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Ist-Analyse zur Patientenaufklärung und Einwilligung bei nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten

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Abstract

http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds192.shtml
Ist-Analyse zur Patientenaufklärung und Einwilligung bei nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten
Weismüller K1, Corvinus U1, Ihle P2, Harnischmacher U3, Sellge E4, Röhrig R1
1Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Deutschland
2PMV-Forschungsgruppe, Universität zu Köln, Deutschland
3Koordinierungszentrum Klinische Studien Köln (KKSK), Universität zu Köln, Deutschland
4Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V.(TMF e.V.), Berlin, Deutschland
Rainer.Roehrig@chiru.med.uni-giessen.de
Einleitung Die medizinische Forschung geht oft mit einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Patienten einher. Die Durchführung
studienbedingter Maßnahmen setzt obligat das Einverständnis der Patienten voraus. Dazu muss sich der Patient im Sinne des „informed consent“ über
Wesen, Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung bewusst sein und diese auf freiwilliger Basis treffen können. Nach einem ausführlichen
Gespräch zwischen Arzt und Studienteilnehmer muss dieser in der Lage sein, die für ihn wichtigen Informationen selbst zu überblicken und
eigenverantwortliche Schlüsse aus ihnen zu ziehen [1, 2]. Neben der Zustimmung zu den Maßnahmen in einem Forschungsvorhaben ist auch das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. So muss der Patient über die Erhebung, Verwendung, Weitergabe und Speicherung seiner
personengebundenen Daten aufgeklärt werden und entscheiden können [3]. Die Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V.
(www.tmf-ev.de) hat im Rahmen des Projektes „Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in
Patienteneinwilligungserklärungen bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen
Forschung“ eine Modelllösung für einwilligungsfähige Patienten erarbeitet und veröffentlicht [4].
Die Erforschung vieler Krankheitsbilder, insbesondere in der Intensiv- und Notfallmedizin, sowie in der Neurologie und Psychiatrie, erfordert jedoch
den Einschluss nichteinwilligungsfähiger erwachsener Patienten. Der Umgang mit nichteinwilligungsfähigen Patienten in medizinischer Forschung
und Datenspeicherung wird durch verschiedene Gesetze und Richtlinien, wie z.B. das Arzneimittelgesetz §§40-42, die GCP-Verordnung, die
überarbeitete Deklaration von Helsinki und das Bundesdatenschutzgesetz §13 Abs. 2, §28 Abs. 6 sowie den verschiedenen
Landesdatenschutzgesetzen vorgegeben.
Bei der Umsetzung der Bestimmungen in konkrete Verfahren zum Einschluss in Studien und Forschungsdatenbanken entstehen jedoch regelmäßig
Unsicherheiten, welche den Planungsaufwand erhöhen.
Das Ziel der Arbeit ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Verfahren zum Einschluss nichteinwilligungsfähiger erwachsener Patienten in
Forschungsvorhaben und zur Langzeitspeicherung ihrer Daten in Forschungsdatenbanken. Die Intention ist, die bestehende Modelllösung der TMF
zur Patienteneinwilligung zu erweitern.
Methodik Mittels Literaturrecherche wurden Schlüsselfaktoren herausgearbeitet, die Einfluss auf das Verfahren beim Einschluss
nichteinwilligungsfähiger Patienten nehmen können. Diese stellen die Basis eines Erhebungsbogens dar und sind im Folgenden aufgeführt:
Der Wille des Patienten: Wie wird der Wille des Patienten, in Form von aktuellen Äußerungen zum Forschungsvorhaben, sein mutmaßlicher
Wille oder antizipierter Wille in den Verfahren berücksichtigt?
Stellvertreterregelung: Welche Stellvertreterregelungen (Arzt, Vorsorgebevollmächtigter, gesetzlicher Vertreter oder Vormundschaftsgericht)
werden angewendet?
Verlauf: Wie wird auf eine sich verändernde Einwilligungsunfähigkeit des Patienten eingegangen?
Dringlichkeit: Welchen Einfluss haben akute Situationen (Notfälle wie z.B. Schlaganfall, Polytrauma) oder chronische Erkrankungen (z.B.
Demenz) auf den Studieneinschluss und die Datenspeicherung?
Nutzen für den Patienten: Medizinische Forschung lässt sich in „therapeutische“ Forschung, die dem Patienten unmittelbar nutzt, und
„nichttherapeutische“ Forschung, die noch mittelbaren Nutzen für den Patienten bergen, lediglich Gruppennutzen haben oder ausschließlich
fremdnützig sein kann, unterteilen. Wie beeinflusst ein möglicher Benefit für den Patienten das Verfahren des Studieneinschlusses und der
Datenspeicherung?
Risiko-Nutzen-Abwägung: Welche Auswirkung hat die Verhältnismäßigkeit von Risikofaktoren für den Patienten und generellem Nutzen der
Studie oder der Datenspeicherung auf die Entscheidung des weiteren Vergehens? Hat die Gefahr der gesellschaftlichen Ausgrenzung aufgrund
der Erkrankung eine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Datenspeicherung?
Nach der Durchführung von Pre-Tests erfolgte der Versand der Erhebungsbögen an die öffentlich-rechtlichen medizinischen Ethikkommissionen der
Landesärztekammern und Länder, der Universitätsklinika, an Datenschutzbeauftragte und die Mitgliedsverbände der TMF (KKS, Forschungsnetze).
Ergebnisse und Diskussion Die Ist-Erhebung war zu dem Zeitpunkt der Einreichung noch nicht abgeschlossen. Auf der Jahrestagung der gmds
werden die Ergebnisse vorgestellt und mögliche generische Modell-Lösungen diskutiert.
Sponsor Die Studie wird von der Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V. finanziert.
Literatur
[1] Höfling W, Demel M. Zur Forschung an Nichteinwilligungsfähigen. MedR 1999; 12: 540-46.
[2] Fröhlich U. Forschung wider Willen?. Berlin: Springer; 1999.
[3] Schwarz JA. Patienteninformation und Einwilligung bei Geschäftsfähigen, Geschäftsunfähigen und Minderjährigen vor der Teilnahme an klinischen Prüfungen.
Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2005; 48:429–37
[4] Harnischmacher U, Ihle P, Schickling O. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in Patienteneinwilligungserklärungen bei der
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen Forschung. Vergleichende Bestandsaufnahme und Erarbeitung
einer Modelllösung. Ergebnisbericht für das Projekt DS 3.8 der Telematikplattform für medizinische Forschungsnetze (TMF). Köln; April 2003
... Um auch nicht einwilligungsfähige Patientengruppen in wissenschaftliche Studien einschließen zu können, werden derzeit, gefördert von der TMF, Verfahrensvorschläge erarbeitet [20]. Grundprinzip ist eine "Stellvertretereinwilligung", die durch (am Forschungsvorhaben nicht beteiligte) Ärzte, einen zuständigen Richter oder durch Angehörige gegeben wird. ...
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Personally identifiable routine data generated by the SHI (statutory health insurance) offer inexpensive and large amounts of data gathered over long periods of observation for use in numerous fields of application including health services research and epidemiology of health care. As a source of medical health information, these data are subject to particular EU data protection directives according to which they can only be used under certain conditions and following careful consideration of the various interests involved. These interests include the protection of personal privacy, on the one hand, and the freedom of research, on the other. As personally identifiable data, these data are fully subject to general and specific data privacy regulations, such as the consideration of intended use; the specification of forms of data processing, duration of use, and group of users; and the development of a data protection concept. If primary data are additionally collected, the patient is to be fully informed about the intended contents of analysis and the use of his/her data in order that informed consent can be provided. Methodological standards such as the verification of completeness and plausibility are also to be met when compiling an insuree database.
Article
Die Notwendigkeit medizinischer Forschung mit nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten ist unbestritten. Patienten in Notfallsituationen, wie Traumapatienten oder Patienten mit Myokardinfarkt, bedürfen gesicherter Therapieoptionen. Aber auch chronische Krankheiten, die zu verminderter Einwilligungsfähigkeit führen, wie M. Alzheimer oder Demenz, stellen einen ebenso großen Einschnitt in die Lebensqualität, Lebenserwartung und Lebensplanung des Patienten dar. Eine Verbesserung von Verständnis der Pathophysiologie und Therapiemöglichkeiten ist hinsichtlich der Patientenzufriedenheit, dem Outcome und der Gesundheitsökonomie bedeutend. Da die Rechte nichteinwilligungsfähiger erwachsener Patienten in besonderer Weise geschützt werden müssen, besteht eine Vielzahl spezifischer Gesetze, die den Umgang mit dieser Patientengruppe in medizinischen Forschungsvorhaben regeln. Gesetze, Richtlinien und Empfehlungen sind nicht in allen Fällen einheitlich und erfassen nicht alle Teilbereiche des weiten Feldes erschöpfend. In der vorliegenden Arbeit zur medizinischen Forschung mit nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten und der zu diesem Zweck erforderlichen Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Patientendaten wurde zunächst eine eingehende Sichtung von Gesetzestexten, Richtlinien und ethisch gebotenen Voraussetzungen durchgeführt. Im Anschluss wurde der aktuelle Status zur Anwendung und Prüfung von Patienteneinwilligungen in den Mitgliedsverbünden der ‚Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze’, bei Ethikkommissionen und Datenschutzbeauftragten durch eine postalische Befragung erhoben. Der Erhebungsbogen der Befragung umfasste wichtige Schlüsselpunkte, die mittels Literaturrecherche herausgearbeitet wurden. Vorgaben durch Gesetzestexte, Richtlinien sowie Stellungnahmen fanden Berücksichtigung. Den Mitgliedsverbünden der ‚Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze’ war der Umgang mit Patienteneinwilligungen von nichteinwilligungsfähigen Patienten vertraut. Die Vorsitzenden der Ethikkommissionen antworteten zurückhaltend. Datenschutzbeauftragte konnten in der Beantwortung des Erhebungsbogens auf wenig konkrete Erfahrungen zurückgreifen. Aus den zurückgesandten Erhebungsbögen ließ sich ableiten, dass der mutmaßliche Wille bei der Berücksichtigung des Patientenwillens die größte Bedeutung hat, um auf eine Bereitschaft eines nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten zu einer klinischen Studie und der Datenverarbeitung in Forschungsdatenbanken zu schließen. Der gesetzlich bestellte Betreuer ist die am häufigsten stellvertretend entscheidende Person. Die Befugnis der Betreuer, stellvertretende Entscheidungen treffen zu dürfen, ist nicht klar definiert. Für den Einschluss von nichteinwilligungsfähigen Notfallpatienten in klinische Studien gibt es bereits eine Modelllösung. Sie ist allerdings nicht bei allen Befragten bekannt. Die Wertung von Risiken und Nutzen für den nichteinwilligungsfähigen Studienteilnehmer seitens Forschern, Datenschutzbeauftragen und Ethikkommissionen ist sehr unterschiedlich. Dies verstärkt Unsicherheiten im Umgang mit dem Einschluss nichteinwilligungsfähiger Patienten in Studien und Forschungsdatenbanken. Es bestehen gut ausgearbeitete Datenschutzkonzepte für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personengebundenen Daten einwilligungsfähiger Patienten. Eine Übertragbarkeit auf die Gruppe der nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten, speziell im Hinblick auf die Entscheidungen zwischen Anonymisierung und Pseudonymisierung, ist nicht klar definiert. Einzelfallentscheidungen bei Planung und Durchführung von Studien und Datenspeicherung werden vor allem seitens der Ethikkommissionen und Datenschutzbeauftragten eine hohe Bedeutung beigemessen. Dennoch wird die Erstellung eines Leitfadens von den Mitgliedsverbünden der ‚Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze’, den Ethikkommissionen sowie den Datenschutzbeauftragten begrüßt. Es wurde mithilfe der Erhebung nochmals deutlich, dass die Erstellung eines solchen Leitfadens nur in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Ethikkommissionen, Datenschutzbeauftragten und Juristen möglich ist.
Article
Geschftsfhige Probanden und Patienten sind vor einer Teilnahme an einer klinischen Prfung mit Arzneimitteln oder Medizinprodukten grundstzlich mndlich und schriftlich aufzuklren. Ihre Einwilligung zur Studienteilnahme mssen sie schriftlich erteilen. Bei nicht Einwilligungsfhigen und Minderjhrigen muss die schriftliche Einwilligung durch den gesetzlichen Vertreter nach dessen Aufklrung erteilt werden. Dabei ist der Wille Einsichtsfhiger, nicht Einwilligungsfhiger und Minderjhriger zu bercksichtigen.Written informed consent must be obtained from legally competent subjects, after having been duly informed verbally and in writing, before participation in a clinical trial with pharmaceutical products or medical devices. For persons or minors incapable of giving their informed legal consent, the written consent of the subjects legal representative is mandatory. The subjects presumed or expressed wish must be considered.
Geschäftsunfähigen und Minderjährigen vor der Teilnahme an klinischen Prüfungen
  • Ja Schwarz
  • Patienteninformation
Schwarz JA. Patienteninformation und Einwilligung bei Geschäftsfähigen, Geschäftsunfähigen und Minderjährigen vor der Teilnahme an klinischen Prüfungen. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2005; 48:429–37
Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in Patienteneinwilligungserklärungen bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen Forschung
  • U Harnischmacher
  • P Ihle
  • O Schickling
Harnischmacher U, Ihle P, Schickling O. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in Patienteneinwilligungserklärungen bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen Forschung. Vergleichende Bestandsaufnahme und Erarbeitung einer Modelllösung. Ergebnisbericht für das Projekt DS 3.8 der Telematikplattform für medizinische Forschungsnetze (TMF). Köln; April 2003