry. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 36/No. 3, S. 333–363
Litan, R./Rivlin, A. 2001: The Economic Payoff from the Internet Revolution. Washington/
D.C.: Brookings Institution
Luhmann, N. 1997: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp
Mayer-Schonberger, V./Zappia, Z. 2011: Participation and Power: Intermediaries of Open
Data. Paper prepared for the 1
st
Berlin Symposium on Internet and Society (Internet:
http://berlinsymposium.org/sites/berlinsymposium.org/files/participation_and_power.pdf;
zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Meckel, M. 2000: Neue und alte Medien. Probleme und Perspektiven. In: Meendermann, K./
Meyer, M./Muszyuski, B. (Hg.): Neue Medien in der politischen Bildung. Munster:
Waxmann, S. 9–24
Mellahi, K./Wilkinson, A. 2004: Organizational failure: a critique of recent research and a
proposed integrative framework. In: International Journal of Management Reviews, Vol
5–6/No. 1, S. 21–41
Neidhardt, F. 1994: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. In: Neidhardt,
F. (Hg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen: Westdeut-
scher Verlag, S. 7–41
Neuberger, C. 2004: Wandel der aktuellen Öffentlichkeit im Internet. Gutachten für den
Deutschen Bundestag. Vorgelegt dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bun-
destag. Berlin
32 Ulrich Dolata, Jan-Felix Schrape
Neuberger, C. 2012: Journalismus im Internet aus Nutzersicht. In: Media Perspektiven, 1,
S. 40–55
Neuberger, C./Nuernbergk, C./Rischke, M. (Hg.) 2009: Journalismus im Internet. Wiesbaden:
VS
O’Reilly, T. 2006: Web 2.0 Compact Definition: Trying Again. In: O’Reilly Radar vom 10.
12.2006 (Internet: http://radar.oreilly.com/2006/12/web-20-compact-definition-tryi html;
zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Ortmann, G. 2009: Management in der Hypermoderne. Wiesbaden: VS
Pew Research Center 2012: The State of the News Media 2012. Washington/D.C.: PEW (In-
ternet: http://stateofthemedia.org; zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
PriceWaterhouseCoopers 2012: IAB Internet Advertising Revenue Report. 2011 Full Year
Results. New York: PWC
Rothaermel, F. 2001: Incumbent’s advantage through exploiting complementary assets via
interfirm cooperation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22/No 6–7, S. 687–699
Schmidt, J. 2009: Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0. Konstanz:
UVK
Schrape, J.-F. 2010: Neue Demokratie im Netz? Eine Kritik an den Visionen der Informa-
tionsgesellschaft. Bielefeld: Transcript
Schrape, J.-F. 2012: Wiederkehrende Erwartungen. Visionen, Prognosen und Mythen um
neue Medien seit 1970. Boizenburg: Hülsbusch
Sorge, A./van Witteloostuijn, A. 2004: The (Non)sense of Organizational Change: An Essay
about Universal Management Hypes, Sick Consultancy Metaphors, and Healthy Organi-
sation Theories. In: Organization Studies, Vol. 25/No. 7, S. 1205–1231
Stichweh, R. 2005: Inklusion und Exklusion. Studien zur Gesellschaftstheorie. Bielefeld:
Transcript
Streeck, W./Thelen, K. 2005: Introduction: Institutional Change in Advanced Political Eco-
nomies. In: Streeck, Wolfgang/Kathleen Thelen (eds.): Beyond Continuity. Institutional
Change in Advanced Political Economies, Oxford: Oxford University Press, S. 1–39
Sutter, T. 2008: „Interaktivität“ neuer Medien. Illusion und Wirklichkeit aus der Sicht einer
soziologischen Kommunikationsanalyse. In: Willems, Herbert (Hg.): Weltweite Welten.
Frankfurt/M.: VS, S. 57–74
Sutter, T. 2011: Die Suche nach Neuem Herausforderungen der soziologischen Internetfor-
schung. In: Soziologische Revue, Jg. 34/Heft 4, S. 453–462
Turecek, O./Roters, G. 2012: Wirtschaftlich positive Bilanz für die deutsche Videobranche.
In: Media Perspektiven, Jg. 43/Heft. 6, S. 308–316
Waldman, S./The Working Group on Information Needs of Communities 2011: The Informa-
tion Needs of Communities. The changing media landscape in a broadband age. O.O.
(Internet: www fcc.gov/infoneedsreport; zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Wehner, J. 1997: Interaktive Medien: Ende der Massenkommunikation? In: Zeitschrift für
Soziologie, Jg. 26/Heft. 2, S. 96–114
Weichert, S. 2011: Der neue Journalismus. In: Publizistik, Jg. 56/Heft 4, S. 363–371
Wolters, O. 2011: Paradigmenwechsel in der Games-Branche. Berlin: BUI (Internet: http://
www.biu-online.de/de/presse/newsroom/paradigmenwechsel-in-der-games-branche html;
zuletzt aufgesucht am 1.10.2012)
Medien in Transformation 33
Wurff, R. van der 2008: The impact of the Internet on media content. In: Küng, L./ Picard, R.
G./Towse, R. (Hg.): The Internet and the Mass Media. Los Angeles, London: Sage,
S. 65–85
ZAW Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 2012: Medien: Die Meisten im Plus.
Berlin: ZAW (Internet: http://www.zaw.de/index.php?menuid=119; zuletzt aufgesucht
am 1.10.2012)
Zerdick, A. et al. 2001: Die Internet-Ökonomie. Strategien für die digitale Wirtschaft. Berlin,
Heidelberg: Springer
... Asteadystream of sectoralorinfrastructure studies-from the biotech to the informationand communication sector,from the music industry to the finance systemdemonstratedt he analytical utilityo ft his transformational approach and its high potential for learning by comparisons.I th as certainlyb een stronglyi nfluenced by Hall and Soskice'sparadigmatic comparativesocio-economic "varieties of capitalism" approach, an influencethat is reflected in its attempt to describe and explain varieties of "socio-technical transformations." What it has accomplished is to advanceo ur understanding of the influential role of a "technological profile" of emergent technologies in the different paths of transitionthat the particularareas and industries are undergoing and the role of social movements therein (Dolata and Schrape, 2013). ...
Chapter
Full-text available
This essay reviews the German-language literature on technology and innovation and maps the main developments in this fragmented field from a sociological perspective. It focuses on selected topics, turns, and advances since 2000 and relates them to the international debates in the social studies of science and technology. The first topic that this paper addresses is the debate on how to conceptualize technology when it is viewed as part of and not external to society. I sketch the changes from early means-end approaches to actual forms/media concepts of technicization and social-material constellations. The second issue is the question of human agency and the responses to the provocations that ensue from artificial intelligence and actor-network theory. A third point of discussion is the turns to micro studies and to more comprehensive perspectives on socio-technological transformations. Two discursive shifts in technology and innovations studies demonstrate the latest advances towards a broad and integrated theoretical framework: one from the assessment of specific technologies to the governance of distributed innovation processes, another from a narrow economic concept of innovation to a sociological one that extends to all types of innovations in society.
... The first of these expansion trends concerns the extremely complex field of inter- net-based media content and services, targeted and vied for especially by Google, Apple and Amazon, recently also by Facebook ( Dolata and Schrape 2013). Over the last decade, these companies have gradually turned into internet-based media groups and are steadily building their profile as turnkey providers of a broad range of commercial services and media content, some of which they are now produc- ing themselves. ...
Book
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-319-78414-4 +++ This book provides a comprehensive overview of the manifestations and interrelations of collectivity and power on the internet from a sociological point of view. It addresses questions on how different forms of internet-based collectivities (masses, crowds, movements, communities ) could be understood and differentiated from one another. It presents analyses on the role technical infrastructures of the web play for their formation, how the mobilization and organization of social movements and social protests has changed through social media, how work and decision-making processes are organized in open source communities and why the essential segments of the commercial internet are today concentrated in the hands of a few corporations who dispose over significant economic, infrastructural and rule-setting power.
Research
Full-text available
Digitaler Wandel, ökonomische Krise und Vertrauensverlust als Herausforderungen der medialen Transformation führen zu noch größerem Stress sowie zu Zukunftssorgen unter Journalist:innen. Insbesondere Jüngere denken verstärkt daran, ihren Job aufzugeben. Ein großer Teil der Interviewten hält die Publikumskritik an einseitiger oder zu unkritischer Berichterstattung für bedingt richtig. Die Studie zeigt deutliche Hinweise auf psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz mit erhöhtem Risiko für Erkrankungen wie Burn-out. Journalist:innen beklagen in diesem Zusammenhang mangelnde Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Medienunternehmen und Interessensvertretungen sollten gemeinsam Maßnahmen des psychologischen Gesundheitsmanagements entwickeln.
Chapter
Der Aufsatz geht der Frage nach, wie sich Wirtschaftssektoren unter dem Eindruck grundlegend neuer technologischer Möglichkeiten, die dort ein enormes Entwicklungs- und Einsatzpotenzial haben, verändern und wie sich ein solcher sektoraler Wandel durch Technik analysieren lässt. Dazu werden zunächst ausgewählte Zugänge zum Thema und anschließend forschungspragmatische Überlegungen zur Untersuchung technikgeprägten sektoralen Wandels vorgestellt.
Article
Full-text available
The goal of this article is to explain long term restructurations and transformations of the media industry. In order to do so, the article uses theory elements of a critique of the political economy of the media. The paper is a contribution to the development of theoretical approaches that provide a theoretical analysis of the media in capitalism based on Karl Marx’s concepts. The capitalist mode of production is the primary driving force of media corporations‘ strategic action and of the media economy’s structural transformations. Factors that are of particular relevance in such structural transformations include profit orientation, capital accumulation, capitalist crises, state policies, behaviour of producers and consumers, private property, class relations, the antagonism between productive forces and relations of production, the antagonism of variable and constant capitalism, the antagonism of use-value and exchange-value, and competition. Competition, capital’s need to survive, and capitalism’s immanent crisis potentials force corporations try to create innovations such as new digital technologies. Informatisation, which includes the use of the computer as universal machine and the Internet, is the provisionally latest stage in the development of the productive forces that has affected media technologies and the media industry. The capital-driven structural digital transformation of the media industry has resulted in the convergence of production, distribution and consumption, the creation of a variety of non-tangible digital products, digital rationalisation and automation, and the universal real subsumption of labour under capital. These developments have also created the potential potentials for overcoming the capitalist character of the media economy and advancing decommodification based on the emergence of a universal digital media system.
Chapter
Full-text available
+++ https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-476-04860-8_13 +++ Aus prozesssoziologischer Perspektive tritt hervor, dass sich in der gegenwärtigen Diskussion um Big Data und Privatheit viele Thesen und Erwartungen widerspiegeln, die im Zuge der allmählichen Computerisierung und Informatisierung der Gesellschaft bereits in den Jahrzehnten zuvor immer wieder formuliert worden sind. Darüber hinaus zeigt sich, dass sich die Unterscheidung zwischen ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ selbst in vielen Belangen erst im Horizont grundlegender medientechnischer Umbrüche in der Lebenswelt verfestigt hat. Der vorliegende Beitrag beschreibt den Übergang zur Daten- und Informationsgesellschaft insofern nicht als Revolution in kurzer Frist, sondern als graduellen und langfristigen Transformationsprozess, in dem das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit beständig neu austariert wird.
Chapter
Urheberrechte regulieren die Zugangs-, Nutzungs- und kommerziellen Verwertungsrechte an Kunst, Kultur und Wissenschaft in allen Medienformen vom Druck auf Papier über Baukunst bis zum Online-Stream. Die über 100-jährige Geschichte weltweiter Urheberrechtspolitik ist seit einiger Zeit ein technokratischer Prozess der internationalen Annäherung und Harmonisierung. Seit den 1990er Jahren verwandelt sich dieses Refugium rechtswissenschaftlicher Expertise allerdings zu einem Feld offener Interessengruppenkonflikte und zivilgesellschaftlicher Proteste. Three-Strikes-Drohungen und Abmahnwellen durch die Wirtschaft an massenhaftes File-Sharing werden mit Großdemonstrationen gegen multilaterale Handelsverträge (ACTA), gegen Zensur und Überwachung beantwortet. Klar ist, dass der technologische Wandel durch Digitalisierung und Vernetzung einflussreich war und weiterhin ist. Ist er aber ursächlich? Führt mehr Digitalisierung zu mehr Konflikt? Erklärt er nationale und internationale Reformtätigkeit? In dieser policy-analytischen Aufarbeitung zeigt sich, welche Akteure und Konstellationen, welche Sequenzen und Ebenen sowie welche Diskurselemente und Ideen bisher als einflussreich erkannt wurden. Als Einführung macht sie den Leser mit der sozialwissenschaftlichen Literatur zum deutschen Urheberrecht vertraut. Im Zentrum steht die Verbindung der deutschen Regulierungstätigkeit mit gesellschaftlichen Entwicklungen sowie internationalen und europäischen Politikprozessen als auch der Stand der Erforschung der deutschen Urheberrechtspolitik in den Felder Populärkultur und Wissenschaftsliteratur.
Article
Full-text available
The global business world is infected by a virus that induces a permanent need for organizational change, which is fed by the management consultancy industry. The nature of the organizational change hype changes colour frequently, through the emergence of new universal management fashions. An urge to change is understandable from the perspectives of the consultant and the manager, but often organizational changes are ineffective or counter-productive when implemented. In this context, this article's purpose is threefold. First, on the basis of an interpretation of different literatures, we flesh out an argument about the nonsense of organizational change that is driven by sick consultancy metaphors. Second, we argue that the application of healthy organization theories offers ample guidelines for organizational change initiatives that make more sense than prominent management consultancy rhetoric. Third, pulling both strings together, we plead for the development of an evidence-based (change) consultancy practice.
Article
Full-text available
Schumpeter’s conjecture that large monopolistic firms were the key source of innovation in modern industrial economies has been the underpinning for much work on the topic of innovation. In this review paper we consciously move beyond the Schumpeterian tradition of focusing on firm size and market structure as the primary determinants of innovation to identify a broader set of innovation determinants that have been investigated by the management literature. We make a distinction between innovative efforts and innovative output and for each of these outcomes we group the determinants of innovation into four broad headings—industry structure, firm characteristics, intra‐organizational attributes, and institutional influences. We examine four aspects of the industrial structure and how they influence innovation: the horizontal market structure which reflects the influence of competition and collaboration, as well as the role of buyers, suppliers and complementors. Under the rubric of firm characteristics, we consider the many externally observable attributes of a firm such as its size, scope, access to external sources of knowledge such as through alliances, and performance. Under the heading of intra‐organizational attributes we look at the inside of the firm, the firm’s organizational structure and processes, corporate governance arrangements including compensation and incentive structures, the backgrounds of managers, and organizational search processes. Finally, we consider two significant sets of institutional influences, the supply of science (wherein we also examine the nature and degree of science–industry relationships), and the appropriability regime. In each setting we try to structure the existing literature to identify the core theoretical mechanisms as well as empirical support for those mechanisms. We explicitly focus on the management literature in this area recognizing that the work of economists is being summarized in other such reviews. However, we have consciously tried to use terminology and organizing structures that should be familiar to both economists and management scholars and hope to encourage greater conversation and cross‐fertilization between these two groups. To facilitate this outcome we especially emphasize some areas where management literature has developed the most (e.g., alliances and networks) but then integrate the literature in these areas within the broader rubric of work in the economics tradition.
Article
The research reported here explores how institutional practices change over time in an interorganizational field, in the historical context of the U.S. radio broadcasting industry. It identifies three endogenous mechanisms of change: analogies that are used to make sense of and manage new phenomena, private agreements between identifiable parties, and conventions, the practices adopted by some constituents to solve coordination problems. The use of each mechanism is associated with the nature of the goods transacted within a field and triggers change in established practices as actors attempt to realize value from their transactions. After describing each mechanism as found in the radio broadcasting industry, we focus our historical analysis on conventions. It reveals that conventions were introduced into the broadcasting field by fringe players to deal with shifting coordination problems and competitive pressures. Once they were adopted by the central players, these conventions transformed the organization of the industry by changing the basis of transactions and became its new institutional practices. We conclude that the organization of a field is not permanent, but is contingent upon institutionalized definitions of what is being transacted.
Article
In this chapter, we first consider the economic reasons why the Internet increased the availability of existing content rather than adding new content and new content formats. We then discuss the role of the Internet as platform for social communications and user generated content. Next, we look more specifically at content that is offered on the Internet. We try to estimate how much content is available, discuss the different types of content offered and highlight the role of search engines to make all this content accessible. Special attention is paid to the availability of news on the Net. The chapter ends with conclusions and a brief outlook into the future.
Article
The complexity of political, regulatory, and technological changes confronting most organizations has made radical organizational change and adaptation a central research issue. This article sets out a framework for understanding organizational changes from the perspective of neo-institutional theory. The principal theoretical issue addressed in the article is the interaction of organizational context and organizational action. The article examines the processes by which individual organizations retain, adopt, and discard templates for organizing, given the institutionalized nature of organizational fields.
Article
Der Beitrag führt in die (medien)ökonomischen Merkmale und Besonderheiten des Internets ein. Im Zentrum steht dabei der Begriff der Internet-Ökonomie, unter dem in der Literatur die ökonomischen Auswirkungen von Digitalisierung und Vernetzung beschrieben werden. Nach einer begrifflichen Klärung und Abgrenzung verwandter Begriffe wie E-Commerce, digitale Ökonomie und New Economy werden die in der Literatur identifizierten Merkmale der Internet-Ökonomie systematisiert und beschrieben. Als zentrale Besonderheiten des Wirtschaftens mit Mediengütern im Netz erweisen sich die Entkopplung von Medium und Inhalt, eine veränderte Kostenstruktur, zunehmende Netzwerkeffekte sowie die wachsende Bedeutung von Nutzern. Auf dieser Grundlage werden die Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Strategien entlang der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen diskutiert. Insbesondere zeigen sich Veränderungen in der Akteurskonstellation (Dis-/Reintermediation), der Erstellung und Verwertung von Medieninhalten, der Distribution und der Einbindung der Nutzenden. Dabei wird nachgewiesen, dass das Internet zu keinem radikalen Wandel medienökonomischer Gesetzmäßigkeiten geführt hat, sondern vor allem bestehende Merkmale und Strategie modifiziert hat – wenn auch zum Teil stark.
Article
Although transitions are usually perceived as technological substitution processes, the article shows that stepwise reconfiguration is more likely for supplier-dominated sectors. In this transition pattern, novelties are initially adopted as ‘modular innovation’ into existing systems and subsequently reconfigure the basic architecture through new combinations of old and new elements. Incumbent actors survive these transitions through interactions with suppliers of knowledge and innovations. Using Pavitt's innovation typology, we selected a case study from his supplier-dominated category: greenhouse farming. The article makes a techno-economic analysis of the overall transition pattern in Dutch greenhouse horticulture (1930–1980) and a socio-institutional analysis of the knowledge flows and networks. ‘Innovation cascades’ are identified as a particularly important mechanism in reconfiguration transitions.