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Ist-Analyse zur Patientenaufklärung und Einwilligung bei nichteinwilligungsfähigen erwachsenen Patienten
Weismüller K1, Corvinus U1, Ihle P2, Harnischmacher U3, Sellge E4, Röhrig R1
1Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Deutschland
2PMV-Forschungsgruppe, Universität zu Köln, Deutschland
3Koordinierungszentrum Klinische Studien Köln (KKSK), Universität zu Köln, Deutschland
4Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V.(TMF e.V.), Berlin, Deutschland
Rainer.Roehrig@chiru.med.uni-giessen.de
Einleitung Die medizinische Forschung geht oft mit einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Patienten einher. Die Durchführung
studienbedingter Maßnahmen setzt obligat das Einverständnis der Patienten voraus. Dazu muss sich der Patient im Sinne des „informed consent“ über
Wesen, Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung bewusst sein und diese auf freiwilliger Basis treffen können. Nach einem ausführlichen
Gespräch zwischen Arzt und Studienteilnehmer muss dieser in der Lage sein, die für ihn wichtigen Informationen selbst zu überblicken und
eigenverantwortliche Schlüsse aus ihnen zu ziehen [1, 2]. Neben der Zustimmung zu den Maßnahmen in einem Forschungsvorhaben ist auch das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. So muss der Patient über die Erhebung, Verwendung, Weitergabe und Speicherung seiner
personengebundenen Daten aufgeklärt werden und entscheiden können [3]. Die Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V.
(www.tmf-ev.de) hat im Rahmen des Projektes „Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in
Patienteneinwilligungserklärungen bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen
Forschung“ eine Modelllösung für einwilligungsfähige Patienten erarbeitet und veröffentlicht [4].
Die Erforschung vieler Krankheitsbilder, insbesondere in der Intensiv- und Notfallmedizin, sowie in der Neurologie und Psychiatrie, erfordert jedoch
den Einschluss nichteinwilligungsfähiger erwachsener Patienten. Der Umgang mit nichteinwilligungsfähigen Patienten in medizinischer Forschung
und Datenspeicherung wird durch verschiedene Gesetze und Richtlinien, wie z.B. das Arzneimittelgesetz §§40-42, die GCP-Verordnung, die
überarbeitete Deklaration von Helsinki und das Bundesdatenschutzgesetz §13 Abs. 2, §28 Abs. 6 sowie den verschiedenen
Landesdatenschutzgesetzen vorgegeben.
Bei der Umsetzung der Bestimmungen in konkrete Verfahren zum Einschluss in Studien und Forschungsdatenbanken entstehen jedoch regelmäßig
Unsicherheiten, welche den Planungsaufwand erhöhen.
Das Ziel der Arbeit ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Verfahren zum Einschluss nichteinwilligungsfähiger erwachsener Patienten in
Forschungsvorhaben und zur Langzeitspeicherung ihrer Daten in Forschungsdatenbanken. Die Intention ist, die bestehende Modelllösung der TMF
zur Patienteneinwilligung zu erweitern.
Methodik Mittels Literaturrecherche wurden Schlüsselfaktoren herausgearbeitet, die Einfluss auf das Verfahren beim Einschluss
nichteinwilligungsfähiger Patienten nehmen können. Diese stellen die Basis eines Erhebungsbogens dar und sind im Folgenden aufgeführt:
• Der Wille des Patienten: Wie wird der Wille des Patienten, in Form von aktuellen Äußerungen zum Forschungsvorhaben, sein mutmaßlicher
Wille oder antizipierter Wille in den Verfahren berücksichtigt?
• Stellvertreterregelung: Welche Stellvertreterregelungen (Arzt, Vorsorgebevollmächtigter, gesetzlicher Vertreter oder Vormundschaftsgericht)
werden angewendet?
• Verlauf: Wie wird auf eine sich verändernde Einwilligungsunfähigkeit des Patienten eingegangen?
• Dringlichkeit: Welchen Einfluss haben akute Situationen (Notfälle wie z.B. Schlaganfall, Polytrauma) oder chronische Erkrankungen (z.B.
Demenz) auf den Studieneinschluss und die Datenspeicherung?
• Nutzen für den Patienten: Medizinische Forschung lässt sich in „therapeutische“ Forschung, die dem Patienten unmittelbar nutzt, und
„nichttherapeutische“ Forschung, die noch mittelbaren Nutzen für den Patienten bergen, lediglich Gruppennutzen haben oder ausschließlich
fremdnützig sein kann, unterteilen. Wie beeinflusst ein möglicher Benefit für den Patienten das Verfahren des Studieneinschlusses und der
Datenspeicherung?
• Risiko-Nutzen-Abwägung: Welche Auswirkung hat die Verhältnismäßigkeit von Risikofaktoren für den Patienten und generellem Nutzen der
Studie oder der Datenspeicherung auf die Entscheidung des weiteren Vergehens? Hat die Gefahr der gesellschaftlichen Ausgrenzung aufgrund
der Erkrankung eine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Datenspeicherung?
Nach der Durchführung von Pre-Tests erfolgte der Versand der Erhebungsbögen an die öffentlich-rechtlichen medizinischen Ethikkommissionen der
Landesärztekammern und Länder, der Universitätsklinika, an Datenschutzbeauftragte und die Mitgliedsverbände der TMF (KKS, Forschungsnetze).
Ergebnisse und Diskussion Die Ist-Erhebung war zu dem Zeitpunkt der Einreichung noch nicht abgeschlossen. Auf der Jahrestagung der gmds
werden die Ergebnisse vorgestellt und mögliche generische Modell-Lösungen diskutiert.
Sponsor Die Studie wird von der Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze e.V. finanziert.
Literatur
[1] Höfling W, Demel M. Zur Forschung an Nichteinwilligungsfähigen. MedR 1999; 12: 540-46.
[2] Fröhlich U. Forschung wider Willen?. Berlin: Springer; 1999.
[3] Schwarz JA. Patienteninformation und Einwilligung bei Geschäftsfähigen, Geschäftsunfähigen und Minderjährigen vor der Teilnahme an klinischen Prüfungen.
Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2005; 48:429–37
[4] Harnischmacher U, Ihle P, Schickling O. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in Patienteneinwilligungserklärungen bei der
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von pseudonymisierten Patientendaten in der medizinischen Forschung. Vergleichende Bestandsaufnahme und Erarbeitung
einer Modelllösung. Ergebnisbericht für das Projekt DS 3.8 der Telematikplattform für medizinische Forschungsnetze (TMF). Köln; April 2003