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Was kam eigentlich nach Kirchhof? Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition

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Abstract

Im August 2005 wurde der Universitätsprofessor Paul Kirchhof von Angela Merkel zum Schattenfinanzminister nominiert. Diese Entscheidung war ein wesentlicher Grund für das enttäuschende Wahlergebnis der CDU. Kirchhofs steuerpolitische Ideen boten der SPD eine willkommene Angriffsfläche, um die CDU als unsozial und neoliberal darzustellen. Bei den Wahlkampfauftritten Gerhard Schröders gehörte die spöttische Bezugnahme auf den „Professor aus Heidelberg“ zum Standardrepertoire und versinnbildlichte die Abgehobenheit, Bürgerferne und soziale Kälte, die die SPD der Union vorwarf. Doch obwohl die Steuerpolitik im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte, hat sie im Regierungshandeln wenig Raum eingenommen. Die zentrale These dieses Beitrags lautet, dass die Große Koalition in der Steuer- und Finanzpolitik nur die notwendigsten Anpassungen vorgenommen hat, weil man sich regierungsintern wegen unterschiedlicher Policy-Präferenzen nicht auf weit reichende Reformen einigen konnte.
Thomas Rixen
Was kam eigentlich nach Kirchhof? Die Steuer- und
Finanzpolitik der Großen Koalition 1
Im August 2005 wurde der Universitätsprofessor Paul Kirchhof von Angela Merkel zum
Schattenfinanzminister nominiert. Diese Entscheidung war ein wesentlicher Grund für das
enttäuschende Wahlergebnis der CDU. Kirchhofs steuerpolitische Ideen boten der SPD eine
willkommene Angriffsfläche, um die CDU als unsozial und neoliberal darzustellen. Bei den
Wahlkampfauftritten Gerhard Schröders gehörte die spöttische Bezugnahme auf den "Pro-
fessor aus Heidelberg" zum Standardrepertoire und versinnbildlichte die Abgehobenheit,
Bürgerferne und soziale Kälte, die die SPD der Union vorwarf. Doch obwohl die Steuerpo-
litik im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte, hat sie im Regierungshandeln wenig Raum
eingenommen. Die zentrale These dieses Beitrags lautet, dass die Große Koalition in der
Steuer- und Finanzpolitik nur die notwendigsten Anpassungen vorgenommen hat, weil man
sich regierungs intern wegen unterschiedlicher Policy-Präferenzen nicht auf weit reichende
Reformen einigen konnte.
Im ersten Abschnitt wird der finanz- und steuerpolitische Reformbedarf, dem sich die
Große Koalition gegenüber sah, anhand eines internationalen Kennzahlenvergleichs. An-
schließend wird herausgearbeitet, welche konkreten Ziele sich die Koalition in ihrem Re-
gierungsprogramm tatsächlich gegeben hat (Abschnitt 2). Dabei wird deutlich, dass sich die
Partner nach einem kontrovers geführten Wahlkampf nicht auf weit reichende Reformpläne
einigen konnten. Stattdessen beschloss man ein wenig ambitioniertes Regierungsprogramm,
in dem zwar einige der gesellschaftlichen Herausforderungen aufgegriffen wurden, zumeist
jedoch nur graduelle Reformmaßnahmen vorgesehen waren. Im dritten Abschnitt wird die
Umsetzung der selbst gesetzten Ziele im Regierungshandeln analysiert. Es zeigt sich, dass
die Gesetzgebungstätigkeit niedriger war als die der Vorgängerregierung, dass kaum grund-
legende Entscheidungen getroffen worden sind und dass wichtige Vorhaben nur in langwie-
rigen Prozessen der Kompromissbildung verabschiedet werden konnten, die nicht immer zu
angemessenen Problemlösungen führten. Zu grundlegenden Reformmaßnahmen kam es in
der Regel nur dann, wenn die Regierungskoalition durch externen Druck zum Handeln
gezwungen wurde. Bei der Unternehmensteuerreform hat der internationale Steuerwettbe-
werb die entscheidende Rolle gespielt, bei der Erbschaftsteuer das Bundesverfassungsge-
richt. Das Gericht war auch bei der Wiedereinführung der Pendlerpauschale von Bedeu-
tung, wobei hier zudem der Finanz- und Wirtschaftskrise eine zentrale Rolle zukam. Diese
hat auch weitere, eigentlich konflikthafte Entscheidungen wie beispielsweise die mit der
Föderalismusreform II beschlossene Schuldenbremse ermöglicht.
2
An diese Detailanalysen
I
Für hilfreiche Hinweise und Anregungen bedanke ich mich bei Sebastian Bukow, Peter Schwarz und Wenke
Seemann. Tobias Weise danke ich flir Unterstützung bei der Recherche.
2
Allerdings ist das insgesamt enttäuschende Ergebnis der Reform des Finanzföderalismus weniger eine Folge der
regierungsinternen Parteiendifferenz als vielmehr auf einen nicht überwundenen Verteilungskontlikt zwischen
armen und reichen Bundesländern zurückzuflihren (dazu Abschnitt 3).
192 Thomas Rixen
schließt eine abschließende Würdigung der Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition
an (Abschnitt 4).
1 Die Gestaltungsaufgaben
Vor welchen Aufgaben stand die Große Koalition zu Beginn der Regierungszeit? Zur Be-
antwortung dieser Frage soll zunächst die steuer- und finanzpolitische Ausgangslage 2005
im internationalen Vergleich dargestellt und anschließend der sich daraus ergebende Re-
formbedarf identifiziert werden.
1.1 Höhe und Struktur der Einnahmen und Ausgaben - die Ausgangslage
Eines der bestimmenden Themen seit den 1990er Jahren ist die Staatsverschuldung, die seit
Anfang der 1990er Jahre - bedingt durch die Wiedervereinigung, die von der Regierung
Kohl zu einem wesentlichen Teil über die Aufnahme von Schulden und nicht über Steuer-
erhöhungen finanziert wurde - stärker gewachsen ist als im OECD-Durchschnitt, aber im-
mer noch unter diesem liegt. Während Deutschland bei den Staatseinnahmen im Durch-
schnitt der OECD-Länder liegt, sind die Ausgaben im selben Zeitraum höher, zuletzt je-
doch leicht rückläufig (Abbildung 1).
Abbildung
1:
Ausgaben, Einnahmen und Schuldenstand in Prozent des BlP, 1991-2006
80
75
70
65
60
55
50
45
•••••• #
..
.
.
Schuldenstand
OECDlZl
..........
.. .. ... ..
OECDlZl
...
"'"
.....
,Sthuldenstand
Deutschland
Aus aben
Deutsch
40
35
30
Einnahmen
--~~~~-=~~:~~--~~.-._.,-"-
Einnahmen OECD' - - - - - - --
lZl
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
(Quelle: OECD 2009)
Ein genauerer Blick auf die Ausgabenstruktur (Tabelle I) zeigt, dass Deutschland im euro-
päischen Vergleich über eine sehr niedrige Investitionsquote verfügt und auch die Personal-
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition
193
ausgaben (inkl. soziale Dienstleistungen) sowie die Bildungsausgaben unterdurchschnittlich
ausfallen. Bei den Konsumausgaben und im Bereich des Schuldendienstes liegt Deutsch-
land dagegen im Durchschnitt und bei den Sozialtransfers (monetäre und sachliche Trans-
fers) nimmt es gar den Spitzenplatz ein.
Tabelle 2: Struktur der Staatsausgaben in der EU und Norwegen (insgesamt 28 Staaten)
in Prozent des BIP (2005)3
Investitionen Konsum Zinsen Personal Sozialtransfers Bildung
Höchste
5,0% 26,4 4,7% 17,3% 26,6% 8,3%
Ausgaben (Malta) (Schweden) (Italien) (Dänemark) (Deutschland) (Dänemark)
Deutschland
1,4% 18,7% 2,8% 7,5% 26,6% 4,5%
(26.
Rang)
(15.
Rang)
(8.
Rang)
(27.
Rang) (l. Rang)
(20.
Rang)
Niedrigste
0,7% 15,4 % 0,0% 7,3% 8,8% 3,5 %
Ausgaben (Großbritannien) (Irland) (Norwegen) (Slowakei) (litauen) (Rumänien)
EU-IS l2l
2,2% 20,9% 2,8% 10,8% 20,0% 5,4 %
EU-2S121
2,2 % 20,8% 2,8% 10,8% 19,8% 5,1 %
(Quelle: Eurostat 2009)
Doch wie ist das Bild auf der Einnahmenseite? Während die deutsche Gesamtabgabenquote
- der Anteil der gesamten Steuer- und Abgabenlast am BIP - bis zu den 1980er Jahren über
dem OECD-Durchschnitt lag, entspricht sie seit den 1990er Jahren dem Durchschnitt der
OECD-Staaten und stagniert seit Mitte der 1990er Jahre. Von 1999 bis 2005 ist sie leicht
rückläufig gewesen. Die wichtigsten Gründe dafür waren die Entlastungen durch die große
rot-grüne Steuerreform 1998-2005 und die anhaltende gesamtwirtschaftliche Stagnation. Im
Unterschied dazu liegt die bundesdeutsche Steuerquote, in der insbesondere die Sozialab-
gaben nicht enthalten sind, bereits seit den 1980er Jahren unter dem OECD-Durchschnitt,
wobei der Abstand zum Durchschnitt im Zeitablauf zugenommen hat.
JZwischen den in der Tabelle verwendeten Kategorien gibt es Überschneidungen. Bei Investitionen und Konsum
handelt es sich um Abgrenzungen der Volkswirtschaftlichen Oesamtrechnung (VOR). Bildungsausgaben sind Z.B.
nach der VOR teilweise konsumtiv, teilweise investiv (z.B. Hochschulbau).
194 Thomas Rixen
Abbildung
2:
Steuern und Abgaben in Prozent des BIP, 1965bis 2005
OECD0
26
22
Steuerquote OECD ",. - ••.• , .••.••_
r
.......-'0----
--
24' -
,>-"-
_ / \ / "..,';- ",I"
Steuerquote
",. ;;:: ~ /' - - •••••••- \ /' r- - " ,- ,Deutschland
/,/ ,/
~
,~
30
32
28
38
34
36
20
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
"Qi "Qi
"Oj "Oj "Oj "Oj "Oj "Oj "Oj "Oj
"Qi
"Oj "Oj "Oj "Oj "Oj "Oj "Oj
'),"5
rfi rfi
(Quelle: OECD 2009)
Wie Abbildung 3 verdeutlicht, ist in Deutschland der Anteil der direkten Steuern, d.h. der
Steuern auf Einkommen und Profite, an den Gesamteinnahmen im internationalen Ver-
gleich eher niedrig. Dafür wird aber ein hoher Anteil der Einnahmen in Form von Sozialab-
gaben, insbesondere Sozialversicherungsbeiträgen, erhoben (39,9 Prozent aller Staatsein-
nahmen im Jahr 2005). Dies erklärt, warum in Deutschland die Abgabenquote und die
Steuerquote deutlich auseinander fallen und gerade durchschnittlich verdienende Arbeit-
nehmer stark belastet sind - deren Gesamtabgabenquote lag 2005 bei 52,5 Prozent und war
damit die zweithöchste aller OECD-Länder. Der OECD-Durchschnitt lag bei 37,2 Prozent
(OECD 2006: 14). Dagegen fallen die Vermögenssteuern, zu denen unter anderem die
Erbschafts- und Grundsteuern gehören, in Deutschland besonders niedrig aus. Damit stellt
sich Deutschland als "christdemokratisch-kontinentaleuropäischer" Steuerstaat dar, wie der
Vergleich mit einem typischen Vertreter des "sozialdemokratisch-skandinavischen" und
"liberal-konservativen" Steuerstaates in Abbildung 3 verdeutlicht (vgl. näher dazu: Wag-
schal 2001).
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition
Abbildung 3: Einnahmen nach Steuerarten in Prozent der Gesamteinnahmen, 2005
195
Deutschland ... -:28,2:-
USA
Dänemark
OECD0
....
..
. .
..
. .
..
. .
..
.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
o
Direkte Steuern 11Indirekte Steuern 0 Sozial\ersicherung IJ Vermögensteuer
(Quelle: OECD 2009)
Nicht dargestellt, aber ebenfalls zu erwähnen ist der Befund, dass in den OECD-Ländem
die steuerliche Belastung des Faktors Kapital im Verhältnis zu der des Faktors Arbeit seit
längerem sinkt (Schwarz 2007). Wesentlicher Grund ist der internationale Steuerwettbe-
werb, in dem die Belastung des mobilen Faktors zu Ungunsten des immobilen sinkt.
1.2 Handlungsbedarf
Dieser schlaglichtartige, international vergleichende Blick weist auf Handlungsbedarfe hin.
So wird etwa eine ungünstige Struktur der Staatsausgaben deutlich. Insbesondere müsste
von konsumtiven zu investiven Staatsausgaben umgeschichtet werden. Dies sollte auch den
Umbau des Sozialstaats von einem transferbasierten zu einem stärker auf soziale Infrastruk-
tur setzenden Sozialstaat beinhalten (vgl. z.B. Henkes/Petring 2007). Vor allem im Bil-
dungsbereich gibt es, wie angesichts der PISA-Ergebnisse auch einer breiten Öffentlichkeit
bewusst wurde, erheblichen Handlungsbedarf. Entsprechende Umschichtungen würden
auch zu einer weiterhin notwendigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beitragen,
da sie langfristig die Kosten senken und das Wachstum befördern könnten, was sich auf der
Einnahmenseite positiv bemerkbar macht.
Auch auf der Einnahmenseite gibt es Handlungsbedarf. Allerdings nicht bezüglich der
Höhe der Gesamtabgaben, sondern vor allem bei der Struktur der Einnahmen. Insbesondere
wäre eine andere Finanzierung der Sozialversicherung anzustreben. Die Versicherungsbei-
träge erhöhen erstens die Kosten der Arbeit und gelten deshalb als ein Grund für die
schlechte Entwicklung des Arbeitsmarktes. Zweitens fuhren die proportional erhobenen
196 Thomas Rixen
Beiträge dazu, dass abhängig Beschäftigte mit mittleren Einkommen besonders stark be-
lastet werden. Eine stärker steuerfinanzierte soziale Sicherung ist deshalb wünschenswert
(Kromphardt 2006: 363). Außerdem wäre eine Regulierung des internationalen Steuerwett-
bewerbs notwendig, damit sich die relative Belastung der Faktoren Arbeit und Konsum im
Verhältnis zu Kapital nicht noch weiter erhöht. Weiterhin zeigt der internationale Ver-
gleich, dass es durchaus Spielraum für eine Erhöhung der Vermögensbesteuerung gäbe.
Doch nicht nur die objektiven Befunde zeigen Handlungsbedarf an, sondern auch die
subjektiven Bewertungen der Steuer- und Finanzpolitik durch die Steuerzahler. Eine reprä-
sentative Umfrage (KleinsteuberNehrkamp 2007) kommt zu dem Ergebnis, dass in
Deutschland 80 Prozent der Bevölkerung die Steuer- und Abgabenlast für zu hoch halten,
sich gleichzeitig aber eine große Mehrheit der Bevölkerung (66 Prozent) eine aktive Sozial-
und Umverteilungspolitik vom Staat wünscht. Insbesondere höhere Bildungsausgaben und
eine Bekämpfung der Kinderarmut werden von fast allen Bürgerinnen und Bürgern befür-
wortet (68 bzw. 74 Prozent). Große Einigkeit besteht aber sowohl bei der Bevölkerung als
auch bei fast allen Experten (vgl. z.B. Bundesrechnungshof 2006) darüber, dass das derzei-
tige Steuerrecht zu kompliziert und unverständlich sei. In der Konsequenz ist die Mehrheit
der Bürgerinnen und Bürger unzufrieden mit dem Steuersystem, weil sie es für ungerecht
und intransparent hält (Allensbach Institut für Demoskopie 2008) - es besteht also auch
von Seiten der Steuerzahler ein politischer Handlungsdruck.
2 Die Ziele: Steuer- und Finanzpolitik im Wahlkampf und bei der
Regierungsbildung
In
diesem Abschnitt wird dargestellt, welches Arbeitsprogramm sich die Große Koalition
gegeben hat. Zuvor wird auf die Wahlprogramme und den Wahlkampf eingegangen, um die
unterschiedlichen Positionen der Parteien herauszuarbeiten.
2.1 Steuer- und Finanzpolitik im Wahlkampf
Die rot-grüne Vorgängerregierung konzentrierte sich in ihrer zweiten Legislaturperiode auf
die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen der Agenda 2010. Man sah weder
Bedarf noch Spielraum für größere steuerpolitische Maßnahmen, da man die Bürgerinnen
und Bürger mit den Steuerreformen der vorherigen Legislaturperiode ausreichend entlastet
habe (Bach 2008: 65). Auch in ihren Wahlprogrammen für die Bundestagswahl2005 haben
SPD und Grüne diese Linie vertreten und sich auf kleine Korrekturen am bestehenden Sys-
tem beschränkt. Die SPD forderte eine so genannte "Reichensteuer", nach der für Einkom-
men ab 250.000 Euro (bzw. 500.000 Euro für Verheiratete) ein Grenzsteuersatz von 45
Prozent gelten sollte, eine aufkommensneutrale Senkung des Unternehmensteuersatzes von
25 auf 19 Prozent, Änderungen bei der Gewerbesteuer und eine Reform der Erbschaftsteu-
er. Letzteres war wegen eines zu erwartenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts ohne-
hin notwendig. Außerdem sollte eine europaweite Angleichung der Unternehmensteuer mit
Mindestbesteuerung zur Regulierung des Steuerwettbewerbs eingeführt werden (SPD
2005).
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 197
Auf Seiten des bürgerlichen Lagers arbeitete man zu Oppositionszeiten an weit rei-
chenden Reformvorschlägen zur Einkommensteuer und stieß damit eine intensive Diskus-
sion in Politik und Öffentlichkeit an, die die weit verbreitete Unzufriedenheit mit einem als
kompliziert und ungerecht empfundenen Steuerrecht aufgriff. Das Ziel war, durch eine
Bereinigung der Bemessungsgrundlagen und eine Senkung der Steuersätze zu einer radika-
len Vereinfachung des Steuersystems zu kommen. So sollte es standortfreundlicher werden
und mehr Anreize für Wachstum und Beschäftigung setzen. Der ehemalige Verfassungs-
richter und Rechtsprofessor Paul Kirchhof legte mit seiner Forschungsgruppe Bundessteu-
ergesetzbuch einen entsprechenden Vorschlag vor (Kirchhof 2003). Dieser sieht vor, dass
bei einem Freibetrag von 8.000 Euro ein Steuersatz von 25 Prozent auf alle Einkommen
angewandt wird.
4
Außerdem soll gänzlich auf Lenkungs- und Subventionsnormen verzich-
tet werden. Der vorgeschlagene Gesetzestext ist nur neun Seiten lang und umfasst 23 Para-
graphen, in denen die Einkommens- und Unternehmensbesteuerung geregelt sind. Auf der
Basis dieser Vorschläge hat der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz seine "Bierdeckelsteu-
er" entwickelt, die einen dreistufigen Einkommensteuertarif vorsah, der von einem Grund-
freibetrag von 8000 Euro an Sätze von 12,24 und 36 Prozent (ab 40.000 Euro) aufweisen
sollte. Ausnahmetatbestände wie Freibeträge, Abzugsbeträge sowie Steuerbefreiungen und
-ermäßigungen sollten weitgehend gestrichen werden (CDU 2003). Allerdings waren die
Pläne von Friedrich Merz in der Union umstritten. Der bayerische Finanzminister Kurt
Faltlhauser legte ein weniger radikales Modell mit einem linear-progressiven Tarifverlauf
und einem Spitzensteuersatz von 39 Prozent vor. Man einigte sich im unionsinternen Steu-
erstreit im Frühjahr 2004 darauf, dass man zunächst das CSU-Modell vertreten und erst in
einem zweiten Schritt das Stufenmodell von Merz umsetzen wolle (vgl. Leithäuser 2005).
Laut Wahlprogramm der CDU/CSU sollte diese Reform den Auftakt bilden für eine radika-
le Vereinfachung des Steuerrechts, die im späteren Verlauf der Legislaturperiode zu verab-
schieden sei. Außerdem kündigte die Union eine Abgeltungsteuer an, d.h. eine definitive
Besteuerung von Kapitaleinkünften an der Quelle zu einem niedrigen, einheitlichen Satz.
Schließlich sollte die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht werden, um die zusätz-
lichen Einnahmen zur Senkung der Beiträge der Arbeitslosenversicherung zu verwenden
(CDU/CSU 2005). Einen ähnlichen Entwurf für eine große Reform der direkten Steuern
legte die FDP bereits Mitte der 1990er Jahre unter Federführung von Hermann-Otto Solms
vor und brachte dessen Weiterentwicklung als Gesetzentwurf in den deutschen Bundestag
ein (BT-Drs. 15/2349, 16/679).
Nach der Berufung Kirchhofs zum Schattenfinanzminister einer etwaigen schwarz-
geiben Koalition wurden aber nicht nur die im Wahlprogramm der Union enthaltenen Vor-
schläge in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern auch Kirchhofs Steuermodell. SPD und
Grüne kritisierten es als sozial unausgewogen und neoliberal. Dabei konnten sie sich auf
Studien berufen, die Einnahmeausfalle in einer Größenordnung von 1,1 bis 1,6 Prozent des
SIP prognostizierten und eine überproportionale Entlastung für die Bezieher größerer Ein-
kommen (Finanzministerkonferenz 2004). Auch unionsintern gab es Konflikte. Sowohl die
CSU als auch die CDU-Ministerpräsidenten Wulff, Müller und Koch lehnten das Kirchhof-
Konzept ab, da sie Einnahmeausfalle für die Länder fürchteten. So musste schließlich öf-
4
Allerdings sollen bei einem zu versteuernden Einkommen zwischen € 8.000 und € 13.000 nur 60% des Einkom-
mens diesem Satz unterworfen werden. Für Einkommen von € 13.000 bis € 18.000 werden 80% versteuert. Man
kann dies in einen Dreistufentarifumrechnen: 15% für 8.000 bis 13.000,20% flir 13.000 bis 18.000 und 25% (ab
18.000).
198 Thomas Rixen
fentlich klargestellt werden, dass das Unionswahlprogramm die Grundlage der Regierungs-
politik in der kommenden Legislaturperiode bilden solle und nicht Kirchhofs eigenes Steu-
erreforrnmodell. Angesichts der Tatsache, dass der avisierte Koalitionspartner FDP ein
Konzept vertrat, das dem Kirchhofs sehr ähnlich war und Kirchhof selbst seine Pläne für
die übernächste Legislaturperiode aufrecht hielt (Leithäuser 2005), blieb SPD und Grünen
das Thema aber erhalten.
Ein weiterer Streitpunkt im Wahlkampf war die durch die Union angekündigte Mehr-
wertsteuererhöhung. Die SPD geißelte die regressive Wirkung der von ihr so betitelten
"Merke1steuer". So wurde die Steuerpolitik zu einem der zentralen Themen des Wahlkamp-
fes, an dem die SPD ihren Vorwurf exemplifizieren konnte, dass die Union in der Regie-
rung eine sozial ungerechte und "neoliberale" Politik betreiben werde (vgl. Beise 2005). Im
Wahlkampf schmolz so der Vorsprung der Union dahin, die Union konnte sich nur knapp
als stärkste Kraft über die Ziellinie retten und musste einsehen, dass es für ihre weit rei-
chenden Pläne zur Steuerreform keine gesellschaftlichen Mehrheiten gab (siehe auch Hun-
sickerlSchroth in diesem Band).
2.2 Steuer- und Haushaltspolitik im Koalitionsvertrag
Nach der Regierungsbildung waren die ambitionierten Steuerreformpläne der Union ebenso
schnell vom Tisch wie der Widerstand der SPD gegen eine Mehrwertsteuererhöhung. Statt
der im Wahlkampf anvisierten zwei Prozentpunkte beschloss man sogar eine Erhöhung um
drei Prozentpunkte, so dass der allgemeine Satz zum 1.1.2007 auf 19 Prozent angehoben
wurde (der ermäßigte Satz blieb unverändert bei 7 Prozent).
Im Koalitionsvertrag erklärten die Partner, dass es angesichts der "dramatischen Aus-
gangslage" nicht gelingen werde, im Jahre 2006 einen verfassungskonformen Haushalt im
Sinne des Art. 115 GG vorzulegen und die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Ab 2007 soll-
ten aber beide Regelgrenzen wieder eingehalten werden. Allerdings wurden kaum konkrete
Einsparmaßnahmen, sondern lediglich Grundsätze der Haushaltskonsolidierung benannt.
Neben wenigen kleinen Ausgabekürzungen und der Mehrwertsteuererhöhung wurden vor
allem Maßnahmen vorgeschlagen, die der wirtschaftlichen Konjunktur und Innovationsfä-
higkeit zu Gute kommen sollten, wie z.B. die Förderung von Bio- und Gentechnologie,
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen und die Einführung eines Elterngeldes. Ein höheres
Wirtschaftswachstum sollte zu mehr Einnahmen führen und so zur Haushaltskonsolidie-
rung beitragen
(CDU/CSU/SPD
2005: 77-81).
In der Steuerpolitik gab man sich folgendes Arbeitsprogramm
(CDU/CSU/SPD 2005:
77-81; Merkel 2005): Als wichtigste Maßnahme wurde eine Unternehmensteuerreform
angekündigt, deren Ziele die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die Si-
cherung von Steuerbasis im Inland und die rechtsforrnneutrale Besteuerung sein sollten.
Zweitens sollten die Beiträge der Arbeitslosenversicherung zum 1.1.2007 von 6,5 auf 4,5
Prozent gesenkt werden, finanziert durch einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung
und durch Effizienzgewinne bei der Bundesanstalt für Arbeit. Gleichzeitig sollte der Bei-
trag zur gesetzlichen Rentenversicherung von 19,5 auf 19,9 Prozent ansteigen. Für die
Krankenversicherung wurde ein umfassendes Zukunftskonzept angekündigt, das Beitrags-
senkungen oder zumindest -stabilität garantieren sollte (siehe GrimmeisenlWendt in diesem
Band). Ab dem 1.1.2007 sollte die von der SPD geforderte "Reichensteuer" gelten und die
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 199
Eigenheimzulage sollte zum 1.1.2006 abgeschafft werden. Außerdem kündigte man eine
Reform der Kfz-Steuer an, die sich zukünftig am CO
r
und Schadstoffausstoß orientieren
sollte. Die Erbschaftsteuer wollte man bis spätestens 1.1.2007 unter Berücksichtigung des
zu erwartenden Bundesverfassungsgerichtsurteils reformieren. Schließlich nahm man sich
vor, im zweiten Teil der Föderalismusreform die Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern neu zu ordnen. Zu diesem Zweck wurde eine Bund-Länder-Kommission zur "Mo-
dernisierung der Finanzbeziehungen" eingesetzt.
Insgesamt zeigt sich, dass sich die Große Koalition in Folge divergierender politischer
Positionen, die im Wahlkampf deutlich betont wurden, nur auf ein wenig ambitioniertes
Arbeitsprogramm einigen konnte. Es sah keine grundlegenden Reformen vor, sondern be-
schränkte sich auf das Notwendigste. Mit Ausnahme der Föderalismusreform sollte es al-
lenfalls graduelle Weiterentwicklungen bestehender Politiken geben. Trotzdem fanden sich
zwei traditionell politisch umstrittene Maßnahmen, nämlich die Reform der Unternehmens-
steuern und der Erbschaftsteuer auf der Agenda. Diese wurden aber, wie ich im Folgenden
argumentieren werde, nur deshalb in Angriff genommen, weil sich die Regierung in diesen
Bereichen durch den Steuerwettbewerb bzw. das Bundesverfassungsgericht zum Handeln
gezwungen sah.
3
Die Umsetzung: Kaum weit reichende Reformen und schwierige
Kompromissbildung
In diesem Teil wird das tatsächliche Regierungshandeln analysiert. Es wird zunächst gezeigt,
dass die steuerpolitische Aktivität der Großen Koalition vergleichsweise gering war (Ab-
schnitt 3.1). Anschließend wird anhand der Entstehung der beiden wohl wichtigsten Geset-
zesmaßnahmen gezeigt, dass das zurückhaltende Regierungshandeln vorrangig durch grund-
legende Policy-Differenzen verursacht wurde. Man kam bei Reformen nur deshalb zu einer
Einigung, weil externe Handlungszwänge die Kompromissfähigkeit erhöhten (Abschnitte
3.2, 3.3). Auch die Finanzkrise, deren Folgen sich spätestens ab Herbst 2008 sehr deutlich
zeigten, hat die Kompromissbildung erleichtert. Es wird deshalb gezeigt, wie die Krise ei-
nerseits die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung vollkommen obsolet machte und
andererseits eine schnelle Einigung bei konflikthaften Themen ermöglichte (Abschnitt 3.4).
3.1 Gesetzgebungsaktivität und Reichweite der Reformbemühungen
Tabelle 2 zeigt finanzielle Indikatoren für die steuerpolitische Gesetzgebungsaktivität aller
Bundesregierungen seit 1965 und basiert auf Schätzungen des Bundesfinanzministeriums
(BMF) zu finanziellen Auswirkungen der Steuerrechtsänderungen für den Bundeshaushalt
im jeweils ersten Jahr ihrer Geltung (BMF 2008). Spalte 1 enthält die Summe der Steuerbe-
lastungen und Spalte 2 die Steuerentlastungen als prozentualen Anteil an den gesamten
Ausgaben des Bundes (Quelle: BMF, verschiedene Jahrgänge), wohingegen Spalte 3 die
finanziellen Be- und Entlastungen steuerlicher Gesetzesmaßnahmen summiert und damit
die Höhe der Veränderungen verdeutlicht. Um die Koalitionen vergleichen zu können wird
dieser Wert auf eine jährliche Maßzahl standardisiert (Spalte 4), welche als Indikator für
die Reformaktivität der jeweiligen Regierung dienen kann. Ergänzend wird angezeigt, ob
200 Thomas Rixen
die steuerpolitischen Maßnahmen der Regierung in der Gesamtheit zu einer Nettobelastung
(+) oder Nettoentlastung (-) geführt haben (Spalte 5).
Tabelle 3: Steuerliche Be- und Entlastungen als Anteil an Bundesausgaben, 1965-20095
(3) (4) (5)
(1) (2) Summe Be- Jährlicher
(Il
Differenz
Summe Be-
Belastungen Entlastungen und Entlastun- und Entlastun- Be- und Entlas-
gen gen tungen
CDU/C5U und
5PD 7,9% 2,1 % 10% 2% +5,8%
(1965-1969)
5PD und FDP 29,4 % 23,1 % 52,5% 3,8% +6,3%
(1969-1982)
CDU/C5U und
FDP 38,5% 28,6% 67,1 % 3,9% +9,9%
(1982-1998)
5PD und Grüne 17,7% 22,9% 40,6% 5,1% -5,2%
(1998-2005)
CDU/C5U und
5PD 12,4 % 9,4 % 21,8% 4,4% + 1,7%
(2005-2009)
Es zeigt sich, dass die Große Koalition 2005-2009 ein leicht überdurchschnittliches Aktivi-
tätsniveau aufweist. Allerdings ändert sich das Bild, wenn man die ursprünglich nicht ge-
planten steuerlichen Maßnahmen der beiden durch die Finanzkrise notwendig gewordenen
Konjunkturpakete und die Neuregelung der Pendlerpauschale, zu der die Regierung vom
Bundesverfassungsgericht gezwungen wurde und die ebenfalls ursprünglich nicht beabsich-
tigt war, herausrechnet. Ohne diese Maßnahmen ergäben sich eine durchschnittliche jährli-
che Summe der Be- und Entlastungen von 3,6 Prozent des BIP und damit ein unterdurch-
schnittliches Aktivitätsniveau.
6
Im Vergleich zur rot-grünen Vorgängerregierung war die
Große Koalition hingegen steuerpolitisch weniger aktiv, was insofern bemerkenswert ist,
als dass die rot-grüne Koalition meist mit gegenläufigen Mehrheiten im Bundesrat konfron-
tiert war, während die Große Koalition auf gleichlaufende Mehrheiten trifft (siehe dazu
Seemann in diesem Band). Es zeigt sich allerdings über den gesamten Beobachtungszeit-
raum, dass weder gegenläufige Mehrheiten zu einer niedrigeren Aktivität geführt haben,
noch gleichlaufende Mehrheiten zu einer höheren (Wagschal 2006: 247-8). Es ist zudem
auffällig, dass linke Regierungen keine höheren Belastungen beschlossen haben als konser-
vative, im Gegenteil ist die rot-grüne Bundesregierung die einzige, die Steuerentlastungen
5Auswertung auf Grundlage von BMF (2008). Rundungsfehler können auftreten. Für die Große Koalition hat das
Bundesfinanzministerium bisher lediglich die bis November 2008 verfiigbaren Zahlen vorgelegt. Die Daten wur-
den deshalb ergänzt durch die wichtigsten Gesetzesmaßnahmen, die anschließend getroffen wurden. Dabei handelt
es sich insbesondere um die Wiedereinfiihrung der Pendlerpauschale, die Erbschaftsteuerreform und die steuerli-
chen Maßnahmen im Rahmen der beiden Konjunkturpakete. Schätzungen zu deren fiskalischen Auswirkungen
stammen aus Horn et al. (2009). Es fehlen kleinere Gesetzesmaßnahmen.
6
Die Wiedereinfiihrung der Pendlerpauschale fiihrt zu einer Entlastung von 5,5 Mrd. Euro, inklusive der Rücker-
statlungen fiir 2007 und 2008, alleine im Jahr 2009. Die steuerlichen Maßnahmen der Konjunklurpakte fUhrenzu
einer ähnlich großen Entlastung.
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 201
beschlossen hat (Spalte 5). Dazu kommt, dass die jetzige Koalition steuerpolitisch deutlich
mehr Geld bewegt hat als die erste Große Koalition.
Die finanziellen Auswirkungen sind aber nicht der einzig mögliche Indikator, um die
Reformtätigkeit zu messen. Von Bedeutung ist ebenfalls, ob es sich um grundlegende Re-
formen oder lediglich um kleinere Anpassungen bestehender Politikinstrumente handelt.
Eine derartige Typologisierung wird von Peter Hall (1993: 278-9) vorgeschlagen. Er ver-
steht unter einer Reform erster Ordnung, dass das Politikinstrument und das Politikziel
unverändert bleiben. Es wird lediglich die Einstellung des Instrumentes, also z.B. ein Steu-
ersatz, geändert. Bei einer Reform zweiter Ordnung bleiben die Politikziele unverändert,
aber neue Instrumente zu ihrer Erreichung werden eingefiihrt bzw. bestehende Instrumente
stark verändert. Bei Reformen dritter Ordnung ändern sich nicht nur die Einstellungen und
Instrumente, sondern auch die Politikziele.
Tabelle 4: Reformpolitische Reichweite von Steuergesetzen, 2005 bis 2009
7
Jahr der Reform erster Ordnung Reform zweiter Ordnung
Verabschiedung
2005
- Gesetz zur Beschränkung der Verlust- - Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzu-
verrechnung bei Steuerstundungsmo- lage (30.12.2005; Belastung)
dellen (30.12.2005; Belastung)
2006
- Gesetz zur steuerlichen Förderung
von Wachstum und Beschäftigung
(26.04.2006; Entlastung)
- Anhebung des Umsatzsteuersatzes
um 3 Punkte im Haushaltsbegleitgesetz
(29.06.2006; Belastung)
- Abschaffung der Pendlerpauschale bis
zum 20. km im Steuerrechtsänderungs-
gesetz 2007 (26.07.2006; Belastung)
2007
- Unternehmensteuerreformgesetz 2008
(06.07.2007; Entlastung)
2008
- 5teuererleichterungen im Rahmen des Erbschaftsteuerreform (05.12.2008; auf-
Konjunkturpaketes I (05.12.2008; kommensneutral)
Entlastung)
2009
- Steuererleichterungen im Rahmen des Kfz-Steuerreform (20.02.2009; Entlastung)
Konjunkturpaketes
11
(20.02.2009;
Entlastung)
- Wiedereinführung der Pendlerpau-
schale auf Rechtsstand 2006
(03.04.2009; Entlastung)
7
Eigene Einstufung nach der Systematik von Hall (1993). Datengrundlage: BMF (2008) und fiir die Zeit nach
November 2008 eigene Recherche. Es sind nur jene Maßnahmen berücksichtigt worden, deren gesamte finanzielle
Auswirkungen wenigstens 2 Mrd. Euro betrugen. Die Einordnung mancher Maßnahmen in die Systematik könnte
strittig sein. Man könnte z.B. der Ansicht sein, dass es sich bei der Abschaffung der Pendlerpauschale um eine
Reform zweiter Ordnung handelt, weil die Pauschale grundsätzlich abgeschafft wird und nur in Ausnahmefällen,
wenn der Arbeitsweg länger als 20 km ist, gewährt wird. Hier wird sie aber als einfache quantitative Anpassung
des Instruments interpretiert.
202 Thomas Rixen
Mit Blick auf die in Tabelle 3 erfolgte Klassifizierung der gesetzlichen Maßnahmen der
Großen Koalition flil1tauf, dass keine Reformen dritter Ordnung aufgeführt sind - derartige
Reformen fanden nicht statt und waren auch im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Die
allermeisten Gesetzesmaßnahmen sind Reformen erster Ordnung. Lediglich der Wegfal1
der Eigenheimzulage, die Reform der Unternehmenssteuern, die Erbschaftsteuerreform und
die Kfz-Steuerreform sind Reformen zweiter Ordnung. Das Unternehmensteuerreformge-
setz setzt sich aus mehreren Einzelmaßnahmen zusammen. Während die Absenkung des
Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 Prozent und die Absenkung der Steuermesszahl in
der Gewerbesteuer auf 3,5 Prozent eine Reform erster Ordnung darstellt, ist die Neueinfüh-
rung einer Zinsschranke und der Wegfall des Betriebsausgabenabzugs in der Gewerbesteu-
er eine Reform zweiter Ordnung. Insgesamt ist das Gesetz deshalb als eine Reform zweiter
Ordnung charakterisiert. Bei der Erbschaftsteuer geht es ebenfalls um eine Reform zweiter
Ordnung, weil die Bemessungsgrundlage auf den so genannten Verkehrswert umgestellt
wurde. Auf beide Reformen wird unten genauer eingegangen. Die Kfz-Steuer stel1t eine
Reform zweiter Ordnung dar, weil sie in Zukunft anhand des COz-Ausstoßes anstatt des
Hubraums bemessen wird.
Es lässt sich also festhalten, dass sich die Große Koalition hauptsächlich auf die Wei-
terentwicklung und Anpassung bestehender Gesetze konzentriert hat. Ihre Gesetzgebungs-
tätigkeit bewegt sich, gemessen an den finanziellen Be- und Entlastungen, zwar leicht über
dem Durchschnitt der Vorgängerregierungen, wäre aber niedriger ausgefallen, wenn die
ursprünglich nicht geplanten steuerlichen Maßnahmen im Rahmen der Konjunkturpakete
und die Wiedereinführung der Pendlerpauschale nicht nötig geworden wären. Auch in der
Gesamtschau beider hier verwendeten Indikatoren ist die Gesetzgebungsaktivität unter-
durchschnittlich. Das hohe finanzielle Niveau wird vor al1em durch die Erhöhung der
Mehrwertsteuer erreicht, einer Reform erster Ordnung, die im ersten Jahr ihrer Wirksamkeit
zu Mehreinnahmen von rund 23 Mrd. Euro geführt hat.
3.2 Unternehmensteuerreform: Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb
Die Unternehmensteuerreform wurde von der Koalition als das wichtigste steuerpolitische
Reformvorhaben angekündigt. Zentrales Ziel war es, Deutschland im internationalen Steu-
erwettbewerb besser zu positionieren. Die von vielen geteilte Diagnose lautete, dass die
deutsche Wirtschaft unter den hohen nominalen Steuersätzen litt, weil Investoren abge-
schreckt bzw. an Standorte mit niedrigeren Sätzen gelockt würden. Gleichzeitig waren aber
die tatsächlichen Steuerzahlungen international tätiger Unternehmen in Deutschland sehr
niedrig, da es verschiedene legale Möglichkeiten zur internationalen Verlagerung von Steu-
erbasis in Niedrigsteuerländer gibt (dazu Rixen 2008: 77-81; MaiterthlMüller: 50-52).
Vor diesem Hintergrund ließ Finanzminister Peer SteinbfÜckein Reformkonzept erar-
beiten, das die Absenkung der nominalen Steuersätze auf insgesamt unter 30 Prozent vor-
sah.8Gleichzeitig war vorgesehen, die Hälfte aller Zinsaufwendungen zu besteuern, um so
die Verlagerung von Steuersubstrat zu verhindern. Gegen dieses Konzept legten die Uni-
8
Die Satzsenkung wurde erreicht durch die Senkung der Körperschaftsteuer auf 15 %und die Absenkung der
Gewerbesteuerrnesszahl von 5 auf 3,5 %. Im Ergebnis sank der Gesamtsatz von 38,65 % auf 29,83 %. Ein weite-
res Reforrnziel war die Herstellung von Rechtsforrnneutralität zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften,
wozu ein Steuersatz von 28,25 Prozent auf einbehaltene Gewinne von Personengesellschaften vereinbart wurde.
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 203
onsparteien, unterstützt von den Wirtschaftsverbänden, Einspruch ein. Zwar begrüßten sie
die Satzsenkung, lehnten aber die Besteuerung der ertragsunabhängigen Zinsen ab. Auch
gab es Streit darüber, wie hoch die Nettoentlastung der Unternehmen ausfallen sollte. Ins-
besondere die parlamentarische Linke in der SPD wollte aufkommensneutrale Steuersatz-
senkungen erreichen, während die Union eine deutliche Nettoentlastung wünschte. Dieser
Konflikt fiihrte zur Gründung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die einen Kompromiss
erarbeitete und sich auf eine Nettoentlastung von 5 Mrd. Euro einigte. Zur Gegenfinanzie-
rung der Satzsenkungen wurde eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die
Verschlechterung von Abschreibungsbedingungen beschlossen. Statt der hälftigen Nichtab-
setzbarkeit von Zinszahlungen wurde schließlich nach zähem Ringen um die Details eine so
genannte Zinsschranke verabschiedet, die eine eng begrenzte Nichtabsetzbarkeit von Zin-
sen vorsieht (vgl. Herz 2006; Jarass 2007).9 Im Zuge der Unternehmensteuerreform wurde
auch eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf alle privaten Kapitalerträge eingefiihrt. Da-
mit werden Kapitalerträge aus der progressiven Einkommensbesteuerung herausgenommen
und das Halbeinkünfteverfahren bei Dividenden abgeschafft.
Anders als in Teilen der politikwissenschaftlichen Literatur (vgl. z.B. Garrett/Mitchell
2001; Steinmo 2003) behauptet wird, ist der Steuerwettbewerb Realität und begrenzt die
staatliche Gestaltungsfähigkeit. Zwar hat er bisher nicht zu verringerten Steuereinnahmen
gefiihrt, wie die Skeptiker der Wettbewerbsthese richtig feststellen, aber er schränkt die
Nationalstaaten bei der Wahl ihrer Steuerstruktur ein. Um im Wettbewerb mit anderen
Staaten bestehen zu können, sehen sie sich zu einer Absenkung der nominalen Sätze bei
einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gezwungen. Eine solche Strategie ist des-
halb Erfolg versprechend, weil im Steuerwettbewerb die Möglichkeit zur künstlichen Ver-
lagerung von Gewinnen eine große Rolle spielt und fiir diese Entscheidungen von Unter-
nehmen die nominalen Steuersätze maßgeblich sind (vgl. ausfiihrIich Rixen 2006: 78-86).
Die großkoalitionäre Reform passt genau in dieses Muster. Wie Ganghof (2004) gezeigt
hat, würden sozialdemokratische Parteien in Abwesenheit des Wettbewerbs einer Satzsen-
kung nicht zustimmen, da sie Auswirkungen auf die gesamte Steuerstruktur hat, die den
Politikzielen der SPDdeutlich widersprechen. Unter der Handlungsbeschränkung des Steu-
erwettbewerbs, und dies zeigt sich auch bei der Reform der Großen Koalition, tun sie es
aber. Das Ziel der nominalen Satzsenkung war bereits von Beginn an zwischen Union und
SPD unumstritten, beide Seiten verfolgten das Ziel der Herstellung eines wettbewerbsfähi-
gen Steuersystems. Lediglich um das Ausmaß der Gegenfinanzierung gab es noch Streit.
Die Einigungbei der Unternehmensteuerreform kam zustande, weil der internationale Steu-
erwettbewerb eine reale Handlungsbeschränkung fiir die Regierung darstellt.
Dabei hat die SPD erkannt, dass es ihren politischen Zielen mittelfristig nicht zuträg-
lich ist, sich durch nationale politische Entscheidungen am Steuerwettbewerb zu beteiligen,
sondern dass es notwendig wäre, dem Problem durch internationale Regulierung des Wett-
bewerbs beizukommen (SPD 2005: 57; 2009: 53). So hat der sozialdemokratische Finanz-
minister die Bemühungen der europäischen Kommission zur Einfiihrung einer Gemeinsa-
men Konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) unterstützt. Aller-
dings ist dieses Projekt, zumindest vorübergehend, am Widerstand Irlands, Großbritanniens
9
Bei der Zinsschranke ist die Absetzbarkeit auf 30 %derjenigen Zinszahlungen, die die Zinserträge des gleichen
Jahres übersteigen, begrenzt. Allerdings gibt es eine Freigrenze von einer Million Euro Nettozinszahlungen. Auch
sind diejenigen Unternehmen befreit, die nicht Teil eines Konzerns sind oder bei denen das Verhältnis von Eigen-
kapital zu Fremdkapital nicht schlechter ist als innerhalb des gesamten Konzerns.
204 Thomas Rixen
und einiger osteuropäischer Mitgliedsländer gescheitert. Auch die internationale Steuer-
flucht kam auf die Tagesordnung. Aus Anlass der Zumwinkel-Afflire Anfang 2008 und im
Rahmen der Finanzkrise ab Ende 2008 machte sich Steinbrück für ein scharfes Vorgehen
gegen Steueroasen stark und provozierte diplomatische Verstimmungen mit der Schweiz,
Liechtenstein, Luxemburg und Österreich. Auch gesetzgeberisch wurde die Große Koaliti-
on aktiv. Das "Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz" (BT-Drs. 16/12852), mit dem eine
schärfere Überwachung finanzieller Transaktionen mit Steuerparadiesen ermöglicht wurde,
war in der Koalition umstritten. Schließlich gelang es der Union, den Entwurf aus dem
Finanzministerium so weit zu verwässern, dass er kaum ein wirksames Instrument gegen
internationale Steuerhinterziehung darstellte (näher hierzu: Rixen 2009).10
3.3 Erbschaflsteuerreform: Wackliger Kompromiss unter dem Druck des
Verfassungsgerichts
Bei der Erbschaftsteuer war die Regierung wegen eines Urteils des Bundesverfassungsge-
richts aus dem Jahr 2006 gezwungen, bis Ende 2008 eine Neuregelung zu finden, da die
Steuer sonst entfallen wäre. Die bestehende Regel führte zu einer verfassungswidrigen
Ungleichbehandlung. Grund- und Betriebsvermögen sind im Regelfall deutlich geringer
bewertet worden, als es ihrem Verkehrswert entspricht, während Finanzanlagen mit dem
Kurs- oder Nominalwert in die Steuerbasis eingingen. Das Gericht verlangte, dass in Zu-
kunft für alle Vermögen der Verkehrswert zu Grunde gelegt werden soll (BVerfGE 117, I).
Über die Ausgestaltung der neuen Regeln gab es in der Koalition unterschiedliche Ansich-
ten. Die Union befürwortete deutlich großzügigere Freibeträge als die SPD. Auch verlangte
die CDU, und besonders vehement die CSU, eine Steuerbefreiung bei der Vererbung von
Familienunternehmen, die weitergeführt werden. Die SPD machte es zur Bedingung, dass
die Steuer weiterhin ihr altes Aufkommen erzielen sollte (ca. 4 Mrd. Euro). Nach langen
Diskussionen kam es schließlich im November 2008 zu einem Kompromiss. Der Freibetrag
wurde auf 500.000 Euro für Eheleute und 400.000 für Kinder erhöht. Selbst genutztes
Wohneigentum können Eheleute steuerfrei erben. Im Gegenzug wurden die Freibeträge für
entfernte Verwandte abgesenkt. Für die Firmennachfolge gelten Steuervergünstigungen,
sofern der Betrieb wenigstens 10 Jahre weitergeführt wird und die Arbeitsplätze erhalten
werden. Erst kurz vor Ablauf der Frist stimmte auch der Bundesrat zu; bis zuletzt gab es
Zweifel, ob die neu gewählte bayerische CSU/FDP-Regierung dem Gesetz ebenfalls zu-
stimmen würde.
Die jahrelange Auseinandersetzung zeigt, dass der Erbschaftsteuer, mit der grundsätz-
liche Gerechtigkeitsfragen verknüpft sind, eine besondere steuerpolitische und ideologische
Bedeutung zukommt. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob das verabschiedete Gesetz der
hohen Bedeutung gerecht wird und lange bestehen bleiben wird. Das Gesetz ist im Laufe
der Verhandlungen immer komplizierter geworden, so dass manche Beobachter bereits
Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit geäußert haben (Handelsblatt 2008;
Härtel 2007). Konkret musste wegen des erst in letzter Minute verabschiedeten Gesetzes für
die erste Jahreshälfte 2009 den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zugestanden werden zwi-
10
Unter der schwarz-gelben Folgeregierung hat das Finanzministerium die Anwendung des Gesetzes durch ein
Schreiben an die Finanzbehörden ausgesetzt.
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 205
schen neuem und altem Recht, weil sie nicht ausreichend Gelegenheit hatten sich auf die
Regeln einzustellen. Erst ab I. Juli 2009 gilt alleine die neue Regelung (Kracht 2009).
3.4 Steuer- und haushaltspolitische Diskussion in der Finanzkrise
Ab 2006 ~ dem Jahr, in dem Deutschland das erste Mal seit 4 Jahren wieder die EU-
Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) einhielt - schien ein aus-
geglichener Haushalt in erreichbarer Nähe. Allerdings hatte die Einnahmen- und Ausga-
benpolitik der Großen Koalition kaum Anteil an diesem Erfolg. Er war vielmehr auf die
gute Konjunkturlage zurückzufiihren. Der politische Streit drehte sich um die Frage, in
welchem Jahr ein Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung, es wäre der erste seit 1969 ge-
wesen, zu verwirklichen sei - erst 2011, wie es die Regierung anstrebte, oder bereits 2009,
wie von der Opposition gefordert, die die Regierungspolitik als zu wenig ambitioniert kriti-
sierte (zR Bündnis 90/Die Grünen 2008). Auch Experten hielten einen ausgeglichenen
Haushalt im Jahr 2009 selbst bei Ausgabensteigerungen fiir gut erreichbar (vgl. z.B.
Wiegard 2007). Die Bundesregierung begründete ihren langsameren Abbau der Kreditauf-
nahme mit wichtigen Zukunftsinvestitionen wie dem Ausbau der Kinderbetreuung und
höheren Ausgaben fiir Bildung und Forschung (Bundesregierung 2009). Allerdings floss
nicht nur in diese Bereiche Geld, sondern man erhöhte unter dem Eindruck sprudelnder
Steuereinnahmen im Jahre 2008 auch die Renten, das Kindergeld und verlängerte die Be-
zugsdauer von Arbeitslosengeld I fiir ältere Arbeitnehmer. Andererseits widersetzte sich die
Regierung den Forderungen nach Steuersenkungen, wie sie von der FDP (Fricke 2007),
aber auch von Teilen der Unionsparteien erhoben wurden, die sich fiir eine Abmilderung
der ,,kalten Progression" einsetzten. Die SPD vertrat in dieser Debatte, die aber nicht zu
konkreten gesetzlichen Maßnahmen fiihrte, die Ansicht, dass es keinen Spielraum fiir Steu-
ersenkungen gebe, sondern vorrangig die Sozialversicherungsbeiträge zu senken seien
(Fuest 2008). Insgesamt verfolgte die Regierung bis 2008 ihre im Koalitionsvertrag verein-
barte und wenig ambitionierte Linie in der Haushaltspolitik, ohne dass es größere Konflikte
zwischen den Partnern darüber gab.
Doch dann kam die Finanzkrise - und mit ihr rückte das Ziel des ausgeglichenen
Haushalts in weite Feme. Zur Abmilderung des drohenden konjunkturellen Abschwungs
beschloss die Regierung zwei Konjunkturpakete (BT-Drs. 16/10930 und 16/11740) in ei-
nem Gesamtumfang von über 80 Mrd. Euro.
I I
Zu deren Finanzierung musste Finanzminis-
ter Steinbrück zwei Nachtragshaushalte fiir 2009 vorlegen (BT-Drs. 16/11700 und
16/13000). Seine Befiirchtung, dass es zu einer Nettokreditaufnahme von 50 Mrd. Euro
kommen werde, bestätigte sich aber nicht. Es wurden letztlich 34,I Mrd. Euro aufgenom-
men. Rechnet man die beiden Schattenhaushalte des Sonderfonds Finanzmarktstabilisie-
rung (Soffin) und des Sondervermögens "Tilgungsfonds", aus dem Kommunalinvestitionen
und die Abwrackprämie finanziert werden hinzu, ergibt sich mit 67,8 Mrd. Euro dennoch
die höchste Neuverschuldung aller Zeiten fiir den Bund (RiedeI2009a; BMF 2010).
Die geplante Schuldenaufnahme fiihrte dazu, dass die Föderalismuskommission 11sich
im Mai 2009, kurz vor Ende ihrer Beratungen, doch noch durchringen konnte, eine "Schul-
11
Zur Konjunkturstützung wurden auch Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Untemehmensteuerreform, um
die man so schwer gerungen hatte, zeitlich befristet ausgesetzt. Dies betrifft die Rücknahme der schärferen Ab-
schreibungsregeln und eine Anhebung der Freigrenze bei der Zinsschranke auf 3 Millionen Euro (Sievers 2009).
206 Thomas Rixen
denbremse" vorzuschlagen. Die Föderalismusreform II, die zu Anfang der Legislaturperio-
de als wichtiges Reformprojekt angekündigt wurde, ist insgesamt eine Enttäuschung. Mit
Ausnahme der Schuldenbremse konnte sie sich auf keine wesentlichen Veränderungen der
Finanzverfassung einigen. Allerdings war der Misserfolg bereits absehbar, als vor Beginn
der Verhandlungen beschlossen wurde, den in seiner jetzigen Form bis 2019 gültigen Län-
derfinanzausgleich aus den Verhandlungen auszuklammern. Dadurch war von Anfang an
klar, dass es sich für die Nehrnerländer nicht lohnen würde, eine größere Steuerautonomie
zu erhalten, wie es von den Geberländern vorgeschlagen wurde (Scharpf 2006: 209-11).
Während nach der alten Regelung des Grundgesetzes die Investitionen die Obergrenze
der Schuldenaufnahme definierten (Art. 115 GG), sieht die nun vorgeschlagene Schulden-
grenze vor, dass die Haushalte der Länder grundsätzlich ausgeglichen sein müssen und für
den Bund eine maximale strukturelle Kreditaufnahme von 0,35 Prozent des BIP (derzeit ca.
8 Mrd. Euro) noch als ausgeglichen gilt. Abweichungen von dieser Regel sind nur zulässig
bei einer von der Normallage abweichenden Konjunkturentwicklung (in der antizyklische
Kreditaufnahmen erlaubt sind, die im Aufschwung zurückzuführen sind) und im Falle von
Naturkatastrophen und anderen außergewöhnlichen Notsituationen. Wegen der derzeitigen
Finanzkrise und der damit verbundenen Schuldenaufnahme soll die Regel für den Bund erst
ab 2016 und für die Länder ab 2020 gelten. Allerdings melden viele Experten Kritik an der
Ausgestaltung der Regeln an. Beispielsweise wird kritisiert, dass die Schuldenbremse einen
verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Haushaltsrecht der Länder
bedeute. Da die Einnahmen der Länder fast ganz und ihre Ausgaben weitgehend durch
Bundesgesetze bestimmt würden, verlören die Länder durch das Verschuldungsverbot auch
noch das letzte fiskalische Instrument zur autonomen Politikgestaltung. Auch innerhalb der
SPD gibt es Kritik. Der linke Flügel sieht in ihr eine zu große Einschränkung politischer
Handlungsoptionen (vgl. Funk 2009).
Die Finanzkrise ermöglichte es der Regierung zugleich, schwierigen politischen Ent-
scheidungen - etwa der Pendlerpauschale - aus dem Weg zu gehen. Im Sommer 2006 hatte
die Große Koalition beschlossen, die Pendlerpauschale zum 1.1.2007 abzuschaffen; aller-
dings sah eine Härtefallregelung vor, dass ab dem 21. Kilometer 30 Cent pro Kilometer
absetzbar blieben. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dies in seiner Grundsatzentschei-
dung für verfassungswidrig (BVertD, 2 BvL 1/07 vom 9.12.2008). Die Regierung be-
schloss daraufhin, zur alten Regelung zurückzukehren, obwohl ihr auch eine andere Form
der Neuregelung, inklusive der vollständigen Streichung der Pauschale, möglich gewesen
wäre. Darüber hätte es aber innerhalb der Koalition großen Streit gegeben. Insbesondere die
CSU trat vehement für eine möglichst großzügige Pendlerpauschale ein. So kam es der
Koalition sehr gelegen, dass man die Rückkehr zur alten Regelung und die falligen Rück-
zahlungen an die pendelnden Bürgerinnen und Bürger als Konjunkturhilfe in Zeiten der
Finanz- und Wirtschaftskrise verkaufen konnte (Bundesregierung 2008).
Gegen Ende der Legislaturperiode prägte der beginnende Vorwahlkampf einige ge-
setzliche Maßnahmen der Großen Koalition. So war die Union sehr darum bemüht, sich mit
der SPD auf das oben bereits erwähnte Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu
einigen, da man verhindern wollte, im Wahlkampf von der SPD als Helferin von Steuerhin-
terziehern dargestellt zu werden (Riedel 2009b). Der Wahlkampf lässt aber auch die Diffe-
renzen innerhalb der Regierungskoalition in der Öffentlichkeit wieder deutlicher zum Vor-
schein treten. Die SPD legte sich bereits im April 2009 darauf fest, mit der Forderung nach
einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 47 Prozent (ab einem Einkommen von 125.000
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition 207
Euro) in den Wahlkampf zu gehen (SPD 2009). Demgegenüber hat die Union, nachdem es
über diese Fragen große innerparteiliche Auseinandersetzungen gab (Braun 2009), das
Versprechen von Steuersenkungen und eine Behebung der ,,kalten Progression" in ihr
Wahlprogramm aufgenommen, allerdings offen gelassen, zu welchem Zeitpunkt die Er-
leichterungen umgesetzt werden.
4 Fazit: Reformkoalition oder Stagnation?
Der zentrale Befund dieses Beitrags ist, dass die Große Koalition sich in der Steuer- und
Finanzpolitik auf die dringendsten Handlungsbedürfnisse beschränkt hat. Insgesamt hat sie
eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners betrieben. Die bescheidene Bilanz lässt
sich damit erklären, dass die beiden Regierungsparteien unterschiedliche Policy-Präferen-
zen verfolgten. Die Große Koalition ist also nicht durch institutionelle Vetospieler wie
Bundesrat oder Bundesverfassungsgericht an weit reichenden Reformen gehindert worden,
sondern diese wurden durch inhaltlich begründete interne Konflikte unmöglich. Ganz im
Gegenteil sind gerade diejenigen Reformmaßnahmen, denen man eine große Reichweite
zuschreiben kann, nur deshalb in Angriff genommen und umgesetzt worden, weil sich die
Regierung durch externen Druck dazu gezwungen sah. In der Unternehmensteuer hat sie
der internationale Steuerwettbewerb zum Handeln gezwungen, bei der Erbschaftsteuer und
der Wiedereinführung der Pendlerpauschale das Bundesverfassungsgericht. Auch die Fi-
nanzkrise hat die Kompromissbildung erleichtert. Weiterhin bleibt festzuhalten, dass weder
die Union noch die SPD für sich in Anspruch nehmen kann, die Steuer- und Finanzpolitik
maßgeblich geprägt zu haben. Vielmehr stellen die Maßnahmen in den meisten Fällen
langwierig ausgehandelte Kompromisse zwischen den unterschiedlichen parteipolitischen
Vorstellungen dar. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es sich trotz der gemeinhin als
gut geltenden Bedingungen für Reformen - Angela Merkel sprach selbst von einer "Koali-
tion der neuen Möglichkeiten" - lediglich um eine Koalition "der kleinen Schritte" (Merkel
2005) gehandelt hat.
Insgesamt muss man der Großen Koalition im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik
also Stagnation attestieren. Sie ist den eingangs beschriebenen Gestaltungsaufgaben nicht
gerecht geworden, auch wenn sie die notwendigsten Anpassungen vorgenommen hat. Ers-
tens ist es nicht gelungen, die Struktur der Staatsausgaben zu verbessern. Zwar hat die Gro-
ße Koalition die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöht und ein Programm zur Kin-
derbetreuung auf den Weg gebracht, gleichzeitig hat sie aber mit anderen Beschlüssen wie
der Verlängerung des Arbeitslosengeldes auch die Transferlastigkeit des deutschen Sozial-
staates verstärkt. Auch die sehr niedrige öffentliche Investitionsquote wurde zunächst nicht
erhöht. Im Zuge der Konjunkturprogramme wird aber zumindest ein Teil des dringenden
Investitionsbedarfes gedeckt. Eine langfristig orientierte Politik zur Erhöhung der Investiti-
onen ist das allerdings nicht.
Leichte Verbesserungen lassen sich dagegen zweitens bei der Struktur der Einnahmen
konstatieren. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden auf unter 40 Prozent gesenkt - die
Arbeitslosenversicherung sogar stärker als ursprünglich geplant auf 2,8 statt auf 4,5 Pro-
zent. Insgesamt liegen die Sozialversicherungsbeiträge damit ca. 1,5 Prozentpunkte niedri-
ger als im Jahre 2005. Dies ist durch einen Zuschuss von Steuergeldern aus der erhöhten
Mehrwertsteuer zur Arbeitslosenversicherung erreicht worden. Allerdings lässt sich fragen,
208 Thomas Rixen
ob ausgerechnet die Arbeitslosenversicherung der richtige Sozialversicherungszweig tUr
den Einstieg in die Umfinanzierung ist. Überspitzt formuliert wird nun die Statussicherung
von (vorübergehend) Arbeitslosen von (langfristig) Nichterwerbstätigen durch deren
Mehrwertsteuerzahlungen mitfinanziert. In der Renten- und vor allem der Krankenversiche-
rung wäre ein erhöhter Steueranteil sicher besser zu rechtfertigen. So zeigt sich denn auch,
dass die Verteilungswirkung dieser Reformmaßnahme im Saldo regressiv ist (Bach 2005).
Drittens hinterlässt die Große Koalition in Bezug auf die Haushaltskonsolidierung ei-
nen Scherbenhaufen, der der nachfolgenden Regierung kaum einen finanzpolitischen Hand-
lungsspielraum lässt (Bach/Steiner 2009). Zwar ist dies in erster Linie eine Konsequenz der
globalen Finanzkrise. Allerdings wären bis zu deren Ausbruch angesichts der sehr guten
wirtschaftlichen Bedingungen bis Mitte 2008 ein ambitionierter Konsolidierungskurs in der
Haushaltspolitik und eine entschlossene ausgabenseitige Umstellung auf investive Ausga-
ben möglich gewesen.
Den Trend zu einer stärkeren steuerlichen Belastung der Faktoren Arbeit und Konsum
einerseits und einer Entlastung des Kapitals andererseits, dies ist der vierte Aspekt, stoppt
auch die Große Koalition nicht. Ganz im Gegenteil, sie senkt unter dem Druck des interna-
tionalen Wettbewerbs die Steuersätze tUr Unternehmen und Kapitalbesitzer. Zusätzlich ist
die Unternehmensbesteuerung durch die Maßnahmen zur Begrenzung der Gewinnverlage-
rungen verkompliziert worden (vgl. z.B. MaiterthlMüller 2007). Es sind dies die Folgen des
Versuchs, dem internationalen Steuerwettbewerb mit einzelstaatlichen Maßnahmen zu
begegnen. Letztlich werden sich diese Probleme aber nur dann zufriedenstellend lösen
lassen, wenn es gelingt, zumindest einige Teile des Steuerrechts zu internationalisieren
(Rixen 2008). Dazu gibt es derzeit aber, selbst auf europäischer Ebene, kaum einen politi-
schen Willen (vgl. Genschel et al. 2007; Uhl 2008).12 Fünftens hat man auch bei der Ver-
einfachung des Steuersystems keine Fortschritte erzielt.
Das alles ist deutlich weniger, als Angela Merkel und Paul Kirchhof im Sommer 2005
im Sinn hatten.
Literatur
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Berichte. http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_ 0805.pdf; 23.04.2009.
Bach, Stefan, 2005: Koalitionsvertrag: Belastungen durch Mehrwertsteuererhöhung werden nur zum
Teil durch Senkung der Sozialbeiträge kompensiert, in: DIW Wochenbericht 72,705-714.
Bach, Stefan, 2008: Steuerreform: Notwendige Anpassungen vorgenommen, der große Wurf blieb
aus, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 77, 65-89.
Bach, StefanlSteiner, Viktor, 2007: Zunehmende Ungleichheit der Markteinkommen: reale Zuwächse
nur für Reiche, in: DIW Wochenbericht 74, 193-198.
Bach, StefanlSteiner, Viktor, 2009: Triste Aussichten nach der Wahl: Haushaltskonsolidierung
erfordert Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen, in: DIW Wochenbericht 76, 624-633.
Beise, Mare, 2005: Der Buhmann, Süddeutsche Zeitung, 20. September 2005.
Braun, Stefan, 2009: Die dreigeteilte Union, Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2009.
12
Auch unter Weubewerbsbedingungengäbe es aber steuerpolitischeInstrumente,mit denen man etwas tun
könnte gegendie wachsendeEinkommens-und Vermögensungleichheitin Deutschland(BachJSteiner2007): die
Vermögen-und Erbschaftsteuer.Angesichtsdes im internationalenVergleichsehrniedrigenNiveausdieserSteu-
erngäbeeshier Spielraumfüreine Erhöhung,deraber imRahmenderErbschaftsteuerreformnichtgenutztwurde.
Die Steuer- und Finanzpolitik der Großen Koalition
209
Bundesministerium der Finanzen (BMF), 2008: Übersicht über die Steuerrechtsänderungen seit 1964
Bundesministerium der Finanzen (BMF), verschiedene Jahrgänge: Finanzbericht. Berlin.
Bundesrechnungshof, 2006: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze. Stuttgart.
Bundesregierung, 2008: Pendlerpauschale gilt wieder - Auszahlung stärkt Konjunktur.
Pressemitteilung vom 9. Dezember 2009.
Bundesregierung, 2009: Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012.
Bündnis 90lDie Grünen, 2008: Haushalt 2009 - alles andere als nachhaltig. Ein Zahlenwerk als
Auftakt für den Wahlkampf.
CDU, 2003: Ein modemes Einkommensteuerrecht für Deutschland. Zehn Leitsätze für eine radikale
Vereinfachung und eine grundlegende Reform des deutschen Einkommensteuersystems.
Beschluss B I des 17. Parteitages der CDU Deutschlands 2003.
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... The concept planned to reduce the more than 30 German taxes to four taxes: one income tax, one sales tax, one estate, inheritance and gift tax and one excise tax (Kirchhof, 2010). Only a few things out of those proposals were actually put into law in the end, but the approach to simplify triggered a large public discussion in Germany (Rixen, 2010). ...
Article
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This paper is a first theoretical presentation of a simple progressive taxation system. The system is based on two adaptations of one easily calculable formula that is based on the societal average income of the previous year. The system contributes to academic discussions as it is a novel approach. It is a progressive tax that does not discriminate against anyone as the progression increases continuously and the increase in tax payment does not go beyond the additional income. The analysis in the paper shows that the core advantage of the system is its simple, transparent and adaptable mechanism.
... 4. The assessment is inspired by the approach of Wagschal (2006). Discussions of the legislative activity of the first grand coalition as well as the former coalition of CDU/CSU and FDP are presented in Rixen (2010Rixen ( , 2014. 5. However, an in-depth evaluation of the complete observation period suggests that opposing majorities are not associated with lower governmental activity, nor are parallel minorities associated with increased activity (Wagschal 2006, 247-248). ...
Chapter
Der Beitrag analysiert die Steuer- und Haushaltspolitik der zweiten Großen Koalition unter Angela Merkel. Nachdem die Fiskalpolitik im Wahlkampf ein zentrales Thema war, hat die Regierung in der anschließenden Legislaturperiode eine kleinteilige, reaktive und passive Politik betrieben. Anstatt die konjunkturell günstige Lage und die niedrigen Zinssätze für ambitionierte, strukturelle Reformen und eine dringend nötige Investitionsoffensive zu nutzen, hat sich die Regierung mit einer reinen Verwaltung des Haushaltsüberschusses zufrieden gegeben. Dieses Politikergebnis lässt sich mit konfligierenden Präferenzen der Regierungsparteien im Zusammenspiel mit fehlendem wahrgenommenen Problemdruck und Unsicherheit aufgrund der Eurokrise erklären. Die Erklärung wird mit Hilfe quantitativer Daten zu den Policies, einer Analyse der Struktur der Staatseinnahmen und -ausgaben und qualitativer Prozessanalysen zu den wenigen bedeutenderen Reformen – u. a. Erbschaftssteuerreform und die Reform des Länderfinanzausgleichs – entwickelt.
... In contrast to the election of 2005, tax and fiscal policies were of lesser importance in the 2009 election campaign. Drawing lessons from its negative experiences of 2005, when the CDU/CSU's nomination of Paul Kirchhof as shadow finance minister and his tax plans offered an easy campaign target for the SPD, which made it possible for faltering social democrats to save themselves in a grand coalition, 13 the conservative parties did not want to endanger a conservative -liberal coalition again. In their election programme, the conservatives merely promised not to increase taxes and to fight bracket creep by lowering the entry-level tax rate and raising the income level for the top rate. ...
Article
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Tax policy was at the heart of the Merkel II government's reform agenda. The CDU/CSU and FDP promised significant tax cuts and simplifications of the tax system. During their term, however, they remained the least active of all German governments of the last four decades. Why? This article argues that a combination of factors relating to the dynamics of electoral competition and structural problem pressure can explain this outcome: The new constitutional debt brake and the Euro Crisis foreclosed the traditional ‘solution’ of glossing over the conflict within the coalition between its economically liberal constituency (FDP and parts of CDU/CSU) and pro-welfare state constituency (other parts of CDU/CSU) by combining tax reductions with continued high spending. The result was a devastating loss for the FDP in the 2013 elections, and a victory for the CDU/CSU which profited from positioning itself as a moderate and stabilising political force in uncertain times of crisis.
Article
This article studies the tax and fiscal policies of the second grand coalition under Chancellor Merkel. It demonstrates that the government contented itself with merely administering balanced budgets or surpluses, instead of seizing the opportunity of exceptionally good economic conditions and low interest rates to implement important structural reforms and increase investment in public infrastructure. This outcome can be explained by two factors: (1) diverging fiscal policy preferences between the two coalition partners, and (2) uncertainty in the face of the continuing euro crisis. The article substantiates this claim on the basis of quantitative data on policy outputs and the structure of revenues and expenses, and by qualitatively tracing the policy processes leading to the few fiscal decisions that were of major importance: the reform of inheritance taxation, packages against tax evasion and avoidance, and a reform of the federal equalisation payments system. The analysis shows that in these more far-reaching decisions the coalition acted in response to external constraints – including decisions from the constitutional court, international cooperation, and legal action by Länder governments – rather than on its own political initiative.
Chapter
Steuerpolitik gilt herkömmlich als ein Teilbereich der Finanz- und Haushaltspolitik des Staates. Moderne Steuerpolitik aber zielt nicht allein auf Einnahmen und Verteilung, sondern auch auf makroökonomische Wirtschafts- und mikropolitische Gesellschaftssteuerung. Daher berücksichtigt Steuerpolitik zwar die materiellen, kulturellen und sozialmoralischen Voraussetzungen von Gesellschaft, greift dafür aber auch tief in persönliche und gesellschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten ein.
Chapter
Aus den Reihen der SPD wurde Kanzlerin Angela Merkel immer wieder Führungsschwäche vorgeworfen. Auch ihr Vorgänger im Amt, Gerhard Schröder, äußerte sich im Rahmen seiner Pressekampagne für sein Erinnerungsbuch in dieser Richtung. Er forderte die Kanzlerin auf, gelegentlich mit einem »Basta« ihren Führungsanspruch zu untermauern. In der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« sagte Merkel dazu: »Ich habe meinen eigenen Regierungsstil. Sie werden sehen: Er ist erfolgreicher.«
Thesis
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The repeal of the federal wealth tax in Germany in the late 1990s remains puzzling. Despite several changes in government composition, growing budget constraints, austerity measures, and widening economic inequality the tax has not been reintroduced. Other narratives are dominating the public debate. Political science analyses of wealth inequity are even more difficult due to lacking data. This thesis takes up the apparent contradiction by reconstructing the policy debate on the German wealth tax. The involvement of actors and their political preferences are untangled via discourse network analysis. This method allows for identifying a varying but dominant disapproving coalition structure between 1995 and 2015. It will be shown that the reinstallment of the wealth tax is hindered by the idea of global tax competition. The analysis ties on research on political networks.
Chapter
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Die schwarz-gelbe Regierung definierte als ihr zentrales Reformprojekt eine erhebliche Vereinfachung und Senkung der Steuern. Tatsächlich war die Regierung aber, wie in diesem Kapitel gezeigt wird, die steuerpolitisch inaktivste der letzten vier Jahrzehnte. Warum? Ich argumentiere, dass sich dieses Politikergebnis mit der Parteiendifferenz und der Dynamik des Parteienwettbewerbs im Zusammenspiel mit dem Problemdruck erklären lässt: Die neue Schuldenbremse und die Eurokrise machten es für die Koalition unmöglich, die traditionelle „Lösung“ des koalitionsinternen Konflikts zwischen wirtschaftsliberaler Klientel (FDP und Teile von CDU/CSU) und sozialstaatlicher Klientel (andere Teile der CDU/CSU) in der Form einer Kombination von Steuersenkungen und erhöhter Schuldenaufnahme zu wählen. Die Union widersetzte sich deshalb den Steuersenkungsplänen der FDP und profilierte sich als moderate und stabilisierende Kraft in turbulenten Krisenzeiten.
Article
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http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2745155
Chapter
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http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2734883
Article
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This analysis traces the evolution of ideas about one of the most important policies facing any state: taxation. The article will demonstrate that elite ideas about tax policy have changed dramatically over the past century and that these ideas have had enormous consequences for the development of the modern state. This article argues that there is an iterative, interdependent and dynamic relationship between policy makers’ ideas, political institutions and public policy outcomes.
Article
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This article assesses the impact of globalization on welfare state effort in the OECD countries. Globalization is defined in terms of total trade, imports from low wage economies, foreign direct investment, and financial market integration. Welfare effort is analyzed in terms both of public spending (and separately on social service provision and income transfer programs) and taxation (effective rates of capital taxation and the ratio of capital to labor and consumption taxes). Year-to-year increases in total trade and international financial openness in the past three decades have been associated with less government spending. In contrast, integration into global markets has not been associated either with reductions in capital tax rates, or with shifts in the burden of taxation from capital to consumption and labor income. Moreover, countries with greater inflows and outflows of foreigndirect investment tend to tax capital more heavily.
Article
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The reform of German federalism was meant to overcome the mutually imposed constraints on autonomous political action at the federal and Land levels. The proposals that are now to be discussed in parliament will provide some improvement, but are far from adequate in light of the original goals or the practical needs for reform. The reason was a simplistic approach to reform which, if it had been realized, would have violated the normative requirements of interregional equality. Options which could have increased autonomy without violating egalitarian standards were ignored in the process. Die Föderalismusreform sollte die wechselseitige Lähmung der Politik in Bund und Ländern überwinden. Die jetzt auf den parlamentarischen Weg gebrachten Vorschläge bringen manche Verbesserungen, bleiben aber weit hinter dem ursprünglichen Ziel und dem sachlich Notwendigen zurück. Der Grund liegt in einem zu einfachen Reformkonzept, das - wenn es denn verwirklicht worden wäre - den normativen Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in ungleichen Ländern hätte verletzen müssen. Dagegen wurden Reformoptionen ignoriert, die eine höhere Autonomie der Landes- und Bundespolitik ermöglicht hätten, ohne diesen Anspruch zu verletzen.
Chapter
Die vorliegende Studie analysiert aus einer international vergleichenden Perspektive Deutschlands Position bei der Besteuerung. Steuern sind für jeden Staat unverzichtbar, da über diese Einnahmequelle in der Regel der Großteil seiner Leistungen finanziert wird. Steuerpolitik und die Besteuerung haben Auswirkungen auf wichtige gesellschaftliche Bereiche, wie etwa die Sozialpolitik durch die Berücksichtigung von Familienlasten. Zudem werden zentrale Zielgrößen einer Gesellschaft, wie die Einkommensgleichheit und die Armutsbekämpfung tangiert. Bedeutsam sind Steuern auch für den Arbeitsmarkt. Steuern können beispielsweise Anreizeffekte auf dem Arbeitsmarkt setzen oder die Motivation zur Arbeitsaufnahme reduzieren, vor allem bei hohen Grenzsteuersätzen.
Book
Covering the period from the 1920s, when international tax policy was solely about avoiding double taxation, to the present era of international tax competition, Rixen investigates the fate of 'the power to tax' in an era of globalization, illustrating that tax sovereignty is both shaped and constrained by an international tax regime. http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2734796
Article
This article examines the model of social learning often believed to confirm the autonomy of the state from social pressures, tests it against recent cases of change in British economic policies, and offers a fuller analysis of the role of ideas in policymaking, based on the concept of policy paradigms. A conventional model of social learning is found to fit some types of changes in policy well but not the movement from Keynesian to monetarist modes of policymaking. In cases of paradigm shift, policy responds to a wider social debate bound up with electoral competition that demands a reformulation of traditional conceptions of state-society relations.
Chapter
Kaum ein anderes Politikfeld unter Rot-Grün — ausgenommen die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik — war so umstritten wie die Finanz- und Steuerpolitik. Die in keynesianischer Tradition stehende Politische Ökonomie (Heise 2002; Bofinger 2004; Hickel 2006) betrachtete den finanzpolitischen Kurs von Rot-Grün, zumindest seit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine als Finanzminister (März 1999), mit kritischem Blick. So wurde ein „viktorianischer Tugendpfad“ bemängelt (Krätke 2001), der aus Sparsamkeit, ausgeglichenem Budget und schuldenfreiem Staat bestehe. Auf der anderen Seite argumentierten Monetaristen und Neoklassiker diametral, indem sie Deutschland auf dem Weg in die Schuldenfalle sahen (Sinn 2004) und auf die langfristigen intergenerationalen Wirkungen der Verschuldung durch implizite Leistungsversprechen (Bonin 2001) hinwiesen. Überwiegende Meinung innerhalb der verschiedenen ökonomischen Denkschulen war somit, dass die Finanzpolitik von Rot-Grün mehr oder weniger eine Tragödie darstellte. Ob dieses Verdikt wissenschaftlichen Kriterien standhält, soll im Folgenden untersucht werden.