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Online-Umfragen und Online-
Mitarbeiterbefragungen
Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Universität Münster | tivian GmbH
1 Einleitung
Online-Befragungen erfreuen sich in den letzten Jahren einer wachsenden Be-
liebtheit. Immer mehr Daten werden über das World Wide Web erhoben, immer
mehr Personen sind per E-Mail erreichbar und können zu Befragungen eingela-
den werden. Der Anteil der Online-Nutzer ist in Deutschland inzwischen auf
insgesamt 73 % gestiegen und liegt in den jüngeren Altersgruppen zwischen 14
und 49 Jahren bei über 90 % (van Eimeren & Frees, 2011). Dieser Trend findet
sich auch in vielen anderen Ländern: Die International Telecommunication Uni-
on (ITU), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, ging im Jahr 2010
von einem Anteil von durchschnittlich 68,8 Prozent Onlinenutzer in den entwi-
ckelten Industrieländern aus, 21,1 Prozent werden für die Entwicklungsländer
1
geschätzt (siehe http://www.itu.int/ITU-D/ict/statistics/ict/index.html). Online-
Methoden werden in der Psychologie nicht nur in der Forschung, sondern auch
von Berufspraktikern der verschiedenen Anwendungsfelder, insbesondere inner-
halb der Wirtschaftspsychologie, gerne eingesetzt (Thielsch, Brandenburg &
Kanning, 2012). Dies verdeutlichen Daten aus der Marktforschung: Die jährliche
Befragung der Mitglieder des ADM (Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozial-
forschungsinstitute e.V.) zeigt einen kontinuierlichen Anstieg des Anteils von
1
Zuordnung der Länder nach UN M49, siehe
http://www.itu.int/ITU-D/ict/definitions/regions/index.html
110 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Online-Befragungen in den letzten 10 Jahren. Im Jahr 2010 lag dieser Anteil bei
38 Prozent aller quantitativen Befragungsformen
2
- Online-Methoden sind in
dieser Statistik die am häufigste genutzte Erhebungsform, vor Telefon-, Face-to-
Face- oder Paper-Pencil-Befragungsformen.
Grund für den Erfolg der verschiedenen Online-Erhebungsmethoden sind neben
dem kontinuierlichen Wachstum des Nutzerkreises des Internets und der Verfüg-
barkeit leistungsstarker Befragungssoftware besonders die zahlreichen Vorteile
von Online-Untersuchungen. Vor allem die Ökonomie dieser Befragungsform,
die es einfach macht große Stichproben in kurzer Zeit zu erheben, ist für viele
Anwender das entscheidende Kriterium (siehe Tabelle 1).
Online-Umfragen erfreuen sich zumeist einer hohen Akzeptanz bei den Befrag-
ten. Im Vergleich zu Offline-Studien werden für Online-Untersuchungen ver-
gleichbare oder sogar bessere Datenqualitäten festgestellt, unter anderem bedingt
durch ehrlicheres Antwortverhalten, geringere Effekte sozialer Erwünschtheit,
hohe empfundene Anonymität, höhere ökologische Validität und höhere Stich-
probenvarianz (siehe u. a. Döring, 2003; Dzeyk, 2001; Gnambs, Batinic & Her-
tel, 2011; Gosling et al., 2004; Gräf, 2010; Kreuter, Presser & Tourangeau, 2009;
Reips, 2002; Skitka & Sargis, 2006; Welker, Werner & Scholz, 2005). Auch
frühere Sorgen hinsichtlich der Computererfahrung und Computer(test)angst
scheinen heutzutage kaum noch relevant zu sein (vgl. Gnambs et al., 2011),
ebenso wenig die Annahme einer geringeren Lesegeschwindigkeit an Bildschir-
men (vgl. Siegenthaler et al., 2011).
Nachteile von Online-Datenerhebungen liegen vor allem in der unklaren Identität
der Befragten und der geringen Kontrolle über die Durchführungsbedingungen.
Nicht ganz auszuschließen sind auch technische Schwierigkeiten bei einzelnen
Befragten, vor allem wenn diese veraltete Browser-Software und ältere oder
spezielle Anzeigegeräte nutzen.
Ein online-gestütztes Vorgehen zahlt sich aber nicht nur bei der Erhebung von
Daten, sondern auch bei deren Auswertung und Verwaltung oder aber auch für
die Rückmeldung von Ergebnissen an die Befragten aus (siehe Tabelle 2). Be-
sonders die Chance online den Befragten direkt eine Rückmeldung zu ihren
Angaben zu geben ist ein großer Vorteil, ebenso die Möglichkeit dies hochgradig
zu automatisieren. An dieser Stelle ergeben sich aber auch Nachteile bei kriti-
schen Befragungsthemen, da sich online zumeist kein unmittelbarer direkter
2
Siehe http://www.adm-ev.de/
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 111
Kontakt zwischen Psychologen und Befragten herstellen lässt. Rückmeldungen
sollten also mit Bedacht formuliert sein.
Tabelle 1: Methodische Vor- und Nachteile von Online-Datenerhebungen
Vorteile Nachteile
Zeiteffizienz bei Erhebung, Auswertung und
Präsentation der Daten
Die Programmierung der Online-
Untersuchung braucht eine gewisse Zeit
Aufwand und Kosten für Druck, Austeilung und
Kodieru ng von Fragebögen, Interviewer und
Dateneingaben entfallen
Ggf. Aufwand für Einarbeitung in entspre-
chende Befragungssoftware, Lizenz- und
Feldkosten
Technische Vorteile: Einfache Darbietung von
Bildern, Audios oder Videos; leichte Umsetzung
mehrsprachiger Umfragen; Erfassung von Einzel-
reaktionen inkl. Bearbeitungszeiten und anderen
non-reaktiven Daten; adaptives Befragen/Testen
möglich
Bei Befragten mit wenig Computererfahrung
ggf. technische Probleme; evtl. Probleme mit
veralteter Hard- und/oder Software; Reakti-
onszeiten im Millisekundenbereich können nur
begrenzt mit spezieller Software online erfasst
werden
Automatisierbarkeit: Keine Fehlerquellen du rch
manuelle Dateneingaben, keine Versuchsleiter-
oder ähnliche Bias-Effekte
Die Durchführungsbedingungen der Datener-
hebung können nicht kontrolliert werden
(Durchführungsobjektivität ist nicht gegeben).
Heterogenere Stichprobenzusammensetzungen als
bei durchschnittlichen Offline-Studien
Derzeit ist noch keine Bevölkerungsrepräsen-
tativität für ältere Zielgruppen erreichbar
Alokalität des Mediums: Manche offline schwer
erreichbare Personenkreise sind online besser
ansprechbar
Nicht alle Zielgruppen sind online, nicht alle
Computer bezüglich Soft- und Hardware auf
ausreichend aktuellem Stand
Hohe Datenqualität; Kontrollskripte verhindern
„missing data“; Konsistenzprüfungen der Daten
anhand von Zeitprotokollen u. ä. möglich; Ver-
meidung von Positionseffekten durch
Randomisierungen
Mehrfachteilnahmen von Befragten sind
technisch nur eingeschränkt kontrollierbar, die
Identi tät der Befragten ist unklar, Selbstselek-
tion der Befragten bzw. selektive Abbrüche
sind möglich
Hohe Akzeptanz auf Seiten der Befragten aufgrund
von Freiwilligkeit, Flexibilität und Anonymität
Antwort auf Rückfragen kann nur asynchron
und auf Initiative des Befragten hin erfolgen
Verfahrenstransparenz, Ethik: Online-Studien sind
transparenter, da sie öffentlich zugänglich sind
Ethische Probleme: Abbrecher können in
anonymen Studien nicht aufgeklärt werden
112 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Tabelle 2: Methodische Vor- und Nachteile von Online-Studien hinsichtlich Datenauswertung,
Ergebnisrückmeldung und Datenverwaltung
Vorteile Nachteile
Standardisierung: Auswertung ist vollstän-
dig automatisiert (! hohe Auswertungs-
objektivität)
Die Fehlerfreiheit der Programmierung
sollte immer mittels Pre-Tests kontrolliert
werden
Automatisierbarkeit: Einmal programmiert
kann eine Auswertung automatisch und
effizient für eine Vielzahl an Befragten
erfolgen, die Ergebnisse sind für jeden Be-
fragten sofort verfügbar
Datenfilterung: Anhand von a priori
gesetzten Kriterien (z. B. Bearbeitungs-
dauer, Varianz) müssen die Daten vor der
Auswertung kontrolliert werden
Rückmeldungen an die Befragten sind sofort
am Ende der Umfrage verfügbar; es können
weiterführende Links oder multimediale
Elemente eingebunden werden
Es besteht kein direkter Kontakt zum
Befragten, gerade bei kritischen Themen
müssen entsprechende Hilfsangebote und
Kontaktmöglichkeiten online gegeben
werden; Rückmeldungen sollten mit
Bedacht formuliert sein
Vereinfachung von Datenmanagement und
Längsschnitterhebungen (z. B. über Befra-
gungspanel)
Datenschutz und Datensicherheit müssen
gewährleistet werden; Daten(banken) der
Online-Studie müssen gegen unberechtig-
ten Zugriff geschützt werden.
2 Erstellung einer Online-Umfrage
Grundsätzlich gelten für Online-Befragungen die gleichen Regeln hinsichtlich
der Item- und Fragebogenkonstruktion wie für Offline-Befragungen (siehe bspw.
Bühner, 2010; Moosbrugger & Kelava, 2007; Porst, 2008; Thielsch, Lenzner &
Melles, 2012). Dabei lohnt es sich im Vorfeld Zeit in eine gute Konstruktion und
Prüfung der Fragen zu investieren. Missverständliche oder fehlerhaft formulierte
Items sind für die spätere Auswertung wertlos. An dieser Stelle sollte man sich
selbst zudem kritisch fragen, ob alle Items notwendig sind und der endgültige
Fragebogen wirklich vollständig nur noch aus zielführenden Teilen besteht. Im
Anschluss erfolgt die Umsetzung des Fragebogens in einer Online-
Befragungssoftware. Eine umfassende Einführung in verschiedene spezifische
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 113
Online-Fragetypen und die Konzeption einer Online-Umfrage findet sich bei
Gräf (2010). Im Folgenden möchten wir einige zentrale Punkte herausstellen.
2.1 Die Startseite der Befragung
Grundsätzlich sollte man versuchen die Instruktionstexte in einer Online-
Befragung kurz und möglichst verständlich zu halten, das gilt insbesondere für
die Startseite. Hier müssen die Teilnehmer über die zentralen Aspekte der Um-
frage in Kürze informiert werden, das heißt:
• Um welches Thema geht es? Was ist das Ziel der Befragung?
• Wer ist für die Befragung verantwortlich? Welche Institution steht dahinter?
• Wie lange wird die Befragung dauern?
Hinzukommen sollte auf der Startseite oder einer nachfolgenden Informations-
seite ein kurzer Hinweis zur Anonymität und Datenschutz. Die Ansprechpartner
der Studie sollten wenn möglich verlinkt sein, bspw. über einen E-Mail- oder
Website-Link. Falls vorhanden kann man an dieser Stelle auch auf individuelles
Feedback, eine Vergütung der Teilnahme, eine Verlosung oder einen allgemei-
nen Ergebnisbericht hinweisen.
2.2 In der Befragung
Direkt zu Beginn der Befragung empfiehlt es sich meist die demographischen
Variablen zu erheben (vgl. Thielsch et al., 2012). Zum einen können so die Ab-
brecher mit den Nicht-Abbrechern statistisch verglichen und ein selektiver Ab-
bruch ausgeschlossen oder zumindest näher analysiert werden. Zum anderen
entspricht dieses Vorgehen, wenn persönliche und eher sensitive Aspekte als
erstes gefragt werden, der so genannten high hurdle technique (Reips, 2002). Die
high hurdle technique umfasst verschiedene Mittel zu Beginn der Befragung, um
die Ernsthaftigkeit der Teilnahme zu begünstigen und die Motivation eines Teil-
nehmers zu überprüfen. So werden die Befragten über die Untersuchung aufge-
klärt und es erfolgen auf der Startseite reale Zeitangaben über die Dauer. Zudem
sollten entsprechend der high hurdle technique die ersten Befragungsseiten so
gestaltet sein, dass sich auf ihnen deutlich mehr Texte, Items oder Informationen
befinden als auf den späteren Befragungsseiten – frei nach dem Motto: Wer die
ersten umfangreicheren Seiten bearbeitet, wird auch die nachfolgenden ange-
nehmeren (und inhaltlich für den Untersucher spannenderen) Seiten bearbeiten.
114 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Offene Fragen sollten nur in begrenztem Umfang eingesetzt oder zumindest eher
ans Ende der Befragung gestellt werden. Erfahrungsgemäß senkt dieser Fragetyp
die Teilnahmemotivation und führt zu erhöhten Abbruchquoten. Gerade bei
vielen offenen Fragen zu Beginn befürchten die Teilnehmer, dass sie im weiteren
Verlauf der Befragung selbst viel Text produzieren müssen – das wirkt auf viele
demotivierend.
Was die technischen Einstellungen einer Online-Befragung betrifft, so sollte
generell versucht werden eine möglichst hohe Usability (Benutzbarkeit) der
Befragung zu erreichen (siehe hierzu auch Kaczmirek, 2009). Neben verständli-
chen Items und Instruktionen sollte die Befragung leicht zu bedienen sein und
möglichst auf jedem Computer (auch mit vergleichsweise langsamen Internet-
verbindungen) funktionieren. Keinesfalls ist von den Befragten zu verlangen
irgendwelche Plug-ins oder andere zusätzliche Software installieren zu müssen,
dieser Aufforderung werden nur wenige Folge leisten. Hier sollte auf Standard-
Applikationen der Webbrowser gesetzt werden, so kann JavaScript bei den al-
lermeisten, ein Flash-Player bei einem Großteil der Webnutzer erwartet werden.
Die Befragung selbst sollte eine Bildschirmbreite von mindestens 800 Punkt
haben und so eingerichtet sein, dass auf keinen oder nur möglichst wenig Seiten
gescrollt werden muss. Wenn möglich kann ein Fortschrittsbalken eingeblendet
werden, um die Befragten über den jeweiligen Bearbeitungsstand zu informieren.
Werden sensible Daten abgefragt, so ist die Befragung verschlüsselt abzuwickeln
(mittels https://) und seitens der Befragten eine explizite Einverständniserklärung
zur Verwendung der Daten zu erfragen (informed consent).
Die Korrektheit der Eingaben in der Umfrage können an verschiedenen Stellen
direkt durch Kontrollskripte überprüft werden: Enthalten Felder für numerische
Angaben wirklich nur Zahlen, enthält ein Textfeld nur Text? Wurden alle Fragen
auf der Seite beantwortet? Derartige Kontrollen sind ebenso leicht umsetzbar wie
eine gezielte Filterführung, durch welche Teilnehmer bestimmte Fragen entspre-
chend ihrer vorherigen Angaben dargeboten bekommen. So müssen Teilnehmer
Fragen, die für sie nicht relevant sind, gar nicht mehr sehen oder beantworten –
was Zeit spart und die Befragung effizienter macht.
Alle Befragten sollten am Ende der Umfrage die Möglichkeit haben ihre Daten
aus der Auswertung auszuschließen (freiwilliger Selbstausschluss). So wird
geprüft ob die Daten verwendet werden dürfen und die Befragten überhaupt
ernsthaft an der Untersuchung teilgenommen haben. An dieser Stelle lässt sich
auch erfragen, ob jemand zum wiederholten Mal teilnimmt. Zum Abschluss
sollte den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden Anmerkungen zur Um-
frage selbst zu machen. Diese Kommentare bieten zum einen in der Frühphase
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 115
der Feldzeit die Gelegenheit zu schauen, ob wirklich alles in der Befragung funk-
tioniert. Zum anderen können die Befragten dann direkt online ihre Bemerkun-
gen abgeben und der Befragungsverantwortliche wird weniger E-Mails zu der
Untersuchung in seinem Posteingang haben. Nicht zu vergessen ist am Ende der
Umfrage den Teilnehmern zu danken und noch einmal den Ansprechpartner zu
nennen, falls noch weitere Rückfragen auftreten oder andere Kontaktwünsche
herrschen.
3 Online-Datenerhebung
Wenn die Umfrage online umgesetzt ist, kann mit der Rekrutierung von Befra-
gungsteilnehmern begonnen werden. Bevor jedoch die Feldphase startet, lohnt
sich immer ein Vortest mit einigen Personen aus der jeweiligen Zielgruppe. Bei
diesem Vortest können sowohl die Items selbst als auch die Umsetzung online
noch einmal geprüft werden. Häufig fallen hierbei noch Fehler und Verständnis-
probleme auf oder es werden sogar Aspekte deutlich, die bisher im Fragebogen
vergessen wurden. Eine gute Online-Befragungssoftware bietet Möglichkeiten
derartige Vortests durchzuführen. So können die Vortester beispielsweise in
einem Pretest-Tool direkt zu einzelnen Fragebogenseiten Kommentare abgeben.
Wenn dann alles reibungslos funktioniert, kann die Feldphase beginnen.
3.1 Möglichkeiten der Stichprobenrekrutierung
Da es kein „Telefonbuch“ der Online-Nutzer gibt, müssen bei der Ziehung der
Stichprobe andere Wege beschritten werden um die Zielgruppe zu erreichen.
Hierbei wird zwischen der aktiven und der passiven Rekrutierung unterschieden
(siehe Tabelle 3).
Bei einer aktiven Stichprobenziehung wird versucht durch entsprechend aussa-
gekräftig formulierte Einladungen in E-Mails (oder seltener auch per SMS oder
Brief) Personen zur Teilnahme zu bewegen. Im eher seltenen Optimalfall hat
man hierfür eine vollständige Adressliste der Zielgruppe zur Verfügung; dieses
kann beispielsweise bei einer Kunden- oder Mitarbeiterbefragung der Fall sein.
Oftmals werden auch Feldinstitute um Unterstützung gebeten, die Befragungs-
personen über ein so genanntes Online-Panel
3
zur Verfügung stellen. Ein
3
Online-Panel werden teilweise auch als Access-Pools oder Online-Access-Pools bezeichnet.
116 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Online-Panel stellt eine große Sammlung von E-Mail-Adressen von Personen
dar, die prinzipiell bereit sind an Untersuchungen teilzunehmen. Der Betreiber
des Panels stellt sicher, dass jede Person nur einmal im Panel angemeldet sein
kann und erhebt bestimmte demographische Basisvariablen der so genannten
Panelisten. Eine dritte Möglichkeit der aktiven Ansprache ist die Snowball-
Technique: Hierbei versendet man Einladungsmails an die Zielgruppe soweit die
E-Mail-Adressen bekannt sind und bittet in den versendeten Einladungen die
Angeschriebenen diese Nachricht auch an andere Personen weiterzuleiten.
Bei einer passiven Auswahl der Versuchsteilnehmer wird lediglich ein Einla-
dungstext mit einem Link auf eine Webseite oder in ein Webforum gestellt. Dies
kann auch eine Web 2.0-Anwendung (bspw. Xing oder Facebook) oder eine
Newsgroup sein. Hinweise in anderen laufenden Befragungen oder eine Offline-
Ansprache der Zielpersonen durch Aushänge oder das Verteilen von Handzetteln
und Flyern haben sich ebenfalls als durchaus gangbare Ansprachemethoden
bewährt. Gemeinsam ist allen passiven Rekrutierungsmethoden: Die Entschei-
dung zur Teilnahme liegt komplett beim Leser der jeweiligen Information –
anders als bei einer aktiven Ansprache über ein Panel oder einen Adresspool
können hier die Nicht-Teilnehmer in keiner Weise an die Befragung erinnert und
direkt erneut zur Teilnahme aufgefordert werden. Auch ist es nicht wie bei einer
aktiven Ansprache möglich, die Stichprobe bereits bei der Einladung zu quotie-
ren, um beispielsweise eine repräsentative Schichtung der Befragten zu errei-
chen.
Tabelle 3: Aktive und passive Datenerhebungsmethoden für Online-Befragungen
Aktive Rekrutierung Passive Rekrutierung
Einladung via E-Mail (über Adresslisten
oder Mailinglisten), per SMS oder Brief.
Hinweise auf Websites, Hinweise in
anderen Online-Befragungen
Online-Panel Online-Foren, Social Media-/Web
2.0-Anwendungen, Newsgroups
Snowball-Technique Aushänge, Handzettel, Flyer
In der Praxis werden aktive und passive Auswahlmethoden bei Bedarf kombi-
niert. Sollen Stichproben erhoben werden, für die im Vorfeld keine Adresslisten
vorliegen, dann stellt das Online-Panel die schnellste Methode der Datenerhe-
bung mit Feldzeiten von teilweise nur wenigen Tagen dar. Da hier für jeden
Befragten gezahlt werden muss, ist es zumeist auch die teuerste Form der Rekru-
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 117
tierung. Sind die notwendigen finanziellen Mittel nicht vorhanden, so empfiehlt
es sich die Einladung zur Befragung in der Zielgruppe möglichst breit zu streuen
(Reips, 2002) und große Stichproben zu erheben um Stichprobeneffekte zu redu-
zieren. Das gestaltet sich im World Wide Web bei Umfragen, die nicht allzu
lange dauern, relativ leicht: Im Vergleich zu „traditionellen“ Untersuchungen in
der Psychologie ist empirisch erwiesen, dass online erhobene Stichproben eine
deutlich größere Diversität (was das Alter, Beruf und ähnlichen Variablen anbe-
langt) als offline erhobene Stichproben aufweisen (Gosling et al., 2004).
3.2 Einladung zur Befragung
Für die Einladung zur Befragung selbst gelten ähnliche Regeln wie für die Start-
seite der Befragung: Die Einladung sollte kurz gehalten sein und die zentralen
Informationen hinsichtlich Befragungsthema und -dauer sowie Ansprechpartner
und Institution enthalten. Nicht zu vergessen ist der eigentlich Link zur Befra-
gung – bei einer anonymen Studie ist dies meist für alle Personen die gleiche
Webadresse, bei einer personalisierten Befragung enthält jeder Link einen indi-
viduellen Code.
Üblicherweise reagieren bei einer aktiven Rekrutierung die meisten Personen
binnen weniger Tage auf die Einladung. Falls jemand eine Einladung nicht
wahrnimmt, kann man noch einmal „nachfassen“, das heißt die Person erneut um
eine Teilnahme bitten. Es sollte jedoch nicht mehr als eine Erinnerungsmail
versendet werden, ansonsten wäre Reaktanz bei den Angeschriebenen zu be-
fürchten – und Befragungseinladungen landen bei diesen dann zukünftig im
Spam-Filter. Generell hat zudem das erste Nachfassen den größten Effekt.
3.3 Kontrolle der Daten
Die Online-Datenerhebung bringt den großen Nachteil mit sich, dass die Um-
stände unter denen die Befragten an der Untersuchung teilnehmen nicht der Kon-
trolle des Studienleiters unterliegen. Die Identität der Befragten kann somit nicht
endgültig geklärt werden und es ist unklar unter welchen Bedingungen die Teil-
nehmer geantwortet haben. Theoretisch könnte eine Person in einer anonymen
Befragung mehrere Datensätze erzeugen – in der Praxis ist dies eher unwahr-
scheinlich und kommt selten vor (Birnbaum, 2004) oder führt zu keiner Verzer-
rung der Ergebnisse (Srivastava et al., 2003). Dabei besteht die Möglichkeit
118 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
Mehrfachteilnahmen zu kontrollieren, entweder über eine Erfassung der IP-
Adresse
4
, einem Vergleich der Antwortmuster oder der direkten Frage nach einer
Mehrfachteilnahme (siehe Gosling et al., 2004, S. 101). Bei einer aktiven Rekru-
tierung über einen Adresspool oder ein Online-Panel tritt dieses Problem übli-
cherweise nicht auf: Hier kann beispielsweise über die Vergabe individueller
Zugangscodes zur Befragung eine Mehrfachteilnahme unterbunden werden. Die
Anonymität der Befragten wird hierbei durch die Trennung von Datenerhebung
und Einladung zur Teilnahme durch eine dritte Person wie dem Panel-Betreiber
gewährleistet.
Die oftmals hohen Abbrecherquoten in Online-Befragungen (so genannter Drop-
out, siehe Birnbaum, 2004) mögen auf den ersten Blick erschrecken. Dies stellt
aber nur dann ein Problem dar, wenn der Abbruch selektiv erfolgt. Des Weiteren
ist es wichtig zu betrachten, wo im Fragebogen der Abbruch stattgefunden hat:
Oftmals sehen sich Personen nur die Startseite einer Befragung an und verlassen
diese dann wieder ohne begonnen zu haben. Dies stellt einen vollkommen un-
problematischen Abbruch dar. Kritischer sind die Abbrecher, die während der
Befragung aussteigen. Bei diesen sind Analysen notwendig, um mögliche inhalt-
lich bedingte Abbruchursachen zu identifizieren und selektiven Abbruch auszu-
schließen.
Zentrale Bedeutung in der Kontrolle der Daten hat die Variable Bearbeitungs-
dauer. Durch die Kontrolle, wie viel Zeit ein Teilnehmer zur Beantwortung der
Fragen benötigt hat, lassen sich die allermeisten fehlerhaften Datensätze identifi-
zieren. Oftmals handelt es sich hierbei um „Durchklicker“, also Personen die
sich die Befragung nur angeschaut haben ohne diese ernsthaft zu bearbeiten.
Zusammen mit einer Kontrolle der offenen Kommentare und einer direkten Fra-
ge am Ende des Fragebogens nach einer ernsthaften Teilnahme (freiwilliger
Selbstausschluss) können so die Daten sinnvoll gefiltert werden. Eine Kontrolle
hinsichtlich auffälliger Antwortmuster oder eingeschränkter Varianz ist dann
zumeist nicht mehr notwendig. In einer gut gemachten Online-Befragung müs-
sen erfahrungsgemäß insgesamt meist nur wenige Datensätze ausgeschlossen
werden.
4
Die Erhebung der IP-Adresse oder anderer non-reaktiver Daten, die im Web automatisch übermit-
telt werden wie z.B. Informationen zu Browser oder Betriebssystem, wird von einigen Autoren
unter ethischen Gesichtspunkten kritisch gesehen (siehe Dzeyk, 2001).
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 119
Checkliste zur Erstellung von Online-Umfragen
Erstellung der Umfrage:
! Sind alle Fragen notwendig? Fehlen womöglich noch Items?
! Sind alle Items gut formuliert?
! Sind alle Fragen und Instruktionen verständlich?
" Regeln der Item- und Fragebogenkonstruktion einhalten!
Umsetzung der Befragung online:
! Sind alle wichtigen Informationen auf der Startseite?
! Sind die Angaben zur Bearbeitungsdauer realistisch?
! Sind offene Fragen wenn möglich am Ende der Befragung angeordnet?
! Ist es sinnvoll einen Fortschrittsbalken einzubauen?
! Gibt es für die Befragten eine Möglichkeit ihre eigenen Daten aus der
Auswertung auszuschließen (freiwilliger Selbstausschluss)?
! Können die Befragten am Ende der Umfrage Anmerkungen machen?
! Wenn nötig: Gibt es eine explizite Einverständniserklärung (informed
consent)?
! Funktionieren alle Filterführungen und Kontrollchecks?
! Gibt es irgendwelche Usability-Probleme?
! Wird die Befragung in gängigen Browsern gut/angenehm dargestellt?
" Vortest der Online-Befragung mit Personen aus der Zielgruppe!
Vorbereitung Datenauswertung:
! Wurden Kriterien für die spätere Datenfilterung festgelegt?
! Gab es einen Testlauf des Datenexports?
Feldphase und Online-Datenerhebung:
! Sind Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet?
! Wie sollen die Probanden rekrutiert werden?
! Ist die Einladung zur Umfrage knapp aber gut formuliert?
! Zu Beginn der Feldphase: Nennen die Befragten in ihren Anmerkungen
irgendwelche technischen oder inhaltlichen Probleme?
Nach der Datenerhebung:
! Analyse von Abbruch und Datenqualität: Gab es selektiven Abbruch?
Müssen Datensätze ausgeschlossen werden?
! Bei einer Quotierung: Sind alle Gruppen voll oder muss gezielt nachge-
schichtet werden?
120 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
4 Online-Mitarbeiterbefragungen
Mitarbeiterbefragungen haben als Instrument der Organisationsentwicklung eine
sehr lange Tradition - mit der Verbreitung des Internets gab es in den vergange-
nen fünfzehn Jahren einen deutlichen Trend Mitarbeiterbefragungen mittels der
Online-Methode durchzuführen: Bereits ein Drittel der Befragungen wird inzwi-
schen komplett online und ein weiteres Drittel hybrid, in der Kombination Pa-
pierbefragung und elektronische Befragung, durchgeführt (Hossiep & Frieg,
2008). Die Vorteile der Online-Methode überzeugen auch hier: Schnelligkeit der
Erhebung und Auswertung, hohe Datenqualität, gute Akzeptanz und geringere
Kosten werden von den Unternehmen als die wichtigsten Gründe für eine Onli-
ne-Erhebung genannt. Basierend auf zehn Jahren eigener Erfahrung mit Online-
Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen mit bis zu 200.000 Mitarbeitern werden
im Folgenden einige Erfolgsfaktoren bei der praktischen Umsetzung von Online-
Mitarbeiterbefragungen kurz skizziert.
4.1 Themen von Online-Mitarbeiterbefragungen
Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung werden meist unterschiedliche Themen
abgedeckt. In mehr als 90 Prozent der Befragungen wird die Einschätzung der
Mitarbeiter zu Führung, Information und Kommunikation im Unternehmen so-
wie zu beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen eingeholt. Weiterhin sind Aspek-
te der Zusammenarbeit im Team, Arbeitsbedingungen und Klarheit der eigenen
Ziele und Aufgaben der Mitarbeiter ein häufiger Bestandteil von Mitarbeiterbe-
fragungen. In mehr als der Hälfte der Umfragen werden zusätzlich Fragen zur
Unternehmensstrategie, -struktur und -image gestellt. Interne Kundenzufrieden-
heitsumfragen und Befragungen zum Changemanagementprozess oder zu Fusio-
nen werden gezielt, meist in einzelnen Unternehmensteilen und zu spezifischen
Zeitpunkten, eingesetzt (vgl. Hossiep & Frieg, 2008).
4.2 Umsetzung einer Online-Mitarbeiterbefragung
Viele Faktoren sind für den Erfolg des Projekts Mitarbeiterbefragung verant-
wortlich. Neben der gesamten Terminplanung, der Sicherstellung von Daten-
schutz und Anonymität
5
oder der Einbindung von Geschäftsführung, Betriebsrat
5
Vgl. hierzu Reiss & Weltzin, 2010.
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 121
und Führungskräfte gibt es weitere Aspekte, die zur Erhöhung der Akzeptanz des
Instruments bei den Mitarbeitern beitragen.
Im Folgenden wird auf die Punkte mehrsprachige Umfragen und hierarchische
Organisationsstruktur eingegangen, die sich beide in der Praxis als sehr wichtig
herausgestellt haben.
Neunzig Prozent aller Online-Mitarbeiterbefragungen werden nach den Erfah-
rungen der tivian GmbH mehrsprachig durchgeführt. Dabei wird teilweise in bis
zu 30 Sprachen befragt. Mehrsprachigkeit ist ein zentraler Faktor für die Akzep-
tanz der Befragungsteilnehmer. Auch wenn es eine zentrale Unternehmensspra-
che gibt, zeigt sich, dass die Bereitschaft von Mitarbeitern an der Befragung
teilzunehmen steigt, wenn sie diese in ihrer Muttersprache durchführen können
(vgl. Gertz, 2008). Weiterhin erhöht sich mit der Verständlichkeit der Fragen
und Antwortkategorien die Qualität der getätigten Antworten. Die typische,
mehrsprachige Befragung startet mit einer Auswahlseite, auf der der Teilnehmer
seine präferierte Sprache wählen kann. In der Praxis hat sich die Darstellung von
Flaggen nicht bewährt, eindeutiger ist die Einfachauswahl aus einer Liste der
unterschiedlichen Sprachen.
Zusätzlich zu der Umfrage werden auch die (Online-)Ergebnisberichte in unter-
schiedlichen Sprachen erstellt, wodurch Führungskräfte die Möglichkeit erhal-
ten, Ergebnisse den Teams in Landessprache vorzustellen. In den letzten Jahren
konnten technische Restriktionen bspw. bei asiatischen Sprachen auf ein Mini-
mum reduziert werden. Eine fehlerfreie Darstellung nicht-europäischer Sprachen
innerhalb einer Online-Befragung wird mittels UTF-8 Kodierung gewährleistet.
6
Eine Verschlüsselung von Umfragen mittels des HTTPS-Protokolls ist aus
Gründen der Datensicherheit empfehlenswert. In wenigen Ländern, bspw. China,
bestehen jedoch Einschränkungen bei der Durchführung einer verschlüsselten
Befragung. Daher muss dieser Punkt im Vorfeld mit den lokalen Ansprechpart-
nern geklärt werden.
Zentrales Rückgrat von Mitarbeiterbefragungen ist die Unternehmensstruktur.
Die Unternehmensstruktur, meist in Form einer hierarchischen Anordnung von
Organisationseinheiten auf unterschiedlichen Ebenen, ist die Basis für die Erhe-
bung von strukturellen Informationen der Mitarbeiter in der Befragung und da-
6
Vergleichbar mit Offline-Erhebungen gelten hier inhaltlich die gleichen Regeln für die Übersetzung
von Items und Skalen. Die Qualität der Übersetzungen kann durch Hin- und Rückübersetzungen
hergestellt werden (vgl. Vandenberg & Lance, 2000, zum Thema interkulturelle Vergleichbar-
keit).
122 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
mit die Ausgangslage für die Berechnung von Ergebnissen. Zur effektiven und
fehlerfreien Durchführung der Studie muss die Organisationsstruktur Bestandteil
des Befragungstools sein und entsprechend technisch abgebildet werden. Häufig
wird das Verfahren der Selbstzuordnung eingesetzt, d.h. Mitarbeiter wählen in
der Befragung ihre eigene Organisationseinheit (bspw. Team, Abteilung, Be-
reich) selbst aus. Alternativ kann der Fragebogen bereits vorab einer Organisati-
oneinheit zugeordnet werden. Primäre Voraussetzung dafür ist die Kenntnis, wie
viele Personen in einer spezifischen Einheit tätig sind. Eine entsprechende An-
zahl von Fragebögen wird anschließend erstellt und an die Teilnehmer in den
einzelnen Einheiten gezielt (online oder auf dem Papierweg) übermittelt.
Als ein zentraler Erfolgsfaktor hat sich die Auswertung der Ergebnisse für jede
einzelne Organisationseinheit durchgesetzt. Führungskräfte erhalten für ihre
eigene Organisationseinheit einen Bericht mit den kumulierten Befragungser-
gebnissen der Mitarbeiter. Berichte werden für Einheiten erstellt, für die eine im
Vorfeld definierte Mindestanzahl von abgeschlossenen Fragebögen eingegangen
ist. Die Anzahl variiert je nach Unternehmen zwischen 5 und 12 beendeten Onli-
ne-Fragebögen. Die Festlegung der sogenannten Anonymitätsgrenze hängt von
der internen Struktur und der üblichen Teamgröße des Unternehmens ab.
7
In nahezu jeder Mitarbeiterbefragung wird nach dem Führungsverhalten des
Vorgesetzten gefragt (vgl. Hossiep & Frieg, 2008). Die Ergebnisse auf Einhei-
tenebene spiegeln daher eine Art Führungskräftebewertung wider. Damit die
Führungskraft einer Einheit nicht den gleichen Fragebogen wie ihre Mitarbeiter
bekommt, welcher Fragen über ihr eigenes Verhalten beinhalten würde und so-
mit das Ergebnis beeinflussen kann, ist eine gesonderte Behandlung der Füh-
rungskräfte empfehlenswert. Es gibt hier unterschiedliche Vorgehensweisen, von
denen sich in der Praxis zwei bewährt haben.
Beim ersten Verfahren werden beim Erstellen der Organisationsstruktur Mana-
gementkategorien gebildet, denen sich die Führungskräfte zuordnen, während
sich beim zweiten Verfahren Führungskräfte der übergeordneten Abteilung bzw.
dem übergeordneten Team oder Bereich zuweisen. Beide Wege ermöglichen
eine separate Auswertung von Mitarbeiter- und Führungskräfteeinschätzungen
ohne Anonymitätsgrenzen zu brechen. Jedoch muss die Vorgehensweise bereits
zu Beginn der Umsetzung der Studie geplant und eingeleitet werden. Zu einem
späteren Zeitpunkt ist eine Berücksichtigung dieses Punktes nur sehr schwer
oder nicht mehr vorzunehmen.
7
Der Bundesverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. empfiehlt eine Grenze von 8 Inter-
views, vgl. hierzu http://www.bvm.org/user/neon/Leitfaden-Online-MAB.pdf, S.9
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 123
4.3 Stichprobenziehung
Steht die Zufriedenheit, das Engagement oder das Commitment der Mitarbeiter
im Fokus der Befragung, werden in den meisten Fällen alle Mitarbeiter und Füh-
rungskräfte eines Unternehmens befragt, die aktuell beschäftigt sind. Zum wich-
tigsten Vorteil einer Vollerhebung zählt sicherlich die höhere Akzeptanz der
Mitarbeiter, vor allem im Hinblick auf die Nachfolgemaßnahmen, die auf Basis
der Ergebnisse im Unternehmen eingeleitet werden (z.B. Bungard, Müller &
Niethammer, 2007). Werden Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung bspw. im
Kontext von Teamentwicklungsmaßnahmen genutzt oder fließen in Führungs-
und Vergütungssysteme ein, dann ist eine Vollerhebung auf jeden Fall empfeh-
lenswert.
Teilstichproben sind insbesondere dann eine Option, wenn mit den Befragungs-
ergebnissen Trends aufgezeigt werden sollen. In diesem Zusammenhang ist –
vergleichbar mit anderen Erhebungsmethoden – auf die Repräsentativität der
Teilstichprobe zu achten. Typische bzw. relevante Merkmale der Mitarbeiter-
struktur im Unternehmen müssen in der Teilstichprobe ebenfalls repräsentiert
werden. Teilstichproben werden eingesetzt um die Zahl der Befragungen für den
einzelnen Mitarbeiter zu verringern und damit der Befragungsmüdigkeit im Un-
ternehmen entgegen zu wirken.
Unabhängig davon, ob Vollerhebung oder Teilstichprobe, stehen in nahezu allen
Unternehmen E-Mail-Adresslisten der Mitarbeiter zur Verfügung.
8
Jeder Mitar-
beiter erhält zu einem festgelegten Zeitpunkt eine E-Mail-Einladung mit Zu-
gangslink und zufällig generiertem, eindeutigem (integriertem) Code oder Pass-
wort. Der Link kann nur einmal verwendet werden, so dass Mehrfachantworten
ausgeschlossen werden können. Das Verfahren hat sich in den vergangenen
Jahren bei der Durchführung von Online-Mitarbeiterbefragungen, insbesondere
im Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit und Datenqualität, bewährt.
8 Unternehmen mit Produktionsanteil setzen vielfach eine „Hybridbefragung“ ein, d.h. eine Kombi-
nation aus Online- und Papierbefragung. Liegen keine E-Mailadressen für einzelne Mitarbeiter
oder bspw. Standorte vor, dann bedeutet dies nicht zwingend eine Papierbefragung. Mit dem
„online-hybrid“ Verfahren erhält der Befragungsteilnehmer eine Brief mit einem Befragungs-
Link und Zuga ngsc ode, m it dem er on line bspw. an Terminals oder vom privaten PC an der Be-
fragung teilnehmen kann.
124 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
4.4 Kontrolle der Daten und Ergebnisse
Vortests sind bei der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung obligatorisch.
Der Vortest wird zur Kontrolle der Verständlichkeit von Fragen, Antwortkatego-
rien und Ausfüllanweisungen in allen Sprachen durchgeführt. Im Fokus des
Vortests steht zusätzlich die Nutzerfreundlichkeit und die technische Funktiona-
lität (z.B. Fragebogenrouting) sowie Erreichbarkeit.
Für die Prüfung der technischen Erreichbarkeit und der unterschiedlichen
Sprach- und Fragebogenvarianten empfiehlt es sich, die Tester möglichst aus den
unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Standorten bzw. Unternehmenstei-
len zu rekrutieren. Die Durchführung eines umfassenden Vortests ist die Voraus-
setzung für eine hohe Qualität der Befragungsergebnisse und damit wichtiger
Bestandteil, um hohe Rücklaufquoten bei einer Mitarbeiterbefragung zu erzielen.
Während des Feldverlaufs sollte das eingesetzte Befragungstool eine Prüfung
von Echtzeitergebnissen mittels einer Online-Statistik ermöglichen. Neben dem
Ablesen von Ergebnis-Trends ist es während der Erhebung wichtig, Filterzweige
zu prüfen und ggf. Probleme oder Fehler zu einem frühen Zeitpunkt zu identifi-
zieren. Weiterhin ist eine detaillierte Rücklaufbeobachtung auf Basis der Unter-
nehmensstruktur empfehlenswert. Der Vorteil besteht darin, dass schon zu einem
frühen Zeitpunkt festgestellt werden kann, ob einzelne Abteilungen oder Stan-
dorte keinen oder im Vergleich geringere Rückläufe aufzeigen. In diesem Fall ist
zu prüfen, ob technische Probleme (bspw. Netzausfälle, Probleme mit Proxy-
Einstellungen u. ä.) vorhanden sind.
Darüber hinaus sind Rücklaufstatistiken ein Instrument, um gezielt im Unter-
nehmen an die Befragung zu erinnern und damit die Beteiligung zu erhöhen.
Führungskräfte, Mitarbeiter der verantwortlichen Personalabteilung oder der
Betriebsrat können auf Basis der Daten in einzelnen Bereichen persönlich, im
Firmen-Intranet oder per E-Mail Werbung für die Mitarbeiterbefragung machen.
Erfahrungsgemäß wird nahezu in allen Online-Mitarbeiterbefragungen mindes-
tens eine Erinnerungsmail gesendet. Der sogenannte Reminder wird aus Daten-
schutzgründen an alle Mitarbeiter versandt. Das Erinnerungsschreiben kann
zusätzlich zu den Informationen aus dem Einladungsschreiben die aktuelle Teil-
nahmequote der Befragung beinhalten. Diese Information wird insbesondere von
den Mitarbeitern, die bereits teilgenommen haben, positiv bewertet.
Betrachtet man die Rücklaufquoten über den Zeitraum der Befragung hinweg,
dann stellt man zu Beginn der Feldphase eine sehr hohe Beteiligung fest. Nicht
selten nehmen bereits 30 Prozent und mehr Mitarbeiter in der ersten Woche an
Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen 125
der Befragung teil. Typischerweise flacht die Kurve dann stark ab. Mit dem
ersten Erinnerungsschreiben wird eine deutliche Zunahme der Beteiligungen
erzielt. Der Einfluss weiterer Reminder auf die Teilnahme ist jedoch gering. Das
Ärgernis bei den Befragungsteilnehmern, die mehrfach Reminder erhalten, ist
meist schwerwiegender als der leichte Anstieg durch weitere Reminder.
Nach Abschluss der Befragung findet eine Kontrolle des Datensatzes statt. Er-
fahrungsgemäß ist das Abbruchverhalten bei Mitarbeiterbefragungen im Ver-
gleich zu anderen Studien relativ niedrig. In der Regel muss mit ca. 1 bis 5 Pro-
zent an Abbrechern gerechnet werden.
9
Die meisten Abbrüche sind auf der Ein-
leitungsseite oder der vorläufigen Endseite (dies bezeichnet bspw. eine vorgezo-
gene Endseite für Personen, denen aufgrund bestimmter inhaltlicher Kriterien
nicht der komplette Fragebogen dargeboten wurde) zu verzeichnen. Abbruch-
quoten sind abhängig von der Verständlichkeit der Fragen, der Länge und der
Nutzerfreundlichkeit des Fragebogens. Die Anzahl der „Durchklicker“ ist eben-
falls sehr gering. Es liegen meist nur vereinzelt Fragebögen vor, bei denen keine
Antworten gegeben wurden.
Die häufigste Frage der verantwortlichen Koordinatoren und des Managements
nach Befragungsende ist die nach der Güte der Rücklaufquote. Diese Frage kann
natürlich nicht pauschal beantwortet werden. Rücklaufquoten sind von vielen
Faktoren wie bspw. der aktuellen Situation des Unternehmens, der strategischen
Einbindung, der begleitenden Kommunikationskampagne und den Länderspezi-
fika abhängig. Erfahrungsgemäß werden bei Online-Mitarbeiterbefragungen
Rücklaufquoten zwischen 50 und 80 Prozent erzielt, nicht selten liegen die Quo-
ten bei über 70 Prozent.
Der Erfolg und die Nachhaltigkeit einer Mitarbeiterbefragung sind von der Kon-
zeption, Planung und Umsetzung des Projekts abhängig. Mindestens ebenso
wichtig ist jedoch die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen, basierend auf
den Ergebnissen der Befragung. Unternehmen fokussieren insbesondere in den
letzten Jahren vermehrt auf diese Phase der Mitarbeiterbefragung. Das Tracking
und Controlling der Maßnahmen kann vergleichbar mit dem Erhebungs- und
Analyseprozess ebenfalls online und Software gestützt erfolgen.
9
Ergebnis einer Auswertung, der von der Globalpark AG und tivian GmbH durchgeführten Mitarbei-
terbefragungen.
126 Meinald T. Thielsch & Simone Weltzin
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Dieser Beitrag stammt aus:
Praxis der Wirtschaftspsychologie II
Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung
Meinald T. Thielsch & Torsten Brandenburg (Hrsg.)
Münster: MV Wissenschaft
ISBN: 978-3869914381
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Thielsch, M. T. & Brandenburg, T. (Hrsg.). (2012). Praxis
der Wirtschaftspsychologie II: Themen und Fallbeispiele
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Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung
Torsten Brandenburg & Meinald T. Thielsch (Hrsg.)
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Coverbild: Stefanie Hofschlaeger/www.pixelio.de
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