Wirft der Online-Journalismus neue moralische Fragen auf? Oder sind es die klassischen Fragen der journalistischen Berufsethik, die jetzt im elektronischen Gewand daherkommen? Wie reagiert der Journalismus auf die moralischen Aspekte des Online-Journalismus? 1 Das Internet wird häufi g als Quelle neuer moralischer Probleme gesehen, während aus medienethischer Perspektive auch viele positive Aspekte zu verzeichnen sind. Zum Beispiel die Interaktivität, die den Journalismus für das Publikum viel zugänglicher macht. Dadurch kann es schneller und einfacher auf Veröffentlichungen von Journalisten reagieren. Die Benutzung von Hyperlinks macht es möglich, ergänzendes Material ins Internet zu stellen. Die vom Journalisten beim Verfassen seines Artikels benutzten Hintergrundinformationen und Dokumente können im Prinzip unbeschränkt zu Rate gezogen werden. Das ist ein Service für das Publikum, denn so kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen und die Journalisten kontrollieren. Auf diese Weise entsteht auch ein transparenter Journalismus, weil das Publikum Einblick in den journalistischen Prozess und das Rohmaterial erhält. Der Journalismus kann jetzt – ohne kostbaren Raum oder Zeit opfern zu müssen – z. B. in einem „Sidebar Link“ die Erwägungen über den Nachrichtenwert und die Verhaltenslinien darstellen und so den Lesern Rechenschaft ablegen. Ein weiterer Pluspunkt des Online-Journalismus ist, dass er von den Mainstream-Medien nicht berücksichtigten Gesichtspunkten volle Aufmerksamkeit schenken kann. Moralische Dilemmas gibt es auch, z. B. das Spannungsverhältnis zwischen Schnelligkeit und Gewissenhaftigkeit. Müssen die traditionellen Standards im Hinblick auf Gewissenhaftigkeit und Vollständigkeit in einer durch Geschwindigkeit gekennzeichneten Online-Umgebung uneingeschränkt aufrechterhalten werden? Und wie verhält es sich mit dem Überprüfen von Informationen? Reicht der Hinweis, dass eine Geschichte inzwischen schon anderswo veröffentlicht worden ist, als Rechtfertigung aus, sie selber auch zu publizieren, ohne zu kontrollieren, ob die Geschichte