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Rezension zu: Ulrike Bohle, Das Wort ergreifen - das Wort über- geben. Explorative Studie zur Rolle redebegleitender Gesten in der Organisation des Sprecherwechsels. Berlin: Weidler Verlag 2007

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Abstract

Ulrike Bohle widmet sich in ihrem Buch "Das Wort ergreifen - das Wort über- nehmen" der Organisation des Sprecherwechsels - einem "zentralen Aspekt der Kommunikation und Interaktion" (S.11). Ziel ist es, durch eine Verbindung der methodischen Ansätze von Konversati- onsanalyse und Gestikforschung, "zu einem umfassenderem Verständnis vom Ge- spräch als einem multimodalem interaktiven Geschehen" (S.157) zu gelangen und bisherige Lücken beider Forschungsansätze, bezogen auf die Frage wie Gestik an der Organisation des Sprecherwechsels beteiligt ist, zu überwinden. Dabei geht es ihr nicht darum, "Befunde aus der Gesprächsforschung schlicht um das Visuelle zu erweitern" (S.21). Vielmehr zeigt sie exemplarisch, wie redebegleitende Gesten als Teil des sichtbaren Kommunikationsverhaltens in gesprächsanalytische Stu- dien integriert werden können. Gängige Konzepte der Gesprächsforschung, wie zum Beispiel die Turnkonstruktionseinheit oder die Pause, erweisen sich dadurch als revisionsbedürftig. Die Erstellung eines Repertoires sprecherwechsel-bezoge- ner Methoden, das sowohl sprachliche als auch gestische Verfahren herausarbei- tet, stellt dabei nur ein Ziel ihrer Untersuchung dar. "Rezipienten theoretisch wie empirisch als aktive Beteiligte am kommunikativen Geschehen in den Blick zu nehmen" (S.14) wird als zentrales Ziel formuliert. Ferner geht es der Autorin darum, den Beitrag einer verbal-gestischen Einheit zur Bedeutungskonstitution und Sozialorganisation empirisch zu ermitteln. Dabei verortet sie sich in den lin- guistischen Teilbereichen der Gesprächs- und Gestikforschung und sucht die ein- zelnen Forschungsstränge nach kritischer Revision miteinander zu verbinden. Im ersten Kapitel (S.23-90) werden die Methoden und theoretischen Prämissen der Gesprächs- und Gestikforschung sowie die verschiedenen Forschungstraditio- nen in den jeweiligen Bereichen ausführlich diskutiert. Die in der linguistischen Forschung zu verzeichnende Dominantsetzung der Rolle des Sprechers bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Rolle des Rezipienten konstatiert Bohle auch für die beiden Forschungsstränge, die sich Verfahren der Gesprächsorganisation widmen - der Gesprächs- und Gestikforschung (S.23ff.). Monologistische Annahmen schlagen sich in den verschiedensten Traditionen der Gesprächsforschung ((Ethnomethodologische) Konversationsanalyse (Kap. I.2.1, S.31-43) und Interaktionale Linguistik (Kap. I.2.2, S.43-48)) insofern nie- der, als "zumeist Sprecher und Hörer als getrennt, abwechselnd einzunehmende Teilnehmerrollen konzipiert" werden (S.25). Ein noch nicht vorhandenes Transkriptionssystem, das die verbal-gestischen Äußerungen zweier Gesprächs- partner zu erfassen vermag, so die Autorin, sind Ausdruck vorherrschender mo- nologistischer Tendenzen in der Gesprächsforschung als auch ihrer Fixierung auf Audiodaten. Diese verkürzte Perspektive auf Interaktion, die bis heute in ver- schiedensten Ansätzen der Gesprächsforschung vorherrscht, sucht die Autorin mit ihrer Untersuchung zu durchbrechen. Sowohl auditive als auch visuelle Interakti- onspraktiken beider Interaktionspartner werden systematisch in ihre Studie inte- griert.
Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion (ISSN 1617-1837)
Ausgabe 10 (2009), Seite 1-11 (www.gespraechsforschung-ozs.de)
Rezension zu: Ulrike Bohle, Das Wort ergreifen – das Wort über-
geben. Explorative Studie zur Rolle redebegleitender Gesten in der
Organisation des Sprecherwechsels. Berlin: Weidler Verlag 2007
Silva Ladewig und Jana Bressem
Ulrike Bohle widmet sich in ihrem Buch "Das Wort ergreifen – das Wort über-
nehmen" der Organisation des Sprecherwechsels – einem "zentralen Aspekt der
Kommunikation und Interaktion" (S.11).
Ziel ist es, durch eine Verbindung der methodischen Ansätze von Konversati-
onsanalyse und Gestikforschung, "zu einem umfassenderem Verständnis vom Ge-
spräch als einem multimodalem interaktiven Geschehen" (S.157) zu gelangen und
bisherige Lücken beider Forschungsansätze, bezogen auf die Frage wie Gestik an
der Organisation des Sprecherwechsels beteiligt ist, zu überwinden. Dabei geht es
ihr nicht darum, "Befunde aus der Gesprächsforschung schlicht um das Visuelle
zu erweitern" (S.21). Vielmehr zeigt sie exemplarisch, wie redebegleitende Gesten
als Teil des sichtbaren Kommunikationsverhaltens in gesprächsanalytische Stu-
dien integriert werden können. Gängige Konzepte der Gesprächsforschung, wie
zum Beispiel die Turnkonstruktionseinheit oder die Pause, erweisen sich dadurch
als revisionsbedürftig. Die Erstellung eines Repertoires sprecherwechsel-bezoge-
ner Methoden, das sowohl sprachliche als auch gestische Verfahren herausarbei-
tet, stellt dabei nur ein Ziel ihrer Untersuchung dar. "Rezipienten theoretisch wie
empirisch als aktive Beteiligte am kommunikativen Geschehen in den Blick zu
nehmen" (S.14) wird als zentrales Ziel formuliert. Ferner geht es der Autorin
darum, den Beitrag einer verbal-gestischen Einheit zur Bedeutungskonstitution
und Sozialorganisation empirisch zu ermitteln. Dabei verortet sie sich in den lin-
guistischen Teilbereichen der Gesprächs- und Gestikforschung und sucht die ein-
zelnen Forschungsstränge nach kritischer Revision miteinander zu verbinden.
Im ersten Kapitel (S.23-90) werden die Methoden und theoretischen Prämissen
der Gesprächs- und Gestikforschung sowie die verschiedenen Forschungstraditio-
nen in den jeweiligen Bereichen ausführlich diskutiert. Die in der linguistischen
Forschung zu verzeichnende Dominantsetzung der Rolle des Sprechers bei
gleichzeitiger Vernachlässigung der Rolle des Rezipienten konstatiert Bohle auch
für die beiden Forschungsstränge, die sich Verfahren der Gesprächsorganisation
widmen – der Gesprächs- und Gestikforschung (S.23ff.).
Monologistische Annahmen schlagen sich in den verschiedensten Traditionen
der Gesprächsforschung ((Ethnomethodologische) Konversationsanalyse (Kap.
I.2.1, S.31-43) und Interaktionale Linguistik (Kap. I.2.2, S.43-48)) insofern nie-
der, als "zumeist Sprecher und Hörer als getrennt, abwechselnd einzunehmende
Teilnehmerrollen konzipiert" werden (S.25). Ein noch nicht vorhandenes
Transkriptionssystem, das die verbal-gestischen Äußerungen zweier Gesprächs-
partner zu erfassen vermag, so die Autorin, sind Ausdruck vorherrschender mo-
nologistischer Tendenzen in der Gesprächsforschung als auch ihrer Fixierung auf
Audiodaten. Diese verkürzte Perspektive auf Interaktion, die bis heute in ver-
schiedensten Ansätzen der Gesprächsforschung vorherrscht, sucht die Autorin mit
ihrer Untersuchung zu durchbrechen. Sowohl auditive als auch visuelle Interakti-
onspraktiken beider Interaktionspartner werden systematisch in ihre Studie inte-
griert.
Gesprächsforschung 10 (2009), Seite 2
In ihrem sich anschließenden Überblick zur Gestikforschung widmet sich
Bohle ausgewählten Studien und verortet diese in drei, bis dato grob vorherr-
schenden Ansätzen. Neben Untersuchungen zur Konventionalisierung redebe-
gleitender Gesten (Emblemsammlung, Kap. I.3.1.2) sowie psycholinguistischen
Studien zur Sprach- und Gestikproduktion (Kap. I.3.1.3 sowie I.3.2), die weitest-
gehend monologistisch angelegt sind, finden sich interaktionsanalytische Studien
zu kommunikativen und interaktiven Funktionen von Körperbewegungen (Kap.
I.3.3, S.70-77). Die interaktionsanalytische Gestikforschung arbeitet zum großen
Teil in einem dialogistischen Rahmen. Doch trotz jahrzehntelanger Arbeit mit Vi-
deodaten als Grundlage wurde bislang keine eigene, dem Analysegegenstand an-
gepasste Methode hervorgebracht, so Bohle (siehe dazu Müller 2004). Ein Anlie-
gen der beiden eingeführten interaktionsanalytischen Ansätze, das sind Kendons
Kontextanalysen (Kap. I.3.3.1, S.71-73) und die konversationsanalytische Gestik-
forschung (Kap. I.3.3.2, S.74-77), ist es, die kommunikative Relevanz von Hand-
und Armbewegungen sequenz- und kontextanalytisch nachzuweisen.
Neben Konventionalisierung und Arbitrarisierung von Gesten, d.h. traditionel-
lerweise als genuin sprachsystematisch angenommenen Eigenschaften, interessiert
sich Kendon unter anderem für die zeitliche Koordination von Gesten und Rede
sowie deren semantische und pragmatische Relation. Sein Interesse an theoreti-
schen Konzeptionen und historischen Entwicklungen innerhalb der Gestikfor-
schung verbindet er mit empirischen Analysen. Aufgrund der informationstheore-
tischen Grundlegung seines Ansatzes nimmt Kendon sowohl Sprecher als auch
Hörer in den Blick und untersucht deren wechselseitig beeinflussendes Verhalten
in der jeweiligen sozialen Situation (Kontext, s. Scheflen 1964). Die Reaktionen
des Rezipienten interessieren ihn jedoch nur "insoweit sie den Kontext für die
nächste Äußerung desselben Sprechers bereitstellen" (S.73).
In der konversationsanalytischen Gestikforschung finden sich Arbeiten zu klas-
sischen Themen der Konversationsanalyse: unter anderem Reparaturen, Wortsu-
chen, Organisation des Sprecherwechsels und Konstitution narrativer Strukturen.
Es werden nicht nur Bewegungen der Hände und Arme in den Blick genommen,
sondern jegliches sichtbares Verhalten sowie seit kurzer Zeit auch gegenständli-
che Handlungen. Diese werden nicht wie in sozialpsychologischen Studien in
Relation gesetzt mit Variablen wie Status, Persönlichkeitsmerkmalen oder der Be-
ziehung der Interaktionspartner zueinander, sondern werden als integraler Be-
standteil des Kontextes analysiert. Funktion und Bedeutung von Gesten und ande-
ren Körperbewegungen werden gemäß den konversationsanalytischen Prämissen
sequenzanalytisch im Hinblick auf deren Zusammenspiel mit der lautsprachlichen
Äußerung ermittelt. Die bereits in den Anfängen der Gestikforschung postulierte
Annahme einer verbal-gestischen Äußerung als integrierte Einheit (Kendon 1972,
1980; McNeill 1985), die sehr früh mit Studien zur neurologischen (Kimura 1976)
und kognitiven Verankerung von Gesten (McNeill 1975), deren ontogentische
Entwicklung (Ingram 1975) sowie deren Beziehung zur Prosodie (Condon 1976)
zu untermauern versucht wurde, hält nun auch in konversationsanalytischen Stu-
dien zur Verwendung von Gesten Einzug.
Von besonderer Bedeutung für die Ermittlung von Funktionen sichtbaren Ver-
haltens sind Folgeäußerungen oder –reaktionen der Rezipienten. So kann bei-
spielsweise der Blick des Rezipienten durch kataphorische Verweise auf referen-
tielle Gesten des Sprechers gelenkt werden, die auf diese Weise relevant gesetzt
Gesprächsforschung 10 (2009), Seite 3
werden. Auch vom Rezipienten geäußerte Interpretationen von Gesten, die vom
Sprecher ausgeführt wurden, weisen die Relevanz derselben nach. Angaben zur
Semantik und Semiotik von Gesten blieben bisher in der konversationsanalyti-
schen Gestikforschung vage, was nicht zuletzt in den groben Beschreibungen der
Gestenform begründet ist. Auch der gestische Beitrag zur Semantik der Äußerung
wird kaum berücksichtigt. "Hier zeigt sich, daß der Konversationsanalyse eine
interpretationstheoretische Grundlage fehlt" (S.77), die auf eine Präferenz für
Untersuchungen formaler Eigenschaften der Gesprächsorganisation zurückzufüh-
ren ist (vgl. Deppermann 2000).
Alles in allem befindet die Autorin, die innerhalb der Gesprächsforschung an-
gewandten Methoden als fruchtbar für die Analyse interaktiver Funktionen rede-
begleitender Gesten. Die Positionen innerhalb der Gestikforschung zeigen auf,
dass sich die "traditionelle Trennung zwischen sprachlicher und ‚nonverbaler’
Kommunikation und die damit einhergehende Funktionszuweisung [...] als unzu-
länglich und irreführend" erweisen (S.88). Bohle plädiert dafür, den in der Ge-
sprächsforschung vorherrschenden "verbal bias" (S.88), d.h. der alleinigen Ana-
lyse von Audiodaten, zu überwinden und die "verbal-gestische Äußerung als zu-
sammengesetztes Signal" (Clark 1996) in die Untersuchungen zu integrieren.
Im zweiten Kapitel (S.91-155) widmet sich Bohle der bisherigen Forschung
zur Organisation des Sprecherwechsels und diskutiert Befunde und offene Fragen.
Inwieweit redebegleitende Gesten in das von Duncan (1974) und Duncan/Fiske
(1977) entwickelte Signalmodell und das von Sacks/Schegloff/Jefferson (1974)
konzipierte konversationsanalytische Modell integriert wurden bzw. werden kön-
nen, wird ausführlich erörtert. Die Autorin stellt fest, dass die im ersten Kapitel
eingeführte verbal-gestische Äußerung als integrierte Einheit mit ihren kommuni-
kativen und interaktiven Funktionen in beiden Modellen noch nicht hinlänglich
berücksichtigt wurde. Im Signalmodell werden körperliche Verfahren zwar sys-
tematisch miteinbezogen, denn Signale umfassen hör- und sichtbares Verhalten,
das in Kombinationen auftreten kann. Dennoch wird Hör- und Sichtbares nicht im
Sinne einer integrierten Einheit aufgefasst, da sprecherwechselbezogene Signale
getrennt von der Äußerung betrachtet werden. Körperliche Mittel, das sind Blick,
Körperhaltung/-orientierung und Interaktionssynchronie werden lediglich als Ver-
fahren der Rederechtverteilung betrachtet. Die Zuschreibung körperlicher Mittel
zur Interaktionsregulation und verbaler Mittel zur Bedeutungskonstitution ist inso-
fern verkürzt, als dadurch die Darstellungsfunktion redebegleitender Gesten nicht
hinreichend in den Blick gerückt wird. Dass Gesten unter anderem Eigenschaften
von Objekten, Bewegungsereignisse, Größen- und Raumverhältnisse darstellen
können und somit auch zur Bedeutungskonstitution einer Äußerung beitragen,
wird in Duncan/Fiskes Signalmodell nicht eingebunden. Hinsichtlich der Rezi-
pientenrolle beschreibt Bohle das Modell als reaktiv. Übergaberelevante Stellen
werden nicht wie im konversationsanalytischen Modell mittels syntaktischer und
prosodischer Merkmale bestimmt, sondern über Intentionen eines Sprechers oder
Hörers, die mit gestischen Signalen angekündigt oder begleitet werden. Bohle
kritisiert, dass gestische Signale im Signalmodell damit nicht als integrale Be-
standteile der Äußerung betrachtet werden, sondern lediglich als Ausdruck von
Intention.
Auch im konversationsanalytischen Sprecherwechselmodell (Kap. II.1.2, S.96-
99) findet sichtbares Verhalten keinen adäquaten Platz. So finden sich zwar neu-
Gesprächsforschung 10 (2009), Seite 4
ere und aktuelle Arbeiten, die multimodale Aspekte und somit auch Gesten in die
Untersuchungen einbeziehen, doch ein Sprecherwechselmodell welches Gesten
systematisch integriert, fehlt nach wie vor. Die Zuweisung des Rederechts ist in
vielen Untersuchungen noch immer unmittelbar an die syntaktisch-prosodische
Beitragskonstitution gebunden. Syntax und Prosodie lassen mögliche Endpunkte
einer Turnkonstruktionseinheit erkennbar werden, das heißt, neben ihrer beitrags-
konstitutiven Funktion "signalisieren bzw. projizieren [sie] zugleich, ob der Bei-
trag fortgesetzt oder beendet werden wird und dienen somit der Interaktionsregu-
lierung" (S.124). Demzufolge ist das konversationsanalytische Modell projektiv
angelegt, da mögliche Abschlusspunkte von Rezipienten antizipiert und Äußerun-
gen an diesen Punkten eingesetzt werden können. Die Zuschreibung einer spre-
cher- oder hörerseitigen Intention zur Turnübernahme wird in der Konversations-
analyse, im Gegensatz zum Signalmodell, grundsätzlich abgelehnt. Wie Bohle
hingegen bemerkt, finden sich in Formulierungen zur Funktionszuschreibung pro-
sodischer Integration und syntaktischer Expansion doch Zuschreibungen von In-
tentionen (Beispiele S.102). Die Rolle von Prosodie und Syntax für die Organisa-
tion des Sprecherwechsels wird sodann in einem eigenständigen Kapitel (II.2,
S.110-124) diskutiert. Die Autorin zeigt, dass die Phrasierung in Intonationsein-
heiten oft jedoch nicht zwangsläufig mit syntaktischen Einheiten konvergiert. Sie
beschreibt das Zusammenwirken der einzelnen Signalisierungssysteme, Syntax,
Prosodie Lexik, Semantik und Pragmatik, als "komplexe Merkmalsbündel"
(S.122), die übergaberelevante Stellen konstituieren. Eine analytische Trennung
der Systeme vorzunehmen, um deren jeweilige Leistung erfassen zu können, ist
sinnvoll. Bohle weist aber darauf hin, dass die Interagierenden die Äußerung ho-
listisch wahrnehmen und selbst eine solche Trennung nicht vornehmen.
Inwieweit Gesten Redebeiträge konstituieren und die Interaktion regulieren
können, wird in Kapitel II.3 (S.124-143) diskutiert. Die Autorin stellt fest, dass
die Organisation des Sprecherwechsels als eine mögliche kommunikative Funk-
tion sichtbaren Verhaltens in einschlägigen Überblicksartikeln Erwähnung findet.
Die Frage, ob Interaktionsregulierung lediglich als eine mögliche Funktion rede-
begleitender Gesten anzusehen sei oder einen eigenständigen Gestentyp konstitu-
iere, wird in der Gestik- und Gesprächsforschung ebenso unterschiedlich beant-
wortet wie die Frage danach, ob sich eine solche Unterscheidung aus der gesti-
schen Form und/oder der Platzierung von Gesten im Turn ergibt. Ferner ist offen,
ob gestische und verbale Mittel, die zur Konstitution des Teilnehmerstatus und der
Organisation des Sprecherwechsels beitragen, redundant oder hierarchisch nach
Präferenz geordnet sind. Bohle argumentiert, dass Fragen "nach spezifischen Or-
ten im Gespräch und nach Redundanz mit der laut(sprach)lichen Äußerung"
(S.141) nur gestellt und beantwortet werden können, wenn man von unterschiedli-
chen Gestentypen ausgeht.
Im dritten Kapitel stellt Bohle ihre empirische Untersuchung zu redebegleiten-
den Gesten in der Organisation des Sprecherwechsels vor. Basierend auf einer
qualitativen Analyse kürzerer Gesprächssequenzen aus natürlichen dyadischen
Interaktionen (vgl. Müller 1998) verfolgt Bohle hier im wesentlichen zwei zent-
rale Fragen: "Welchen Beitrag leistet Gestik zur Turnkonstruktion? Und welchen
Beitrag leistet sie zur Turnzuweisung?" (S.158). Verbal-gestische Äußerungen
werden folglich nach Fragen der Turn- bzw. Bedeutungskonstitution sowie der
Turnzuweisung und damit der Interaktionsregulierung untersucht.
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Anders als in bisherigen Analysen zur Frage nach Gesten und Sprecherwech-
sel, in denen lautsprachliche Äußerungen lediglich um die visuelle Komponente
erweitert wurden, geht es der Autorin bei der Beantwortung dieser Fragen um eine
Konzipierung multimodaler Äußerungen, in denen Geste und Sprache gleichsam
zur Äußerungsgestaltung beitragen. Demzufolge fasst sie auch den Begriff der
Turnkonstruktionseinheit, anders als bisher in der Konversationsanalyse üblich,
als Oberbegriff auf, der sowohl lautsprachlich-gestische Äußerungen als auch rein
sprachliche oder rein gestische Äußerungseinheiten umfassen kann. Gleichsam
beide Modalitäten, ob gemeinsam oder getrennt, tragen demzufolge als Einheiten
zur Turnkonstruktion bei.
Die Spezifik der gestischen Modalität in der Turnkonstitution, -zuweisung und
Interaktionsregulierung sucht Bohle im 3. Kapitel sukzessive anhand diverser
Fragestellungen aufzudecken. Im Abschnitt III.2 widmet sich Bohle der Frage
nach der Artikulation von Gesten und ihrer Abhängigkeit von lautsprachlichen
Äußerungen. Unter dem Gesichtspunkt des Bewegungsverlaufes von Gesten zeigt
Bohle, dass redebegleitende Gesten und sprachliche Äußerung "konzeptuell auf-
einander bezogen sind, d.h. die Koexpressivität von Gestik und Rede ist nicht
aufgehoben, aber beide Modi sind artikulatorisch unabhängig voneinander und
jeweils in sich selbst reparabel" (S.157) (siehe auch Kendon 2004). So können
Gesten beliebig angehalten, wiederholt und aufgenommen werden. Ferner kann
der Gestenverlauf bei gleichzeitigem Auftreten von lautsprachlichen Problemen
gänzlich unbetroffen oder aber, wie beispielsweise in Fällen von selbstinitiierten
Selbstreparaturen, abgekoppelt werden. Diese Eigenständigkeit und Abkoppelung
des gestischen Artikulationsverlaufes zeigt, dass "die Koordination von Gesten
mit der Rede keine Begleiterscheinung der jeweiligen Produktionsprozesse ist,
sondern den lokalen interaktiven Erfordernissen folgt" (S.175). Gesten, so die
Autorin, müssen in gewissem Maße artikulatorisch eigenständig von der verbalen
Äußerung und prä- bzw. postpositionierbar von ihrem verbalen Bezugselement
sein, damit sie interaktionsregulierend wirksam werden können sowie neben
Funktionen der Turn- und Bedeutungskonstitution auch interaktive Relevanz
übernehmen können.
Im Abschnitt III.3 widmet Bohle sich der Frage, ob und inwiefern sich die Re-
levanz redebegleitender Gesten aufzeigen und rekonstruieren lassen kann.
Grundlegend für die Beantwortung dieser Frage ist hierbei Bohles Auffassung von
Kommunikation als multimodalem Geschehen zu der Geste und Sprache gemein-
sam und in wechselseitiger Ergänzung beitragen. Mit Clark (1996) konzipiert sie
daher Gesten als ein mit der sprachlichen Äußerung zusammengesetztes Signal,
auf das, weil es als eine Einheit und nicht nach Kanälen getrennt wahrgenommen
und interpretiert wird, spezifische Rezipientenreaktionen auf einzelne Gesten
nicht zwingend zu erwarten sind.
Während sich die ersten drei Abschnitte des empirischen Kapitels im wesentli-
chen methodischen und theoretischen Klärungen bezogen auf Geste und Rede
konzentrierten, stellt die Autorin beginnend mit Abschnitt III.4 schließlich empiri-
sche Befunde bezogen auf Gesten und Sprecherwechsel vor. So widmet sie sich in
den Abschnitten III.4.1 - III.4.3. zunächst der Frage wie Gesten als Mittel der
Projektion in der Organisation des Sprecherwechsels zum Tragen kommen. Hier-
bei stellt sie zunächst Beispiele der Präpositionierung von Gesten gegenüber ih-
rem sprachlichen Bezugselement vor. Anhand von präpositionierten Gesten in-
Gesprächsforschung 10 (2009), Seite 6
nerhalb einer Turnkonstruktionsseinheit und bei klarem sowie unklarem Teilneh-
merstatus zeigt Bohle auf, dass Gesten, die der Äußerungseinheit, mit der sie
koexpressiv sind, vorausgehen, sprachliche Bezugselemente projizieren und damit
mögliche Abschlusspunkte und übergaberelevante Stellen außer Kraft setzen kön-
nen. Ferner haben Sprecher durch die Präpositionierung von Gesten die Möglich-
keit sich bereits vor Abschluss einer Äußerungseinheit des Gegenübers das Rede-
recht zu sichern. Gesten, so kann Bohle zeigen, tragen durch die Präpositionierung
und die damit verbundene Eröffnung eines Projektionsraums (Schegloff 1984), in
der folgende Elemente der Rede bereits erkennbar werden, systematisch zur Or-
ganisation des Sprecherwechsels bei.
Vergleichbare Mittel der Projektion kann die Autorin ebenfalls an Beispielen
aufzeigen, in denen Gesten nach ihrem Höhepunkt fortgesetzt oder wiederholt
werden. In Fällen von klarem Teilnehmerstatus halten Sprecher Gesten, sowohl
am Höhepunkt, das heißt dem bedeutungstragenden Teil der Geste, oder in der
Rückzugsphase an und produzieren von dort heraus neue Gesten. Somit befinden
sich die Hände der Sprecher an syntaktisch-intonatorischen Abschlussstellen nicht
in einer Ruheposition, mit Hilfe derer gestische Abgeschlossenheit markiert wird.
Vielmehr setzen die angehaltenen oder wiederholten Gesten die sprachlich proji-
zierten transition relevance place außer Kraft und sichern dem Sprecher das Re-
derecht über deren Abschluss hinaus. Bei unklarem Teilnehmerstatus dient das
Anhalten am Höhepunkt oder in der Rückzugsphase, die Wiederholung der Geste
oder des sprachlichen Bezugselementes in der nächsten Äußerung dazu, das Be-
zugselement relevant zu halten, auch wenn es nicht mehr genannt wird. So kann
das Anhalten oder Wiederholen der Geste beispielsweise bei Zwischenbemerkun-
gen oder Einschüben diese als Hinweis auf die übergeordnete Aktivität markieren.
Gesten stiften demzufolge Kohäsion über Äußerungseinheiten hinweg und halten
Aktivitäten aufrecht und nehmen sie wieder auf.
In diesen Mustern sieht die Autorin Parallelen zur prosodischen Bildung von
Äußerungseinheiten und der Markierung der Grenzen. Lassen sich lautsprachliche
syntaktische Einheiten prosodisch durch continuing oder ending intonation als
fortlaufend oder getrennt markieren, können Gesten analog dazu durch "eine spe-
zifische Kombination diskontinuierlicher und kontinuierlicher Merkmale die
fortlaufende Äußerung in Einheiten untergliedern und Phrasierungseinheiten von-
einander abgrenzen wie auch miteinander verbinden" (S.230). Signalisiert das
Einnehmen einer Ruheposition, also das Zurückziehen der Hände aus dem Ges-
tenraum oder das Ablegen im Schoß, die Abgeschlossenheit der Einheit, so
schließt ein gehaltener Gestenhöhepunkt an Einheiten- oder beitragsinternen Ab-
schlusspunkten diese als übergangsrelevante Stelle aus. Gesten und Prosodie
scheinen daher durch das Signalisieren von Abgeschlossenheit und Fortsetzung
vergleichbare Möglichkeiten zur Turnzuweisung aufzuweisen.
Im anschließenden Kapitel (III.6) widmet sich Bohle einer weiteren für die Or-
ganisation des Sprecherwechsels wesentlichen Fragestellung: der Konstitution
und Behandlung von Gesten in Pausen. Mit diesem Unterkapitel gehen zwei Fra-
gestellungen einher. Zum einen will Bohle darlegen, welchen Beitrag Gesten zur
Äußerungsstrukturierung und Turnkonstruktion leisten. Zum anderen geht sie der
Frage nach, ob Gesten das Potential zukommt, Schweigen als eine beitrags-interne
Lücke oder Pause auszuweisen. Im Falle einer bestehenden Turnkonstruktions-
einheit füllen Gesten die Pause so, dass diese dem Sprecher eindeutig zugeordnet
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werden kann. Die Pause, so Bohle, ist nun keine Pause mehr, denn obwohl keine
sprachlichen Aktivitäten vorhanden sind, weist die Geste die Pause als zur beste-
henden Turnkonstruktionseinheit gehörig aus und macht diese so dem jeweiligen
Sprecher zuschreibbar. Anhand verschiedener Beispiele kann Bohle nicht nur zei-
gen, dass sich eine scheinbare Pause als "integraler Bestandteil der Äußerung "
erweisen kann (S.243), sondern ebenfalls, dass sich unter Einbezug der gestischen
Aktivitäten in die Analyse von Gesprächen das Problem der Nichtzuschreibbar-
keit von Pausen und das damit verbundene Transkriptionsproblem der Konversa-
tionsanalyse auflöst. Im Moment des Gestikulierens ist das Schweigen bereits Teil
der Äußerung, keine Lücke beziehungsweise Pause mehr und kann daher eindeu-
tig einem Gesprächsteilnehmer zugeordnet werden.
Während Bohle sich in den vorangegangenen Unterkapiteln hauptsächlich den
Gesten des Sprechers bzw. der Sprecherin zugewandt hat, konzentriert sie sich im
in Abschnitt III.7 auf die Gestenverwendung der Rezipienten und zeigt, dass auch
"nebenstimmlich Beteiligte" (S.243ff.) gestikulieren. So begleiten Hörer ausführ-
lichere Zwischen- und Nebenbemerkungen ebenfalls gestisch. Gesten sind demzu-
folge nicht ausschließlich an die Sprecherrolle gebunden und eine klare Trennung
zwischen Sprecher- und Hörerrolle ist kaum möglich. Vielmehr sind Ge-
sprächsteilnehmer "unterschiedlich aktiv und haben von Moment zu Moment
wechselnde Beteiligungen und Pflichten" (S.255).
Auf Fragen nach der Konstitution von Teilnehmerrollen geht Bohle auch im
anschließenden Abschnitt (III.8) ein. Basierend auf einem Vergleich von Gesten
mit Selbstberührungen und praktischen Handlungen stellt Bohle fest, dass auch
Adaptoren und praktische Handlungen zur Organisation des Sprecherwechsels
beitragen und den Erfordernissen des Sprecherwechsels unterliegen. Während
Adaptoren an der Konstitution des Teilnehmerstatus beteiligt sind, konstatiert
Bohle für spezifische praktische Handlungen, wie beispielsweise das Trinken,
dass diese den Erfordernissen der Turnkonstruktion und der Organisation des
Sprecherwechsels unterworfen seien. Zusammenfassend kommt sie daher zum
Schluss, dass weder formal noch funktional klare Grenzen zwischen Gesten und
anderen Hand- und Armbewegungen gezogen werden können. Vielmehr gibt es
vielfältige Übergangsformen, die eine eindeutige Zuordnung von Hand- und
Armbewegungen zu Kategorien von Gesten, Adaptoren und praktischen Hand-
lungen erschweren.
Zusammenfassend lassen sich auf Basis des empirischen Kapitels sieben we-
sentliche Aussagen zur Rolle von Gesten im und in der Organisation des Spre-
cherwechsels herausarbeiten.
1) Es gibt keine spezifischen Gesten bzw. einen bestimmten Gestentyp, der
ausschließlich für den Sprecherwechsel zuständig ist. "Nicht allein spezifische
Turngesten erfüllen dialogische Funktionen, sondern alle Gesten aufgrund ihrer
Integration in die Äußerung" (S.281).
2) Gestenphrasen sind, ähnliche wie Phrasierungseinheiten, flexible Einheiten,
die sich den lokalen Anforderungen der Interaktion anpassen und so produktiv für
die Organisation des Sprecherwechsels eingesetzt werden können.
3) Gesten sind konstitutive Bestandteile von Äußerungen. Demzufolge werden
Turnkonstruktionseinheiten und Turns durch das Zusammenwirken von Gesten-
phrase und Phrasierungseinheit gebildet.
Gesprächsforschung 10 (2009), Seite 8
4) Eine Turnkonstruktionseinheit muss gestisch, prosodisch und syntaktisch
abgeschlossen sein, damit ein möglicher Abschlusspunkt und damit eine überga-
berelevante Stelle gebildet werden kann.
5) Eine Analyse einer face-to-face Interaktion bleibt unvollständig, wenn allein
das hörbare Verhalten analysiert wird.
6) Gesprächsteilnehmer sind ko-präsente auf wechselnde Art beteiligte Inter-
agierende, die nicht starr in Sprecher und Hörerrollen eingeordnet werden können.
Beide nehmen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, gestisch an der Interaktion
teil.
7) Die Rolle von Gesten im Mechanismus des Sprecherwechsels lässt sich nur
in einer Kombination des Signalmodells von Duncan/Fiske mit dem konversati-
onsanalytischen Modell adäquat erfassen.
Mit dem Buch "Das Wort ergreifen, das Wort übergeben" stellt Bohle einen
wesentlichen Beitrag zur systematischen Untersuchung von Gesten in der Organi-
sation des Sprecherwechsels vor. Eine wichtige Rolle für Konversations- als auch
Gestikanalyse nimmt das Buch unter anderem durch die gelungene Verbindung
von konversations- und gestenanalytischen Methoden ein. Formbezogene Be-
schreibungen und Funktionsanalysen der Gestikforschung verbindet Bohle klar
mit der sequenzanalytischen Vorgehensweise der Konversationsanalyse. Die von
ihr vorgestellte Analyse zeigt exemplarisch auf, welchen Schritt konversations-
analytische Forschung als auch Gestenforschung einschlagen sollten, um zu einem
besseren Verständnis von Interaktion als einem multimodalen Geschehen zu ge-
langen (vgl. Schmitt 2005). Vor allem die kritische Durchleuchtung der beiden
Forschungsrichtungen und eine Evaluierung bisheriger Ergebnisse bezogen auf
die Rolle von Gesten im System des Sprecherwechsels gelingt Bohle gut und
macht so den theoretischen Teil auch für Einsteiger in das Thema lesenswert.
Die Gestaltung des empirischen Teils hingegen ist ein wenig unglücklich ge-
wählt. Zu viele aneinander gereihte Beispiele mit zu wenig erklärenden Aussagen
bezogen auf das Thema lassen den Leser zuweilen in der Masse der Empirie ver-
loren gehen. So sind die Befunde leider oft auch für Gestikforscher/innen schwer
nachzuvollziehen. Eine verständlichere Aufbereitung der empirischen Befunde
anhand zentraler und eindeutig erkennbarer Aspekte des Sprecherwechels wäre
ebenso wünschenswert gewesen wie eine breitere Einbettung der Ergebnisse in
den aktuellen Forschungsstand der Gestikforschung, wie etwa bei der Flexibilität
von Gestenphrasen (Kendon 2004) oder Fragen nach dem Zusammenhang von
Prosodie und Gestik (für einen Überblick siehe Loer 2004). Auch die Integration
neuerer Ansätze und Forschungsergebnisse aus der konversationsanalytischen
Perspektive (z.B. Mondada 2006, Schmitt 2004, 2005) in die Diskussion der
Sprecherwechselmodelle hätte nicht nur der Komplexität des Forschungsgegen-
standes Rechnung getragen, sondern auch die von Bohle vorgestellten empiri-
schen Befunde sinnvoll ergänzt und unterstützt und zu einem ausgewogenerem
Bild der aktuelleren Forschung zum Sprecherwechsel beigetragen.
Die sich aus der empirischen Analyse ergebenden Fragestellungen an die Gül-
tigkeit gängiger konversationsanalytischer Konzepte (siehe oben) diskutiert Bohle
im Allgemeinen umfassend. Doch sind einige der von Bohle vorgeschlagenen
theoretischen Implikationen sehr weitreichend formuliert und angesichts des ge-
genwärtigen Forschungsstandes noch nicht hinreichend geklärt. So muss ihre
Aussage, dass nicht allein spezifische Turngesten dialogische Funktionen erfüllen,
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sondern alle Gesten aufgrund ihrer Integration in die Äußerung dafür in Frage
kommen, hinterfragt werden. Als ebenso problematisch muss die von ihr gezo-
gene Schlussfolgerung gesehen werden, dass Selbstberührungen und praktische
Handlungen vergleichbar mit freien Gesten den Erfordernissen der Organisation
des Sprecherwechsels unterliegen und ebenso vielfältig dafür in den Dienst ge-
nommen werden. Angesichts der so zahlreich vorgetragenen Beispiele, in denen
die vielfältigen Möglichkeiten und Funktionen von Gesten in der Organisation des
Sprecherwechsels aufgezeigt wurden, verwundert diese Schlussfolgerung.
Auch Bohles Aussagen zur interaktiven Bedeutung von Gesten hätten mehr
Explikation bedurft. Eine Diskussion neuerer Befunde (aus der Gestenforschung)
zu protosemantischen Strukturen in Gesten (vgl. Beattie & Shovelton 2001, Ken-
don 2004, Calbris 1992, Müller 2004, Sparhawk 1978) hätten ihren Annahmen 1)
eine mangelnde Bezugnahme des Hörers auf Gesten sei kein Indiz für dessen
fehlende Interpretation und einer fehlenden interaktiven Bedeutung von Gesten
sowie 2) die Frage nach der Funktion von redebegleitenden Gesten dürfe der
Analyse der Organisation des Sprecherwechsels nicht im Wege stehen, mehr Ge-
wicht verlieren.
Alles in allem bietet Bohle jedoch viele Antworten zum Verhältnis von Geste
und Sprecherwechsel aus einem multimodalen Blickwinkel. Dass die Integration
von Gesten in ein Sprecherwechselmodell noch immer am Anfang steht, lassen
die bisher wenigen Arbeiten dazu erkennen. Bohles explorative Studie sollte da-
her in erster Linie als ein Beitrag zur Multimodalität des Sprecherwechsels ver-
standen werden und nicht als die Konzeption eines neuen, alle notwendigen As-
pekte umfassendenden Modells. Vielmehr entlässt sie den Leser mit einer Reihe
interessanter Forschungsfragen und Anregungen für potentielle Untersuchungen.
Das Wort übergibt sie daher an Konversationsanalyse und Gestikforschung glei-
chermaßen Sicht- und Hörbarem im Gespräch auf der Spur zu bleiben.
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Silva Ladewig
Europa-Universität Viadrina
Kulturwissenschaftliche Fakultät
Große Scharrnstr. 59
15320 Frankfurt (Oder)
sladewig@cgest.de
Jana Bressem
Europa-Universität Viadrina
Kulturwissenschaftliche Fakultät
Große Scharrnstr. 59
15320 Frankfurt (Oder)
bressem@euv-frankfurt-o.de
Veröffentlicht am 16.2.2009
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Article
Studies of talk-and-bodily-conduct-in-interaction have inspired new insights into the way in which language, interaction and cognition might be articulated. More particularly, they have shown that participants mutually orient to the finely tuned multimodal details by which talk and action in interaction are sequentially organized. This article deals with this form of ‘participants’ multimodal online analysis’ by focusing on a particular phenomenon - the methodical practices and resources by which the end of a turn and of an activity phase is projected and collectively achieved - in a specific videorecorded setting - a meeting in an architect’s office. It aims at questioning both how these local orientations are systematically displayed and exploited by the participants for the sequential organization of their activity and how they can be demonstrably observed by the analyst.
Article
William S Condon is Associate Professor of Psychiatry, the School of Medicine, in the Boston University Medical Center. He received the Doctor of Philosophy degree from the University of Pittsburgh in 1962. His microanalysis of interactional behavior is well known and sets the standard in the field; he is also interested in the macro-organization of behavior. 1. The author acknowledges support from the Grant Foundation and the Medical Foundation (through the Dr. Charles H. Weed Memorial Award), which is the Research and Community Health Agency of United Way of Massachusetts Bay. 2. Sound can actually be segmented to a finer degree than body motion, since the sound track is relatively continuous compared to a film frame, which is the lower limit at which body motion changes can be detected. Reliability studies were carried out between independent judges on the degree of accuracy in determining the onset of speech and nonspeech sounds in relation to frame numbers. There was an exceptionally high degree of accuracy with 98% agreement at half-frame (0.016 second) intervals. This has been replicated several times. 3. This seems to extend to other animals as well. A lion walking or a baboon engaged in threat display move with similar process-unit organizations of change of their bodies. The organization of insect movement has not yet been examined from this perspective. 4. Analyses of sound film of ‘Kung Bushmen suggests a similarly organized rhythmicity, indicating that it may be pan-human.