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Innovation oder Piraterie? Framing-Konflikte um geistige Eigentumsrechte in der EU

Authors:

Abstract and Figures

Intellectual property is not a substantial category. Wich knowledge may become under which circumstances intellectual property is in every case the result of concrete juridical and political processes. Current conflicts about the governance of knowledge and information are therefore not simply conflicts about the merits or shortcomings of specific regulations, but they are also conflicts about what kind of knowledge should be conceptualized as intellectual property. In the article I analyze actor constellations and framing strategies in two conflicts about EU directives, which both wanted to expand intellectual property rights: The EU directive on the patentability of computer implemented inventions (software patents) and the EU directive on measures and procedures to ensure the enforcement of intellectual property rights (IPRED). The aim of my analysis is to explain why in the first case a group of actors that traditional interest group research would qualify as weak in almost every aspect, was successful, while a similar coalition was without any chance in the second case. My argument is based on an analysis of the conflict participants' framing strategies.
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PVS, Sonderheft 46/2012, S. 319-343
Innovation oder Piraterie?
Framing-Konfl ikte um geistige Eigentumsrechte in der EU
Sebastian Haunss
1. Einleitung
Geistiges Eigentum (Intellectual Property – IP) ist keine substanzielle Kategorie.
Welches Wissen unter welchen Umständen zu geistigem Eigentum werden kann
ist das je konkrete Ergebnis juridischer und politischer De nitions- und Aushand-
lungsprozesse. In den aktuellen Kon ikten um um die Regulierung geistiger Ei-
gentumsrechte geht es daher häu g nicht allein um die Vor- und Nachteile einzel-
ner Regelungen, sondern auch darum, festzulegen, ob und in welcher Weise
bestimmte Wissensformen als geistiges Eigentum konzeptualisiert werden sollten
(Haunss u. Shadlen 2009). Die Regulierung des Zugangs zu Wissen und die Be-
dingungen seiner In-Wert-Setzung hängen wesentlich davon ab, ob Wissen und
Information als öffentliche oder private Güter verstanden werden, sowie von der
ökonomischen und politischen Bedeutung, die ihrer Produktion und Distribution
zugeschrieben wird, kurz: von der Durchsetzung bestimmter Interpretationswei-
sen oder Frames (Snow 2004; Goffman 1974). Ein Frame ist, folgt man der De -
nition von Snow und Benford, ein interpretatives Schema, “that simpli es and
condenses the ‘world out there’ by selectively punctuating and encoding objects,
situations, events, experiences, and sequences of actions within one’s present or
past environment” (1992, S. 137).
In ihrer Studie über die Geschichte des Übereinkommens über handelsbezogene
Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen) zeigt Susan Sell
wie während der Uruguay-Runde der Verhandlungen über das Welthandelsab-
kommen eine kleine Gruppe transnationaler Unternehmen den Schutz geistiger
Eigentumsrechte erfolgreich erst auf die Tagesordnung setzen und im weiteren
Verlauf der Verhandlungen ihre Vorstellung eines starken Schutzregimes der Ei-
gentumsrechte in Form des TRIPS-Abkommens weitgehend durchsetzen und ko-
di zieren konnte (Sell 2003; Drahos u. Braithwaite 2003). Der politische Prozess,
der zum TRIPS-Abkommen führte, ist einerseits ein Musterbeispiel für ein Macht-
spiel, in dem ressourcenreiche private Akteure mit der Unterstützung mächtiger
Regierungen industrialisierter Staaten erfolgreich ein globales IP-Regime instal-
liert haben, das alle WTO-Mitgliedsstaaten dazu verp ichtet, starke nationale IP-
Schutz-Systeme einzuführen, nachdem Entwicklungsländer, die anfangs dem ver-
schärften IP-Regime Widerstand entgegen gesetzt hatten, durch die Androhung
bilateralen Handelssanktionen durch die USA zum Schweigen gebracht worden
waren (Meier 2005, S. 506).
Andererseits zeigt Sells Studie aber auch, dass der Erfolg des Lobbyings, der
zum TRIPS-Abkommen führte, nicht allein auf der ressourcenbasierten Macht
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Diskursive Regulierung von Information
einer handvoll internationaler Unternehmen beruhte, sondern zu einem relevan-
ten Teil deren erfolgreicher Framing-Strategie geschuldet war. Eine herausragende
Rolle spielte dabei das Strategie-Papier Jacques Gorlins, der als Beraters des US
Advisory Committee for Trade Negotiations (ACTN) und des privaten Intellectu-
al Property Committees (IPC) fungierte. Darin argumentierte er, dass angesichts
der wachsenden Bedeutung der US Software Industrie Copyright verstärkt unter
ökonomischen und nicht nur unter kulturellen Aspekten – wie in den bis dahin
bestehenden Regelungen – betrachtet werden solle (Gorlin 1985, S. ii). Insgesamt
entwickelte er eine kohärente Argumentation, die geistige Eigentumsrechte als
(Frei-)Handelsthemen interpretierte. Eine auf den ersten Blick paradoxe Leistung,
denn geistige Eigentumsrechte, die ja staatlich garantierte Monopole auf Zeit
sind, widersprechen an sich der Idee des Wettbewerbs eines freien Marktes ohne
staatliche Intervention und Wettbewerbsvorteile.
Der Ausweitung geistiger Eigentumsrechte im TRIPS-Abkommen folgte eine
Begrenzung ihrer Gültigkeit in der Doha-Erklärung des WTO Ministerrats 2001,
die das Primat öffentlicher Gesundheitsvorsorge vor geistigen Eigentumsrechten
proklamierte (WTO 2001). Auch hier ging der Entscheidung wieder ein Re-Fra-
ming-Prozess voraus, in dem geistige Eigentumsrechte (insbesondere Patente auf
Medikamente) als zentrales Hindernis für die Versorgung mit essenziellen Arznei-
mitteln für Krankheiten wie AIDS und Tuberkulose in Ländern des globalen Sü-
dens interpretiert wurden (’t Hoen 2009; Ford 2004; Sell u. Prakash 2004). Und
in der Abschlusserklärung des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm, in der geistige
Eigentumsrechte an prominenter Stelle – nach Stabilität des Finanzsystems und
Investitionsfreiheit und noch vor Klimawandel – auftauchen, spielen Verbraucher-
rechte eine prominente Rolle. Neben Freihandelsaspekten sollen nunmehr auch
“Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern weltweit, insbesondere in ärmeren
Ländern” (G8 2007, S. 14) für eine Ausweitung geistiger Eigentumsrechte spre-
chen. Die Abschlusserklärung kann als Versuch gelesen werden, geistige Eigen-
tumsrechte erneut, diesmal als Frage von Verbraucherinteressen (im Globalen Sü-
den) zu re-framen.
Möglicherweise sind Intellectual Property (IP) Policies sogar besonders auf die
Etablierung interpretativer Rahmen angewiesen, weil immaterielle Güter im Prin-
zip schwerer als materielle Güter zu propertisieren sind. Als immaterielle Güter
sind Wissen und Informationen im Prinzip frei. Anders als bei materiellen Gütern
besteht nicht die Gefahr einer Übernutzung. Das gesellschaftliche verfügbare Wis-
sen wird dadurch, dass es von vielen Personen genutzt wird, nicht weniger, im
Gegenteil. Eine Nutzung durch die Eine schränkt darüber hinaus die Nutzung des
selben Wissens oder der selben Informationen durch den Anderen nicht ein. Die
Nutzung von Wissen und Informationen ist also im Prinzip nicht rivalisierend.
Offensichtlich kann aber dennoch der exklusive Zugriff auf Informationen und
Wissen einzelnen Akteuren klare Vorteile verschaffen. Tatsächlich kann es also
durchaus eine Art rivalisierende Nutzung von Wissensgütern geben. Aber im Un-
terschied zu materiellen Gütern ist diese Rivalität Ergebnis eines gesellschaftlichen
Prozesses und liegt nicht in der Natur des Gutes begründet. Im klassischen Bei-
spiel kann die Allmende, die von der Dorfgemeinschaft gemeinsam genutzte Wei-
de, nur eine begrenzte Anzahl Vieh ernähren, weil ab einem gewissen Punkt das
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Gras schneller aufgefressen wird als es nachwachsen kann (Hardin 1968). Wissen
und Informationen dagegen verbrauchen sich nicht durch die Nutzung, sie kön-
nen allenfalls gesellschaftlich weniger wertvoll werden.
Weil sie als immaterielle Güter zudem praktisch kostenfrei kopierbar sind, sind
Andere von ihrer Nutzung nur vergleichsweise schwierig auszuschließen. Die bis-
her immer gescheiterten Versuche die Verbreitung von digitalisierten Musikstü-
cken oder Videos durch Kopierschutzmechanismen und anderen technischen
Schutzmaßnahmen (TPMs) zu verhindern zeugen von dieser begrenzten Exklu-
dierbarkeit.
Unter diesen Bedingungen bedarf es beträchtlicher Anstrengungen um Wissen
und Informationen dennoch zu exklusiven, privaten Gütern zu machen. Restrikti-
onen des Zugriffs müssen in politischen Prozessen durchgesetzt werden, sie müs-
sen in der politischen Arena begründet werden und werden auch dort bestritten.
Das jeweils gültige Regime geistiger Eigentumsrechte ist Ergebnis politischer Aus-
einandersetzungen, auf dessen konkrete Ausprägung die von den beteiligten Ak-
teuren verwandten Begründungs guren einen wesentlichen Ein uss haben.
Welche Akteure allerdings mit welchen Argumentationen welche Formen der
Governance von Wissen und Information propagieren ist bisher kaum beachtet
worden, da in der juristischen Literatur die Äquivalenzmetapher Eigentum nicht
infrage gestellt wird und in der ökonomischen Literatur die Begründungsmuster
der Akteure in der Regel nicht relevant sind. Das Forschungsinteresse dieses Arti-
kels setzt genau hier an. Es geht um die Untersuchung der diskursiven Konstruk-
tion von Begründungs guren und Interpretationsrahmen geistiger Eigentumsrech-
te. Exemplarisch soll dies anhand der Auseinandersetzung um zwei EU-Richtlinien
zur Regulierung geistiger Eigentumsrechte – der “Richtlinie über die Patentierbar-
keit computer-implementierter Er ndungen” (im Folgenden: Softwarepatente-
Richtlinie) (COM 2002) und der “Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren
zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum” (im Folgenden IP-Enforcement-
Richtlinie) (COM 2003) – geleistet werden. Untersucht wird, welche Framing-
Strategien von welchen Akteuren eingesetzt worden sind und welche Strategien
jeweils erfolgreicher waren.
Die Untersuchung leistet auf zwei Ebenen einen Beitrag: Erstens trägt sie zu
einem besseren Verständnis der Rolle von an materiellen Ressourcen schwachen
Akteuren in Auseinandersetzungen um geistige Eigentumsrechte bei. Zweitens be-
leuchtet sie die Salienz verschiedener Frames und liefert Informationen darüber,
welche Begründungsmuster für oder gegen geistige Eigentumsrechte politische Re-
levanz haben und erlangen können.
2. Konfl ikte um geistige Eigentumsrechte in Europa
Gesetzesvorlagen, die geistige Eigentumsrechte zum Inhalt haben, hatten lange
Zeit außerhalb der Fach-Community nur für wenig Aufmerksamkeit gesorgt. Auf
europäischer Ebene änderte sich dies Ende der 1990er Jahre, und dabei spielte die
“Richtlinie über die Patentierbarkeit computer-implementierter Er ndungen” eine
wichtige Rolle. Aus diesem Grund bildet die “Softwarepatente-Richtlinie” – so die
im öffentlichen Diskurs fast ausschließlich verwendete Bezeichnung der Richtlinie
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Diskursive Regulierung von Information
– den Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Entgegen aller Erwartungen entwi-
ckelte sich entlang der Richtlinie eine politische Auseinandersetzung über die Aus-
gestaltung geistiger Eigentumsrechte in Europa, die weit über die juristische
Fachöffentlichkeit hinaus strahlte, es bis in die Politik-, Technik- und Feuilleton-
Seiten der großen Tageszeitungen schaffte, und die zu einem der kontroversesten
Entscheidungsprozesse des europäischen Institutionensystems wurde.
1
Im Ergeb-
nis gelang es den ressourcenschwachen Gegnern der Richtlinie gegen die Kommis-
sion und gegen eine Koalition ausgesprochen ressourcenstarker Befürworter die
Verabschiedung der Richtlinie, und damit die EU-weite Einführung von Software
Patenten zu verhindern.
Um die Bedeutung der Framing-Strategien besser herausarbeiten zu können,
vergleiche ich in einem most-similar systems Design (Lijphart 1971; Przeworski u.
Teune 1970) die Auseinandersetzung um die Softwarepatente-Richtlinie mit der
Auseinandersetzung um die IP Enforcement-Richtlinie.
Beide Richtlinien spielten eine wichtige Rolle für die Ausgestaltung der rechtli-
chen Rahmenbedingungen von geistigen Eigentumsrechten in der EU in jüngster
Zeit. Beide wurden in einem ähnlichen Zeitrahmen zwischen 1997 und 2003 von
der Kommission diskutiert und eingebracht. Beide wurden im Mitentscheidungs-
verfahren verhandelt, bei dem sich Europäisches Parlament und Rat der Europä-
ischen Union auf eine gemeinsame Position einigen müssen. Die Generaldirektion
Binnenmarkt war jeweils federführend, und in beiden Fällen regte sich Wider-
stand von Interessengruppen, die versuchten den Entscheidungsprozess zu ihren
Gunsten zu beein ussen.
Die Auseinandersetzung um die “Richtlinie über die Durchsetzung der Rechte
des geistigen Eigentums” (IP Enforcement-Richtlinie) begann im Oktober 1998
mit der Publikation eines “Grünbuchs zur Bekämpfung von Nachahmungen und
der Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt” (COM 1998). Im Ja-
nuar 2003 folgte dann der Entwurf für die Richtlinie, deren Ziel es ist die Durch-
setzung geistiger Eigentumsrechte – d.h. Copyright, Markenzeichen, Patente, etc.
– in den EU-Mitgliedstaaten zu stärken und zu harmonisieren. Die Mitgliedstaa-
ten sollten verp ichtet werden, effektive Maßnahmen und Strafen gegen Fäl-
schungen und Raubkopien im nationalen Recht vorzusehen und anzuwenden.
Der Richtlinienvorschlag sollte den Rechteinhabern mehr Möglichkeiten geben,
zivil- und strafrechtlich gegen Rechtsverstöße vorzugehen. Insbesondere sollte es
möglich werden, per einstweiliger Verfügung gefälschte Güter beschlagnahmen zu
lassen oder deren Zerstörung zu fordern (COM 2003).
Im Falle der “Richtlinie über die Patentierbarkeit computer-implementierter
Er ndungen” (Softwarepatente-Richtlinie) begann die Auseinandersetzung im
Juni 1997 mit der Veröffentlichung des Grünbuchs “Förderung der Innovation
durch Patente” (COM 1997). Der Entwurf für die Richtlinie wurde im Februar
2002 vorgelegt. Ziel des Richtlinienentwurfs war es Patente für Er ndungen, die
“on a computer or similar apparatus which is realized by a computer program«
1 Die Softwarepatent-Richtlinie war die einzige Richtlinie in der Geschichte des Mitentscheidungs-
verfahrens bei der das Europaparlament in der zweiten Lesung die “Common Position” des Rats
nicht nur abgeändert sondern komplett abgelehnt hat (Biesenbender u. Holzinger 2009).
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(COM 2002, S. 13) implementiert werden europaweit einheitlich zu ermöglichen.
Ob diese De nition “Software als solche”, die von der Patentierbarkeit im Euro-
päischen Patentübereinkommen explizit ausgenommen ist, einschließen würde,
war unter den Kon iktparteien heftig umstritten. In der Öffentlichkeit wurde der
Kon ikt in jedem Fall als Kon ikt um Softwarepate wahrgenommen und nur der
harte Kern der Richtlinien-Befürworter benutzte in der Auseinandersetzung die
Bezeichnung CII-Richtlinie.2 Tabelle 1 liefert einen schematischen Überblick über
den Verlauf des Entscheidungsverfahrens.
Tabelle 1: Softwarepatente und IP Enforcement – Übersicht über den
Entscheidungsverlauf
Software Patente IP Enforcement
06/97: Grünbuch 10/98: Grünbuch
10/00: Konsultation über das Internet 03/99: Konsultation in München
02/02: COM veröffentlicht Entwurf 03/03: COM veröffentlicht Entwurf
09/03: EP 1. Lesung substantielle Verän-
derungen
03/04: EP 1. Lesung geringe Änderungen
03/05: Rat verabschiedet gemeinsame Position 04/04: Rat stimmt der geänderten Fassung zu
07/05: EP lehnt die Richtlinie in der
2. Lesung ab
Richtlinie gescheitert Richtlinie verabschiedet
In beiden Fällen wurden die Richtlinienvorschläge der Kommission von wichtigen
industrielle Interessenverbände unterstützt. Aber es gab in beiden Fällen auch
ökonomische Akteure, die gegen die Richtlinie Front machten. Gegen die IP-
Enforcement-Richtlinie sprachen sich die großen europäischen Telekommunikati-
ons rmen aus, und eine große Zahl überwiegend kleiner und mittelständischer
Unternehmen (KMUs) versuchte die Softwarepatente-Richtlinie zu verhindern.
Zivilgesellschaftliche Gruppen und Verbraucherverbände mobilisierten in beiden
Fällen gegen die Richtlinienentwürfe. Europaparlamentarier, nationale Politiker
und wissenschaftliche Experten waren in beiden Kon ikten sowohl auf der Seite
der Befürworter als auch auf der Seite der Gegner zu  nden.
Trotz relativ ähnlicher Rahmenbedingungen gab es signi kante Unterschiede
im Verlauf und der Intensität beider Kon ikte: eine aufgeheizte Debatte um das
Für und Wider von Softwarepatenten – ein Thema, das vielen ursprünglich deut-
lich weniger kontrovers erschien – auf der einen Seite und ein relativ reibungs-
loser und störungsfreier Gesetzgebungsprozess im Fall der IP-Enforcement-Richt-
linie auf der anderen. Dabei hätte man eher im zweiten Fall einen deutlich
stärkeren Kon ikt erwarten können, berührt die Richtlinie doch Themen wie z.B.
2 Philippe Aigrain, ehemaliger Leiter des Bereichs “Software Technology” des Forschungspro-
gramms der Europäischen Kommission, behauptete auf einer Konferenz im November 2004 in
Brüssel sogar, dass in der Kommission die vorbereitenden Dokumente unter Dateinamen, die die
Abkürzung “swpat” enthielten, zirkulierten.
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Diskursive Regulierung von Information
File-Sharing, die deutlich stärker im Licht der Öffentlichkeit standen als die bis
dato öffentlich weitgehend unbeachtete Frage der Softwarepatente.
Die größte Differenz aber liegt im Ergebnis: Die IP-Enforcement-Richtline wur-
de nach einem Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament schon in erster
Lesung verabschiedet, wobei nur die im Richtlinienentwurf vorgesehene Harmo-
nisierung strafrechtlicher Maßnahmen aufgrund grundlegender Bedenken über
die Zuständigkeit der EU in diesem Bereich gestrichen worden ist. Die Software-
patente-Richtlinie dagegen scheiterte in der zweiten Lesung, in der die “Common
Position” mit einer überwältigenden Mehrheit von 648 gegen 14 Stimmen der
ParlamentarierInnen abgelehnt wurde.
Dieses Ergebnis lässt sich mit den gängigen Ansätzen der Interessengruppenfor-
schung nicht erklären, in denen üblicherweise davon ausgegangen wird, dass im
europäischen Mehrebenensystem ressourcenstarke Akteure besser Chancen auf
Durchsetzung ihrer Interessen haben als ressourcenschwache Akteure (Dür 2008;
Crombez 2002; Hall u. Deardorff 2006). Chancen als ressourcenschwacher
Akteur Gehör zu  nden werden höchstens im Umweltbereich gesehen (Green-
wood 1997), aber selbst dort wird von anderen Autoren der Ein uss von NGOs
und zivilgesellschaftlichen Interessengruppen eher skeptisch beurteilt (Rucht
1999).
Weil die Ergebnisse der beiden IP Kon ikte nicht die Ressourcenausstattung
der Akteure widerspiegelt, verfolge ich in diesem Beitrag einen alternativen Erklä-
rungsansatz, der die diskursive Ebene in den Vordergrund stellt. Im Rahmen einer
Analyse der Framing-Strategien der beteiligten Akteure werde ich zeigen, dass
sich in beiden Fällen diejenigen Akteure haben durchsetzen können, denen es ge-
lungen ist, ihre Interpretation der Wirklichkeit im politischen Diskurs zu veran-
kern. Die Differenz der Kon iktverläufe spiegelt unmittelbar die Fähigkeit der an
den Kon ikten beteiligten Interessengruppen wider, für bzw. gegen die jeweilige
Richtlinie zu mobilisieren, was wiederum wesentlich von der Etablierung der eige-
nen Problem- und Handlungsinterpretation im politischen Diskurs abhing.
3. Methoden
Framing-Prozesse sind in einem großen Teil der Literatur, die sich mit dem Ein-
uss von Interessengruppen auf (europäische) Policy-Prozesse beschäftigt bisher
kaum beachtet worden (Bouwen 2002; Greenwood 2003; Richardson 2000). In
anderen Forschungsfeldern ist ihre Bedeutung allerdings erkannt worden und
dort existiert auch eine reichhaltige Literatur. In der Forschung über soziale Bewe-
gungen wurde schon länger betont, dass Collective Action-Frames neben Ressour-
cen und politischen Gelegenheitsstrukturen einen bedeutsamen Faktor darstellen,
um den Erfolg oder Misserfolg sozialer Bewegungen zu erklären (Snow et al.
1986; Snow u. Benford 1992; Gamson et al. 1982; Haunss 2004). Verschiedene
Studien weisen vor allem darauf hin, dass kollektive Akteure einen kohärenten
Master-Frame konstruieren müssen, der das Potenzial hat, heterogene Akteure
ideologisch und in ihrem Handeln zu integrieren (Gerhards u. Rucht 1992,
S.573; Snow u. Benford 1992: 138).
7
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Um die Frames und Framing-Strategien der beteiligten Akteure zu erfassen
wurde für diese Studie auf die von Koopmans und seinen Mitarbeitern entwickel-
te Political-Claims-Analyse (Koopmans and Statham 1999) zurückgegriffen. Die
Grundidee dieses Ansatzes ist es, über die Auswertung von Zeitungsartikeln Da-
ten über die wesentlichen an einem politischen Kon ikt beteiligten Akteure, ihre
Aktions- und Interaktionsformen und ihre betreffenden Collective-Action-Frames
zu erheben. Eine zentrale Annahme besteht darin, dass kollektives Handeln, das
über Lobbying hinausgeht, auf eine Präsenz in der Öffentlichkeit angewiesen ist.
Nur Aktivitäten, über die auch berichtet wird, haben die Möglichkeit Entschei-
dungsprozesse zu beein ussen. Political-Claims-Analyse kombiniert die empiri-
sche Leistungsfähigkeit traditioneller Protest-Ereignis-Analysen mit der analyti-
schen Kraft der Frame-Analyse.
Claims sind, in Anlehnung an die De nition von Koopmans und Statham
(1999), Forderungen, Vorschläge, Kritiken, Entscheidungen, etc, in Form von Er-
klärungen oder kollektiven Mobilisierungen von Akteuren, die im betreffenden
Kon iktfeld aktiv sind. Ein Claim ist also eine Intervention in den politischen
Raum. Sie kann in Form einer Presseerklärung, einer Unterschriftensammlung,
einer Demonstration, einer Parlamentsrede oder eines Parlamentsbeschlusses er-
folgen.
3
In der Regel artikulieren politische Akteure bei einer solchen Intervention
einen Begründungszusammenhang oder ein Interpretationsschema – der Claim
wird also mit einem Collective Action Frame verbunden. Allerdings kann ein
Claim auch gelegentlich ohne Begründung auskommen, als reine Forderung oder
Positionierung.
Für die Analyse der beiden IP-Kon ikte wurde die Presseberichterstattung in
vier ausgewählten Ländern analysiert: Deutschland, Frankreich, Großbritannien
und Polen. Frankreich, Deutschland und Großbritannien und Polen wurden we-
gen ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung in Europa ausgewählt.
Großbritannien wurde darüber hinaus als Land mit einer sehr restriktiven Paten-
praxis in Bezug auf Softwarepatente herangezogen. Frankreich wurde ausgewählt,
weil in beiden Kon ikten die Berichterstatter des Europäischen Parlaments fran-
zösischer Nationalität waren und weil Frankreich als einer der lautstärksten Kri-
tiker von Softwarepatenten aufgetreten ist. Deutschland wurde aufgenommen,
weil der wichtigste oppositionelle Akteur im Softwarepatente-Kon ikt, die FFII
(Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur / Foundation for a Free
Information Infrastructure) seinen Ursprung in Deutschland hat und weil es ein
Land mit einer vergleichsweise liberalen Praxis in Bezug auf die Gewährung von
Softwarepatenten ist. Und Polen wurde aufgrund seiner wichtigen Rolle im Soft-
warepatente-Kon ikt ausgewählt, da es als sichtbarster Kritiker der Richtlinie un-
ter den neu aufgenommenen osteuropäischen Staaten auftrat.
Für alle vier Länder wurden Zeitungsartikel ausgewertet, die zwischen Januar
1997 und Juli 2005 in ausgewählten nationalen Qualitätszeitungen veröffentlicht
wurden, die einen oder beide Kon ikte erwähnen oder Softwarepatente bzw. die
Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im Allgemeinen als Hauptthema hatten,
3 Auch eine Sabotageaktion oder eine gewaltsame Intervention in Form eines Anschlags wäre ein Claim
– allerdings spielten solche Claims-Making Formen in den vorliegenden Kon ikten keine Rolle.
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und die in der Volltextsammlung des Lexis/Nexis verfügbar waren.
4
Artikel wur-
den nur kodiert, wenn sie Claims enthielten, d.h. über reine Informationen über
das Thema hinausgehend Zuschreibungen zu bestimmten Akteuren gemacht wur-
den. Insgesamt wurden 170 Artikel (G: 75, UK: 37, F: 45, PL: 31) entsprechend
eines Kodeplans kodiert, der sich stark an dem im EUROPUB-Projekt benutzten
orientierte (Koopmans 2002; Haunss u. Kohlmorgen 2008). In den Artikeln wur-
de über 324 Claims berichtet, 277 m it Bezug zum im Softwarepatente-Kon ikt
und 47 mit Bezug zur IP-Enforcement-Richtlinie.5
Die Entscheidung, nur Claims zu kodieren, über die in Tageszeitungen berichtet
wurde, schränkt die Analyse auf ein Sub-Set der tatsächlich vorhandenen Claims
ein, weil nicht über alle Claims aller Akteure berichtet wird. Hinzu kommt ein
Bias der durch eine größere Af nität von Zeitungen gegenüber bestimmten Akti-
onsformen (spektakulären) und bestimmten Akteuren (etablierten) zustande
kommt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass in einem öffentlichen,
politischen Kon ikt Claims, über die nicht berichtet wird, weniger bedeutsam
sind als die, über die berichtet wird, weil von der Presse ignorierte Claims auch
für einen größeren Teil der am Entscheidungsprozess beteiligten Akteure unsicht-
bar bleiben (vergl. detailliert hierzu Earl et al. 2004).
4. Ergebnisse
Das Claims-Making in beiden Kon ikten unterschied sich deutlich in Inhalt und
Reichweite. Wie in Abbildung 1 erkennbar folgten die Aktivitäten der Interessen-
gruppen dem institutionellen Verlauf der Entscheidungsprozesse. Jeweils im Vor-
lauf wichtiger Stationen des Entscheidungsprozesses (Veröffentlichungen und
Konsultationen der Kommission, Lesungen im Parlament, entscheidende Ratssit-
zungen, etc.) ließ sich eine deutlich Zunahme von Aktivitäten beobachten, deren
Intensität zum Ende hin stetig zunimmt.
Ein Vergleich der beiden Zeitreihen lässt sogleich die unterschiedliche Intensi-
tät der beiden Kon ikte deutlich werden. Mit 277 Claims im Softwarepatente-
Kon ikt und nur 47 Claims im IP-Enforcement-Kon ikt wurde über ersteren fast
sechsmal so viel in den Medien berichtet. Zu sehen sind außerdem mehrere Wel-
len intensiven Claims-Makings im Softwarepatente-Kon ikt, die zur zweiten Le-
sung der Richtlinie im Europäischen Parlament kumulieren, während es im ande-
ren Kon ikt nur eine Welle des Claims-Makings gegen Ende des Kon ikts bis in
4 Im Einzelnen wurden Artikel aus folgenden Zeitungen kodiert: Deutschland: Süddeutsche Zei-
tung, die tageszeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, Stuttgarter Zeitung; Großbritannien:
Daily Mail, The Times, The Guardian, Financial Times, Western Mail, Morning Star, The Daily
Telegraph, The Business, The Independent, The Observer; Frankreich: Le Figaro, Liberation, Les
Echos, Le Monde, La Tribune; Polen: Gazeta Wyborcza, Polityka, Rzeczpospolita, Wprost.
5 Um ein Beispiel zu geben: In der tageszeitung vom 28.8.2003 wird unter der Überschrift “Mono-
pole bitten zur Kasse” von einer Demonstration am 27.8.2003 in Brüssel gegen Softwarepatente
berichtet, bei der FFII sich gegen die Softwarepatente Richtlinie ausgesprochen habe, weil sie den
Wettbewerb verringere und erhebliche Nachteile für kleinere Softwareschmieden und Verbraucher
mit sich bringe. Der Claim ist in diesem Fall die Demonstration gegen Softwarepatente, der von
FFII verwendete Frame ist Wettbewerbsfähigkeit von KMUs. Der Frame wurde zudem als negativ
kodiert, da er in einem gegen die Richtlinie gerichteten Claim verwendet worden ist.
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die Zeitungen gebracht hat. Die Auseinandersetzung war lediglich zwischen Sep-
tember 2003 und März 2004 öffentlich sichtbar, in den sechs Monaten vor der
ersten und einzigen Lesung im Europäischen Parlament. Und nur in dieser letzten
Phase ist eine relativ ausgewogene Berichterstattung über die Claims der Unter-
stützer und Gegner der IP-Enforcement-Richtlinie zu  nden. Frühere Berichte er-
wähnen ausschließlich Aktivitäten der Europäische Kommission, die mehrere
Male die Veröffentlichung eines Vorschlags für die Richtlinie angekündigt hatte.
Im Verlauf des gesamten IP-Enforcement-Kon ikts wurde über die Claims der
Fürsprecher geringfügig häu ger berichtet, als über die Claims der Gegner
(51,1% vs. 42,6 % bei 6,3 % neutralen Akteuren).
Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf des Claims-Making in beiden Konfl ikten
Im Kon ikt um Softwarepatente traten die Gegner der Direktive deutlich früher
in Erscheinung. Bereits im Juli 1999 wurde über die ersten Claims gegen die vor-
geschlagene Direktive in den Zeitungen berichtet. Die Gegner blieben während
des gesamten Kon ikts sehr sichtbar. 58,1 Prozent der berichteten Claims kamen
von Seiten der Gegner, nur 35,4 Prozent von Seiten der Unterstützer der Direkti-
ve. Die verbleibenden 6,5 Prozent der Claims waren entweder neutral oder ambi-
valent. In beiden Fällen war die Akteursgruppe, die häu ger in den Medien in
Erscheinung trat im Kon ikt letztendlich erfolgreich. Die Gegner der Softwarepa-
tente verhinderten die Direktive, während die Befürworter der IP-Enforcement-
Richtlinie im anderen Fall erfolgreich waren.
Der zeitliche Verlauf deutet schon darauf hin, dass der Kon ikt um die Soft-
warepatente tatsächlich ein politischer Kon ikt war, der in signi kantem Umfang
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auch in der Öffentlichkeit verhandelt worden ist, während der Kon ikt um die
IP-Enforcement-Richtlinie im Grunde ein Lobbying-Kon ikt blieb, und nur gegen
Ende zu einem öffentlich sichtbaren politischen Kon ikt wurde.
Um über diese strukturellen Charakteristika hinaus ein detaillierteres Bild der
Kon ikte zu gewinnen, werde ich im Folgenden zwei Aspekte des Claims-Making
näher analysieren: Welche Akteure waren mit welchen Positionen am Kon ikt
beteiligt, und welche Frames wurden benutzt um den Forderungen und Handlun-
gen Nachdruck zu verleihen?
4.1. Akteure
Welche Akteure waren in der Zeitungsberichterstattung über die beiden IP-Kon-
ikte präsent? In beiden Fällen waren Parlamentarier und politische Parteien des
Europäischen Parlaments die sichtbarsten Akteure. Sie waren für 18,8 Prozent der
Claims im Softwarepatente-Kon ikt und fast einem Drittel (29,2 %) der Claims
im Kon ikt um die IP-Enforcement-Richtline verantwortlich. Im Gegensatz dazu
spielte die Kommission mit einem Anteil von 5,6 Prozent bzw. 8,3 Prozent eine
deutlich geringere Rolle.
Wie zu erwarten war ging mit der größeren Intensität des Softwarepatente-
Kon ikts auch eine größere Zahl von Akteuren einher. Zwei Gruppen sind dabei
besonders interessant: Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) und Rechtsan-
wälte. Dass eine so große Zahl von Anwälten im Kon ikt auftrat, ist Ausdruck
ihres Expertenstatus’, denn vor diesem Kon ikt wurden Softwarepatente im All-
gemeinen als ein hochspezialisiertes Feld des Patentrechtes angesehen. Die Tatsa-
che, dass ein bisher als juristisch de niertes Thema zu einem Feld explizit politi-
scher Auseinandersetzung wurde ist an sich schon bemerkenswert.
Die starke Beteiligung der KMUs ist das charakteristische Element des Soft-
warepatente-Kon ikts. Der Widerstand gegen die Direktive wurde hauptsächlich
von Programmieren und IT-Fachleuten organisiert, die selbständig oder in kleinen
und mittleren Unternehmen beschäftigt waren. Sie setzten sich erfolgreich in den
Europäischen und nationalen KMU-Unternehmensverbänden für ihr Anliegen ein,
so dass diese sich ebenfalls gegen die Richtlinie positionierten.
Wie in Tabelle 2 zu sehen ist, waren die KMUs die einzige relevante Akteurs-
gruppe, für die nur gegen die Richtlinie gerichtete Claims in den Artikeln auf-
tauchten. Die Versuche der European Information & Communications Technolo-
gy Industry Association (EICTA) und der Business Software Alliance (BSA),
KMUs zugunsten der Richtlinie zu mobilisieren waren in Hinblick auf die Presse-
berichterstattung nicht erfolgreich.6 Die einzigen anderen Akteursgruppen, die
eindeutig nur einer der Pole zuzuordnen waren, waren eine Reihe nationaler Par-
lamente, die sich gegen die Richtlinie stellten, und der Rat der EU, der für die
6 Im Juni 2005 veröffentlichten 56 KMUs (SMEs) ein »SME Manifesto on Patents for computer-
implemented inventions« (http://w3.cantos.com/05/eicta-504-0arfg/documents/SME_manife-
sto_0106.pdf). Es erwähnt die EICTA nicht im Text, aber die Webseite, auf der es verfügbar ist
und unterzeichnet werden kann, wird von der EICTA und ihren Mitgliedsunternehmen – ohne
Ausnahme große IT-Firmen – betrieben (http://w3.cantos.com/05/eicta-504-0arfg/cii.php?page=
aboutus).
11
Haunss | Innovation oder Piraterie?
Tabelle 2: Im Softwarepatente-Konfl ikt präsente Akteure
Akteur Berichtete Claims
Pro Contra NeutralProzent Anzahl
Europäisches Parlament 18,8 54 12 41 1
Zivilgesellschaftliche Organisationen 11,8 34 2 32 0
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 11,8 34 0 34 0
Große Konzerne 10,1 29 21 5 3
Industrieverbände 10,1 29 19 8 2
Nationale Regierungen 8,0 23 8 11 4
Anwälte 6,6 19 11 4 4
Nationale Politiker 5,6 16 1 14 1
Europäische Kommission 5,6 16 16 0 0
Wissenschaftler 4,5 13 1 9 3
Medien und Journalisten 2,8 8 1 7 0
Rat der EU 1,7 5 5 0 0
Patentämter 1,4 4 1 0 3
Nationale Parlamente 1,0 3 0 3 0
Summe 100* 287 98 168 21
* Fehler durch Rundung auf eine Nachkommastelle
Richtlinie war – aber beide spielten in der Berichterstattung keine nennenswerte
Rolle (unter 2 %). Von den Akteuren, die für den öffentlichen Diskurs relevant
waren, unterstützte nur die Europäische Kommission einstimmig die Direktive.
Die anderen Akteursgruppen waren gespalten, auch wenn sich einige deutlich
stärker für die Richtlinie positionierten als andere. Dies zeigt Abbildung 2, hier
sind die Akteursgruppen entsprechend ihrer aggregierten Position im Kon ikt auf
einer Skala von -1 (strikte Ablehnung) bis +1 (strikte Zustimmung) abgetragen.
Klar hervor tritt in dieser Darstellung ein größeres Cluster von Gegnern mit Wer-
ten zwischen -1 und -0,5 auf der Positionsskala, die zusammen etwa die die Hälfte
der in der Presse erwähnten Akteure repräsentieren (56 %). Am anderen Ende der
Skala sind Rat, Kommission, Anwälte, Industrieverbände und eine Reihe einzelner
großer Konzerne als Unterstützer der Richtlinie zu  nden. Zu beachten ist aller-
dings, dass selbst die Großunternehmen nicht einstimmig für die Richtlinie waren.
Betrachtet man nicht Akteursgruppen, sondern einzelne Akteure, dann zeigt sich,
dass der wichtigste Einzelakteur im Softwarepatente-Kon ikt FFII war, der für
5,8 Prozent der Claims verantwortlich war. EITCA (4,0 %), der sozialistische
Europaparlamentarier und ehemalige Französische Ministerpräsident Michel Ro-
card (3,6 %), der Lobbyist und Aktivist Florian Müller (2,5 %), und der damalige
EU Kommissar Frits Bolkestein (2,5 %) sind andere herausragende Einzelakteure,
die zusammen für etwas weniger als ein Fünftel (18 %) aller veröffentlichten
Claims verantwortlich waren. Interessanterweise zeigen sich hier deutliche Diffe-
renzen zwischen den Ländern: FFII wird in der französischen Presse überhaupt
12 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
Abbildung 2: Akteurspositionen im Softwarepatente-Konfl ikt
Anmerkung: Die Positionen der Akteursgruppen auf der Skala repräsentieren den Mittelwert der Posi-
tionen der Akteure des jeweiligen Typs. Beispielsweise traten Wissenschaftler insgesamt 13 mal als
Claims-Maker auf, davon 1 mal die Richtlinie unterstützend, 9 mal mit gegen die Richtlinie gerichteten
Claims und 3 mal mit neutralen oder ambivalenten Claims. Das führt zu einem Gesamtwert von -0,62
((1 x 1 + 9 x -1) / 13).
nicht erwähnt, ist jedoch für 10 Prozent der Claims in den deutschen Zeitungen
verantwortlich. Michel Rocard wird demgegenüber in Deutschland nur einmal
erwähnt, ist aber für 10 % der Claims in Frankreich verantwortlich. EICTA ist in
Frankreich und Deutschland unbedeutend, in Polen und Großbritannien für 6,4
bzw. 10 Prozent der Claims verantwortlich.
Im Fall der IP-Enforcement-Richtlinie zeigt sich ein polarisierteres Bild. Fünf
Akteursgruppen dominieren die Berichterstattung: Europaparlamentarier, zivilge-
sellschaftliche Organisationen, Industrieverbände, die Europäische Kommission
und drei große Konzerne (British Telecom, Telecom Italia und Nokia). Interessan-
terweise sprachen sich die Konzerne, die alle aus dem Kommunikationssektor
stammen, alle gegen die Richtlinie aus, während die Industrieverbände – in die-
sem Fall hauptsächlich aus dem Musik- und IT-Sektor – die Richtlinie klar unter-
stützen. Der Industrieverband ETNO, der die Telekommunikationsindustrie auf
europäischer Ebene vertritt, wurde in den Zeitungen nie erwähnt, obwohl er aktiv
versucht hatte, die Richtlinie zu verhindern.
Ein Blick auf die Positionen der Akteursgruppen (Abblidung 3) zeigt für den
IP-Enforcement-Kon ikt praktisch nur zwei sich diametral gegenüberstehende
Cluster. Anders als im Softwarepatente-Kon ikt sind die meisten Akteure – mit
Ausnahme der Mitglieder des EPs – entweder entschieden für oder gegen die
Richtlinie.7
Das Gewicht der verschiedenen Akteure im öffentlichen Diskurs spiegelt auch
deren unterschiedlichen Strategien wider. Die Industrieverbände und die großen
Konzerne konzentrierten ihre Bemühungen anfangs auf die traditionellen Kanäle
des Lobbying. Sie versuchten Ein uss auf den Entwurfs- und Beratungsprozess
7 Das Britische Patentamt ist nur deswegen nicht auf der Seite der Unterstützer, weil über einen sei-
ner zwei Claims relativ ambivalent berichtet wurde.
13
Haunss | Innovation oder Piraterie?
Tabelle 3: Im IP-Enforcement-Konfl ikt präsente Akteure
Akteur Berichtete Claims
Pro Contra NeutralProzent Anzahl
Europäisches Parlament 29,2 14 9 5 0
Zivilgesellschaftliche Organisationen 27,1 13 0 13 0
Industrieverbände 14,6 7 7 0 0
Europäische Kommission 8,3 4 4 0 0
Große Konzerne 6,3 3 0 3 0
Patentämter 4,2 2 1 0 1
Nationale Regierungen 4,2 2 2 0 0
Wissenschaftler 4,2 2 0 2 0
Nationale Politiker 2,1 1 1 0 0
Summe 100* 48 24 23 1
* Fehler durch Rundung auf eine Nachkommastelle
der Richtlinie auszuüben und später wichtige Mitglieder des Parlaments zu beein-
ussen.8 Die zivi lgesellschaftlichen Organisationen, die in der Entwurfsphase kei-
nen Zugang zur Kommission  nden konnten, setzten stärker auf die Medien.
Diese wiederum fokussierten vor allem auf die EuropaparlamentarierInnen, die –
ebenso wie der Rat – Entscheidungsmacht hatten, jedoch deutlich zugänglicher
waren als letzterer.
Abbildung 3: Akteurspositionen im IP-Enforcement-Konfl ikt
Anmerkung: Die Positionen der Akteursgruppen auf der Skala repräsentieren den Mittelwert der Posi-
tionen der Akteure des jeweiligen Typs. Beispielsweise trat das Europäische Parlament insgesamt 14
mal als Claims-Maker auf, davon 9 mal die Richtlinie unterstützend und 5 mal mit gegen die Richtlinie
gerichteten Claims. Das führt zu einem Gesamtwert von 0,28 ((9 x 1 + 5 x -1) / 14).
8 David Ellard, interviewt von Sebastian Haunss & Lars Kohlmorgen, Brüssel, 5.12.2006, Interview
1, Transkript; Yolanda Smits interviewt von Sebastian Haunss & Lars Kohlmorgen, Brüssel,
5.12.2006, Interview 2, Transkript.
14 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
Durch die geringe Anzahl von Claims ist ein Vergleich zwischen den vier Ländern
weniger verlässlich als im Fall der Softwarepatente. In Polen wurde über den
Kon ikt in der Presse praktisch nicht berichtet. Nur in einem Artikel fand sich ein
Claim bezüglich der IP-Enforcement-Richtlinie. Da der Kon ikt vor der EU-Er-
weiterung – und damit vor Polens Eintritt in die EU – beendet wurde, ist dies
nicht weiter überraschend. Es gab geringfügig mehr Artikel über den Kon ikt in
der britischen und französischen Presse als in der deutschen (18, 17 und 11
Claims). Dies steht in deutlichem Gegensatz zur Situation im Softwarepatente-
Kon ikt, wo die deutsche Presse 123 der insgesamt 277 Claims beigesteuert hatte
(GB: 56, F: 55, PL: 42).
Basierend auf dieser begrenzten Datenbasis waren die bedeutendsten Einzelak-
teure im IP-Enforcement-Kon ikt die französische Europaparlamentarierin und
Bericherstatterin des EPs, Jannelly Fourtou, der damalige Binnenmarkt-Kommis-
sar Frits Bolkestein, die deutsche Europaparlamentarierin Angelika Niebler, sowie
die zivilgesellschaftlichen Organisationen Foundation for Information Policy Re-
search (FIPR) und IP Justice, die alle dreimal in den Nachrichten erwähnt wur-
den. Wieder sind nationale Unterschiede auffällig: Fourtou und Niebler waren
nur in ihren jeweiligen Heimatländern in der Presse präsent, Bolkesteins Claims
wurden nur in Frankreich berichtet und über die Claims der zwei Nichtregie-
rungsorganisationen (NGOs) FIPR und IP Justice wurde nur in Großbrittanien
(FIPR) und Deutschland (IP Justice) berichtet.
An den Kon ikten beteiligt waren nicht nur Wirtschaftsinteressen und Rechts-
experten sondern auch zivilgesellscha tiche Gruppierungen. FFII ist dabei ein in-
teressanter Zwischen-Fall. Seine Mitglieder sind Einzelpersonen, die zum größe-
ren Teil selbständige Softwareentwickler oder Eigentümer kleinerer oder mittlerer
Unternehmen im IT-Bereich sind. FFII beansprucht die Wirtschaftsinteressen sei-
ner Mitglieder sowie kleinerer und mittlerer IT-Unternehmen im Allgemeinen zu
vertreten, ist aber kein Wirtschaftsverband im traditionellen Sinne, sonder ähnelt
in seinen internen Strukturen und Aktionsformen eher einer NGO – ist also ein
Hybrid aus Wirtschaftsverband und NGO.
Im IP-Enforcement-Kon ikt waren Mitglieder des EP, Frits Bolkestein und eini-
ge zivilgesellschaftliche Organisationen die wichtigsten Claims-Maker. Hier ist
insbesondere ein Aspekt interessant: Die wichtigste Organisation der Befürworter
(IFPI) und das mit ihr verbundene Netzwerk (»Anti-Piracy Coalition«) erschienen
nur einmal im Mediendiskurs. Aus Interviews mit Schlüsselakteuren und aus einer
Netzwerkanalyse der beiden Kon ikte (Haunss u. Kohlmorgen 2010) geht jedoch
hervor, dass IFPI eine wichtige Rolle b ei der Formulierung des Entwurf der IP-
Enforcement-Richtline gespielt hat und enge Kontakte mit Mitgliedern des EP
und der Kommission hatte.9 IFPIs Arbeit war sehr effektiv, aber offensichtlich
verließ sich der Interessenverband der Musikindustrie auf traditionelle Formen
des Lobbying, also auf direkte, nicht-öffentliche Wege der Interessenvertretung,
um den Entscheidungsprozess zu beein ussen. Ein weiteres wichtiges oppositio-
nelles Netzwerk (ETNO) erschien gar nicht in den Medien, und während die
9 Interview 2, siehe FN 8.
15
Haunss | Innovation oder Piraterie?
Netzwerkanalyse und Experteninterviews gezeigt haben, dass die European Digi-
tal Rights Initiative (EDRi) der zentrale Akteur innerhalb des Netzwerkes der zi-
vilgesellschaftlichen Organisationen ist, wurde nur über zwei Claims der EDRi in
den Zeitungen berichtet. Offenbar war EDRi trotz eines extra für die Lobbyarbeit
gegen die IP-Enforcement-Richtlinie eingestellten ehemaligen Journalisten nicht
sehr erfolgreich darin, ihre Claims in den Medien zu platzieren.
4.2. Framing
Bis hier konzentrierte sich die Analyse auf die Charakteristika der an den beiden
Kon ikten beteiligten Akteure. Im Folgenden werden die Frames näher unter-
sucht, die die Akteure benutzt haben, um ihre Claims zu begründen. Zunächst ist
festzuhalten, dass in beiden Fällen für ungefähr ein Drittel der Claims (SWPAT:
31.4 %, IPRED 1: 29.8 %) keine Frames berichtet wurden, d.h. keine Begründun-
gen für Forderungen oder Handlungen von Akteuren in der Berichterstattung zu
nden waren. Auf der anderen Seite wurden in den Artikeln in ungefähr 40 Pro-
zent der Fälle mehr als ein Frame für den gleichen Claim angeführt. Insgesamt
enthält der Datensatz daher für den Softwarepatente-Kon ikt 291 Fälle in denen
artikulierte Frames berichtet wurden und 50 Fälle für den IP-Enforcement-
Kon ikt. Auch in dieser Hinsicht unterscheiden sich die beiden Konflikte also
deutlich.
Wie schon bei den Akteurspositionen zeigt eine Aggregation der Nutzung be-
stimmter Frames durch Gegner und Befürworter der Direktiven die Häu gkeit
der Benutzung einzelner Frames, und lässt erkennen, ob einzelne Begründungs-
und Interpretationsmuster nur von einer der beiden Kon iktparteien genutzt wur-
den, oder ob beide Seiten zur Begründung ihrer Claims auf die gleichen Frames
zurückgegriffen haben.
Abbildung 4 zeigt, dass der Kon ikt um die IP-Enforcement-Richtlinie durch
den Kriminalitäts-Frame dominiert wurde, mit dem 29,2 % der Claims begründet
wurden und der nur von den Befürwortern der Direktive benutzt wurde. Das
Thema Kriminalität funktionierte als Master-Frame, der die unterschiedlichen
Interessen der Musik- und Filmindustrie, großer Software rmen und Luxusgüter-
hersteller vereinigte. Argumentiert wurde, dass die Richtlinie auf den Kampf
gegen Produktpiraterie ziele und notwendig sei, um die Konsumenten vor ge-
fälschten Gütern zu schützen.
Die Gegner konnten diesen Master-Frame in ihrer eigenen Argumentation
nicht benutzen. Auf ihren Internetseiten und in ihren Publikationen argumentier-
ten einige der Gegner, die IP-Enforcement-Richtlinie würde normale, unschuldige
Bürger kriminalisieren, die nur ihre Musik mit ihren Freunden teilen wollten. In
einer Umkehrung des Kriminalitäts-Frames wurde also versucht, die Richtlinie
nicht als Schutz vor Kriminalität, sondern als Mittel zur Kriminalisierung un-
schuldiger Bürger zu interpretieren. Diese Umkehrung als Kriminalisierungs-
Frame wurde allerdings in der Berichterstattung in den Zeitungen nicht aufgegrif-
fen. Argumentationen, die in diese Richtung gingen, wurden größtenteils unter
den Bürgerrechte-Frame subsumiert.
16 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
Das Argument, dass Fälschungen und Produktpiraterie hohe Kosten für Unter-
nehmen und ganze Ökonomien produzieren, konnte von den Gegnern der Direk-
tive nicht in ihrem Sinne umgedreht werden. Statt sich also am Kriminalitäts-
Frame abzuarbeiten, konzentrierten sich die Gegner darauf alternative Frames zu
konstruieren, die Konsumenten- und Bürgerrechte in den Mittelpunkt stellten.
Diese Frames tauchten in 8,3 Prozent bzw. 12,5 Prozent der Aussagen auf, kamen
also lange nicht an die Bedeutung des Kriminalitäts-Frames heran. Während die
Interpretationsrahmen Kriminalität und Harmonisierung exklusiv von den Befür-
wortern der Direktive genutzt wurden, war der einzige Frame, der ausschließlich
von den Gegner der Richtlinie benutzt wurde der Demokratische-Verfahren-
Frame, mit dem vorwiegend EuropaparlamentarierInnen die Auswahl der Bericht-
erstatterin kritisierten, und der insgesamt eine untergeordnete Rolle spielte.10
Abbildung 4: Position der Frames in den beiden Konfl ikten
Anmerkung: Die Positionen der Frames auf der Skala repräsentieren den Mittelwert der Positionen des
jeweiligen Frames. Der Forschungs- und Entwicklungs-Frame wurde beispielsweise im Softwarepaten-
te-Konfl ikt 19 mal verwandt, davon 6 mal in einer Argumentation gegen die Richtlinie, 12 mal, um für
die Richtlinie zu argumentieren, und 1 mal neutral oder ambivalent, was zu einem Durchschnittswert
von +0,32 führt ((12 x 1 + 6 x -1) / 19).
10 Kritisiert wurde, dass die Privatinteressen der französichen MEP Janelly Fourtou, der Ehefrau von
Jean-René Fourtou, dem damaligen CEO des Unterhaltungskonzerns Vivendi-Universal, Auswir-
kungen auf ihre Rolle als Berichterstatterin für die Richtlinie haben könnten.
17
Haunss | Innovation oder Piraterie?
Überraschend ist, dass im IP-Enforcement-Kon ikt der Frame Kultur in der Be-
richterstattung nicht auftauchte, insbesondere da IFPI, der Interessenverband der
Musikindustrie, als Hauptakteur im Kon ikt auftrat. In Experteninterviews be-
richteten eine Reihe von Akteuren, die in den Kon ikt involviert waren, dass in
ihrer Wahrnehmung das Argument, dass die Richtlinie (europäische) Kultur und
Künstler schützen würde,
11
eine bedeutsame Rolle gespielt habe. Im öffentlichen
Diskurs fand dieser Frame aber offensichtlich keine Resonanz.
Insgesamt ist festzuhalten, dass es im IP-Enforcement-Kon ikt den Gegnern
nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Interpretationsrahmen herzustellen und
sich auf eine gemeinsame politische Strategie zu einigen. Es gab keinen oppositio-
nellen Master-Frame, der in der öffentlichen Debatte hätte überzeugen können
und der die Bildung eines kollektiven Akteurs mit einer mehr oder weniger kon-
sistenten kollektiven Identität ermöglicht hätte. Das Framing der zwei relevanten
Netzwerke der Richtliniengegner (zivilgesellschaftliche Organisationen und In-
dustrie-Akteure) blieb unverbunden und jeder Frame für sich war nicht in der
Lage, die allgemeine Öffentlichkeit und die Mehrheit der EntscheidungsträgerIn-
nen zu überzeugen. Dies ist einer der Gründe für das Scheitern des Versuchs die
IP-Enforcement-Richtline zu verhindern.
Die Positionierung der Frames im Softwarepatente-Kon ikt unterscheidet sich
deutlich von der des IP-Enforcement-Kon ikt. In Abbildung 4 lässt sich sehen,
dass die Frames im Softwarepatente-Kon ikt wesentlich umkämpfter waren als in
dem anderen Kon ikt, was auf eine deutlich lebhaftere öffentliche Debatte hin-
weist.
Anders als im IP-Enforcement-Kon ikt, wo die einzelnen Argumente im We-
sentlichen nebeneinander standen, griffen im Softwarepatente-Kon ikt die betei-
ligten Akteure jeweils die Argumente der Gegenseite auf und versuchten sie ent-
sprechend ihrer eigenen Ziele umzudeuten. Schaut man sich die am häu gsten
genutzten Frames an, die zusammen fast zwei Drittel der genutzten Frames aus-
machen, kann man sehen, dass der Kon ikt vorwiegend als ökonomische Frage
gerahmt wurde. Von den in Abbildung 4 dargestellten relevanten Frames bezieht
sich nur der Demokratische-Verfahren-Frame nicht auf die Ökonomie.
Im Einzelnen wurde in 17,9 Prozent der Fälle auf die Wettbewerbsfähigkeit der
KMUs rekurriert. Gegner und Unterstützer die Direktive benutzten beide diesen
Frame (kontra: 36; neutral: 3, pro: 13) – allerdings mit entgegengesetzter Bedeu-
tung. Die Gegner (z.B. Softwareentwickler, KMUs und einige MEPs) behaupteten,
dass die Richtlinie europäische KMUs gefährden würde, da diese weder das Wis-
sen noch die Ressourcen hätten, um das Patentsystem zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Die Befürworter auf der anderen Seite (große Konzerne, europäische und nationa-
le Wirtschaftsverbände und wiederum einige MEPs) argumentierten, dass KMUs
von der Richtlinie pro tieren würden, da Patente auf computer-implementierte
Er ndungen für sie ein Aktivposten sein würde, der ihnen erlauben würde, Risi-
kokapital zu einzuwerben. Wie wichtig der argumentative Bezug auf die KMUs
im Verlauf des Kon ikts war, zeigte die oben erwähnte Mobilisierung von KMUs
11 Interview 1 & 2, siehe FN 8; Michel Rocard, interviewt von Sebastian Haunss, 7. Januar 2007,
Interview 9, Transkript.
18 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
durch die den Technologieverband EICTA, der in der letzten Phase des Kon ikts
56 KMUs dazu brachte, ein Positionspapier für die Richtlinie mit zu unterzeich-
nen. Die im Rahmen des Forschungsprojekts geführten Interviews bestätigen, dass
bis zu einem sehr späten Zeitpunkt weder die Kommission noch die Befürworter
der Richtlinie die KMUs argumentativ und als politischen Faktor ernst genom-
men hatten.12
Der am zweithäu gsten genutzte Frame im Softwarepatente-Kon ikt war der
Frame Innovation und Wissenstransfer (14,1 %). Auch dieser Frame war sehr
umkämpft, auch hier versuchten beide Seiten unter Verweis auf die Förderung
von Innovation und Wissenstransfer ihre jeweiligen Claims zu untermauern
(23:1:17). Die Gegner der Richtlinie verbanden diesen Frame in der Regel mit
dem KMU-Frame, indem sie argumentierten, dass KMUs Eckpfeiler der Innovati-
on in Europa seien, und dass Softwarepatente, die die KMUs benachteiligen wür-
den, negative Auswirkungen auf Innovationen in Europa hätten. Die andere Seite
folgte hauptsächlich der konventionellen Argumentation des ökonomischen und
rechtlichen Mainstreams, dass nämlich ein starker Schutz geistigen Eigentums im
Allgemeinen und Patentschutz im Besonderen notwendig wären, um Investitionen
in Innovationen zu schützen. Patente auf computer-implementierte Innovationen
wären daher ein entscheidender Faktor für Innovationen in Europa. Derartige
Patente in Europa nicht anmelden zu können, würde große Firmen davon abhal-
ten, in Europa zu investieren und hätte Wettbewerbsnachteile für europäische Un-
ternehmen und die gesamte europäische Ökonomie zur Folge. Dies würde den
Verlust vieler Arbeitsplätze bedeuten.
In diesen Argumentationsketten lässt sich erkennen, dass die beiden Frames
Wettbewerbsfähigkeit von KMUs und Innovation jeweils unterschiedlich gedeutet
und durch das Hinzufügen von und die Verbindung mit anderen Frames versucht
wurde den Interpretationskontext zu ändern. Dies ist ein spezieller Fall von »frame
ampli cation« (Snow et al. 1986), d.h. die Bedeutung des Frames wird durch das
Hinzufügen weiterer Elemente und/oder eine Rekontextualisierung erweitert.
Die Umkämpftheit von Frames, dass also beide Seiten versucht haben, jeweils
eine in ihrem Sinne günstige Interpretation der Frames durchzusetzen, ist charak-
teristisch für den Softwarepatente-Kon ikt. Der einzige relevante13 Frame, der
ausschließlich von einer Seite der Kon iktparteien genutzt wurde, war der Open
Access/Open Source Frame. Dieser Frame kann als Versuch einiger Softwarepa-
tente-Gegner verstanden werden einen Alternativ-Frame vergleichbar zu den im
IP-Enforcement-Kon ikt genutzten zu konstruieren. Der Open Source Frame hat
einige Relevanz für die internen Diskussionen der Patent-Gegner gehabt,
14
im Ge-
12 Interview 1, siehe FN 8.
13 Nur Frames, die in 3 oder mehr Prozent der Fälle genutzt wurden, wurden als relevant klassi -
ziert.
14 Thomas Eimer (2007) unterscheidet innerhalb des Lagers der Gegner zwei konzeptuelle Ansätze,
wie Software zu behandeln sei: Während FFII einen Klubgut oder Open Source-Ansatz bevorzugt,
der den Softwareentwicklern einige Rechte sichert, setzen sich andere relevante Organisationen,
wie die Free Software Foundation (FSF) für die Idee freier Software als öffentlichem oder Gemein-
schaftsgut ein. Dieser Ansatz erweitert die weitgehend ökonomische Perspektive auf den Kollektiv-
güter-Ansatz und nimmt politische und ideologische Argumente auf, die kapitalismus- bzw. neoli-
berlismus-kritisch sind. Dieser Unterschied spielte in der Kampagne jedoch keine bedeutsame Rolle.
19
Haunss | Innovation oder Piraterie?
samtkon ikt stand jedoch das Argument, dass Open Source Software unterstützt
werden solle und eine europäische IP-Politik Open Access Systeme fördern solle,
zu sehr nur für die Partikularinteressen einer spezi schen Gruppe und hatte im
öffentlichen Diskurs nur begrenzte Bedeutung.15
Die Monopol- und Demokratie-Frames wurden ebenfalls ausschließlich von den
Gegnern der Richtlinie genutzt. Letzerer hauptsächlich von MEPs, als nach der
ersten Lesung im Parlament die Kommission und später der Rat die Änderungsan-
träge des Parlaments an der Richtlinie vollständig ignorierten und als erst die iri-
sche, dann die niederländische und schließlich die luxemburgische Ratspräsident-
schaft versuchte die Richtlinie ohne Diskussion im Rat passieren zu lassen. Die
relative Stärke des Demokratie-Frames (6,5 %) macht deutlich, dass der Kon ikt
auf einer Ebene auch ein interinstitutioneller Machtkampf zwischen Rat, Kommis-
sion und Parlament war, in dem das Parlament versuchte seine neu gewonnenen
Entscheidungsrechte im Mitentscheidungsverfahren zu verteidigen. Der Demokra-
tie-Frame war vor allem in der Endphase des Kon ikts, zwischen März und Juli
2005 relevant. Mit seiner Hilfe lässt sich auch erklären, warum einige MEPs so
zurückhaltend waren, die gemeinsame Position des Rats in der zweiten Lesung
einfach passieren zu lassen – manchmal unabhängig von ihrer eigenen inhaltlichen
Position gegenüber der Patentierbarkeit von Software. Der Demokratie-Frame hat
inhaltlich ursprünglich keinen Bezug zu Softwarepatenten, er ist ein Legitimitäts-
Frame, der sich auf den Entscheidungsprozess bezieht und wurde erst im Rahmen
der Auseinandersetzung mit anderen Frames, die unmittelbar Fragen der Patentier-
barkeit und Patentwürdigkeit von Software thematisieren, kombiniert. Dies ist ein
Beispiel für ein “frame bridging”, ein Prozess, der die Verbindung zweier struktu-
rell unverbundener Frames beschreibt (Snow et al. 1986).
Der Frame Forschung und Entwicklung wurde auf der anderen Seite hauptsäch-
lich von Befürwortern der Direktive verwendet, die argumentierten, dass Patente
notwendig wären um die Ausgaben der Forschungs- und Entwicklungsprozesse
wieder einzuspielen. Als die Opponenten diesen Frame aufnahmen, argumentierten
sie vor allem, dass Softwarepatente Forschung verhindern würden, weil dadurch
sequenzielle Innovation, der im Bereich der Softwareentwicklung dominante Inno-
vationsmodus, erschwert oder zumindest stark verteuert würde.
Insgesamt wird in der Analyse deutlich, dass die Softwarepatent-Gegner erfolg-
reich das Thema umgedeutet haben, das ursprünglich von der Europäischen Kom-
mission als Angelegenheit der Harmonisierung, europäischer Wettbewerbsfähigkeit
und Innovation gerahmt worden war. Im Verlauf des Kon ikts traten diese Frames
zugunsten der Frames Wettbewerbsfähigkeit von KMUs und Innovation und Wis-
senstransfer in den Hintergrund. Der Frame Innovation, der ursprünglich von der
Kommission und auch von den großen Konzernen genutzt worden war, wurde von
15 Es ist eigentlich interessant, dass die Europäische Kommission den Open Source/Open Access
Frame nicht genutzt hat, da er gut zu ihrer eigenen Argumentation im Monopolrechtsverfahren
gegen Microsoft gepasst hätte, in dem die Kommission im März 2004 Microsoft mit einer Strafe
von 497 Mio. € belegt hatte, nachdem die Firma der Aufforderung nicht nachgekommen war, die
Interface-Informationen offenzulegen, die für andere Wettbewerber notwendig sind, um ihre
Medien-Player-Software in die Windows-Desktop-Umgebung zu integrieren – ein klassischer
Open Access-Fall.
20 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
FFII und anderen dahingehend um-interpretiert, dass Innovation nicht durch
Großkonzerne und Patente, sondern durch KMUs und einzelne Softwareentwick-
ler gefördert und daher durch die Softwarepatent-Richtlinie bedroht werde.
5. Schlussfolgerung
Die Political Claims Analyse legt den öffentlich sichtbaren Teil eines komplexen
Claims-Making-Prozesses offen, der zwei europäische Entscheidungsprozesse um
Fragen geistigen Eigentum begleitet hat. Dabei zeigen beide Kon ikte einen her-
vorstechenden Unterschied: Der Softwarepatente-Kon ikt spielte sich ganz we-
sentlich in der Öffentlichkeit ab, während der Kon ikt um die IP-Enforcement-
Richtlinie hauptsächlich ein Lobbying-Kon ikt blieb. Die Herstellung von
Öffentlichkeit war ein wichtiger Faktor für die formal schwächeren Akteure der
Softwarepatente-Gegner, um ihre Interessen erfolgreich zu verfolgen und um Ein-
uss auf den Entscheidungsprozess nehmen zu können.
Darüber hinaus zeigt die Analyse, wie wichtig Framing-Prozesse auf zwei Ebenen
sind:
1. Auf der inter- und intra-organisationellen Ebene sind Collective Action
Frames notwendig, um eine kohärente Interpretation der Ursachen und der
Verantwortlichen des Problems und eine koordinierte Handlungsstrategie zu
entwickeln.
2. In der öffentlichen Sphäre bestimmt die Resonanz eines Frames sein Potenzial
hegemonial zu werden und Entscheidungsträger zu beein ussen, die von der
öffentlichen Meinung abhängig sind – in diesem Fall hauptsächlich die MEPs.
Im Fall der IP-Enforcement-Richtlinie gelang es den Befürwortern einen erfolgrei-
chen Master-Frame zu konstruieren, der hegemonial wurde: Kern ihrer Argumen-
tation war, dass die Richtlinie auf “den Kampf gegen Kriminalität und Produktpi-
raterie” zielte. Dieser Master-Frame wurde von der Mehrzahl der Akteure als
angemessene Interpretation akzeptiert, und dementsprechend wurde die Richtli-
nie als passendes Instrument gesehen, um das Problem der Produktpiraterie zu
lösen. Sogar einige MEPs des linken Flügels stimmten diesem Frame und seiner
Problemlösungsstrategie zu.
Der Blick auf das gegnerische Lager zeigt, dass es dort nicht gelungen ist das
Framing der zwei relevanten Akteursgruppen zu verbinden. Es gelang nicht, einen
oppositionellen Master-Frame zu etablieren, der den unterschiedlichen Interessen,
die IP-Enforcement-Richtlinie zu verhindern, Rechnung getragen hätte. Statt des-
sen hat jede Gruppe ihren eigenen oppositionellen Frame propagiert, der den
Kon ikt als Verbraucherangelegenheit, Frage der Bürgerrechte, des freien Zu-
gangs zu Informationen etc. interpretierte. Aber die Frames der jeweiligen Sub-
Netzwerke waren allein nicht in der Lage dem hegemonialen Frame der Befür-
worter im diskursiven Feld etwas entgegenzusetzen. Während das Argument der
zivilgesellschaftlichen Organisationen – die IP-Enforcement-Richtlinie würde Bür-
gerrechte bedrohen und unschuldige Bürger betreffen – zumindest einen gewissen
Erfolg bei einigen MEPs hatte, spielte die Argumentation der Telekommunika-
21
Haunss | Innovation oder Piraterie?
tions rmen und Generikaproduzenten nur eine marginale Rolle und wurde von
anderen Akteuren nicht aufgenommen.
IPRED 1 war ein klarer Fall einer versagenden Counter-Framing-Strategie, bei
der versucht wurde dem dominanten Frame einen alternativen Frame entgegenzu-
stellen. Die Gegner waren nicht in der Lage den hegemonialen Kriminalitäts-
Frame umzudeuten und gleichzeitig waren ihre eigenen Versuche ihre jeweiligen
oppositionellen Frames zu etablieren nicht erfolgreich.
Im Gegensatz dazu ist der Kon ikt um die Softwarepatent-Richtlinie ein gutes
Beispiel für eine erfolgreiche Re-Framing-Strategie. Die Gegner der Richtlinie
konzentrierten ihre Kräfte nicht darauf, einen konsistenten Alternativ-Frame ge-
gen den dominanten Frame in Stellung zu bringen, sondern verschoben die Bedeu-
tung des ursprünglichen Frames der Kommission (Innovation, Harmonisierung,
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft) erfolgreich und stellten ihn
damit gewissermaßen auf den Kopf. Die Gegner bekräftigten die Notwendigkeit
von Innovationen und einer wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft, argu-
mentierten jedoch, dass die wichtigsten Akteure des europäischen IT-Sektors, und
damit Innovationsträger, die KMUs wären und dass nur eine Richtlinie, die effek-
tiv die Möglichkeit von Softwarepatenten verhindern würde, Innovationen lang-
fristig sichern könnte.
Der Verlauf dieses Kon ikts verkörpert einen diskursiven Machtkampf, in dem
beide Seiten kontinuierlich versuchen den Innovations-Frame so umzudeuten (zu
re-framen), dass er ihre jeweiligen Kerninteressen einschließen würde. Beide Ak-
teursgruppen griffen dabei auf Techniken des Frame-Bridging und der Frame-Am-
pli cation zurück. Versuche alternative Counter-Frames zu konstruieren, also die
Situtation “ganz anders” zu interpretieren, blieben marginal. Der Softwarepaten-
te-Kon ikt war weniger durch Kämpfe um die Etablierung eines hegemonialen
Frame geprägt sondern durch Versuche Frames in spezi scher Weise zu verbinden
um die umkämpften zentralen Frames interpretativ quasi auf die eigene Seite zu
ziehen. Ich schlage vor, diese Strategie “Frame-Bundling” zu nennen. Sie versucht
die Bedeutung eines Original-Frames zu ändern, indem er mit anderen Frames
verbunden wird, die den Inhalt des Gesamtpakets verschieben.
Letztendlich waren die Gegner der Softwarepatent-Richtlinie erfolgreicher in
dieser diskursiven Auseinandersetzung. Ihr Master-Frame, dass Innovation von
der Wettbewerbsfähigkeit der KMUs abhänge, die nur ohne Softwarepatente gesi-
chert werden könne, hatte das Potenzial verschiedene Akteursgruppen mit einer
gemeinsamen kollektiven Handlungsperspektive zu mobilisieren. In Verbindung
mit dem Demokratie-Frame mobilisierte er viele Unternehmen und Einzelperso-
nen, fand Resonanz im breiteren Sektor der KMUs und – was noch wichtiger ist
– bei vielen MEPs, die schließlich die Richtlinie gestoppt haben.
IP Enforcement als Antwort auf Piraterie erwies sich als robustes und letztlich
erfolgreiches Framing der Richtlinienbefürworter, dem die Gegner nichts ent-
gegenzusetzen hatten. Im Softwarepatente-Kon ikt ist es den Richtliniengegner
dagegen gelungen den Innovations-Frame, mit dem die Kommission für die Ein-
führung von Softwarepatenten argumentiert hatte, umzudrehen und gegen Soft-
warepatente in Stellung zu bringen.
22 PVS, Sonderheft 46/2012
Diskursive Regulierung von Information
Das Outcome des IP-Enforcement Kon ikts ist konsistent innerhalb eines res-
sourcenbasierten Ansatzes zu erklären: Die besser ausgestattete Akteurskoalition
hat sich durchsetzen können, wobei die Ressourcendifferenz zwischen Unterhal-
tungsindustrie auf der einen Seite und Telekommunikations- und Generika-Indus-
trie auf der anderen allerdings vergleichsweise gering ist. Im Softwarepatente-
Kon ikt war die eindeutig ressourcenstärkere Fraktion nicht erfolgreich. Die
jeweils zwei Millionen Euro, die die beiden europäischen Technologie-Dachver-
bände unmittelbar für die Lobbying-Kampagne ausgegeben haben (Gehlen 2006),
überstiegen die Mittel der Gegner um mehr als das zehnfache (FFII 2005). Der
Mangel an  nanziellen Ressourcen konnte durch ein Mehr an Engagement und
freiwilliger Arbeit ausgeglichen werden. Aber diese Ressourcen konnten nur im
Rahmen einer erfolgreichen Kampagne mobilisiert werden, für die die Etablie-
rung eines mobilisierenden Collective Action-Frames eine notwendige Bedingung
war. Aber auch im IP Enforcement-Kon ikt war die diskursive Ebene nicht irrele-
vant. Gerade in komplexen internationalen Governance-Strukturen sind auch
ressourcenstarke Akteure darauf angewiesen Koalitionen zu schmieden, deren
Zusammenhalt auch auf diskursiver Ebene hergestellt werden muss. Die Anit-Pi-
racy-Coalition war eine solche Koalition, die über einen konsistenten Master-
Frame verfügte.
Die Frameanalyse liefert Erklärungen, die über die Erkenntnisse einer rein res-
sourcenbasierten Perspektive hinaus gehen. Sie eignet sich besonders zur Analyse
öffentlich ausgetragener politischer Kon ikte, weil dabei der Ein uss informeller
Machtstrukturen geringer ist als in nicht-öffentlichen Settings.
Der Vergleichs der beiden IP-Kon ikte in Europa liefert Hinweise darauf, dass
unter bestimmten Umständen – und anders als dies bisher in der Literatur vertre-
ten wird (Kohler-Koch 1997, S. 7) – Politisierungsstrategien auch im europäischen
Mehrebenensystem erfolgversprechender sein können als den Brüsseler Gep o-
genheiten folgende, auf Vermittlung setzende Verhandlungsstrategien.
Hinsichtlich der Begründungsmuster geistiger Eigentumsrechte ist es bemer-
kenswert, dass sich in den beiden Kon ikten nicht die Frames haben durchsetzen
können, die eine Konkurrenz zwischen alternative Normen und geistigen Eigen-
tumsrechten aufgemacht haben. Die Abwägung zwischen Konsumenten- oder
Bürgerinnenrechten und starken IP-Regimen  el jeweils zugunsten letzterer aus.
Durchgesetzt hat sich allerdings ein Frame, der die Nützlichkeit geistiger Eigen-
tumsinteressen in ihrem Kernbereich, als Anreizgeber für Innovationen, infrage
gestellt hat, der also letztlich viel weitgehender die Legitimation geistiger Eigen-
tumsrechte bestritten hat.
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... Eine ebenfalls in der Bewegungsforschung verortete Studie beschäftigt sich mit dem politischen Aushandlungsprozess im Zusammenhang mit der europäischen richtlinie zu Softwarepatenten und zum Schutz geistigen eigentums (Haunss, 2012). Während die eu-richtlinie zu Softwarepatenten eine umfangreiche Debatte auslöste und am Ende nicht durchgesetzt werden konnte, wurde die IP-Enforcement-richtlinie (IPreD) bereits nach der ersten lesung beschlossen (Haunss, 2012, S. 323). ...
... Beim Vergleich mit vorangegangenen Erhebungen zeigen sich einige Konstanten: Genauso wie bei der Einführung des DRM wurden von den Befürwortern der Regulierung positive Folgen in wirtschaftlicher wie auch in kultureller Hinsicht betont (Dobusch & Quack, 2012). und wie bei der IP-richtlinie wurden von den Gegnern negative Folgen für die Konsumenten-und Bürgerrechte thematisiert (Haunss, 2012). es ist jedoch auffällig, dass beide gruppen in ihren Publikationen auch die für ihre Position weniger tauglichen Themenbereiche aufgreifen und versuchen, diese mit eigenen Attributen zu besetzen. ...
... Sehr häufig wird das Abkommen auch im kontext der rechtssicherheit und -durchsetzung diskutiert. In diesem Themenkomplex werden ebenfalls deutlich (Haunss, 2012). ...
... Eine ebenfalls in der Bewegungsforschung verortete Studie beschäftigt sich mit dem politischen Aushandlungsprozess im Zusammenhang mit der europäischen Richtlinie zu Softwarepatenten und zum Schutz geistigen Eigentums (Haunss, 2012). Während die EU-Richtlinie zu Softwarepatenten eine umfangreiche Debatte auslöste und am Ende nicht durchgesetzt werden konnte, wurde die IP-Enforcement-Richtlinie (IPRED) bereits nach der ersten Lesung beschlossen (Haunss, 2012, S. 323). ...
... Beim Vergleich mit vorangegangenen Erhebungen zeigen sich einige Konstanten: Genauso wie bei der Einführung des DRM wurden von den Befürwortern der Regulierung positive Folgen in wirtschaftlicher wie auch in kultureller Hinsicht betont (Dobusch & Quack, 2012). Und wie bei der IP-Richtlinie wurden von den Gegnern negative Folgen für die Konsumenten-und Bürgerrechte thematisiert (Haunss, 2012). Es ist jedoch auffällig, dass beide Gruppen in ihren Publikationen auch die für ihre Position weniger tauglichen Themenbereiche aufgreifen und versuchen, diese mit eigenen Attributen zu besetzen. ...
... Durch die Fokussierung auf Konsumenten-und Bürgerrechte wurde der Aushandlungsprozess aus seiner wirtschaftspolitischen Verankerung gelöst und zu einer Grundsatzdebatte über den Stellenwert gesellschaftlicher Werte wie Freiheit und Rechtstaatlichkeit erhoben. Auch beim Streit um IP-Richtlinien wurde diese Strategie angewendet, allerdings mit weniger Erfolg(Haunss, 2012). Bei ACTA wurden negative Konsequenzen wie die Einschränkung der privaten Internetnutzung oder die Aushebelung des Datenschutzes hervorgehoben, welche einen direkten Einfluss auf die persönliche Lebenswirklichkeit der Nutzer haben. ...
Chapter
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Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft stellt die nationale und internationale Kommunikationspolitik und Medienregulierung vor eine Fülle neuer Herausforderungen: Themen wie Internetkriminalität, Daten- und Jugendschutz oder Urheber- und Leistungsschutzrecht stehen insbesondere in Europa und den USA weit oben auf der politischen und medialen Agenda. In diesem Sammelband werden die bisherigen und aktuellen Entwicklungen in diesem Politikfeld mit empirischen und theoretischen Analysen konfrontiert und der netzpolitische Diskurs so um kommunikations- und politikwissenschaftliche Perspektiven ergänzt.Im Fokus der elf Beiträge stehen dabei ganz grundsätzliche Herausforderungen der Digitalisierung für die Kommunikationspolitik, die von der Politik aus der Digitalisierung gezogenen kommunikationspolitischen Konsequenzen sowie der gesellschaftliche Diskurs über die politischen Antworten auf den digitalen Medienwandel.
... Eine ebenfalls in der Bewegungsforschung verortete Studie beschäftigt sich mit dem politischen Aushandlungsprozess im Zusammenhang mit der europäischen richtlinie zu Softwarepatenten und zum Schutz geistigen eigentums (Haunss, 2012). Während die eu-richtlinie zu Softwarepatenten eine umfangreiche Debatte auslöste und am Ende nicht durchgesetzt werden konnte, wurde die IP-Enforcement-richtlinie (IPreD) bereits nach der ersten lesung beschlossen (Haunss, 2012, S. 323). ...
... Beim Vergleich mit vorangegangenen Erhebungen zeigen sich einige Konstanten: Genauso wie bei der Einführung des DRM wurden von den Befürwortern der Regulierung positive Folgen in wirtschaftlicher wie auch in kultureller Hinsicht betont (Dobusch & Quack, 2012). und wie bei der IP-richtlinie wurden von den Gegnern negative Folgen für die Konsumenten-und Bürgerrechte thematisiert (Haunss, 2012). es ist jedoch auffällig, dass beide gruppen in ihren Publikationen auch die für ihre Position weniger tauglichen Themenbereiche aufgreifen und versuchen, diese mit eigenen Attributen zu besetzen. ...
... Sehr häuig wird das Abkommen auch im kontext der rechtssicherheit und -durchsetzung diskutiert. In diesem Themenkomplex werden ebenfalls deutlich (Haunss, 2012). ...
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Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft stellt die nationale und internationale Kommunikationspolitik und Medienregulierung vor eine Fülle neuer Herausforderungen: Themen wie Internetkriminalität, Daten- und Jugendschutz oder Urheber- und Leistungsschutzrecht stehen insbesondere in Europa und den USA weit oben auf der politischen und medialen Agenda. In diesem Sammelband werden die bisherigen und aktuellen Entwicklungen in diesem Politikfeld mit empirischen und theoretischen Analysen konfrontiert und der netzpolitische Diskurs so um kommunikations- und politikwissenschaftliche Perspektiven ergänzt.Im Fokus der elf Beiträge stehen dabei ganz grundsätzliche Herausforderungen der Digitalisierung für die Kommunikationspolitik, die von der Politik aus der Digitalisierung gezogenen kommunikationspolitischen Konsequenzen sowie der gesellschaftliche Diskurs über die politischen Antworten auf den digitalen Medienwandel.
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Urheberrechte regulieren die Zugangs-, Nutzungs- und kommerziellen Verwertungsrechte an Kunst, Kultur und Wissenschaft in allen Medienformen vom Druck auf Papier über Baukunst bis zum Online-Stream. Die über 100-jährige Geschichte weltweiter Urheberrechtspolitik ist seit einiger Zeit ein technokratischer Prozess der internationalen Annäherung und Harmonisierung. Seit den 1990er Jahren verwandelt sich dieses Refugium rechtswissenschaftlicher Expertise allerdings zu einem Feld offener Interessengruppenkonflikte und zivilgesellschaftlicher Proteste. Three-Strikes-Drohungen und Abmahnwellen durch die Wirtschaft an massenhaftes File-Sharing werden mit Großdemonstrationen gegen multilaterale Handelsverträge (ACTA), gegen Zensur und Überwachung beantwortet. Klar ist, dass der technologische Wandel durch Digitalisierung und Vernetzung einflussreich war und weiterhin ist. Ist er aber ursächlich? Führt mehr Digitalisierung zu mehr Konflikt? Erklärt er nationale und internationale Reformtätigkeit? In dieser policy-analytischen Aufarbeitung zeigt sich, welche Akteure und Konstellationen, welche Sequenzen und Ebenen sowie welche Diskurselemente und Ideen bisher als einflussreich erkannt wurden. Als Einführung macht sie den Leser mit der sozialwissenschaftlichen Literatur zum deutschen Urheberrecht vertraut. Im Zentrum steht die Verbindung der deutschen Regulierungstätigkeit mit gesellschaftlichen Entwicklungen sowie internationalen und europäischen Politikprozessen als auch der Stand der Erforschung der deutschen Urheberrechtspolitik in den Felder Populärkultur und Wissenschaftsliteratur.
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Despite the Internets’ transformative effect on information governance, e.g., copyright, it is very often neglected in practice and research on changes by and through Internet governance. To understand the policy-making in this area, the concept of a policy subsystem along the lines of the Advocacy Coalition Framework is introduced and special emphasize on Weible’s (2008) types of subsystems is given. As a typical case of European authors’ rights-based regulation, the German national policy on copyrights in the second half of the twentieth century is introduced as a policy subsystem. In two sections, we discuss two trends or descriptive hypothesis on the changes within copyright policy-making as it is revealed by existing research: Internationalization and the emergence of a national Internet policy subsystem assimilating copyright. As both trends are limited to date, both of the hypotheses cannot be verified (or have to be falsified for now). Internationalization impact is significant, but limited. Copyright subsumption to a new Internet policy logic is also limited to issue linkages. We thus offer a third, alternative description to the changes of the Urheberrecht subsystem: Drawing on the research literature and some own empirics, we can diagnose a change to adversarial subsystem dynamics within the last decade or every single category of Weible’s subsystem typology. Further research should fill empirical blind spots of the time before the changes as well as for causes, causal paths, or causal mechanisms.
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The concept of mesomobilization is introduced as a specification to the prevailing literature on mobilization processes. Mesomobilization actors have a dual function: They first provide the structural basis for mobilization by coordinating micromobilization groups and collecting the resources required for action and then try to achieve a cultural integration of the various groups by developing a master frame to interpret the triggering event in a way that is conducive to mobilization. Two empirical cases: the mobilization against U.S. President Ronald Reagan's visit in Berlin in 1987 and the mobilization against the yearly meeting of the International Monetary Fund and the World Bank in Berlin in 1988 are investigated to develop hypotheses that indicate what structural and cultural factors are important to a successful mobilization.
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Die Arbeit geht von der Hypothese aus, dass Prozesse kollektiver Identität einen wesentlichen Einfluss auf die Mobilisierungsfähigkeit sozialer Bewegungen haben. Es geht darum, zu untersuchen, welche Auswirkungen Dauerhaftigkeit, Flexibilität, Inklusivität und Exklusivität kollektiver Identitätskonstruktionen auf Art und Dauer des Engagements der AktivistInnen haben. Im Fokus steht insbesondere die Verschränkungen von Politik und Alltag, da dort, wo Bewegungshandeln und Alltagshandeln der AktivistInnen ineinander übergehen oder miteinander konfrontiert werden, Prozesse kollektiver Identität eine besonders wichtige Rolle spielen. Wie diese Prozesse in sozialen Bewegungen ablaufen, welche Formen sie annehmen und aus welchen Elementen sie sich zusammensetzen wird für die Autonomen und die Schwulenbewegung anhand einer Mikro-Diskursanalyse ihrer Bewegungs-Zeitschriften untersucht.
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Introduction: Representing Interests in the European Union - PART 1: THE NATURE OF EUROPEAN LEVEL INTEREST REPRESENTATION - EU Decision Making and Channels of Influence - The Nature and Resources of Groups - The Regulation of Interest Representation - PART 2: THE RANGE OF INTERESTS IN EUROPEAN LEVEL INTEREST REPRESENTATION - Business Interests - Professional Interests - Labour Interests - Public Interests - Territorial Interests - Conclusions: Interests and European Integration
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The Blackwell Companion to Social Movements is a compilation of original, state-of-the-art essays by internationally recognized scholars on an array of topics in the field of social movement studies. Contains original, state-of-the-art essays by internationally recognized scholars. Covers a wide array of topics in the field of social movement studies. Features a valuable introduction by the editors which maps the field, and helps situate the study of social movements within other disciplines. Includes coverage of historical, political, and cultural contexts; leadership; organizational dynamics; social networks and participation; consequences and outcomes; and case studies of major social movements. Offers the most comprehensive discussion of social movements available.
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This paper is a systematic analysis of the comparative method. Its emphasis is on both the limitations of the method and the ways in which, despite these limitations, it can be used to maximum advantage. The comparative method is defined and analyzed in terms of its similarities and differences vis-à-vis the experimental and statistical methods. The principal difficulty facing the comparative method is that it must generalize on the basis of relatively few empirical cases. Four specific ways in which this difficulty may be resolved are discussed and illustrated: (1) increasing the number of cases as much as possible by means of longitudinal extension and a global range of analysis, (2) reducing the property space of the analysis, (3) focusing the comparative analysis on “comparable” cases (e.g., by means of area, diachronic, or intranation comparisons), and (4) focusing on the key variables. It is argued that the case study method is closely related to the comparative method. Six types of case studies (the atheoretical, interpretative, hypothesis-generating, theory-confirming, theory-infirming, and deviant case analyses) are distinguished, and their theoretical value is analyzed.
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Abstract Whereas the notion of “knowledge society” has gained common currency when it comes to describe modern society, social scientists in Germany have long neglected the far reaching changes in the regulation of intellectual property rights which have taken place in the last decade. What can be observed is a global trend toward a stronger protection of intellectual property rights or, as some authors say, an enclosure of the knowledge commons. That development is likely to have far reaching consequences not only for international trade relations but also for knowledge production and social communication. This survey attempts to trace the changes in the political economy of intellectual property rights and examines probable effects of the global enclosure of knowledge.