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Armin Trost / Thomas Jenewein (Hrsg.)
Personalentwicklung 2.0
Lernen, Wissensaustausch und
Talentförderung der nächsten Generation
eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland
1 Titel.indd 3 28.04.2011 16:58:19
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Wissensaustausch mit Web 2.0 –
Ein richtungsweisendes Konzept von Siemens,
Building Technologies Division
Johannes Müller und Alexander Stocker
1 Hintergrund
Siemens unterteilt seine geschäsführenden Einheiten in die drei Sektoren Indus-
trie, Energie und Gesundheitswesen. Hier sind weltweit insgesamt 405.000 Mit-
arbeitende beschäigt (Stand: September 2010). Um diese globale Belegscha zu
vernetzen, leistete Siemens bereits in den 1990er-Jahren Pionierarbeit auf dem
Gebiet des IT-gestützen Wissensmanagements. In den letzten 15 Jahren durchlief
das Siemens-interne Wissensmanagement mehrere Entwicklungsstufen (Müller
et al. 2004), von der Übertragung expliziter Inhalte bis hin zum multidirektio-
nalen Austausch von implizitem Wissen und persönlichen Erfahrungen. All das
zu erreichen, erforderte nicht nur die Entwicklung und Bereitstellung geeigneter
IT-Anwendungen, sondern es bedingte vielmehr eine neue Art der Zusammen-
arbeit – weg von dem Paradigma „Wissen ist Macht“ und hin zu einer oenen
Kultur des gegenseitigen Vertrauens, Unterstützens und Austauschens.
Bei Building Technologies (BT), einer von sechs Divisionen des Industrie-
Sektors, entwickeln und implementieren weltweit über 40.000 Mitarbeitende
Produkte, Soware, Systeme und komplexe Lösungen für Gebäude. Des Wei-
teren werden bei Kunden hochwertige Services zur Wartung, Optimierung und
Modernisierung der installierten Systeme durchgeführt. Um diese hochgradig
innovativen und technologiebedingt einer fortlaufenden Weiterentwicklung
unterliegenden Aufgaben bestmöglich zu unterstützen, bedarf es einer äußerst
dynamischen und exiblen IT-Anwendung sowie eektiver Praktiken für die
Wissensarbeit.
Sowohl die IT-Anwendung als auch die damit ermöglichten Praktiken zum Wis-
senstransfer werden in diesem Beitrag ausführlich beschrieben.
2 IT-Anwendung
Seit 2005 steht den Mitarbeitenden der Building Technologies Division mit
References@BT eine umfassende Wissensmanagement-Plattform im Intranet
zur Verfügung. Die Web-Applikation hierzu ist eine Eigenentwicklung, welche
in VBScript codiert wurde und in einer ASP-Umgebung läu. Die eigentlichen
Inhalte und Daten sind in einer MS-SQL-Datenbank gespeichert, auf welche der
Web-Server dynamisch zugrei.
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Wissensaustausch
Hinter References@BT verbirgt sich nicht nur ein modernes IT-Werkzeug, son-
dern auch eine Community aus gegenwärtig etwa 8.000 aktiven Mitgliedern, die
in 72 Ländern beheimatet sind.
2.1 Motivation und Ziele
Das primäre Ziel von References@BT besteht darin, das für das Kerngeschä
relevante Wissen rascher im Unternehmen verfügbar zu machen. Abbildung 1
stellt die im Siemens-Intranet-Design erstellte Startseite von References@BT
dar.
Der hohe Anspruch, eine möglichst umfassende und inhaltlich „komplette“
Wissensdatenbank bereitzustellen, wurde von vorneherein nicht angestrebt.
Vielmehr möchte References@BT – ganz im Sinne von Social Networking –
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über organisatorische, hierarchische und
geograsche Grenzen hinweg vernetzen und sie zur direkten Kommunikation
Abb. 1: Startseite von References@BT mit dem Aufruf des Divisions-CEO,
die Plattform aktiv zu nutzen und Beiträge einzustellen
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untereinander animieren (Müller 2007). Es ist durchaus erwünscht, dass der
Wissenstransfer über die IT-Anwendung (z. B. durch Anfrage in einem Diskus-
sionsforum) beginnt, nachfolgend jedoch über rein bilaterale Kommunikation
(via E-Mail, Telefon oder persönliches Treen) fortgesetzt wird. Das Prinzip des
Social-Networking-Ansatzes von References@BT wird in Abbildung 2 darge-
stellt: Sobald sich Wissensgeber und -nehmer über die Anwendung „gefunden“
haben, können diese implizites Wissen bilateral austauschen.
Abb. 2: Prinzip des Social-Networking-Ansatzes von References@BT
2.2 Funktionen
Kernbestandteile der Wissensmanagement-Plattform References@BT sind um-
fangreiche Funktionen zur Suche von Beiträgen mit Freitext und Metadaten,
zur kontextsensitiven Subskription von neuen oder geänderten Beiträgen durch
E-Mail-Alerts und RSS-Feeds, zum Social Networking sowie strukturierte Inhalte
in Form von Wissensreferenzen, Diskussions- und Microblog-Postings. Abbil-
dung 3 liefert einen Überblick über die Grundfunktionen von References@BT.
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Wissensaustausch
2.3 Member Page
Jedes Community-Mitglied wird auf einer individuellen „Member Page“ reprä-
sentiert. Diese Seite ist prinzipiell mit einer Prolseite auf anderen Social-Net-
working-Plattformen (z. B. Xing) vergleichbar. Sie zeigt Name, organisatorische
Zugehörigkeit, Arbeitsort, Telefonnummern, Mailadresse, ein optionales „About
me“-Feld sowie ein optionales Porträt-Bild (siehe Abb. 4). Die meisten Nutzer-
daten werden regelmäßig mit dem Siemens-Mitarbeiterverzeichnis abgeglichen,
sodass deren manuelle Pege entfällt. Ins „About me“-Feld kann jedes Mitglied
auf freiwilliger Basis individuelle und geschäsrelevante Angaben über seine
Person (wie z. B. Funktion, Arbeitsgebiet und Kompetenzen) eintragen. Sämt-
liche bereits erstellten Beiträge eines genannten Mitglieds werden auf einer sepa-
raten Seite angezeigt, welche direkt von der „Member Page“ verlinkt ist.
Inhalte und Suche Subskription „Member Page“ Weitere Services
l
Wissens-
referenzen
l
Feedback-
Funktion
l
Diskussionsforen
l
Microblog
l
Volltextsuche
l
Metadatensuche
l
geografische
Suche (Google
Maps)
l
Benachrichti-
gungen durch
E-Mail-Alerts
l
RSS-Feeds
l
„Folgen“ ande-
rer Community-
Mitglieder
l
Newsletter
l
Profilbild und
„About me“-Text
l
Anzeige der
gegenwärtigen
Lokalzeit
l
SMS-Versand
l
Instant
Messaging
l
LDAP-Kopplung
ans zentrale
Mitarbeiter-
verzeichnis
l
Barrierefreier
Zugang durch
automatische
Authentifizie-
rung
l
Content Export
auf weitere
Intranet-Seiten
l
KML-Schnitt-
stelle zu Google
Earth
Abb. 3: Funktionsumfang von References@BT mit den wichtigsten Funktionen
zum Ablegen und Auffinden relevanter Beiträge sowie zur Vernetzung
von Mitarbeitenden
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2.4 Strukturierung der Inhalte
Drei verschiedene Beitragsarten – Wissensreferenzen, Diskussionsforen und
Microblogging mit teils vorgegebener, teils frei wählbarer Verschlagwortung –
ermöglichen eine nutzerfreundliche und zügige Eingabe von implizitem Wissen
in References@BT:
l Wissensreferenzen sind strukturierte und aus mehreren Text-, Zahlen- und
Metadatenfeldern bestehende Informationsobjekte. Aufgrund mehrerer, von-
einander unabhängiger Metadaten (Disziplin, vertikaler Markt, Staat, Jahr
der Fertigstellung usw.) sind mehrdimensionale Suchanfragen möglich, wie
beispielsweise eine Suche nach „allen Kundenprojekten, in denen nach 2005
in Bürogebäuden in Deutschland Brandschutz implementiert wurde“. Jedes
Community-Mitglied kann Wissensreferenzen durch „Feedbacks“ für andere
Leser sichtbar kommentieren, wobei optional eine Bewertung, symbolisiert
durch null bis fünf Sterne, abgegeben werden kann.
l Diskussionsforen ermöglichen den Teilnehmern, sich zu technologischen
oder funktionalen emenfeldern auszutauschen. Beispielsweise können
im äußerst intensiv genutzten „Urgent Requests“-Forum geschäsbezogene
Fragen aller Art (zu Produkten, Schnittstellen, Kompatibilitäten, Kunden,
Kontakten usw.) gestellt werden. Diese Fragen werden über E-Mail-Alerts
Abb. 4: „Member Page“ des Erstautors in References@BT
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Wissensaustausch
und RSS-Feeds an die Leser verteilt. Da jedes neu registrierte Community-
Mitglied automatisch einen E-Mail-Alert auf das „Urgent Requests“-Forum
erhält, existieren mittlerweile mehrere tausend Empfänger für diese Art der
Anfragen. Deutlich mehr als 90 Prozent aller Anfragen erhalten daher auch
mindestens eine Antwort. Zumeist werden pro Anfrage sogar zwei bis drei
Antworten geliefert.
Ein Mitarbeiter aus Großbritannien fragte nach den Anschlussmöglichkeiten
einer Brandmeldeanlage an ein standardisiertes IT-Bussystem. Weniger als
24 Stunden später erhielt er von einem deutschen Kollegen die gesuchte
Lösung mit vielen zusätzlichen Informationen. Begeistert schilderte er seine
positive Erfahrung:
„Big thanks to my colleague for his information. I posted my question onto
the discussion board and the following day had all the required information,
including drawings and potential suppliers. Yesterday a problem – today a
solution!“
l Microblogging – analog zu Twitter, Yammer, Socialcast, Chatter oder ver-
gleichbaren Diensten (Ehrlich/Shami 2010) – bildet die dritte Beitragsart
in References@BT. Der Bedarf für Microblogging zeigte sich schon einige
Monate vor der Einführung des Dienstes, als eine Vielzahl von Mitarbei-
tenden in Eigeninitiative das im Internet gehostete Yammer für den Erfah-
rungsaustausch in Anspruch nahm. Um zu vermeiden, dass vertrauliche
Inhalte auf externen Web-2.0-Anwendungen ausgetauscht werden, wurde für
References@BT ein eigener Microblogging-Dienst entwickelt. Im Unterschied
zu Twitter sind Microblogging-Beiträge in References@BT nicht auf 140 Zei-
chen begrenzt. Ähnlich wie bei Yammer werden direkte Antworten auf Bei-
träge angezeigt sowie die entstehende Struktur der verschachtelten Beiträge
als Topic visualisiert. Jeder initiale Beitrag muss außerdem verpichtend mit
mindestens einem frei wählbaren Schlagwort oder „Tag“ versehen werden.
Damit können themenverwandte Beiträge sowie Mitarbeitende, die sich mit
ähnlichen Fragestellungen beschäigen, schnell gefunden werden (Müller/
Stocker 2010). Abbildung 5 zeigt ein hierarchisch gegliedertes Microblog
Topic.
Der seit März 2009 verfügbare Microblogging-Dienst wurde von den Refe-
rences@BT-Nutzern sehr begrüßt. Zwei Intensivnutzer dieses Dienstes beschrei-
ben den Mehrwert von Microblogging wie folgt:
„Das neue Microblogging-Tool unterstützt uns dabei, aktuelle Ereignisse zu Pro-
duktveröentlichungen, Features und Marktbewegungen in der Building Technolo-
gies Division zu erfahren. Für jemanden aus der Industrie ist es wichtig, sich auch
mit Kollegen, die in anderen Unternehmensbereichen arbeiten, zu vernetzen.“
„Das Aunden anderer Personen im Unternehmen, welche über Fähigkeiten oder
Wissen zur Lösung eines eigenen Problems verfügen, ist in den meisten Fällen
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äußerst schwierig. Microblogging ist eine große Hilfe, wenn es darum geht, sol-
ches Wissen mit anderen Personen im Unternehmen auszutauschen und rasch Best
Practices zu teilen. Es führt zu einer Reduktion des Kommunikationsaufwands im
Vergleich zu E-Mail, weil Nutzer eben nur solche Beiträge durchsuchen können,
welche für sie einen Wert besitzen, und nicht mehr mit Informationen zugeschüttet
werden.“
Diesen beiden Aussagen ist zu entnehmen, dass gerade Microblogging die Bil-
dung sozialer Netzwerke im Unternehmen (Richter 2010) als Wissensnetzwerke
fördert und so auf eziente Weise zu einer Verminderung der Informations-
überutung beitragen kann.
Abb. 5: Beispiel eines hierarchisch gegliederten Microblog Topic mit
initialem Beitrag und nachfolgenden Antworten
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Wissensaustausch
Sämtliche Beiträge sind mit dem Namen der jeweiligen Autoren versehen. Alle
Beiträge lassen sich durch individuell kongurierbare E-Mail-Benachrichti-
gungen sowie RSS-Feeds den eigenen Interessenschwerpunkten und dem sub-
jektiven Informationsbedarf entsprechend abonnieren. In Wissensreferenzen
und Diskussionsforen wird eine geeignete Taxonomie durch vorgegebene Meta-
daten und Schlagworte („Tags“) angeboten. In einem initialen Microblog-Pos-
ting werden die verpichtend einzugebenden Schlagworte jedoch nicht vorgege-
ben. Microblogging verbleibt in diesem Zusammenhang bewusst unstrukturiert,
um den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ihren Gedanken freien Lauf
zu lassen und sich über dieses Medium ohne inhaltliche Vorgaben oen auszu-
tauschen.
In Wissensreferenzen, Diskussionsforen und Microblog-Beiträgen nden sich
zum Teil völlig unterschiedliche Inhalte. Abbildung 6 liefert eine Übersicht,
welche Information über welchen Kanal kommuniziert wird.
Abb. 6: References@BT: Welche Information wird über welchen
Kanal kommuniziert?
Wissensreferenzen
mit Bezug zum
Kerngeschäft
Diskussionsforen
zum fachlichen
Austausch aktu-
eller Themen
Microblogging als
spontaner „Real-
Time-Nachrichten-
dienst“
Nutzerprofile für
Social Networking
l
Kundenprojekte
l
Lösungs-
konzepte
l
Servicekonzepte
l
Marktanalysen
l
Technologie-
informationen
l
Berichte über
Auszeichnungen
l
Interne Projekte
zur Prozess-
verbesserung
l
Lessons Learned
l
Dringende
Anfragen
l
Messe- und Kon-
ferenzberichte
l
Technologie-
bezogener
Austausch
l
Projekt-
management
l
Feedback,
Verbesserungs-
vorschläge
und Hilfe zu
References@BT
l
uvm.
l
Persönliche Bot-
schaften („ich
mach(t)e“, „ich
habe vor“, „ich
habe erfahren“)
l
Verweise auf
neue oder
interessante
Webseiten
l
Tipps und Tricks
l
Erfolgsmeldun-
gen (soeben
abgeschlossene
Projektverträge)
l
Name
l
Standort
l
E-Mail-Adresse
l
Telefon- und
Faxnummern
l
Abteilung
l
„About me“-
Freitext
l
Porträt-Bild
l
gegenwärtige
lokale Uhrzeit
l
Präsenzstatus
in MS Communi-
cator
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Wissensaustausch mit Web 2.0 – Ein richtungsweisendes Konzept von Siemens
3 Community-Aspekte
Community-Plattformen wie References@BT sind sozio-technische Systeme:
Neben der Beherrschung der eingesetzten Technologie als Mindestanforderung
ist es besonders wichtig, die sozialen Prozesse rund um Mitarbeiter als Nutzer
zu verstehen. Speziell die soziale Perspektive wird o vernachlässigt, weshalb die
Wissenscha in diesem Kontext auch von sozio-technischer Systemgestaltung
spricht (Richter 2010).
3.1 Sichtbarer Aufruf der Unternehmensleitung
Die Nutzung von References@BT geschieht bis auf wenige Ausnahmen (Koch/
Richter 2009) freiwillig. Ein wesentliches Element für den Erfolg von Web-2.0-Ini-
tiativen in Unternehmen ist jedoch die ideelle Unterstützung der Unternehmens-
führung (Stocker/Tochtermann 2010). Der Kulturwandel, eigene Erfahrungen
über eine Intranet-Plattform anderen Mitarbeitenden zugänglich zu machen,
kann nur gelingen, wenn die Beitragenden sich sicher sind, auch im Sinne ihres
Managements zu handeln. Aus diesem Grund fordert der CEO der Building Tech-
nologies Division auf der References@BT-Startseite die Anwender zur aktiven
Nutzung auf. Dieser „Top-Management-Support“ zeigt sich auch durch das State-
ment des CEO Johannes Milde auf der Startseite von References@BT:
„References@BT provides a platform for sharing and leveraging our knowledge and
experience across geographic and organizational borders. By learning from each
other, we can save valuable time, react faster to our customers’ demands, provide
better solution and service quality, and thus obtain a higher customer satisfaction.
is will only work, if you make your local knowledge globally available by
personally contributing your experiences and best-practices into References@BT.
Please take this opportunity and participate!“
3.2 Incentivierung
Um die Wissensmanagement-Plattform mit mehr Beiträgen anzureichern und
in der Folge die Community zu vergrößern, wurden vor allem in der Anfangs-
phase nach der Einführung von References@BT Incentive-Maßnahmen in
Form von internen Wettbewerben durchgeführt. Die aktivsten Autoren konnten
dabei Preise gewinnen, welche zusammen mit einer vom CEO unterzeichne-
ten Urkunde durch den jeweiligen direkten Vorgesetzten persönlich überreicht
wurden. Fotos dieser Überreichung wurden anschließend im Intranet sowie in
der Mitarbeiterzeitschri veröentlicht. Die Anerkennung und Wertschätzung
der Unternehmensführung zusammen mit der Veröentlichung der Preisträ-
ger wirkte in diesem Zusammenhang wesentlich motivierender als reine Sach-
preise.
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Wissensaustausch
3.3 Regelmäßige Kommunikation
Etwa alle zwei bis drei Monate erhalten alle Community-Mitglieder den „Refe-
rences@BT Newsash“ als personalisierte E-Mail. Dieser Newsletter informiert
über neue Funktionen der IT-Anwendung, interessante Beiträge, Informationen
aus der Community und andere emen. Darüber hinaus ist dieses Medium
auch ein „Erinnerungs-Trigger“, um sporadische Nutzer zum Önen von Refe-
rences@BT im Browser zu animieren und zur Teilnahme an der Community
anzuregen.
3.4 Aufbau und Anzeige des persönlichen Netzwerks
Analog zu anderen Social-Networking-Plattformen (Richter 2010) erlaubt auch
References@BT den Nutzern, ein persönliches Netzwerk aufzubauen und ande-
ren Community-Mitgliedern zu „folgen“. Durch das „Folgen“ einer anderen
Person kann das Interesse an dieser Person explizit bekundet und IT-technisch
auf einfache Weise abgebildet werden. Das daraus entstehende Kontaktgeecht
wird allen Nutzern auf References@BT transparent gemacht: Alle Mitglieder,
denen eine betreende Person folgt, und alle Mitglieder, welche einer betref-
fenden Person folgen, werden auf einer Webseite zusammengefasst und ange-
zeigt. Eine Folge-Beziehung ist von vorneherein unidirektional und kann bei
Gefallen von der Gegenpartei erwidert werden. Natürlich kann eine bestehende
Folge-Beziehung vom Folgenden jederzeit (durch „unfollow“) gelöscht werden.
Die einseitige Blockierung einer Folge-Beziehung durch den Gefolgten, also die
Möglichkeit (wie auf Twitter), anderen Community-Mitgliedern das „Folgen“ der
eigenen Person zu verbieten, ist in References@BT nicht vorgesehen. Falls eine
neue Folge-Beziehung aufgebaut oder eine bestehende Folge-Beziehung gelöscht
wird, wird die Gegenpartei per E-Mail über diesen Vorgang benachrichtigt.
Neue Community-Mitglieder werden bereits während der Registrierung auf die
Möglichkeit, anderen Teilnehmern zu folgen, hingewiesen. Dadurch werden
diese auf die angebotenen Vernetzungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht und
können diese sofort nutzen. Allerdings wurde zu Beginn die Folge-Funktion von
den Teilnehmern nur sehr spärlich genutzt. Erst nach einer gezielten Kommu-
nikationsmaßnahme entwickelte sich eine signikant wachsende Anzahl von
Folge-Beziehungen: In einer personalisierten E-Mail, die an alle registrierten
References@BT-Mitglieder verschickt wurde, wurden zehn zufällig ausgewählte
und am Ort des jeweiligen Mail-Empfängers arbeitende Community-Mitglieder
zum Folgen vorgeschlagen.
In der Grundeinstellung erhält jedes Community-Mitglied einmal täglich
zusammengefasst als E-Mail alle Microblog- und Foren-Postings derjenigen
Autoren, denen der jeweilige Empfänger „folgt“. Ein entsprechender RSS-Feed
steht parallel dazu zur Verfügung. Damit ist es ein Leichtes, über Neuigkeiten im
persönlichen Netzwerk stets auf dem Laufenden zu bleiben, ohne die Intranet-
Plattform regelmäßig aufrufen zu müssen.
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Wissensaustausch mit Web 2.0 – Ein richtungsweisendes Konzept von Siemens
4 Mehrwert für Mitarbeitende und Organisation
Die Nutzung von References@BT verläu aus Sicht der Managements äußerst
zufriedenstellend. An einer 2009 durchgeführten Nutzerumfrage zur Erfolgs-
messung von References@BT beteiligten sich 1.070 Community-Mitglieder.
Neben Verfügbarkeit, Bedienbarkeit, Funktionen und Inhaltsqualität wurden die
Teilnehmer nach der individuellen Nutzungshäugkeit, nach ihrer Einschätzung
der Nützlichkeit und nach der durch die Wiederverwendung gefundener Infor-
mation resultierenden Zeiteinsparung in den letzten 365 Tagen befragt (siehe
Abb. 7).
Abb. 7: Ergebnisse der Nutzerumfrage 2009, aufgeschlüsselt nach
Nutzungshäufigkeit der Antwortenden
Nutzungshäu-
figkeit (Anzahl
Antwortende)
sporadisch
(401)
monatlich
(289)
wöchentlich
(280)
täglich
(100)
Ø alle
(1070)
Verfügbarkeit* 2,51 2,66 2,71 2,79 2,63
Bedienbarkeit* 1,72 1,99 2,12 2,34 1,96
Funktionen/
Features*
1,62 1,96 2,08 2,31 1,89
Inhaltsqualität* 1,65 1,91 1,98 2,17 1,86
Brauchbar-
keit**
0,92 1,38 1,55 1,94 1,31
gesparte Tage
pro Jahr***
0,32 0,60 0,97 1,40 0,67
Selektierbare Bewertungsoptionen:
* sehr gut (3), gut (2), durchschnittlich (1), ungenügend (0)
** sehr hilfreich (3), hilfreich (2), teilweise hilfreich (1), nicht hilfreich (0)
*** mehrere Tage (3), ein Tag (1), mehrere Stunden (0,5), keine Zeiteinsparung (0)
Dabei stellte sich heraus, dass 945 Antwortende (ca. 88 Prozent) die Intra-
net-Plattform als zumindest teilweise hilfreich empnden. Basierend auf der
Annahme, die Antwortoption „mehrere Tage“ mit drei Tagen gleichzusetzen,
beträgt die durch References@BT eingesparte Arbeitszeit im Durchschnitt
0,67 Arbeitstage pro Person und Jahr.
Im Zuge der Nutzerbefragung wurde weiterhin festgestellt, dass der subjektiv
beurteilte Mehrwert mit der Intensität der Nutzung korreliert: Je intensiver Mit-
arbeitende References@BT verwenden, desto höher ist der Mehrwert, welchen
sie daraus erfahren. Abbildung 7 stellt auch diesen Zusammenhang zwischen
der Intensität der Nutzung und dem durch die Mitarbeiter wahrgenommenen
Mehrwert dar.
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Wissensaustausch
Diese Erkenntnis lässt sich auch in die andere Richtung interpretieren: Je größer
der Mehrwert ist, den ein Teilnehmer durch die Nutzung einer Web-2.0-Platt-
form erfährt, umso eher wird dieser Teilnehmer die Plattform erneut nutzen
und umso häuger wird er sie verwenden.
In anderen Worten: Der unmittelbar erzielte Mehrwert ist der wohl bedeu-
tendste intrinsische Motivationsfaktor zur Nutzung von References@BT. Wenn
es also gelingt, viele gute Beiträge (ganz im Sinne von „content that matters is
king“) auf einer Web-2.0-Plattform bereitzustellen, ist ein großer Schritt zum
dauerhaen Erfolg dieser Wissensmanagement-Initiative getan.
5 Schlussbetrachtung
In einem global agierenden Unternehmen können sich Mitarbeitende weltweit
über eine Web-2.0-Plattform kennenlernen und über sogenannte „Communities
of Practice“, also praxisbezogene Gemeinschaen von Personen, welche infor-
mell miteinander verbunden sind und gemeinsame Aufgaben erfüllen (Wenger
1998), vernetzen. Während die damit verbundene Kontaktanbahnung und -pege
durch References@BT stark vereinfacht werden, muss der eigentliche Wissens-
transfer jedoch nicht ausschließlich über die IT-Anwendung stattnden.
Das viel zitierte Schlagwort „Enterprise 2.0“ (Koch/Richter 2010) bedeutet
jedoch nicht nur das Angebot entsprechender IT-Plattformen im Unternehmen.
Enterprise 2.0 bedeutet vielmehr eine Abkehr von traditionellen Rollenmustern
bei der Informationsbeschaung und -verteilung, hin zu einer von der Unter-
nehmensleitung aktiv geforderten und geförderten Kultur des Teilens von Wissen
sowie des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung. Enter-
prise 2.0 steht für Nutzungsoenheit, weil nicht schon von Beginn an klar sein
muss, zu welchem Zweck eine bestimmte IT-Anwendung von Mitarbeitenden
tatsächlich genutzt werden kann. Es kann also durchaus vorkommen, dass sich
der Einsatzzweck dieses Dienstes quasi erst durch die Nutzung manifestiert.
Vor allem jüngere Kollegen setzen das Vorhandensein von Web-2.0-Anwen-
dungen in einem modern ausgerichteten Unternehmen verstärkt voraus. Die
derzeitige Herausforderung für Wissensmanager, Mitarbeitende zur Eingabe von
Beiträgen zu motivieren, könnte bald durch andere Herausforderungen abgelöst
werden: nämlich den Mitarbeitenden nicht nur eine geeignete Web-2.0-Infra-
struktur, sondern auch eine entsprechende Unternehmenskultur zu bieten, um
damit die Voraussetzungen zum selbstständigen und ezienten Wissensarbeiten
zu schaen.
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Wissensaustausch mit Web 2.0 – Ein richtungsweisendes Konzept von Siemens
Literatur
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K a p. 11.i ndd 195 28.04.2011 17: 00:36
196
Wissensaustausch
Autoren
Dr. Johannes Müller arbeitet als Senior Manager Know-
ledge Management bei der Siemens Schweiz AG, Buil-
ding Technologies Division, in Zug (Schweiz). Seit 2005
entwickelt und administriert er die Web-2.0-Plattform
References@BT zum weltweiten Austausch von Wissen
und persönlichen Erfahrungen über das Siemens-Intra-
net. In den Jahren 2000 bis 2004 moderierte er als Global
Editor im zentralen Wissensmanagement-Team von Sie-
mens Com die weltweite Nutzer-Community von Com
ShareNet (früher ICN ShareNet).
Kontakt: j-mueller@siemens.com
Dr. Alexander Stocker beschäigt sich seit 2002 in
Wissenscha und Praxis mit dem Einsatz computerge-
steuerter Informationssysteme in Unternehmen. Der-
zeit beschäigt er sich am Institut DIGITAL bei Joan-
neum Research in Graz (Österreich) mit dem Einsatz
von Web-2.0-Technologien im Wissensmanagement. Im
Rahmen seiner Tätigkeit hält er zahlreiche Vorträge auf
internationalen Fachtagungen. Davor war er als Berater
für Dokumenten- und Wissensmanagement bei DATEV
tätig.
Kontakt: alexander.stocker@joanneum.at
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