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Sporer, T. (2008): Projekt Knowledgebay – Fallbeispiel zur Integration informeller studentischer Lern-
gemeinschaften in das formale Hochschulstudium. In: Schachtner, C. & Höber, A. (Hrsg.). Learning
Communities: Der Cyberspace als neuer Lern- und Wissensraum. S. 145-156. Wiesbaden: Gablerverlag.
Projekt Knowledgebay – Fallbeispiel zur Integration
informeller studentischer Lerngemeinschaften in das
formale Hochschulstudium
Thomas Sporer
Institut für Medien und Bildungstechnologie (Universität Augsburg)
Einleitung
Dem Lernen und Arbeiten in sozialen Gemeinschaften kommt heute eine
zentrale Rolle zu. Dennoch lässt sich feststellen, dass an unseren Hochschulen –
von wenigen Ausnahmen abgesehen – bislang kaum eine systematische
Einbindung von informellen Lerngemeinschaften in die Curricula erfolgt (vgl.
Reinmann u. a. 2007). In diesem Beitrag wird anhand eines Fallbeispiels der
Versuch zur Integration einer studentischen Lerngemeinschaft in das
Hochschulstudium vorgestellt. Dieses Beispiel illustriert, wie sich informelle
Lerngemeinschaften von Studierenden in das formale Curriculum des
Hochschulstudiums einbinden lassen.
Der Beitrag stellt im ersten Abschnitt die Lerngemeinschaft und das
Internetportal des Projekts Knowledgebay vor. Der zweite Abschnitt erläutert
dann die Organisation der studentischen Lerngemeinschaft, die das
Internetportal betreibt. Der dritte Abschnitt zeigt, wie diese Lerngemeinschaft an
der Universität Regensburg zum Gegenstand eines Hochschulseminars gemacht
wurde. Im vierten Abschnitt wird die Produktion audiovisueller Wissensmedien
durch Studierende im Kontext dieses Seminars skizziert. Der Schlussteil fasst
die bisherigen Erfahrungen mit dieser Form der Integration studentischer
Lerngemeinschaft in das Hochschulstudium zusammen und gibt im Fazit einen
Ausblick auf die Weiterentwicklung des vorgestellten Ansatzes.
Lerngemeinschaft und Internetportal von Knowledgebay
Im Rahmen des Projekts Knowledgebay wurde von einer interdisziplinär
zusammengesetzten Gruppe von Studierenden ein Konzept zum Einsatz digitaler
Medien in der Hochschule entwickelt. Die Kernidee dieses Konzepts lässt sich
als Goal-based Szenario (vgl. Schank 1994) verstehen, bei dem eine
Lerngemeinschaft von Studierenden ein Internetportal betreibt, über das ein
Informationsangebot mit audiovisuellen Wissensmedien aus der Hochschule
bereitgestellt wird (www.knowledgebay.de). Die studentische Lerngemeinschaft
ist dabei für den Redaktionsbetrieb sowie die Organisation des gesamten
Projekts verantwortlich. Dieses in Abbildung 1 dargestellte Szenario verbindet
das Lernen in einem Face-to-Face Setting mit online-basiertem Lernen.
Abb. 1: Zusammenspiel von Lerngemeinschaft und Internetportal
In Zusammenarbeit mit Fachexperten auf dem Campus der eigenen Hochschule
produziert die Lerngemeinschaft von Knowledgebay digitale Lehr-
Lernmaterialien. Bei der Erstellung dieser Wissensmedien setzen sich die
Studierenden intensiv mit den fachlichen Inhalten dieser Medienprodukte
auseinander (vgl. Papert 1991) und eignen sich zugleich Fertigkeiten zum
Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur
Wissensvermittlung an. Aus diesem Prozess des kooperativen Lernens und
kollaborativen Arbeitens gehen dann Medienprodukte für das Portal hervor, die
anderen Studierenden wiederum zum Erwerb von Wissen dienen (vgl. Sporer
2007). Zur Bewältigung aller beim Redaktionsbetrieb anfallenden Aufgaben
organisiert die studentische Lerngemeinschaft sowohl die benötigten Ressourcen
als auch die Arbeitsprozesse zur Produktion der digitalen Lehr-Lernmaterialien
selbst. Es werden hierzu regelmäßige Treffen der Gruppenmitglieder abgehalten,
ein Hochschulseminar geplant und durchgeführt sowie wissenschaftliche
Veranstaltungen auf dem Campus audiovisuell dokumentiert und inhaltlich-
multimedial aufbereitet (vgl. Sporer u. a. 2006). Die Organisation der
Lerngemeinschaft erfolgt dabei sowohl online als auch offline und erfordert eine
Reihe von Kompetenzen auf Seiten der Studierenden. Dieses Lernen im Rahmen
der Projektgruppe von Knowledgebay wird im Folgenden näher beleuchtet.
Organisation der studentischen Lerngemeinschaft
Der Begriff Lerngemeinschaft bezieht sich im Beispiel von Knowledgebay auf
einen längerfristigen Zusammenschluss von Studierenden zur Durchführung
eines gemeinsamen Projekts. Im Sinne einer „Community of Practice“ (vgl.
Lave / Wenger 1991) wachsen die Mitglieder der Lerngemeinschaft im Verlauf
mehrerer Semester von der Peripherie des Projekts in das Kernteam hinein.
Abb. 2: Stufen der Partizipation an der Lerngemeinschaft
Die in Abbildung 2 illustrierten Stufen zunehmender Partizipation sind als
dreistufiges Tutorensystem organisiert Die am Projekt teilnehmenden
Studierenden durchlaufen diese Stufen sukzessiv:
Projektstufe I. Die erste Stufe des Tutorensystems ermöglicht den Einstieg in die
Lerngemeinschaft. Die Zielsetzung auf dieser Stufe ist das Erlernen
grundlegender praktischer Fertigkeiten zur Mitwirkung im Projekt, wie zum
Beispiel Digitalisierung, Schnitt und Komprimierung von Audio- bzw.
Videoaufnahmen. In einem Praxisseminar bekommen die Projektnovizen diese
elementaren Produktionsprozesse gezeigt und setzen anschließend eigene
Beitragsproduktionen um (vgl. Abschnitt 4). Die Ergebnisse des Seminars
werden anschließend als Beiträge auf dem Internetportal von Knowledgebay
veröffentlicht. Bewertung und Feedback der Arbeitsergebnisse finden dabei
einerseits durch die am Seminar mitwirkenden Hochschullehrer und andererseits
durch die Portalbenutzer statt.
Projektstufe II. Nachdem sich die Projektnovizen die wichtigsten Kompetenzen
zur Erstellung eigener Inhalte angeeignet und hinreichend praktische
Erfahrungen bei der Inhaltsproduktion gesammelt haben, können sie auf der
zweiten Stufe als Tutoren am Projekt mitwirken. Nach Abschluss der
Seminarteilnahme auf der ersten Projektstufe erstellen die Tutoren auf Basis der
vorangegangen Erfahrungen als Seminarteilnehmer „Good-Practice“-Konzepte.
So bringen als neue Tutoren jeweils eigene Ideen und Problemlösungen in die
Lerngemeinschaft ein und entwickeln die Organisationsstrukturen und
Arbeitsprozesse im Projekt kontinuierlich weiter. Durch die anschließende
Betreuung der Projektnovizen im Rahmen des Seminars haben die Tutoren dann
die Möglichkeit, die von ihnen erstellten Konzepte in der Praxis zu erproben.
Die Praxistauglichkeit bei der Betreuung der Projektnovizen und die Akzeptanz
der Seminarteilnehmer entscheiden darüber, ob eine langfristige Integration der
neuen Konzepte in die Praxis der Lerngemeinschaft erfolgt.
Projektstufe III. Nach mehreren Semestern der Projektteilnahme kann
schließlich auf der dritten Stufe die volle Verantwortung für das Projekt
übernommen werden. Die wichtigste Aufgabe dieser Kerngruppe von
Knowledgebay ist das erfolgreiche Management des gesamten Projekts. Die
Kerngruppe organisiert alle für einen reibungslos funktionierenden
Projektbetrieb notwendigen Maßnahmen und Aktivitäten. Hierzu werden in
Projekttreffen die erzielten Ergebnisse gemeinsam reflektiert und notwendige
Maßnahmen geplant. Durch Wissensmanagementinstrumente werden in der
Projektpraxis gewonnenen Erfahrungswerte an die Mitglieder der zweiten und
ersten Projektstufe weitergegeben und dokumentiert. Die Mitglieder des
Kernteams erhalten über die von der Lerngemeinschaft erzielten Ergebnisse ein
Feedback zu ihrer Arbeit in der Rolle als Projektmanager (vgl. Sporer 2007).
Nach dem erfolgreichen Durchlauf einer Stufe der Partizipation an der
Lerngemeinschaft übernehmen die Mitglieder auf der nächsten Stufe jeweils
komplexere Aufgaben mit einem höheren Grad an Verantwortung. Dieses
dreistufige Tutorensystem ist in Abbildung 3 zusammenfassend dargestellt.
Abb. 3: Tutorensystem und Durchlauf des 3-stufigen Projektmodells
Einbindung der Lerngemeinschaft in ein Seminarangebot
Das Tutorensystem der Lerngemeinschaft war an der Universität Regensburg in
ein Seminarangebot eingebunden, das der ersten Projektstufe entspricht. Dieses
„Praxisseminar für digitale Medien“ wurde von den im Projekt aktiven
Studierenden selbst organisiert und in Kooperation mit dem Lehrstuhl für
Informationswissenschaft durchgeführt. Das Seminar war interdisziplinär
ausgerichtet und bot einen hohen Praxisbezug, da sich die Teilnehmer durch
aktive Auseinandersetzung mit digitalen Medien auf unterschiedlichen Ebenen
Kompetenzen und Wissen aneigneten. Es bestand aus drei sich ergänzenden
Teilen:
Praxisteil. Im Praxisteil wurden den Studierenden die grundlegenden
Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Produktion von Wissensmedien vermittelt. Die
Seminarteilnehmer lernten, eigene Beiträge zu konzipieren und Medienprodukte
zu erstellen. Die Vermittlung der Inhalte des Praxisteils fand in
Workshopsitzungen statt, die von einem Mitglied des Kernteams durchgeführt
und von den Tutoren des Projekts unterstützt wurden. Ergänzend zu den
Workshops wurde eine Reihe von Online-Materialien (z.B. Schritt-für-Schritt-
Anleitungen und Tutorials) bereitgestellt. Auf diesem Weg erlernten die
Teilnehmer unter anderem folgende Fähigkeiten und Fertigkeiten:
Gerätebedienung zur Aufzeichnung bei Dokumentationen und eigenen
Beiträgen; Umgang mit verschiedener Software zur Nachbearbeitung der
Aufnahmen; Benutzung eines Online-Autorentools und eines webbasierten
Redaktionssystems; Vorbereitung und Durchführung von Interviews;
Befragungen und O-Tonaufnahmen; Grundsätze zur Erstellung von
Beitragsskripten („Schreiben fürs Sprechen“); korrektes Einsprechen des
geschriebenen Skripts bei der Beitragsproduktion; Editierung der
Beitragsbestandteile und Erstellung des fertigen Beitrags.
Theorieteil. Der theoretische Teil ergänzte den Praxisteil um
fachwissenschaftliche Hintergründe und förderte die Einordnung des praktisch
Erlernten durch selbstreflexive Elemente. Zu diesem Zweck wurden Referenten
verschiedener Fachrichtungen eingeladen, die in Expertenvorträgen
verschiedene Aspekte des Projekts aufgriffen und von ihrer fachlichen Kenntnis
ausgehend beleuchteten. Um einen klaren Bezug zur Projektpraxis herzustellen,
erfolgte die Vermittlung der theoretischen Inhalte anhand konkreter praktischer
Problemstellungen. Unter der Moderation eines Seminarleiters aus dem
Kernteam wurden die Praxisprobleme dann gemeinsam mit den Referenten und
Seminarteilnehmern diskutiert und reflektiert. Das Projekt konnte so aus den
Perspektiven verschiedener Disziplinen behandelt werden. Dazu gehörten
beispielsweise: Erscheinungsformen von Informationsdiensten und Portalen im
Internet (Medienwissenschaft), inhaltliche und formale Erschließung von
Multimediadokumenten (Informationswissenschaft), Urheber-, Nutzungs- und
Verwertungsrechte von digitalen Medien (Rechtswissenschaft), Gestaltung von
Lehren und Lernen mit digitalen Medien (Erziehungswissenschaft) sowie
Aufbau und Merkmale wissenschaftsjournalistischer Beiträge
(Kommunikationswissenschaft).
Projektteil. Im Projektteil des Seminars erstellten die Studierenden schließlich
erste eigene Medienprojekte als Beiträge für das Internetportal. Die
Seminarteilnehmer bildeten dabei Arbeitsgruppen und wählten ein Thema ihres
Interesses, das sie im weiteren Verlauf des Seminars bearbeiteten. Die
Anforderungen zur erfolgreichen Durchführung des Projektteils durch die
Teams umfassten: die Dokumentation von Veranstaltungen, die an der
Hochschule zum gewählten Thema stattfanden (z.B. Ringvorlesungen,
Tagungen), die Erstellung von Newsmeldungen, die auf dem Portal auf aktuelle
Informationen hinweisen, die Erfassung von themenverwandten Internetseiten in
einem Webverzeichnis, die Produktion und Veröffentlichung eines eigenen
Beitrags je Seminarteilnehmer zum gewählten Thema sowie die Verknüpfung
des eigenen Beitrags mit anderen Beiträgen des Medienarchivs.
Bei der Umsetzung der Medienproduktionen im Projektteil wurden die
Seminarteilnehmer von Tutoren unterstützt, die ihrerseits wiederum vom
Seminarleiter aus dem Kernteam betreut wurden. Die Tutoren waren jeweils
Mitglieder der Projektteams und arbeiteten bei der Seminardurchführung eng
mit dem Seminarleiter zusammen (vgl. Abbildung 4).
Abb. 4: Anleitung von Novizen durch erfahrene Projektteilnehmer
In Anlehnung an das Modell des „Cognitive Apprenticeship“ (Collins u. a.
1989) werden die Novizen bei der Durchführung ihrer ersten
Beitragsproduktionen von erfahrenen Projektteilnehmern angeleitet. Diese
Anleitung zur Partizipation in der Lerngemeinschaft findet sowohl beim
Übergang von der ersten auf die zweite Projektstufe als auch beim Übergang
von der zweiten auf die dritte Projektstufe statt.
Durchführung von Projekten im Seminarkontext
Neben der Vermittlung von grundlegendem Wissen über fachlich-theoretische
Hintergründe sowie die wichtigsten Kenntnisse zur Beitragsgestaltung im
Theorie- und Praxisteil des Seminars verfolgte der Projektteil das Ziel, dass alle
Seminarteilnehmer eigenständig einen Beitrag produzieren. Der konkrete Ablauf
und die pädagogisch-didaktische Umsetzung dieser Medienproduktionen im
Rahmen des Seminars orientierte sich an der Projektmethode von Karl Frey
(1990). Daraus ergaben sich folgenden Phasen der Projektarbeit:
Projektinitiative. Entsprechend den inhaltlichen Vorgaben der Portalredaktion
wurden von den Seminarleitern verschiedene Themenvorschläge für Beiträge in
das Seminar eingebracht. Die Vorschläge ließen den Seminarteilnehmern jedoch
hinreichend Raum zur freien Gestaltung des gewählten Themas. Die jeweiligen
Teams bekamen dann im Praxisteil des Seminars den Gesamtprozess der
Beitragsproduktion vom Seminarleiter vorgestellt und mit Hinweisen auf den
Theorieteil des Seminars ergänzt. Anhand eines Beispielbeitrags demonstrierten
die Seminartutoren anschließend die einzelnen Produktionsschritte einer
Beitragsproduktion. Dies ermöglichte es den Seminarteilnehmern am Modell
von Projekteilnehmern mit mehr Erfahrung zu lernen.
Projektskizze. Im Sinne eines Scaffolding-Ansatzes wurden die
Seminarteilnehmer bei der Vorbereitung der Projektskizzen von Tutoren
angeleitet und bei den Teambildungsprozessen sowie der Themenfindung
unterstützt. Dabei zog sich der Tutor graduell aus dem Projektteam zurück und
überließ den Novizen die schließlich vorläufige Planung der Medienproduktion.
Im Seminar stellten die Seminarteilnehmer dann den anderen Projektteams das
im Beitrag behandelte Thema, dessen inhaltliches Spektrum, die Ziele und die
Dramaturgie des Beitrags sowie den geplanten Medieneinsatz in einem
Kurzreferat vor.
Projektplan. Vor dem Hintergrund des Feedbacks zu den Projektskizzen im
Seminar wurde ein Projektplan mit konkreten Maßnahmen zur Realisierung des
Projekts erstellt. In diesem Projektplan wurden der zeitliche Verlauf der
Projektdurchführung sowie die Zuständigkeiten der einzelnen Teammitglieder
schriftlich festgehalten. Auch bei dieser Aufgabe wurden die Seminarteilnehmer
nochmals von einem Tutor begleitet und bekamen Feedback zu dem fertigen
Projektplan. So wurden die Projektteams auf mögliche Probleme bei der
geplanten Projektdurchführung aufmerksam und konnten so bei Novizen häufig
auftretende Fehler bereits im Vorfeld vermeiden.
Projektdurchführung. Bei der Durchführung der Beitragsproduktionen waren die
Projektteams auf sich alleine gestellt und mussten die im Theorie- und Praxisteil
erworbenen Inhalte anwenden. Voraussetzung für eine erfolgreiche
Seminarteilnahme war dabei die Anfertigung eines Beitrags je Teilnehmer. Ob
die Beitragserstellung in Eigenregie erfolgte oder mehrere Beiträge von einem
Projektteam gemeinsam erstellt wurden, konnte von den Seminarteilnehmern
entschieden werden. Bei Interesse konnten diejenigen Teilnehmer, die das
Seminarziel einer eigenen Beitragsproduktion erfolgreich erreichten, im darauf
folgenden Semester dann auf der nächsten Stufe des Projektmodells die Rolle
eines Tutors im Seminar übernehmen.
Projektabschluss. Alle Seminarteilnehmer präsentierten die fertigen Beiträge
schließlich in einer Abschlusssitzung und erhielten Feedback zu ihren Beiträgen
von den Seminarleitern und Tutoren. Zudem wurden die Beiträge durch einen
Hochschullehrer, der das Seminar formal leitete, benotet. Durch die
Veröffentlichung der Beiträge auf dem Internetportal erhielten die Teilnehmer
weiteres Feedback durch die Kommentare der Benutzer von Knowledgebay. Die
künftigen Tutoren reflektierten ihre Erfahrungen mit der Teilnahme am Seminar
in einem Projektbericht zusammen. Diese „Best-Practice-Berichte“ konnten
schließlich bei der Betreuung der Seminarteilnehmer im nächsten
Seminardurchlauf erprobt werden und dienten so zur kontinuierlichen
Verbesserung der Seminar- und Projektpraxis.
Zusammenfassung und Fazit
Anhand eines Fallbeispiels wurde in diesem Beitrag ein Konzept für den Einsatz
digitaler Medien in der Hochschule vorgestellt, bei dem virtuelles Lernen mit
dem Lernen in Face-to-Face-Situationen auf Basis eines Goal-based Szenarios
verbunden wird: In einem Seminar produzieren Studierende aus den fachlichen
Inhalten ihres Studiums digitale Wissensmedien und veröffentlichen diese auf
einem Internetportal, das von der Lerngemeinschaft des Projekts Knowledgebay
betrieben wird. Innerhalb dieser Lerngemeinschaft setzen sich die Studierenden
bei der Medienproduktion intensiv mit ihren Studieninhalten auseinander und
erwerben in Face-to-Face-Situationen wichtige Kompetenzen zum Umgang mit
digitalen Medien. Die im Projekt erstellten Wissensmedien können dabei über
das Portal von anderer Studierenden zum virtuellen Lernen genutzt werden.
Das Fallbeispiel zeigt eine Möglichkeit, wie sich informelles Lernen im Kontext
von studentischen Lerngemeinschaften mit dem eher formalen Lernen im
Rahmen des regulären Fachstudiums integrieren lässt. Im Falle von
Knowledgebay wird dies durch die Einbindung der Lerngemeinschaft in das
Hochschulstudium mit Hilfe eines Hochschulseminars implementiert. Dieses
Seminar besteht aus einem Theorie-, einem Praxis- sowie einem Projektteil und
institutionalisiert das Tutorensystem der Lerngemeinschaft des Projekts: Im
Praxisteil erlernen die Seminarteilnehmer die Produktion digitaler Medien, im
Theorieteil erwerben sie wissenschaftliches Hintergrundwissen aus der
Perspektive verschiedener Disziplinen und im Projektteil wenden sie die
Grundlagen des theoretischen und des praktischen Seminarteils bei einer
eigenen Beitragsproduktion an. Als erste Stufe des Tutorensystems ermöglicht
die Teilnahme am Seminar zudem den Einstieg in die Lerngemeinschaft von
Knowledgebay. Bei der Partizipation in dieser Lerngemeinschaft erwerben
Studierende dann durch kooperatives Lernen und kollaboratives Arbeiten an
einem selbstorganisierten Projekt wichtige Schlüsselkompetenzen (vgl. Knäusl /
Sporer 2007).
Das in diesem Beitrag skizzierte Szenario wurde an der Universität Regensburg
vom Sommersemester 2003 bis zum Sommersemester 2005 entwickelt und in
der Praxis erprobt. Hier erwies sich die skizzierte Einbindung des Projekts in ein
Seminarangebot als sinnvoll und praxistauglich: Einerseits konnte so eine
größere Zahl von Studierenden zur Teilnahme an Knowledgebay gewonnen
werden; andererseits hatten die Studierenden, die am Projekt teilnahmen, die
Möglichkeit, sich die Mitarbeit im Projekt auch als Leistungspunkte (5 ECTS-
Punkte) im Fachstudium anrechnen zu lassen. Als schwierig hat sich allerdings
die Sicherung von Kontinuität beim Angebot dieses Seminars erwiesen. Die
Schwierigkeit lag hier insbesondere in der Übergabe der Seminarorganisation
von einer Generation des Kernteams der Lerngemeinschaft zur nächsten. Um
hinsichtlich dieses wichtigen Punktes mehr Kontinuität von Seminar und
Lerngemeinschaft zu gewährleisten, wäre eine weitergehende Integration des
Tutorensystems in die Studienstruktur notwendig gewesen. Beispielsweise
könnten auch die zweite und dritte Stufe des Tutorensystems durch eine formale
Anerkennung (z.B. über ECTS-Punkte) Bestandteil des Fachstudiums werden.
Wenn studentische Lerngemeinschaften, wie im vorliegenden Beispiel
illustriert, nachhaltig in die Institution Hochschule eingebunden werden sollen,
sind entsprechende Infrastrukturen und Rahmenbedingungen zu gestalten, die
das Engagement von Studierenden in Projekten unterstützen (vgl. Sporer u.a.
2007). Gelingt dies, bieten Projekte wie Knowledgebay einen Lern- und
Wissensraum, der dabei hilft die Grenzen zwischen virtuellem und Face-to-face-
Lernen zu überwinden und die Lernerfahrungen von Studierenden in sozialen
Gemeinschaften im Netz mit den traditionellen Lehrveranstaltungen von
Hochschulen in Zusammenhang zu bringen.
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