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INHALT
Herbert
Schnädeibach
(Hamburg);
Aufklärung
und
Religionskritik
...................
331
Thorsten
Sander
(Essen):
Bedeutung,
Regel
und
Gebrauch
..................................
347
Volker
Schürmann
(Leipzig):
„Die
schönste
Nebensache
der
Welt".
Sport
als
Inszenierung
des
Citoyen
............................................................................
363
Schwerpunkt:
Transzendentale
Begründung
der
Naturwissenschaften?
(Holm
Tefens)
..............................................
384
Martin
Carrier
(Bielefeld);
Ziel
und
Struktur
der
methodologischen
Theorien
........................................................................................
387
Holger
Lyre
(Bonn):
Kants
„Metaphysische
Anfangsgründe
der
Naturwissenschaft":
gestern
und
heute
.............................................................
401
Christian
Suhm
(Münster);
Apriorische
Wissenschaftsmethodologie.
Die
transzendentale
Begründung
des
Schlusses
auf
die
beste
Erklärung
...............
417
Holm
Tetens
(Berlin):
Selbstreflexive
Physik.
Transzendentale
Physikbegründung
am
Beispiel
des
Strukturenrealismus
............................................................................
431
Interview
Robert
B.
Brandom
(Pittsburgh)/Matthias
Haase
(Postdam):
Semantik
ohne
Wahrheit
...............................................................................................
449
Buchkritik
Nachdenken
über
Harry
G.
Frankfurts
„Bullshit":
Kommentare
in
Kürze
(Christoph
Menke/Dieter
Thomä)
......................................
467
Mit
Beiträgen
von
Eva
Geulen,
Raymond
Geuss,
Hans
Ulrich
Gumbrecht,
Anselm
Haverkamp,
Jochen
Hörisch,
Angela
Keppler,
Sybille
Krämer,
Gerhard
Neumann,
Julian
Nida-Rümelin,
Martin
Seel
und
Holm
Tetens
DEUTSCHE
ZEITSCHRIFT
FÜR
PHILOSOPHIE
Zweimonatsschrift
der
internationalen
philosophischen,
Forschung,
54.
Jahrgang
•
2006
-
Heft
3
Herausgeber
Axel
Honneth
(Frankfurt/M.),
Hans-Peter
Krüger
(Potsdam),
Hans
Julius
Schneider
(Potsdam)
Herausgeber
der
Buchkritik
Christoph
Menke
(Potsdam),
Dieter
Thomä
(St.
Gallen)
Wissenschaftlicher
Beirat
Karl-Otto
Apel
(Frankfurt/M.),
Hubert
L.
Dreytus
(Berkeley),
Yehuda
Elkana
(Jerusalem),
Jürgern
Habermas
(Starnberg),
Dieter
Henrich
(München),
Gerd
Irrlitz
(Berlin),
Friedrich
Kambartel
(Frankfurt/M.),
Jürgen
Mittelstraß
(Konstanz),
Nelly
Motrosilova
(Moskau),
Herta
Nagl-Docekal
(Wien),
Hilary
Putnam
(Cambridge),
Nicholas
Rescher
(Pittsburgh),
Richard
Rorty
(Stanford),
Herbert
Schnädeibach
(Hamburg),
Charles
Taylor
(Montreal)
Chefredakteur
Mischka
Dammaschke
Akademie
Verlag
Aristoteles
’
Oikonomika
Aristoteles
Werke
in
deutscher
Übersetzung
Begründet
von
Ernst
Grumach
Herausgegeben
von
Hellmut
Flashar
Band
10/11;
Oikonomika
Schriften
zu
Hauswirtschaft
und
Finanzwesen
Übersetzt
und
erläutert
von
Renate
Zoepffel
2006.
702
S.,
Leinen
mit
Schutzumschlag
€
79,80
ISBN
3-05-004002-5
Die
drei
kleinen
unter
dem
Titel
Oikonomika
zusammengefassten
Schriften
galten
bisher
als
unbedeutend,
weil
sie
literarischen
Ansprüchen
nicht
genügten
und
keinen
Aufschluss
über
die
in
ihnen
vermuteten
Anfänge
wirtschaftstheoretischen
Denkens
gaben.
Die
hier
vorliegende
neue
Bearbeitung
geht
dagegen
vom
ursprünglichen
Wortsinn
von
oikonomia
als
Verwaltung
eines
Haushalts
aus.
Sie
sichtet
die
griechische
Tradition
zum
Thema
von
Homer
bis
Stobaios
sowie
die
Entwicklung
der
Wissensvermittlung
im
5.
und
4.
Jh,
v.
Chr,
und
kommt
damit
zu
ganz
neuen
Ergebnissen:
formal
sind
zwei
der
Schriften
einmalig
in
der
antiken
Überlieferung,
inhaltlich
finden
sich
in
ihnen
Spuren
einer
bisher
unbeachteten
altpythagoreischen
Haushaltsethik.
Buch
I,
stark
an
Aristoteles
orientiert,
bringt
das
traditionelle
normative
Wissen
über
den
besten
Hausherrn
in
die
strenge
Form
eines
methodi
schen
Lehrbuchs;
Buch
III
steht
dem
als
Ehe-Ratgeber
inhaltlich
nahe,
ist
aber
der
Form
nach
ein
Moraltraktat,
der
in
der
heute
nur
noch
erhaltenen
lateinischen
Übersetzung
die
abendländische
Hausväter
literatur
beeinflusste.
Buch
II
dagegen
ist
das
einzige
uns
erhaltene
Lehrbuch
zur
Mittelbeschaffung
in
Königreich,
Stadt
und
Privathaushalt.
Seine
einem
systematischen
Kapitel
angefügte
Beispielsammiung
ist
Folge
der
von
Aristoteles
gesetzten
Grenzen
der
Verallgemeinerbarkeit
praktischen
Handelns,
war
aber
offenbar
für
die
angehenden
Politiker
und
Feldherrn
im
Peripatos
von
großem
Wert.
Die
Oikonomika
sind
also
sowohl
für
Philosophiehistoriker
von
Interesse
als
auch
und
besonders
für
die
antike
Mentalitäts-
und
Alltagsgeschichte,
einschließlich
des
ökonomischen
Handelns.
Akademie
Verlag
www.akademie-verlag.de
Bestellungen
richten
Sie
bitte
an
Ihre
Buchhandlung
DZPhiL
Berlin
54
(2006)
3.
363-382
„Die
schönste
Nebensache
der
Welt"
Sport
als
Inszenierung
des
Citoyen
Von
VOLKER
SCHÜRMANN
(Leipzig)
Siegfried
Bönisch
zum
70.
Geburtstag
Geselligkeit
„ist
das
Spiel,
in
dem
man
,so
tut',
als
ob
alle
gleich
wären,
und
zugleich,
als
ob
man
jeden
besonders
ehrte.
“
(Georg
Simmel)'
Dass
der
moderne
Sport
ein
Politikum
sei.
ist
einerseits
eine
Binsenweisheit
und
andererseits
immer
wieder
der
Verständigung
wert.
Bis
in
die
Olympische
Charta
hinein
ist
das
Prinzip
formuliert,
das
dieser
Binsenweisheit
vermeintlich
entgegensteht,
aber
nicht
auf
reine
Ideo
logie
reduziert
werden
kann,
nämlich
das
Verbot
der
politischen
Instrumentalisierung
des
Sports.
Gewöhnlich
gilt
der
Sport
als
neutrales
Gebilde,
welches
dann,
in
einem
unvermeidbaren
zweiten
Schritt,
in
politische
Kontexte
hineingerät.
Dass
der
moderne
Sport
durch
Einbindung
in
eine
Sportpolitik
unvermeidbar
politisch
wird,
ist
tatsächlich
unstrittige
Binsenweisheit.
2
Auf
dem
Spiel
steht
die
Frage,
ob
er
ein
Neutrum
oder
ein
Politikum
ist.
Es
soll
gezeigt
werden,
dass
er
ein
Politikum
ist,
insofern
er
(nur)
in
mimetischer
Bezugnahme
ist,
was
er
ist.
Moder
ner
Sport
ist
Ausdruck
der
Moderne,
genauer
gesagt;
die
spielerische
Inszenierung
des
Prinzips
der
bürgerlichen
Revolution,
nämlich
der
Umstellung
aller
Verhältnisse
auf
Indirektheit
-
so
die
zu begründende
These.
Mimetische Bezugnahme
ist
dabei
als
ein
Terminus
zu
nehmen,
und
nicht
als
Synthese
von
zwei
Aspekten.
Das
Moment
der mimetischen,
mithin
nicht-reduktionistischen
Bezugnahme
sichert
die
Eigenweltlichkeit
des
Sports
und
ist
der
notwendige
Gegenpol
zujeder
politischen
Instrumentalisierung
des
Sports;
redet
man
stattdessen
von
Eigenwelt,
die
dann,
auch
noch,
Bezug
nimmt,
entspringt
die
schlecht-ideologische
Rede
vom
.unpolitischen
Sport
“
.
3
Das
Moment
der
Bezugnahme
des
Sports
auf
etwas,
was
nicht
der
Sport
selbst
ist,
ist
der
notwen
dige
Gegenpol
gegen
solch
ideologischen
Missbrauch
der
Eigenweltthese;
redet
man
stattdessen
von
Bezugnahme,
die
dann,
auch
noch,
vor
politischer
Instrumentalisierung
geschützt
werden
müsse,
entspringt
die
fatale
Praxis,
den Sport
für
etwas
anderes als
ihn
selbst
in
den
Dienst
zu
nehmen.
364
Volker
Schürmann.
Sport
als
Inszenierung
des
Citoyen
1.
Mimetische
Bezugnahme
Den
Sport
als
einen
„Ausdruck"
von
Prinzipien
zu
begreifen,
ist
ein
heikel
Ding.
Gumbrecht
hat
soeben
noch
einmal
zu
Protokoll
gegeben,
dass
man
den
Sport
überhaupt
nicht
als
Aus
druck
von
irgendwas
begreifen
könne.'
Bei
Gumbrecht
ist
die
Rede
von
Ausdruck
allerdings
dadurch
definiert,
eine
Re-Präsentationsbeziehung
zu
sein.
Wäre
der
Sport
in
diesem
Sinne
ein
Ausdruck,
dann
stünde
er
stellvertretend
für
irgendein
(repräsentiertes)
X
und
wäre
nichts
aus
sich
heraus.
Die
Kritik
an
solcher
Re-Präsentation
richtet
sich
gegen
Konzepte,
die
im
Sport
nichts
anderes
sehen
können
als
den
Stellvertreter
der
„Leistungsgesellschaft"
(oder
der
„Industriegesellschaft",
der
„Zivilgesellschaft",
der
„Warengesellschaft")
in
der
Welt
der
Freizeit.
All
dem
hält
Gumbrecht
entgegen,
dass
der
Sport
eine
„Präsenzkultur"
sei.
Es
scheint
so,
dass
dieser
Punkt
immer
wieder
einmal
betont
werden
muss.
Es
ist
im
Kern
die
Selbstzweckstruktur
des
Sports,
die
Krockow
damals
von
seiner
Nutzlosigkeit
sprechen
ließ
-
„Sportler
sind
Nichtsnutze.
Sport
ist
überflüssig.
[...]
Wo
immer
man
Nutzen
und
Not
wendigkeit
herbeizwingt,
da
beginnt
der
Mißbrauch.
“
-'
Heinemann
und
Friederici
sprechen
von
der
„Sinnlosigkeit"
und
werden
reflexartig
dafür
kritisiert.
0
Sportwissenschaft
ist
bei
solchen
Tönen
in
Sorge
und
wittert
mangelnde
Wertschätzung.
Was
in
solcher
„Nutzlosig
keit"
festgehalten
wird,
ist
nichts
weiter
als
der
spielerische
Charakter
des
Sports.
Wir
alle
haben
die
Erfahrung
gemacht,
uns
beim
Spielen
schon
erholt
zu
haben.
Und
wir
alle
kennen
die
Erfahrung,
dass
es
notorisch
schief
geht,
wenn
wir
spielen,
um
uns
erholen
zu
wollen.
Dann
ist
es
nämlich
anstrengende
Erhokingsarbeit.
Dass
der
Sport
„präsentisch
“
,
„nutzlos
“
oder
„sinnlos
“
sei,
heißt
einfach
nur,
dass
es
kein
Sport
mehr
ist,
wenn
man
ihn
als
Mittel
zu
einem
anderen
Zweck
(etwa
Gesundheit)
einsetzt.
Ich
sehe
keinen
Grund,
darauf
gereizt
zu
reagieren.'
Gesundheitssport
ist
ein
Unbegriff.
Gumbrecht
irrt
in
den
Konsequenzen,
nicht
in
der
Diagnose.
Er
meint
nämlich,
dass
eine
Präsenzkultur
als
Präsenzkultur
nichts
ausdrücke.
Das
scheint
mir
historisch
und
sachlich
falsch
zu
sein.
Die
lange
Geschichte
des
Mimesis-Konzepts
und
die
mindestens
ebenso
lange
abendländische
Metaphemgeschichte
des
Spiegels
sind
der
(nicht
immer
geglückte)
Versuch,
eine
präsentische,
nicht-repräsentationalistische
Ausdrucksbeziehung
aussprechbar
und
begreif
bar
zu
machen.
8
Was
heutzutage
unter
den
Titeln
des
Performativen
und
der
Inszenierung
wieder
präsent
ist,
ist
der
Sache
nach
eine
Wiedererinnerung
an
den
Sinn
von
Mimesis
und
von
Spiegel.
Insofern
zielt
die
Kritik
von
Gumbrecht
an
relevanten
sportwissenschaftlichen
Konzepten,
etwa
von
Gebauer
oder
Alkemeyer,
vorbei.
9
Die
Reden
von
.Sport
als
Ausdruck'
und
von
.Spiegel
der
Gesellschaft'
sind
im
Folgenden
also
als
präsentische
Beziehungen
zu
verstehen,
und
gerade
nicht
als
Re-Präsentationen.
Das
Thema
ist
dann,
ob
der
Sport
Ausdruck
der
politischen
Prinzipien
der
Moderne
ist.
Gesetzt,
der
Sport
drückt
präsentisch
etwas
aus
-
drückt
er
dann
das
Leistungsprinzip,
das
Prinzip
des
kapitalistischen
Warentausches,
das
Konkurrenzprinzip
oder
was
sonst
aus?
Was
ist
die
Basis
des
Sports?
Dieses
entweder
(Ausdruck
des
Politischen)
-
oder
(Ausdruck
des
Ökonomischen,
Techni
schen
oder
Ideologischen)
ist
nur
dann
eine
These,
falls
damit
tatsächlich
eine
Ausschluss
beziehung
gemeint
ist.
Ansonsten wäre
es
ein
Drumherumgerede
-
ein
bisschen
politisch
und
ein
bisschen
ökonomisch,
je
nachdem,
was
gerade
gebraucht
ward.
Aber
selbstverständlich
kann
und
darf
diese
These
nicht
besagen,
dass
der
moderne
Sport
überhaupt
nichts
mit
dem
Ökonomischen. Technischen.
Ideologischen
der
Moderne
zu
tun
hätte,
denn
das
wäre
einfach
DZPhil
54
(2006)
3
365
fälsch.
Die
vorläufige
strukturelle
Auskunft geht
dahin
zu
sagen,
dass
die
politische Moderne
ihrerseits
Ausdruck
ist
(zum
Beispiel
des
ökonomischen),
sodass
der
Sport Ausdruck
eines
Ausdrucks,
also
Ausdruck
(mindestens)
2.
Potenz
ist,
und
sich
in
diesem
Sinne
nicht
direkt
auf
das
Ökonomische,
sondern
direkt
auf
das
Politische
bezieht
und
darüber
vermittelt
auch
auf
das
vom
Politischen
Ausgedrückte.
Für
Ausdrucksbeziehungen
höherer Potenz
mag
man
den
Begriff
der
Inszenierung
reservieren.
10
Die
Struktur
einer mimetischen Bezugnahme
ist
also
in
mehrfacher
Hinsicht
differenziert.
Jede
Ausdrucksbeziehung
ist
eine
vermittelte
Beziehung
und
keineswegs
eine
unmittelbare.
Als
präsentische
ist
sie
freilich
in
anderer
Weise
vermittelt
als
eine
Repräsentations-Bezie
hung,
was
seit
und
mit
Hegel,
Plessner.
Misch
und
König den
Namen
der
vermittelten
Unmit
telbarkeit
trägt.
Unbeschadet
dieses
Charakters
von
Ausdrucksbeziehungen
soll
hier
gesagt
w'erden,
dass
Sport
„direkt
“
Ausdruck
des
Politischen
ist
und nur
indirekt
darüber
auch
Aus
druck
des
Ökonomischen
(Technischen
etc.).
Damit
ist
auch
das
m
letzter
Instanz
Ausge
drückte
ein
Ausdruck
0.
Potenz.
Ausgedrücktes
ist
damit
nicht
nichts,
aber
das,
was
es
ist
und
bedeutet,
ist
es
nur
als
Ausgedrücktes
.
Die
Rede
von
der
.Basis
des
Sports"
hält
damit
die
losische
Mitte
zwischen
einem
oft
repräsentationalistisch
missverstandenen
Basis-Cberbau-
Theorem
und
einer missverständlichen
Rede
von
.Kopien
ohne
Original'.
li.
Die
politische
Moderne
Die
Modernität
des
modernen
Sports
liegt
dann,
so
die
These,
Ausdruck
des
Prinzips
der
bürgerlichen
Revolution
zu
sein.
Die
Etablierung der
bürgerlichen
Gesellschaft
hat
selbstver
ständlich
verschiedene
Facetten.
Im
Ideologischen
ist
es
eine
„Revolution
der
Denkungsart":
die
programmatische
Umstellung
von
Nach-Beten
auf
Selbstdenken,
also
auf
Aufklärung
als
Ausgang
aus
„selbstverschuldeter
Unmündigkeit".
-
Es
ist
eine
Revolution
der
Produktions
verhältnisse:
Der
doppelt
freie
Arbeiter
betritt
den
Markt,
der
im
Unterschied
zum
Sklaven
und
zum
Leibeigenen
frei
ist,
seine
Arbeitskraft
verkaufen
zu
können,
aber
diese
auch
ver
kaufen
muss,
da
er
frei
ist
von
Produktionsmitteln.
—
Es
ist
mit
der
Industrialisierung
und
Verwissenschaftlichung
eine
Revolution
der
Technik.
—
Es
ist
im
Politischen
eine
Revolution
der
Herrschaftsform;
die
programmatische
Umstellung
von
feudalen
auf
republikanische
Ver
hältnisse
der
Herrschaft
des
Volkes
über
sich
selbst,
also
das
Projekt
einer
demokratischen
Republik
anstelle
des
Ständestaates.
All
diese
Facetten
der
bürgerlichen
Revolution
sind
Revolutionierungen.
Es
sind
graduelle
.Änderungen,
mehr
oder
weniger
spektakulär,
mehr
oder
weniger
bedeutsam,
mehr
oder
weni
ger
folgenreich, mehr
oder
weniger
nachhaltig.
Nirgends gibt
es
bei
Revolutionierungen
klare
Anfänge.
Der revolutionäre
Bruch,
der
die
bürgerliche
von
der
feudalen
Gesellschaft
trennt,
ist
ein
erklärter
Bruch.
Indem
sich
ein
verändertes
Selbstverständnis
in
einer
Deklaration
manifestiert
und wirksame
Dauer gewinnt,
ist
ein
revolutionärer
Bruch
vollzogen.
In
diesem
Sinne
kommt
die
bürgerliche
Gesellschaft
in
den
Deklarationen
der
Menschenrechte
zu
sich
selbst
qua
selbstvergewissernder
Postulierung
des
Prinzips
dieser
Revolution.
Das
Prinzip
der
bürgerlichen
Revolution
ist,
so
die
These,
die
Umstellung
direkter
persönlicher
Abhängigkeitsverhältnisse
auf
indirekte
Verhältnisse.
Die
generelle
Formel,
mit
der
der
grundsätzliche
Wandel
der
politischen
Verfassung
zur
modernen
bürgerlichen
Gesellschaft
gefasst
wurden
kann,
ist
die
der
Abschaffung
von
Leib
366
Volker
Schürmann,
Sport
als
Inszenierung
des
Citoyen
eigenschaft
durch
die
Schaffung
von
Staatsbürgertum.
„Die
Freiheit,
die
Menschenrechts
erklärungen
überhaupt
denkbar
gemacht
hat.
ist
eine
leibhaftige
Freiheit,
Sie
ist
dadurch
bestimmt,
daß
der
Mensch
über
seinen
Leib
verfügt,
indem
er
arbeitet,
was
er
will,
heiratet,
wen
er
will,
und
sich
niederläßt,
wo
er
will,
[...]
Wo
diese
Bedingungen
fehlten,
bestand
Leibeigenschaft."
11
Leibeigenschaft
ist
ein
direktes
Abhängigkeitsverhältnis
zwischen
Personen
in
deren
Ganz
heit.
Personen
sind
sich
dort
wechselseitig
gleichsam
,mit
Haut
und
Haaren'
ausgeliefert.
In
diesem
Sinne
handelt
es
sich
bei
feudalen
Verhältnissen
um
Gewaltverhältnisse,
in
denen
das
.Recht
des
Stärkeren'
herrscht.
So
zu
reden,
bedeutet
selbstverständlich
nicht,
dass
es
im
Feudalismus
zwischen
den
Menschen
immerzu
gewalttätig
zuging
und
dass
sich
der
herrschende
Patron
immerzu
gegenüber
den
schwächeren
Mägden
und
Knechten
durchgesetzt
hätte.
Direkte
Abhängigkeitsverhältnisse
liegen
nicht
nur
dort
vor,
wo
die
tatsächlichen
Abhängigkeiten
gewalt
tätig
hergestellt
und
in
direkter
Konfrontation
bestätigt
oder verändert
werden.
Selbstverständ
lich
gibt
es
im
Feudalismus
Gewohnheitsrechte,
Fürsorgepflichten,
Regeln
des
pfleglichen
Umgangs,
sprichwörtliche Bauernschläue.
Aber
all
solche
Regularitäten
und
Umwegigkeiten
des
Ausfechtens
von
Abhängigkeiten
ändern
nichts
an
der
Direktheit
der
Abhängigkeit,
die
solche
Verhältnisse
zu
Gewaltverhältnissen
macht.
Fürsorgepflicht
war
ein
Gnadenakt
[caritas],
kein
Rechtsanspruch.
Leibeigene
hatten
kein
Recht,
die
Eigenschaft
zu
verlassen
und
Stadt
bürger
zu
werden;
wohl
konnten
sie
sich
der
patronalen
Herrschaft
in
der
Aussicht
entziehen,
.etwas
Besseres
als
den
Tod
überall
zu
finden
1
.
„Recht
des
Stärkeren
“
meint,
dass
die
je
konkreten
Mittel
der
Durchsetzung
der
eigenen Interessen
(resp.
die
Selbsteinschätzung dieser
Mittel)
gegeneinanderstehen
und
den
Ausgang einer
Entscheidung
bestimmen.
Genau
damit
bricht
die
bürgerliche
Revolution,
indem
sie
die
Staatsbürgerschaft
deklariert.
Alle
Verhältnisse
der
Individuen
sind
nunmehr
prinzipiell
vermittelt
durch
die
Dimension
ihres
gemeinsam
geteilten
Sich-Anerkennens
als
Freie
und
Gleiche.
Jetzt
gibt
es
eine
dritte
Partei
im
Unterschied
zu
direkten
Verhältnissen
zwischen
Zweien:
Bürgerliche
Verhältnisse
sind
Ver
hältnisse
zwischen
Zweien
im
Medium
einer
Deklaration
Aller.
Sehr
anschaulich
gefasst
be
deutet
das
zum
Beispiel,
dass
Staatsbürger
[citoyens']
Steuern
in
einen
gemeinsamen
Topf
zahlen,
von
dem