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Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität: Deutschland, England und Schweden im Vergleich, 1950-2000

Authors:
Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität:
Deutschland, England und Schweden im Vergleich, 1950-2000
Helmut Thome
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Soziologie
D-06099 Halle (Saale)
e-mail: thome@soziologie.uni-halle.de
Tel.: ++(0)345-5524260
Stand: 2. Dezember 2001
1. Zusammenfassung
Es soll die Kriminalitätsentwicklung in drei europäischen Ländern (Deutschland, England,
Schweden) in der zweiten Hälfte des 20. Jh. vergleichend untersucht werden. Um
Besonderheiten der Entwicklung der Gewaltkriminalität besser identifizieren zu können,
werden punktuell auch andere Deliktarten (insbesondere verschiedene Formen der
Eigentumskriminalität) in die Betrachtung mit einbezogen. Dabei werden die Jahre zwischen
1950 und 1960 nicht als "Nullpunkt" angesehen; vielmehr sollen wesentlich weiter
zurückreichende Entwicklungslinien, sofern sie kriminalhistorisch bereits aufgearbeitet
worden sind, in die Betrachtung mit einbezogen werden (dies gilt insbesondere für die
Homizidraten). Es geht zunächst darum, auf der Basis vorhandener Datenbestände die
Entwicklungsverläufe verschiedener Deliktarten, getrennt für einzelne Täter- und
Opfergruppen, unterschiedliche regionale Einheiten und Siedlungsstrukturen, zu
rekonstruieren. Informationen aus Opferbefragungen und crime surveys (soweit vorhanden)
sollen für Modellrechnungen über mögliche Veränderungen im Verhältnis von Hell-
/Dunkelziffern genutzt werden, ebenso Informationen über Veränderungen im Strafrecht und
in der Strafverfolgungspraxis. Außerdem sind Gruppenkompositionseffekte, die sich aus
demografischen Veränderungen ergeben, zu berücksichtigen. Es soll sodann untersucht
werden, inwieweit parallel oder invers verlaufene Veränderungen in den sozialen Strukturen,
aber auch bestimmte politische Konfliktkonstellationen für eine ursächliche Erklärung der
Trendverläufe in den Kriminalitätsraten in Frage kommen. Dazu wird ein Kategorienschema
vorgeschlagen, das vor allem von den Arbeiten Emile Durkheims und Norbert Elias
inspiriert worden ist. Zentrale Konzepte sind hier Annahmen über die Erosion des staatlichen
Gewaltmonopols, strukturell induzierte Diskrepanzen zwischen dem nachgefragten und dem
individuell erreichbaren Niveau an Selbststeuerung sowie eine Typologie normaler und
pathologischer Integrationsformen. Positiv werden Integrationspotentiale und -bedingungen
unter dem Konzept des kooperativen Individualismus zusammengefaßt, abweichende
Tendenzen in Richtung Desintegration als egoistischer Individualismus, Anomie und
regressiver Kollektivismus charakterisiert. Einen für dieses Analyseschema geeigneten Satz
von Makro-Indikatoren zusammenzustellen bzw. neu zu konstruieren ist ein wesentliches
Anliegen des Projekts. Daraus dürften sich auch Vorschläge für die Sozialberichterstattung
gewinnen lassen.
2. Problemstellung und Zielsetzung des Forschungsvorhabens
Die Mehrzahl der kriminalsoziologischen Studien beruht entweder auf qualitativen Analysen
weniger "Fälle" oder auf der Querschnittanalyse von regional begrenzten Individualdaten, die
aus Gesamt- oder Teilpopulationen per Stichprobenziehung und Befragung gewonnen
wurden. Abhängige Variable (das zu erklärende Phänomen) ist die individuelle Neigung bzw.
der bisher beobachtete Vollzug oder Nicht-Vollzug bestimmter krimineller Handlungen,
unabhängige Variablen (Erklärungsfaktoren) sind andere individuelle Eigenschaften oder
soziale Kontextmerkmale, die aktuell beobachtet oder lebensgeschichtlich rekonstruiert
werden können. In unserer Untersuchung ist das Explanandum dagegen auf der
Aggregatebene (als Kriminalitätsrate) definiert, und Variationen werden über lange Zeiträume
beobachtet. Konkret lautet z. B. die Frage: Warum fällt die nachweisbare durchschnittliche
Homizidrate in einer nicht linearen, nicht kontinuierlichen, aber klar dominanten
Trendbewegung in verschiedenen europäischen Ländern seit (grob gesagt) Beginn der
Neuzeit erheblich ab (um einen Faktor von etwa 30), steigt aber (ebenso wie andere Formen
der Gewaltkriminalität und die Kriminalität insgesamt) seit Mitte des 20. Jahrhunderts wieder
deutlich (aber nicht in jedem Falle kontinuierlich) an (s. Eisner 2001a)? Steigende
Kriminalitätsraten beunruhigen nicht nur die Menschen (und wirken auf diese Weise
autokatalytisch), sie werden nicht nur als ernstes (politisch zu bearbeitendes)
gesellschaftliches Problem begriffen, sondern berühren auch Grundfragen der theoretischen
Soziologie: Sie liefern Indizien für möglicherweise tiefgreifende Wandlungen im Gefüge der
sozialen Integration. In einem Papier der Europäischen Kommission (1998) heißt es z. B.:
"Sicherlich ist eine der aufschlußreichsten Erscheinungen der sozialen Kohäsion das Ausmaß
der Kriminalität ... Es wäre wünschenswert, die Ergebnisse dieser Forschungen in
operationale Indikatoren umzusetzen, so dass der Zusammenhang zwischen Kriminalität und
sozialer Kohäsion und ihrer Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
gemessen werden kann (zitiert nach Kistler/Schäfer-Walkmann 1999: 31). Allerdings ist der
indikative Gehalt von "Kriminalität", ihr Zusammenhang mit den Formen und Prozessen
sozialer Integration oder Desintegration längst noch nicht geklärt. Das hier skizzierte Projekt
soll zu einer solchen Klärung beitragen. Anzunehmen ist, dass die gesellschaftliche Evolution
unterschiedliche Typen sozialer Differenzierung und Integration hervorbringt (bei Durkheim
z. B. mechanische versus organische Solidarität, bei Luhmann segmentäre vs. funktionale
Differenzierung) und dass mit unterschiedlichen Integrationstypen auch unterschiedliche
Normalniveaus für Kriminalität verknüpft sind. Variationen der Sozialintegration sollten
also nicht nur quantitativ (als zunehmend oder abnehmend) beschrieben werden; und stets ist
mit einem Nebeneinander von Des- und Re-Integrationsprozessen zu rechnen. Das Projekt ist
darauf ausgerichtet, beide Tendenzen zu erfassen.
Es verfolgt somit ein zweifaches Ziel: Einerseits geht es darum, Veränderungen in der
langfristigen Kriminalitätsentwicklung als Folge (oder Korrelat) bestimmter Veränderungen
in gesellschaftlichen Strukturkomponenten plausibel zu machen. (Zu methodologisch nicht
umgehbaren Grenzen dieses Bemühens s. unten Ziff. 4.2). Zweitens benutze ich das Thema
"Kriminalität", um die Frage nach eben diesen Strukturveränderungen soweit fokussieren und
eingrenzen zu können, dass sie forschungsstrategisch handhabbar wird. Die Konstruktion und
Auswahl von Indikatoren, mit denen sich in verschiedenen Bereichen Des- und
Reintegrationsprozesse über einen längeren Zeitraum identifizieren und in ihrem Verlauf
rekonstruieren lassen, ist ein zentrales Vorhaben des Projekts. Außerdem ist anzunehmen,
dass die hier angebotene bzw. noch auszuarbeitende historische Perspektive anderen
Projekten des Forschungsverbundes von Nutzen sein wird; denn die Identifikation von
Integrations-/Desintegrationspotentialen einer gegebenen Gesellschaft läßt sich nur in der
Rekonstruktion ihrer längerfristigen Entwicklung leisten.
3. Stand der Forschung und Wissensdefizite
3.1 Beschreibung des Forschungsstandes
Die kriminalsoziologische Forschung hat eine Vielzahl von Einflußfaktoren identifiziert, die
Kriminalität - als abweichendes Verhalten und als Produkt von Etikettierungen - fördern oder
dämpfen, ohne dass es gelungen wäre, sie alle in einem umfassenden Erklärungsansatz zu
integrieren, der Persönlichkeitsmerkmale (einschließlich der individuellen
Lebensgeschichten), Situations- und Kontextmerkmale, Labelling-Strategien und globale
Strukturmerkmale in ihrem komplexen Zusammenwirken hinreichend erhellen würde. Wie
oben schon angemerkt, beschäftigen sich die kriminalsoziologischen Studien überwiegend
mit (oft lokal oder regional begrenzten) Stichproben von Individuen oder mit einzelnen
Personen, Gruppen und Situationen, die den Stoff für Fallanalysen liefern.
Strukturkomponenten, die für soziale Integration/Desintegration stehen, sind von
verschiedenen Forschergruppen intensiv untersucht und als Ursache für abweichendes
Verhalten und Gewaltbereitschaft ausgewiesen worden (s. insbesondere die Gruppen um
Eckert/Willems, Heitmeyer, Vesper). Diese Studien erreichen wegen ihrer
Kontextbezogenheit eine große analytische Tiefenschärfe innerhalb eines (wie auch immer
variierten) primär handlungstheoretisch ausgerichteten Bezugsrahmens. Ihr Wert ist
überhaupt nicht zu bestreiten. Andererseits sind sie - gerade wegen ihrer Kontext- und
Gegenwartsnähe - nicht darauf abgestellt, den sozialen Wandel gesellschaftlicher
Makrostrukturen innerhalb ihres Untersuchungsdesigns operational zu erfassen.
Offensichtlich hat es sich aber immer wieder als notwendig erwiesen, die jeweils
berücksichtigten Erscheinungsformen von Des- und Reintegrationsprozessen auf
übergreifende, globale Strukturentwicklungen (zunehmende funktionale Differenzierung,
Individualisierung, Rationalisierung, Pluralisierung, Ökonomisierung etc.) zurück zu
beziehen (was üblicherweise mehr oder weniger ad hoc, über die Zulieferung externen
Begriffs- und Datenmaterials bewerkstelligt wird).
Um an dieser Stelle weiterzukommen, ist es notwendig, Zusammenhänge zwischen
makrostrukturellen Entwicklungen und Kriminalitätsniveaus theoretisch zu systematisieren
und empirisch zu belegen. Ansatzweise ist dies (seit Mitte der siebziger Jahre) in einer Serie
von ländervergleichenden Studien gelungen, deren Ertrag jüngst in einem Überblicksaufsatz
von Messner (im Druck) kritisch bewertet worden ist. Wichtigster Strukturzusammenhang,
der mit beachtlicher Konsistenz in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen worden ist, ist
der zwischen dem Grad an ökonomischer Ungleichheit (meist gemessen mit Hilfe des Gini-
Index) und der Höhe der Homizidraten. Relativ starke Belege gibt es auch für einen (negati-
ven) Zusammenhang zwischen dem Niveau an sozialstaatlicher Absicherung und der Höhe
der Homizidraten. Von erheblichem Interesse sind auch (die bisher wenigen) Studien, die
Formen des Sozialkapitals auf die Häufigkeit von Tötungsdelikten beziehen (siehe z. B.
Lederman et al. 1999 sowie den Überblick in Karstedt 2002).
Die meisten dieser Studien bewegen sich aber weiterhin im Rahmen statischer
Analysemodelle; ihre Daten repräsentieren nur einzelne Zeitpunkte (Jahreswerte) oder
Durchschnitte, die für kurze Zeitabschnitte errechnet wurden. Das gilt auch für die große Zahl
der stadt- oder regionenvergleichenden Untersuchungen, die auf niedrigerem Aggregatniveau
in ähnlicher Weise Zusammenhänge zwischen Strukturmerkmalen und Kriminalitätsraten
analysieren (siehe z. B. Friedrichs 1985; Ohlemacher 1995). Ein weiterer Nachteil besteht in
der geringen Zahl von Struktur-Variablen und Deliktkategorien, die für zwanzig bis fünfzig
Länder überhaupt simultan erhoben werden können.
Kein praktikables Untersuchungsdesign kann alle denkbaren Forschungsdesiderata
berücksichtigen. Auch das hier vorgeschlagene Projekt kann nur einen weiteren Mosaikstein
liefern, indem es sich auf nur drei Länder konzentriert mit der Chance, erstens, eine relativ
große Zahl von Variablen vergleichend erheben und, zweitens, die strukturelle
Entwicklungsdynamik über immerhin ein halbes Jahrhundert mit quantitativen Indikatoren
rekonstruieren zu können. In Teilbereichen kann hierbei auf einige Vorarbeiten
zurückgegriffen werden, die für längere Zeitabschnitte seit 1950 den korrelativen
Zusammenhang zwischen bestimmten Deliktraten und sozio-ökonomischen Indikatoren
länderspezifisch (für Deutschland siehe z. B. Heiland 1983) oder in eingeschränkter Weise
auch ländervergleichend (s. Tham 1998) untersucht haben.
Das Angebot an Theorien, die sich mit der Interpretation langfristiger
Kriminalitätsentwicklung beschäftigen, läßt sich grob in zwei Gruppen einteilen. Da sind
zunächst die modernisierungstheoretischen Ansätze (s. Zehr 1976; Shelley 1981;
Heiland/Shelley 1991), die sich primär mit dem Rückgang der interpersonellen Gewalt seit
Beginn der Neuzeit beschäftigen, aber Probleme haben, die ansteigende Gewaltkriminalität
seit ca. 1960 zu erklären. Da sind, zweitens, die Ansätze, die eine seitdem ansteigende
Kriminalitätskurve letztlich, über welche Vermittlungsschritte auch immer, als Implikat einer
sich sozial und räumlich ständig weiter ausbreitenden (kapitalistischen) Marktgesellschaft
betrachten, die desintegrative Individualisierungs- und soziale Marginalisierungsprozesse
auslösen (s. Currie 1997, Messner/Rosenfeld 2000 sowie die Beiträge in Taylor 1991). Das
Problem mit diesen Ansätzen ist, dass ihre erklärenden Kategorien häufig in Konflikt geraten
mit dem empirischen Befund einer seit Beginn der Neuzeit (diskontinuierlich) abfallenden
Gewaltkurve, die gar nicht als notwendiger Teil des Explanandums erkannt wird (s. Thome
2001a). In Abschn. 4 wird dagegen ein theoretischer Bezugsrahmen vorgestellt, der eine
Erklärungsperspektive sowohl für den säkularen Rückgang der individuellen Gewalt als auch
ihren neuerlichen Anstieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anbietet.
3.2 Eigene Vorarbeiten
Meine Beschäftigung mit dem Thema Sozialer Wandel und Kriminalitätsentwicklung
begann Anfang der 90er Jahre mit einer Bestandsaufnahme der sozialhistorischen
Kriminalitätsforschung (s. Thome 1992). Daraus entstanden erste Ideen, eine Heuristik zu
entwickeln, die zentrale Einsichten von Elias und Durkheim kombiniert (s. Thome 1995b).
Sie erhielten einen kräftigen Schub durch Eisners Rekonstruktion der Homizidraten seit
Beginn der Neuzeit (siehe z. B. Eisner 2001a), die über frühere Arbeiten von Gurr (s. insbes.
Gurr 1981) hinaus führten. Der Ansatz wurde schrittweise weiter entwickelt und in mehreren
(auch internationalen) Tagungen zur Diskussion gestellt (s. Thome 2001a; 2001b; 2002b).
Das unten in Abschn. 4 skizzierte Analysekonzept ist die auf den Forschungsverbund
zugeschnittene Kurzfassung dieses theoretischen Bezugsrahmens. Das hier vorgeschlagene
Projekt eröffnet eine weitere Möglichkeit für seine empirische Erprobung, nachdem eine
zentrale Annahme Durkheims (zu den gewaltdämpfenden Folgen einer Erosion des
Kollektivismus) in einem von der DFG geförderten Projekt zur Kriminalität im deutschen
Kaiserreich empirisch bestätigt werden konnte (s. Thome 2002a). Diese Studie beruhte auf
einer sozialökologischen Analyse von Deliktraten aus ca. 1000 Stadt- und Landkreisen, die
für die Periode 1883-1902 vorliegen.
Zu den Vorarbeiten gehört auch meine intensive Beschäftigung mit Modellen und Verfahren
der Zeitreihenanalyse (siehe z. B. Thome 1995a; 1996; 1997). Auch wenn formale Modelle
der Zeitreihenanalyse in dem hier vorgestellten Projekt nur in begrenztem Maße anwendbar
sein dürften (s. unten), wird die Kenntnis dieser Modelle und der mit ihnen verknüpften
Analyseverfahren bei der visuellen Inspektion und Interpretation der Daten durchaus von
Nutzen sein und vor gewissen Fehlinterpretationen schützen.
4. Das Analysekonzept
Methodologische Vorbemerkung
Kriminalitätsraten, deren Verlaufsformen in unserer Studie die Stelle des Explanandums
einnehmen, sind analytische Kollektivmerkmale Y; sie entstehen durch die Summierung
(Aggregierung) von entsprechenden Individualdaten y. In Untersuchungen zum sozialen
Wandel sind Variationen in Y, nicht jene in y erklärungsbedürftig. Wenn analytische
Kollektivmerkmale mit Hilfe gesellschaftlicher Struktur- oder Prozeßmerkmale X
theoretisch befriedigend erklärt werden sollen, müssen sich jedoch die Variablen X als
Einflußgrößen ("Randbedingungen", "Kontextmerkmale" etc.) für das Handeln individueller
interpretieren lassen. Unsere makrotheoretische Studie ist also von Erkenntnissen abhängig,
die die Kriminalsoziologie in ihren Bemühungen gewonnen hat, mikrotheoretische
Erklärungen für kriminelles Handeln zu konstruieren. Bei Untersuchungen auf der
Aggregatebene können aber all jene Individual- oder Persönlichkeitsmerkmale z
unberücksichtigt bleiben, deren Ausprägungen entweder unabhängig von den
Aggregateinheiten (Populationen) sind oder nur insoweit mit ihnen kovariieren, als sich
diese Aggregateinheiten hinsichtlich der Verteilung der (exogenen) X-Variablen
unterscheiden. Es ist davon auszugehen, dass sich relevante Individualmerkmale (wie z. B.
individuell erfahrene Frustrationen oder individuelle Handlungskompetenzen) innerhalb
einer Gesellschaft (oder einer Bevölkerungsgruppe) über Zeit in ihrem durchschnittlichen
Niveau nur ändern, sofern sich in ihr die X-Niveaus ändern. Das gleiche gilt für alle anderen
Variablenkomplexe, die man möglicherweise noch als Meso-Ebene oder intervenierende
Variablen zwischen die exogenen Strukturvariablen und die individuelle
Kriminalitätsneigung einschieben möchte. Die identifizierbaren Beziehungen zwischen den
X- und den Y-Variablen werden nicht dadurch verzerrt, daß eventuell wirksame
Zwischenglieder Z in der Analyse unberücksichtigt bleiben bzw. nur interpretativ, aber nicht
operationalisiert eingeführt werden.
Im folgenden wird somit ein theoretischer Bezugsrahmen skizziert, der gesellschaftliche
Strukturmerkmale mit der langfristigen Entwicklung von Kriminalitätsraten verbindet.
Dieser Bezugsrahmen ist primär von Durkheims Gesellschaftstheorie und der
Zivilisationstheorie von Norbert Elias inspiriert (Abschnitt 4.1). Die interpretative
Verknüpfung dieser exogenen Ursachen mit den intervenierenden Variablen, die als
Persönlichkeitsmerkmale und Interpretationsschemata der Akteure verstanden werden
können, stützt sich im wesentlichen auf das Konzept der Selbststeuerung, wie es Eisner
(1997: 76 ff.) in Erweiterung des Konzepts der Selbstkontrolle von Gottfredson/Hirschi
(1990) vorgeschlagen hat. Zu ergänzen ist es durch das Konzept der situativ aktualisierten
Gelegenheitsstrukturen, das in verschiedenen opportunitätstheoretischen Ansätzen (s. z. B.
Cohen/Felson 1979) eine zentrale Rolle spielt.
4.1 Zentrale Annahmen und theoretischer Bezugsrahmen
Makrotheorie
Ausgangspunkt ist eine bereits in Abschn. 2 erwähnte empirische Beobachtung: der
transsäkulare Rückgang der Homizidraten in verschiedenen europäischen Ländern seit
Beginn der Neuzeit bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts und ihr erneuter Anstieg in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts (s. Eisner 2001a). Natürlich ist derzeit nicht
entscheidbar, ob der ansteigende Verlauf der Homizidraten (und anderer Gewaltdelikte) in
den letzten vier oder fünf Dekaden als längerfristige Trendumkehr oder nur als eine
mittelfristige Trendabweichung zu lesen ist. Klar ist allerdings, dass er nicht pauschal
(jedenfalls nicht ohne erhebliche Differenzierungen) mit den Prozessen der
Individualisierung und Rationalisierung zu erklären ist (s. Blinkert 1988), denn diese
Prozesse haben sich ja gerade in der Periode beschleunigt entfaltet, für die auch die
Abnahme der nicht staatlich sanktionierten Tötungsdelikte zu registrieren ist. Benötigt wird
ein theoretischer Ansatz, der beiden „Äste des U-förmigen Trends gerecht wird. Ich
vermute, dass ein solcher Ansatz aus einer Kombination bestimmter Elemente aus Elias
Zivilisationstheorie und Durkheims Gesellschaftstheorie gewonnen werden kann. Ein
solcher Versuch wird im folgenden skizziert ohne den Anspruch, Elias und Durkheim gültig
zu interpretieren. Ich verwende ihre Theorien (bzw. mir brauchbar erscheinende Teile
ihrer Theorien) lediglich als Anregungspotential zur Entwicklung eines heuristischen
Schemas, das mir erlaubt, Fragen und Hypothesen für die empirische Forschung zu
generieren.
Nach Elias ist die (durchaus diskontinuierlich verlaufene) innergesellschaftliche
Pazifizierung primär durch zwei miteinander verschränkte Prozesse vorangetrieben worden:
die allmähliche Herausbildung eines staatlichen Gewalt- (und Steuer-)monopols sowie die
Expansion der Märkte und der industriellen Produktion. Eine durchgreifende Pazifizierung
konnte aber erst dadurch gelingen, dass das Gewaltmonopol in einer weiteren Stufe des
Staatsbildungsprozesses durch seine Bindung an nicht-disponibles Recht "domestiziert" und
im Zuge einer politischen Demokratisierung "legitimiert" wurde. Die Bedeutung einer
dritten Stufe hat Durkheim wohl klarer gesehen als Elias: die staatlich garantierte
Durchsetzung (Institutionalisierung) von Gerechtigkeitsprinzipien, was die Entwicklung
sozialstaatlicher Sicherungssysteme als Voraussetzung der gesellschaftlichen Inklusion auch
der unteren sozialen Schichten einschloß. Die Staatsbildungsprozesse und die ökonomische
Entwicklung führen dazu, dass sich die Handlungsketten der individuellen und kollektiven
Akteure zunehmend verlängern und miteinander verflechten. Für die Individuen entsteht ein
Zwang zur Langsicht, zur planvollen Lebensführung. Für die einzelnen Personen ergibt
sich aus diesen Prozessen eine erhöhte Notwendigkeit, ihr Verhalten selbst zu kontrollieren,
die eigenen Affekte zu beherrschen. Es vollzieht sich eine allmähliche Transformation der
Persönlichkeitsstrukturen, die Schritt für Schritt alle sozialen Schichten erfaßt und in deren
Verlauf Fremdkontrolle zunehmend durch Selbstkontrolle ergänzt und ersetzt wird. (Zur
Kritik an Elias Konzept der Affektkontrolle siehe Thome (2001a). Auf zusätzliche
Einsichten in den historischen Ablauf der Disziplinierungsschübe und die Funktionen
unterschiedlicher Disziplinierungsagenturen, die andere Autoren (man denke nur an Weber,
Oestreich oder Foucault) vermittelt haben, ist hier nicht einzugehen.)
Wenn wir akzeptieren, dass der von Elias beschriebene Prozeß der Zivilisierung insgesamt
zu einer weitgehenden innergesellschaftlichen Pazifizierung und damit auch zu einem
erheblichen Rückgang der Gewaltkriminalität geführt hat, kann diese Hypothese dann auch
zu einer Erklärung des Anstiegs der Gewaltkriminalität in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts beitragen? Gelegentlich ist dieser neuerliche Gewaltanstieg ja gerade als
Widerlegung des Eliasschen Erklärungsmodells angesehen worden (so z.B. von Ylikangas o.
D.). Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, den Sachverhalt anders zu interpretieren. Die
für unsere Problemstellung interessanteste Variante besteht darin, die evolutionistische
Komponente in Elias Theorie des zivilisatorischen Prozesses zurückzuschneiden und die
Frage zu stellen, ob nicht in den erklärenden Variablen ebenfalls eine Trendumkehr
eingetreten ist. Insbesondere stellt sich die Frage: Erodiert langfristig das domestizierte,
demokratisch legitimierte Gewaltmonopol des Staates? Wenn es zutrifft, dass das legitime
staatliche Monopol die Gewaltkriminalität gedämpft hat, kann man annehmen, dass ein
Aufbrechen dieses Monopols ein Ansteigen der Gewaltkriminalität nach sich ziehen wird, es
sei denn, es würden sich funktionale Äquivalente zum legitimierten Gewaltmonopol
entwickeln. Zum Beispiel hat Trutz von Trotha in einem 1995 veröffentlichten Aufsatz die
These ausgearbeitet, dass sich das legitime staatliche Gewaltmonopol seit etwa drei
Jahrzehnten in Auflösung befinde und dass sich diese Auflösung in Form eines Übergangs
von der "konstitutionell-wohlfahrtsstaatlichen Ordnung der Gewalt" hin zu einer
"oligopolistisch-präventiven Sicherheitsordnung" vollziehe. Wir wollen auf diese
Überlegungen hier nicht im Detail eingehen (vergl.M. van Creveld 1999; Haferkamp 1984
sowie die in Eckert (1993: 361) gegebenen Beispiele für die begrenzte Reichweite staatlicher
Macht), sie aber in Bezug auf unsere Fragestellung thesenartig zusammenfassen:
(1) Der institutionelle Nexus, in dem die Effektivität des staatlichen Gewaltmonopols an
seine Legitimität rückgebunden ist, löst sich allmählich auf. Der Staat gerät immer stärker in
den Sog von Delegitimierungsprozessen (auch Delegitimierungskampagnen), und sieht sich
immer häufiger in dem Dilemma, zwischen Effektivität und Legitimität wählen zu müssen.
Dazu tragen technologische Innovationen und die Internationalisierung der organisierten
Kriminalität (s. Castells 1997) und des politischen Terrorismus, aber auch die zunehmende
Privatisierung der Sicherheitsdienste entscheidend bei.
(2) Direkte Folge dieses sich selbst verstärkenden Erosionsprozesses ist eine Verbesserung
der Gelegenheitsstrukturen für potentielle Gewalttäter. Es entstehen rechtsfreie Zonen und
no-go-areas (s. Zimmermann 2000: 12). Eine Kultur der gewaltsamen Selbsthilfe (von
Trotha) erhält (wieder) Auftrieb, das Gewalttabu wird zumindest in einigen Gruppen
gelockert. Eckert et al. (1989: 310 f.) bemerken, es gebe Grund zu der Annahme, dass in
zahlenmäßig kleinen von ihren Handlungsressourcen her gesehen jedoch strategischen
Gruppen eine Erosion dieses Tabus [des Gewalttabus, H.T.] im Gange ist; dem komme
große Bedeutung für das manifeste Auftreten von Gewalthandeln zu. Insbesondere in den
Städten fördern die privaten Sicherheitsdienste Segregationsprozesse, die ihrerseits die
Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten der Demarkationslinien anregen (s. Beste 2001).
Ein zweiter Strang einer von Elias ausgehenden Interpretationslinie kann am Konzept, einem
verbesserten Konzept der Selbstkontrolle (als wesentlichem Element individueller
Handlungskompetenz) anknüpfen, wie es von Gottfredson/Hirschi (1990) ausgearbeitet und
zur zentralen Erklärungsvariable in ihrer Allgemeinen Theorie der Kriminalität gemacht
worden ist. Dies wird unten noch weiter ausgeführt. Auch einige der Strukturentwicklungen,
die sich mit Durkheimschen Konzepten erfassen lassen, haben Implikationen für individuelle
Handlungskompetenzen, wie im folgenden deutlich werden wird.
Durkheim zog schon vor etwa hundert Jahren aus seiner Analyse der einschlägigen
Statistiken den Schluß, "daß die Zahl der Morde mit dem Fortgang der Zivilisation
abnimmt" (Durkheim 1999: 161). Den Fortgang der Zivilisation stellte er, ähnlich wie Elias,
als fortschreitende Individualisierung dar, die er als kulturelle Modernisierung verstand, die
infolge zunehmender sozialer Differenzierung unausweichlich sei. Er vermutete, "daß die
Anzahl der Morde mit der mehr oder minder hohen Stellung variiert, die das Individuum in
der Hierarchie der moralischen Zwecke einnimmt" (ebd.) Das heißt, er konstruierte einen
ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Rückgang des Kollektivismus und dem
Rückgang der Mordraten.
In kollektivistischen Gesellschaften zählt die Gruppe - die Familie, der Clan, die Kaste, die
religiöse Gemeinschaft, Volk oder Nation - mehr als die Individuen. Das Kollektiv hat die
Qualität eines geheiligten Wesens, das harte Sanktionen gegen Abweichler verlangt.
Fortschreitende Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung mindern die "Dichte" des
Geflechts von Normen, Symbolen und Ritualen, die den einzelnen in die Gruppenidentität
einbinden. Das Individuum, das nicht mehr (bzw. nicht ausschließlich) in primordiale
Solidarstrukturen eingebunden ist, gewinnt Distanz zu den anderen und zu sich selbst (die
Ich-Identität ist nicht mehr mit der Wir-Identität verschmolzen); Normverletzungen, die
irgendwo in der Gruppe geschehen, betreffen es nicht mehr "persönlich"; seine Ehre wird
nicht mehr über einen Gruppencode definiert, der zu Sühne- und Rachehandlungen
verpflichtet; die körperbezogenen Ausdrucksformen verlieren insgesamt an Gewicht;
Gewalt, die verstümmelt und tötet, wird zunehmend tabuisiert; die Leidenschaften werden
nicht nur gezügelt, sondern generell gedämpft. Der gewaltmindernde Effekt einer Erosion
des Kollektivismus ist in einer ganzen Reihe von Studien emprisch bestätigt worden (s. z. B.
Karstedt 2001, Thome 2002a, Messner (im Druck)). Zwar gibt es auch in individualistisch
ausgerichteten Gesellschaften ein Kollektivbewußtsein. Sein wesentlicher "Inhalt" ist nun
aber die vorrangige Wertschätzung des Individuums, und die ist nur mit einem geringeren
Niveau der Leidenschaften, mit einer stärkeren Kontrolle der Gefühle praktizierbar (vergl.
Elias).
Wenn man annimmt, dass die Individualisierung bis auf den heutigen Tag mehr oder
weniger kontinuierlich (gelegentlich auch in Schüben) vorangeschritten ist, erscheint die
Zunahme der Gewaltkriminalität in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zunächst
nicht erklärbar. Durkheim bleibt jedoch nicht auf dem Pfad einer eindimensionalen Analyse
(zum Folgenden s. ausführlicher Thome 2000b). Vielmehr konstruiert er aus der
Kombination zweier Dimensionen, der Integrations- und der Regulationsschiene (s. Johnson
1965; Hynes 1975; Besnard 1993) zum einen den vermeintlichen Normaltypus moderner
Gesellschaften unter dem Etikett des kooperativen (moralischen) Individualismus. Zum
anderen konzipiert er zwei Entwicklungspfade, die in pathologischer Weise von diesem
Idealtypus wegführen: der eine führt zu einem Mangel an Regulation (Anomie), der andere
führt zu einer Übersteigerung des Individualismus (exzessiver bzw. egoistischer
Individualismus). Während Durkheim diese Pathologien als reale Gefährdungen moderner
Gesellschaften ansah, hat er einen dritten Pathologietypus nur am Rande erwähnt (siehe
Durkheim 1990: 380), weil er ihn - irrtümlicherweise, wie ich meine - für historisch
überholt hielt: die Überregulation, die zu Fatalismus führt. Wie unten erläutert, läßt sich
der regressive Kollektivismus als moderne Variante dieses Typus interpretieren. Daraus
ergibt sich für unsere Zwecke folgendes Erklärungsschema:
Die Erosion des Kollektivismus führt historisch zu einer Abnahme der Gewaltkriminalität.
Ein niedriges Niveau gewaltförmigen Handelns kann nur in dem Maße erreicht und
stabilisiert werden, wie die Gesellschaft dem Idealtypus des kooperativen Individualismus
entspricht. Gegenläufige kriminogene Effekte (die nicht nur das Gewalthandeln betreffen)
entfalten sich in dem Maße, wie sich Anomie, egoistischer Individualismus oder Fatalismus
bzw. regressiver Kollektivismus ausbreiten.
Grob zusammengefaßt - und mit Blick auf das übergreifende Thema des Forschungs-
verbundes - kann man sagen: der Typus des kooperativen (moralischen) Individualismus
spezifiziert Integrationspotentiale, die pathologischen Typen dagegen Desintegrations-
potentiale moderner Gesellschaften. Im folgenden sollen die einzelnen Komponenten dieser
Typologie kurz charakterisiert werden:
Kooperativer Individualismus
Kulturell beinhaltet er einen (inhaltlich schmalen, sozial aber breiten) Wertekonsens, der im
Kult des Individuums gipfelt. Damit meint Durkheim nicht das partikulare Ich, das an
seine eigenen Interessen fixiert ist, sondern das (universalistisch gedachte) Individuum
allgemein. Als theoretische Perspektive ist der moralische Individualismus eine Art
kommunitaristischer Philosophie. Als soziale Praxis gründet er sich auf wechselseitige
Sympathie und Respekt (Anerkennung) für den jeweils anderen (s. Durkheim 1986: 60);
sie zielt auf soziale Inklusion und postuliert das Recht auf Selbstverwirklichung für alle.
Auf der sozio-strukturellen Ebene geht es vor allem um die institutionelle Absicherung der
Gerechtigkeit durch die Verbindung von Wohlfahrtsstaat und repräsentativer Demokratie.
(Zur Ableitung politischer Handlungsmaximen aus Prinzipien sozialer Gerechtigkeit und
dem Erfolg unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Modelle siehe Merkel 2001. Zur
theoretischen Analyse der sozialintegrativen Funktion des Staates, die auch in hoch-
differenzierten Gesellschaften unverzichtbar bleibt, siehe Schwinn 2001). Der Staat behält
das funktionale Primat (Regulierungskompetenzen) gegenüber der Ökonomie, der starke
Entmoralisierungstendenzen (in Richtung des egoistischen Individualismus) innewohnen.
Die staatliche Macht muß aber ihrerseits begrenzt werden: prozedural durch demokratische
Verfahren, strukturell durch starke Sekundärgruppen (s. Durkheim 1999).
Egoistischer Individualismus
kann auf der kulturellen Ebene als Negation der Merkmale des moralischen Individualismus
charakterisiert werden: Partikularismus statt Universalismus; Auflösung der Spannung
zwischen Gemeinsinn und Selbstbestimmung zugunsten einer hedonistisch geprägten
Selbstentfaltung. Philosophisch sieht Durkheim den exzessiven Individualismus im
englischen Utilitarismus, insbesondere im Werk Spencers vertreten, der die Gesellschaft
auf nichts als einen riesigen Handels- und Tauschapparat reduziert (Durkheim 1986: 55).
Als soziale Praxis stellt sich der exzessive Individualismus als rigorose Verfolgung der
eigenen, persönlichen Interessen dar, wobei die Anderen als bloße Mittel zum eigenen
Zweck betrachtet werden. (Von daher lassen sich Anschlüsse an die Instrumentalismus-
Kritik der Frankfurter Schule finden). Eine amerikanische Untersuchung hat bspw. ergeben,
daß sich in den Vereinigten Staaten die Rate der instrumental killings seit 1960 erheblich
erhöht hat: 1960 fielen nur 7 % aller Morde in diese Kategorie, 1990 schon 20 % (LaFree
1998: 40 f.).
Auf der strukturellen Ebene impliziert dieser Typus einen Wechsel (bzw. eine
Gewichtsverschiebung) des funktionalen Primats vom Staat zur Wirtschaft; den Abbau
institutioneller (wohlfahrtsstaatlicher) Grundsicherungen im Sinne einer Rekommodifi-
zierung sozialer Beziehungen sowie die Verstärkung sozialer Marginalisierungs- und
Exklusionsprozesse (auf dieser strukturellen Ebene überschneiden sich in der Tat Regulie-
rungs- und Integrationskonzept).
Mangel an Regulierung (Anomie)
Durkheim hat verschiedene Varianten eines Anomie-Konzepts vorgelegt, die hier natürlich
nicht diskutiert werden können. Für unsere Zwecke scheinen vor allem folgende Aspekte
bedeutsam. Auf der Ebene der Individuen meint Anomie (als subjektive Anomie in der
Literatur auch Anomia genannt) einen identitätsgefährdenden Verlust normativer
Orientierung (einschließlich eines Mangels an Selbststeuerung) und der Kontrolle über die
jeweils gegebenen oder erreichbaren Handlungssituationen.
Auf der strukturellen Ebene bezieht sich Durkheim (a) auf spezielle Erscheinungsformen
einer mangelhaften Koordination der arbeitsteilig operierenden Organe, (b) auf prinzipiell
jede Form eines rapiden sozialen Wandels. Beim sozialen Wandel hat Durkheim vor allem
die Gefahr im Blick, dass in der prosperierenden, weitgehend entmoralisierten Wirtschaft die
Menschen Opfer ihrer überschießenden Aspirationen werden; es fehlt ihnen an der nötigen
Disziplin; sie schätzen sich und ihre Fähigkeiten nicht mehr richtig ein; sie wissen nicht, was
ihnen längerfristig gut tut, was sie vernünftigerweise anstreben oder lassen sollen. Wenn
man diese Idee etwas ausweitet und abstrakter faßt, kann man die auf der sozio-strukturellen
Ebene ablaufenden anomie-trächtigen Prozesse als solche der Entgrenzung und der
Beschleunigung konzipieren.
Zu denken ist hier bspw. an die zunehmend prekär werdende Trennung von privatem und
öffentlichem Bereich, der entscheidende Bedeutung zukommt sowohl für die funktionale
Integration der Gesellschaft (die vorwiegend über Rollen und Programme und nicht über
Personen implementiert wird) als auch für die persönliche Integrität. Ein unmittelbar
kriminogener Effekt, der daraus erwächst, ist die verminderte Präventivwirkung des Nicht-
Wissens (Popitz).
Eine zweite Schiene der Grenzaufhebungen (die ebenfalls von den Massenmedien und der
modernen Informationstechnologie vorangetrieben wird) läßt sich als breit angelegter
Prozess der Entdifferenzierung symbolisch konstituierter Sinnwelten beschreiben, die damit
viel von ihren Orientierungsfunktionen verlieren - bspw. die Vermengung von Heiligem und
Profanem sowie von Realität und Virtualität. Auch das Ineinanderschieben der
Symbolwelten von Erwachsenen (Infantilisierung, Autoritätsverlust) und Kindern bzw.
Jugendlichen (psychische Überforderung) gehört dazu (s. Postman). Münchmeier (1998)
spricht z. B. von einer Entstrukturierung der Jugendphase, die in den 1960er Jahren
begonnen und tendenziell - mit erheblichen psychosozialen Kosten - die Trennung der
Wirklichkeitsbereiche von Jugendlichen und Erwachsenen aufgehoben habe.
Schließlich heben die moderne Biotechnologie und die Neurophysiologie die Grenzen des
Zugangs zur inneren Natur des Menschen auf. Der Kern an Unantastbarkeit, der im Begriff
der Würde (und moralischen Verantwortlichkeit) vorausgesetzt wird, ist dadurch gefährdet.
Das instrumentalistische Denken erhält einen weiteren, kräftigen Schub - schon bevor die
entsprechenden Technologien in breitem Umfang anwendbar werden.
Beschleunigungsprozesse - Temposteigerungen, Zeitverknappung und -verdichtung - und die
subjektive Erfahrung, zunehmend unter Zeitdruck zu stehen, lassen sich in fast allen
Lebensbereichen nachweisen. Dabei können wir auf die umfangreichen Materialien und
Interpretationen zurückgreifen, die Garhammer (1999) für Schweden, England und
Deutschland vorgelegt hat. Kontakt besteht auch zu Dr. Olaf Morgenroth, der an der TU
Chemnitz an einer Habilitationsschrift über Zeiterfahrungen und über die Folgen des
zeitkulturellen Wandels arbeitet.
Die hier nur angedeuteten Phänomene der Entgrenzung und Beschleunigung fördern, so ist
zu vermuten, Entmoralisierungsprozesse. (Humanistische) Moral setzt nicht nur selber
Grenzen, sondern beruht auch auf allgemein kognizierten und anerkannten Grenzen,
insbesondere auf der Unterscheidung zwischen dem, was durch Natur oder göttliche Fügung
(Schicksal, Zufall) gegeben ist, und dem, was der Mensch aus freien Stücken wählen kann
und zu verantworten hat. Für prinzipiell alle Akteure vermehren sich die Optionen und
verändern sich die materiellen, symbolischen und sozialen Umwelten in einem Tempo, dem
der moralische Diskurs (einschließlich der Erziehung der heranwachsenden Generation) und
die (Re-)Konstruktion von Identitäten möglicherweise nicht mehr folgen können. Ein
Lehrbeispiel für diese Problematik liefern die gegenwärtigen Diskussionen über die
Zulässigkeit von Präimplantationsdiagnostik und verbrauchender Embryonenforschung.
Wissenschaftliche Erkenntnisse haben den Beginn menschlichen Lebens in einen extern
manipulierbaren Zellhaufen verlegt, so dass eine nicht-willkürlich erscheinende Grenze, an
die das moralische Konzept der Menschenrechtssubjekte zu heften wäre, gar nicht mehr
gezogen werden kann. Der Einigungszwang des moralischen Diskurses droht - nicht aus
Verantwortungslosigkeit oder Frivolität, sondern mangels klarer moralischer Kriterien - ins
Leere zu laufen. Damit wächst der Druck, das Konsens-(Diskurs-)Modell quasi ersatzweise
durch das interessen- und machtbasierte Kompromiss-Modell abzulösen, moralisches durch
instrumentelles Denken zu ersetzen. Selbst Habermas hat in seiner berühmten Marburger
Rede zur Gentechnik eingeräumt, dass uns zwingende moralische Gründe für oder gegen
die liberale Eugenik fehlen. Sein Rat (mit dem ich sympathisiere), uns ersatzweise an den
gattungsethischen Wegweiser zu halten, dürfte, so fürchte ich, soziologisch belanglos
bleiben.
Überregulation ("Fatalismus")
Durkheim bezeichnet als "fatalistisch" jenen Selbstmord, "welcher aus einem Übermaß von
Reglementierung erwächst; der Selbstmord derjenigen, denen die Zukunft mitleidlos
vermauert wird, deren Triebleben durch eine bedrückende Disziplin gewaltsam erstickt
wird" (Durkheim 1990: 318). Es geht also um Zustände und Regelungen, die einzelnen
Individuen bzw. den Angehörigen bestimmter Gruppen Beschränkungen individueller
Autonomie und Selbstentfaltung auferlegen, die hinter das erreichte Niveau sozialer
Differenzierung und Produktivkraftentwicklung zurück gehen. Man muß zunächst darauf
verweisen, dass entgegen der Annahmen Durkheims auch in modernen Gesellschaften
Strukturbedingungen gegeben sind, die solche desperaten Lebensbedingungen, bspw. in
Form sozialer Marginalisierung, Armut und bedrückender Arbeitsverhältnisse,
hervorbringen (können). Außerdem stimulieren Erfahrungen von Anomie und exzessivem
Individalismus Fluchtbewegungen in einen regressiven, gewaltbereiten Kollektivismus, der
sich in modernen Gesellschaften zwar nicht als Mehrheitsideologie etablieren, aber von
Minderheiten mit krimineller Energie vertreten und partiell durchgesetzt werden kann (siehe
das Beispiel des Rechtsextremismus; vergl. Putnam 1993: 177). Zu seinen Äußerungsformen
gehören: Fremdenfeindlichkeit, Verachtung der prozedural-demokratischen Regeln,
Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, eine Ideologie natürlicher Ungleichwertigkeit der
Menschen bzw. bestimmter Gruppen, Festhalten am Führerprinzip. Die Verbreitung dieses
Gedankenguts und seine strukturelle Verankerung dürfte auf der Basis vorhandener
Forschungsliteratur und großer Mengen von Umfragedaten relativ gut im Zeitverlauf
rekonstruierbar sein.
Makro-Mikro-Verbindungen
Ich vermute, dass die im vorigen Abschnitt genannten Entwicklungstendenzen zur
Diskrepanz zwischen gesellschaftlich benötigter und strukturell ermöglichter Selbstkontrolle
beitragen, und dass ein zunehmender Mangel an Selbstkontrolle bzw. Handlungskompetenz
die Kriminalitätsbelastung einer Gesellschaft ansteigen läßt. Diese Hypothese soll im
Folgenden kurz erläutert werden.
Der Anknüpfungspunkt zu Elias ergibt sich über dessen Konzept der Affektkontrolle, das
aber zu einseitig auf autoritäre Disziplinierungsstrategien und heteronome
Gewissensstrukturen abgestellt ist (s. Thome 1995; 2001a). Eisner hat - u. a. im Rückgriff
auf die General Theory of Crime von Gottfredson/Hirschi (1990) - vorgeschlagen, es
durch ein mehrdimensionales Konzept der Selbststeuerung zu ersetzen, das wesentliche
Komponenten eines allgemeinen Begriffs von Handlungskompetenz abdeckt (s. Eisner 1997:
76 ff., mit geringfügigen Modifikationen des Antragstellers): (1) eine emotionale
Komponente (die Fähigkeit, Affekte situationsadäquat zu kontrollieren; sie nicht prinzipiell
zu unterdrücken, sondern in Übereinstimmung mit den strategischen Möglichkeiten und
normativen Restriktionen, die eine Situation bietet, auszudrücken: expressive
Rationalität); (2) eine strategische Komponente (die Fähigkeit, reflexiv Chancen zu nutzen
und Probleme zu bewältigen, um eigene Handlungsziele zu realisieren: instrumentelle
Rationalität; (3) eine normativ-kommunikative Komponente, nämlich die Fähigkeit, (a) das
Handeln an Normen auszurichten, auch wenn externe Anreize und eigene Affekte oder
Interessen dem entgegenstehen, (b) die vorgefundenen Normen im Lichte einer
universalistischen Moral bewerten zu können: autonomes Gewissen. Eisner (ebd., S. 77)
nennt eine Reihe von Studien, die Belege dafür vorlegen, dass alle drei Aspekte der
Selbststeuerung (bzw. ihrer Einschränkung) mit Delinquenz und Gewalt verknüpft sind.
Mangelnde Selbststeuerung ist eine besondere Form von Ressourcenmangel, die zudem
häufig mit anderen Formen des Ressourcenmangels (Fehlen von ökonomischem, kulturellem
und sozialem Kapital) einhergeht. Ich vermute, dass die strukturell induzierten und subjektiv
erfahrenen Anerkennungsdefizite, wie sie u. a. in Anhut/Heitmeyer (2000) hervorgehoben
werden, sich tendenziell (aber nicht in jedem individuellen Falle zwingend) in
Selbststeuerungsdefiziten niederschlagen. Anerkennungsdefizite können als Auslöser für
Selbststeuerungsdefizite fungieren.
Des weiteren gehe ich davon aus, dass die makrostrukturellen Entwicklungstendenzen, die
vom Idealtypus des kooperativen Individualismus wegführen, die Fähigkeit zur
Selbststeuerung in breiten Bevölkerungsschichten herabsetzen. In noch sehr grober
Verallgemeinerung läßt sich vermuten:
(a) Instrumentalismus und Kommerzialisierung schwächen die normativen Bindungen (die
moralische Motivation) und die Bereitschaft (Fähigkeit) zu verständigungsorienteriertem
Handeln
(b) Die auf breiter Front erfolgenden Grenzauflösungen führen zu emotionaler Verarmung,
auch zur Reduktion von Einfühlungsvermögen und ästhetischer Empfindsamkeit, insgesamt
also zu einer Reduktion expressiver Rationalität
(c) Die Beschleunigungsprozesse begünstigen die Diskontierung einer Zukunft, die
ungewisser und weniger planbar wird. Es bestehen zwar weiterhin die von Elias
hervorgehobenen ausgedehnten Interdependenzketten, aber sie lassen sich von den Akteuren
weniger durchschauen und kontrollieren; Risikobewußtsein sowie das Streben nach kurz-
fristigem Erfolg und Genuss wachsen, normative Bindungen und strategisch-planerische
Rationalität schwinden (s. Lüdtke 1997).
(d) Der regressive Kollektivismus wendet sich von universalistischen Moralprinzipien (die
partikule Gruppensolidaritäten durchaus zulassen) ab und begünstigt heteronome,
partikularistisch ausgerichtete Gewissenstrukturen, die in Konflikt mit den tatsächlich
gegebenen globalen kulturellen und ökonomischen Verflechtungszusammenhängen geraten.
Er forciert Prozesse sozialer Segregation und Exklusion.
Selbststeuerungsdefizite lassen noch weite Handlungsspielräume für nicht-kriminelles
kriminelles oder in anderer Weise problembehaftetes Verhalten offen. Die Wahl
spezifischer Handlungen ist entscheidend auch durch die situativ aktualisierten
Gelegenheitsstrukturen bestimmt, zu denen nicht zuletzt die formellen und informellen
Strukturen sozialer Kontrolle gehören.
Die Identifikation und Konstruktion empirischer Indikatoren, mit denen das hier vorgestellte
Analysekonzept operationalisiert werden kann, ist wesentlicher Bestandteil der
Projektarbeit. Zu diesem Zeitpunkt kann nur ein sehr unvollständiges, primär auf
Deutschland bezogenes und sicherlich revisionsbedürftiges Tableau von Indikatoren
angegeben werden, das diese Aufgabe lediglich illustrieren soll.
Vorläufiges Tableau von Analytischen Dimensionen und Indikatoren
Hauptkategorien und
Subdimensionen Indikatoren Quellen/Literatur
Staat
Gewaltmonopol Umsatzvolumen privater Sicher-
heitsdienste, deren Personalaus-
stattung;
Aufklärungsquote;
Kriminalitätsfurcht
Steuerstatistik
PKS,
Umfragedaten
LegitimitätVertrauen in politische Institutio-
nen und Führungspersönlichkeiten;
Partizipationsbereitschaft (Wahl-
beteiligung etc.);
Protestverhalten
Umfragedaten
Klingemann/Fuchs (1998)
Norris (1999)
Zeitreihen mit Ereignisdaten:
WZB (Rucht)
Globalisierungseffekte im
Verhältnis von Staat und
Ökonomie
Außenwirtschliche Verflechtung:
(Export + Import)/BIP;
Verhältn. Auslands-Direkt-Invest
zu Inlandsinvest;
Auslandsproduktionsquote;
Mergers + Acquisitions;
Welthandelsvol. vs. Weltwirt-
schaftsproduktion;
Vorleistungverflechtung;
konzerninterner Handel;
Steuerbelastung Kapital vs.
Arbeit;
Umsatz- u. Kapitalrendite;
Zahl der Firmenbankrotte
Bornschier (1988)
Huber (1998); Scharpf (2000)
DIW, HIW, Kieler Inst. f. Welt-
wirtschaft
Kooperativer versus
egoist. Individualismus
Instrumentalismus,
Konkurrenz- u.
Wettbewerbsorientierung
Wertorientierungen und Er-
ziehungsziele;
Freizeit- und Konsumverh.;
Lebensstile
Umfragedaten versch. Institutio-
nen (EMNID, SINUS, Soep, All-
bus, European u. World Value
Surveys);
Hamburger Freizeit-Forschungs-
institut;
Literatur zur Freizeit- und Lebens-
stilforschung
Kommerzialisierung Werbevolumen (Funk und Presse);
Sponsoring in Kultur u. Sport;
Ratenkäufe, Anschaffungskredite,
Private Verschuldungsquote
Umsatzsteuer- und Verbraucher-
statistiken; Information der Zei-
tungsverlage u. Wirtschaftsverbän-
de; Bund dtsch. Inkasso-Untern.
Lüdke (1997)
Hirsch (1976)
Soziale Bindungen Mitgliedschaften in freiw. Ver-
einigungen (sowie ihre soziale Ver-
teilung);
Generalisiertes Vertrauen in Perso-
nen;
Soziale Einsamkeit, Freundschaf-
ten;
Zivilklagen;
Wohnungswechsel;
Binnenwanderunsquote
Umfragedaten,
Literatur zum Sozialkapital
Statist. Bundesamt
Gerechtigkeit Soziale Ungleichheit und Armut
(Standardindikatoren);
Zahl der Obdachlosen u.
Langzeitarbeitslosen;
Kommodifizierungsindex (versch.
Fassungen);
Marginalsierungsindex
Statistisches Bundesamt
Esping-Andersen (1990)
Messner/Rosenfeld (1997)
Wuthnow (2001)
Anomie
Beschleunigung und
zeitl. Verdichtung
Zeit für Essen und Schlafen;
Pausen- u. Ruhezeiten in der Pro-
duktion;
Ausbreitung der Just-on-time-
Lieferung;
Wochenend- und Nachtarbeit;
Ratgeberliteratur zum Zeitmanage-
ment;
Zeit für Gespräche mit Eltern u.
Freunden
Zeitbudgetdaten;
Garhammer (1999); Berger (1996)
Morgenroth (Habil, TU-Chemnitz)
Grenzauflösungen
- privat ./. öffentlich
Auflagezahlen der Regenbogen-
presse;
Sendezeiten und Einschaltquoten
bei bestimmten Talk-und Perso-
nalityshows, Ratgeber-Sendun-
gen und -Kolumnen;
Erfassung von persönlichen Daten
bei Mietverträgen, Bewerbungen
etc.;
Ausdehnung staatl. u. betriebl.
Überwachsungstechn.
Medien-Statistiken
SZ, 11.7.01
- real ./. virtuell Börsen- vs. Realwerte von Unter-
nehmen; Fluktuationen von Aktien-
kursen; Volumen täglicher Kapital-
zirkulation; Umsätze bei bestimm-
ten Computerspielen
- Sinnvermischung Anteil der Werbeminuten an Prime-
time Sendezeit; Ausdehnung der
Weihnachtsgesch.; Umsatzquote
Event-Managing;
Entstrukturierung d. Jugendphase
Medienstatistiken
DIE ZEIT (11. 10. 01)
Versch. Jugendsurveys
Regressiver
Kollektivismus
Fremdenfeindlichkeit;
Antidemokratische Einstell.;
Ideologien der Ungleichwertigkeit
Diverse Umfragen
Selbststeuerung
Situationskontrolle,
Efficacy
Anomia-Skala von Srole und ähnli-
ches Wohlfahrtssurveys u. andere Um-
fragedaten
(Glatzer/Bös 1997)
Bereitsch. z. Normverletzung dto.
4.2 Methodologische Anmerkungen
Das Projekt wird keine neuen Daten erheben, sondern aus einschlägigen Quellen Daten
zusammenstellen und sekundäranalytisch auswerten. Primäre Quellen sind z. B. die
Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die Strafverfolgungsstatistik (StVStat), der
Meldedienst für Staatsschutzkriminalität (SMD-St) sowie entsprechende Statistiken in den
anderen Ländern. Hilfreich dürften auch das Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwick-
lung (KIK) sowie die ZUMA-Indikatorensammlung sein. Heranzuziehen sind auch das
European Sourcebook of Crime and Criminal Justice Statistics, der Comparative Crime
Data File und die Daten des International Crime Victim Survey. Soziale und ökonomisc-
he Indikatoren sind über das Statistische Bundesamt (sowie entsprechende Einrichtungen in
den anderen Ländern) und Institutionen wie die WHO oder die OECD zu erwerben. Außer-
dem stehen Datensätze wie die Cross-National Indicators of Liberal Democracy, 1950-
1990" (800 Variablen) des ICPSR (University of Michigan) sowie eine Vielzahl von
Umfragedaten aus nationalen und internationalen Archiven zur Verfügung. Zusätzliche
Datenquellen lassen sich über Internet-Adressen wie den Social Science Information Gate-
way erschließen.
Unsere Studie versucht, Längs- und Querschnittperspektive miteinander zu verbinden.
Wichtig ist, dass die erfassten Kriminalitätsraten, sozio-ökonomischen Indikatoren und
politischen Interventionen nicht nur über Zeit, sondern auch zwischen den einzelnen Län-
dern hinlänglich variieren. Das dürfte bei den hier ausgewählten Ländern der Fall sein. Wäh-
rend England und Schweden zeitverschoben einschneidende, aber recht unterschiedliche
Reformen in Richtung Aus- oder Umbau wohlfahrtsstaatlicher Systeme und Liberalisierung
von Märkten (Deregulierung) erlebt haben, ist die Entwicklung in Deutschland weniger
diskontinuierlich verlaufen. Während die schwedischen Reformen nicht zu einem Rückgang
des allgemeinen sozialen Vertrauens geführt haben (Rothstein 2001b), scheint dies in Eng-
land der Fall zu sein (Hall 2001). Die unterschiedlichen Zeitpunkte der politischen Reformen
und der unterschiedliche Grad ihrer Schärfe erhöhen die Chance, ihre Wirkungen auf
Kriminalitätsraten einschätzen zu können.
Ideal wäre es natürlich, wenn für alle in Abschn. 4.1 erörterten theoretischen Konzepte je-
weils verschiedene Indikatoren in Zeitreihenform vorlägen (mit mindestens jährlichen Meß-
daten). Dies ist sicherlich nicht der Fall. Die Richtung von Trendverläufen kann allerdings
auch über eine geringere Zahl von Meßzeitpunkten grob eingeschätzt werden, so dass es
auch in solchen Fällen häufig möglich sein wird zu erkennen, ob Indikatoren, zwischen de-
nen strukturelle Beziehungen vermutet werden, korrespondierende Verlaufsformen aufwei-
sen. In welchem Maße formale Modelle der Zeitreihenanalyse anwendbar sind, muss hier
noch offen bleiben. Neben der geringen Zahl von Meßzeitpunkten (für eine formale Zeitrei-
henanalyse sind selbst 40 Meßzeitpunkte noch sehr wenig) gibt es für eine statistische Zu-
sammenhangsanalyse weitere gravierende Hindernisse. Eine beobachtbare Korrespondenz
zwischen den Trendverläufen verschiedener Zeitreihen beweist noch lange nicht deren kau-
salen Zusammenhang (die fehlende Korrespondenz belegt allerdings ihren Nichtzusammen-
hang, wenn man Suppressionseffekte ausschließen kann). Der wird erst in dem Maße über-
prüfbar, wie nicht nur kurzfristige Trendverschiebungen, insbesondere Trendwechsel vorlie-
gen (s. Thome 1997). Bei den Kriminalitätsraten ab 1950/60 haben wir es aber (bei den
meisten Deliktkatgorien) mit monoton ansteigenden Trendverläufen zu tun, die lediglich
durch kurzfristige Abweichungen unterbrochen und möglicherweise verzerrt werden.
Die Identifikation struktureller Zusammenhänge wird zudem durch kurzfristig wirksame
exogene Effekte gestört. Zum Beispiel wird man zunächst annehmen wollen, dass ein Trend
(ansteigend oder abfallend) in einer determinierenden Variablen (einem sozio-ökonomischen
Indikator) eher einsetzt als in der abhängigen Variablen (einer Kriminalitätsrate). Es könnte
aber so sein, dass z. B. der Babyboom der Nachkriegszeit einen Anstieg der Kriminalitätsrate
eingeleitet hat, der dann von einem erst später einsetzenden Trend in einem Strukturindika-
tor quasi aufgegriffen und fortgeführt wird. Auch andere Gruppenkompositionseffekte sind
zu bedenken; ob sie in jedem Falle quantifizierbar sind, ist allerdings fraglich. Ein weiteres
Problem könnte sich daraus ergeben, dass sich die determinierenden Strukturveränderungen
in einer Weise kumulativ entfalten, die sich in den Trendverläufen einzelner Indikatoren
überhaupt nicht abbilden läßt. Ob diesem Problem bspw. mit Index-Konstruktionen beizu-
kommen ist, läßt sich zur Zeit noch nicht abschätzen.
Um strukturelle Zusammenhänge, die im Längsschnitt nicht mit formal-statistischen Mitteln
zu überprüfen sind, besser testen zu können, plane ich einige Querschnittuntersuchungen mit
einer erheblich größeren Zahl von Ländern durchzuführen - in ähnlicher Weise, wie dies z.
B. Halpern (2001) und Messner/Rosenfeld (1997) getan haben. Allerdings müßte das Design
dahingehend erweitert werden, dass für alle diese Länder in den Schlüsselvariablen wenig-
stens zwei mindestens zehn Jahre voneinander getrennte Meßpunkte verfügbar sind, wobei
jede Messung als Durchschnittswert über mindestens drei aufeinanderfolgende Jahre ermit-
telt werden müßte (um die sattsam bekannten jährlichen Zufallsschwankungen zu neutrali-
sieren). Auch dieses Verfahren wäre noch mit einigen Unsicherheiten behaftet, die aber der-
zeit kaum zu vermeiden sind. Theoretisch wäre eine pooled cross-section time-series analy-
sis mit einer Datenmatrix von wenigstens einem Dutzend Ländern und 50 Meßzeitpunkten
für eine Vielzahl von Variablen wünschenswert (s. das Beispiel von Gartner 1990), doch
dürfte eine solche Zusatzanalyse den vorgegebenen Zeit- und Finanzrahmen sprengen.
Außerdem stünde sicherlich nur eine sehr geringe Zahl von Indikatoren für alle Länder und
Jahre zur Verfügung. Gartner (1990) mußte sich z. B. mit nur zwei Indikatoren (divorce
rate und ethnic heterogeneity) für das Konstrukt integrative context begnügen.
Geplant ist außerdem, vermutete Zusammenhänge zwischen Strukturmerkmalen und subjek-
tiven Orientierungen (z. B. Marginalisierung und generalisiertem Vertrauen) nicht nur durch
den Trendvergleich aggregierter Datenreihen zu untersuchen, sondern auch mittels der Ana-
lyse von Individualdaten aus der Umfrageforschung zu überprüfen. (Zur Kombination dieser
beiden Sichtweisen siehe z. B. Rahn/Transue 1998.)
5. Einordnung in das Gesamtkonzept des Forschungsverbundes
5.1 Beziehung zum Rahmenkonzept
Dass sich die Fragestellungen unseres Projekts mit zentralen Problemfeldern gesellschaftli-
cher Integration befassen, dürfte in den vorangegangenen Abschnitten hinreichend deutlich
geworden sein. Das von Elias und Durkheim inspirierte Analyse-Schema ist mit den
thematisch-konzeptuellen Vorschlägen des Rahmenkonzepts bzw. der dort zugrunde geleg-
ten Arbeit von Anhut u. Heitmeyer (2000) gut vereinbar. So z. B. lassen sich wesentliche
Komponenten des kooperativen Individualismus in dem positiven Integrationskonzept
wiederfinden, das Anhut/Heitmeyer (2000: 48) in ihrer Abb. 1 präsentieren: universalistische
Teilhaberechte und Teilhabe-Chancen; wechselseitiger Respekt und Anerkennung nicht nur
unter den Mitgliedern partikularer Gemeinschaften; Ausgleich konfligierender Interessen
unter dem Dach eines übergreifenden Werte-Konsens, der die Ausübung individueller Frei-
heitsrechte (Selbstverwirklichung) an die Prinzipien der Gerechtigkeit, Fairness und Gleich-
wertigkeit bindet. Auch die Entwicklungsrichtungen mit negativen Auswirkungen, die
Anhut/Heitmeyer (ebd., S. 52) in ihrer Abb. 2 zusammenfassen, lassen sich in den patholo-
gischen Typen, wie ich sie aus Durkheim rekonstruiert habe, wiederfinden, wenn auch in
etwas anderer Systematik und Terminologie. Stärker vielleicht als Anhut/Heitmeyer betone
ich die sozialintegrative Funktion staatlicher Regulierungskompetenzen (vergl. Schwinn
2001), die freilich positiv und negativ genutzt werden können. Dies geschieht nicht zuletzt
mit Blick auf den Praxisbezug, den die Projekte des Forschungsverbundes vermitteln sollen.
Die politischen Regulierungskompetenzen können um so legitimer beansprucht und effekti-
ver eingesetzt werden, je klarer gesellschaftliche Integrations- und Desintegrationpotentiale
identifiziert worden sind.
Im Bereich der Makro-Strukturen kann dies nur in dem Maße gelingen, wie langfristige Ent-
wicklungsverläufe rekonstruiert werden. Es ist nicht unsinnig, Kriminalitätsraten und Struk-
turmerkmale in regionalen oder nationalen Querschnittvergleichen aufeinander zu beziehen.
Die theoretische Interpretation gegebener Ausprägungen struktureller Variablen und ihrer
Wirkungen auf andere, abhängige Variablen kann aber nur erfolgreich sein, wenn deren
zeitliche Variation offen gelegt wird. Den Anstieg oder den Rückgang einer Kriminalitäts-
rate über fünf Jahre zu registrieren, ist soziologisch ziemlich belanglos. Gehaltvoller wird
diese Beobachtung, wenn bekannt ist, ob die Aufwärts- oder Abwärtsbewegung in einen
langfristigen Trend eingebettet ist oder von diesem abweicht, und ob die kurzfristige Paral-
lelität von Entwicklungsverläufen im Langfristvergleich bestätigt oder verlassen wird. Ver-
schiedene Deutungen der langfristigen Entwicklung implizieren notwendig unterschiedliche
Ansichten über die Eigenschaften und die Gründe der Entwicklung der kürzeren Periode
(Borchardt 1982: 116). Diese Einsicht kann als ein Leitprinzip sozialhistorischer Forschung
gelten (s. hierzu ausführlicher Thome 2001a). Insofern ist davon auszugehen, dass das hier
skizzierte Projekt Materialien und Einsichten liefern wird, die von anderen Projekten des
Verbunds, die kürzere Entwicklungsphasen in den Blick nehmen, genutzt werden können.
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... In a Durkheimian type of analysis one might give the following interpretation: Shifting the balance from low to high ego-syntony implies the erosion of collectivism, which in turn reduces the propensity to resort to means of violence in interpersonal conflicts (cf. Thome 2007b; Thome and Birkel 2007). Moving from high to low " morality " (in the first row ofTable 1) implies shifting the weights from " moral " or cooperative individualism to " egoistic " or disintegrative individualism—which might, once again, reinforce the propensity to resort to violence. ...
Chapter
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Many criminologists have followed Gottfredson and Hirschi’s verdict on the uselessness of conscience as an explanatory concept within criminological theory. The present chapter challenges this assessment and explores the analytical potential of “conscience” not only for the explanation of (violent) crime but also for shedding light on other aspects of social practice and exchange. It proposes the expansion of self-control into a multi-dimensional concept that comprises different functions of human agency related to the requirement of (a) expressing personal identity, (b) securing long-range personal interests, and (c) maintaining cooperative relationships with others (solidarities). The chapter also examines facets and forms of positive and negative self-appraisal, in particular shame and guilt, and considers the protective or aggravating impact they may have on aggressive or violent conduct. Some additional—and occasionally ambiguous—features of both the conceptual meaning and the social praxis of “conscience” are also discussed, taking the cognitive–developmental approach to the analysis of moral conscience as a major point of reference.
... This thesis has been supported by a statistical analysis of crime data available for Germany at the end of the nineteenth century (Thome 2002). Karstedt (2006) also reports evidence consistent with Durkheim's claim about the effect of the movement from collectivistic to individualistic values on levels of violence. ...
Article
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A limited but accumulating body of research and theoretical commentary offers support for core claims of the “institutional-anomie theory” of crime (IAT) and points to areas needing further development. In this paper, which focuses on violent crime, we clarify the concept of social institutions, elaborate the cultural component of IAT, derive implications for individual behavior, summarize empirical applications, and propose directions for future research. Drawing on Talcott Parsons, we distinguish the “subjective” and “objective” dimensions of institutional dynamics and discuss their interrelationship. We elaborate on the theory’s cultural component with reference to Durkheim’s distinction between “moral” and “egoistic” individualism and propose that a version of the egoistic type characterizes societies in which the economy dominates the institutional structure, anomie is rampant, and levels of violent crime are high. We also offer a heuristic model of IAT that integrates macro- and individual levels of analysis. Finally, we discuss briefly issues for the further theoretical elaboration of this macro-social perspective on violent crime. Specifically, we call attention to the important tasks of explaining the emergence of economic dominance in the institutional balance of power and of formulating an institutional account for distinctive punishment practices, such as the advent of mass incarceration in the United States.
Chapter
Europe has abolished the death penalty. Imprisonment has thereby become the most severe available sanction. The level of, and trends in, imprisonment are also often used as a simple way of describing penal control, although it should be noted that fines have always been the dominant penal sanction in Sweden.
Article
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The research reported here follows up on the long-standing discussion concerning the regional distribution of violent crime in Germany. It focuses on assault and robbery rates reported by the official German crime statistics for the years 2005–2007 in each of the 413 communal districts (“Kreise”). The discussions commonly contrast the eastern region (till 1990 the territory of the communist ruled “German Democratic Republic”) with the northern and the southern region of the (now) western part of the “Federal Republic of Germany”. It becomes obvious, however, that crime rates vary much more within than between these regions. More than half of the overall variation can be explained by two composite measures of relative deprivation and the level of urbanization. A number of additional variables have been tested for their explanatory power, including a newly constructed measure of disintegrative individualism. It successfully identifies a specific criminogenic potential associated with certain structural elements of a developing “knowledge society” and the rapid expansion of higher education. Apart from ordinary regression analyses various techniques of spatial data analysis have also been applied.
Article
This introductory text has several goals. First, it sets the stage for the topic. Why give thought to civility? Second, it discusses various concepts of civility including their paradigmatic backgrounds. Third, the authors suggest a definition of civil society for future research. In operational terms, the authors subdivide civility into five fields of research: the history of the concept (‘Begriffsgeschichte’), and the four analytic dimensions of human rights, political rights, social rights and basic norms of everyday interaction. Fourth, from a historical point of view, this chapter roughly outlines the history of the concept ‘Zivilität’ as compared to ‘civility’ and ‘civilité’ to examine the analytic usefulness of the concept ‘civility’ with regard to critical periods in the European history of the nineteenth and twentieth centuries. Further, civility as a concept of Western origin should be applied with caution to non-Western cultures to avoid an ethnocentric bias. Though the authors abide by the idea of civility as a universal norm, it can be legitimised only to the extent that is submitted to critical public debate from which no groups and cultures can be excluded a priori.
Article
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Soziale Spaltung und ungleiche Teilhabechancen entfachen Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Wie schnell Gerechtigkeitsdiskurse Forderungen nach Ausgrenzung schwacher Gruppen befördern können, zeigen beispielsweise die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchenden Überlegungen zur Zuwanderungsbegrenzung mit Blick auf „leistungsschwache“ Migranten oder zur Verschärfung von Sanktionen gegenüber Langzeitarbeitslosen. Die Frage nach der Bewertung sozialer Ungleichheiten ist immer verbunden mit den zugrunde liegenden Gerechtigkeitsprinzipien, denen zufolge eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt oder ungerechtfertigt erscheint.
Article
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Anliegen: In der Öffentlichkeit und in der psychiatrischen Fachöffentlichkeit wird eine Zu-nahme psychischer Störungen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts angenommen und in einen Zusammenhang mit dem sozialen Wandel der Gesellschaft gebracht. Die hierfür angeführten psychiatrisch-epidemiologischen Studien sind allerdings häufig nicht geeignet, diese Prob-lemstellung zu analysieren. Methode: Es wurde eine systematische Literaturübersicht mit folgenden Einschlusskriterien unternommen: Unterschiedliche Studienpopulationen müssen mit zeitlichem Abstand bei mindestens zwei Messzeitpunkten mit einem möglichst identi-schen Studiendesign analysiert worden sein. Ergebnisse: Es wurden 44 Arbeiten identifi-ziert, die den Einschlusskriterien entsprechen. Weder bei allgemeinen psychischen Störun-gen noch bei spezifischen Störungsbildern wie Depression, Angst, Suchterkrankungen und Essstörungen kann ein eindeutiger anhaltender Trend in Richtung Anstieg belegt werden. Auch für kinder- und jugendpsychiatrische Störungen kann ein Anstieg nicht belegt werden. Schlussfolgerungen: Die unterstellte Zunahme psychischer Störungen aufgrund des sozialen Wandels der Gesellschaft kann nicht bestätigt werden.
Article
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The article seeks to bridge the gap between the history and the sociology of violent crime and to contribute to the ongoing debate on the relationship between modernization and (criminal) violence. In particular, it demonstrates the usefulness of a theoretical perspective derived from Durkheim’s work. Durkheim’s thesis that the erosion of (traditional) collectivism leads to a significant reduction in violent crime is being tested and confirmed in an empirical analysis of crime data that originally were collected for some 1,000 counties and cities of the German Reich in late 19th century. The distinction between developmental and structural effects is crucial to the argument. Supportive evidence is provided by an additional analysis of suicide data. It is argued that Durkheim’s perspective also helps explain the more recent increase in violent crime during the second half of the 20th century. For this purpose, the distinction between collectivism and individualism needs to be supplemented by a modified version of Durkheim’s additional distinction of moral (cooperative) versus egoistic (disintegrative) individualism.
Chapter
One of the core challenges faced by societies in all cultures and ages is that of limiting, and if possible preventing, destructive violence. An understanding of control of violence has to be developed with reference to the established concepts of the social norm and the social order, of power and rule, and of approaches to social control. When one studies the sociological and historical perspectives on control, it becomes clear that control in modern societies is a multi-layered, complex phenomenon. Control arises as a combination of self-control and external control, of coercion, discipline, and self-regulation, and it is exercised by various different protagonists. Different actors of control may employ a wide variety of forms and styles of control. Control of violence, thereby, is an ambivalent category, and control and violence may be interrelated in many different, complex ways. The development of processes and mechanisms of violence control must be examined simultaneously on the levels of the state, society, and the subject. Three fields of violence lend themselves particularly well to analysis: school shootings, terrorism, and states in crisis.
Article
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Zusammenfassung Zeitreihendaten eröffnen im Prinzip die Möglichkeit, sowohl kurzfristige Effekte als auch langfristige strukturelle Beziehungen zwischen Variablen simultan zu schätzen. Dabei wird die in der Querschnittanalyse meist nur implizit gemachte Voraussetzung aufgegeben, die Daten befänden sich zum Zeitpunkt der Messung im Gleichgewicht. Um die sich daraus ergebenden Vorteile dynamischer Analyse nicht zu verspielen, müssen die in Zeitreihen typischerweise vorhandenen stochastischen oder deterministischen Trendkomponenten korrekt identifiziert und modelliert werden. Anderenfalls erliegt man leicht der doppelten Gefahr der Scheinkausalität einerseits, der scheinbaren Nicht-Kausalität andererseits. Die hier vorgestellten Kointegrations- und Fehlerkorrekturmodelle sind - unter bestimmten Voraussetzungen - geeignet, dieses Dilemma zu vermeiden. Sie sind aber bisher in der Soziologie kaum rezipiert worden, obwohl ihnen in den Sozialwissenschaften ein erhebliches Anwendungspotential zukommen dürfte. Zur Veranschaulichung werden strukturelle Zusammenhänge zwischen der „Popularität“ der SPD, den aggregierten Einschätzungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage und dem Niveau der Arbeitslosigkeit in der Periode von Februar 1971 bis Sept. 1982 untersucht.
Article
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Zusammenfassung In der sozialhistorischen Kriminalitätsforschung wird seit Jahren mit quantifizierenden Methoden der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Modernisierung und Kriminalität (ab 1500) untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Umfang der Gewaltkriminalität im Verhältnis zur Eigentumskriminalität. Der Artikel gibt einen Überblick über repräsentative Problemstellungen sowie (strittige) Ergebnisse und Interpretationen aus diesem Forschungsgebiet. Er weist zudem auf einige konzeptuelle und methodische Mängel hin, die die Fruchtbarkeit dieser sozialhistorischen Kriminalitätsforschung für die Soziologie einschränken.
Book
The state, which since the middle of the seventeenth century has been the most important and most characteristic of all modern institutions, is in decline. From Western Europe to Africa, many existing states are either combining into larger communities or falling apart. Many of their functions are being taken over by a variety of organizations which, whatever their precise nature, are not states. In this unique volume Martin van Creveld traces the story of the state from its beginnings to the present. Starting with the simplest political organizations that ever existed, he guides the reader through the origins of the state, its development, its apotheosis during the two World Wars, and its spread from its original home in Western Europe to cover the globe. In doing so, he provides a fascinating history of government from its origins to the present day.
Book
In the past fifty years, street crime rates in America have increased eightfold. These increases were historically patterned, were often very rapid, and had a disproportionate impact on African Americans. Much of the crime explosion took place in a space of just ten years beginning in the early 1960s. Common explanations based on biological impulses, psychological drives, or slow-moving social indicators cannot explain the speed or timing of these changes or their disproportionate impact on racial minorities. Using unique data that span half a century, Gary LaFree argues that social institutions are the key to understanding the U.S. crime wave. Crime increased along with growing political distrust, economic stress, and family disintegration. These changes were especially pronounced for racial minorities. American society responded by investing more in criminal justice, education, and welfare institutions. Stabilization of traditional social institutions and the effects of new institutional spending account for the modest crime declines of the 1990s.
Chapter
From a mainstream neoclassical economist perspective, most of the things provided by modern welfare states are essentially private goods. Such goods—health care, social insurance and education, for example—can be privately consumed. This means that A, who owns the good, can exclude B from consuming the good in question. So in order for the welfare state to be understood as a bundle of publicly provided private goods, it would not be a suitable candidate for the social dilemma/collective action approach in political science (Ostrom 1998). The reason for this is that this approach, by definition, only relates to public goods, that is, goods where it is not possible for the individual to exclude others from using the good. The existence of the welfare state is understood by many mainstream economists as an anomaly, because what the welfare state provides should instead be left to market decisions where, as for other private goods like food, cosmetics, and clothes, individual demand would meet its supply (Baumol 1965). Moreover, if left to the market, standard economic theory states that the things the welfare state provides would be produced with much greater efficiency than if provided by the government and paid for by taxes. This occurs because competing producers of such private goods would have a strong incentive to rationalize production, while such incentives are of course lacking in a state-monopoly system.