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Aus: www.cfs-aktuell.de/mai08_1.htm
Ein neues Krankheitsparadigma liefert
Erklärungen für eine gesamte Gruppe
von Erkrankungen
Ein gemeinsamer ätiologischer Mechanismus für Chronic Fatigue
Syndrom, Multiple Chemikaliensensitivität, Fibromyalgie und
Posttraumatische Belastungsstörung
Martin L. Pall, Professor für Biochemie und
Grundlagenwissenschaften der Medizin
Washington State University
martin_pall@wsu.edu
509-335-1246
Übersetzung von Regina Clos
Aus: http://molecular.biosciences.wsu.edu/Faculty/pall/pall_main.htm
Nachdruck und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors
Diese vier Erkrankungen, das Chronic Fatigue Syndrom (CFS), die Multiple
Chemikaliensensitivität (MCS), Fibromyalgie (FM) und die
Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) liegen bei der gleichen Person
oft gleichzeitig vor (sie sind komorbid), und haben viele Symptome gemeinsam
(1-15). Das Golfkriegssyndrom ist eine Kombination aller vier Erkrankungen (16-
20). Diese vier Erkrankungen zeigen auch hinsichtlich der Auslösung von
Erkrankungsfällen ein gemeinsames Muster (15, 21): Alle diese Erkrankungen
werden oft ausgelöst durch einen kurzfristigen Stressor, um dann von einer
chronischen Erkrankung gefolgt zu werden, die typischerweise Jahre oder sogar
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lebenslang anhält. Die zahlreichen Ähnlichkeiten und Überlappungen dieser vier
Erkrankungen haben viele Wissenschaftler dazu veranlasst, zu behaupten, dass
sie eine gemeinsame Ätiologie (Ursache) haben, sie waren sich jedoch nicht
sicher, wie diese Ursache aussehen könnte. Ich werde diese vier Erkrankungen
Multisystemerkrankungen nennen und damit anderen Wissenschaftlern folgen.
Ich werde hier die Behauptung infrage stellen, dass sie ungeklärt seien und dass
sogar ihre Symptome ungeklärt seien. Tatsächlich ist das Ziel dieser Website,
eine detaillierte Erklärung für die übergreifenden Krankheitsmechanismen zu
bieten und eine Erklärung der Mechanismen ihrer gemeinsamen Symptome und
Zeichen vorzuschlagen. Die Therapie sollte darauf beruhen, den übergreifenden
Mechanismus herabzuregulieren. Auf den hier verlinkten Webseiten werde ich
einige der spezifischen Merkmale jeder dieser Erkrankungen diskutieren und wie
jedes dieser spezifischen Merkmale von exakt diesem grundlegenden
Krankheitsmechanismus hervorgebracht wird.
Auf dieser Website wird das Verständnis dieser Erkrankungen kurz dargestellt,
das auf sehr detaillierte Weise in meinem 2007 erschienenen Buch dokumentiert
ist (21).
Kurzfristige Stressoren und der von ihnen ausgelöste Zyklus
Die Stressoren, die mit der Auslösung dieser Erkrankungen im Zusammenhang
stehen (21), sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Erkrankungen, die von kurzfristigen Stressoren initiiert
werden.
Erkrankung Stressoren
Chronic Fatigue Syndrom
Virale Infektionen, bakterielle Infektionen,
körperliche Traumata, schwerer psychologischer
Stress, Kohlenmonoxid-Exposition, Exposition
gegenüber Pestiziden mit Organophosphat-
Verbindungen , Ciguatoxin-Exposition,
Toxoplasmose- (Einzeller-) Infektion
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Multiple
Chemikaliensensitivität
Exposition gegenüber leicht flüchtigen
organischen Lösungsmitteln, Exposition
gegenüber Pestiziden mit
Organophosphaten oder Carbamaten,
Exposition gegenüber Pestiziden mit
Organochlorverbindungen, Exposition gegenüber
Pestiziden mit Pyrethroiden
Fibromyalgie
Körperliche Traumata (insbesondere Kopf-
und Nackenverletzungen), virale
Infektionen, bakterielle Infektionen,
Autoimmunerkrankungen (sekundäre
Fibromyalgie), schwerer psychologischer Stress
Posttraumatische
Belastungsstörung
Schwerer psychologischer Stress; körperliche
Traumata (Kopfverletzungen)
Die Stressoren, die am häufigsten an der Initiierung des jeweiligen
Krankheitstyps beteiligt sind, sind in Fettdruck dargestellt.
Diese 12 verschiedenen Stressoren können alle dazu führen, dass die Werte
einer bestimmten chemischen Verbindung, des Stickoxids, im Körper ansteigen
(15, 21-27). Für acht dieser Stressoren konnte in Tiermodellen und/oder beim
Menschen nachgewiesen werden, dass sie die Stickoxidwerte ansteigen lassen.
Bei den restlichen vier Stressoren – Ciguatoxin, schwerer psychologischer Stress,
Pestizide mit Organochlorverbindungen und Pestizide mit Pyrethroiden – konnte
gezeigt werden, dass sie allesamt eine Reaktionskette in Gang setzen, die zu
erhöhter Aktivität der NMDA-Rezeptoren führt, und es ist bekannt, dass eine
erhöhte Aktivität der NMDA-Rezeptoren erhöhte Werte an Stickoxid und seinem
Oxidationsprodukt, dem Peroxynitrit, hervorrufen. Folglich können alle 12
Stressoren eine gemeinsame biochemische Reaktion hervorrufen, und die daraus
folgende Erhöhung der Stickoxidwerte kann die gemeinsame Rolle dieser
Stressoren bei der Initiation dieser chronischen Erkrankungen erklären. Wie kann
eine kurzfristige Erhöhung des Stickoxids eine chronische Erkrankung
hervorrufen, die typischerweise Jahre oder oft lebenslang andauert? Man kann
die Behauptung aufstellen, dass dies über sein Oxidationsprodukt, das
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Peroxynitrit, geschieht, um so einen Mechanismus, eine Art Teufelskreis
auszulösen, der für die chronische Erkrankung verantwortlich ist. Mit anderen
Worten, wir haben eine anfängliche Ursache (einen oder mehrere kurzfristige
Stressoren) und dann eine fortgesetzte Ursache für die chronische Erkrankung
(den Teufelskreis). Der Mechanismus oder Zyklus, der hierfür als verantwortlich
erklärt wird, ist in der Abbildung 1 dargestellt (15, 21-28).
Abbildung 1
Bildunterschrift zu Abbildung 1: Diagramm des NO/ONOOˉ-Zyklusses – eines
Circulus Vitiosus. Jeder Pfeil stellt einen oder mehrere Mechanismen dar, durch
die die Variable am unteren Ende des Pfeils die Werte für die Variable an der
Pfeilspitze ankurbeln kann. Daraus wird deutlich, dass diese Pfeile eine Reihe von
Kreisläufen bilden, die sich potentiell ständig weiter in Gang halten und sich
gegenseitig ankurbeln. Ein Beispiel wäre das Stickoxid, das das Peroxynitrit
erhöht, das wiederum den oxidativen Stress fördert, der das NF-κB ankurbelt,
der die Produktion der iNOS erhöht, die wiederum das Stickoxid erhöht. Dieser
Kreislauf alleine bildet schon einen potentiellen Teufelskreis, und es gibt eine
Reihe anderer Kreisläufe, die in dieser Abbildung dargestellt werden und die alle
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zusammen einen viel umfangreicheren Teufelskreis bilden können. Wenn man
dieser Sichtweise folgt, dann besteht die Herausforderung bei diesen
Erkrankungen darin, das gesamte Muster an Erhöhungen herunterzuregulieren,
um wieder zu normalen Werten zu gelangen. Sie werden bemerkt haben, dass
der Zyklus nicht nur die chemischen Verbindungen Stickoxid, Superoxid und
Peroxynitrit umfasst, sondern darüber hinaus noch eine Reihe anderer
Komponenten, zu denen der Transkriptionsfaktor NF-κB, oxidativer Stress, fünf
inflammatorische Zytokine (im Kasten oben rechts), alle drei Arten der Stickoxid-
Synthase (iNOS, nNOS und eNOS) und zwei Rezeptoren gehören, der Vanilloid-
Rezeptor und der NMDA-Rezeptor, die auf der neurologischen Ebene eine Rolle
spielen.
Wir bezeichnen diesen Zyklus jetzt als den NO/ONOOˉ-Zyklus, basierend auf den
Strukturen des Stickoxids (NO) und des Peroxinitrits (ONOOˉ), den wir aber als
„no, oh no!“ aussprechen.
Einer der Merkmale des NO/ONOOˉ-Zyklus’, der nicht direkt aus der Abbildung 1
hervorgeht, ist, dass die Dysfunktion der Mitochondrien (also des
Energiestoffwechsels) ein integraler Bestandteil dieses Zyklusses ist. Man weiß,
dass das Peroxynitrit eine Reihe von Bestandteilen der Mitochondrien angreift
und ihre Fähigkeit zur Produktion von Energie in Form von ATP beeinträchtigt
(21, 23, 25). Zu diesen Bestandteilen gehören bestimmte Proteine, die als Eisen-
Schwefel-Proteine bekannt sind, die eine zentrale Rolle bei der Erzeugung von
Energie in den Mitochondrien spielen und durch das Peroxynitrit inaktiviert
werden. Stickoxid und Superoxid können ebenfalls den Energiestoffwechseln in
den Mitochondrien blockieren (21, 25). Der herabgesetzte Energiestoffwechsel
spielt eine wichtige Rolle im NO/ONOOˉ-Zyklus, indem er zu einer erhöhten
NMDA-Aktivität und erhöhten Werten von intrazellulärem Kalzium (Ca 2+) führt.
Der erniedrigte Energiestoffwechsel kann auch zu einer herabgesetzten Fähigkeit
der so beeinträchtigten Zellen führen, sich von den Auswirkungen anderer
Elemente des Zyklusses zu erholen.
Es gibt 22 verschiedene Mechanismen, die durch die Pfeile in der Abbildung des
NO/ONOOˉ-Zyklusses dargestellt werden, von denen 19 in der Biochemie
allgemein anerkannt sind (21). Die drei übrigen sind weniger gut dokumentiert,
aber sie werden in offensichtlich verlässlichen Studien beschrieben. Insgesamt
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gesehen gibt es umfassende Belege, die die einzelnen Mechanismen innerhalb
des NO/ONOOˉ-Zyklusses stützen, und was nun zur Diskussion gestellt werden
muss, ist ihre physiologische Relevanz für diese Multisystemerkrankungen.
Fünf Prinzipien
Es gibt fünf Prinzipien, die dem NO/ONOOˉ-Zyklus als Erklärungsmodell für diese
Erkrankungen zugrunde liegen (21), von denen die beiden ersten bereits
besprochen wurden:
1. Kurzfristige Stressoren, die Fälle von Multisystem-Erkrankungen
auslösen.
2. Dieser anfängliche Auslöser wird durch Wirkung eines bestimmten
Mechanismusses in eine chronische Krankheit überführt, ein
Zyklus im Sinne eines Teufelskreises, bei dem die chronische
Erhöhung von Stickoxid und Peroxynitrit sowie anderen
Komponenten des Zyklusses ausgelöst und dann aufrechterhalten
wird.
3. Die Symptome und Zeichen dieser Erkrankungen werden
verursacht durch erhöhte Werte von Stickoxid und/oder anderen
entscheidenden Folgewirkungen dieses Mechanismusses, d.h.
erhöhten Werten von Peroxynitrit oder inflammatorischen
Zytokinen, oxidativem Stress und erhöhter NMDA- und Vanilloid-
Rezeptor-Aktivität.
4. Weil die hieran beteiligten Verbindungen Stickoxid, Superoxid und
Peroxynitrit in biologischen Geweben relativ begrenzte
Diffusionsdistanzen haben und weil die am Zyklus beteiligten
Mechanismen auf der Ebene der einzelnen Zelle wirken, sind die
wesentlichen Mechanismen lokaler Natur.
5. Die Therapie sollte sich darauf konzentrieren, die Biochemie des
NO/ONOOˉ-Zyklusses herabzuregulieren.
Beispiele für das 3. Prinzip werde ich weiter unten auf dieser Website diskutieren
sowie auf den jeweiligen spezifischen Seiten über die drei erwähnten
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Erkrankungen, Multiple Chemikaliensensitivität, Chronic Fatigue Syndrom [hier
auf deutsch, d.Ü.] und Fibromyalgie.
Das vierte ist ein ganz entscheidendes Prinzip. Weil die beteiligten Verbindungen,
das Stickoxid, Peroxynitrit und Superoxid in biologischen Geweben relativ kurze
Halbwertszeiten haben und weil die Mechanismen des Zyklusses auf zellulärer
Ebene wirken, ist der grundlegende Mechanismus des Zyklusses lokaler Natur.
Deshalb ist es möglich, dass der Zyklus ein bestimmtes Gewebe des Körpers
schwer beeinträchtigt, während ein angrenzendes Gewebe weitgehend
unbeeinträchtigt bleibt. Weil bei verschiedenen Patienten unterschiedliche
Gewebe vom Zyklus betroffenen sein können, erklärt dies ganz einfach, warum
die Symptome und Zeichen der Krankheit sich von einem zum anderen Patienten
so stark unterscheiden. Diese Variabilität der Symptome und Zeichen war eines
der großen Rätsel dieser Multisystemerkrankungen, das durch den NO/ONOOˉ-
Mechanismus leicht gelöst werden kann. Ich behaupte nicht, dass es bei diesen
Krankheiten keine systemischen Veränderungen gibt, aber ich sage, dass die
wesentlichen Veränderungen lokaler Natur sind.
Das fünfte Prinzip ist das wichtigste für diejenigen, die an diesen Krankheiten
leiden sowie für engagierte Ärzte und andere Angehörige der medizinischen
Berufe, die versuchen, diese Patienten wirksam zu behandeln. Für eine effektive
Behandlung müssen wir die Biochemie des NO/ONOOˉ-Zyklusses
herabregulieren. Die Behandlung allein der Symptome wird niemals besonders
effektiv sein, weil eine solche Behandlung nicht die grundlegenden
Krankheitsursachen erreicht. Weiter unten werde ich ausführen, dass wir fünf
effektive Behandlungsprotokolle haben. Bei jedem werden zahlreiche Substanzen
eingesetzt, um die Biochemie des NO/ONOOˉ-Zyklusses herabzuregulieren.
Erhöhung der Komponenten des NO/ONOOˉ-Zyklusses in der
chronischen Phase der Erkrankungen
Das chronische Stadium dieser Multisystemerkrankungen – gewöhnlich das
einzige Stadium, das beim Menschen untersucht werden kann – wird
typischerweise erst Jahre oder Jahrzehnte nach Erkrankungsbeginn untersucht.
Gleichwohl – da, wo man die Komponenten des NO/ONOO-Zyklusses untersucht
hat, ergaben sich erhöhte Werte. Es ist offensichtlich, dass man eine Erklärung
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dafür finden muss, warum diese Komponenten noch Jahre nach Ausbruch der
Erkrankung erhöht sein können – und der Mechanismus des NO/ONOOˉ-
Zyklusses bietet eine solche Erklärung. Zu den Komponenten des Zyklusses, die
untersucht wurden, gehören oxidativer Stress, die Stickoxid-Synthese, die Werte
der inflammatorischen Zytokine, erniedrigter Mitochondrien-
/Energiestoffwechsel, die NMDA-Aktivität und die Vanilloid-Aktivität. Das
Peroxynitrit selbst ist nicht untersucht worden, aber man kann aus der
vermehrten Stickoxid-Synthese und aus dem oxidativen Stress auf seine
Erhöhung schließen. Manche dieser Komponenten sind nur bei einigen
Multisystemerkrankungen untersucht worden. So ist meines Wissens die Aktivität
des Vanilloid-Rezeptors nur bei FM und MCS untersucht worden. In beiden Fällen
ist sie ganz offensichtlich erhöht. Die inflammatorischen Zytokine sind nur bei
CFS, FM und bei PTSD untersucht worden, aber nicht bei MCS. Es gibt jedoch
Berichte, dass eine Chemikalienexposition diese Zytokinwerte erhöhen kann.
In den Fällen, in denen entsprechende Daten zur Verfügung stehen, scheinen in
der chronischen Phase der Multisystemerkrankungen die Komponenten des
NO/ONOOˉ-Zyklusses erhöht zu sein (15, 21-28).
Drei generelle Arten von Belegen für das Vorliegen des
NO/ONOOˉ-Zyklusses
Es gibt drei generelle Arten von Beweisen für die Existenz des NO/ONOOˉ-
Zyklusses – d.h. Beweisen, die nicht an irgendeine spezifische Erkrankung
gekoppelt sind. Die eine Gruppe von Belegen besteht in einer Reihe von Studien,
die zeigen, dass eine Behandlung mit zwei Arten von Medikamenten, von denen
man weiß, dass sie die Stickoxid-Werte erhöhen, zu vermehrter Stickoxid-
Synthese führen können. Von diesen beiden Medikamenten, Nitroglycerin und
Nitroprussid, ist bekannt, dass sie chemisch zerfallen, und eines der
Zerfallsprodukte ist das Stickoxid. Es wird berichtet, dass sie durch die Wirkung
aller drei Stickoxid-Synthasen zu erhöhter Stickoxid-Synthese im Körper führen.
Dies liefert den Beweis für einen Teufelskreis, der über alle drei Synthasen zu
vermehrter Stickoxid-Synthese führt, aber das liefert noch keinen Beweis für
irgendeine der anderen Komponenten des NO/ONOOˉ-Zyklusses.
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Eine zweite Gruppe von generellen Beweisen ergibt sich aus der Untersuchung
verstärkter Schmerzempfindlichkeit, einem Prozess, der zu übermäßiger
Schmerzwahrnehmung führt. Man konnte zeigen, dass alle Komponenten des
NO/ONOOˉ-Zyklusses an der Entstehung der übermäßigen
Schmerzempfindlichkeit beteiligt sind. Es ist schwer zu erkennen, wie alle diese
Komponenten hieran beteiligt sein können, es sei denn, sie sind über einen
Kreislauf wie dem des NO/ONOOˉ-Zyklusses alle miteinander verbunden. Was
dabei erstaunlich ist, ist die Tatsache, dass die Komponenten des Zyklusses
sowohl in den schmerzhaften Geweben als auch in den Regionen des
Rückenmarks heraufreguliert sind, die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind
– den Hinterhornregionen des Rückenmarks. Demnach scheinen bei der
übermäßigen Schmerzempfindlichkeit zwei verschiedene Körperregionen von
einer Heraufregulierung des NO/ONOOˉ-Zyklusses betroffen zu sein. Folglich
liefert dieser Mechanismus eine einfache Erklärung für die übermäßigen
Schmerzen bei den Multisystemerkrankungen – eine Heraufregulierung des
NO/ONOOˉ-Zyklusses führt über die gleichen Mechanismen zu chronischen
Schmerzen, wie sie bereits bei der übermäßigen Schmerzempfindlichkeit
dokumentiert wurden.
Eine dritte Gruppe von generellen Beweisen für den Zyklus, die ich in meinem
Buch verarbeitet habe, sind Forschungsergebnisse, nach denen eine NMDA-
Stimulation zu einer erhöhten Aktivität praktisch aller Elemente des NO/ONOOˉ-
Zyklusses führt. Die NMDA-Stimulation ist dafür bekannt, dass sie das
Einströmen von Calcium-Ionen (Ca 2+) in das Zytoplasma der Zelle ermöglicht,
was wiederum zur Stimulation der zwei calciumabhängigen Stickoxid-Synthasen
nNOS und eNOS führt. Demnach sind zu Beginn zwei Komponenten des
Zyklusses erhöht, das intrazelluläre Calcium und das Stickoxid, aber das führt
dann auch zur Heraufregulierung der anderen Komponenten des Zyklusses. Es
gibt Belege dafür, dass infolge der NMDA-Stiumaltion alle Hauptkomponenten
des NO/ONOOˉ-Zyklusses erhöht sind (21). Dies liefert einen Beweis, dass der
NO/ONOOˉ-Zyklus oder etwas, das diesem sehr ähnlich ist, in lebenden Zellen
auf die NMDA-Stimulation reagiert.
Symptome und Zeichen, die man bei allen
Multisystemerkrankungen findet
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Im Kapitel 3 meines Buches (21) untersuche ich 17 verschiedene Symptome und
Zeichen, die man bei mehreren dieser Multisystemerkrankungen findet. Einige
davon wurden bereits in einem früher erschienenen Artikel diskutiert (23). Die
meisten dieser Symptome und Zeichen treten bei allen vier dieser
Multisystemerkrankungen auf, auch wenn einige davon nur bei zweien oder
dreien untersucht wurden. Die meisten treten nur bei manchen Patienten auf,
was die starke Variabilität der Symptome und Zeichen widerspiegelt, von der
oben die Rede war. Man hat immer wieder behauptet, dass diese Symptome und
Zeichen ungeklärt seien, aber das entspricht nicht länger der Realität. In meinem
Buch und zum Teil auch in einer früheren Veröffentlichung (23) stelle ich eine
Reihe plausibler Mechanismen dar, durch die diese Symptome und Zeichen von
den Komponenten des NO/ONOOˉ-Zyklusses erzeugt werden können. Sie
werden als plausible, nicht aber als bereits bewiesene Mechanismen bei diesen
Krankheiten dargestellt. Eine Reihe davon sind in Tabelle 2 aufgeführt:
Tabelle 2: Plausible Mechanismen für die Symptome und Zeichen von
Multisystemerkrankungen.
Symptom oder Zeichen Plausibler Mechanismus
Störungen von Lernen und
Gedächtnis
Überhöhte Werte von Stickoxid im Gehirn;
Dysfunktionen des Energiestoffwechsels im Gehirn
infolge von Peroxinitrit, Stickoxid und Superoxid.
Erschöpfung Dysfunktion des Energiestoffwechsels im Gehirn
infolge von Peroxinitrit, Stickoxid und Superoxid
Starke chronische
Schmerzen
Verstärkte Schmerzempfindlichkeit infolge aller
dieser Elemente des NO/ONOOˉ-Zyklusses
Angst- / Panikattacken Übermäßige NMDA-Aktivität im Mandelkern des
Gehirns
Anomalien im PET
(Positronenemissions-
tomographie)
Dysfunktionen im Energiestoffwechsel führen zu
einem herabgesetzten Transport von
Fluorodeoxyglucose ins Gehirn; Veränderungen im
Blutfluss, die durch Stickoxid, Peroxynitrit und
11
Isoprostane verursacht werden
Anomalien im PET
(Positronenemissions-
tomographie)
Veränderungen in der Bildung von Sondenmolekülen
infolge verminderter Werte an reduziertem
Glutathion im Gehirn (die wiederum von oxidativem
Stress verursacht durch Peroxynitrit entstehen).
Immunologische
Dysfunktionen (NK-Zellen)
Hervorgerufen durch oxidative Schäden und speziell
durch erhöhte Werte an Superoxid
Depression Erhöhte Stickoxid-Werte im Gehirn
Schlafstörungen Hervorgerufen durch erhöhte Werte
inflammatorischer Zytokine, vermehrtes Stickoxid
und gesteigerte NF-κB-Aktivität
Orthostatische Intoleranz Hier kommen zwei Mechanismen in Betracht, bei
denen beide das Stickoxid eine Rolle spielt:
Auswirkungen des Stickoxids auf die Aktivität des
autonomen Nervensystems und auch eine durch
Stickoxid vermittelte Erweiterung der Blutgefäße
Colon irritabile /
Reizdarmsyndrom
Auswirkungen des Stickoxids und des Vanilloid-
Rezeptors auf die Funktion des Gastrointestinaltrakts
Nahrungsmittelallergien Durch Peroxynitrit vermittelte erhöhte
Durchlässigkeit der Darmwände (intestinale
Hyperpermeabilität), die zu erhöhter Adsorption von
Nahrungsmittelantigenen führt und zu einer
entsprechenden Immunantwort auf diese Antigene
Die Evidenz für jeden dieser Punkte werden in meinem Buch dargestellt (21).
Aus Tabelle 2 wird ersichtlich, dass verschiedene Gruppen von Symptomen und
Zeichen, die diesen Erkrankungen gemeinsam sind, durch bekannte
Mechanismen erzeugt werden, die Komponenten des NO/ONOOˉ-Zyklusses sind
und damit plausible Erklärungen für die Mechanismen der Entstehung dieser
Symptome bieten. Deshalb sollten diese Symptome und Zeichen nicht länger als
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ungeklärt angesehen werden. Ich werde noch darauf eingehen, wie das entsteht,
was auf den Websites, die sich den jeweiligen Erkrankungen widmen, als
einzigartige Symptome und Zeichen von MCS, CFS oder FM angesehen wird.
Therapie
Das fünfte Prinzip des NO/ONOOˉ-Zyklusses besagt, dass sich die Therapie auf
die Herabregulierung der Biochemie des NO/ONOOˉ-Zyklusses konzentrieren
sollte. Mit anderen Worten: man sollte die Ursache der Erkrankungen angehen.
Lassen Sie mich gleich zu Beginn betonen, dass ich einen Doktor in Philosophie
habe und keinen Doktor in Medizin, und dass keine der hier getroffenen
Aussagen als medizinischer Rat angesehen werden sollte.
Therapien, die auf eine Herabregulierung der Biochemie des NO/ONOOˉ-
Zyklusses abzielen, sind mit verschiedenen Problemen konfrontiert.
Das erste dieser Probleme besteht darin, dass wir alles unterlassen
müssen, was die Biochemie dieses Zyklusses heraufreguliert, und es gibt
verschiedene Stressoren, die genau das tun und deshalb problematisch
sind.
Das zweite Problem ist, dass es durch die Komplexität des NO/ONOOˉ-
Zyklusses schwierig ist, ihn herabzuregulieren und man wahrscheinlich
zahlreiche Wirkstoffe braucht, um hierbei effektiv zu sein. Wir haben kein
Wunderheilmittel, um diese Krankheiten zu behandeln und müssen uns
deshalb wahrscheinlich auf komplexe Kombinationen von Wirkstoffen
stützen, von denen jeder eine schrittweise Besserung einzelner Aspekte
des Mechanismusses herbeiführt.
Das dritte Problem besteht darin, dass Peroxynitrit, das zentralste
Element des NO/ONOOˉ-Zyklusses, in vivo schwierig effektiv abzufangen
ist und dass man deshalb nicht erwarten kann, dass Behandlungsansätze
wirksam sind, die sich allein auf das Abfangen des Peroxynitrits
konzentrieren.
Sehen wir uns zunächst die erste dieser Herausforderungen an. Stressoren wie
Chemikalienexposition bei MCS, übermäßige körperliche Aktivität bei CFS und
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psychologischer Stress bei PTSD sollten vermieden werden, um eine effektive
Therapie erwarten zu können. Man kann davon ausgehen, dass jeder dieser
Stressoren bei den jeweiligen Krankheiten die Aktivität des NO/ONOOˉ-Zyklusses
heraufreguliert. Nahrungsmittel, auf die die Betroffenen eine Allergie entwickelt
haben, sollten vermieden werden, da Antikörper-Antigent-Reaktionen die
Gewebe veranlassen, die Stickoxid-Synthese zu erhöhen. Exzitotoxine (Reizgifte)
können die NMDA-Aktivität stimulieren und die Biochemie des NO/ONOOˉ-
Zyklusses heraufregulieren und sollten deshalb gemieden werden. Zu diesen
Exzitotoxinen gehören Glutamat, Aspartam und möglicherweise bestimmte
andere Aromastoffe wie hydrolisierte pflanzliche Proteine.
Im Kapitel 15 meines Buches ziehe ich 30 verschiedene Wirkstoffe oder
Wirkstoffklassen in Betracht, die heute zur Verfügung stehen und von denen zu
erwarten ist, dass sie die Biochemie des NO/ONOOˉ-Zyklusses herabregulieren
und deshalb potentiell therapeutische Wirkstoffe sind. Ich werde noch einen 31.
Wirkstoff hinzufügen, der mir von Dr. Jacob Teitelbaum vorgeschlagen wurde.
Jeder dieser Wirkstoffe ist in der folgenden langen Tabelle aufgelistet.
Tabelle 3: Wirkstoffe zur Herabregulierung der Biochemie des
NO/ONOOˉ-Zyklusses
Wirkstoff
(oder Wirkstoffklasse)
Wirkmechanismus Evidenz
*
Tocopherole/Tocotrienole
(Vitamin E)
Antioxidantien, die schädliche
Reaktionsketten unterbrechen.
Gamma-Tocopherol kann eine
besondere Rolle beim Abfangen von
Peroxynitrit spielen, und
Tocotrienole sollen eine besondere
Rolle im Schutz gegen die Wirkung
von Exzitotoxinen haben.
Ascorbinsäure (Vitamin C) Antioxidantium, das
Kettenreaktionen
unterbricht/Strukturketten
aufbricht; kann auch Peroxynitrit
abfangen; hilft bei der Neubildung
anderer Antioxidantien
CT *
Coenzym Q10 Regt die Funktion der Mitochondrien
an, fängt Peroxynitrit ab, senkt die
CT
14
NMDA-Aktivität ab
Selen Antioxidative Eigenschaften,
Selenverbindungen sind
Peroxynitritfänger, Mangelzustände
beseitigen
Carotinoide Fängt Peroxynitrit in Membranen ab
Flavonoide Komplexe Gruppe von Phenol-
haltigen Antioxidantien mit
zahlreichen und unterschiedlichen
Funktionen, Kettenreaktionen
unterbrechende Antioxidantien,
senkt die NF-κB-Aktivität, fängt
Peroxynitrit, Superoxid und
Stickoxid ab, ermöglicht die
Neubildung anderer Antioxidantien
CT
Trimethylglycin (TMG), Cholin-
Verbindungen, S-
Adenosylmethionin (SAM) und
andere
Verbindungen mit Methylgruppen,
die an positiv geladene Stickstoff-
oder Schwefelverbindungen
gebunden sind, wirken reduktivem
Stress entgegen
CT
Carnitin/Acetylcarnitin Verbesserter Transport von
Fettsäuren in die Mitochondrien zur
Energieproduktion und Regeneration
der inneren Membran der
Mitochondrien; andere Wirkungen?
CT
Phospholipide Kann die Regeneration oxidierter
Fettsäuren der inneren Membran
der Mitochondrien ermöglichen;
Phosphatidylcholine (Lecithine)
können reduktiven Stress
herabsetzen
CT?
Hydroxocobalamin (Vitamin B
12)
Potenter Stickoxidfänger; begrenzte
Resorption bei oraler
Verabreichung; andere Formen von
Vitamin B 12 können als Vorläufer
agieren, jedoch möglicherweise mit
geringerer Effektivität
CT
Vitamin B 6; Pyridoxalphosphat Verringert die Exzitotoxizität durch
Verbesserung des Gleichgewichts
zwischen Glutamat und GABA
CO/A *
Riboflavin (Vitamin B 2) und
auch Riboflavin-5’-phosphat
Kann die Glutathion-Reductase-
Aktivität und damit die Reduktion
von oxidiertem Glutathion steigern
15
Andere B-Vitamine Verbessern den Energiestoffwechsel,
füllen Defizite auf
Reduziertes Glutathion und
Vorläufersubstanzen
Reduziertes Glutathion ist bei oraler
Aufnahme nicht wirksam; die Dosis
an Vorläufersubstanzen sollte
möglicherweise begrenzt sein. Ist
das wichtigste Antioxidantium, das
im Körper synthetisiert wird, hat
zahlreiche Funktionen
CO/A
Alpha-Liponsäure Hilft das reduzierte Glutathion
wiederherzustellen, antioxidative
Aktivität, regeneriert andere
Antioxidantien, setzt die NF-κB-
Aktivität herab; die Qualität der
Produkte scheint sehr
unterschiedlich zu sein.
Mg 2+ Magnesium setzt die NMDA-Aktivität
herab, verbessert den
Energiestoffwechsel,
Mangelzustände beseitigen
CT
Zn 2+, Mn 2+, Cu 2+ Vorläufersubstanz der Superoxid-
Dismutase, antioxidative Aktivität,
Mangelzustände beseitigen; die
Dosierung sollte moderat sein
Riluzol Vermindert die Freisetzung von
Glutamat und die Exzitotoxizität
Taurin Vermindert die Exzitotoxizität, die
NF-κB-Aktivität, die iNOS-Induktion,
das Ca 2+
NMDA-Antagonisten;
Gabapentin
Vermindert übermäßige NMDA-
Aktivität, setzt bei MCS die Reaktion
auf Chemikalienexposition herab
CT
Inosin Erhöht den Vorrat an Harnsäure, die
wiederum die Abbauprodukte des
Peroxynitrits abfängt; kann auch die
Wiederherstellung der ATP-Vorräte
beschleunigen; ein möglicher
Nachteil ist die erhöhte Aktivität der
Mastzellen
Langkettige Omega-3-
Fettsäuren
Vermindern die iNOS-Induktion, die
NF-κB-Aktivität, Mangelzustände
beseitigen
CT
16
Wirkstoffe, die die NF-κB-
Aktivität herabsetzen
Setzen die NF-κB-Aktivität herab CO/A?
Curcumin In der Wirksamkeit ähnlich wie
Flavonoide
Algenpräparate Reich an Antioxidantien CT
Sauerstoffüberdruckbehandlung
(Hyperbare Oxygenation)
Wirkt möglicherweise über
Wasserstoffsuperoxid, um die
Synthese von Tetrahydrobiopterin
auszulösen und damit die NOS-
Abspaltung herabzusetzen
CT
Minocycline/Tetracycline Setzen die iNOS-Induktion und die
NMDA-Aktivität herab
Creatin Vermindert die Exzitotoxizität
Setzt die Aktivität des
Vanilloid-Rezeptors herab,
Panax Ginseng? Guaifenesin?
Setzt vermutlich die Vanilloid-
Rezeptor-Aktivität herab
CO/A
Carnosin Soll ein Peroxynitrit-Fänger sein,
unübliches Antioxidantium
Thyreotropin (TSH ) Setzt die NMDA-Aktivität herab
D-Ribose Steigert die Wiederherstellung der
ATP-Vorräte nach einer Störung des
Energiestoffwechsels; kann den
Abbau von oxidiertem Glutathion
steigern.
CO/A
* Die Evidenz wird aufgelistet nach Belegen durch klinische Studien (clinical trial
evidence – CT) oder klinischen Beobachtungen/Einzelfallberichten (clinical
observations/anecdotal evidence – CO/A) oder keinem Beleg, wobei hier nur
Studien zum CFS, MCS, FM oder nahe verwandten Erkrankungen zur Grundlage
genommen wurden.
Aus Tabelle 3 wird ersichtlich, dass es viele verschiedene Wirkstoffe gibt, die
vielversprechende Kandidaten für eine Therapie sind. Bei den meisten handelt es
sich um Nahrungsergänzungsmittel. Auf der Basis von klinischen Studien (CT)
oder klinischen Beobachtungen und/oder Einzelfallberichten (CO/A) ergeben sich
einige Belege für die Wirksamkeit bestimmter Wirkstoffe, aber in den meisten
Fällen haben die einzelnen Wirkstoffe allein nur eine relativ bescheidene
Wirksamkeit, selbst wenn sie effektiv zu sein scheinen. Was man daraus schließt,
17
ist, dass die Kombination dieser Wirkstoffe viel wirksamer sein kann als die
einzelnen Substanzen alleine. Bei der Entwicklung ihrer Behandlungsprotokolle
haben fünf verschiedene Ärzte diese Kombinationstherapie als
Behandlungsansatz vorgeschlagen, und es scheint, als ob diese
Kombinationstherapien in der Behandlung dieser Erkrankungen von allen
Behandlungsansätzen am meisten Erfolg versprechen.
Fünf Ärzte haben für diese Multisystemerkrankungen komplexe
Behandlungsprotokolle entwickelt. Drei dieser Ärzte haben sich auf die
Behandlung des Chronic Fatigue Syndroms oder nahe verwandter Erkrankungen
mit Erschöpfungszuständen konzentriert, einer der Ärzte sowohl auf das Chronic
Fatigue Syndrom als auch auf Fibromyalgie und ein anderer auf Patienten mit
MCS. In jedem dieser Behandlungsprotokolle werden 14 bis 18 verschiedene
Wirkstoffe oder Wirkstoffklassen eingesetzt, die erwartungsgemäß die Biochemie
des NO/ONOOˉ-Zyklusses herabregulieren! Obwohl zwei dieser
Behandlungsprotokolle (die von Teitelbaum und Cheney) eine beträchtliche Zahl
von Wirkstoffen einsetzen, die nicht offenkundig mit dem NO/ONOOˉ-Zyklus
zusammenhängen, enthält jedes dieser Protokolle viele der Wirkstoffe, die den
Zyklus herabregulieren. Die Behandlungsprotokolle werden in den folgenden
Auflistungen umrissen.
Dr. Paul Cheney hat sein Behandlungsprotokoll auf der Basis von klinischen
Beobachtungen entwickelt und es im Laufe von 20 Jahren der Behandlung von
Patienten mit Chronic Fatigue Syndrom ausgefeilt. Er empfiehlt, Faktoren zu
vermeiden, die den Mechanismus des NO/ONOOˉ-Zyklus anheizen. Einige dieser
Faktoren sind die gleichen, die ich oben besprochen habe. Insbesondere schlägt
er vor, die gastrointestinalen Probleme etwa durch eine Diät mit wenig
Nahrungsmittelallergenen anzugehen, die Exposition gegenüber Chemikalien in
der Umwelt zu vermeiden und auch entzündliche Erkrankungen zu beseitigen,
z.B. im Zahn- und Kieferbereich. In der folgenden Liste der Wirkstoffe habe ich
Kommentare über ihre mögliche Wirkungsweise angefügt - diese Kommentare
sind also nicht von Cheney, sondern von mir.
Injektionen mit einer hohen Dosis Vitamin B12 (Hydroxocobalamin) –
sehr wirksam im Abfangen von Stickoxid
Molkeproteine – Vorläufersubstanzen von Glutathion
18
Guaifenesin – ein Vanilloid-Antagonist?
NMDA-Blocker
Magnesium – setzt die NMDA-Aktivität herab
Taurin – ein Antioxidantium, vermindert die Exzitotoxizität
einschließlich der NMDA-Aktivität
GABA-Antagonisten – GABA wirkt als inhibitorischer Neurotransmitter
zur Herabsetzung der NMDA-Aktivität. Dazu zählt auch das Medikament
Neurontin (Gabapentin).
Histamin-Blocker – Mastzellen, die Histamin ausschütten, werden
sowohl durch Stickoxid als auch durch die Vanilloid-Stimulation aktiviert
(Kapitel 7) und können deshalb ein Bestandteil des Zyklusses sein.
Betainhydrochlorid (HCl) – Betain vermindert reduktiven Stress, die
hydrochlorierte Form sollte nur bei Patienten mit wenig Magensäure
eingesetzt werden. Betain (Trimethylglycin) ist in der Beschreibung des
Behandlungsprotokolls auch separat aufgelistet.
Antioxidantien gemäß der folgenden Liste:
Flavonoide, inklusive „Bioflavonoide“, Olivenölextrakt, biologisch
angebaute Pflanzen, Weißdornextrakt
Vitamin E (die verschiedenen Arten sind nicht aufgezählt)
Coenzym Q10 – wirkt als Antioxidantium und regt die Funktion der
Mitochondrien an
Alpha-Liponsäure
Selen
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren
Melatonin – als Antioxidantium, das im Gehirn wirken kann
Pyridoxalphosphat (Vitamin B6) – verbessert das Glutamat/GABA-
Verhältnis
Folsäure – vermindert die Abkopplung von Stickoxid-Synthasen
Cheney verordnet seinen Patienten insgesamt 18 verschiedene Wirkstoffe oder
Wirkstoffklassen, die allesamt bestimmte Aspekte des NO/ONOOˉ-Zyklusses
herabregulieren. Ich würde sagen, das ist nicht einfach nur ein Zufall, sondern
ein weiterer Beleg für die Bedeutung des NO/ONOOˉ-Zyklusses.
19
Dr. Jacob Teitelbaum hat Daten aus einer placebokontrollierten Studie
veröffentlicht, die die Wirksamkeit einer bestimmten Version seines
Behandlungsprotokolls belegen (29, 30) – etwas, das keiner der anderen auf
diesem Gebiet arbeitenden Ärzte getan hat. Das Behandlungsprotokoll scheint
sowohl bei Patienten mit Chronic Fatigue Syndrom als auch bei Fibromyalgie-
Patienten wirksam zu sein. Ich werde eine neuere Version dieses komplexen
Behandlungsprotokolls beschreiben und mich auf das konzentrieren, was
möglicherweise die zentralen Teile des Protokolls sind – die Teile, die als
„Behandlung mit Nahrungsergänzungsstoffen“ und „Behandlung der
Energieproduktion in den Mitochondrien“ genannt werden. Der letzte Wirkstoff in
der Liste, D-Ribose, wurde erst kürzlich in das Protokoll aufgenommen
(mündliche Mitteilung).
Täglich einen Vitamin-B-Komplex zur Steigerung der Energie – B-
Vitamine einschließlich einer hohen Dosis Vitamin B 6, Riboflavin
(Vitamin B 2, Thiamin - Vitamin B 1), Niazin (Nicotinsäure), und auch
Folsäure. Diese fallen unter vier Kategorien, die ich weiter oben in
diesem Kapitel aufgelistet habe.
Betainhydrochlorid (HCl) – Betain vermindert reduktiven Stress, die
hydrochlorierte Form sollte nur bei Patienten mit wenig Magensäure
eingesetzt werden.
Magnesium als Magnesiumglycinat und Magnesiummalat – setzt die
NMDA-Aktivität herab – verabreicht Magnesium häufig als Injektion
Alpha-Liponsäure – ein wichtiges Antioxidantium, das hilft, reduziertes
Glutathion neu zu bilden
Vitamin B 12, intramuskuläre Injektionen mit 3 mg (er gibt nicht an, ob
es sich dabei um Hydroxocobalamin handelt) – kann als starker
Stickoxid-Fänger wirken
„Eskimo-Fischöl“ – eine hervorragende Quelle von langkettigen Omega-
3-Fettsäuren. Vermindert die iNOS-Induktion, entzündungshemmend
Vitamin C
Traubenkernextrakt (Flavonoid)
Vitamin E, natürliches – er gibt nicht an, ob dies auch Gamma-
Tocopherol oder Tocotrienole einschließt
Medizinisches Proteinpräparat („Protein Formula“), eingesetzt als
Vorläufersubstanz für Glutathion
20
Zink – hat antioxidative Eigenschaften und ist ein Vorläufer für die
Kupfer-Zink-Superoxiddismutase
Acetyl-L-Carnitin – wichtig für die Wiederherstellung der
Mitochondrienfunktion
Coenzym Q 10 – hat wichtige antioxidative Eigenschaften und regt die
Funktion der Mitochondrien an
D-Ribose – erhöht die ATP-Werte und hilft bei der Neubildung von
reduziertem Glutathion
Wenn man berücksichtigt, dass oral verabreichte B-Vitamine zu vier Kategorien
gehören, die weiter oben in diesem Kapitel aufgezählt wurden, dann setzt
Teitelbaum im Kern seines Behandlungsprotokolls insgesamt 18 Wirkstoffe oder
Wirkstoffklassen ein, von denen man annimmt, dass sie den NO/ONOOˉ-Zyklus
herabregulieren.
Dr. Garth Nicolson begann seine wissenschaftliche Karriere damit, die berühmte
Singer-Nicolson-Modell zu entwickeln, das Flüssig-Mosaik-Modell zur
Beschreibung biologischer Membrane, das sich heute in praktisch allen
Lehrbüchern über Biochemie findet. Er und seine Kollegen haben
informationsoffene Studien zu einer komplexen, von ihnen selbst entwickelten
Zubereitung veröffentlicht, der unter dem Namen NT-Faktor™bekannt ist und die
offensichtlich die Funktion der Mitochondrien und damit den Energiestoffwechsel
verbessern soll. Die Studien wurden an einer Gruppe älterer Patienten
durchgeführt, die an ungeklärter chronischer Erschöpfung litten, und deshalb ist
fraglich, ob diese Patienten an CFS litten. Dennoch berichten Nicolson und
Kollegen (31-33) über eine statistisch signifikante Abschwächung der
Erschöpfung und signifikante Veränderungen anderer Symptome, die man oft bei
Patienten mit Multisystemerkrankungen findet – Symptome im affektiven,
sensorischen, kognitiven und stimmungsmäßigen Bereich. Von vielen
Bestandteile des NT-Faktors ist anzunehmen, dass sie eine ganze Reihe der
biochemischen Abläufe des NO/ONOOˉ-Zyklusses herabregulieren. Leider gibt es
keine detaillierte Beschreibung der jeweiligen Konzentrationen der einzelnen
Bestandteile des Markenprodukts NT-Faktor. Die Zubereitung enthält die
folgenden Bestandteile, die erwartungsgemäß die Biochemie des NO/ONOOˉ-
Zyklusses herabregulieren:
21
Vielfach ungesättigte Phosphatidylcholine (Lecithine) – soll reduktiven
Stress vermindern
Andere vielfach ungesättigte Fettsäuren (Phosphatidyle) – diese und
das Phosphatidylcholin sollen helfen, die innere Membran der
Mitochondrien wiederherzustellen, die durch Oxidationsprozesse
geschädigt ist
Magnesium – verringert die NMDA-Aktivität, kann den
Energiestoffwechsel verbessern
Taurin – hat antioxidative Wirkungen und vermindert die Exzitoxität
einschließlich der NMDA-Aktivität
Artischockenextrakt - als Quelle für Flavonoide?
Spirulina – blau-grüne Algen sind eine hochkonzentrierte Quelle von
Antioxidantien
Vitamin E, natürliches – er gibt nicht an, ob dies auch Gamma-
Tocopherol oder Tocotrienole einschließt
Calcium Ascorbat – Vitamin C
Alpha-Liponsäure – ein wichtiges Antioxidantium, hat eine
Schlüsselrolle in der Regeneration von reduziertem Glutathion, spielt
aber auch eine Rolle im Energiestoffwechsel
Vitamin B 6 – bringt die Glutamat- und GABA-Werte ins Gleichgewicht,
vermindert die Exzitotoxizität
Nikotinsäure – spielt eine Rolle im Energiestoffwechsel
Riboflavin (Vitamin B 2) – wichtig für die Reduktion von oxidiertem
Glutathion in reduziertes Glutathion; spielt auch eine wichtige Rolle für
die Funktion der Mitochondrien
Thiamin (Vitamin B 1) – spielt eine Rolle im Energiestoffwechsel
Vitamin B 12 – als Stickoxid-Fänger?
Folsäure – vermindert die Abkopplung von Stickoxid-Synthasen
So wie ich diese Substanzen weiter oben auf dieser Website und im Kapitel 15
meines Buches kategorisiert habe, fallen diese Wirkstoffe in 15 verschiedene
Wirkstoffklassen, von denen man erwarten kann, dass sie die Biochemie des
NO/ONOOˉ-Zyklusses herabregulieren.
22
Dr. Neboysa (Nash) Petrovic ist ein südafrikanischer Arzt, der soviel ich weiß,
auch eine Klinik in England hat. Sein Behandlungsprotokoll (34) wird wie folgt
beschrieben (ich bin nicht sicher, wie aktuell es ist):
Valin und Isoleucin – verzweigtkettige Aminosäuren, von denen man
weiß, dass sie an der Energieproduktion in den Mitochondrien beteiligt
sind und von denen man deshalb erwarten kann, dass sie den
Energiestoffwechsel anregen: mäßige Werte können auch die
Exzitotoxizität herabsetzen.
Pyridoxin (Vitamin B 6) – verbessert das Gleichgewicht zwischen
Glutamat und GABA, vermindert die Exzitotoxizität
Vitamin B 12 in Form von Cyanocobalamin – Cyanocobalamin wird im
menschlichen Körper in Hydroxocobalamin umgewandelt, aber
Hydroxocobalamin ist als Stickoxidfänger aktiver, da es nicht mehr
umgewandelt werden muss.
Riboflavin (Vitamin B 2) – hilft bei der Rückverwandlung von oxidiertem
Glutathion in reduziertes Glutathion
Carotinoide (Alpha-Carotin, Bixin, Zeaxanthin und Lutein) – fettlösliche
Peroxynitrit-Fänger
Flavonoide (Flavone, Rutin, Hesperetin und andere)
Ascorbinsäure (Vitamin C)
Tocotrienole – Vitamin-E-Arten, von denen berichtet wird, dass sie eine
spezielle Rolle bei der Verringerung der Auswirkungen von Exzitotoxizität
spielen
Thiamin (Aneurin) – ein B-Vitamin, das am Energiestoffwechsel
beteiligt ist
Magnesium
Zink
Betainhydrochlorid (HCl) – Betain vermindert reduktiven Stress, die
hydrochlorierte Form sollte nur bei Patienten mit wenig Magensäure
eingesetzt werden.
Essentielle Fettsäuren einschließlich langkettiger Omega-3-Fettsäuren
Phosphatidylserin – vermindert Berichten zufolge die iNOS Induktion
(35, 36)
23
So wie ich diese Wirkstoffe aufgelistet habe, enthält sein Behandlungsprotokoll
14 Wirkstoffe oder Wirkstoffklassen, von denen erwartet werden kann, dass sie
die Biochemie des NO/ONOOˉ-Zyklusses herabregulieren.
Meine eigenen Bemühungen zur Entwicklung eines
Behandlungsprotokolls
Bei meinen eigenen Bemühungen, das Wissen über den NO/ONOOˉ-Zyklus auf
die Behandlung dieser Multisystemerkrankungen anzuwenden, habe ich mit Dr.
Grace Ziem in Maryland zusammengearbeitet. Die Geschichte dieser
Zusammenarbeit und unsere jeweiligen Rollen werden in meinem Buch
beschrieben. Das Behandlungsprotokoll wurde entwickelt, um zu versuchen, Dr.
Ziems Patienten zu behandeln, die unter Chemikaliensensitivität litten, die durch
Chemikalien geschädigt waren, die sie aber nicht als MCS-Patienten ansieht. Ihre
diesbezüglichen Ansichten werden in meinem Buch (21) und auf ihrer Website
(37) beschrieben.
Das folgende Behandlungsprotokoll ist laut Dr. Ziem nur wirksam, wenn ihre
Patienten die Chemikalienexposition so gering wie möglich halten. Das stimmt
überein mit der Ansicht, dass wir die Heraufregulierung des NO/ONOOˉ-
Zyklusses vermeiden müssen, damit diese Wirkstoffe ihre Wirkung entfalten
können. Das Protokoll, wie es in meinem Buch beschrieben ist, enthält die
folgenden Wirkstoffe:
Zerstäubtes, inhaliertes reduziertes Glutathion
Zerstäubtes, inhaliertes Hydroxocobalamin (manche nehmen es
sublingual ein)
Mischung aus natürlichen Tocopherolen einschließlich Gamma-
Tocopherol
Gepuffertes Vitamin C
Magnesium als Magnesiummalat
Vier unterschiedliche Quellen von Flavonoiden: Ginkgoextrakt,
Moosbeerenextrakt, Silymarin und Heidelbeerenextrakt
Selen als Selenhefe
Coenzym Q10
Folsäure
24
Carotinoide einschließlich Lycopin, Lutein und Beta-Carotin
Alpha-Liponsäure
Zink (moderate Dosis), Mangan (geringe Dosis) und Kupfer (geringe
Dosis)
Vitamin B 6 in Form von Pyridoxalphosphat
Riboflavin 5’-Phosphat (FMN)
Betain (Trimethylglycin)
Den Patienten wird geraten, ihre Umwelt zu kontrollieren (Klimaanlagen?), um
die Exposition gegenüber flüchtigen organischen Lösemitteln, Pestiziden und
anderen reizenden Chemikalien so weit als möglich zu vermindern. Dr. Ziem hat
die Erfahrung gemacht, dass die Patienten, die am stärksten durch Chemikalien
geschädigt sind, mit sehr viel niedrigeren Dosen an Glutathion und Alpha-
Liponsäure anfangen müssen und die Aufnahme steigern, wenn sie eine
anfängliche Besserung erleben. Die therapeutischen Wirkstoffe wurden von der
Firma Key Pharmacy in Kent, Washington; zusammengestellt, die dies als ihr
“neural sensitization protocol” bezeichnet (als „neurales
Sensibilisierungsprotokoll“). Die Firma Key Pharmacy hat eine Website, auf der
sich ihre Email-Adresse und Telefonnummer findet, so dass man leicht weitere
Informationen erhalten kann.
Dr. Ziem berichtet über vier unterschiedliche Beobachtungen bei ihren Patienten
(21):
Die Mehrzahl ihrer Patienten, die am Reactive airways dysfunction
syndrome (RADS – reaktive Atemwegserkrankung) litten, wurden im
ersten Halbjahr des Jahres 2004 in dieses Behandlungsprotokoll
aufgenommen, und fast alle nahmen im Frühjahr 2005 noch daran teil
oder nahmen zumindest einen Teil der Wirkstoffe ein. Die Patienten, die
sie aufsuchten, berichteten über eine durchgängige Besserung ihrer
Symptome, einschließlich der Symptome der Atemwege, der
Erschöpfung, der kognitiven Funktionen und gewöhnlich auch ihrer
Migräne. Der Grad an Besserung war weit höher als der mit ihrem zuvor
eingesetzten Behandlungsprotokoll.
Dr. Ziem hat in früheren Jahren jeden Sommer viele Notrufe von
Patienten bekommen, die durch das Versprühen von Pestiziden in ihrer
25
Umgebung sehr krank geworden waren. Im Sommer 2004 hat sie von
den Patienten, die nach ihrem Behandlungsprotokoll behandelt wurden,
keinen einzigen Notruf erhalten. Im Sommer 2005 erhielt sie lediglich
einen Notruf von einem der behandelten Patienten, der direkt einer
solchen Sprühaktion ausgesetzt war.
Zwei ihrer Patienten berichteten, dass sie komplett symptomfrei seien
– etwas, das Dr. Ziem zuvor noch nie gesehen hatte. Diese Patienten
achteten jedoch immer noch sehr stark auf ihre
Umgebungsbedingungen, um die Exposition so gering wie möglich zu
halten. Sie nahmen zudem immer noch am Behandlungsprotokoll teil.
Die Patienten scheinen sich so schnell zu erholen, dass viele von ihnen die Praxis
nicht mehr regelmäßig aufsuchen. Sie kann neue Patienten nun zehn- bis
fünfzehnmal schneller als früher in ihrer Praxis aufnehmen. Um den Fortschritt
der Patienten beurteilen zu können, die nicht mehr in ihre Praxis kommen
(müssen), hat Mr. Jim Seymour 30 dieser Patienten aufgesucht, und alle 30
berichteten über eine beträchtliche Besserung ihrer Symptomatik. Die Mehrheit
nimmt jedoch nicht alle Wirkstoffe des Protokolls ein und gibt an, sie könnten
sich das nicht leisten. Seymours subjektive Einschätzung ist, dass bei
denjenigen, die sich an das komplette Behandlungsprotokoll hielten, eine sehr
viel stärkere Besserung eintrat als bei denen, die nur einen Teil der Wirkstoffe
einnahmen.
Anfang des Jahres 2006 wurden zwei weitere Substanzen zum Einnehmen
hinzugefügt, Acetyl-L-Carnitin und Taurin. Wir überlegen nun, ob wir ein oder
zwei Flavonoid-haltige Extrakte hinzufügen, um das Superoxid abzufangen. Das
gegenwärtige Behandlungsprotokoll enthält dann 17 verschiedene Wirkstoffe
oder Wirkstoffklassen, die erwartungsgemäß die Biochemie des NO/ONOOˉ-
Zyklusses herabregulieren!
In einer persönlichen Mitteilung (21) sagte Dr. Ziem: „Ich betrachte das
Behandlungsprotokoll als den bedeutendsten Fortschritt, den wir je in der
Behandlung von chemikalieninduzierten Erkrankungen erzielt haben, aber das ist
natürlich kein Ersatz für eine Einschränkung der Umweltverschmutzung. Das
Behandlungsprotokoll ermöglicht es den Patienten, sich im sozialen Umfeld mit
26
weniger Symptomen und geringer ausgeprägter Symptomverschlimmerung zu
bewegen.“
Ich habe auch mit anderen Ärzten gesprochen, die dieses Protokoll eingesetzt
haben, mit ganz offensichtlich positiven Reaktionen bei ihren CFS- und FM-
Patienten. Es könnte deshalb auch bei einer Reihe von NO/ONOOˉ-Zyklus-
Erkrankungen wirksam sein.
Das zehnte Krankheitsparadigma für Erkrankungen des Menschen
Was wir hier beschrieben haben, ist ein ätiologischer (ursächlicher)
Mechanismus, der sich auf bestimmte pathologische Prozesse konzentriert, die
diese vier Multisystemerkrankungen und möglicherweise andere Erkrankungen
oder Krankheiten erklären können, die häufig vorkommen und bislang ungeklärt
sind. Wir behaupten, dass die Multisystemerkrankungen wirkliche Erkrankungen
sind, die von diesem Mechanismus verursacht werden, auch wenn es sich um
Erkrankungen handelt, die sich von Individuum zu Individuum stark
unterscheiden können, weil die zugrundeliegende biochemischen Prozesse in
verschiedenen Geweben auftreten. Mit anderen Worten: diese
Multisystemerkrankungen bilden ein Krankheitsspektrum.
Der Mechanismus des NO/ONOOˉ-Zyklusses fügt sich, wie aus Tabelle 4
ersichtlich, in die Geschichte der Erkrankungen ein (21, Kaptitel 14):
Tabelle 4: Die zehn Paradigma menschlicher Erkrankungen
Infektiöse Erkrankungen
1. Erkrankungen durch Ernährungsmangel wie Beriberi (Vitamin- B1-Mangel)
oder Skorbut (Vitamin-C-Mangel)
2. Genetische Erkrankungen – Erkrankungen, deren hauptsächliche Ursache
in der Mutation eines bestimmten Gens liegt
3. Erkrankungen durch Hormondysfunktionen, einschließlich derer, bei denen
die Hormonfunktion zu stark oder zu gering ist
Serielle somatische Mutation und Selektion – verschiedene Arten von
Krebserkrankungen
27
Ischämische kardiovaskuläre Erkrankungen
4. Allergien
5. Autoimmunerkrankungen
6. Amyloiderkrankungen, einschließlich Erkrankungen durch Prionen
NO/ONOOˉ-Zyklus-Erkrankungen
Die berichtete Prävalenz von Multisystemerkrankungen ist zumindest in den USA
recht gut untersucht, und sie ist vergleichbar mit den Prävalenzen der anderen
bedeutenden Krankheitsparadigmen (hier fett gedruckt). Man kann
argumentieren, dass das zehnte Paradigma, die NO/ONOOˉ-Zyklus-
Erkrankungen, durchaus unter die vier wichtigsten Krankheitsparadigmen fällt,
gemessen an der Gesamtbelastung, die es für die Gesundheit des Menschen
darstellt.
Ist die Erklärung vielleicht falsch?
Könnte die Erklärung von Multisystemerkrankungen durch den NO/ONOOˉ-
Zyklus falsch sein? Könnte es sein, dass dieses zehnte Paradigma menschlicher
Erkrankungen nichts weiter als Fiktion ist?
Es gibt sicher viele Bereiche, in denen es wenig oder keine Daten gibt, die die
Vorhersagen des NO/ONOOˉ-Zyklus-Modells stützen würden, und viele andere
Bereiche, in denen die vorhandenen Daten unzureichend sind, um die
gegenwärtigen Evidenzmaßstäbe zu erfüllen. Hinzu kommt, dass der Zyklus, wie
er in Abbildung 1 dargestellt ist, zu stark vereinfacht ist, weil zum einen
bestimmte Aspekte des Zyklusses in manchen Geweben nicht vorhanden sind
und weil zum zweiten in manchen Geweben wahrscheinlich noch weitere
Komponenten eine Rolle spielen. Dennoch legt die Diskussion der Therapie den
dringenden Schluss nahe, dass der Zyklus sehr brauchbare Voraussagen in
Bezug auf die Therapie zulässt und deshalb umfassend genug ist, um als
nützliches Modell für Vorraussagen zu dienen.
Auf zwei wichtige Merkmale möchte ich hier die Aufmerksamkeit lenken. Erstens
ist es das einzige Erklärungsmodell, das nicht nur eine, sondern alle dieser
28
Multisystemerkrankungen erklärt. Von daher ist es das einzige zur Verfügung
stehende Modell, das der Vorhersage vieler Wissenschaftler entspricht, dass
diese Erkrankungen einen gemeinsamen ätiologischen Mechanismus haben
müssen. Zweitens beruht der Mechanismus des Zyklusses als solcher – wie er in
Abbildung 1 dargestellt wird – beinahe komplett auf bekannten biochemischen
Mechanismen. Das einzige, was neu ist, ist die Annahme, dass die Komponenten
des Zyklusses durch diese Mechanismen so wie behauptet zusammenpassen und
deshalb einen Teufelskreis bilden. Es ist diese einfache Vorhersage, die der
gesamten Aussagekraft des Modells zugrunde liegt.
Im letzten Kapitel meines Buches zähle ich 12 rätselhafte Merkmale dieser
Erkrankungen auf, die durch den Mechanismus des NO/ONOOˉ-Zyklusses
einschließlich der fünf zugrundeliegenden Prinzipien erklärt werden können.
Keines dieser Merkmal konnte bislang erklärt werden, und diese fehlenden
Erklärungen waren es, zumindest teilweise, die zu der wiederholten Behauptung
geführt haben, dass es sich um ungeklärte Krankheiten handelt. Die 12
Merkmale, die durch den NO/ONOOˉ-Zyklus erklärt werden, sind die folgenden:
Er liefert Erklärungen für die Ätiologie (Ursache) von nicht nur einer, sondern
aller vier dieser Multisystemerkrankungen.
1. Er erklärt ihre chronische Natur.
2. Er erklärt, wie die einzelnen Erkrankungsfälle von 12 verschiedenen und
eindeutigen Stressoren ausgelöst werden können.
3. Er erklärt die unterschiedlichen biochemischen und physiologischen
Merkmale der chronischen Phase dieser Erkrankungen.
4. Er erklärt, wie 18 verschiedene Wirkstoffe oder Wirkstoffklassen als
einzelne die berichteten Verbesserungen herbeiführen können und wie die
komplexen Behandlungsprotokolle von fünf verschiedenen Ärzten bei den
Betroffenen zu bedeutenden Zustandsverbesserungen führen können.
5. Er erklärt 16 der gemeinsamen Symptome und Zeichen dieser
Erkrankungen – Symptome und Zeichen, die immer wieder als bislang
ungeklärt beschrieben wurden.
6. Er erklärt die Symptome, die für jede dieser Erkrankungen spezifisch sind,
Symptome, die durch den Einfluss des NO/ONOOˉ-Zyklusses auf
spezifische Gewebe erklärbar sind.
29
7. Er erklärt die hohe wechselseitige Komorbidität der Erkrankungen.
8. Er erklärt ihre hohe Komorbidität mit anerkannten Erkrankungen wie
Tinnitus, Asthma, Migräne, Lupus Erythematosus und rheumatoider
Arthritis.
9. Er erklärt 11 unterschiedliche der rätselhaften Eigenschaften der Multiplen
Chemikaliensensitivität, von denen bislang nur eines ausreichend erklärt
werden konnte. Er erklärt die Eigenschaften von Tiermodellen zu CFS, MCS
und PTSD, von denen jedes wiederum Belege liefert, die den NO/ONOOˉ-
Zyklus als Krankheitsursache stützen.
10. Er erklärt die verblüffende qualitative wie quantitative Variation der
Symptomatik von einem Patienten zum anderen.
Wenn man den zentralen Mechanismus des NO/ONOOˉ-Zyklusses, wie er in
Abbildung 1 beschrieben wird, weglässt, dann verschwinden alle diese
Erklärungen und wir verbleiben mit einer unstrukturierten Liste von ungeklärten
Beobachtungen. Es ist diese verblüffende Übereinstimmung zwischen
Beobachtung und Voraussage, die uns sagt, dass die grundlegenden Merkmale
des Erklärungsmodells des NO/ONOOˉ-Zyklusses nicht falsch sein können! Das
NO/ONOOˉ-Zyklus-Erklärungsmodell ist wie ein Bogengewölbe, in dem der
Mechanismus des Zyklusses der Schlussstein ist. Wenn man den Schlussstein
entfernt, dann fällt das ganze Gewölbe in sich zusammen zu einem Haufen
verstreuter Steine, und es ist dieser vollständige Zusammenbruch, der uns sagt,
wie dieser Gewölbebogen organisiert ist, um eine zwingende Struktur zu
ergeben. Der Mechanismus des Zyklusses, der auf einer einfachen und
einleuchtenden Annahme beruht, ist der Grundpfeiler, der für das Verständnis
dieser Multisystemerkrankungen unentbehrlich ist.
Richard Feynman, der große Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, wurde vom
Omni Magazine als „der intelligenteste Mann der Welt“ bezeichnet, und er wurde
auch als großer Skeptiker angesehen. Feynman schrieb: „Es ist möglich, zu
erkennen, dass man richtig liegt, lange bevor man all die Konsequenzen
überprüft hat. Man kann die Wahrheit durch ihre Schönheit und Einfachheit
erkennen.” Es ist diese Schönheit, Einfachheit und Breite, die uns sagt, dass das
NO/ONOOˉ-Zyklus-Modell grundlegend richtig ist.
30
Spezielle Webseiten zu:
Multipler Chemikaliensensitivität
Chronic Fatigue Syndrom (hier auch in deutscher Sprache: www.cfs-
aktuell.de/august07_3.htm)
Fibromyalgie
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